Hegels 'Bewegung des Begriffs' zur formallogischen und ... · Einführung in die Thematik vgl. etwa...

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  • Ruhr-Universitt Bochum

    Fakultt fr Philosophie und Erziehungswissenschaft

    Hegels Bewegung des Begris

    Zur formallogischen und analytischen

    Unvertrglichkeit ihrer Darstellungsstze

    Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades

    eines Doktors der Philosophie der Fakultt fr Philosophie und

    Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universitt Bochum

    vorgelegt von

    KLAUS ENGELHARD

    aus HEINSBERGRHLD.

    Dekan: Prof. Dr. Joachim Wirth

    Referent: Prof. Dr. Walter Jaeschke

    Korreferent: Prof. Dr. Christian Thiel

    Tag der mndlichen Prfung: 7. Dezember 2011

    Bochum im Dezember 2012

  • Einleitende Literaturbersicht

    Wenn wir einmal, wie es durchaus hug geschieht, die Rede von der Hegel-schen Dialektik als eine Chire fr etwas der Hegelschen Philosophie Eigen-tmliches verwenden, durch das diese sich von anderen philosophischen oder wis-senschaftlichen Bemhungen abhebt

    eine przisere Bestimmung der Hegelschen

    Dialektik soll im Verlaufe der Ausfhrungen noch gegeben werden, und wenn

    wir uns ferner einmal bis auf Weiteres auch dies ist in unserem Kontext durch-aus blich der unspezischen Rede von d e r formalen Logik zu bedienenerlauben, dann lsst sich das Arbeitsfeld, auf dem sich die folgenden Untersu-chungen bewegen, durch die Angabe zweier Pole charakterisieren: durch den Polder Hegelschen Dialektik einerseits und durch den Pol der formalen Logik an-dererseits.

    Dass zwischen diesen beiden Polen, der Hegelschen Dialektik und der forma-len Logik, ein S p a n n u n g s verhltnis bestehe; dass insbesondere die HegelscheDialektik den von der formalen Logik aufgestellten Satz vom Widerspruch miss-achte, das glaubte man oenbar stets ausmachen zu knnen. So schreibt bereitsknapp vier Jahrzehnte nach Hegels Tod Eduard von Hartmann

    1868

    rck-

    blickend, dass Hegel von jeher ... wegen dieses Punktes, derihm jedenfalls

    unterstelltenAufhebung des Satzes vom Widerspruch, angegrien worden

    seiE. v. Hartmann 1868, 40

    .

    Ohne an dieser Stelle detaillierter darauf einzugehen, was in der traditionel-len Logik unter dem Titel Satz vom Widerspruch gefasst werden kann

    zu einer

    Einfhrung in die Thematik vgl. etwa Gnther Patzig 1974 sowie NicolaAbbagnano 1964

    , lsst sich doch, denke ich, festhalten, dass Hegel selbst dazu

    einldt oder es gar provoziert, ihn in Gegnerschaft zu eben diesem Satz zu sehen.Es wre eher verwunderlich, wenn Hegel n i c h t den Verdacht einer solchen Geg-nerschaft erregte. Ich fhre hier nur an:1. Die erste der Hegelschen Habilitationsthesen

    1801

    lautet: Contradictio

    est regula veri, non contradictio falsiRosenkranz 1844, 156

    .

    In den elliptischen zweiten Teil der These, im Anschluss an Hans FriedrichFulda

    1973

    , 37, die Worte est und regula einfgend, lese ich: Contra-

    dictio est regula veri, non est contradictio regula falsiDer Widerspruch ist

    die Richtschnur des Wahren, nicht ist der Widerspruch die Richtschnur des Fal-schen

    .

    Der zweite Teil der These liee sich dann als direkte Opposition dagegen wer-ten, dass, um mit Kant zu reden, der Widerspruch Erkenntnisse ... gnzlichvernichte

    KdrV B190

    , ein Erkenntnis, welches sich widerspricht, ... falsch ist

    Logik 478.

    Der erste Teil der These formulierte das positive Gegenbild.Die oppositionelle Storichtung des zweiten Thesenteils bliebe erhalten, wennman wie Karl Rosenkranz 1844, 157, und ihm folgend etwa Klaus Dsing1976, 97, statt der Worte est und regula die Worte contradictio und esteinfgt und fr den zweiten Thesenteil erhlt: contradictio non est contradictiofalsi der Widerspruch ist nicht der Widerspruch des Falschen, zu verstehenals: was sich widerspricht, widerspricht sich nicht als etwas, das so falsch ist.

    Eine deutliche Verschrfung erfhrt der zweite Thesenteil, wenn PirminStekeler-Weithofer

    1992a

    , 27, die Worte non und contradictio zu

    noncontradictio kontrahiert und bei wohl zu unterstellender Wiederaufnahme

  • - 3 -

    des Wortes regula aus dem ersten Thesenteil noncontradictio,regula

    falsi

    erhlt der Nichtwiderspruch,die Richtschnur

    des Falschen.

    Nicht nur wre der Widerspruch als die Richtschnur des Falschen abge-schat und als die Richtschnur des Wahren inthronisiert , es wre auchmit dem Nichtwiderspruch ein Nachfolger des Widerspruchs in der Rolle derRichtschnur des Falschen eingesetzt.

    Grnde fr die gegenber Rosenkranz vorgenommene Kontraktion nenntStekeler-Weithofer jedoch nicht. Vgl. auch Stekeler-Weithofer

    1992b

    ,

    168, und1992c

    , Sp. 1205.

    Mglicherweise hat Stekeler-Weithofer sich, ohne ihn zu erwhnen, vonGeorg Lasson leiten lassen, der in der von ihm besorgten Ausgabe Georg Wil-helm Friedrich Hegel. Erste Druckschriften, 405, die erste Habilitationsthese wiefolgt bersetzt: Der Widerspruch ist die Regel fr das Wahre, der Nichtwider-spruch fr das Falsche. Die von Lasson gebotene lateinische Fassung der The-se kontrahiert dennoch die Worte non und contradictio n i c h t . GegenberRosenkranz ist lediglich zwischen die beiden letzten Worte ein Komma einge-fgt: Contradictio est regula veri, non contradictio, falsi, vgl. ebd. 404.

    Der erste Teil der Habilitationsthese fasst nur konzis, was die kurz zuvor fer-tiggestellte Dierenzschrift

    vgl. Heinz Kimmerle 1967, 139, 148

    so entfaltet

    hatte: Wenn man blo auf das Formelle der Spekulation reektiert ... , so ist dieAntinomie, der sich selbst aufhebende Widerspruch, der hchste formelle Aus-druck des Wissens und der Wahrheit

    D28

    .Die Dierenzschrift weist auch ebd.

    tatschlich die fr Hegel ungewhnliche Rede vom Nichtwiderspruch auf.

    Der Skeptizismusaufsatz1802

    fhrt dann aus, dass ein Vernunftsatz sich

    in zwei sich schlechthin widerstreitende auflsen lsst, in sich selbst nmlichund den ihm kontradiktorisch entgegengesetzten, so dass etwa mit dem SatzGott ist Ursache auch der Satz Gott ist nicht Ursache behauptet werden kannSk49

    . Der sogenannte Satz des Widerspruchs sei daher so wenig auch nur von

    formeller Wahrheit fr die Vernunft, dass im Gegenteil jeder Vernunftsatz ... einenVersto gegen denselben enthalten mu. Es gelte fr jede echte Philosophie,dass sie den Satz des Widerspruchs ewig aufhebt

    ebd.

    .

    2. Im zweiten Buch des ersten Bandes der Wissenschaft der Logik , der Lehrevom Wesen

    1813

    , heit es ber den Satz der Identitt oder des Widerspruchs

    der Satz des Widerspruchs ist fr Hegel nur der andere Ausdruck desSatzes der Identitt

    W32

    II31

    , dass er kein Denkgesetz, sondern viel-

    mehr das Gegenteil davon seiW33

    II32

    . Entsprechend uert sich noch die

    dritte Ausgabe der Enzyklopdie1830

    , vgl. ebd. 115 Anm.

    berhaupt seien die me h r e r e n S t z e, die als a b s o l u t e D e n k g e s e t-z e aufgestellt werden, ... nher betrachtet, e i n a n d e r e n t g e g e n g e s e t z t,sie widersprechen einander und heben sich gegenseitig auf

    W26

    II25; Sperrun-

    gen im Original. Auch dieser Gedanke ndet noch seine Entsprechung in der

    Enzyklopdie1830

    vgl. ebd.

    .

    3. Ebenfalls der Lehre vom Wesen1813

    zu entnehmen ist, dass so, wie etwa

    die wesentliche Bestimmung der I d e n t i t t in dem Satz A l l e s i s t s i c hs e l b s t g l e i c h ausgesprochen wird

    W25

    II24

    , noch vielmehr ... d e r W i -

    d e r s p r u c h in einen Satz gefasst und gesagt werden solle: A l l e D i n g es i n d a n s i c h s e l b s t w i d e r s p r e c h e n d1

    W59

    II58; smtliche Sperrun-

    gen im Original.

    Es sei eines der Grundvorurteile der bisherigen Logik und des gewhnlichenVorstellens, als ob der Widerspruch nicht eine so wesenhafte und immanenteBestimmung sei als die Identitt

    W60

    II58

    . Es sei sogar der Widerspruch

    gegenber der Identitt fr das Tiefere und Wesenhaftere zu nehmenebd.

    .

    Auch in diesem Punkt fhrt noch die Enzyklopdie1830

    die Wissenschaft

    der Logik fort: In allen Gegenstnden aller Gattungen, in allen Vorstellungen,

    1 Bei diesem Satz handelt es sich n i c h t um den von Hegel zuvor in W32II31

    als Satz des Widerspruchs gefhrten Satz! Vgl. weiter unten S. 77f.

  • - 4 -

    Begrien und Ideen bende sich die Antinomie, heit es dort48 Anm.

    , es

    sei berall gar nichts, worin nicht der Widerspruch, d. i. entgegengesetzte Be-stimmungen aufgezeigt werden knnen und mssen

    89 Anm.; Kursivsetzungen

    jeweils im Original.

    Ob nun tatschlich die Hegelsche Dialektik dem formallogischen Satz vomWiderspruch die Anerkennung verweigere; ob insbesondere die Hegelsche Dia-lektik formallogische Widersprche in Anspruch nehme, dies sei, in einer ersten,groben Fassung formuliert, die Fragestellung der Arbeit.

    Dass diese Fragestellung auch heute kaum als beantwortet gelten kann undder Dissens, was eine Beantwortung anbelangt, gro ist, zeigt

    abereits ein ch-

    tiger Blick in die entsprechenden Artikel zeitgenssischer philosophischer Nach-schlagewerke sowie

    bein berblick ber die entsprechende, Hegel rezipierende

    Literatur.

    Zua:

    Die Encyclopedia of Philosophy stellt in ihrem Artikel DialecticII 385--389, Autor: Roland Hall

    mit Bezug auf Hegels contradictions in

    thought, nature and society fest: They are not contradictions in formal logicbut conceptional inadequacies

    ebd. 388

    .

    Dieselbe Encyclopedia of Philosophy ist sich in ihrem Artikel HegelIII 435--451, Autor: H. B. Acton

    da nicht so sicher. Dass man vielleicht doch

    sagen muss, dass Hegel das Widerspruchsprinzip abgelehnt hat, mchte sie hiernicht ganz ausschlieen

    vgl. ebd. 443f

    . Sie gibt dann zu bedenken: If Hegel

    had rejected the principle of contradiction in the sense that that principle isunderstood by formal logicians, his case would indeed be serious

    ebd. 444

    .

    Der Grund: It follows from the rejection of this principle that any propositioncan be true and false

    ebd.

    . Eine abschlieende Beurteilung wird nicht gegeben

    vgl. ebd. 443f

    .

    Die Enciclopedia losoca hlt es in ihrem Artikel Contraddizione, principiodi

    II Sp. 33--36, Autor: Ugo Viglino

    fr verfehlt, bei Hegel una vera e propria

    negazione del principio di contraddizione zu sehen: Nella dialettica hegelianai contrari non s t a n n o veramente insieme ... : il reale non nella contraddizio-ne ma p a s s a attraverso di essa

    ebd. Sp. 35

    . Es wird ausdrcklich erklrt,

    dass Hegels Widerspruch nicht zu verstehen sei als l'attribuzione a un identicopermanente soggetto di predicati incompatibili l'un l'altro

    ebd.

    .

    Eben diese Enciclopedia losoca unterscheidet dagegen in ihrem ArtikelDialettica

    II Sp. 418--438, Autor: Gaetano Capone Braga

    : Se per dialetti-

    ca s'intende la logica formale astratta, Hegel, come Aristotele, ammette che peressa valga il principio di non-contraddizione; ma se si intende la dialettica concre-ta o dello spirito, implicante l' identicazione degli opposti, la dialettica hegeliana del tutto contraposta a quella aristotelica

    ebd. Sp. 430

    .

    Das Historische Wrterbuch der Philosophie urteilt in seinem ArtikelLogik,

    spekulativ-

    dialektische I

    V Sp. 389--398, Autor: Walter Jaeschke

    ,

    dass Hegels spekulativ-dialektische Logik den Widerspruch ... nicht im Sin-

  • - 5 -

    ne einer allgemeinen Aufhebung des Widerspruchsverbots verstehe, rumt aberein, dass Hegels Polemik gegen die Denkgesetze der formalen Logik dieses Mi-verstndnis begnstigt

    ebd. Sp. 391

    .

    Diesem Miverstndnis erlegen wre die Enzyklopdie Philosophie undWissenschaftstheorie, wenn sie in ihrem Artikel Logik, dialektische

    II 642f,

    Autor: Peter Heister-Schroedervon dem in der Hegelschen Logik abgelehnten

    Widerspruchsprinzip sprichtvgl. ebd., 642

    .

    Fr die Europische Enzyklopdie zu Philosophie und Wissenschaften,Artikel Widerspruch, dialektischer

    IV 855--866, Autor: Jindich Zelen

    , ver-

    tritt Hegel die Ansicht, dass jedem Dinge, insofern es als Glied des selbstbe-wegenden Gesamtzusammenhangs aufgefat wird, ... entgegengesetzte, d. i. wi-dersprechende Prdikate

    Bestimmungen

    zukommen

    ebd. 858

    . Hegel melde

    damit Protest gegen den Kantschen Satz des Widerspruchs an KeinemDinge kommt ein Prdikat zu, welches ihm widerspricht

    KdrV B190

    , der

    die Unmglichkeit des Zusammenbestehens einer und der entgegengesetzten Be-stimmung an ein und demselben Gegenstande formuliere

    Europ. Enz., ebd.

    .

    Hegels Dinge gerieten dennoch nicht zum nihil negativumvgl. ebd.

    ,

    d. h., mit Kant zu reden, zum Unding oder zum UnmglichenKdrV

    B348. Es sei durchaus ein positiver Inhalt vorhanden

    Europ. Enz. ebd., 859

    .

    Das Handbook of Metaphysics and Ontology, Artikel Dialectics. II: Dialecticsand Inconsistency

    I 216--218, Autor: Lorenzo Pea

    , attestiert Hegel the ...

    thesis of the contradictoriness of the worldebd. 217

    bzw. the ... view that

    there are contradictory truthsebd. 218

    .

    Das uneinheitliche Bild, das die angefhrten Nachschlagewerke zum Themabieten und durch das sie weniger eine erste Orientierung verschaen als Verwir-rung auslsen , ndet sich ebenso in der sich zum Thema uernden Literatur.

    Zub:

    Der folgende berblick ber eben diese Literatur beansprucht angesichts vonderen Flle nicht im Geringsten Vollstndigkeit. Auf Vollstndigkeit kann aberwohl auch verzichtet werden. Es kommt eher darauf an zu demonstrieren, dass imWesentlichen auf eine dreifache Weise zur Frage der Arbeit Stellung genommenwird. Die Stellungnahmen

    von denen wir wenigstens die erste und die dritte bei

    der Vorstellung der Nachschlagewerke bereits kennengelernt habensind:

    1. eine Ja-Stellungnahme die Hegelsche Dialektik verweigere dem formal-logischen Satz vom Widerspruch die Anerkennung und nehme formallogischeWidersprche in Anspruch;

    2. eine eingeschrnkte Nein-Stellungnahme die Hegelsche Dialektik ver-weigere keineswegs dem formallogischen Satz des Widerspruchs die Anerkennung,nehme aber v o r b e r g e h e n d formallogische Widersprche

    bis zu ihrer Auf-

    lsungin Anspruch;

    3. einereine

    Nein-Stellungnahme die Hegelsche Dialektik verweigere kei-

    neswegs dem formallogischen Satz vomWiderspruch die Anerkennung und nehmeauch keine formallogischen Widersprche in Anspruch.

  • - 6 -

    Die unsererseits vorgetragene Dreiteilung der Stellungnahmen unterscheidetsich von der vergleichbaren Einteilung Andries Sarlemijns

    1971

    , 81--95,

    hauptschlich durch die Prolierung der mittleren Stellungnahme, der einge-schrnkten Nein-Stellungnahme. Die Ja- und die Nein-Stellungnahme drftengrosso modo Sarlemijns Erster und Dritter Deutung entsprechen

    vgl. ebd.

    .

    Auch Sarlemijn gibt seine bersicht als unvollstndig anvgl. ebd., 82

    .

    Er bercksichtigt allerdings ausfhrlicher, als wir es tun werden, die Litera-tur des 19. Jahrhunderts

    vgl. auch seine historisch orientierte Einleitung, ebd.

    6--12. Dafr lsst er eine Galionsgur wie Karl Popper, aber auch etwa Ernst

    Bloch auer Acht.

    Es muss nicht eigens betont werden, dass eine Einteilung wie die anvisiertevielleicht nicht immer ganz aufgeht, sei es, dass die Position eines Autors zu we-nig fassbar oder inkohrent ist, sei es, dass die Einteilung an ihre Grenzen stt.Auch mag eine unbemerkt fehlerhafte Einordnung der Grund sein.

    1. Die Ja-Stellungnahme

    Dass die Ansicht, Hegel stehe nicht hinter dem Satz vom Widerspruch derformalen Logik und habe keine Scheu vor formallogischen Widersprchen, nichtaus der Luft gegrien ist, sondern auf deutliche Anzeichen verweisen kann, ha-ben wir gesehen

    vgl. oben S. 2f

    . Das Odium logischen Widersinns um diese

    Wendung Dieter Henrichs einmal aufzugreifenHenrich 1976, 230

    drfte

    Hegel nicht zu Unrecht anhaften.Die Autoren der Ja-Stellungnahme b e h a u p t e n nun bei Hegel den lo-

    gischen Widersinn. Sie tun dies entwedera, ohne sich um mgliche negative

    Konsequenzen fr Hegel zu bekmmern, oderb, indem sie desastrse Konse-

    quenzen fr Hegel abweisen, oderg, indem sie gerade im Gegenteil desastrse

    Konsequenzen fr Hegel ins Feld fhren.

    a Mgliche negative Konsequenzen fr Hegel werden ausgeblendet

    Jan ukasiewicz legt in seinem Aufsatz Aristotle and the Law of Contra-diction, in dem er sich, wenn auch nur beilug, zu Hegel uert, Folgendeszugrunde: Aristotle formulates the Law of Contradiction in three ways, as anontological, a logical and a psychological law

    ukasiewicz 1979, 50f

    . Die psy-

    chologische Formulierung des Law of Contradiction sieht ukasiewiczin Aristoteles, Metaphysik IV 3, 1005 b 23f: dnaton ... ntinon tatnpolambnein enai ka m enai

    Es ist unmglich, dass jemand annehme, das-

    selbe sei und sei nicht vgl. ebd., 51

    . ukasiewicz versteht die psychologische

    Formulierung so, dass sie besagt: Two beliefs which answer to two contradictorysentences cannot exist at the same time in a single consciousness

    ukasiewicz

    ebd..ukasiewicz bezweifelt nun, dass dieses psychological Law of Contradic-

    tion berhaupt veriziert werden kann. Er macht geltend: There have beenenough cases in the history of philosophy where people have consciously anddeliberately asserted contradictory sentences at the same time

    ebd. 53

    . Neben

  • - 7 -

    den eristic thinkers of the old Megarian school2 fhrt er als Beleg Hegel anvgl. ebd., 53, 60

    . Die folgende Stelle derWesenslogik, die der dritten Anmerkung

    zu den Ausfhrungen ber den Widerspruch entstammt und die einen Konnexzwischen

    raum-zeitlicher

    Bewegung und Widerspruch herstellt, sei, so uka-

    siewicz, ein gutes Beispiel fr das, was er meine:

    Es bewegt sich etwas nur, nicht indem es in diesem Itzt hier ist undin einem anderen Itzt dort, sondern indem es in einem und demselbenItzt hier und nicht hier, indem es in diesem Hier zugleich ist und nichtist. Man mu den alten Dialektikern die Widersprche zugeben, diesie in der Bewegung aufzeigen, aber daraus folgt nicht, da darum dieBewegung nicht ist, sondern vielmehr da die Bewegung der d a s e i -e n d e Widerspruch selbst ist.

    W61

    II59

    ukasiewicz fasst Hegel hier also oenbar so auf, dass dieser, um anzu-geben, dass ein Gegenstand g sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bewegt, zueben diesem Zeitpunkt auf kontradiktorisch entgegengesetzte Stze zurckgreift,auf die Stze

    Der Gegenstand g ist hierund

    Der Gegenstand g ist nicht hier

    wobei das indexikalische hier ein und dieselbe Raumstelle bezeichnet

    .

    Dass Hegel wissentlich und mit Bedacht zu ein und demselben Zeit-punkt auf kontradiktiorisch entgegengesetzte Stze zurckgreift, ergbe sich ausseiner gegen die alten Dialektiker vorgebrachten Kritik, dass sie die Bewegungwegen der mit ihr verbundenen Widersprche leugnen, statt die Bewegung zu-zugeben und sie als widersprchlich mit Hegels Worten: als der d a s e i -e n d e Widerspruch zu akzeptieren.

    Dass ein sich bewegender Krper in demselben Orte zugleich ist und nicht ...ist, lehrt auch die Naturphilosophie der Enzyklopdie

    ebd. 298

    . Und:

    Bewegung heit aber: an diesem Orte sein und zugleich nicht fhren des Wei-teren ebenso die Vorlesungen ber die Geschichte der Philosophie in ihrem Ab-schnitt ber Zenon von Elea aus

    GPhI314

    .

    Mit den alten Dialektikern drften denn auch die Eleaten, insbesondereder genannte Zenon gemeint sein. Fr die Vorlesungen ber die Geschichte derPhilosophie markieren die Eleaten den Anfang der Dialektik

    ebd. 275

    .

    Zenon wird eigens noch einmal als der Anfnger bzw. als der Urheber derDialektik hervorgehoben

    ebd. 295, 301

    . Vgl. auch die in der vorausliegenden

    Seinslogik anzutreende Rede von den dialektischen Beispielen der alten e l e a -t i s c h e n S c h u l e, besonders die B ew e g u n g betreend

    S207

    I191, auch

    schon S1140sowie das Statement der nachfolgenden Begrislogik, es habe die

    ltere eleatische Schule ... vornehmlich ihre Dialektik gegen die Bewegung ange-wendet

    B292

    II492

    .

    2 Diese traditionelle, an Diogenes Laertios und an die Suda anknpfende Auf-fassung, es seien die Eristiker der Megarischen Schule zuzuschlagen bzw. mit ihrzu identizieren, ist seit David Sedley

    1977

    in Zweifel gezogen. Vgl aber dazu

    Klaus Dring1989

    .

  • - 8 -

    Fr Richard Kroner1924

    gilt, dass das

    Hegelsche

    spekulative Den-

    ken sich widersprichtKroner ebd., 320f

    , dass es ein gegen die Wider-

    spruchslosigkeit protestierendes Denken istebd. 321

    . Der spekulative

    Widerspruch ist der laute Protest ... gegen den Richterspruch der formalenLogik

    ebd.

    .

    Wenn Kroner an die Adresse der formalen Logik gerichtet davon spricht,dass der spekulative Widerspruch ... , die Wahrheit der formalen Widerspruchslo-sigkeit verneine

    ebd.

    oder dass die bloe Widerspruchslosigkeit ... keine Wahr-

    heit seiebd. 320

    , dann knnte man die Ansicht heraushren, dass die formale

    Logik mit der Widerspruchslosigkeit eines Urteils auch dessen Wahrheit fr gege-ben halte. Dieser Ansicht gegenber, bei der es sich um ein grobes Missverstndnishandelte, wre etwa mit Kant darauf hinzuweisen, dass es die ... nur negativeBedingung aller unserer Urteile berhaupt ist, da sie sich nicht selbst wider-sprechen

    KdrV B189, Herv. von mir

    . Urteile, die sich selbst widersprechen,

    sind an sich selbst ... nichtsebd. B190

    . Es kann aber ein Urteil bei allem

    dem, da es von allem inneren Widerspruche frei ist, doch entweder falsch odergrundlos sein

    ebd.

    .Dass in diesem Punkt der Bedeutung der Widerspruchs-

    losigkeit von Urteilen fr die formale Logik tatschlich Unsicherheit anzutreenist, belegt Ludwig Feuerbach 1829

    30, 139. Seine Ausfhrung zum Satz der

    Identitt oder des Widerspruchs resmierend, beginnt er: Was sich widersprichtist ... falsch, was sich nicht widerspricht, wahr, fhrt dann aber korrigierend fort:oder wenigstens, wie die Logiker es theilweise modicieren: was wahr ist und seinsoll, darf sich nicht widersprechen, wenn auch nicht umgekehrt Das, was sich nichtwiderspricht, dewegen schon wahr ist.

    Kroner kann nun, denke ich, so verstanden werden, dass der spekulativeWiderspruch, der die Wahrheit der formalen Widerspruchlosigkeit verneint, dieWahrheit des Satzes vom Widerspruch der formalen Logik verneint so dass mitder Widerspruchslosigkeit der eben sie formulierende Satz vom Widerspruch ge-meint wre. Dass die bloe Widerspruchslosigkeit ... keine Wahrheit ist, wredann so zu lesen, dass der Satz vom Widerspruch kein wahrer Satz ist. Und dassdas spekulative Denken ein gegen die Widerspruchslosigkeit protestierendesDenken ist

    vgl. oben

    , htte man so zu nehmen, dass es ein gegen den Satz vom

    Widerspruch protestierendes Denken ist.Im brigen scheint Kroner zufolge der laute Protest des spekulativen

    Widerspruchs weniger der Widerspruchslosigkeit bzw. dem Satz vom Wider-spruch zu gelten dem Richterspruch der formalen Logik als vielmehr derFormalitt des Denkens

    Kroner ebd., 321

    , das die formale Logik betreibt, der

    formalen Logik also als einem formalen Denkenebd.

    oder als einer formalen

    Disziplin berhauptvgl. ebd., 320f

    .

    Kroner verwahrt sich im Anschluss an Adolf Phaln1912

    , 173 ,

    dagegen, so, wie Rosenkranz und andere Hegelianer es versucht htten,das Paradoxe der dialektischen Methode dadurch zu mildern, dass man erklrt,der Widerspruch, den Hegel zum Mittel der Erkenntnis mache, behaupte nichtdas Zusammengelten zweier Stze wie A ist B und A ist nicht B, sondern dieGeltung des Satzes A ist non-B neben derjenigen des Satzes A ist B

    Kroner

    ebd., 351. Kroner bringt vor und auch hier orientiert er sich an Phaln

    vgl. Phaln ebd.

    , dass das limitative Urteil A ist non-B ... das negative

    A ist nicht B in sich enthalteebd. 352

    . Mit dem Stzepaar

  • - 9 -

    A ist B, A ist non-B

    wrde also auch das Stzepaar*

    A ist B, A ist nicht B

    behauptet. Und diese Stze, die Stze A ist B und A ist nicht B, dieKroner als A ist alles, was das B ist respektive als A ist alles, was das Bnicht ist versteht

    vgl. ebd., 351f

    , widersprechen sich allerdings

    ebd. 352

    3.Kroner sieht das spekulative Denken noch ein weiteres Paar sich wider-

    sprechender Stze prsentieren: die Stze A ist A und A ist non-Avgl. ebd.,

    353.

    Der Widerspruch der Stze A ist A und A ist non-A ergbe sich aus demWiderspruch der unter

    *

    genannten Stze, wenn man 1. B als non-A auffasste

    so Kroner selbst, vgl. Kroner ebd., 350, 354f , 2. in den Stzen unter*

    dann B durch non-A ersetzte so dass man das StzepaarA ist non-A, A ist nicht non-A

    erhielte , und 3. ansetzte, dass von A ist nicht non-A auf A ist A geschlossenwerden darf, so dass man das Stzepaar

    A ist non-A, A ist Abzw.

    A ist A, A ist non-Aerhielte.

    Wenn man ohnehin A ist A vorgibt, gengte es, auf A ist B zurck-

    zugreifen und der Rekurs auf A ist B knnte entfallen.

    Es ist das im A gesetzte oder begrenzte Selbst, das wie es in den StzenA ist A und A ist non-A zum Ausdruck kommt zugleich A und non-Aist

    Kroner ebd., 353

    . Das Selbst kann sich nur erhalten, indem es die-

    sen Widerspruch zugleich bejaht und verneint, so dass der Widerspruchals bejahter unabtrennlich zum Selbst gehrt

    ebd. 324

    . Dass das Selbst

    auf der einen Seite sich nur im Denken erhlt, wenn es widerspruchslos denktund den Widerspruch verneint, nur auf A ist A rekurriert und A ist

    non-A fallen lsst , auf der anderen Seite aber nur durch Verletzung desSatzes des Widerspruchs ... sich selbst denken kann und den Widerspruchbejaht, neben A ist A auch A ist non-A beansprucht , ist die grte Para-doxie, die je ausgesprochen worden ist

    ebd.

    4.Was nun die Auflsung des Widerspruchs anbelangt

    vgl. Kroner ebd.,

    320, so scheintKroner eine Auflsung des zuerst vorgefhrten Widerspruchs

    der Stze A ist B und A ist nicht B nicht ins Auge zu fassen. Und von ei-ner Auflsung des Widerspruchs der Stze A ist A und A ist non-A kann

    3 Whrend Kroner vom Widerspruch zunchst so zu sprechen schien, dass erder Widerspruch eines einzigen Satzes ist, der sich selbst widerspricht, arbeiteter nun unzweideutig mit einem Widerspruch, der derjenige zweier, sich einanderwidersprechender Stze ist.4 Ich kannKroner nur so verstehen, dass er das Denken des Selbsts unmerklichdie Rolle des Hegelschen spekulativen Denkens hat einnehmen lassen. Vgl.dazu Kroner ebd., 319--324, im Zusammenhang.

  • - 10 -

    in summa n i c h t die Rede sein. Zwar wird dieser Widerspruch, sofern dasSelbst sich erhlt, verneint, er wird aber ebensogut, sofern das Selbstsich erhlt, bejaht. Dieser Widerspruch, der vom Selbst unabtrennlichist, erhlt sich solange, wie sich das Selbst erhlt. Der laute Protest desspekulativen Widerspruchs nun als der Widerspruch der Stze A ist Aund A ist non-A gefasst , der dem Richterspruch der formalen Logik bzw.dem Satz vom Widerspruch gilt, ist so wenig vorbergehend, wie es das Selbstist, und so dauerhaft, wie es dieses ist.

    Wenn es bei Kroner heit, dass das Selbst den Widerspruch aufhebt,indem es A und non-A vereinigt oder das Ganze setzt, das A und non-A zuMomenten seiner selbst hat

    Kroner ebd., 359

    wobei das Selbst s i c h als

    das Ganze setzen drfte, das A und non-A zu Momenten seiner selbst hat ,so ist dies im Rahmen dessen, was wir bei Kroner ausgemacht und vorgestellthaben, nicht einsichtig:

    1. Der Widerspruch der Stze A ist A und A ist non-A wird verneintoder aufgehoben, indem der Satz A ist A zurckbehalten, der Satz A istnon-A aufgegeben wird

    s. o.

    . Non-A ist daher nicht mehr im Spiel und kann

    nicht mit A vereinigt werden oder Moment eines Ganzen sein.2. Angenommen, es sei damit, dass A und non-A vereinigt werden oder

    dass das Selbstqua A

    das Ganze mit den Momenten A und non-A ist,

    nichts anderes gemeint, als dass das Selbstqua A

    zugleich A und non-A ist

    Kroner legt das sicher nahe, wenn er vom Selbst schreibt, es sei zugleichA und non-A, und nur in der Vereinigung beider es selbst

    ebd. 353

    . Dann

    wird der Widerspruch der Stze A ist A und A ist non-A, die eben zumAusdruck bringen, dass das Selbst

    qua A

    zugleich A und non-A ist

    s. o.

    ,

    durch die Vereinigung von A und non-A oder dadurch, dass das Selbstqua A

    das Ganze der Momente A und non-A ist, g e r a d e b e j a h t und

    n i c h t verneint oder aufgehoben.Ein anderes Verstndnis der Vereinigung von A und non-A oder der Ganz-

    heit des Selbsts nun, demzufolge es berdies verneint oder aufgehoben wre,dass die Stze A ist A und A ist non-A in Geltung sind bzw. dass das Selbstqua A

    zugleich A und non-A ist, wurde, wenn ich recht sehe, nicht geboten.

    Fasst man den Widerspruch zwischen dem Sein und dem NichtsKro-

    ner ebd., 443als den Widerspruch der Stze Sein ist Sein und Sein ist

    nicht-Sein auf Nichts wre als non-Sein bzw. nicht-Sein behandelt ,dann wrde der Widerspruch zwischen dem Sein und dem Nichts auf die Weisegelst, dass der Satz Sein ist Sein beibehalten, der Satz Sein istnicht-Sein zurckgezogen wrde. Inwiefern es nun das Werden sein soll, dasden Widerspruch zwischen dem Sein und dem Nichts ... lst

    ebd.

    , ist, soweit

    ich sehen kann, nach Magabe des von Kroner Vorgebrachten nicht nachvoll-ziehbar.

    Entsprechend ungeklrt bliebe auch, inwiefern das Sein, wenn es oenbarim Hinblick auf den Widerspruch zwischen Sein und Wesen als der sich auf-hebende Widerspruch zu begreifen ist

    vgl. ebd., 447

    , nicht einfach gem dem

    Satz Sein ist Sein als Sein, sondern als Begri zu begreifen istvgl. ebd.

    .

    Kroners Rede davon, dass die Dialektik d e r z u r M e t h o d e g em a c h t eI r r a t i o n a l i s m u s selbst sei

    Kroner ebd., 272, Sperrung im Original

    Kroner spricht auch vom dialektischen Irrationalismusebd. 312, vgl. a.

    ebd. 282

    oder sein berhmt gewordenes Diktum, es sei Hegel o h n e Zw e i -f e l d e r g r t e I r r a t i o n a l i s t, den die Geschichte der Philosophie kenntebd. 271, Sperrung im Original

    sind wohl anders, als man denken knnte, nicht

  • - 11 -

    oder jedenfalls nicht in erster Linie auf den oben ausgefhrten Umstand gemnzt,dass der spekulative Widerspruch ein Widerspruch der Stze A ist B undA ist nicht B bzw. der Stze A ist A und A ist non-A ist und zumindest imzweitgenannten Falle, im lauten Protest ... gegen den Richterspruch der forma-len Logik, den Satz vom Widerspruch, solange aufrechterhalten wird, wie es dasSelbst wird

    vgl. Kroner ebd., 267--272, 282, 285f, 311--313

    .

    Nicolai Hartmann1929

    zufolge lehrt die formale Logik ... , da der Wi-

    derspruch im Reich des Gedankens und seines Gegenstandes nicht Raum hat,dass das Denken ... unfhig ist, Widersprechendes von einem Identischen geltenzu lassen

    N. Hartmann ebd., 393

    . Der Gesetzesausdruck fr diese Unfhig-

    keit sei der sogenannte Satz des Widerspruchs, der seit Aristoteles ... alsGrundgesetz der Logik gelte und dessen krzeste Formel lauten drfte: A istnicht non-A

    ebd.

    .

    Wenn N. Hartmann den Satz des Widerspruchs, der die Unfhigkeitausdrcke, Widersprechendes von einem Identischen gelten zu lassen, mit Ari-stoteles in Verbindung bringt, dann wird er an Aristoteles Metaphysik,1005 b 19f, denken: t ... at ma prqein te ka m prqein dnaton tat ka kat t at

    Es ist unmglich, dass dasselbe demselben und in der-

    selben Beziehung zugleich zukommt und nicht zukommt. Die Dativwendung

    t atdemselben

    wre von N. Hartmann mit dem Identischen bersetzt

    worden. Nicht zu sehen ist allerdings, was N. Hartmann doch zu insinuierenscheint, dass die Formel A ist nicht non-A sei es die angegebene oder eine deranderen von Aristoteles vorgelegten Fassungen des Satzes des Widerspruchsformuliert

    vgl. neben Metaphysik 1005 b 19f etwa ebd. 996 b 29f, 1011 b 13,

    Anal. pr. 51 b 20, 53 b 15f, Anal. post. 77 a 10.

    Die Formel A ist nicht non-A verweist sicherlich auf G. W. Leibniz undChristian Wolff zurck

    vgl. Leibniz, Nouv. Ess., I, 1, 18

    S. 36

    , ebd. IV,

    2, 1S. 240

    ; Cl. 355; C 518; Wolff, Log. 271

    . Aber auch bei Leibniz und

    Wolff formuliert diese Formel n i c h t den Satz des Widerspruchs bzw. dasprincipe de contradiction oder das Principium Contradictionis

    vgl. Leibniz,

    Nouv. Ess. IV, 2, 1S. 240

    , Cl ebd.; Wolff, Ont. 29

    .

    Die Fassungen des Satzes des Widerspruchs bei Aristoteles rekurrieren inder Formulierung dessen, was sie fr unmglich erklren, letztlich auf z w e iStze

    t at ... prqein te ka m prqein, Metaphysik 1005 b 19f dass et-

    was zukommt und dass es nicht zukommt; katafnai ka pofnai, ebd. 1011 b20f dass man etwas zuspricht und dass man es abspricht; t at ... enai te kaok enai, Anal. pr. 53 b 15 dass etwas ist und dass es nicht ist; etc.

    . Ebenso

    verhlt es sich mit den Fassungen des Satzes des Widerspruchs bei Leibniz undWolff

    qu'une Enontiation ne sauroit etre vraye et fausse ... , Leibniz, Cl.

    ebd., vgl. Nouv. Ess. ebd. dass ein Satz wahr ist und dass er falsch ist; ilest impossible, qu'une chose soit et ne soit pas ... , ders., Nouv. Ess. I, 4, 18dass etwas ist und dass es nicht ist; eri non potest, ut idem ... sit & non sit,

    Wolff, Ont. ebd. dass etwas ist und dass es nicht ist; ... eri non possit,ut idem praedicatum ... conveniat & non conveniat, ders., Log. 529 dass einPrdikat zukommt und dass es nicht zukommt

    .

    In der Formel A ist nicht non-A dagegen ist es e i n Satz der Satz A istnon-A , der negiert wird.

    Als Principium contradictionis wird die Formel A ist nicht non-A beiChristoph Sigwart

    1924

    , 188, 192f

    23

    bezeichnet.

    Sigwart hat genau-

    er: A ist nicht nonA.Anders als N. Hartmann unterscheidet Sigwart je-

    doch diese Formel bzw. das in ihr gefasste Principium contradictionis deutlichvom Satz des Widerspruchs bei Aristoteles

    vgl. ebd.

    . Der aristotelische

  • - 12 -

    Satz sage etwas wesentlich anderesvgl. dazu ebd. 188, 193

    . Sigwart han-

    delt sich so die Merkwrdigkeit ein, dass er neben demaristotelischen

    Satz

    des Widerspruchs ein Principium contradictionis erhlt, das von diesem Satzdurchaus verschieden ist

    ebd. 193

    .Dass bei Leibniz die Formel A ist nicht

    non-A als Principium contradictionis vorgelegt werde, wie Sigwart ebd.,192f, ohne Beleg unterstellt, wird man nicht zugeben knnen, vgl. oben.

    In der Dialektik werde nun gerade von Schritt zu Schritt ... Widerspre-chendes von einem und demselben ausgesagt

    N. Hartmann ebd., 393

    . Der

    Satz des Widerspruchs ist allgemeinebd.

    . Die Aufhebung dieses Satzes bzw.

    die Position oder die Realitt des Widerspruchs msste in der Formel A istnon-A ausgesprochen werden

    ebd.

    .

    Charakteristisch fr N. Hartmann ist der Gedanke, dass eine Antinomie,die sich lst, ... gar keine echte Antinomie ist

    ebd. 398; vgl. a. ders. 1923, 226,

    243. Antinomien seien Problemgehalte, die schon in ihrer Form den Stempel

    der Unlsbarkeit an der Stirn tragenders. 1923, 243

    . Ein Widerstreit, der sich

    als auflsbar erweist, war ... eben irreal, Tuschungebd.

    .Von Antinomie,

    Widerspruch und Widerstreit spricht N. Hartmann in gleicher Bedeutung.

    Hegels Antinomien, wenn sie auch keineswegs durchgehend echt seien,vielmehr in der Phnomenologie oder den spteren Teilen des Systems, weni-ger in der Logik, lsbar, also unecht sein knnen

    vgl. ders. 1929, 401

    , seien

    doch stets als echte gemeint, der Widerspruch von These und Antithese gilt alsreal und durchaus unvernichtbar

    ebd. 398

    . Der Hegelsche Widerspruch ist

    als einer konzipiert, der sich erhltebd. 393

    .

    N. Hartmann1923

    hatte noch ganz entgegengesetzt dahingehend geurteilt,

    dass Hegel es wie ein Dogma hinnehme, da alle Antinomien lsbar sindN. Hartmann 1923, 225

    . Hegel sei dem alten Vorurteil wieder verfallen,

    Probleme nur soweit gelten zu lassen, als man sie lsbar ndetebd. 243

    .

    Bereits die Aporetik des Aristoteles habe dieses Vorurteil radikal durch-brochen, indem sie auch solche Probleme als zu Recht bestehend erkannthabe, die unlsbar waren, ebd.

    Hegel postuliert die Lsung, ... auch wo sie in der Sache nicht liegtebd.

    244. Entsprechend ist der Hegelschen Dialektik zu attestieren, dass sie so oft

    Lsungen nur vortuschtebd. 223

    .

    Fazit: Hegel lsst den Widerspruch, wo er ihm realiter begegnet, ... nichtals solchen gelten, er fgt sich ... immer wieder dem Satz des Widerspruchsebd.

    .

    Der Widerspruch erhlt sich, weil die Synthese eine eigentliche, wrt-lich verstandene Synthesis ist, in der nichts vernichtet wird, sondern alles sozueinander und gegeneinander gefgt wird, da es zusammen bestehen kannN. Hartmann 1929, 398

    . Die Synthese nimmt in aller Form das Wider-

    sprechende in sich auf, A und non-A koexistieren in ihr, sie ist berhauptnichts anderes als die logische Festnagelung dieser Koexistenz von A undnon-A

    ebd.

    . Die Synthese fgt formal zur Antinomie als solcher nichts

    hinzu als die Behauptung, d a A und non-A in einem Dritten zusammen be-stehen und zurecht bestehen

    ebd. 398f

    . Die Antinomien werden von der

    Dialektik aufgedeckt. Die Dialektik leistet dies, indem sie die Statik derBegrie aufhebt, unter der die Antinomien verborgen liegen

    vgl. N. Hart-

  • - 13 -

    mann 1923, 226. Und sie hebt die Statik der Begrie auf, indem sie den Satz

    des Widerspruchs aufhebt, an dem diese Statik hngt: durch das Auerkraft-setzen des Satzes des Widerspruchs lst sich die Starrheit der Begrie, sieinvolvieren einander, gehen ber

    vgl. ebd., 224

    , schlagen ineinander um

    ders. 1935

    36, 332; vgl. a. ders. 1929, 386

    . Der statischen Logik

    ders. 1923,

    223fbzw. der Logik der festen Begrie

    ders. 1935

    36, 332

    , deren Grundlage

    der Satz des Widerspruchs istvgl. ders. 1923, 224

    , steht die Dialektik als

    eine dynamische Logik mit beweglichen, aufgelsten Begrien gegenber, dieeben diesen Satz des Widerspruchs aufhebt

    vgl. ebd.

    . Die erstere Logik ist die

    alte, hergebrachte Logikebd.; ders. 1929, ebd.; ders. 1935

    36, ebd.

    , bei der

    letzteren Logik handelt es sich um eine neue Logikders. 1929, ebd.

    .

    N. Hartmann lsst die Lesenden im Unklaren darber, ob die Aufhebungdes Satzes des Widerspruchs, die sich mit dem Auftreten der Antinomien ver-bindet, auch diejenige Aufhebung des Satzes des Widerspruchs ist, die dieBewegung der Begrie in Gang setzt. Ferner entsteht der Eindruck, dass es aufeinem bloen Willkrakt beruhe, ob man sich auf die Seite der alten oder derneuen Logik schlgt; ob der Satz des Widerspruchs und damit die Starrheitder Begrie beibehalten oder der Satz des Widerspruchs aufgegeben, die Starr-heit der Begrie gelst und ihre Bewegung initiiert wird.

    Tatschlich stellt N. Hartmann1935

    36

    die Frage nach der Berechtigung

    des Vorgehens der Dialektik: ob ihr Vorgehen berechtigt ist, sei einzig danachzu beurteilen, ob es von ihrem Gegenstand verlangt werde oder nicht

    vgl.

    N. Hartmann ebd., 332.

    Die Dialektik ist im Recht, wenn ihr Gegenstand ein ssiger istN. Hartmann greift hier einen Hegelschen Terminus auf, vgl. Ph27

    30f , wenn die Begrisbewegung das Gegenbild einer Realbewegung istvgl.

    N. Hartmann ebd., 332f. Die Dialektik ist dann reell

    vgl. ebd., 338

    .

    Die Dialektik ist im Unrecht, wenn ihr Gegenstand ein stabiler istebd. 332

    , die Begrisbewegung kein Gegenbild einer Realbewegung ist.

    Die Dialektik ist dann unreellvgl. ebd., 338

    .

    N. Hartmann sieht nun die Hegelsche Logik dem allerschwersten Ver-dacht ausgesetzt, in ihren breitesten Teilen aus unreeller Dialektik zu bestehenebd. 339

    . berhaupt knne eine auf dem Widerspruchsverhltnis aufgebaute

    Begrisdialektik ... niemals adquater Ausdruck einer Realdialektik seinebd.

    345.Inwieweit es von dieser Position N. Hartmanns

    1935

    36

    aus noch mglich

    ist, so, wie N. Hartmann1929

    es tat, Hegel die Aufdeckung echter Antino-

    mien zuzugestehen, also tatschlich unlsbarer Antinomien, die kein Scheinsind

    ders. 1923, 243

    , und dies doch wohl gerade mit Bezug auf die Logik

    vgl. oben S. 11 sowie N. Hartmann 1929, 401

    , das muss hier dahingestellt

    bleiben.

    Willy Hochkeppel1970

    glaubt, dass Hegel sich nie klar darber war,

    ob er das Prinzip des ausschlieenden Widerspruchs auer Kraft setzen sollteoder nicht

    Hochkeppel ebd., 83

    . Unter Verweis auf die bereits von uka-

    siewicz1979

    herangezogene Hegel-Passage ber die Bewegung

    W61 Z 2--9

  • - 14 -

    II59 Z 15--23, vgl. oben S. 7

    sie mge knftig Hegels Bewegungs-Passageheien kommt Hochkeppel jedoch zu dem Ergebnis, dass Hegel es um desBeweises der Bewegung zuliebe in Kauf nehme, sich in Selbstwidersprche zuverwickeln und etwas zu begehen, was er allen Indizien zufolge doch vermeidenwollte: die Auerkraftsetzung des Widerspruchsprinzips

    ebd. 85

    .

    Fr Enrico Berti1981

    ist der eigentliche Gegenstand der Hegelschen

    Kritik nicht der von Aristoteles formulierte Satz vom zu vermeidenden Wider-spruch, sondern der Satz der Identitt oder des Widerspruchs, wie er durchdie neuzeitliche Philosophie formuliert wurde

    Berti ebd., 375

    . Hegel wen-

    de sich gegen die logica formale prekantiana e kantiana, che assumeva come suoprincipio fondamentale il principio di non contraddizione inteso come principiod'identit

    ders. 1977a, 18

    . ... nei confronti di questa logica, non di quella

    aristotelica, che Hegel aerma l'esistenza reale della contraddizioneebd. 19

    .

    Dass Hegel nicht den aristotelischen Satz vom zu vermeidenden Wider-spruch, sondern den neuzeitlichen Satz der Identitt oder des Widerspruchskritisiere Berti spricht vom Letzteren auch einfach als vom Satz der Identi-tt bzw. als vom principio d'identit

    vgl. etwa ders. 1981, 374; 1977a, 18f

    macht Berti u. a. an Folgendem fest: An den beiden Stellen der Vorlesungenber die Geschichte der Philosophie, an denen Hegel sich im Zusammenhangmit den Ausfhrungen zu Aristoteles zu dessen Satz vom zu vermeiden-den Widerspruch uere, heie er diesen Satz das eine Mal gut an der StelleGPhII153 , das andere Mal kritisiere er ihn ebd. 239f. Es bestehe aber keinZweifel, dass Hegel an der letztgenannten Stelle den von Aristoteles formu-lierten Satz vom zu vermeidenden Widerspruch ... mit dem Satz der Identitt,der von der spteren Logik formuliert ... wird, identiziert

    vgl. Berti 1981,

    375f.

    Der neuzeitliche Satz der Identitt oder des Widerspruchs sei tatschlichvllig vom aristotelischen Satz vom zu vermeidenden Widerspruch unterschie-den

    vgl. Berti 1981, 373

    , der erstere ha nulla a vedere con l'aristotelico prin-

    cipio di non contraddizioneders. 1977a, 19

    . Der neuzeitliche Satz stelle allein

    auf die Identitt der Dinge mit sich selbst ab, er ignoriere jegliche Verschieden-heit bzw. jegliche Beziehung auf die anderen Dinge, ja schliee diese sogar ausvgl. ders. 1977a, 18f; 1981, 377

    . Der aristotelische Satz dagegen lasse auch die

    Beziehung auf die anderen Dinge zu, er erklre allerdings, dass Dinge eine Bezie-hung auf andere Dinge nicht zugleich und in derselben Hinsicht haben und nichthaben knnen

    vgl. ders. 1977a, 19; 1981, ebd.

    .

    Wer nun wie Hegel neben der Identitt der Dinge mit sich auch ihre Be-ziehung auf andere Dinge geltend mache, behaupte gemessen am neuzeitlichenSatz der Identitt oder des Widerspruchs die reale Existenz von Wider-sprchen

    vgl. ders. 1977a, 19, 21; 1981, ebd.

    .

    Berti gibt, abgesehen von Kant, nicht an, auf welche Autoren der neuzeit-lichen Philosophie oder Logik er sich bezieht. Prol und Verortung des neuzeitli-chen Satzes der Identitt oder des Widerspruchs bleiben entsprechend unklar.

    Von dem, was in der neuzeitlichen Philosophie und Logik jedenfalls unter demTitel Satz des Widerspruchs rmiert, wird man schwerlich sagen knnen, dasses nichts mit dem aristotelischen Satz vom zu vermeidenden Widerspruch

  • - 15 -

    zu tun habe. Man wird im Gegenteil eher sagen mssen, dass die neuzeitlichenFassungen des Satzes des Widerspruchs, mindestens bis inklusive die Fassungendes vorkritischen Kant, an Aristoteles angelehnt sind. Ohne an dieser Stellesystematischer darauf einzugehen vgl. dazu weiter unten S. 79 , sei nur einBlick auf Wolff und eben auf Kant geworfen.

    Die FormulierungWolffs: eri non possit, ut idem praedicatum eidem sub-jecto sub eadem determinatione una conveniat & non conveniat

    Log. 529

    Es ist nicht mglich, dass dasselbe Prdikat demselben Subjekt in derselbenHinsicht zugleich zukommt und nicht zukommt

    stellt eine Wiedergabe von

    Aristoteles Metaphysik, 1005 b 19f, darvgl. oben S. 11

    , bei der das t at

    dasselbeals idem praedicatum

    dasselbe Prdikat

    und das t at

    demselbenals eidem subjecto

    demselben Subjekt

    aufgenommen ist.

    Die weitere Formulierung Wolffs: eri non potest, ut idem simul sit & nonsit

    Ont. 29

    Es ist nicht mglich, dass dasselbe zugleich ist und nicht ist

    rezipiert Aristoteles Anal. pr., 53 b 15f: ... t at ma enai te ka ok enai;toto d dnaton

    ... dass dasselbe zugleich ist und nicht ist: dies aber ist

    unmglichbzw. die gleichwertige Stelle Metaphysik 996 b 29f. Friedrich Ue-

    berweg spricht zu Recht von der Aristotelisch-Wolschen Formel: es ist un-mglich, dass etwas zugleich sei und nicht sei, vgl. ders.

    1874

    , 207.

    Wolff ebd. sieht sich selbst in der Folge des Aristoteles, wenn er schreibtnachdem er zuvor den Satz des Widerspruchs in der gerade angefhrten Ver-

    sion vorgestellt hat : Principium autem Contradictionis jam olim adhibuitAristoteles

    Des Prinzips des Widerspruchs aber bediente sich schon ehedem

    Aristoteles.

    Der von Ueberweg so genannten Aristotelisch-Wolschen Formel schlietsich noch der vorkritische Kant der Dilucidatio an: Principium contradictio-nis ... eertur propositione: impossibile est, idem simul esse ac non esse

    ebd.,

    Sect. I, Prop. III

    Der Satz des Widerspruchs ... wird in dem Satz ausgedrckt:es ist unmglich, dass dasselbe zugleich ist und nicht ist

    .

    In mindestens dreifacher Hinsicht n i c h t -aristotelisch ist dann sicher derSatz des Widerspruchs der Kritik der reinen Vernunft : Keinem Dinge kommtein Prdikat zu, welches ihm widerspricht. Er verzichtet auf die Modalitt un-mglich sowie auf die Zeitbestimmung zugleich und zwar beides bewusst, vgl.B191f und weist auch den Rekurs auf einen Satz und seine Negation nicht mehrauf. Ob man aber sagen muss, dass er mit dem aristotelischen Widerspruchssatznichts zu tun habe, kann zumindest hinterfragt, wenn auch hier nicht entschie-den werden.

    Wenn Berti den Satz des Widerspruchs der Kantschen Kritik der rei-nen Vernunft, Keinem Dinge kommt ein Prdikat zu, welches ihm widerspricht,oenbar als eine Prsentation des neuzeitlichen Satzes der Identitt oder des Wi-derspruchs versteht

    vgl. Berti 1981, 375

    , dann lsst er Hegel wie es bereits

    die Europische Enzyklopdie zu Philosophie und Wissenschaften tatvgl. oben S. 5

    eben diesen Kantschen Satz des Widerspruchs kritisieren.

    Hegel wrde so anerkennen, dass es Dinge gibt, denen Prdikate zukommen,die ihnen widersprechen, und das hiee, wenn wir uns an Kants Beispielmaterialorientieren, dass Hegel Dinge einrumen wrde, die von der Art des Kr-pers sind, der ausgedehnt und doch unausgedehnt ist, oder des Zirkels, derrund und doch eckig ist, oder des ungelehrten Menschen, der gelehrt istvgl. Prol., 2b, 52b; B192

    .

  • - 16 -

    b Desastrse Konsequenzen fr Hegel werden abgewiesen

    Fr Emerich Coreth1952

    wird man, vor allem mit Blick auf Hegels

    Ausfhrungen zu den Reexionsbestimmungen Identitt, Unterschied undWiderspruch in der Wissenschaft der Logik

    W24--64

    II23--62

    , zur Anerken-

    nung gezwungen sein, da Hegel in Formulierungen, die an Schrfe kaum zu ber-bieten sind, klar und grundstzlich den Widerspruch im Sinne der formalenLogik setzt und jede andere Deutung seines eigenen Widerspruchs ,die formal-logisch annehmbar wre, ebenso klar und ausdrcklich ablehntCoreth ebd., 50, vgl. a. ebd. 45

    .

    Zwar bedeute der Hegelsche Widerspruch bzw. Hegels negative Bezie-hung keine reine Kontradiktion

    ebd. 41

    . Das Verhltnis, das sich hier zeigt,

    ist nicht unbestimmte Negation ... , sondern ein bestimmter Gegensatz k o r -r e l a t i v e r Art

    ders. 1951, 71

    , ein korrelativer Gegensatz

    ders. 1952, 42

    5.Die allgemeine Negation des A im Non-A ist verschrft durch Setzung einesbestimmten Non-A = B ebd..

    Fr Coreth besteht der Hegelsche Wider-

    spruch darin, dass A ... Non-B und B ... Non-A ist, bzw. dass das eine ...nicht das andere ist; so ders. 1952, 29; ders. 1951, 61.

    Dennoch bleibe das B auch als B ... Negation des A, also Non-A. Einkorrelativer Gegensatz bedeutet ... me h r , nicht weniger als Kontradiktion undschliet diese in sich

    ders. 1952, 42; Herv. von mir

    . Hegel handele sich

    ebenso einen Bruch mit dem Kontradiktionsprinzip ein wie im Falle reinerKontradiktion ebd..

    Erstaunlicherweise und wohl in Unvereinbarkeit mit dem bisher Gesagtenheit es nun bei Coreth, dass ein korrelativer Gegensatz, wenn er auch den kon-tradiktorischen einschliet, diesen doch wesentlich einschrnkt

    ebd. 51

    . Gerade

    durch die Setzung eines b e s t i mm t e n Non-A = BHerv. von mir

    werde

    das Widerspruchsprinzip ... nicht negiert in der ganzen Breite seiner Geltungebd. 42

    .

    Ein Hauptargument all jener, die sich bemhen, Hegel freizusprechen von ei-ner Negation des Widerspruchsgesetzes, brauche daher erst gar nicht angefhrtzu werden: Mit dem Widerspruch

    dem formallogischen, K. E.

    hebt das Denken

    sich selbst auf, Philosophie wird unmglich; das mu auch Hegel gesehen unddarum seinen Widerspruch anders verstanden haben

    vgl. ebd., 50

    .

    Mit einem nun oenbar doch formal-logisch annehmbar gedeuteten Hegel-schen Widerspruch verschiebt sich die Sachlage ... wesentlich. Von grund-stzlicher Unmglichkeit des Denkens evoziert durch den Hegelschen Wi-derspruch wird kaum noch die Rede sein knnen

    ebd. 51

    .

    5 Coreth greift hier Franz Grgoire1946

    und ders.

    1947

    auf, vgl. Co-

    reth1952

    , 24, 41 und 50.

  • - 17 -

    Klaus Dsing1976

    formuliert die Ansicht gesttzt auf das Schluss-

    kapitel der Wissenschaft der Logik sowie auf deren Kapitel ber die Reexions-bestimmungen , dass Hegels dialektisches Denken ... gegen den oberstenGrundsatz der klassischen Logik, den Satz vom zu vermeidenden Widerspruch,verstoen muss

    Dsing ebd., 317; vgl. a. ebd., 225 , 319, und ders. 1984,

    355 . Dsing spricht von dem durch die Hegelsche Dialektik ... gebotenen

    Versto gegen den Satz vom Widerspruchders. 1976, 321

    . Er moniert bei

    den nachhegelschen Theorien der Dialektik, dass ihnen das klare Bewutseinabhanden gekommen sei, dass die Dialektik einen rein logischen Widerspruchimpliziert

    ebd. 324

    .

    Einen Versto gegen den Satz vom Widerspruch konstatiert Dsing nichterst in der Wissenschaft der Logik , sondern bereits in Hegels Arbeiten der er-sten Jenaer Jahre. Er verweist auf die auch oben S. 3 angegebenen Stellen D28und Sk49 der Dierenzschrift und des Skeptizismusaufsatzes sowie auf Hegelserste Habilitationsthese

    vgl. Dsing ebd., 97; ders. 1984, 325f

    . Sogar in ei-

    nem der Frankfurter Fragmente Hegels, die Herman Nohl unter dem TitelDer Geist des Christentums und sein Schicksal zusammenstellte

    ThJ 241--342

    FS 274--297, 317--418; vgl. dazu Gisela Schler 1963, 125f, 1496, ndet

    Dsing einen in seinem Geltungsbereich auf Aussagen des Verstandes einge-schrnkten Satz vom Widerspruch

    Dsing 1984, 321

    . An der Stelle Was im

    Reich der Toten Widerspruch ist, ist es nicht im Reich des LebensThJ 308f

    FS 376sei mit dem Reich des Toten das Reich der xierten, unlebendigen,

    endlichen Verstandesbestimmungen gemeint. Der Satz vom Widerspruch geltedamit ontologisch nicht mehr universal; im Reich des Lebens gibt es Seiendes,das der Verstand nur in Widersprchen zu denken vermag

    Dsing ebd.

    .

    Dsing nimmt hier auf eine weiter vorausliegende Passage desselben Frag-ments Bezug, in der Hegel auf den Beginn des Johannesevangeliums zu sprechenkommt

    vgl. a. Dsing ebd., 320; ders. 1976, 66f

    .

    Die Stze Im Anfang war der Logos, der Logos war bei Gott, und Gottwar der Logos; in ihm war Leben es handelt sich um Hegels bersetzungder Verse Joh 1, 1. 4a htten nur den tuschenden Schein von Urteilen, heites dort, denn die Prdikate sind nicht Begrie, Allgemeines, wie der Ausdruckeiner Reexion in Urteilen notwendig enthlt; sondern die Prdikate sind selbstwieder Seiendes, Lebendiges

    ThJ 306

    FS 373

    .

    Nirgend mehr als in Mitteilung des Gttlichen sei es nun fr den Emp-fangenden notwendig, mit eigenem tiefen Geiste zu fassen bzw. das Geistigeauch mit Geist auszudrcken

    ebd

    . Hingegen sei unmittelbar jedes ber Gtt-

    liches in Form der Reexion Ausgedrckte widersinnig, und sei das Gttlichedem Verstand, der es aufnimmt, Widerspruch

    ebd.

    .

    In welchem Sinne fr

    Hegel die Anfangsstze des Johannesevangeliums, wenn sie als in Form derReexion Ausgedrcktes gefasst werden, widersinnig sind, bzw. inwiefern sieHegel zufolge fr den Verstand Widerspruch sind, gilt es hier nicht weiterzu verfolgen.

    6 Der Text von Fs 274--297, 317--418 folgt im Haupttext dem Text vonThJ 241--342, bernimmt aber nur zum Teil dessen Funoten, die in der Mehrzahleinen in Hegels Endfassungen gegenber den Erstfassungen ausgeschiedenenTextbestand bieten

    vgl. dazu Schler ebd., 149

    . FS 297--316 pr-

    sentiert die bei Nohl im Anhang bendlichen Entwrfe Nr. 12 und 13ThJ 385--398, 398--402

    , davon der Entwurf Nr. 12 von Nohl als Grundkon-

    zept zu Der Geist des Christentums und sein Schicksal angesprochenvgl. ThJ

    XI bzw. ebd. 385.

  • - 18 -

    Durch den Versto gegen den Satz vom Widerspruch werden Hegels Stzeund Argumente freilich nicht willkrlich und unbestimmt in ihrer Bedeutung

    derart, dass zu allem mit gleichem Recht das Gegenteil behauptet werdenknnte

    Dsing 1976, 227; ders. 1980, 146

    . Hegel verhindert dies

    Dsing

    1983, 94, und zwar dadurch, dass er die Regel der Verwandlung kontradiktori-

    scher in kontrre Gegenstze von Begrien befolgtders. 1980, ebd.

    . Aus dem

    Nichtallgemeinen wird das Besondere, aus dem Nichtgleichen das Unglei-che, aus dem Nichtpositiven das Negative

    ders. 1976, 180, 223

    ; das Nicht-

    Etwas wird als Anderes gedachtders. 1980, 145

    .

    Diese Verwandlung kontradiktorischer in kontrre Gegenstze von Begrien,die seit Adolf Trendelenburg

    1870

    , Bd. 1, 43, immer wieder kritisiert

    werde, erfahre bei Hegel keine RechtfertigungDsing ebd., 144; vgl. a. ders.

    1983, 94. berhaupt habe sich Hegel ber dieses Verfahren und seine Berech-

    tigung theoretisch nicht geuertDsing 1976, 180

    .

    Dsing folgt im Wesentlichen der gleichen Argumentationslinie wie Coreth:Wenn kein kontradiktorischer, sondern nur ein korrelativer bzw. ein kontr-rer Gegensatz vorliegt, dann kann die Integritt des Denkens gewahrt werden.

    Weder Coreth noch Dsing knnen jedoch berzeugen. Whrend Corethden Bruch mit dem Kontradiktionsprinzip, den er Hegel attestiert hatte,schlicht wieder zurckzunehmen scheint, wird beiDsing nicht hinreichend deut-lich: 1. wie der Satz vom Widerspruch berhaupt verstanden wird

    dieser Ein-

    wand wre auch schon gegen Coreth zu richten; 2. wie der Versto gegen den

    Satz vom Widerspruch sich genau ausnimmt; 3. inwiefern der Versto gegenden Satz vom Widerspruch trotz der Verwandlung kontradiktorischer in kon-trre Gegenstze erhalten bleibt

    Dsing sagt nirgends, dass dieser Versto

    revoziert wrdeund 4. inwiefern tatschlich trotz des Verstoes gegen den Satz

    vom Widerspruch die Unbestimmtheit des Denkens vermieden wird.Dass diese Position, die wir in der Ja-Stellungnahme unter

    babgeteilt

    haben und die schlagwortartig so formulierbar wre: Missachtung des Satzesvom Widerspruch und formallogische Widersprche ja, Destruktion des Denkensnein , dass diese Position, ausdrcklich jedenfalls, von vergleichsweise wenigenAutoren eingenommen wird, und dass sie von den Autoren, die wir vorgestellt ha-ben, nur auf unbefriedigende Weise eingenommen wird, dies mag als Indiz dafrgelten, dass sie berhaupt nur mit vergleichsweise groen Schwierigkeiten bezo-gen werden kann.

    g Es werden desastrse Konsequenzen fr Hegel ins Feld gefhrt

    Ein entschiedener Protagonist dieser Position und vielleicht ihr wichtigsterVertreter im 19. Jahrhundert ist der bereits eingangs herangezogene Eduardvon Hartmann

    1868

    .

    E. v. Hartmann zufolge ist Hegel nicht nur, was eine Aufhebung des Sat-zes vom Widerspruch anbelangt, von jeher ... angegrien worden

    vgl. oben

    S. 2, Hegel ist auch in diesem Punkt von jeher z u R e c h t angegrien wor-

    den: Die Aufhebung des Satzes vom Widerspruch sei conditio sine qua nonfr die Existenz der Dialektik, durch welche sie sich erst von der gemeinen Lo-gik unterscheidet

    E. v. Hartmann 1868, 41

    . Es sei eine ganz irrthmliche

  • - 19 -

    Annahme, dass d e r Widerspruch, welcher in der gemeinen Logik das Kriteriondes Unsinns ist, und d e r Widerspruch, auf dem die Dialektik fut, z w e i e r -l e i Dinge seien

    ders. ebd., 45; Sperrungen im Original

    .

    E. v. Hartmann sttzt seine Ansicht auf denbereits oben S. 3 erwhnten

    Hegelschen Satz Alle Dinge sind an sich selbst widersprechendvgl. E. v.

    Hartmann ebd., 407 sowie auf den

    oben ebd. erwhnten

    48 der Enzyklop-

    die, dem zufolge sich die Antinomie nicht nur, wie Kant lehre, in den vierbesonderen, aus der Kosmologie genommenen Gegenstnden bendet und ih-nen wesentlich und notwendig ist , sondern in allen Gegenstnden allerGattungen, in allen Vorstellungen, Begrien und Ideen

    vgl. E. v. Hartmann

    ebd..E. v. Hartmann fhrt darber hinaus an, dass fr Hegel das Aussprechen

    einer Wahrheit mittels zweier Stze erfolge, die sich widersprechen, indemder eine die I d e n t i t t, der andere die V e r s c h i e d e n h e i t ... der Gegen-stze ausspricht

    vgl. ders. ebd., 41

    . E. v. Hartmann drfte hier dieHegelsche

    Lehrmeinung im Auge haben, dass der Satz, in F o rm e i n e s U r t e i l s, nichtgeschickt ist, spekulative Wahrheiten auszudrcken

    S83

    I76

    : Das

    positve

    Urteil, eine i d e n t i s c h e Beziehung zwischen Subjekt und Prdikat, drcktnicht mehr das N i c h t i d e n t i s c h e des Subjektes und Prdikates aus, das,wenn der Inhalt spekulativ ist, allerdings wesentliches Moment ist

    ebd.

    . Um

    diesen Mangelebd.

    zu beheben, msste die nchste Ergnzung des

    positi-

    venUrteils, das negative Urteil, wenigstens ebensosehr beigefgt werden

    B295

    II495

    .

    E. v. Hartmann resmiert:

    Das Resultat ist demnach dies: der Widerspruch ist in allen D i n g e nund in allen B e g r i f f e n wesentlich und notwendig, oder: jedes E x i -s t i e r e n d e ist ein sich Widersprechendes, und jede Wahrheit kann nurin sich Widersprechendem ihren Ausdruck nden.

    Dem gegenber laute der Satz vomWiderspruch: Das sich Widersprechende kannnicht s e i n, und das sich Widersprechende kann nicht w a h r sein ebd.. Wennletzterer Satz nicht durch ersteren aufgehoben werde E. v. Hartmannsieht durch die Konjunktion oder wohl zwei Versionen ein und desselben Satzesverknpft , so wisse er nicht, was man unter Aufheben eines Satzes verstehensoll

    ebd.

    .

    Was nun die Consequenzenebd. 45

    der Aufhebung des Satzes vom

    Widerspruch angeht, so entfllt mit dieser Aufhebung das Minimum vongemeinschaftlicher Basis, ohne welche berhaupt kein Streiten denkbar ist,wenigstens keine Ueberfhrung der Unrichtigkeit

    ebd. 39

    . Denn a l l e negati-

    ve Kritik so E. v. Hartmanns grundlegende Annahme beruhe letztlich aufdem N a c hw e i s v o n W i d e r s p r c h e n, seien es nun Widersprche in sichapriorische Unmglichkeit

    , oder Widersprche gegen unanfechtbare Tatsachen

    7 E. v. Hartmann zitiert diesen Satz unexakt unter Auslassung des Wrtchensan so: Alle Dinge sind sich selbst widersprechend.

  • - 20 -

    empirische Unmglichkeit

    ebd. 38

    . Speziell lasse sich der echte Dialektiker

    fr sein eigenes Bewutsein a u f k e i n e W e i s e a d a b s u r d um f h r e nebd. 43

    8.Es schwindet die Mglichkeit alles Denkens berhaupt

    ebd. 45

    sowie alle

    Mglichkeit von Wissenschaft, insbesondere die Methode der Mathematik, dieE. v. Hartmann als nur auf dem Satz des Widerspruchs beruhend ansiehtebd. 92

    . Die Mglichkeit der Mittheilung

    ebd. 45

    und des menschlichen

    Verkehrs berhauptebd. 92

    ist dahin.

    Der Dialektiker, der das Durchdrungensein alles Existierenden vomWiderspruch

    ebd. 94

    behauptet, sieht anders als allgemein blich keinen An-

    lass, beim Auftreten eines Widerspruchs nach einem Fehler zu suchen und denWiderspruch allmhlig zu z e r s e t z e n

    vgl. ebd., 38, 91

    . Wenn bei Hegel von

    einer Au f l s u n g des Widerspruchs die Rede sei, dann sei keineswegs einew i r k l i c h e A u f l s u n g gemeint, d. h. eine Z e r s t r u n g des den Wi-derspruch erzeugenden S c h e i n s

    vgl. ebd., 90

    . Eine Sanktionirung und ein

    Fortbestehen des Widerspruchs sei durchaus eingeschlossenvgl. ebd.

    . E. v.

    Hartmann spricht von einem amWiderspruch sich labenden dialektischen Stand-punkt

    ebd. 54

    und diagnostiziert die Dialektik als eine krankhafte

    Geistesverirrungebd. 124; vgl. a. ebd., 94f

    .

    Die Behauptung des Durchdrungensein alles Existierenden vomWiderspruchist aber in sich unwahr

    ebd. 94

    .Wre sie in sich wahr, wrde sie im brigen

    nur zum Skepticismus und der Verzweiung des Denkens an sich selbst fhren,ebd. 123.

    Die Existenz der Widersprche erhlt der Dialektiker durch gewisse

    Arten von Sophismenvgl. ebd., 90, 94

    , die E. v. Hartmann im Einzelnen

    ausfhrtvgl. ebd., 75--90

    . Fazit: Der Widerspruch wird nur da g e f u n d e n,

    wo er zuvor b e g a n g e n wurdeebd. 94f

    .

    Adolf Phaln1912

    gelangt in Betrachtung der Ausfhrungen, die die

    Wissenschaft der Logik den Reexionsbestimmungen widmet, zu der Feststel-lung, dass das Gesetz des Widerspruchs von Hegel verneint werde jeden-falls wenn man dieses Gesetz dahingehend verstehe, dass es besagt, dass dasUrteil: A ist B und das Urteil: A ist nicht B nicht beide zugleich wahr sindPhaln ebd., 183

    .

    Es tut dem Gedanken keinen Abbruch, dass das Gesetz

    des Widerspruchs genauer, so Phaln ebd., s o w o h l verneint a l s bejahtwerde; Herv. von mir

    . Wer bestreite, dass mit Hegels Widerspruch der lo-

    gische Widerspruch gemeint sei d. i. Bejahung und Verneinung ein und des-selben Begris von ein und demselben , der hebe so gut wie jeden Gedan-kengang bei Hegel auf und gebe die ganze Hegelsche Methode preis

    vgl.

    Phaln ebd., 174, 180f. In der Verwerfung des Gesetzes des Widerspruchs

    8 Der Text E. v. Hartmanns gibt, wenn ich recht sehe, keine Anhaltspunktedafr her, dass mit dem Dialektiker nicht stets auch Hegel selbst gemeintist. Es ist so nicht auszuschlieen inwieweit es zutrit, kann hier nicht weiterverfolgt werden , dass E. v. Hartmann d em Dialektiker Dinge imputiert,die sich vielleicht bei den Hegelianern oder dem einen oder anderen von ihnennden etwa bei dem von E. v. Hartmann ebd., 39f, erwhnten Carl LudwigMichelet , bei Hegel selbst aber gar nicht anzutreen sind.

  • - 21 -

    liege das eigentmlich Neue und Khne der Hegelschen Konstruktionebd. 183

    .

    Jede spekulative Begrisverbindung darauf verweist Phaln mit Be-zug auf die wohl auch von E. v. Hartmann angezielten Stellen S82

    I76 und

    B295II495

    vgl. oben S. 19

    msse sowohl durch das positive als durch das

    negative Urteil ausgedrckt werdenPhaln ebd., 180

    . Es seien Urteile: A

    ist B und: A ist nicht B ... beide wahrebd. 152; vgl. a. ebd. 174

    bzw. beide

    sowohl wahr als falschebd. 179; vgl. a. ebd. 181

    .

    Phaln kritisiert an Karl Rosenkranz1858

    , Carl Ludwig Michelet

    1876und Johann Jakob Borelius

    1881

    , dass sie sich weigerten, Hegels

    Widerspruch als logischen Widerspruch anzuerkennen, und Hegel vomlogischen Widerspruch dadurch zu entlasten suchten, dass sie ihn statt desUrteilspaars

    A ist B, A ist nicht Bdas Urteilspaar

    A ist B, A ist Nicht-Bbehaupten lieen

    vgl. Phaln ebd., 173--178

    . Das Urteil A ist Nicht-B wre

    an die Stelle des Urteils A ist nicht B getreten.Der Entlastungsversuch tauge ohnehin nicht, da das Urteil

    A ist Nicht-Bdas Urteil

    A ist nicht Bnach sich ziehe, der logische Widerspruch sich also wieder einstelle

    vgl. ebd.,

    178.

    Wir hatten gesehen, dass Richard Kroner 1924 der Phalnschen

    Stellungnahme zu den genannten Autoren folgt. Vgl. oben S. 8.

    Wenn positives wie entsprechendes negatives Urteil zugleich gelten sollen,Urteile A ist B und A ist nicht B jeweils gleichzeitig wahr und falsch seinsollen

    ebd. 181

    , dann werde das Wahre falsch und das Falsche wahr

    ebd. 171

    .

    Dies aber sei widersinnigebd. 167

    , hebe die Mglichkeit jeglicher Erkenntnis

    aufvgl. ebd., 171

    und ebne dem reinen Skeptizismus den Weg

    vgl. ebd., 152

    .

    Hegel fordere zwar, dass der Widerspruch gelst werden sollPhaln

    ebd., 169. Dass aber ein Begri in einem Anderen aufgehoben ist, bedeute,

    dass er darin sowohl bejaht als verneint istebd.

    . Der im Begri B aufge-

    hobene Begri A ist zum einen identisch mit dem Begri B es gilt das Ur-teil A ist B

    vgl. ebd., 162

    , zum anderen ist er unterschieden vom Begri B

    es gilt das Urteil A ist nicht Bvgl. ebd., 166; vgl. a. ebd., 174, 180

    . In der

    Lsung bleibt der Widerspruch die gleichzeitige Geltung der Urteile A ist Bund A ist nicht B ungelst bestehen

    ebd. 169

    9. Von der Verwerfung desGesetzes des Widerspruchs, des ussersten und notwendigsten Fundamentes al-les Denkens

    ebd. 173

    , gibt es kein Zurck mehr.

    9 Weil der Widerspruch fr Phaln ungelst bleibt, es eine eigentlicheLsung fr ihn also nicht gibt, drfte das Wort Lsung in dem zitierten Satzso zu nehmen sein, als wenn es in Anfhrungszeichen gesetzt wre.

  • - 22 -

    Heinrich Scholz1931

    zufolge verlangt die Hegelsche Logik die Aufhe-

    bung des Satzes vom ausgeschlossenen Widerspruch fr das ganze spekulativeDenken

    Scholz ebd., 75 Fn.

    .

    Die Hegelsche Logik beginne nicht nur mit der Aufhebung des Satzesvom ausgeschlossenen Widerspruch, sondern weiterhin mit der Aufhebung desSatzes vom ausgeschlossenen Dritten

    vgl. Scholz ebd., 18

    . Sie behaupte

    fr jede Aussage das weder Wahr- noch Falschseinebd. 34

    . Im Gegensatz zu

    Phaln, der bei Hegel Urteile ausmacht, die ebensogut wahr wie falsch sindvgl. die vorige Seite

    , sieht Scholz also bei Hegel die Urteile generell ihrer

    Wahrheitswerte beraubt.

    Die formale Aristotelische Logik die eine Einschrnkung des Satzesvom ausgeschlossenen Widerspruch nicht kenne, dieser Satz bilde ihr Noli metangere werde von Hegel in Grund und Boden kritisiert

    Scholz ebd., 75

    Fn.; ders. ebd., 11. Hegel belaste dadurch sein ungeheures Lebenswerk mit

    einem Unheil ... , das kaum zu berschtzen ist und das bei seiner kosmischenAusbreitung die ernste Arbeit an der Logik im Aristotelischen Sinne ... nochheute d. i. zu Beginn der dreiiger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr emp-ndlich drckt

    Scholz ebd., 11f

    .

    Scholz gesellt Hegel den frhscholastischen Theologen Petrus Damianibei

    vgl. Scholz ebd., 75 Fn.

    , der mit seiner Kriegserklrung gegen den Satz

    vom ausgeschlossenen Widerspruch wohl den ersten unzweideutigen Versuchunternehme, die Aristotelische Logik fr die Theologie explizit auer Kraft zusetzen

    ebd. 38

    10.In Petrus Damianis De divina omnipotentia heit es: Quae ... contraria

    sunt, in uno eodemque subiecto congruere nequeunt. Haec impossibilitas rectequidem dicitur si ad naturae referatur inopiam. Absit autem ut ad maiestatemsit applicanda divinam ...

    De divina omnipotentia, Cap. XII, 118

    Was ... ent-

    gegengesetzt ist, kann nicht in ein und demselben Subjekt zusammentreen. DieseUnmglichkeit wird ... sicherlich zu Recht behauptet, wenn sie auf die Ohnmachtder Natur bezogen wird. Es liege aber fern, sie an die Gre Gottes heranzu-tragen ...

    .

    Die Macht Gottesdivina virtus

    wrde sonst als unvermgend

    impotens

    vorgefhrtvgl. ebd., Cap. VI, 80

    . Denn: Iuxta frivolae quaestionis obloquium,

    non praevalet Deus agere, ut vel quae dudum facta sunt, facta non fuerint, vele diverso quae facta non sunt, facta fuerint usw.

    ebd. 80

    Gem dem Ein-

    spruch der albernen Untersuchung welche unbedingt den angefhrten SatzQuae contraria sunt ... zugrundelegt vermag Gott nicht ins Werk zu setzen,dass entweder, was lngst geschehen ist, nicht geschehen ist, oder im Gegenteil,was nicht geschehen ist, geschehen ist usw.

    .

    Es habe zu gelten: ... artis humanae peritia, si quando tractandis sacris elo-quiis adhibetur, non debet ius magisterii sibimet arroganter arripere, sed

    debet

    v e l u t a n c i l l a dominae quodam famulatus obsequio subservireebd. 78

    80;

    Herv. von mir

    ... die Kenntnis der menschlichen Fertigkeit gemeint ist,wie der Kontext erkennen lsst, die Kenntnis der Logik , wenn sie jemals zurBehandlung der heiligen Reden herangezogen wird, darf nicht anmaender Weise

    10 Theodor G. Bucher1989

    wehrt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auf-

    tretende Bestrebungen ab, Petrus Damianis heftige Angrie auf die Logikgegen die bis dahin jedenfalls magebliche Studie von J. A. Endres

    1910

    her-

    unterzuspielenvgl. insbesondere Bucher ebd., 267

    .

  • - 23 -

    das Recht auf Unterweisung ergreifen, sondern muss sich w i e e i n e M a g d ih-rer Herrin in dienstbereitem Gehorsam unterwerfen

    .

    Man knnte diese Forderung Petrus Damianis das Prinzip der Logicaancilla theologiae nennen

    vgl. Scholz ebd.

    . Bucher spricht vom Damia-

    niprinzip der Philosophie als ancilla theologiaeders. ebd., 300

    .

    Das Kom-

    positum ancilla theologiae ndet sich, wenn wir Bucher ebd. Fn. folgen, wohlbei Petrus Damiani n i c h t .

    Ob und inwiefern Hegel in die Geschichte dieses von PetrusDamiani vorexerzierten, aber auch von anderen christlichen Theologen prakti-zierten theologischen Antilogismus

    vgl. Scholz ebd., 38 Fn., 75 Fn.

    eingereiht

    werden muss, das wird im Auge zu behalten sein.Scholz selbst scheint den Gedanken nicht gehabt zu haben, dass bei Hegel

    ein theologischer Antilogismus vorliegevgl. ebd., 75 Fn.

    . Er stt aber dazu

    an, wie ich nde, diese Mglichkeit in Erwgung zu ziehenvgl. ebd.

    .

    Gerhard Stammler1936

    sieht in der hegelschen Logik einen Sonder-

    fall der nicht-aristotelischen Logik vor sich, in der der Satz des Widerspruchesnicht gilt

    Stammler ebd., 50, 103; vgl. a. ebd., 59

    . Der Widerspruch

    im

    hegelschen Sinne meine ein sich denknotwendig Ausschlieendes, das doch

    kraft seines denknotwendigen Daseins eben notwendig sich Forderndes seiebd.

    102. Hegel habe sich fr berechtigt gehalten, wahrzunehmen ... , da

    gedanklich Unvereinbares in der Wirklichkeit zusammen i s t, woraus dann dieForderung entsprungen sei, gedanklich Unvereinbares d o c h gedanklich zu ver-einen

    ebd.

    .

    In einer solchen dialektischen Logik, in der der Satz des Widerspruchesnicht gilt, kann a l l e s gefolgert werden

    ebd. 59

    , ist alles beweisbar

    ebd.

    103. Die dialektische Logik ist insofern die reichste Logik, die berhaupt

    mglich istebd. 59

    . Sie ist aber eben wegen der durchgngigen Beweisbar-

    keit von allem nur eine triviale Logikebd. 118 Fn. 3

    . Das Wort beweisen

    verliert seinen Sinn, wie berhaupt alle Logik so ihren Sinn verlrevgl. ebd.,

    103.Nur einem feinen philosophischen Takt oder der bewuten oder unbewu-

    ten Abhngigkeit von Autoritten verdankt es der Dialektiker, wenn seine Arbeiteinsichtige Ergebnisse frdert

    ebd. 102; im Original durchgehend gesperrt

    .

    Die Passagen Stammlers1936

    , aus denen wir zitiert haben

    ebd. 53 , 98

    ,

    behandeln die beiden Logiker der hegelschen Schuleebd. 49

    Johann Eduard

    Erdmann und Carl Ludwig Michelet, meinen aber, jedenfalls soweit wir aufsie zurckgegrien haben, mit dialektischer Logik oder dialektischer Methodekeine spezisch Erdmannsche oder Micheletsche, sondern a l l e Dialektikebd. 58, vgl. a. 102

    , und das ist fr Stammler augenscheinlich die hegelsche

    Dialektikebd. 101

    .

    Wenn die dialektische Methode zwar auch in der Neuprgung anerkannter-maen von Fichte stamme, so sei sie doch von Hegel mit derartiger Entschie-denheit angewendet worden, da sie als regelrecht hegelisch von der damaligenZeit angesehen wurde

    ebd. 51

    . Stammler entspricht dieser Ansicht, wenn er

    die dialektische Methode gemeinsam mit der Anerkennung eines reinen Den-kens und der Lehre von der Identitt von Denken und Sein zu denjenigenLehrstcken der hegelschen Logik zhlt, die hegel-kennzeichnend sind undnicht bewut aufgegeben werden drfen, soll noch Zugehrigkeit zur hegel-schen ... Schule angenommen werden knnen

    ebd. 50

    .

  • - 24 -

    Karl Raimund Popper1963

    knpft deutlich an den von ihm nicht er-

    whnten E. v. Hartmann1868

    an. So bescheinigt Popper den dialecticians

    an attack on the so-called law of contradiction, dialecticians claim that thislaw of traditional logic must be discarded

    Popper ebd., 316; vgl. E. v. Hart-

    mann ebd., 41, 45, sowie oben S. 18 . Im Verweis auf die fruitfullness of con-

    tradictions contradictions ... are ... indeed the moving forces of any progressof thought, konzediert Popper lehrten dialecticians, that ... contradictionsneed not be avoided

    ebd. 316, 322; der Gedanke der Fruchtbarkeit der Wider-

    sprche taucht bei E. v. Hartmann allerdings, explizit jedenfalls, nicht auf.

    Dialecticians ... even assert that contradictions cannot be avoided, since theyoccur everywhere in the world

    ebd. 316, Herv. von mir; vgl. E. v. Hartmann

    ebd., 41, 91, oben S. 19.

    In Konsequenz der Aufhebung des Widerspruchsgesetzes und des Zulas-sens von Widersprchen all criticism would lose its force

    Popper ebd., 317;

    vgl. E. v. Hartmann ebd., 39, 43, oben S. 19f. For criticism invariably con-

    sists in pointing out some contradiction; either a contradiction within the theorycriticized, or a contradiction between the theory and another theory ... , or acontradiction between the theory and certain facts

    Popper ebd.; vgl. E. v.

    Hartmann ebd., 38, oben ebd.. Insbesondere wre Kritik an den Dialektikern

    selbst nicht mehr mglichvgl. Popper ebd., 328f

    . Hegel beispielsweise, by

    holding that contradictions do not matter, makes his system secure against anysort of criticism or attack and thus it is dogmatic in a very peculiar sensePopper mchte von einem reinforced dogmatism reden

    Popper ebd., 327;

    vgl. E. v. Hartmann ebd., 43, oben S. 2011.

    berhaupt schliet Popper auch insofern an E. v. Hartmann1868

    an

    vgl. oben S. 20 Fn. 8

    , als er, im ersten Teil seines Essays, ganz allgemein von

    den dialecticians spricht, aber doch wohl so zu verstehen ist, dass er speziellHegel mit einbegreift: Nicht nur ist Hegel neben Platon und FriedrichEngels einer der Autoren, die im ersten Teil des Essays beilug als einzigeKandidaten fr die dialecticians vorgefhrt werden

    vgl. Popper ebd., 313f,

    323. Es tauchen auch die gerade angefhrten, dem ersten Teil des Essays ent-

    stammenden uerungen Poppers ber die dialecticians und den criticismim zweiten, ausdrcklich der Hegelian dialectic gewidmeten Teil des Essayswieder auf im Wesentlichen unverndert, aber eben auf Hegel appliziert

    vgl.

    Popper ebd., 327 .

    Das Vorgehen Poppers in seinem Essay ist kritikwrdig. Der erste Teil, mitDialectic explained berschrieben der zweite Teil gilt, wie gesagt, der Hege-lian dialectic, der dritte der Dialectic after Hegel und behandelt Karl Marx

    11 Gegen die deutsche bersetzung von Popper1963

    , ders.

    1967

    , 279, die

    das im vorletzten Zitat auftretende Personalpronomen it auf den AusdruckHegel's method of superseding Kant referieren lsst

    Popper 1963, 327;

    Hegels Methode, Kant zu bertreen, ... ... ist daher dogmatisch in einem ganzbesonderen Sinne

    , beziehe ich besagtes it auf das Substantiv system. Dafr,

    dies zu tun, spricht die Rede von den other dogmatic systems im folgenden, ein-geklammerten Satz

    vgl. Popper ebd., 327

    , in der eben das Adjektiv dogmatic

    klarerweise auf system bzw. systems bezogen wird.

  • - 25 -

    und Friedrich Engels , gibt nur uerst sprliche Hinweise darauf, wer mitden Dialektikern gemeint sein knnte. Er lsst nicht erkennen, woher das Kon-zept von Dialektik stammt, das Popper doch erklren mchte. Dieser ersteTeil des Essays hngt philosophiegeschichtlich in der Luft.

    Wenn Poppers Dialektik-Konzept aus anderen als den genannten QuellenHegel, Marx, Engels gespeist sein sollte, dann wren auch diese zu be-

    handeln. Eine solche Behandlung erfolgt aber nicht.Wenn nun Hegel, Marx und Engels bei der Bildung des Popperschen

    Dialektik-Konzepts Pate gestanden haben sollten, dann wre Poppers Dia-lektik an diesen Autoren allererst zu entwickeln.

    Andernfalls stiee Popper

    bei diesen Autoren auf eine Dialektik, die er doch zuvor nur von ihnen abgezo-gen htte.

    Sollte ein allgemeiner Dialektik-Teil dann noch ntig oder sinnvoll

    sein, wre dieser der Behandlung der genannten Autoren nicht voraus-, sondernhinterherzuschicken.

    Popper geht darin ber E. v. Hartmann hinaus, dass er den Gedankenprzisiert, dass die Aufhebung des Satzes vom Widerspruch bzw. das Zulas-sen von

    logischen

    Widersprchen alle Mglichkeit von Wissenschaft zerstrt

    vgl. E. v. Hartmann ebd., 92, oben S. 20

    , a complete breakdown of science

    Popper ebd., 317

    bedeutet.

    Schon Stammler hatte diesen Gedanken dahin-

    gehend enggefhrt, dass in der dialektischen Logik alles beweisbar sei; vgl.oben S. 23.

    If two contradictory statements are admitted, so heit es bei Pop-

    per, any statement whatever must be admittedebd.

    . Die Begrndung: From

    a couple of contradictory statements any statement whatever can be validlyinferred

    ebd.

    .

    Dass von einem Paar kontradiktorisch entgegengesetzter Aussagen eine be-liebige Aussage gltigerweise hergeleitet werden knne, demonstriert Popperfolgendermaen:

    Es seien p und non-p das Paar der zugelassenen kontradiktorisch entgegen-gesetzten Aussagen, q sei eine beliebige Aussage.

    ber die gltige Schlussregelrule of inference, ebd. 318

    p1

    p q

    sie besagt: From a premise p ... any conclusion of the form `p q' ... may bevalidly deduced

    ebd.

    erhlt man im Ausgang von der Prmisse p die Konklu-

    sion p qlies: p q als p oder q ; das oder ist nicht ausschlieend gemeint.

    ber die weitere gltige Schlussregel

    non-p2

    p q

    q

    sie besagt: From the two premises non-p, and p q, we obtain the conclu-sion q

    ebd. 319

    erhlt man im Ausgang von der Prmisse non-p und der

    ber die Schlussregel1erhaltenen Prmisse p q die Konklusion q.

    Insgesamt: Nach Vorgabe der kontradiktorisch entgegengesetzten Aussagen pund non-p wird in Anwendung der gltigen Schlussregeln

    1und

    2jede belie-

  • - 26 -

    bige Aussage q erschliebarvgl. ebd., 318f

    .12

    Den gleichen Eekt erzielt man auch ber die einzige, gltige Schlussregel

    p3

    non-p

    qvgl. ebd., 320f; bei Popper handelt es sich um die Schlussregel

    7

    . Ihr zufolge

    kann nach Vorgabe von p und non-p direkt auf eine beliebige Aussage q geschlos-sen werden.

    Popper1959

    auf den Popper

    1963

    selbst verweist

    vgl. ebd., 317

    Fn. 6; die deutsche bersetzung gibt diesen Verweis nicht wieder, vgl. ders. 1967,289 Fn. 6

    bietet noch eine weitere Variante: Die Schlussregel

    p4

    p q,

    q

    die Abtrennungsregel oder der modus ponens sie besagt, dass die Prmis-sen p und p q den Schluss auf die Konklusion q erlauben , liefert mit denPrmissen

    p pfr p

    und

    p p

    qentsprechend fr p q die Konklusion q vgl. Popper 1959 Abschn. 23, 91,Fn. *2; das Zeichen ist an die Stelle des non getreten; die Zeichen und seien als und bzw. als wenn - dann gelesen, vgl. weiter unten S. 143

    .

    Hier formuliert die erste Prmisse die Konjunktion der bisher nur einzeln alsPrmissen aufgetretenen Aussagen p und non-p bzw. p. Die zweite Prmissegewinnt Popper, indem er auf das im Logiksystem der Principia MathematicaAlfred Whiteheads und Bertrand Russells herleitbare Theorem

    p p qWhitehead

    Russell 1910,

    *2.21

    und auf das ebenfalls dort

    ber das Impor-

    tations-Theorem*3.31

    herleitbare Theorem

    p p q p p q

    erneut den modus ponens anwendetvgl. Popper ebd.

    .

    1. Ein weiterer Verweis in Popper 1963, 317 Fn. 6 der in der ursprngli-chen Fassung Popper

    1940

    noch keine Entsprechung hat

    vgl. ebd., 408 Fn.

    ,

    vgl. aber auch schon ders.1941

    , 311 , macht auf ukasiewicz

    1935

    auf-

    merksam. Dort werde gezeigt, dass bereits Duns Scotus gewusst habe, dass

    12 Poppers kleine lateinische Buchstaben p, q, etc. stehen, wie seine Beispiels-aussagen zeigen, sowohl fr Primaussagen, d. h. logisch nicht zusammengesetzteAussagen

    vgl. weiter unten, ebd.

    , wie auch fr logisch zusammengesetzte Aus-

    sagen, speziell fr Negationen, All- und Existenzaussagenvgl. ders. ebd., 319f

    .

  • - 27 -

    aus einem Paar kontradiktorisch entgegengesetzter Aussagen jede beliebige Aus-sage herleitbar sei

    vgl. ukasiewicz ebd., 124, 130f

    . Die von ukasiewicz

    herangezogenen Texte Quaestiones super librum I Priorum und Quaestionessuper librum II Priorum

    vgl. ders. ebd., 130f

    , als deren Verfasser er mit Carl

    Prantl 185570, Bd. III, 139 , auf den er sich sttzt, Duns Scotus ansieht,

    werden mittlerweile n i c h t mehr Duns Scotus zugeschriebenvgl. dazu etwa

    Tullio Gregory 1968, VI; William A. FrankAllan B. Wolter 1995,

    15 Fn. 31. Wenn wir Johannes Bendiek

    1952

    und Benson Mates

    1965

    folgen, dann entstammen beide Texte einem unbekannten Autor, der mit ei-nem Hilfsnamen als Pseudo-Scotus bezeichnet wird

    vgl. Bendiek ebd., 205,

    Mates ebd., 132; vgl. a. V. Muoz Delgado 1976.

    ukasiewicz fhrt u. a. Quaestiones super librum II Priorum, Q. III, 3,an. Wir nden dort, dass ad quamlibet propositionem, quae manifeste implicatcontradictionem, sequitur formaliter quaelibet alia

    aus einer beliebigen Aus-

    sage, die oensichtlich einen Widerspruch beinhaltet, formal eine beliebige ande-re folgt

    .Ebenso uert sich Pseudo-Scotus bereits in den Quaestiones super

    librum I Priorum, Q. X, 14.Pseudo-Scotus gibt das Beispiel: Socrates currit

    et Socrates non currit; igitur tu es RomaeQ. s. l. II Pr., ebd.

    Sokrates luft

    und Sokrates luft nicht; also: du bist in Rom. Er argumentiert:

    Ad dictam copulativam sequitur quaelibet ejus pars gratia formae, tuncreservata ista parte, Socrates non currit, arguatur ex alia sic: Socratescurrit; igitur Socrates currit, vel tu es Romae, quia quaelibet propositioinfert seipsam formaliter cum qualibet alia, in una disjunctiva; et ultrasequitur, Socrates currit, vel tu es Romae, sed Socrates non currit, utreservatum fuit; igitur tu es Romae, quod fuit probatum per illam regu-lam, Ex disjunctiva cum contradictoria unius partis ad reliquam partemest bona consequentia

    ebd.

    .

    Aus der genannten und-Aussage folgt

    jeder ihrer Teile der Form wegen. Dann, unter Aufbewahrung des TeilsSokrates luft nicht, mge aus dem anderen das Folgende dargetan wer-den: Sokrates luft; also: Sokrates luft oder du bist in Rom, weil einebeliebige Aussage sich selbst formal mit einer beliebigen anderen in ei-ner oder-Aussage zur Folge hat. Und des Weiteren folgt, Sokrates luft,oder du bist in Rom, aber: Sokrates luft nicht, wie aufbewahrt wurde;also: du bist in Rom, was durch jene Regel bewiesen wurde: Aus eineroder-Aussage erhlt man mit der entgegengesetzten Aussage des einenTeils eine gute Konsequenz auf den brigen Teil.

    Eine exakte Argumentationsparallele bietet Pseudo-Scotus, Q. s. l. I Pr.,ebd., fr das Beispiel Socrates est, et Socrates non est; igitur homo est asinusSokrates existiert, und Sokrates existiert nicht; also: der Mensch ist ein Esel

    .

    Wenn wir Pseudo-Scotus so verstehen drfen, dass er S c h l s s e prsen-tiert dafr spricht die Verwendung des igitur, aber auch die ausdrcklicheBezeichnung regula

    vgl. a. ders., ebd.

    , und zwar

    adie Schlsse von der

    Prmisse Socrates currit et Socrates non currit auf die Konklusionen Socratesnon currit und Socrates currit gem den

    modern notierten

    Schlussregeln

    p q5a

    qund

    p q5b

    ,

    pbden Schluss von der Prmisse Socrates currit auf die Konklusion Socrates

    currit, vel tu es Romae gem der Schlussregel

    p6

    p q

  • - 28 -

    undcden Schluss von den beiden Prmissen Socrates currit, vel tu es Romae

    und Socrates non currit auf die Konklusion tu es Romae gem der Schluss-regel

    p qp

    7

    ,q

    dann werden wir sagen knnen, dass Poppers Gedankengang, der sich derSchlussregeln

    1und

    2bedient

    vgl. oben S. 25

    , bei Pseudo-Scotus in der Tat

    vorgebildet ist: Die Schlussregeln5a

    und

    5b

    bentigt Popper nicht, weil er die

    kontradiktorisch entgegengesetzten Aussagen p und p bereits als zugelassenvoraussetzt.

    Diese Aussagen wren aber in Analogie zum Vorgehen des Pseudo-

    Scotus aus der Konjunktion p p ber die Schlussregeln5a

    und

    5b

    mit

    fr q leicht herleitbar.Die Schlussregel

    6stimmt mit der Schlussregel

    1

    berein. Die Schlussregel7unterscheidet sich von der Schlussregel

    2nur durch

    die unerhebliche Vertauschung der Prmissen.Gegen den von ukasiewicz 1935, 121f, erweckten Eindruck wre festzu-

    halten, dass es sich bei der Schlussregel7

    bzw.

    2

    n i c h t um das dem Stoiker

    Chrysipp zugeschriebene fnfte napdeikton bzw. um den fnften unbeweisba-ren Syllogismus der Stoiker handelt, vgl. ukasiewicz ebd. wenn man davonausgeht, wie ukasiewicz selbst es tut, vgl. ders. ebd., 116f, vgl. aber auchetwa Michael Frede 1974, 94f, dass das oder des Chrysipp ausschlieend,d. h. im Sinne des entweder-oder, und eben nicht nicht-ausschlieend gemeintist. Die Gltigkeit der unter

    5a

    ,

    5b

    ,

    6

    und

    7