Herausgeber Aus dem Inhalt - Nomos · 2010-03-26 · OVG Berlin 203 Keine Klagerechte Dritter gegen...

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ZUR Zeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt- und Planungsrecht Aus dem Inhalt Aufsätze Remo Klinger/Fabian Löwenberg Rechtsanspruch auf saubere Luft? 169 Rainer Wolf Grundfragen der Entwicklung einer Raumordnung für die Ausschließliche Wirtschaftszone 176 Maxi Keller Rechtsschutzdefizite Dritter gegen Genehmigungs- erteilungen für Windenergieanlagen in der AWZ 184 Cornelia Ziehm Rechtsprechungsreport: Hochwasserschutz – Rechtsentwicklung und aktuelle Rechtsprechung 192 Rechtsprechung Schutz mitgliedstaatlich gemeldeter Gebiete (Timavo-Mündung), EuGH 194 Mit einer Anmerkung von Kathrin Klooth/ Hans Walter Louis 197 UVP in der planerischen Abwägung – Bauleitplanung und Luftqualitätsrecht, BVerwG 199 Zur Verantwortung zur Beseitigung von Abfällen, OVG Berlin 203 Keine Klagerechte Dritter gegen Offshore-Wind- energiepark, OVG Hamburg 206 Windkraftanlagen als Verunstaltung des Landschaftsbildes, OVG Münster 213 Bebauungsplan für Windkraftanlagen, OVG Weimar 215 Gesetzgebung Malte Kohls/Mara Gerbig/Peter Schütte, Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht 219 Herausgeber Verein für Umweltrecht e.V. in Verbindung mit: Prof. Dr. Martin Beckmann Siegfried Breier Prof. Dr. Matthias Dombert Dr. Günther-Michael Knopp Prof. Dr. Hans-Joachim Koch Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff Dr. Frank Petersen Dr. Renate Phillip Michael Sauthoff Prof. Dr. Reinhard Sparwasser Prof. Dr. Michael Uechtritz Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl Prof. Dr. Andreas Voßkuhle Prof. Dr. Gerd Winter 4/2005 Jahrgang 16 · Seiten 169– 224 · E 10882 Nomos Immissionsschutz Naturschutz Klimaschutz Bodenschutz Gentechnik Energiewirtschaft Abfallwirtschaft Gewässerschutz Chemikaliensicherheit

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ZURZeitschrift für Umweltrecht

Das Forum für Umwelt- und

Planungsrecht

Aus dem Inhalt

Aufsätze

Remo Klinger/Fabian LöwenbergRechtsanspruch auf saubere Luft? 169

Rainer WolfGrundfragen der Entwicklung einer Raumordnung für die Ausschließliche Wirtschaftszone 176

Maxi KellerRechtsschutzdefizite Dritter gegen Genehmigungs-erteilungen für Windenergieanlagen in der AWZ 184

Cornelia ZiehmRechtsprechungsreport: Hochwasserschutz –Rechtsentwicklung und aktuelle Rechtsprechung 192

Rechtsprechung

Schutz mitgliedstaatlich gemeldeter Gebiete (Timavo-Mündung), EuGH 194Mit einer Anmerkung von Kathrin Klooth/Hans Walter Louis 197

UVP in der planerischen Abwägung – Bauleitplanungund Luftqualitätsrecht, BVerwG 199

Zur Verantwortung zur Beseitigung von Abfällen,OVG Berlin 203

Keine Klagerechte Dritter gegen Offshore-Wind-energiepark, OVG Hamburg 206

Windkraftanlagen als Verunstaltung desLandschaftsbildes, OVG Münster 213

Bebauungsplan für Windkraftanlagen, OVG Weimar 215

Gesetzgebung

Malte Kohls/Mara Gerbig/Peter Schütte,Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht 219

Herausgeber

Verein für Umweltrecht e.V.

in Verbindung mit:Prof. Dr. Martin BeckmannSiegfried BreierProf. Dr. Matthias DombertDr. Günther-Michael KnoppProf. Dr. Hans-Joachim KochProf. Dr. Gertrude Lübbe-WolffDr. Frank PetersenDr. Renate PhillipMichael SauthoffProf. Dr. Reinhard SparwasserProf. Dr. Michael UechtritzProf. Dr. Ludger-Anselm VersteylProf. Dr. Andreas VoßkuhleProf. Dr. Gerd Winter

4/2005Jahrgang 16 · Seiten 169– 224 · E 10882

Nomos

Immissionsschutz ■ Naturschutz ■ Klimaschutz ■ Bodenschutz ■ GentechnikEnergiewirtschaft ■ Abfallwirtschaft ■ Gewässerschutz ■ Chemikaliensicherheit

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Nomos

Bürgerliches GesetzbuchHandkommentar

Von RiOLG Prof. Dr. Dr. h.c. ReinerSchulze, Universität Münster; Prof.Dr. Heinrich Dörner, UniversitätMünster; Priv. Doz. Dr. Ina Ebert,Universität Kiel; RiOLG Prof. Dr.Jörn Eckert, Universität Kiel; RiOLGProf. Dr. Thomas Hoeren, Univer-sität Münster; Dr. Rainer Kemper,Universität Münster; RiOLG Prof.Dr. Ingo Saenger, UniversitätMünster; Prof. Dr. Hans Schulte-Noelke, Universität Bielefeld undProf. Dr. Ansgar Staudinger,Universität Bielefeld4. Auflage 2005, ca. 2.200 S., geb., 59,– €,ISBN 3-8329-1089-1

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AUFSÄTZERechtsanspruch auf saubere Luft?

Die rechtliche Durchsetzung der Luftqua-litätsstandards der 22. BImSchV am Bei-spiel der Grenzwerte für FeinstaubRemo Klinger/Fabian Löwenberg 169

Grundfragen der Entwicklung einerRaumordnung für die AusschließlicheWirtschaftszone Rainer Wolf 176

Rechtsschutzdefizite Dritter gegenGenehmigungserteilungen für Wind-energieanlagen in der AWZ?Maxi Keller 184

Rechtsprechungsreport: Hochwasser-schutz – Rechtsentwicklung und aktuel-le RechtsprechungCornelia Ziehm 192

RECHTSPRECHUNG

� EuGHSchutz mitgliedstaatlich gemeldeterNatura 2000-Gebiete (Timavo-Mün-dung)Urteil vom 13. Januar 2005 – C-117/03 194Mit einer Anmerkung vonKathrin Klooth/Hans Walter Louis 197

� BVerwGUVP in der planerischen Abwägung –Bauleitplanung und LuftqualitätsrechtUrteil vom 18. November 2004 – 4 CN 11.03 199

� OVG BerlinZur Verantwortung zur Beseitigung von AbfällenUrteil vom 19. November 2004 – 2 B 7.01 202

� OVG HamburgKeine Verbandsklagerechte eines Natur-schutzverbandes gegen einen Offshore-WindenergieparkBeschluss vom 3. Dezember 2004 – 1 Bf 113/04 206

� OVG HamburgKeine Klagebefugnis der Hochseefischergegen Teilgenehmigung für einen Off-shore-WindparkBeschluss vom 30. September 2004 – 1 Bf 162/04 208

� OVG HamburgKein Klagerecht einer Gemeinde gegenOffshore-WindparkBeschluss vom 1. September 2004 – 1 Bf 128/04 210

� OVG MünsterWindkraftanlagen als Verunstaltung desLandschaftsbildesUrteil vom 18. November 2004 – 7 A 3329/01 213

� OVG WeimarBebauungsplan für WindkraftanlagenBeschluss vom 16. August 2004 – 1 EN 944/03 215

I N H A LT

Schriftleitung

Prof. Dr. Wolfgang Köck (V.i.S.d.P.)UFZ – Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbHUniversität LeipzigDr. Moritz ReeseRat von Sachverständigen für Umwelt-fragen, BerlinDr. Sabine SchlackeUniversität Rostock

Redaktionsadresse: Verein für Umweltrecht e.V. Große Fischerstr. 5 c 28195 Bremen Tel. 0421/33 54 143Fax: 0421/33 54 141E-Mail: [email protected]

Redaktion:Dr. Peter BeyerRechtsanwalt, Ecologic, BerlinProf. Dr. Christian CalliessUniversität GöttingenProf. Dr. Andreas FisahnUniversität BielefeldDr. Harald GinzkyUmweltbundesamtCarola GlinskiUniversität BremenDr. Ekkehard HofmannUniversität HamburgDr. Malte KohlsRechtsanwalt, HamburgStefan Kopp-AssenmacherRechtsanwalt, PotsdamDr. Silke R. LaskowskiUniversität HamburgChristian Maaß, MdHBVorsitzender des Umweltausschussesder Hamburgischen Bürgerschaft,HamburgDr. Peter SchütteRechtsanwalt, HamburgProf. Dr. Bernhard W. WegenerUniversität ErlangenDr. Cornelia ZiehmRechtsanwältin, Hamburg,Rat von Sachverständigen für Umwelt-fragen, Hamburg

Verlag:Nomos-VerlagsgesellschaftWaldseestr. 3-5 c 76520 Baden-BadenTelefon (07221) 2104-0 Fax: (07221) 2104-27

Zeitschrift fürUmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

16. Jahrgang, S. 169- 224

ZUR 4/2005

Vorschau auf Heft 5/2005Vorgesehen s ind u.a .Das Elektrogesetz – Herstellerver-antwortung, Stoffstrom-management und VerpflichteteMario Tobias/Hans-Jochen Lückefett

Institutionelle Architektur der EUnach dem Vertrag über eineVerfassung für EuropaNils Meyer-Ohlendorf

Rechtsprechung in Leitsätzen 218

GESETZGEBUNG

Neueste Entwicklungen im BundesumweltrechtMalte Kohls/Mara Gerbig/Peter Schütte 219

RUBRIKEN

BUCHNEUERSCHEINUNGEN 222

TERMINE IV

ZUR 4/2005 | I

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Erfolgreiches Wassermanagement:Erfahrungen aus Entwicklungsländern

Die Welt steuert auf eine dramatische Wasserkrise zu:extreme Wasserknappheit in einer Vielzahl von Ländern,damit verbundene Verteilungskonflikte auf nationaler undinternationaler Ebene sowie Abwasserprobleme, die vorallem im Umfeld der Megastädte kaum mehr beherrschbarerscheinen.

Mit dem Konzept des Integrierten Wasserressourcen-Managements (IWRM), das auf eine sektorübergreifendeund nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcenausgerichtet ist, soll dieser heraufziehenden Krise begegnetwerden.

IWRM beinhaltet das Bemühen um ein »Ausbalancieren«der unterschiedlichen Nutzungsansprüche an die RessourceWasser. Dabei soll dem Nachhaltigkeitsgedanken Vorrangeingeräumt werden, was bedeutet, dass Wassernutzungund -verteilung nicht nur ökonomischen und sozialen, son-dern auch den ökologischen Notwendigkeiten Rechnungtragen müssen.

Schlüsselelement ist ein Ökosystemansatz, bei dem Wasser-einzugsgebiete Planungsgrundlage sind und die verschie-denen Sektoren, Wasser- und Stoffkreisläufe sowie Interes-senunterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen integrativund partizipativ betrachtet und bearbeitet werden. Kanndieser umfassende Anspruch von IWRM in der Praxis einge-löst werden? In dem vorliegenden Band werden interes-sante Erfahrungen aus Entwicklungsländern aufgezeigt.

Integriertes Wasserressourcen-Management (IWRM)

S. Neubert/W. Scheumann/A. van Edig/W. Huppert (Hrsg.)

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Ein Konzept in die Praxis überführen

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IntegriertesWasserressourcen-Management (IWRM)Ein Konzept in die Praxisüberführen

Herausgegeben von Dr. SusanneNeubert, Dr. Ing. WaltinaScheumann, Dr. Annette van Edigund Dr.-Ing. Walter Huppert2005, 314 S., brosch., 49,– €,ISBN 3-8329-1111-1

Das Immissionsschutzrecht steht erneut im Mittelpunkt einer über dieFachöffentlichkeit hinausgehenden Diskussion. Grund dafür ist diemögliche Überschreitung der seit dem 01. Januar 2005 verschärftenLuftqualitätsstandards der 22. BImSchV für PM

10-Feinstäube in nahezu

allen deutschen Ballungszentren. Der Beitrag untersucht die Effektivitätdes rechtlichen Instrumentariums anhand des möglichen Rechts-schutzes für den Bürger.

A. Einleitung

Seit dem 1.1.2005 darf die Feinstaub- bzw. PM10

-Konzentration derLuft den Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeternicht mehr als 35 Tage im Jahr (§ 4 Abs. 2 der 22. BImSchV1) bzw.den Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter nichtüberschreiten (§ 4 Abs. 3 der 22. BImSchV). In fast allen größerenStädten und Ballungszentren Deutschlands – und dort insbeson-dere an den großen Verkehrsadern – werden höhere Werte auftre-ten.2 Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Gefahr für diemenschliche Gesundheit dar.3 Feinstaub wird mit der Atemlufteingeatmet und ist verantwortlich für eine Vielzahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkarzinomen.4 Im Folgenden

Remo Klinger/Fabian Löwenberg

Rechtsanspruch auf saubere Luft?Die rechtliche Durchsetzung der Luftqualitätsstandards der 22. Verordnungzum Bundes-Immissionsschutzgesetz am Beispiel der Grenzwerte für Feinstaub

1 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Ver-ordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft – 22. BImSchV) vom11. September 2002, BGBl. I-2002, S. 3626.

2 Siehe auch »Alarmstufe Orange« in: Feinstaub – Magazin des Bundesumwelt-ministeriums, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-cherheit, Berlin, November 2004, S. 11 – im Internet unter http://www.bmu.de/files/magazin_feinstaub.pdf; die Süddeutsche Zeitung weist in ihrerAusgabe vom 19./20. Februar 2005 darauf hin, dass bereits in den ersten ein-einhalb Monaten des Jahres 2005 an einer Meßstelle in München 16 Über-schreitungen, in Dortmund 13, in Frankfurt a.M. 12 und in Berlin 10 Über-schreitungen gemessen wurden. Nach einem Beitrag des Tagesspiegel vom 20.Februar 2005 kommen 12 Überschreitungen in Essen und Düsseldorf hinzu.

3 »Tückischer Cocktail aus fast nichts«, in: Feinstaub – Magazin des Bunde-sumweltministeriums [Fn. 2], S. 6.

4 Zum Todesrisiko im Zusammenhang mit einer hohen Luftschadstoffbela-stung vgl. Lahl, »Verkehrsbeschränkungen als rechtlich zulässige Hand-lungsmöglichkeiten der Luftreinhaltepolitik«´, S. 15 – Vortrag gehalten am19.11.2004 zur ADAC-Fachtagung »Dicke Luft im Ballungsraum – Wege zurvernünftigen Umsetzung der EU-Luftreinhalte-Richtlinien«. Der Vortrag vonUwe Lahl ist im Internet abrufbar unter http://www.bmu.de/files/vortrag_lahl_adac_fachtagung041119.pdf.

wird dargestellt, welche juristische Funktion die Grenzwerte der22. BImSchV haben, wo die Grenzwerte gelten und welche Rechts-folgen sich an die Überschreitung dieser Grenzwerte knüpfen. Ineinem zweiten Schritt wird gefragt, welche Rechtsschutzmöglich-keiten den Betroffenen bei Überschreitung der Grenzwerte zurVerfügung stehen.

A U F S Ä T Z E

4/200516. Jahrgang • Seiten 169- 224

Zeitschrift fürUmweltrecht

Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V. Prof. Dr. Martin Beckmann, Rechtsanwalt, Münster; Siegfried Breier, EU-Kommission,Brüssel; Prof. Dr. Matthias Dombert, Rechtsanwalt, Potsdam; Dr. Günther-MichaelKnopp, Ministerialrat, Bayerisches Umweltministerium, München; Prof. Dr. Hans-Joachim Koch, Universität Hamburg; Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Richterin des Bun-desverfassungsgerichts, Karlsruhe; Dr. Frank Petersen, Ministerialrat, Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn; Dr. Renate Phillip, Richterin amBundesverwaltungsgericht, Leipzig; Michael Sauthoff, Vizepräsident des Oberverwal-tungsgerichts Greifswald; Prof. Dr. Reinhard Sparwasser, Rechtsanwalt, Freiburg; Prof. Dr.Michael Uechtritz, Rechtsanwalt, Stuttgart; Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl, Rechtsan-walt, Hannover; Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Universität Freiburg; Prof. Dr. Gerd Winter,Universität BremenSchriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck, Dr. Moritz Reese, Dr. Sabine Schlacke

ZUR 4/2005 | 169

ZURDas Forum für Umwelt- und Planungsrecht

A U F S Ä T Z E | K l inger/Löwenberg, Rechtsanspruch auf saubere Luf t?

170 | ZUR 4/2005

B. Grenzwerte der 22. BImSchV für Feinstäube (PM 10

)

I. Definition und Funktionen der Immissionsgrenzwerte

Nach ihrer Definition sind Grenzwerte Fixierungen naturwissen-schaftlicher Werte auf der Grundlage politischer Entscheidungen,die zur Kennzeichnung von Umweltbelastungen in Rechtsnormenumgesetzt werden und mit Sanktionen für den Fall ihrer Nichtein-haltung bewehrt sind.5 Grenzwerte dienen der Prävention; sie sol-len schädliche Umwelteinwirkungen verhindern.6 Schutzziel istim Regelfall die menschliche Gesundheit.7 Ihre primär-juristischeFunktion liegt darin, dass sie durch mathematisch-naturwissen-schaftlich exakt nachmessbare Größen komplexe Sachverhalte aufdie wesentlichen Gesichtspunkte vereinfachen und juristischhandhabbar machen.8 Grenzwerte dienen der Rechtssicherheitund ermöglichen so eine Verhaltenssteuerung.9 Für alle Beteilig-ten werden klare Grenzen aufgezeigt.10

Die Immissionsgrenzwerte der europäischen Richtlinien zurLuftreinhaltung erfüllen diese Kriterien.11 Nach Art. 2 der Luftqua-litätsrahmenrichtlinie 96/62/EG12 bezeichnet der Begriff »Wert«die Konzentration eines Schadstoffs in der Luft oder die Ablage-rung eines Schadstoffs auf bestimmten Flächen in einem bestimm-ten Zeitraum. In Art. 2 Nr. 5 derselben Richtlinie wird »Grenzwert«als ein Wert definiert, der auf Grund wissenschaftlicher Erkennt-nisse mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen aufdie menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt zuvermeiden, zu verhüten oder zu verringern. Der Grenzwert mussinnerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden und darfdanach nicht überschritten werden. In Art. 5 i.V.m. Anhang 3 derRichtlinie 1999/30/EG13 werden Grenzwerte für Feinstaubpartikel(PM

10) festgesetzt. Art. 11 der Richtlinie normiert zudem die Ver-

pflichtung der Mitgliedstaaten, Sanktionen für Verstöße gegen diein Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichenRechtsvorschriften festzulegen. Die Sanktionen müssen wirksam,verhältnismäßig und abschreckend sein. Mit Ausnahme dieserSanktionsvorschriften wurden die Vorgaben durch die SiebenteNovelle des BImSchG und die Änderung der 22. BImSchV in dasdeutsche Recht umgesetzt.14

II. Verbindlichkeit der Immissionsgrenzwerte

Bei den Immissionsgrenzwerten der 22. BImSchV handelt es sichum verbindliches Außenrecht.15 Die Werte sind einzuhalten, unab-hängig davon, wer der Verursacher der Überschreitungen ist.16 Die-ser quellenunabhängige Ansatz ist im deutschen Immissionsschutz-recht zwar nicht gänzlich neu, stellt aber vor allem durch die Einbe-ziehung des Straßenverkehrs eine wesentliche Änderung dar.17 Wieauch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom26.5.2004 entschieden hat, sind die Grenzwerte der 22. BImSchVunabhängig von der Emissionsquelle allgemein verbindlich.18

III. Flächendeckende und lokale Einhaltung der Immissionsgrenzwerte

Die 22. BImSchV konzentriert sich insbesondere auf die Luftrein-haltung in den besonders gefährdeten Ballungsräumen (Gebietemit mehr als 250.000 Einwohnern und mehr als 100 km2 Fläche(§ 1 Nr. 7 der 22. BImSchV)). Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 2Nr. 9 der Luftqualitätsrahmenrichtlinie bei der Festsetzung dieserBallungsgebiete grundsätzlich frei.19 Empfehlungen enthält einEU-Leitfaden20, in welchem zum Zweck einer europaweit einheitli-chen Praxis Hinweise zur Abgrenzung von Gebieten gegeben wer-den. Danach wird eine großräumige Betrachtung (Gebiete mitüber 300.000 Einwohnern und einer Fläche von 10 bis 100 km2)empfohlen.21

Von der Bestimmung der Ballungsräume zu unterscheiden istdie Frage, welche Betrachtungsweise für die Einhaltung der Immis-sionsgrenzwerte maßgeblich ist.22 Aus einer Vielzahl von Vor-schriften der 22. BImSchV geht hervor, dass die Grenzwerte auchim lokalen bzw. kleinräumigen Bereich einzuhalten sind. Soschreibt Ziffer I a) der Anlage 2 der 22. BImSchV vor, dass dort ge-messen werden soll, wo die Schadstoffkonzentration für die Bevöl-kerung am höchsten ist. Nach Ziffer II 5. Spiegelstrich derselbenAnlage sollen die »Probenahmestellen für den Verkehr […] zurMessung von Partikeln, Blei und Benzol so gelegen sein, dass siefür die Luftqualität nahe der Baufluchtlinie repräsentativ sind.«23

Die Messgeräte sind mithin so zu platzieren, dass die Luftqualitätan der Hausfassade und den Hauseingängen, also dort wo dieMenschen wohnen, gemessen wird. Der Verordnungsgeber gehtdaher von einer umfassenden, also lokalen und flächendeckendenBetrachtung aus.24 Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in sei-nem Urteil vom 26.5.200425 bestätigt. Es ist der Rechtsprechungdes OVG Koblenz26 und VGH Mannheim27 nicht gefolgt.

C. Rechtsfolgen bei Überschreitung der Immissionsgrenzwerte

Bei drohender Überschreitung der Immissionsgrenzwerte sind diezuständigen Behörden verpflichtet, sog. Luftreinhalte- und Akti-onspläne aufzustellen (a). Entscheidend ist letztlich aber nicht diePlanaufstellung, sondern die Einhaltung der Grenzwerte. Dazukönnen die in den Plänen enthaltenen Maßnahmen umgesetzt (b)oder planunabhängige Maßnahmen (c) ergriffen werden.

I. Pflicht zur Aufstellung von Luftreinhalte- und Aktionsplänen

Vorbeugend sind Luftreinhaltepläne aufzustellen, in denen Maß-nahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigun-

5 Vgl. Hüttermann, Funktionen der Grenzwerte im Umweltrecht und Abgrenzungdes Begriffes, Frankfurt am Main u.a. 1993, S. 154.

6 Vgl. Nicklisch, Grenzwerte und technische Regeln aus rechtlicher Sicht, in:ders. (Hrsg.), Prävention im Umweltrecht: Risikovorsorge, Grenzwerte, Haf-tung, Heidelberg 1988, S. 95 ff., 101.

7 Winter, Grenzwerte – Interdisziplinäre Untersuchungen zu einer Rechtsfigurdes Umwelt-, Arbeits- und Lebensmittelschutzes, Düsseldorf 1986, S. 3.

8 Hüttermann, a.a.O., S. 158 f.9 Winter, a.a.O., S. 6.

10 Hüttermann, a.a.O., S. 100 ff.11 Luftqualitätsrahmenrichtlinie 96/62/EG sowie die sog. drei Tochterrichtli-

nien 99/30/EG, 2000/69/EG und 2002/3/EG.12 Richtlinie 96/62/EG des Rates über die Beurteilung und die Kontrolle der

Luftqualität (Luftqualitätsrahmenrichtlinie) vom 27. September 1996.13 Richtlinie 99/30/EG des Rates über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stick-

stoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft vom 22. April1999.

14 Vgl. dazu auch Jarass, NVwZ 2003, 257 (263).15 Jarass, NVwZ 2003, 257 (260 m.w.N.); Rehbinder, Rechtsgutachten über die

Umsetzung der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes, Frankfurt 2004, S. 12 m.w.N. u. S. 34 (im Internet unterwww.stadtklima-stuttgart.de/stadtklima_filestorage/download/Rechtsgut-achten-22-BImSchG-Rehbinder.pdf); a.A. Hansmann, in: Landmann/Roh-mer, Umweltrecht Bd. 1, 22. BImSchV, Rn. 9.

16 Jarass, NVwZ 2003, 257 (260). 17 Lahl, a.a.O. [Fn. 4] spricht auf S. 3 von einem Paradigmenwechsel im deut-

schen Recht der Luftreinhaltung. Das deutsche Immissionsschutzrecht ver-folgte bisher einen eher quellenabhängigen oder emissionsbezogenen An-satz, wie die GroßfeuerungsanlagenVO, die TA-Luft oder die TA-Lärm zeigt.

18 BVerwG, NVwZ 2004, 1237 (1238 f.); so auch Jarass, NVwZ 2003, 257 (260m.w.N.); Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 12 m.w.N., S. 34.

19 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, Vorbem. 3.1 EURdnr. 23.

20 Guidance on Assessment under the EU Air Quality Directives, im Internetunter http://europa.eu.int/comm/environment/air/pdf/guidanceunderair-quality.pdf.

21 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 17.22 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 18.23 BT-Drs. 14/9404 vom 12.06.2002, S. 17.24 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 18.25 BVerwG, NVwZ 2004, 1237 (1238).26 OVG Koblenz, UPR 2002, 360.27 VGH Mannheim, ZUR 2004, 171.

gen festgelegt werden.28 Wenn die Grenzwerte überschritten wer-den oder eine solche Überschreitung droht, müssen Aktionspläneaufgestellt werden, die kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen vor-sehen, um die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte zu ver-ringern oder den Zeitraum, in dem diese tatsächlich überschrittensind, zu verkürzen.29 Rehbinder30 ist der Ansicht, dass trotz derRechtsprechung des EuGH zur Verbindlichkeit der Emissions-grenzwerte zur Luftreinhaltung31 aus § 47 BImSchG abgeleitet wer-den könne, »dass unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßig-keit ein gewisser Spielraum hinsichtlich des Zeitpunkts der Einhal-tung der Grenzwerte besteht«. Dieser Gedanke mag für diePlanaufstellung zutreffen. Für planunabhängige Maßnahmenkann es wegen des Charakters als Grenzwerte jedoch keinen Spiel-raum hinsichtlich der Einhaltung der Grenzwerte geben. Auffälligist, dass die meisten betroffenen Städte Ende 2004 trotz drohenderGrenzwertüberschreitung im Jahr 2005 lediglich Luftreinhalteplä-ne vorlegten und keine Aktionspläne. Bereits dies ist rechtswidrig.

II. Maßnahmen in Luftreinhalte- und Aktionsplänen

Inhaltlich müssen sich die Luftreinhalte- oder Aktionspläne mitallen Quellen der Luftverunreinigung beschäftigen. Als Maßnah-men kommen alle Mittel in Betracht, die zur Einhaltung derGrenzwerte beitragen können. Darunter fallen Verwaltungsakte,Realakte sowie Maßnahmen der Normsetzung und Planung.32 In-nerhalb des BImSchG können die Maßnahmen an die Anlagenge-nehmigung und den Erlass von Anordnungen gem. §§ 17, 20, 21,24 f. BImSchG anknüpfen.33 Außerhalb des BImSchG könnenstraßenrechtliche, luftverkehrsrechtliche oder bauplanungsrecht-liche Maßnahmen effektiv sein.34 Komplexe Luftverunreinigun-gen werden in der Regel durch mehrere Emittenten verursacht.Nach § 47 Abs. 2 S. 1 BImSchG sind die Emittenten – unter Beach-tung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – entsprechend ihremVerursacheranteil heranzuziehen. Zwar normiert § 47 Abs. 4 S. 1BImSchG, dass gegen den Emittenten vorgegangen werden soll,der die Luftverunreinigung zum größten Teil verursacht.35 Aller-dings gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass bei Unge-eignetheit der Maßnahmen gegen einen Verursacher ein verstärk-tes Vorgehen gegen einen anderen Verursacher nicht ausgeschlos-sen ist oder dass bei einer unangemessenen Belastung einesVerursachers die Maßnahmen auf andere Verursacher ausgedehntwerden können. Damit steht nicht das Verursacherprinzip im Vor-dergrund, sondern die Effektivität der Luftreinhaltung. So werdenim Verkehrsbereich insbesondere Maßnahmen zu Dieselfahrzeu-gen ohne Partikelfilter ein wirksames Mittel sein.

III. Planunabhängige Maßnahmen

Unabhängig von planerischen Maßnahmen besteht die Verpflich-tung der Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zur Einhal-tung der Immissionsgrenzwerte zu ergreifen (§ 45 Abs. 1 BIm-SchG). Bei dieser Norm handelt es sich um einen Auffangtatbe-stand.36 § 45 Abs. 1 S.2 BImSchG erwähnt (»insbesondere«) dieAufstellung von Plänen nach § 47 BImSchG als eine Maßnahme.Mit den Plänen soll ein koordiniertes Vorgehen ermöglicht wer-den. Falls dieses aber nicht ausreicht oder aber Pläne nach § 47BImSchG nicht existieren, geht die Verpflichtung darüber hinausund umfasst auch Maßnahmen, die dieses Ziel ohne die Aufstel-lung von Plänen erreichen.37

Inwieweit § 45 Abs. 1 BImSchG Befugnis- und nicht lediglichAufgabennorm ist und damit eine Rechtsgrundlage für den Ein-griff in die Rechte Dritter bietet, ist ungeklärt. Für den Charakterals Befugnisnorm spricht, dass die Behörden auch jenseits vonLuftreinhalte- und Aktionsplänen verpflichtet sind, die Einhal-

tung der Grenzwerte sicherzustellen. Andererseits wird die Aufstel-lung von Plänen in § 45 Abs. 1 BImSchG als ein Mittel zur Einhal-tung der Werte genannt. Rechtsgrundlage dafür ist aber § 47 Abs. 1und 2 BImSchG. Dieser Konzeption würde es widersprechen,wenn man § 45 Abs. 1 BImSchG als eigenständige Befugnisnorm(auch zur Aufstellung der Pläne) begreift. Dass der Gesetzgeber die-se Vorschrift nicht derart gestalten wollte, zeigt sich in der Begrün-dung zum Gesetzesentwurf, die auf »Anforderungen bei der Ge-nehmigung« oder »nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1«verweist.38 Zudem erscheint die Vorschrift zu allgemein gehalten,als dass sich Befugnisse für Eingriffe in Rechte Dritter aus ihr ablei-ten ließen.39

Wenn es sich bei § 45 Abs.1 BImSchG um eine bloße Aufgaben-norm handelt, bedarf es für belastende Maßnahmen eigener Er-mächtigungsgrundlagen. In Betracht kommen solche aus den Be-reichen Anlagen, Planung und Verkehr. Im Anlagenbereich sindMaßnahmen nach § 5 BImSchG (Neu- und Änderungsgenehmi-gung) oder § 17 BImSchG (nachträgliche Anordnungen) möglich.Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen können entsprechen-de Landesverordnungen nach § 47 Abs. 7 oder § 49 Abs. 1 BIm-SchG bzw. ortsrechtliche Vorschriften nach § 47 Abs. 7 S. 2 oder §49 Abs. 3 BImSchG notwendige Voraussetzung für Betreiberpflich-ten nach § 22 BImSchG sein. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 5 und § 25 Abs.2 BImSchG können der Widerruf von Genehmigungen sowie dieUntersagung und Stilllegung von Anlagen verfügt werden. Auchfür Planfeststellungen stellen die Immissionsgrenzwerte der 22.BImSchV abwägungsrelevante Vorgaben dar.40 Zu beachten sinddie Immissionsgrenzwerte ebenfalls in der Bauleitplanung.41 Nach§ 1 Abs. 6 Nr. 1 und 7 BauGB sind die Anforderungen an gesundeLebens- und Arbeitsverhältnisse und die Belange des Umwelt-schutzes bei der Abwägung zu berücksichtigen. Die Grenzwerteführen zu einer Gewichtsverstärkung des Immissionsschutzes imBauplanungsrecht (vgl. § 50 S. 1 BImSchG).42 Dasselbe gilt schließ-lich für die Regionalplanung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 5, 7, 8 ROG, § 50 S. 1BImSchG). Im Verkehrsbereich kommen verkehrsbeschränkendeMaßnahmen nach § 45 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3StVO in Betracht.43 Die Überschreitung der Grenzwerte stellt eineGefahrenlage i.S. d. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO dar.

28 Zum vorbeugenden Charakter des Luftreinhalteplans vgl. Jarass, NVwZ 2003,257 (261).

29 Jarass, NVwZ 2003, 257 (261); Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 19.30 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 19 f.31 EuGH, Slg. 2002, I-5679 Tz. 25 ff. – Kommission ./. Frankreich; Slg. 2002,

I-6407 Tz. 27 – Kommission ./. Spanien.32 Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 47 Rn.11; Hansmann, in: Landmann/Roh-

mer, Umweltrecht Bd. 1, § 47 Rn. 25.33 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 33 ff.34 Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 47 Rn. 11 m.w.N.; Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15],

S. 41 ff.35 Hinsichtlich der Feinstaubpartikel können mittlerweile relativ genaue

Quellenzuordnungen vorgenommen werden. Hauptverursacher für die Spit-zenwerte von Feinstaubpartikel ist der Kraftfahrzeugverkehr; vgl. auch Be-richt des UBA »Episodenhafte PM10-Belastung in der BundesrepublikDeutschland in den Jahren 2000 bis 2003«, S. 3, im Internet unterhttp://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/mysql-media-detail.php3?Kennummer=2804.

36 Lahl, a.a.O. [Fn. 4], S. 7. 37 So auch BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 – 4 CN 11.03 –; das BVerwG führt in ei-

nem Leitsatz zu der Entscheidung aus, dass die Luftreinhaltepläne zwar einwesentliches, aber nicht das einzige Instrument sind, um die Einhaltung derin der 22. BImSchV festgesetzten Immissionswerte sicherzustellen.

38 BT-Drs. 14/8450, S. 12.39 So auch Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, § 45 BImSchG,

Rn. 7; Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 47; Jarass, NVwZ 2003, 257 (264); ders.,BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 45 Rn. 2.

40 Zu den Einschränkungen vgl. BVerwG, NVwZ 2004, 1237 ff.41 Zu den Anforderungen vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 - 4 CN 11.03 -.42 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 53 ff.; im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 18.11.2004

– 4 CN 11.03 –.43 Vgl. BVerwG, NJW 1987, 1096; VG München, UPR 1993, 277; Rehbinder, a.a.O.

[Fn. 15], S. 50 m.w.N.

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Kl inger/Löwenberg, Rechtsanspruch auf saubere Luf t? | A U F S Ä T Z E

D. Rechtsschutz des Bürgers bei Überschreitung der Grenzwerte

Von besonderem Interesse ist, welche Rechtsschutzmöglichkeitender Bürger bei eingetretenen oder drohenden Grenzwertüber-schreitungen hat. Dabei stellt sich zunächst die Frage, welche Bür-ger klagebefugt sind (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sodann ist zu beantwor-ten, welche effektiven prozessualen Möglichkeiten ergriffen wer-den können.

I. Klagebefugnis

Die Grenzwerte der 22. BImSchV dienen dem Schutz der mensch-lichen Gesundheit. Es entspricht der Rechtsprechung des Europäi-schen Gerichtshofs, dass eine Verletzung von Grenzwerten, dieder menschlichen Gesundheit dienen, gerichtlich geltend ge-macht werden kann;44 folglich gewährleisten derartige gesund-heitsbezogene Immissionsgrenzwerte subjektive Rechte.45 Das Ur-teil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.5.2004 ist dem ge-folgt. Das Gericht ging ohne vertiefte Diskussion davon aus, dassdie Grenzwerte der 22. BImSchV subjektive Rechte begründen.46

Fraglich ist jedoch, welche konkreten Anforderungen der jeweiligeKläger erfüllen muss, um unmittelbar betroffen zu sein.

Um den klagebefugten Personenkreis zu bestimmen, kann man– wie Rehbinder47 zutreffend feststellt – nicht unmittelbar auf dieim BImSchG bisher übliche Unterscheidung zwischen Nachbar-schaft und Allgemeinheit zurückgreifen und nur die Personen alsgeschützt ansehen, die sich hinreichend dauerhaft im Einwir-kungsbereich der Emissionsquelle aufhalten (Nachbarn). Wegender spezifischen Art der Grenzwerte ist der Kreis der geschütztenPersonen weiter zu ziehen. Wenn die Verordnung einzelne Stun-den- oder Tagesmittelwerte bestimmt, die nicht überschritten wer-den dürfen, so heißt dies, dass die 22. BImSchV auch relativ kurz-zeitige Überschreitungen der Grenzwerte als gesundheitsgefähr-dend ansieht. Bestätigt wird dies durch § 10 Abs. 7 i.V.m. Anlage 2der 22. BImSchV. Danach sind die Probenahmestellen, an denenMessungen vorgenommen werden, so zu legen, »dass Daten zuden Bereichen innerhalb von Gebieten und Ballungsräumen ge-wonnen werden, in denen die höchsten Konzentrationen auftre-ten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirektüber einen Zeitraum ausgesetzt wird, der der Mittelungszeit des be-treffenden Immissionsgrenzwertes Rechnung trägt«.48

Folglich sind je nach Struktur des Grenzwertes zumindest allePersonen geschützt, die sich im Einwirkungsbereich der Emissi-onsquelle (örtliche Komponente) entsprechend der jeweils vorge-schriebenen Mittelungszeit des jeweiligen Grenzwertes dauerndoder wiederholt (zeitliche Komponente) aufhalten.49 Nicht ge-schützt sind demnach Personen, die sich unterhalb der Mitte-lungszeit sehr kurz an Orten mit Grenzwertüberschreitungen auf-halten, wie z. B. ein einmaliger kurzer Aufenthalt an Bushaltestel-len und Bahnsteigen mit darauf folgendem Verlassen desgrenzwertüberschreitenden Ortes. Gemäß Art. 2 Nr. 1 der Luftqua-litätsrahmenrichtlinie 96/62/EG50 ist die Luft an Arbeitsplätzenvon den Luftreinhaltevorschriften ausgenommen. Gesundheits-gefährdungen durch arbeitsplatzspezifische Belastungen sind vomArbeitsschutzrecht als lex specialis erfasst. Arbeitnehmer sind je-doch dann vom Schutzbereich umfasst, wenn sie an der Arbeits-stätte der durch Drittquellen belasteten Außenluft ausgesetzt sind.

In räumlicher Hinsicht gingen Entscheidungen der Obergerich-te zunächst davon aus, dass der 22. BImSchV eine rein gebietsbe-zogene Betrachtung zugrunde liegt.51 Die Einhaltung der vorge-schriebenen Grenzwerte war nach diesen Entscheidungen nichtdadurch in Frage gestellt, dass an einzelnen Stellen des GebietsGrenzwertüberschreitungen auftreten. Erst dann, wenn im Durch-schnitt des gesamten Gebiets der Grenzwert überschritten ist, kön-

ne man von einer Grenzwertüberschreitung reden. Folgt man die-ser Auffassung, wäre zwar jeder im Plangebiet bzw. im Ballungs-raum lebende Bürger klagebefugt. Dies ergibt sich daraus, dass esschon bei einzelnen erheblich über der Norm liegenden Messwer-ten nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger inseinen Rechten beeinträchtigt ist. Seine Klage wäre jedoch auchdann unbegründet, wenn er unmittelbar an einer grenzwertüber-schreitenden Einwirkungsquelle wohnt, der Ballungsraum dieGrenzwerte aber insgesamt einhält. Nach dem Urteil des Bundes-verwaltungsgerichts vom 26.5.200452 wird sich diese rein gebiets-bezogene Betrachtung nicht durchsetzen. Eine grundstücksbezo-gene Herangehensweise ist notwendig. Danach sind in räumlicherHinsicht Personen klagebefugt, die sich auf Grundstücken aufhal-ten, in deren unmittelbarer Nähe ohne eine signifikante Verände-rung der Belastungsfaktoren Grenzwertüberschreitungen festge-stellt wurden. Ausreichend ist auch, dass die Messstelle (und damitdas Grundstück) täglich mehrmals passiert wird (z.B. auf dem Wegzur Arbeit) und der Einzelne durch die erhöhten Werte regelmäßigeiner Gesundheitsgefährdung ausgesetzt wird. Zwar werden Mes-sungen erst bei Einhaltung bestimmter Mindestabstände vonKreuzungen bzw. Fahrbahnen vorgenommen.53 Die Einhaltungdieser Mindestabstände ist Voraussetzung für eine rechtlich ein-wandfreie Grenzwertmessung. Dies bedeutet aber nicht, dass aufden Straßen und den dazugehörigen Gehwegen immissions-schutzrechtliches Niemandsland wäre. Zumindest derjenige, derdas betroffene Straßengrundstück (gemessen mit dem dazugehöri-gen Mindestabstand) nicht in einem die Stäube absorbierendenFahrzeug (PKW oder Bus) regelmäßig passiert (wie Fußgänger oderFahrrad- und Kradfahrer), ist ebenso klagebefugt wie unmittelbareAnwohner.

Problematisch ist, dass nach den Richtlinien und der22. BImschV nur wenige Messstellen eingerichtet werdenmüssen.54 Daraus ist jedoch nicht der Schluss zu ziehen, dass ledig-lich Personen klagebefugt sind, die sich regelmäßig in unmittelba-rer Nähe einer Messstelle aufhalten. Die Wahl der Messstellenortesoll gewährleisten, dass Daten innerhalb von Gebieten gewonnenwerden, an denen die höchsten Konzentrationen auftreten. DieAufstellungsorte sollen daher für die Exposition der Bevölkerungim Allgemeinen repräsentativ sein. Da die Orte der Messstellenund die daraus gewonnenen Ergebnisse signifikant ein bestimmtesGebiet in seiner Belastung abbilden, müssen auch Personen, diesich nicht unmittelbar an den Messstellen aufhalten, klagebefugtsein. Da zufällige kleinräumige Umweltbedingungen nicht durchdie Messstellen erfasst werden, treffen die Ergebnisse der Messstel-len eine zumindest begrenzt verallgemeinerungsfähige Aussageüber das Gesamtgebiet. Zwar existieren keine rechtlichen Vorga-ben für die Durchschnittsbildung im Gesamtgebiet. Die Messstel-len können daher für die Exposition der Bevölkerung in mess-stellenfernen Gebieten innerhalb des Gesamtgebiets nur ersteHinweise auf Grenzwertüberschreitungen bieten. Da die Klagebe-fugnis aber lediglich verlangt, dass der Kläger darzulegen hat, dass

44 EuGH, Slg. 1991, I-2567 Tz. 19 ff. = NVwZ 1991, 868 (Blei); Slg. 1991, I-2607 Tz.15 ff. = NVwZ 1991, 866 (SO2); Slg. 1996, I-6747 Tz. 16 = NVwZ 1997, 369 (Ge-wässerschutz).

45 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 59 m.w.N.46 BVerwG, NVwZ 2004, 1237; so auch Jarass, NVwZ 2003, 257 (264).47 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 15 m.w.N.48 So auch Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 15 m.w.N.49 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 16.50 Richtlinie 96/62/EG des Rates über die Beurteilung und die Kontrolle der

Luftqualität (Luftqualitätsrahmenrichtlinie) vom 27. September 1996, ABl.L 296/55.

51 OVG Koblenz, UPR 2002, 360; VGH Mannheim, ZUR 2004, 171 (173).52 BVerwG, NVwZ 2004, 1237 (1238).53 Vgl. Abschnitte I und II der Anlage 2 der 22. BImSchV.54 In Berlin sind es – da die obere Beurteilungsschwelle für Partikel regelmäßig

überschritten wird – in der gesamten Stadt (mindestens) sieben (vgl. Anlage1 I c sowie Anlage 3 I a der 22. BImschV).

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es nicht völlig ausgeschlossen ist, dass er in seinen Rechten ver-letzt sein kann, kann auch derjenige vor Gericht seine Rechte gel-tend machen, der sich nicht unmittelbar neben einer Messstelleregelmäßig aufhält, wenn die Messstellen in dem von ihm be-wohnten Gesamtgebiet Grenzwertüberschreitungen aufweisen.

II. Verpflichtungsanspruch auf Aufstellung von Luftreinhalte-und/oder Aktionsplänen?

Bestehen keine Luftreinhalte- und/oder Aktionspläne, so stelltsich die Frage, ob deren Aufstellung durch Verpflichtungsklageoder allgemeine Leistungsklage durchgesetzt werden kann.

Es wird vertreten, dass es sich bei derartigen Plänen nicht umAußenrecht handelt, sondern um ein Verwaltungsinternum ohneAußenwirkung.55 Untypisch für eine solche Qualität ist jedoch,dass die Öffentlichkeit bei Aufstellung der Pläne nach§ 47 Abs. 5 S. 2 BImSchG zu beteiligen ist und die Pläne der Öffent-lichkeit zugänglich zu machen sind (§ 47 Abs. 5 S. 3 BImSchG).Darüber hinaus wird die Aufstellung der Pläne als eine der Maß-nahmen bezeichnet, die zur Einhaltung der Grenzwerte zu ergrei-fen sind (§ 45 Abs. 1 Satz 2 BImSchG). Es könnte mithin dem mitden Vorschriften verfolgten Zweck (Schutz der menschlichen Ge-sundheit) widersprechen, wenn man die maßgeblichen Instru-mentarien zum Erreichen des Zwecks als bloßes Verwaltungsinter-num bezeichnet. Dem steht entgegen, dass auch nichtregelndesVerwaltungshandeln dem Schutz des Bürgers dienen kann und dieRegelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus dem Gemein-schaftsrecht folgen. Das Gemeinschaftsrecht mag zu Regelungenzwingen, die unserem hergebrachten Verwaltungsrechtsverständ-nis untypisch erscheinen. Das bedeutet aber nicht, dass neue Kate-gorien dafür gefunden werden müssten. Da die Pläne nach außenwirksame Maßnahmen lediglich vorbereiten sollen, sind sie demnichtregelnden internen Verwaltungshandeln zuzuordnen.

Auch dieses Verwaltungshandeln ist dann justiziabel, wenn sub-jektive Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO einen Anspruch dar-auf geben. Gemeinhin kennt das deutsche Verwaltungsrecht kei-nen Anspruch auf Planaufstellung. Planendes Handeln setzt vor-aus, dass die Verwaltung in ihrer Gestaltungsfreiheit unbeschränktist. Dies gilt nicht nur für das »Wie« der Gestaltung, sondern auchfür das »Ob« der Aufstellung eines Plans. Das Bundesverwaltungs-gericht hat zu Beginn seiner Fachplanungsrechtsprechung formu-liert, dass »Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch insich« wäre.56 Weder im Fachplanungs- noch im Bauplanungsrechtbesteht daher ein Anspruch Dritter auf Aufstellung eines Plans.57

Der entscheidende Unterschied des Bauplanungs- und Fachpla-nungsrechts zu den hier in Rede stehenden Luftreinhalteplänenund/oder Aktionsplänen ist jedoch § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG.Die Vorschrift enthält eine verpflichtende Regelung zur Planauf-stellung bei Vorliegen der Voraussetzungen. Ein Ermessen bestehtnicht. Dies heißt nicht, dass der Verwaltung ihre inhaltliche Ge-staltungsfreiheit genommen wäre. Diese bleibt den Kriterien derProblemerkennung, Auswertung und Bewertung vorbehalten.58

Lediglich bei der Frage, ob ein Plan aufzustellen ist, ist die Behördegebunden. Die inhaltliche Ausgestaltung der Pläne unterliegt demvon Luhmann geprägtem offenen Zweckprogramm mit seinem ty-pischen »Zweck-Mittel-Schema«.59 Es besteht auch bei diesen Plä-nen grundsätzlich eine größere Auswahl an Entscheidungsmög-lichkeiten zur Lösung des Problems. Dies ändert nichts daran, dassder Einzelne aus § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG eine Klagebefugnis zurAufstellung der Pläne besitzt, wenn Behörden ihrer Aufstellungs-verpflichtung nicht nachkommen und die Voraussetzungen vor-liegen.60

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu berücksichtigen, dassdie Pflicht zur Planaufstellung ihre Grundlage im Gemeinschafts-

recht hat. Es ist anerkannt, dass die zur Schutznormlehre nach§ 42 Abs. 2 VwGO entwickelten Grundsätze des deutschen Verwal-tungsprozessrechts durch das Gemeinschaftsrecht überlagert wer-den. Dabei kann dahinstehen, ob man den dogmatischen Ansatzin einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung oder in einerFortentwicklung der Schutznormtheorie sieht oder ob das Ge-meinschaftsrecht grundsätzlich eine anderweitige gesetzliche Re-gelung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO darstellt.61 Es kann nichtrichtig sein, wenn in Frankreich – welches die deutschen Be-schränkungen der Schutznormlehre nicht kennt – ein Rechtsan-spruch auf Planaufstellung besteht und in Deutschland die effekti-ve Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts unter Hinweis auf inn-erdeutsche verwaltungswissenschaftliche Lehren verhindert wird.

Daraus folgt, dass der Bürger durch allgemeine Leistungsklagedie Planaufstellung erzwingen kann. Bei der Aufstellung von Akti-onsplänen kommt die Durchsetzung einstweiligen Rechtsschutzesin Betracht, da diese Pläne kurzfristig zu ergreifende Maßnahmenregeln sollen (§ 47 Abs. 2 S. 1 BImSchG). Die Verweisung auf dieHauptsachenklage würde der Rechtsschutzgarantie zuwiderlau-fen, da die Betroffenen kurzfristig notwendige Maßnahmen durchlangwierige Klageverfahren verfolgen müssten.

III. Verpflichtungsanspruch auf Durchsetzung der in den Plänengeregelten Maßnahmen?

Fraglich ist, ob die in den Luftreinhalte- und/oder Aktionsplänengeregelten Maßnahmen durch den Bürger eingeklagt werden kön-nen.

Wie ausgeführt, handelt es sich bei den Plänen um nichtregeln-des internes Verwaltungshandeln unter Einbeziehung der Öffent-lichkeit. Die Pläne binden daher nur verwaltungsintern. Die vor-gesehenen Maßnahmen können nur mit dem Eingriffsinstrumen-tarium des BImSchG oder dem anderer Rechtsvorschriftendurchgesetzt werden. Entsprechende Befugnisnormen enthaltenzum Beispiel die §§ 6, 17, 24, 40 Abs. 1 BImSchG, aber auch § 45 St-VO.62 Die Tatsache, dass der Bürger keinen unmittelbaren An-spruch auf Durchführung der in den Plänen geregelten Maßnah-men hat, ergibt sich auch aus § 47 Abs. 6 BImSchG. Danach sinddie vorgesehenen Maßnahmen durch Anordnung oder sonstigeEntscheidung der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltungnach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften durchzuset-zen. Eine derartige Regelung hätte keinen Sinn, wenn bereits diePläne ausreichende Grundlage für die Durchsetzung der darin vor-gesehenen Maßnahmen wären.

Etwas anderes gilt nach § 40 Abs. 1 BImSchG nur dann, wennLuftreinhalte- oder Aktionspläne Beschränkungen oder Verbotedes Kraftfahrzeugverkehrs vorsehen. Liegen die Voraussetzungenvor, kann ein betroffener Bürger die Umsetzung der Maßnahmenverlangen.63 Das Problem ist nur, dass nach Kenntnis der Autorenbisher keine deutsche Kommune derartige Maßnahmen in ihren

55 Jarass, NVwZ 2003, 257 (262); ders., BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 47 Rn. 42 (mit derBemerkung, dass die »Rechtslage seit der Neufassung des § 47 zweifelhaft ge-worden« sei); Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, § 47 BIm-SchG Rn. 29; ebenso die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 14/8450, S. 14.

56 BVerwGE 34, 301 (304); 45, 309 (324 ff.); 48, 56 (59); 56, 110 (116). 57 So für das Bauplanungsrecht § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB.58 Vgl. zu den Elementen der planerischen Gestaltungsfreiheit BVerwGE 34, 301

(304).59 Im Unterschied zum herkömmlichen in Tatbestand und Rechtsfolge aufge-

spaltenen konditionalen »Wenn-Dann-Schema« des normativ gebundenenKonditionalprogramms; vgl. zu alledem N. Luhmann, VerwArch Bd. 55 (1964),1 (7); ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, Ausgabe 1973, S. 101 ff.

60 So auch Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 62; a.A. Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005,§ 47 Rn. 43.

61 Vgl. Gellermann, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechts-schutzes in der EU, 2. Aufl. 2003, § 36 Rn. 23; Rehbinder a.a.O. [Fn. 15], S. 59.

62 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes in BT-Drs. 14/8450, S. 14.63 Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 40 Rn. 14.

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Luftreinhalteplan aufgenommen hat. Obwohl in vielen Kommu-nen – abgeleitet aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre – dieGefahr besteht, dass die Grenzwerte zukünftig überschritten wer-den und sich verkehrsbeschränkende Maßnahmen prognostischals in vielen Fällen einzig wirksame Maßnahme erweisen werden,scheuen sich deutsche Städte (im Gegensatz zu Städten in Grie-chenland, Österreich und Italien) vor dieser Art der Problemlö-sung (noch). Die Situation erweckt den Eindruck, als schiebe mandas unpopuläre Mittel unter zwischenzeitlicher Inkaufnahmerechtswidriger Zustände so lange vor sich her, bis es sich nichtmehr verhindern lässt.64

IV. Ansprüche des Bürgers auf Ergreifen planunabhängigerMaßnahmen

Es fragt sich, welche wirksamen Maßnahmen der Bürger gericht-lich geltend machen kann, um zeitnah und unabhängig von Plä-nen die Einhaltung der Grenzwerte zu sichern. Mit einem Ver-pflichtungsanspruch zur Planaufstellung ist weder dem Bürgernoch der Luftqualität gedient, da Pläne allein die Luft nicht ver-bessern. Analysiert man zudem einige der beim Umweltbundes-amt eingegangen Luftreinhaltepläne, so schwindet die Hoffnungauf die zukünftige Einhaltung der Grenzwerte. Dies betrifft insbe-sondere auch die Aktionspläne, die kurzfristige Maßnahmen zurSicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte enthalten sollen.Trauriges Beispiel ist der im Februar 2005 veröffentlichte »Luf-treinehalte- und Aktionsplan für Berlin 2005 – 2010«65, der zwarmittel- und langfristige Maßnahmen ab 2008 vorsieht, aber kurz-fristige Maßnahmen völlig ignoriert. In diesem Fall von einem Ak-tionsplan zu sprechen, ist schlichtweg Etikettenschwindel.

Der Bürger hat einen Anspruch auf Einhaltung der festgelegtenLuftqualitätsstandards.66 Zur Durchsetzung dieses Anspruchs –und dies regelt § 47 Abs. 4 BImSchG – sollen alle zur Immissions-belastung beitragenden Emittenten unter Wahrung des Verhält-nismäßigkeitsgrundsatzes herangezogen werden. Da der Straßen-verkehr in den meisten Städten den »Löwenanteil«67 an der Bela-stung ausmacht, ist der Schutzraum, der immissionsseitig bislangum den Autoverkehr gezogen wurde, dahin.68 In nahezu allendeutschen Ballungsräumen ist eine Auseinandersetzung über dasOb von Maßnahmen müßig. Es kann keine Entscheidung mehrdarüber geben, ob die einzuhaltenden Werte nicht vollständigoder nicht fristgerecht eingehalten werden.69 Gleichwohl steht inAnbetracht der Tatsache, dass nahezu keine Stadt Anfang 2005 ei-nen wirksamen Aktionsplan vorlegte, zu befürchten, dass vielenBürgern die gerichtliche Durchsetzung der Luftstandards nicht er-spart bleibt. Planunabhängige Maßnahmen sind auch deshalb an-gezeigt, weil die Pläne nach dem Wortlaut der Regelung nur daraufabzielen, die Gefahr der Überschreitung der Werte »zu verringernoder den Zeitraum der Überschreitung zu verkürzen« (§ 47 Abs. 2BImSchG). Geht man davon aus, dass es sich hier nicht um einen»missverständlichen Wortlaut«70 handelt, werden es nur planun-abhängige Maßnahmen sein, die die Einhaltung der Werte sicher-stellen.71

Zu der Frage, ob sich der Bürger zur Durchsetzung solcher Maß-nahmen unmittelbar auf § 45 BImSchG stützen kann, wurde be-reits ausgeführt.72 Selbst wenn man die Vorschrift als bloße Aufga-benzuweisung begreift, wird die Regelung aber dann sinnvoll,wenn man sie bei bestehenden Befugnisnormen (etwa §§ 6, 17, 24BImSchG oder § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO) als ermessensdirigieren-de und ermessensreduzierende Vorschrift versteht. Nach § 45 BIm-SchG sind die zuständigen Behörden verpflichtet, die erforderli-chen Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte zu ergreifen.Die Möglichkeiten dazu bieten das Immissionsschutzrecht unddas Straßenverkehrsrecht, insbesondere § 45 StVO. Das in diesen

Normen enthaltene Entschließungsermessen wird durch § 45BImSchG bei Umsetzung der Luftgrenzwerte auf ein Auswahler-messen zur Wahl der geeigneten Maßnahme reduziert. Da dieLuftqualitätsstandards fristgemäß einzuhalten sind, ist das Ent-schließungsermessen bei drohender oder eingetretener Grenzwer-tüberschreitung über § 45 BImSchG stets auf Null reduziert. DerBehörde verbleibt lediglich ein Auswahlermessen in Hinblick aufdie zur Einhaltung der Grenzwerte zu wählenden Mittel. Der Bür-ger kann daher die Behörde mit einem Bescheidungsurteil ver-pflichten, die erforderlichen Verwaltungsakte zur Einhaltung derGrenzwerte zu erlassen. Da der Erfolg dieser Maßnahmen an denMessprotokollen ablesbar ist, kann das Urteil leicht mit der Ver-waltungsvollstreckung durchgesetzt werden.

Häufig wird auch das Auswahlermessen auf Null reduziert sein.Wenn sich in einem Plangebiet der Straßenverkehr als die Verursa-chungsquelle mit dem höchsten beeinflussbaren Anteil heraus-stellt, ist es angemessen und erforderlich, mit verkehrsbeschrän-kenden Maßnahmen zu reagieren. Wenn die Einhaltung derGrenzwerte nur durch solche Maßnahmen möglich ist, verdichtetsich der § 45 StVO in Verbindung mit § 45 BImSchG von einem Be-scheidungsanspruch vollständig zu einem Verpflichtungsan-spruch.73 Eine »Ermessenreduzierung auf Null« hinsichtlich desAuswahlermessens hängt davon ab, ob sich bei Gegenüberstellungaller Handlungsalternativen eine Situation ergibt, bei der sich allemöglichen Entscheidungen – mit Ausnahme einer einzigen – alsdem Zweck der Ermächtigung widersprechend erweist.74 Dies isteine Frage des Einzelfalls. Die Situation muss so sein, dass alleineinzelne konkretisierbare Verwaltungsakte (resp. Verkehrszei-chen) eine Abhilfe ermöglichen. Der größte Anteil der steuerbarenLuftverunreinigungen wird vom Straßenverkehr verursacht.75 Jegrößer die durch den Straßenverkehr verursachte und durch ihnzu vermindernde Überschreitung der Immissionswerte ist, destostärker reduziert sich das Ermessen auf eine einzige oder einige we-nige geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Maßnah-me(n).76 Kleinräumig kann der Straßenverkehr einer bestimmtenHauptverkehrsstraße die einzig beherrschbare anthropogeneQuelle sein, die mit verhältnismäßigen Mitteln zu beeinflussen ist.In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Verkehrsbeschränkun-

64 Vgl. dazu auch Lahl, a.a.O. [Fn. 4] unter der Teilüberschrift »Verkehrsbeschrän-kungen als rechtlich zulässige Handlungsmöglichkeiten der Luftreinhaltepoli-tik«.

65 Der Luftreinhalte- und Aktionsplan für Berlin ist im Internet abrufbar unter:http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/luftqualitaet/de/luftrein-halteplan/download/Luftreinhalteplan-Berlin_gesamt.pdf.

66 Dies ergibt sich bereits daraus, dass Art. 7 Abs. 1 der RL 96/62 die allgemei-ne Verpflichtung enthält, die Einhaltung der Grenzwerte »sicherzustellen«.Zusätzlich folgt dies aus der Definition des Grenzwertes als Wert, der »nichtüberschritten werden darf«.

67 So das Ergebnis einer Auswertung der Verursacher der Luftverschmutzung inBerlin durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

68 Assmann/Knierim/Friedrich, NuR 2004, 695, die darauf hinweisen, dass »die-se Botschaft gar nicht deutlich und eindeutig genug formuliert werden(kann) und (…) erst noch in das Bewusstsein vieler betroffener Akteure ein-dringen (muss)«.

69 Assmann/Knierim/Friedrich, NuR 2004, 695.70 So Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 47 Rn. 23.71 So Jarass, NVwZ 2003, 257 (262 f.); Jarass weisst darauf hin, dass planunab-

hängige Maßnahmen wegen der ungenügenden Umsetzung des Gemein-schaftsrechts in Hinblick auf die durch Art. 11 der Richtlinie gefordertenSanktionen zum Einsatz kommen müssen.

72 Vgl. C.III.73 Aus der bisherigen vom Lärmschutz geprägten Rechtsprechung zu § 45 StVO

vgl. BVerwGE 59, 221 (228); 74, 234 (236); BVerwG, Buchholz 442.151 § 45StVO Nr. 25; BVerwG, NZV 2000, 386; OVG Münster, NVwZ-RR 1998, 627;OVG Berlin, ZUR 1999, 164; VG Berlin, NVwZ-RR 1996, 257; VG Frankfurta.M., NVwZ-RR 1997, 92.

74 Vgl. Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2002, § 8 Rn. 544.75 Lahl, a.a.O. [Fn. 4], S. 7.76 Zur Ermessensreduzierung auf Null bei (nicht mit Grenzwerten unterlegten)

Lärmimmissionen allgemein BVerwGE 74, 234 (240); vgl. auch OVG Lüne-burg, NJW 1985, 2966 (2967); VGH Kassel, NJW 1989, 2767 (2769 f.).

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Kl inger/Löwenberg, Rechtsanspruch auf saubere Luf t? | A U F S Ä T Z E

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gen ein präzises Steuerungsmittel sind, um unmittelbar eine Ab-senkung der Werte zu erreichen.77

Ermessensreduzierend wirkt sich auch Art. 11 der Richtlinie99/30/EG aus. Die Vorschrift normiert die Pflicht der Mitgliedstaa-ten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionenfür Verstöße gegen die im Rahmen der Richtlinie erlassenenRechtsvorschriften festzulegen. Die Vorschrift wurde nicht in dasdeutsche Recht umgesetzt. Ein Vertragsverletzungsverfahren derKommission ist absehbar. Bis dahin ist das Handlungsermesseneuroparechtskonform dahin auszulegen, dass alle Maßnahmen zuwählen sind, die die Einhaltung der Grenzwerte nachhaltig si-chern. Das vorhandene Instrumentarium ist so zu handhaben,dass eine Grenzwertüberschreitung faktisch ausgeschlossen ist. Je-de andere Betrachtung widerspräche der Verpflichtung zur effekti-ven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts.

V. Amtshaftungsansprüche

Bürger könnten überlegen, Amtshaftungsansprüche gegen säumi-ge Kommunen durchsetzen zu wollen. Nach Berechnungen desInstituts für Epidemiologie Neuherberg und der Universität Mün-chen besteht bei Verwendung von Partikelfiltern an Dieselfahrzeu-gen in Deutschland ein jährliches Potential von vermeidbaren10.000 bis 19.000 Todesfällen. Erkrankte Personen oder Hin-terbliebene könnten sich daher mit dem Gedanken tragen, Scha-densersatzansprüche wegen der Verletzung einer Amtspflichtnach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geltend zu machen, wennBehörden ihre Verpflichtungen nicht erfüllen.

Da die Immissionsgrenzwerte der 22. BImSchV dem Schutz dermenschlichen Gesundheit dienen, ist es unproblematisch, dassdie Amtspflichten individualschützend sind und ihre Verletzungbei einer erwiesenen Schädigung des Betroffenen grundsätzlichgeeignet ist Amtshaftungsansprüche auszulösen.78 Unabhängigvon der Frage der Rechtsmittelerschöpfung sollte das größte Pro-blem eines Klägers der Beweis der Kausalität zwischen der Amts-pflichtverletzung und der Gesundheitsschädigung sein. Eine mon-okausale Betrachtung, nach der es gerade die über den Grenzwerthinausgehenden Feinstäube waren, die zu der Verursachung derKrankheit geführt haben, wird sich nicht führen lassen. Beruhi-gung können die Städte daraus nicht schöpfen; die Drohung mitSchadensersatzansprüchen stellt auch kein »stumpfes Schwert«79

dar. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass in Hinblick auf denKausalzusammenhang und das Verschulden von einer Umkehrder Beweislast auszugehen ist, wenn die Grenzwerte unter Verlet-zung von behördlichen Amtspflichten überschritten wurden.

Grundlage dieses Gedankens ist die Rechtsprechung des Bun-desgerichtshofs bei Schadensersatzansprüchen im Immissions-schutzrecht. So hat der BGH in dem Kupolofen-Urteil vom18.9.198480 ausgeführt, dass bei Immissionsbelastungen an diePflichtenstellung des Emittenten in § 906 Abs. 2 S. 1 BGB anzu-knüpfen ist. Danach ist es Sache des Verantwortlichen, darzutunund zu beweisen, dass die Emissionen im Rahmen der gesetzlichenGrenzwerte lagen und dass der Verantwortliche alle zumutbarenVorkehrungen getroffen hat, um eine Schädigung abzuwenden.Der Bundesgerichtshof stellte den Rechtssatz auf, dass es Sache desVerantwortlichen ist, zu beweisen, dass die schädlichen Immissio-nen auf einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grund-stücks beruhen und dass sie durch mögliche und wirtschaftlich zu-mutbare Maßnahmen nicht verhindert hätten werden können.Diese Beweislastverteilung hat der Bundesgerichtshof auch dannanerkannt, wenn eine grobe Verletzung von Berufspflichten fest-zustellen ist, sofern die Einhaltung der Berufspflichten dem Schutzvon Leben und Gesundheit dient. So wurde etwa bei den Pflichtendes Krankenpflegepersonals81, von Bademeistern82, von Betreibern

eines Kirmeskiosks83 oder eines Spediteurs84 geurteilt, dass einegrobe Verletzung der Berufspflichten die Beweislast des Kausalzu-sammenhangs dahingehend umkehrt, dass der Schädiger zu be-weisen habe, dass die Schädigung gerade nicht auf die Verletzungder Berufspflicht zurückzuführen ist. Dieser Gedanke entsprichtder Rechtsprechung im Strahlenschutzrecht. So hat zuletzt dasLandgericht Frankfurt (Oder) in einem Hinweisbeschluss zu denSchadensersatzansprüchen strahlengeschädigter NVA-Radarsolda-ten klargestellt, dass von einer Umkehr der Beweislast wegen derVerletzung von Schutzvorschriften auszugehen ist.85

Wenn sich Bademeister, Betreiber von Kirmeskiosken, Spediteu-re und die Bundeswehr bei der Verletzung ihrer Berufspflichten ei-ner Umkehr der Beweislast ausgesetzt sehen, ist es nicht fern lie-gend, diesen Gedanken auf kommunale Beamte oder Angestelltedes öffentlichen Dienstes zu übertragen, wenn diese Amtspflich-ten (gröblich) vernachlässigen. Zwar sind die Bediensteten nichtfür das Entstehen der Emissionen verantwortlich. Ihnen ist jedochdie Aufgabe übertragen, alles Notwendige zu tun, um die Einhal-tung der Grenzwerte sicherzustellen. Die Instrumentarien stehenihnen zur Verfügung. Wenden sie diese unter Außerachtlassungoder Verkennung ihrer Amtspflichten nicht an, steht das Unterlas-sen dem pflichtwidrigen Tun (etwa bei dem Betrieb einer dieGrenzwerte überschreitenden immissionsschutzrechtlichen Anla-ge) gleich. Bestätigt wird der Gedanke durch die in Art. 11 Richtli-nie 99/30/EG normierte Pflicht der Mitgliedstaaten, wirksame,verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße ge-gen die im Rahmen der Richtlinie erlassenen Rechtsvorschriftenfestzulegen. Die Vorschrift wurde nicht innerhalb der 22.BImSchV in das deutsche Recht umgesetzt. Interpretiert man diesso, dass Deutschland der Auffassung ist, bereits über abschrecken-de Sanktionsmechanismen in seinem Rechtssystem zu verfügen,führt kein Weg an einer Umkehr der Beweislast als einzig wirksamezivilrechtliche Sanktion vorbei. Wegen Art. 34 Satz 1 GG findetkeine persönliche Haftung statt; verantwortlich ist die Anstel-lungskörperschaft. Ob diese Regressansprüche gegen ihre Beamtenund Angestellten geltend machen kann, ist eine Frage des Dienst-rechts und soll hier unerörtert bleiben. Soweit Rehbinder86 dasHaftungsrisiko der Städte deshalb als vermindert ansieht, weil dieTräger der Sozialversicherung nach § 116 SGB X anspruchsver-pflichtet sind, übersieht er, dass der reine Schmerzensgeldan-spruch davon nicht erfasst wird. Gerade in den vergangenen Jah-ren ist die Höhe der vor den Gerichten zuerkannten Ansprüche er-heblich gestiegen. Insbesondere die auf Hinterbliebeneübergegangenen Ansprüche können ohne weiteres sechsstelligeSummen ausmachen.

77 Die Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaub wird zu einem großen Anteildurch Dieselkraftfahrzeuge ohne Partikelfilter hervorgerufen. Naheliegend ist da-her eine Beschränkung des Verkehrs von filterfreien Dieselfahrzeugen. Allein da-mit ließen sich die Grenzwerte oftmals einhalten. Überdies wäre damit ein ent-scheidender Anreiz für eine Umrüstung auf die Filtertechnologie verbunden. DerBund ist dringend aufgefordert, durch eine Novelle der StVO das entsprechendeVerkehrszeichen einzuführen und den Paradigmenwechsel des Immissions-schutzrechts mit den Instrumentarien der StVO zu verknüpfen. Die DeutscheUmwelthilfe e.V. hat dazu einen Gestaltungsvorschlag gemacht. So lange dieStVO nicht geändert ist, wird man möglicherweise über das Ziel hinausgehendeRegelungen treffen müssen, wie die Beschränkung des gesamten Verkehr auf derstreitigen Straße oder des gesamten LKW-Verkehrs zu bestimmten Zeiten.

78 Vgl. BGH, NJW 1989, 2945; BGH, NJW 1973, 463; BGHZ 106, 323 (332); 108,224 (228); 109, 380; 110, 1 (10); BGHZ 122, 363.

79 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 65.80 VII ZR 223/82 – NJW 1985, 47 ff.81 BGH, NJW 1971, 243.82 BGH, NJW 1962, 959.83 OLG Köln, OLGZ 70, 315.84 BGH, NJW–RR 2002, 1108 (1112).85 LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 19.02.2003, 11 O 144/02. 86 Rehbinder, a.a.O. [Fn. 15], S. 65.

Im Rahmen der jüngsten Novellierung des ROG durch das EAG-Bau vom24.6.20041 ist dem Bund nach Maßgabe von § 18a ROG die Aufgabeübertragen worden, eine Raumordnung für die deutsche AusschließlicheWirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee zu entwickeln. Die politi-sche Initiative zur Konzipierung einer marinen Raumordnung geht aufden Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 3.12.2001zurück.2 Darin wurden die norddeutschen Küstenländer gebeten, den Gel-tungsbereich ihrer Raumordnungspläne auf das Küstenmeer bis zur 12-Seemeilen-Grenze auszudehnen. Der Bund wurde aufgefordert, in Ab-stimmung mit den Ländern und Nachbarstaaten eine Raumentwick-lungsstrategie für die AWZ zu erarbeiten. Damit ist ein langjährigerDiskussionsprozess zu einem legislatorischen Abschluss gekommen.3 Ei-ne ähnliche Entwicklung ist in den Niederlanden mit der 5. Note zurRaumordnung vom 15.12.2000 zu beobachten.4 Der an den Bund adres-sierte Auftrag, eine räumliche Ordnung für einen marinen Raum vorzu-geben, ist nicht nur seevölker- und verfassungsrechtlich delikat (vgl. dazuunten A. und B.),5 sondern stellt auch eine konzeptionelle Herausforde-rung für ein Instrumentarium dar, das bisher als Kernstück terrestrischerPlanung galt (vgl. dazu unten C. und D.).6 Sie wird auch Änderungsdruckauf das anlagenbezogene Zulassungsrecht erzeugen (vgl. dazu unten E.).

A. »Terraneisierung« der AWZ und Seevölkerrecht

Als AWZ wird nach Art. 55 und 57 SRÜ ein Gebiet bezeichnet, dassich jenseits des 12 sm breiten Küstenmeeres über 200 sm bis hinzur Hohen See erstreckt (vgl. Abb. 1). Sie gehört nicht zum Ho-heitsgebiet des Küstenstaates, sondern konstituiert eine »besonde-re Rechtsordnung« (Art. 55 SRÜ). Mit ihr ist ein spezifisches Nut-

zungsregime verbunden, in dem sich Rechte und Jurisdiktionsbe-fugnisse des Küstenstaates mit den Rechten und Freiheiten ande-rer Staaten mischen.7 In der AWZ genießen alle Staaten die Frei-heiten der Schifffahrt, des Überflugs und der Verlegung unterseei-scher Transit-Kabel und Transit-Rohrleitungen (Art. 58 Abs. 1 SRÜ).Der Küstenstaat darf in der AWZ nur die souveränen Rechte undHoheitsbefugnisse ausüben, die ihm durch das SRÜ besonders zu-gewiesen sind. Dazu zählt das ausschließliche Recht zur Nutzungder lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen (Art. 56

1 BGBl. 2004 I, S. 1359.2 ARL-Nachrichten 3/2001, 34.3 Buchholz, Territorialplanung zur See, in: Hofmeister/Voss (Hg.), Geographie

der Küsten und Meere, 1985, S. 153 ff.; Erbguth, Raumplanung im Meer – un-ter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzrechts, NuR1999, 491 ff.; von Nicolai, Raumplanung im Küstenmeer, in: Dokumentati-onsband Meeresumwelt-Symposium des BMU/BSH, 2002, S. 83 ff.; Rat vonSachverständigen für Umweltfragen (SRU), Windenergienutzung auf See, Stel-lungnahme 2003, S. 15 ff.; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Son-dergutachten »Meeresumweltschutz in Nord- und Ostsee« ,BT-Drs. 15/2626;Koch, Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, NordÖR 2004, 211 ff.

4 Buchholz, Strategien und Szenarien zur Raumnutzung in den deutschen Aus-schließlichen Wirtschaftszonen, Gutachten im Auftrag des BBR, 2002, S. 11.

5 Vgl. dazu Erbguth, Wahrung möglicher Belange der Bundesraumordnung inder Ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland,Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau undWohnungswesen, 2002; von Nicolai, Rechtliche Aspekte einer Raumordnungauf dem Meer, in: Informationen zur Raumentwicklung 2004, 491 ff.; Mai-er, Zur Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der AusschließlichenWirtschaftszone, UPR 2004, 103.

6 Vgl. zu planerischen Ansätzen auch Buchholz, Strategien und Szenarien zurRaumnutzung in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord-und Ostsee, in: BBR (Hg.), Raumordnung auf dem Meer? Raumordnungs-strategien für ein stärker integriertes Küstenmanagement, 2002.

7 Vgl. dazu Ehlers, Nutzungsregime in der Ausschließlichen Wirtschaftszone(AWZ), NordÖR 2004, 51 ff.

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A U F S Ä T Z E | Wol f , Grundfragen e iner Raumordnung für d ie Aussch l ieß l iche Wir t schaf t szone

Rainer Wolf

Grundfragen der Entwicklung einer Raumordnung fürdie Ausschließliche Wirtschaftszone

E. Fazit

Mit den Luftqualitätsgrenzwerten der 22. BImSchV geht ein Para-digmenwechsel im deutschen Immissionsschutzrecht einher. Die-se statuieren einen quellenunabhängigen Ansatz, der insbesonde-re den bisher um den Fahrzeugverkehr bestehenden Schutzraumbeseitigt. Da in vielen deutschen Großstädten auch im Jahr 2005mit Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte zu rechnen ist,werden die Behörden über verkehrsbeschränkende Maßnahmenzu befinden haben. Die Behörden haben vorsorgend Aktionspläneaufzustellen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, umdie Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Der Bürger kanndie Aufstellung von Aktionsplänen mit der allgemeinen Leistungs-klage durchsetzen. Mit der Bescheidungsklage kann er den Erlasssolcher Verwaltungsakte fordern, die die Einhaltung der Grenz-werte gewährleisten. Bei drohender oder eingetretener Grenzwer-tüberschreitung ist das Entschließungsermessen über § 45 BIm-SchG auf Null reduziert. Wegen der Eilbedürftigkeit steht dem Bür-ger einstweiliger Rechtsschutz zur Verfügung. Eine unzureichendeUmsetzung der Bescheidungsurteile bzw. Beschlüsse des einstwei-ligen Rechtsschutzes kann mit den Mitteln der Verwaltungsvoll-streckung verfolgt werden. Im Einzelfall kann auch das Auswahler-messen zur Wahl der geeigneten Maßnahmen auf Null reduziertsein. Insbesondere bei verkehrsbeschränkenden Maßnahmen

kann es der Fall sein, dass nur diese und nur eine oder einige kon-krete Maßnahmen erfolgversprechend sind. Behörden, die ihrenPflichten nicht vollständig nachkommen, riskieren in Amtshaf-tungsverfahren von gesundheitlich Geschädigten eine Umkehrder Beweislast zu ihren Lasten.

Dr. Remo KlingerRechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner in der aufUmwelt- und Planungsrecht spezialisierten Kanzlei Geulen & Klinger,Schaperstraße 15, 10719 Berlin, www.geulenklinger.de bzw. [email protected]; berät zu den Fragen der 22. BImSchV die in der Allianz »KeinDiesel ohne Filter« zusammengeschlossenen Umweltschutzverbände.Aktuelle Veröffentlichungen: Was ist das Pfand am Dosenpfand? – Zumschuld- und sachenrechtlichen Charakter des Pflichtpfands auf Einweg-Ge-tränkeverpackungen, AbfallR 2003, S. 244 – 246; Zur Zulässigkeit von Be-triebsregelungen in eisenbahn- und fernstraßenrechtlichen Planfeststellungs-beschlüssen, UPR 2003, S. 342 – 346; Zur Berücksichtigung kommunalerBelange bei Standortkonzepten der Bundeswehr, in: Die Niedersächsische Ge-meinde – Monatszeitschrift für die kommunale Selbstverwaltung 6/2004,S. 177 – 179 sowie verschiedene Entscheidungsbesprechungen.

Dr. Fabian LöwenbergRechtsanwalt und Partner in der auf Öffentliches Recht spezialisiertenKanzlei Löwenberg Rechtsanwälte, Unter den Linden 12, 10117 Berlin,www.lwbg.de bzw. [email protected].

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Abs. 1 SRÜ) und zur Errichtung von künstlichen Inseln, Anlagenund Bauwerken (Art. 60 SRÜ) sowie zur Verlegung der anlanden-den Kabel- und Rohrleitungen (Art. 79 Abs. 4 SRÜ). Bereits darausfolgt, dass die Ordnung des marinen Raumes der AWZ nicht Aus-fluss der Gebietshoheit schlechthin sein kann. Vielmehr muss siesich aus den funktionell begrenzten Rechten des Küstenstaates ab-leiten lassen.8 Insbesondere die räumliche Ordnung der Seeschiff-fahrt und der Verlegung unterseeischer Transit-Kabel und Transit-Rohrleitungen kann daher nicht aus eigenem Recht vorgegebenwerden, sondern darf nur in Überstimmung mit den völkerrecht-lichen Bestimmungen erfolgen.

Abbildung 1:

Ökologisch betrachtet ist die AWZ Teil des größten Naturraumesder Erde. Sie ist durch den Schadstoffeintrag von Nutzungen be-droht, die auf dem Festland stattfinden, und muss daher durchdort ansetzende Maßnahmen geschützt werden.9 Sie ist trotz etli-cher internationaler Übereinkommen im Weiteren durch Schiff-fahrtsgebräuche beschädigt worden, deren Rücksichtslosigkeit aufdem Festland kaum eine Entsprechung findet.10 Ihre lebenden Res-sourcen sind schließlich durch Fangmethoden erschöpft, die allenMahnungen zur Nachhaltigkeit Hohn sprechen.11 Diesen Formender Bedrohung der marinen Lebensgrundlagen wird mit den In-strumenten der räumlichen Planung kaum wirksam begegnet wer-den können. Planung ist eine Folge der Urbanisierung. RäumlichePlanung setzt verdichtete, ortsfeste und auf Dauer gestellte Nut-zungen voraus. Sie soll Nutzungskonflikte vorsorgend minimie-ren, indem sie einander störende Nutzungen separiert, miteinan-der verträgliche Nutzungen zusammenführt und deren Interde-pendenzzusammenhänge koordiniert.12 Das Meer ist nicht urban.Es ist kein Siedlungsraum. Die AWZ könnte wohl auch nicht zuläs-sigerweise zum Siedlungsraum erklärt werden, da damit notwendi-gerweise die Beanspruchung von Gebietshoheit verbunden wäre,die dem Küstenstaat nicht zusteht.

Das Muster der extensiven, nicht ortsgebundenen und zeitlichnicht verstetigten Nutzung des Meeres beginnt sich allerdings zuverändern.13 Seit vielen Jahren wird der Raum der deutschen AWZdurch eine Vielzahl von Rohrleitungen und Kabeln in Anspruchgenommen. Sie ist Standort von Anlagen zur Förderung von Erd-gas und Erdöl. In ihr wird die großräumige Gewinnung von Sandund Kies aus dem Meeresboden betrieben. Geplant ist die Errich-tung von mehr als einem Dutzend Windparks mit jeweils mehr alshundert Anlagen. Sie machen wiederum eine vielfältige Infra-struktur an Rohrleitungen, Energie- und Kommunikationskabelnsowie Transporten auf Schiffen erforderlich, mit der sie sich mitdem Festland vernetzen können. Weitere Vorhaben wie etwa dieAquakultur oder die Gewinnung von Wasserstoff aus Windenergie

werden diskutiert. Dazu kommt die Gefahr, dass Nutzungen, diewegen ihres Störpotentials auf dem Festland kaum mehr durch-setzbar sind, in die AWZ exportiert werden könnten. Damit wirddie AWZ zunehmend durch immer dichter werdende und intensi-vere sowie miteinander um Standorte und Trassen konkurrierendeNutzungsansprüche ortsfester Anlagen belegt. In der AWZ ist da-her ein Geflecht vielfältiger konkurrierender und koordinations-bedürftiger Ansprüche an den Raum im Entstehen (vgl. Abb. 2).Diese quasi-industriellen Nutzungskonflikte im Meer erweckendie Nachfrage nach planerischer Konfliktbewältigung. Währenddie Politik optimistisch darauf hinweist, dass wir am Beginn einesmaritimen Jahrhunderts stehen14 und daher die küstennahenMeere als zukunftsoffenen »Entwicklungsraum« in Anspruchnimmt,15 der nach Standortsicherung durch Planung verlangt, ha-ben sich die ökologischen Risiken dieser Intensivnutzungen durchdie Instrumente des anlagenbezogenen Umweltschutzes als nichtmehr im erforderlichen Umfang kanalisierbar erwiesen.16 Dies ver-leiht Ansätzen für eine räumliche Planung ihre ökologische Be-rechtigung.17 Das Ausgreifen terrestrischer Nutzungsmuster aufdas Meer stimuliert die Übertragung gebietsbezogener Muster derProblembewältigung. Es ist nur ein Anzeichen für die allgemeineTendenz zur »Terreanisierung« der Meere.18 Sie hat rechtliche undsachliche Grenzen.Folgerichtig hat die Diskussion um planerischer Konzepte der Pro-blembewältigung zunächst zu der durch § 38 BNatSchG eröffnetenMöglichkeit zur Festsetzung von Geschützten Meeresflächen in derAWZ19 und der durch § 3a SeeAnlV vorgesehenen Ausweisung vonBesonderen Eignungsgebieten für Windenergieanlagen geführt.Beide Vorschriften traten im Jahr 2002 im Zusammenhang mit derNeufassung des Bundesnaturschutzgesetzes in Kraft.20 Inzwischensind 10 Meeresgebiete der Europäischen Kommission als potentiel-le »Natura 2000«-Gebiete gemeldet. Sie umfassen ca. 30 % der Ge-samtfläche der deutschen AWZ. Die Vorarbeiten zur Identifizierungvon Besonderen Eignungsgebieten für Windenergie lassen eine bal-dige Ausweisung erwarten. Die Entwicklung einer Raumordnungfür die AWZ steht in engem Zusammenhang mit diesen Vorhaben.

Die marine Raumordnung steht daher vor einer doppelten Her-ausforderung. Sie hat zum einen die natürlichen Lebensgrundla-gen des Meeres durch raumbezogene Maßnahmen zu sichern undzum anderen die Investitionssicherheit für potentielle Investorenim Entwicklungsraum der Offshore-Nutzungen durch die planeri-sche Minimierung von Nutzungskonflikten zu erhöhen. Die pla-nerische Koordination der Nutzungsansprüche auf die natürli-chen Ressourcen liegt im Rahmen der besonderen Hoheitsrechte,die dem Küstenstaat nach dem SRÜ in der AWZ zustehen.21 Er istdabei nicht nur gehalten, für den »Schutz und die Bewahrung der

8 Vgl. zum Begriff des »Funktionshoheitsraumes« grundlegend Graf Vitzthum,Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders., Völkerrecht, 2001, Rdn. 58.

9 SRU, BT-Drs. 15/2626, Tz. 46 ff.10 Vgl. dazu SRU, BT-Drs. 15/2626, Tz. 104 ff.11 Vgl. dazu SRU, BT-Drs. 15/2626, Tz. 35 ff.12 Wolf, Grundlagen des Öffentlichen Baurechts, in: Jacob/Ring/Wolf (Hg.), Frei-

berger Handbuch zum Baurecht, 2003, Rdn. 21 zu § 19.13 Vgl. dazu SRU, BT-Drs. 15/2626, Tz. 199 ff.14 Heide Simonis, Europa muss seine maritimen Chancen nutzen, Frankfurter

Rundschau vom 21. 8. 2004.15 Erbguth/Müller, Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone ?,

DVBl. 2003, 625 <625>.16 Vgl. dazu Wolf, Rechtsprobleme der Anbindung von Offshore-Windenergie-

parks an das Netz, ZUR 2004, 65 <72 f.>.17 Erbguth/Mahlburg, Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der Aus-

schließlichen Wirtschaftszone, DÖV 2003, 665 <665>.18 Vgl. dazu Graf Vitzthum, Rdn. 58.19 Vgl. dazu Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der Ausschließlichen

Wirtschaftszone aus völkerrechtlicher Sicht, NuR 2002, 121 ff.; Geller-mann/Schwarz/Stoll/Wolf, Nutzungsbeschränkungen für geschützte Meeres-flächen im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und desFestlandsockels. Gutachten im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz,Man. 2004.

20 BGBl. 2002 I, S. 1193.21 Erbguth, 2002, S. 28.

Meeresumwelt« Sorge zu tragen (Art. 56 Abs. 1 lit. b iii SRÜ), son-dern die »Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natür-lichen Ressourcen« (Art. 56 Abs. 1 lit. a SRÜ) zu gewährleisten. DasSeerechtsübereinkommen gibt den Küstenstaaten daher bei derAusübung der souveränen Rechte zur Ausbeutung der Ressourcenkeine Blankovollmacht. Sie werden vielmehr zur Einhaltung ma-terieller Anforderungen verpflichtet, die der Nutzung Inhalt undGrenzen setzen. Nachhaltigkeit als Maß der zulässigen Nutzung istdaher das allgemeine Ziel für die Gestaltung der räumlichen Ord-nung der AWZ.

Abbildung2:

B. Verfassungsrechtliche Aspekte einer Raumordnung für die AWZ

§ 18a Abs. 1 S. 1 ROG verpflichtet die Raumordnung in der AWZ,Grundsätze und Ziele i. S. d. § 3 Nr. 2 und 3 ROG aufzustellen, § 18aAbs. 1 S. 2 ROG ermächtigt zu Festlegungen nach § 7 Abs. 4 ROG.Zuständig dafür ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau undWohnungswesen. Die Durchführung der vorbereitenden Verfah-rensschritte liegt beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrogra-phie. Die Regelungszuständigkeit für die AWZ ist bereits allgemeineine höchst komplexe Herausforderung für die bundesstaatlicheOrdnung.22 Das Konzept einer bundesrechtlichen Vollregelung miteiner ausführenden Kompetenz für den Bund steht jedoch offen-sichtlich im manifesten Gegensatz zum hergebrachten Verständniseiner für die Raumordnung auf den Erlass von Rahmenrecht be-schränkten Bundesgesetzgebung und ihrer Durchführung als Lan-desplanung. Die neu geschaffenen Regelungen der Raumordnungfür die AWZ sind daher vor dem Hintergrund des Art. 75 Nr. Abs. 1

Nr. 4 GG verfassungsrechtlich begründungsbedürftig und werdenvehement in Frage gestellt.23 Es kann jedoch bezweifelt werden,dass die von § 18a ROG intendierte räumliche Ordnung der AWZals Raumordnung i. S. d. Art. 75 GG zu begreifen ist.

Wenn Raumordnung als Entwicklung übergeordneter und zu-sammenfassender Leitvorstellungen raumbedeutsamer Nutzungenzu verstehen ist,24 bezieht sich der Begriff der Raumordnung auf dieGestaltung des Raumes unter überörtlichen und überfachlichen Ge-sichtspunkten jenseits der Ortsebene.25 Sie respektiert die kommu-nale Planungshoheit im Bereich der Bauleitplanung. Raumordnungwird damit durch ihre koordinative Querschnittsfunktion geprägt,die vielfältige sektorale Fachpläne, Planfeststellungen, Schutzge-bietsausweisungen und die Bauleitplanung zusammenführt und ab-

stimmt. Die überörtliche und überfachliche Steuerung der räumli-chen Entwicklung gehört zu zentralen politischen Aufgaben einesBundeslandes. Raumordnung ist Landesplanung. Sie ist als Ord-nung des Raumes der Länder durch die Länder konzipiert.26 Der Be-griff der Raumordnung wird im Weiteren in Abgrenzung zum Be-griff der Bodenordnung i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG geschärft. DasRecht der Bodenordnung bezieht sich auf die Regelung der unmit-telbar rechtlich verbindlichen Beziehungen des Menschen zuGrund und Boden. Sein Leitgesetz ist das BauGB. Die Raumordnungenthält sich dagegen grundsätzlich der unmittelbaren rechtsver-bindlichen Gestaltung der Flächennutzungen durch die Bürger.Primäre Adressaten der Raumordnung sind vielmehr die Träger öf-fentlicher Verwaltung. Raumordnung als Landesplanung setzt da-

22 Vgl. dazu Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 ff. m. w. N.23 Erbguth, EAG BauE: Änderungen des Raumordnungsrechts, NuR 2004, 91 ff.

<93 >.; von Nicolai, IzR 2004, 494 ff.24 BVerfGE 3, 407 <425>; 56, 298 <314>; 76, 107 <119>; 79, 127 <153>.25 Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 2004,

Rdn. 5 zu § 1.26 BVerfGE 3, 407 <427>.

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mit sowohl die kommunale Bauleitplanung als auch die staatlichenFachplanungen und Schutzgebietsausweisungen voraus und re-spektiert deren jeweilige planerische Verantwortung. Sie koordiniertund steuert die örtliche Planung und die sektoralen staatlichenFachplanungen über ein grobmaschiges Gesamtkonzept räumlicherEntwicklung mit Richtliniencharakter. Raumordnung zielt damit»auf eine sektorale Perspektiven überwindende Gesamtkoordinati-on aller Nutz- und Schutzansprüche in dem betreffenden Raum«27

und belässt der örtlichen Planung die Spielräume, die für eine eigen-verantwortliche Gestaltung kommunaler Bodenordnung erforder-lich sind. Die Entwicklung einer räumlichen Ordnung für die AWZdurch den Bund bricht mit dem Verständnis der Raumordnung alseiner durch den Bund nur rahmengesetzlich gesteuerten Landespla-nung, das von Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG vorausgesetzt wird.

Allerdings ist daran zu erinnern, dass das Bundesverfassungsge-richt dem Bund eine Vollkompetenz für die raumordnerische Ge-staltung des Gesamtraumes der Bundesrepublik Deutschland kraftNatur der Sache zugewiesen hat.28 Die Übertragung des Konzeptsder Bundesraumordnung auf die AWZ wird von Czybulka befür-wortet.29 Wäre § 18a ROG als Ausfluss der Bundesraumordnung zubetrachten, entfielen die dargestellten Kompetenzprobleme. DerBegriff der Bundesraumordnung wird jedoch seinerseits durch diebeiden Merkmale der Überregionalität und der Gesamtstaatsbezo-genheit definiert.30 Danach muss sich die Tiefenschärfe der Bun-desraumordnung auf die überregionale Steuerung beschränken.31

Darin liegt eine inhaltliche Schranke für die Steuerung der Nut-zungen in der AWZ.32 Sie hätte sich maßstäblich am »Raumord-nungsprogramm für die großräumige Entwicklung des Bundesge-bietes« aus dem Jahr 1975,33 an dem »RaumordnungspolitischenOrientierungsrahmen« von 1992 oder an dem 1995 verabschiede-ten »Raumordnungspolitischen Handlungsrahmen« zu orientie-ren.34 Während Erbguth auf dieser Ebene die Aufstellung vonraumordnerischen Zielen und Grundsätzen für die AWZ durchausfür möglich hält, bezweifelt er, dass eine planerische Steuerungkonkreter Nutzungs- und Schutzansprüche durch einen Raum-ordnungsplan des Bundes zulässig sein kann.35 Ihm ist insoweitzuzustimmen, als die von § 18a ROG intendierten Ziele einer ge-bietsscharfen Nutzungssteuerung mit der aus der Natur der Sachebegründeten Kompetenz des Bundes zur Entwicklung einer Bun-desraumordnung nicht hinreichend abzudecken sind.

Jedoch gibt es gute Gründe, die neuen Herausforderungen derStrukturierung der räumlichen Entwicklung der AWZ nicht vor derFolie der terrestrischen Raumplanung zu entwickeln. In der AWZgibt es kein Grundeigentum, das Gegenstand einer Bodenordnungsein könnte und es gibt auch keine Gemeinden, deren Selbstver-waltungskompetenz durch die höherstufige staatliche Planung zuachten wäre.36 Es existiert dort ebenfalls keine Ausdifferenzierungin Teilräume und in den Gesamtraum, die wiederum Grundlagefür das die terrestrische Raumplanung bestimmende Gegenstrom-prinzip ist (§ 1 Abs. 3 ROG). Es wäre kurios, wollte die künftige ma-rine Raumordnung die von den §§ 8 und 9 ROG skizzierte Zweitei-lung in hochstufige Landesplanung einerseits und Regionalpla-nung andererseits nachahmen. Entsprechend haben sich auch dieKüstenländer darauf verständigt, ihre Konzepte für eine räumlicheOrdnung des Küstenmeeres auf die Ebene der Landesplanung zuorientieren und auf die Regionalplanung zu verzichten.37 Die ma-rine Raumordnung wird sich gleichfalls nicht an den hergebrach-ten planerischen Bezugsgrößen von Siedlungsraum, Freiraum undInfrastruktur orientieren können. Grundlegende Strukturelemen-te wie das Konzept Zentraler Orte (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ROG), der Si-cherung verdichteter Räume (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 ROG), der Entwick-lung der ländlichen oder der Verbesserung strukturschwacher Räu-me (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 u. Nr. 7 ROG) sind für die Raumordnung derAWZ ohne Bedeutung. Die darauf abstellenden Vorschriften für

Raumordnungspläne des § 7 Abs. 2 ROG werden von den Regelun-gen zur Raumordnung in der AWZ ausdrücklich nicht adaptiert(vgl. § 18a Abs. 1 S. 2 ROG). Im Weiteren wäre eine Übernahme desOrdnungsmodells der Bundesraumordnung schon deshalb ver-fehlt, weil sie die Landesraumordnung voraussetzt. Vielmehr wirdsich ein Raumordnungskonzept für die AWZ an der räumlich-funktionalen Teilung in Nord- und Ostsee zu orientieren habenund dafür spezifische Ordnungsvorstellungen entwickeln müssen.Die räumliche Ordnung der AWZ ist daher weder nach dem herge-brachten Muster der Landesplanung noch nach dem der Bundes-raumordnung sinnvoll zu entwickeln. Sie ist ein Aliud zur Landes-planung und der sie überformenden Bundesraumordnung.

§ 18a ROG regelt weder einen Sachbereich, der zum Gegen-standsbereich der Landesplanung durch die Bundesländer gehört,noch regelt er einen Sachbereich, der zur übergreifenden Bundes-raumordnung i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts zu zählen ist. Im Übrigen ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 S. 1ROG ein Hinweis, dass das Konzept der hergebrachten terrestri-schen Raumordnung zur Anwendung auf extraterritoriale Räumenicht vorgesehen ist. Danach bezieht sich die Aufgabe derRaumordnung auf die Entwicklung, Ordnung und Sicherung desGesamtraumes sowie der Teilräume der Bundesrepublik Deutsch-land. Dazu zählt die AWZ nicht. Vielmehr ergibt sich aus dem neuaufgenommenen § 1 Abs. 1 S. 2 ROG, dass die Raumordnung inder AWZ auf eine Abwandlung des bestehenden Systems der räum-lichen Planung zielt. Danach können in der AWZ »einzelne Funk-tionen … durch die Raumordnung entwickelt, geordnet und gesi-chert werden«. Daraus ist zu entnehmen, dass der AWZ nicht dasGesamtpaket der hergebrachten Raumordnung übergestülpt wer-den soll. Daher ist für die Regelungszuständigkeit weder die alleinfür die Raumordnung in den Bundesländern bestehende rahmen-rechtliche Regelungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG ein-schlägig noch die vom Bundesverfassungsgericht dem Bund kraftNatur der Sache zugewiesene ausschließliche Kompetenz für dieBundesraumordnung für den Gesamtraum.

Da für Regelungen, die im ROG getroffen werden, auch andereKompetenztitel als Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG in Anspruch genom-men werden können,38 kommt eine Gesetzgebung für die räumli-che Ordnung der AWZ nach Maßgabe von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GGin Betracht.39 Auf der Grundlage seiner Regelungszuständigkeit fürdas Recht der Wirtschaft kann der Bund die AWZ als Wirtschafts-raum räumlich ordnen. Dies entspricht auch der seevölkerrechtli-chen Zuweisung der Nutzungs- und Regelungsbefugnisse über dienatürlichen Ressourcen an den Küstenstaat. Von dieser Erwägunghat sich offensichtlich auch der Gesetzgeber leiten lassen.40 DerBund ist dabei nicht auf die räumliche Zuordnung von Nutzungennach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beschränkt, sondern hatsie nach Maßgabe des Seevölkerrechts auf eine nachhaltige Nut-zung zu verpflichten. Er ist im Weiteren dabei auch von Verfas-sungs wegen gehalten, dem durch Art. 20a GG vorgegebenenSchutz der natürlichen Lebensgrundlagen Geltung zu verschaffen.Allerdings ist einschränkend festzuhalten, dass sich dann eine sol-che Raumordnung nur auf die Koordination der wirtschaftlichen

27 Erbguth, 2002, S. 35.28 BVerfGE 3, 407 <427>; 15, 1 <16>.29 Czybulka, Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone

(AWZ), ZUR 2003, 329 <337>.30 Erbguth/Mahlburg, DÖV 2003, 669 ff.31 BVerfGE 22, 180 <217>.32 Erbguth, NuR 2004, 95.33 BT-Drs. 7/3584.34 Erbguth, 2002, S. 50.35 Erbguth, NuR 2004, 95.36 von Nicolai, IzR 2004, 497.37 von Nicolai, IzR 2004, 492.38 Hendler/Koch, Rdn. 22 zu § 1.39 Czybulka, ZUR 2003, 337; Erbguth/Müller, DVBl. 2003, 631.40 BR-Drs, 756/03, S. 206.

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Nutzungen erstrecken kann.41 Werden andere Nutzungen einge-schlossen, ist auf weitere Kompetenztitel zurückzugreifen. Da §18a ROG neben den wirtschaftlichen Nutzungen als Gegenständeder Raumordnung in der AWZ die wissenschaftlichen Nutzungen,die Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt und den Schutzder Meeresumwelt anführt, ist für die räumliche Ordnung der See-schifffahrt zusätzlich auf die sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG erge-bende Regelungskompetenz Bezug zu nehmen. Für den Schutz dermarinen Umwelt kann neben Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG (Natur-schutz) auch auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG (Luftreinhaltung, Lärm-bekämpfung, Abfallbeseitigung) zurückgegriffen werden.

C. Räumliche Ordnung für die AWZ – eine Selektivraumordnung sui generis

§ 18a Abs. 1 S. 1 ROG verpflichtet, in der AWZ Grundsätze und Zie-le i. S. d. § 3 Nr. 2 und 3 ROG aufzustellen. Unter Grundsätzen derRaumordnung sind allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ord-nung und Sicherung des Raumes zu verstehen, die nachfolgendeAbwägungsentscheidungen steuern sollen, aber nicht strikt deter-minieren können. Die Ziele der Raumordnung sind dagegen ver-bindliche Festlegungen, die auf einer abschließenden Abwägungdes Trägers der Raumordnung beruhen und daher Letztentschei-dungscharakter tragen. Damit wird das Grundmodell des Dualis-mus von abwägungsleitenden, aber im Rahmen der Abwägungüberwindbaren und von abwägungsresistenten Planungsvorga-ben adaptiert. Obwohl damit ein operatives Grundprinzip der ter-restrischen Raumordnung auch für die AWZ anzuwenden ist,schränkt doch § 1 Abs. 1 S. 3 ROG das Spektrum der räumlichenOrdnung der AWZ ein. Er gibt vor, dass in der AWZ einzelne Funk-tionen im Rahmen des SRÜ durch die Raumordnung zu ent-wickeln, zu ordnen und zu sichern sind. § 18a Abs. 1 S. 1 ROG be-grenzt den Umfang der raumordnerischen Gestaltung ausdrück-lich auf die wirtschaftliche und wissenschaftliche Nutzung, dieGewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrtsowie den Schutz der Meeresumwelt. Damit wird eine funktionelleBeschränkung deutlich. Gegenstände der Raumordnung für dieAWZ sollen allein Wirtschaft, Wissenschaft, Seeschifffahrt undMeeresumwelt sein. Militärische Nutzungen gehören offensicht-lich nicht dazu. Entsprechendes gilt für den Luftverkehr. In dermarinen Raumordnung werden daher zwar die vier wichtigstenBereiche von Ansprüchen an den Raum behandelt, aber keines-wegs alle. Im Gegensatz zu der als umfassende Gesamtplanung desRaumes konzipierten terrestrischen Raumordnung ist dieRaumordnung der AWZ zwar überfachlich, aber nicht umfassendangelegt. Eine allumfassende Güterabwägung findet daher nichtstatt. Die räumliche Ordnung der AWZ ist vielmehr als eine Art»Selektivraumordnung«42 konzipiert. Dies bestätigt die These, dassdie für die AWZ zu entwickelnde Raumordnung eine Planung suigeneris darstellt.

Nach § 18a Abs. 1. S. 2 ROG gelten die Vorschriften des § 7 Abs. 1sowie Abs. 4 bis 10 ROG entsprechend. Im Umkehrschluss kanngefolgert werden, dass die Regelungen des ROG, auf die nicht aus-drücklich Bezug genommen wird, für die AWZ keine Anwendungfinden sollen. Daraus ist zunächst zu entnehmen, dass für die AWZRaumordnungspläne aufzustellen sind (§ 7 Abs. 1 ROG), aber da-bei die Vorgaben zur Raumstruktur nach Maßgabe von § 7 Abs. 2ROG und zur Bedeutung der Raumordnungspläne für die raumbe-deutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellenund Personen des Privatrechts, die öffentliche Aufgaben wahrneh-men (§ 7 Abs. 3 ROG), nicht anzuwenden sind. Anzuwenden sindwiederum die Vorschriften zur Festlegung von Vorrang-, Vorbe-halts- und Eignungsgebieten einschließlich der Anforderungen

des europäischen Gemeinschaftsrechts zur strategischen Umwelt-prüfung von Plänen (§ 7 Abs. 4 – 10 ROG). Im Weiteren ist für dieAWZ kein Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG vorgesehen,obwohl es durchaus Vorhaben geben kann, die zu den Vorhabenzu zählen sind, die auf dem Festland ein Raumordnungsverfahrenerforderlich machen (vgl. nur § 1 Nr. 6, 14, 16 u. 17 ROV) und wo-zu der Beschluss der Ministerkonferenz vom 3. 12. 2001 einen ent-sprechenden Prüfungsauftrag enthielt.43 Nicht zur Anwendungkommen danach auch die Vorschriften zur Planerhaltung (§ 10ROG), zum Zielabweichungsverfahren (§ 11 ROG) oder zur Unter-sagung rechtswidriger Planungen (§ 12 ROG).

Legt man die skizzierte beschränkte Geltungserstreckung desROG zugrunde, lässt sich daraus folgendes Grundkonzept für eineRaumordnung in der AWZ ableiten:1. In der AWZ sollen nur einzelne Funktionen entwickelt, geord-

net und gesichert werden (§ 1 Abs. 1 S. 3 ROG).2. Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind nur hinsichtlich

der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, der Si-cherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutzder Meeresumwelt aufzustellen (arg. § 18a Abs. 1 S. 1 ROG).

3. Die Grundsätze und Ziele der Raumordnung sind durchRaumordnungspläne zu konkretisieren (arg. § 18a Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 7 Abs. 1 ROG). Diese sind unter Beachtung der RL2001/42/EG aufzustellen.

4. Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete können eingerich-tet werden (arg. § 18a Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 7 Abs. 4 ROG)

In ähnlicher Weise, wie sich die beiden terrestrischen Syste-mansätze der Landesplanung und der Bundesraumordnung alsungeeignet erweisen, ein Muster für eine Raumordnung der AWZabzugeben, scheidet für den marinen Naturschutz eine strikte Ori-entierung am Organisationsmodell der terrestrischen Landschafts-planung aus. Die für das Festland vorgesehenen Stufen der Land-schaftsplanung i. S. d. §§ 15 und 16 BNatSchG können für die AWZnicht adaptiert werden. Ihnen fehlt gleichermaßen das institutio-nelle Gerippe für eine gestufte Planung. Stattdessen werden spezi-fische Formen naturschutzfachlicher Planung für die AWZ ent-wickelt werden müssen. Dies gilt auch für die materiellen Orien-tierungen. Ohne Zweifel werden die marinen Schutzgebiete i. S. d.§ 38 BNatSchG nicht erst dann von der Raumordnung der AWZbeachtet werden müssen, wenn sie förmlich festgesetzt sind. Siesind vielmehr gerade auch in der Phase ihrer Planung und Auswei-sung planerisch zu sichern. Im Gegensatz zu den Vorschriften, diegeschützte Meeresflächen betreffen, ist die Anwendbarkeit derübrigen Vorschriften des BNatSchG in der AWZ keineswegs ge-klärt. Wer mit dem Hinweis, dass die AWZ eine »besondere Rechts-ordnung« darstellt, die Anwendung sachlich einschlägigen Rechtsohne eine besondere förmliche Geltungserstreckung ablehnt,kann die normativen Maßstäbe für einen naturschutzfachlichenBeitrag zur Raumordnung der AWZ jenseits der Schutzgebieteschlecht aus §§ 13 und 14 BNatSchG beziehen. Auch die Ziele undGrundsätze des Naturschutzes scheiden als Orientierungsgrößeaus, da die §§ 1 und 2 BNatSchG auch auf dem Festland nicht mehrunmittelbar anwendbar sind (arg. § 11 BNatSchG). So bleibt derparadoxe Befund, dass das Naturschutzrecht in der AWZ zu einerselektiven Schutzordnung denaturiert, die sich allein auf die ge-schützten Meeresflächen bezieht, obwohl die Erstreckung desBNatSchG auf alle menschlich genutzten Räume die Essenz desmodernen Naturschutzrechts ausmacht.

Im Gegensatz dazu kennt das ROG eine räumliche Beschränkungdes Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nicht. Nach § 18aAbs. 1 ROG ist der Meeresumweltschutz ein ubiquitär zu beachten-des Leitziel der räumlichen Ordnung der AWZ. § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG41 Erbguth, 2002, S. 39.42 von Nicolai, IzR 2004, 495.43 von Nicolai, IzR 2004, 492.

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beschränkt den Schutz des Meeres gleichfalls nicht auf die Schutz-gebiete, sondern erstreckt ihn auf »Meeresgebiete« schlechthin.Damit ist klargestellt, dass sich der planerische Naturschutz nichtauf die geschützten Meeresflächen nach § 38 BNatSchG beschrän-ken kann. Der planerische Beitrag zum Schutz der marinen Lebens-welt muss daher auf den Gesamtraum der AWZ bezogen sein. DerBegriff des Meeresumweltschutzes kann zunächst durch § 2 Abs. 2Nr. 8 ROG gefüllt werden (vgl. dazu IV.). Im Weiteren ist an die Ver-pflichtung des Art. 20 a GG zu erinnern. Die Entwicklung der AWZist danach so zu gestalten, dass die natürlichen Lebensgrundlagenauch in Verantwortung für zukünftige Generationen gesichert wer-den. Normativ betrachtet ist daher der Belang des Meeresumwelt-schutzes nicht geschwächt. In der Sache hängt die Durchsetzungs-fähigkeit dieses Belanges allerdings maßgeblich davon ab, auf wel-chem naturwissenschaftlichen Niveau sich das Wissen über diemarine Umwelt bewegt. Hier gilt es insbesondere die Wissens-lücken bei der Ableitung gesicherter Aussagen über raumrelevanteBedingungs- und Wirkungszusammenhänge zu verringern.

D. Leitbilder für die räumliche Ordnung der AWZ

Raumordnung erschöpft sich nicht in der Festsetzung von Gebietenmit besonderen Nutzungsvorrechten. Vielmehr setzt eine Zuord-nung eine Orientierung an allgemeinen Leitbildern für dieräumliche Entwicklung voraus. Aufgrund ihrer Beschränkung aufdie wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzungen, den Mee-resumweltschutz sowie die Schifffahrt hat sich die Entwicklung ei-ner marinen Raumordnung nicht nur zu vergewissern, welcheFunktionen überhaupt in der AWZ zu entwickeln, zu ordnen und zusichern sind, sie hat auch zu vermeiden, dass das Meer aus der terre-strischen Brille betrachtet wird.44 Terrestrische Raumordnung ist imWesentlichen flächig und zweidimensional orientiert. Im Gegen-satz dazu gehört die Dreidimensionalität bereits zum Begriff derAWZ. Sie umfasst die Meeresoberfläche, die Wassersäule, den Mee-resboden und den darunter liegenden Meeresuntergrund sowie denLuftraum über dem Meer. Entsprechend sind dort geschichtete Nut-zungen vorzufinden. Marine Nutzungen können sich auf die Ge-winnung von Bodenschätzen aus dem Meeresuntergrund, den Ab-bau von Sand und Kies auf dem Meeresboden, die Fischerei im Meer,den Schiffsverkehr auf der Meeresoberfläche oder die Nutzung derWindenergie über dem Meer beziehen. Das zu schützende Bedin-gungs- und Wirkungsgefüge der marinen Lebenswelt reicht eben-falls vom Benthos bis zur Avifauna. Die Ordnung der vier Nutzun-gen des marinen Raumes ist daher dreidimensional zu entwickeln.Andererseits ist die naturräumliche Gliederung der AWZ weit weni-ger ausgeprägt. Es fehlen signifikante Landmarken. Raumstrukturenwie Riffe, Sandbänke oder Seegraswiesen haben keine Barrierewir-kung. Stattdessen wird das Meer durch Weite, Offenheit und Barrie-refreiheit gekennzeichnet. Naturräumliche Binnendifferenzierun-gen sind fließend. Insoweit erweist sich das terrestrische Naturraum-Paradigma für eine Übertragung als wenig geeignet.

Aufgrund der seevölkerrechtlichen und der verfassungsrechtli-chen Vorgaben kann kein Zweifel daran bestehen, dass das allge-meine Leitbild der nachhaltigen Raumentwicklung (§ 1 Abs. 2ROG) auch für die AWZ verpflichtend ist. § 18a Abs. 1 S. 1 ROGverlangt zur Operationalisierung dieses Prinzips die Aufstellungvon Grundsätzen der Raumordnung. Die in § 2 Abs. 2 ROG skiz-zierten Leitlinien der terrestrischen Raumordnung haben für dasMeer nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. Daraus kann entnom-men werden, dass der für die terrestrische Raumordnung vorfor-mulierte Katalog der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 – 15 ROG normiertenGrundsätze für die marine Raumordnung nicht schlechthin be-stimmend sein kann. Andererseits kann er doch zumindest dort in

die Erwägungen einbezogen werden, wo er Aussagen trifft,, die fürmarine Räume bedeutsam sein können. So bezieht der neu gefas-ste § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG das Meer ausdrücklich mit ein. Danachsind Meeresgebiete dauerhaft zu schützen, zu pflegen, zu ent-wickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen. Die dort for-mulierten Prinzipien des Biotopverbundes, der sparsamen undschonenden Nutzung der Naturgüter und des Ausgleichs von Be-einträchtigungen des Naturhaushalts sind gleichfalls auf das Meerübertragbar. Sie gelten nicht nur im Bereich geschützter Meeres-flächen. Die ausgewiesenen Meeresschutzgebiete sind daher pla-nerisch zu flankieren. Ihre Vernetzung ist anzustreben. Im Übrigenwird die Raumordnung nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 ROG eigenemeeresspezifische Grundsätze zu entwickeln haben. Dabei bleibendie in § 2 Abs. 2 ROG formulierten Leitlinien der terrestrischenRaumordnung zumindest insoweit Orientierungspunkte als sieein Kontrastprogramm für die marine Raumordnung darstellen.

§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG verlangt die Entwicklung einer ausgewoge-nen Siedlungs- und Freiraumstruktur für den Gesamtraum derBundesrepublik. Die AWZ gehört nicht zu ihrem Territorium. Diesist zwar für ihren völkerrechtlichen Status entscheidend, für dieOrdnung ihrer räumlichen Struktur aber weniger bedeutsam. Da-gegen markiert das in dieser Norm gleichfalls angesprocheneSpannungsverhältnis von Siedlungs- und Freiraum den entschei-denden Unterschied zwischen terrestrischer und mariner Raum-nutzung. Für die Konzeptionalisierung einer räumlichen Ordnungder AWZ würde die Übernahme des Siedlungs-Freiraum-Paradig-mas eine folgenreiche Fehlorientierung bedeuten. Kennzeichnendfür die AWZ ist das Fehlen von menschlichen Siedlungen. Die in§ 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG thematisierte dezentralisierte Siedlungsstruk-tur und das Konzept zentraler Orte sind daher für die AWZ ohneBedeutung. Entsprechend spielt der Wohnbedarf der Bevölkerung(§ 2 Abs. 2 Nr. 11 ROG) hier keine Rolle. Das internationale See-recht stellt zwar die Nutzung der Ressourcen in die Regelungsbe-fugnis des Küstenstaates, aber nicht die dauerhafte Besiedelungder AWZ. Die daraus ableitbare Prämisse, dass die AWZ von Sied-lungen freizuhalten ist, erscheint banal. Dies gilt jedoch nicht fürden Umkehrschluss, dass das Meer auch kein Freiraum im Sinneder terrestrischen Raumordnung ist. Freiraumschutz meint dortSchutz der »kultivierten Natur« und der durch menschliche Ge-staltung geprägten Kulturlandschaft. Dass es einen solchen kulti-vierten Freiraum in der AWZ nicht gibt, erlaubt gerade nicht dieFolgerung, dass die AWZ eben deshalb ein Raum für jedwede Nut-zung und für beliebige Nutzungsintensivierungen ist. Die AWZ istkein leerer Raum, sondern ein Naturraum, der aufgrund seinerspezifischen Sensibilität nicht für alle auf dem Festland legitimenmenschlichen Nutzungen offen steht, sondern nur qualifizierteNutzungen erlaubt.

Die zweite Leitprämisse ist daher das Primat des Erhalts der Na-turraumfunktionen. Die Funktionsfähigkeit des marinen Natur-raums ist gegenüber den Nutzungsansprüchen so zu sichern, dassdie komplexen Bedingungs- und Wirkungszusammenhänge desgrößten und wichtigsten Natur- und Lebensraums der Erde aufDauer gewahrt werden. Das Meer ist ein dynamisches System.Wellengang, Strömung und Tide verändern es permanent. Es isträumlich weit weniger durch markante raumstrukturelle Merkma-le gegliedert als das Festland. Es ist Lebensraum hoch mobiler Ar-ten. Marine Ökosysteme benötigen erheblich größere Gebiete alsterrestrische. Buchholz hat in diesem Kontext vorgeschlagen, »of-fene Seelandschaften« als besondere ästhetische Räume zu einemzentralen Begriff der marinen Raumordnung zu machen.45 Dem

44 Buchholz, Strategien und Szenarien zur Raumnutzung in der deutschen Aussch-ließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee, in: BBR (Hg.), Raumordnung aufdem Meer? Raumordnungsstrategien für ein stärker integriertes Küs-tenmanagement, 2002, S. 13.

45 Buchholz (Fn. 4), S. 32.

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könnte entgegengehalten werden, dass die ästhetische Qualitätder Landschaft bereits für die terrestrische Raumordnung eineneher peripheren Belang darstellt (vgl. aber § 2 Abs. 2 Nr. 10 u. 13ROG). Es darf überdies darauf hingewiesen werden, dass die ästhe-tische Dimension küstenferner Seegebiete weit weniger wiegt alsdie Qualität der Landschaft auf dem Festland. Bedeutsam ist dieOffenheit und Weite des Meeres jedoch als prägender Faktor dermarinen Lebenswelt. Diese Parameter bestimmen gleichfalls dietypischen Merkmale der Nutzung der lebenden Ressourcen desMeeres durch den Fischfang. In den räumlichen Konfigurationender Weite und Offenheit bewegt sich auch die Seeschifffahrt. InAnlehnung an § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG sind die Nutzungen der AWZdaher räumlich so zu gestalten, dass sie der Weitläufigkeit des Mee-res als Natur- und Lebensraum sowie seiner Funktionen für globaleökologische Zusammenhänge gerecht werden.

Im Meer gibt es keine räumlichen Barrieren. Anthropogene Ein-griffe können lange und schwer absehbare Wirkungsketten auslösen.Nutzungen der AWZ erfolgten jedoch – bisher – zumeist in räumlichund zeitlich größeren Abständen als auf dem Festland. Bisher domi-nierte das Nutzungsmuster der extensiven, weitläufigen und exklusi-ven Ausbeute der Ressourcen. Hier bahnt sich ein Wandel der Nut-zungsmuster an. In dem Maße wie sich räumlich verdichtete, inten-sive und miteinander korrespondierende gesellschaftlicheNutzungsansprüche in der AWZ etablieren, wird nicht nur die Öko-logie des Meeres gefährdet, sondern es entstehen auch Barrieren fürdie beiden hergebrachten menschlichen Nutzungen. Die Raumord-nung steht daher vor der Grundentscheidung, wie sie mit der abseh-baren Verdichtung und Technisierung der Raumnutzungsansprüchein der AWZ umgeht. Folgt man der Prämisse, dass sich menschlicheNutzungen des Meeres an den Funktionsbedingungen der marinenLebenszusammenhänge zu orientieren haben, sind raumverträglichfür die AWZ nur Nutzungen, die den Grundsätzen der Nachhaltigkeitund Barrierefreiheit Rechnung tragen.

Da Siedlungen nicht in die AWZ gehören, ist die Urbanisierungmariner Räume nicht das Thema. Entsprechend entfallen die Raum-funktionen, die für die Siedlungsfläche typisch sind. Die in § 2 Abs.2 Nr. 4 ROG thematisierten Versorgungsfunktionen der Infrastruk-tur für Siedlungsgebiete und die Funktionen der verdichteten Räu-me (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 ROG) sind daher ebenso wie die ländlichen unddie strukturschwachen Räume (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 und 7 ROG) kein Ge-genstand der Raumordnung in der AWZ. Entsprechendes gilt für dieFörderung einer räumlich ausgewogenen Wirtschaftsstruktur unddas Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen (§ 2 Abs. 2 Nr. 9ROG) sowie für die gute Erreichbarkeit aller Teilräume (§ 2 Abs. 2 Nr.12 ROG). Die AWZ ist gleichfalls keine gewachsene Kulturlandschaft(§ 2 Abs. 2 Nr. 13 ROG). Dagegen kommt sie sowohl als Bereich fürErholung, Freizeit und Sport (§ 2 Abs. 2 Nr. 14 ROG) als auch für mi-litärische Nutzungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 15 ROG) in Betracht. Der unmit-telbaren Beschäftigung mit diesen Aspekten steht jedoch zunächstentgegen, dass die Raumordnung der AWZ konzeptionell auf dievier Belange der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzun-gen, der Seeschifffahrt und des Meeresumweltschutzes beschränktwurde. Letztere können jedoch implizit als potentielle Störgrößender AWZ thematisiert werden.

Die AWZ ist mehr als der Außenbereich der terrestrischen Raum-planung im Sinne von § 35 BauGB. Wenn bereits für ihn das Gebotder größtmöglichen Schonung gilt,46 darf der Schutz der AWZ alsNaturraum dahinter nicht zurückbleiben. In diesem Sinne hat dasin der Praxis nur zu häufig unterminierte Prinzip, dass der Außen-bereich grundsätzlich von Bebauung freizuhalten ist,47 eine rea-litätskräftige Unterfütterung erfahren, als er doch nach herrschen-der Ansicht zumindest von nicht funktionsgerechter Bebauungfreizuhalten ist.48 Dieser Grundsatz erscheint übertragungsfähig.Die AWZ sollte als Naturraum nur solchen Vorhaben offen stehen,

die auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen des Meeres ange-wiesen sind. Sie sollte von Vorhaben und technischen Anlagenfreigehalten werden, die in ähnlicher Weise auf dem Land betrie-ben und wirtschaftlich genutzt werden können. Eine solche Diffe-renzierung in privilegierte und nichtprivilegierte Vorhaben kenntdas Zulassungsrecht der AWZ nicht. Die Genehmigungstatbestän-de der SeeAnlV und des BBergG sind frei von jeglichen planeri-schen Ansätzen. Eine planerische Einbettung ihrer Entscheidungs-modi ist damit jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl.dazu V.). Betrachtet man die Regelungslogik des marinen Schutz-gebietsrechts, so stößt man auf eben diese Differenzierung. § 38Abs. 1 Nr. 4 und 5 BNatSchG machen für unterseeische Kabel undRohrleitungen, die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschät-zen sowie die Erzeugung von Energie aus Wasser, Strömung undWind die FFH-Verträglichkeit zum Kriterium ihrer Zulässigkeit.Daraus kann gefolgert werden, dass andere Nutzungen in Schutz-gebieten grundsätzlich für unzulässig erklärt werden können. Ent-sprechende Überlegungen zur Klassifizierung privilegierter undnicht privilegierter Nutzungen und zur Definition unterschiedli-cher planerischer Zulässigkeitsanforderungen könnten auch für diegesamträumliche Ordnung der AWZ nutzbar gemacht werden. Siestellt keine potentielle Siedlungsfläche dar und sollte grundsätzlichnur menschlichen Nutzungen offen stehen, die das Meer als Res-source oder Standort benötigen. Die AWZ darf nicht zum Exil vonVorhaben werden, die auf dem Festland aus sozialen, ökologischenoder ökonomischen Gründen nicht durchführbar sind.49

Die Legitimität der Nutzung der lebenden Ressourcen des Mee-res ist grundsätzlich nicht zu bestreiten. Allerdings gilt es hier um-so mehr, dem Prinzip der schonenden Nutzung zur Geltung zuverhelfen. In Anlehnung an § 2 Abs. 2 Nr. 10 ROG könnten räum-liche Konzeptionen für eine nachhaltige Seefischerei entwickeltwerden. Allerdings steht ihre Durchsetzung unter dem Vorbehaltder Vereinbarkeit mit der gemeinsamen Fischereipolitik der EG.Unter Bezug auf § 2 Abs. 2 Nr. 9 ROG könnte im Weiteren den wirt-schaftlichen Nutzungen der nicht-lebenden Ressourcen, die dieAWZ als Standort benötigen, dadurch Rechnung getragen werden,dass die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Siche-rung sowie die geordnete und umweltschonende Aussuchung undGewinnung standortgebundener Rohstoffe und die Errichtungvon standortgebundenen Anlagen geschaffen werden. Aus derLeitprämisse, dass die AWZ als Naturraum durch menschlicheNutzungen nicht auf Dauer geschädigt werden darf, folgt, dassVorhaben auf Gebiete konzentriert werden sollten, die mit denAnforderungen des Naturschutzes an die AWZ als Naturraum ver-einbar sind. Umgekehrt kann damit den besonderen Schutzbe-dürfnissen abgrenzbarer mariner Lebensräume bei der räumlichenOrdnung der Standorte von ortsfesten Vorhaben Rechnung getra-gen werden. Die Beschädigung und Zerstörung besonderer Le-bensräume wie Sandbänke, Riffs, Blockstrukturen und Seegraswie-sen ist auch außerhalb besonders geschützter Meeresflächen in dergesamten AWZ grundsätzlich problematisch. Dies kann planerischdeutlich gemacht werden.

Wenn die zukünftigen Herausforderungen für den Schutz desNaturraumes der AWZ in der Errichtung von ortsfesten Vorhabenund Anlagen bestehen, sollte sich die räumliche Planung für Ent-wicklungen im Zulassungsrecht anschlussfähig halten. Der ausdem Vorsorgeprinzip folgende Grundsatz des Zulassungsrechts,dass Eingriffe so weit zu minimieren sind, wie es technisch mög-lich ist, kann auch in der Planung adaptiert werden. Durch dieKonfiguration der Anlagenstandorte kann dazu beigetragen wer-

46 BVerwGE 41, 138.47 BVerwGE 28, 148.48 So der Bericht der unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des

BauGB vom 10. 10. 1995, Rdn. 53.49 Buchholz (Fn. 4), S. 18.

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Wolf , Grundfragen e iner Raumordnung für d ie Aussch l ieß l iche Wir t schaf t szone | A U F S Ä T Z E

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den, dass Barrierewirkungen vermieden werden. UnvermeidbareBelastungen des Naturraums sind auszugleichen. Auch die Zeitkann zu einer Dimension der räumlichen Planung werden. Diessetzt voraus, dass ihr Planungshorizont temporalisiert wird. Plane-rische Vorsorge kann den genehmigungsrechtlichen Grundsatzflankieren, dass Eingriffe nur in Zeiträumen vorgenommen werdensollten, die die marinen Lebenszusammenhänge so wenig wiemöglich beeinträchtigen. Sie kann auch darauf hinwirken, dassnach Ende des Lebenszyklus von Anlagen und Aufgabe der Nut-zungen der Naturraum wiederhergestellt wird.50 Ortsfeste Vorha-ben mit Einwirkungen auf die marine Umwelt sollten nur zeitlichbefristet in der AWZ betrieben werden. Dafür Sorge zu tragen, istzunächst eine Aufgabe des Zulassungsrechts. Sowohl dem Berg-recht (§ 52 BBergG) als auch dem Seeanlagenrecht (§ 4 Abs. 1 See-AnlV) ist das Konzept der zeitlich limitierten Zulassung von Nut-zungen zueigen. In Übereinstimmung mit dem Seevölkerrecht sinddie Vorhabenträger im Weiteren verpflichtet, ihre Anlagen nachEinstellung des Betriebs zu beseitigen (vgl. § 12 SeeAnlV, § 55 Abs. 2Nr. 3 BBergG). Die durch das Zulassungsrecht begründete Zeitlich-keit der Nutzungsrechte sollte auch die Raumordnung in ihre Kon-zepte der Raumnutzung einstellen. Im Gegensatz zu den terrestri-schen Nutzungsmustern sind eine Perpetuierung von Nutzungs-staffetten und eine Verfestigung von Eigentumsrechten in der AWZgrundrechtlich nicht vorgegeben. Vorrang- und Vorbehaltsgebietefür wirtschaftliche Nutzungen durch ortsfeste Anlagen sollten nurauf Zeit eingerichtet werden. Schließlich hat sich die Planung auchfür die Erkenntnis zu öffnen, dass die vorhandenen Erkenntnisseüber die Folgen von menschlichen Eingriffen in die natürlichen Le-benszusammenhänge der AWZ lückenhaft und unvollständig sind.Daher ist die Verbesserung des belastbaren Wissens Voraussetzungfür die Intensivierung der Nutzung der AWZ. Die Begrenztheit desvorhandenen Wissens ist auch in der raumbezogenen Planung zuberücksichtigen. Sie kann Anforderungen für eine vorhabenbeglei-tende Evaluierung und Kontrolle definieren.

Ein Hauptbetätigungsfeld der räumlichen Planung auf dem Fest-land ist der marinen Raumordnung nur unter besonderen Voraus-setzungen zugänglich. Mit Ausnahme der unterseeischen Kabelund Rohrleitungen gibt es in der AWZ keine gebaute Verkehrsin-frastruktur. Es ist hier eine vordringliche Aufgabe der Raumord-nung in der AWZ, die Kabel und Rohrleitungen auf Trassen zubündeln, die andere Nutzungen nicht stören. Eine Entsorgungs-verpflichtung für nicht mehr benötigte Einrichtungen sollte erwo-gen werden. Obwohl § 18a Abs. 1 ROG die Sicherheit und Leichtig-keit des Schiffsverkehrs zur Aufgabe der marinen Raumordnungerklärt, liegt die allgemein verbindliche Festlegung von Schiff-fahrtswegen nicht in der Kompetenz des Küstenstaates. Sie ist nurüber entsprechende Regelungen der International Maritime Orga-nization (IMO) zu erreichen. Die bestehenden Schifffahrtswegesind vielmehr limitierende Größen für die Zulassung von ortsfe-sten Nutzungen in der AWZ. Dies schließt allerdings nicht aus,dass sich die Raumordnung um Konzepte für eine umweltscho-nende Gestaltung des Schiffsverkehrs bemüht. Obwohl der Küs-tenstaat in seiner AWZ weder Befahrensregelungen noch Schiff-fahrtsgebräuche einseitig aus eigenem Recht für Schiffe vorgebendarf, die unter der Flagge von Drittstaaten fahren, könnte eine Ver-pflichtung, sich bei der IMO für entsprechende Regelungen einzu-setzen, Gegenstand von Festlegungen im Raumordnungspro-gramm werden.

E. Verbindlichkeit für Vorhabenträger

Während die Raumordnung auf dem Festland ihre spezifische Qua-lität als steuernde Koordination einer Vielzahl von Fachplanungen,

Schutzgebietsfestsetzungen und der kommunalen Bauleitplanungerhält, erschöpft sich diese Dimension in der AWZ in der Koordina-tion der marinen Schutzgebiete mit den Besonderen Eignungsgebie-ten für Windenergie. Im Übrigen sieht sich die marine Raumord-nung anstelle der Koordination von Fachplanungen mit deren Feh-len konfrontiert. Vielmehr kommen die privaten Vorhabenträger inihr Augenmerk. Es geht damit um die Steuerung der Entscheidun-gen der Zulassungsbehörden durch die marine Raumordnung. Stan-dort- und Trassenoptimierungen waren bisher für sie kein Thema.

§ 18a Abs. 2 ROG öffnet die Raumordnung in der AWZ auch denInstrumenten des § 7 Abs. 4 ROG. Er ermöglicht die Festlegungvon Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebieten. Damit kann dievorsorgende Standortsicherung von noch nicht zugelassenen Vor-haben oder von noch nicht rechtsförmig festgesetzten Schutzge-bieten betrieben werden. In Vorranggebieten werden zugunstenbestimmter raumbedeutsamer Funktionen und Nutzungen andereNutzungen ausgeschlossen, soweit sie mit den vorrangigen Funk-tionen nicht vereinbar sind (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG). Dies wird damitzu einem strikt zu beachtenden Ziel der Raumordnung. In Vorbe-haltsgebieten soll bestimmten Funktionen oder Nutzungen beider Abwägung mit konkurrierenden Belangen ein besonderes Ge-wicht beigemessen werden (§ 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG). Ihre kategorialeZuordnung zu den Grundsätzen oder Zielen ist nicht eindeutig.Für eine direktive räumliche Steuerung kommen sie allerdingskaum in Betracht. Eignungsgebiete sind dadurch gekennzeichnet,dass sie für bestimmte raumbedeutsame Maßnahmen geeignetsind, die städtebaulich nach § 35 BauGB zu beurteilen sind und ananderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden (§ 7 Abs. 4Nr. 3 ROG). Ihnen liegt daher eine Ausschlussfunktion für eine ge-bietsexterne Realisierung und eine begrenzte gebietsinterneDurchsetzungsfunktion zugrunde. Sie dienen der Konzentrationvon Vorhaben. Ob Eignungsgebiete als Planungsoption für dieAWZ in Betracht gezogen werden können, erscheint wegen ihresausdrücklichen Bezugs zum Außenbereich i. S. d. § 35 BauGB nichteindeutig. Bezieht man ihn auf das Gemeindegebiet, das nicht imZusammenhang bebaut und auch nicht durch die Bauleitplanungüberplant ist, sind Eignungsgebiete i. S. v. § 7 S. 1 Abs. 4 ROG in derAWZ nicht möglich. Versteht man unter Außenbereich alle Gebie-te, die nicht durch Bebauungsplan überplant oder im Zusammen-hang bebaut sind, steht der Anwendung von § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3ROG in der AWZ grundsätzlich nichts im Wege.

Dies trifft allerdings auf das Problem, dass die Kategorie des Be-sonderen Eignungsgebietes für Windenergieanlagen durch § 3aSeeAnlV in besonderer Weise definiert ist und der Raumordnunguntergeschoben wird. Gebiete nach § 3a SeeAnlV besitzen weder ei-ne räumliche Konzentrations- noch eine Ausschlußfunktion. Nach§ 18a Abs. 3 S. 2 ROG sind die bis zum 31. 12. 2005 festgelegten Be-sonderen Eignungsgebiete nach § 3a SeeAnlV als Ziele derRaumordnung zu übernehmen und als Vorranggebiete nach § 7Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG festzulegen. Werden danach als Ziele derRaumordnung Vorranggebiete für Windkraftanlagen festgelegt, ha-ben diese im Verfahren der Genehmigung einer Anlage nach See-AnlV im Hinblick auf die Wahl des Standortes die Wirkung einesSachverständigengutachtens. Aus Besonderen Eignungsgebieten i.S. d. § 3a SeeAnlV werden somit Vorranggebiete i. S. d. § 7 Abs. 4 S. 1Nr. 1 ROG, denen die planungsrechtlich unbekannte Funktion ei-nes antizipierten Sachverständigengutachtens zukommen soll.Dies könnte so verstanden werden, dass ihnen keine allgemeineplanerische Steuerungsfunktion, sondern nur eine Entlas-tungsfunktion im Rahmen der standortbezogenen Zulässigkeit-sprüfung zukommen soll. Träfe dies zu, wäre es für die Ordnungsin-tentionen einer Raumplanung für die AWZ fatal.51 Allerdings ver-

50 Buchholz (Fn. 4), S. 17.51 Maier, UPR 2004, 108.

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deutlicht der Bezug auf das Genehmigungsverfahren, dass es dieserRegelung zunächst darum geht, die dem § 3a SeeAnlV zugemesseneEntlastungswirkung für die Zulassungsentscheidung aufrecht zu er-halten. Ziele der Raumordnung enthalten nach § 3 Nr. 2 ROG ver-bindliche, räumlich und sachlich bestimmte oder bestimmbareFestlegungen. Sie tragen daher »Letztentscheidungscharakter«.52

Sie können nur in Raumordnungsplänen enthalten sein. Damitwird deutlich, dass eine Integration der zunächst durch § 3a SeeAn-lV nur zulassungsbezogen konzipierten Besonderen Eignungsge-biete für Windkraftanlagen in die Raumplanung angestrebt wird.Ihnen soll ergänzend zur zulassungsrechtlichen Entlastungsfunkti-on auch die planungsrechtliche Qualität eines Vorranggebietes zu-kommen. Mit der Einrichtung von Vorranggebieten ist damit einplanerischer Ausschluss von konkurrierenden Nutzungen, aber kei-ne Konzentrationswirkung verbunden.

Die Frage ist allerdings, inwieweit dies Relevanz für die Zulas-sung von Vorhaben gewinnen kann. Die Bindungswirkung derZiele und Grundsätze für die Träger öffentlicher Planung und pri-vater Vorhaben ist unterschiedlich ausgestaltet. Grundsätze derRaumordnung dienen als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs-und Ermessensentscheidungen. Die Ziele der Raumordnung sindvon den öffentlichen Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planun-gen und Maßnahmen strikt zu beachten (§ 4 Abs. 1 S. 1 ROG).Private Vorhabenträger können darüber allerdings nicht erreichtwerden. Über § 4 Abs. 2 ROG sind für sie die Grundsätze derRaumordnung nur bei der planerischen Abwägung oder bei der Er-messensausübung nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschrif-ten zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt nach § 4 Abs. 4 S. 1ROG auch für die Ziele der Raumordnung. Gebundene Entschei-dungen, die dem Antragsteller einen Anspruch auf Zulassung ge-währen, bleiben davon unberührt.53 Da sowohl die Zulassung ber-grechtlicher Betriebspläne als auch die Genehmigung von Anla-gen nach § 3 SeeAnlV als gebundene Entscheidungen ausgestaltetsind, kommen beide Pflichten hier nicht zum Tragen. Eine negati-ve räumliche Steuerung ist nur im Falle von geschützten Meeres-flächen möglich. Hier macht § 38 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG die FFH-

A. Problemstellung

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der er-neuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis 2010 ge-genüber 2000 auf 4,2 % und am Stromverbrauch auf 12,5 % zu ver-doppeln.4 Die Errichtung landgestützter Anlagen stößt jedoch we-

Der vorliegende Beitrag setzt sich anhand der Beschlüsse des OVG Ham-

burg1, denen die Urteile des VG Hamburg vom 1.12.2003 – 19 K

3585/2003 und 19 K 2474/2003 sowie vom 25.3.2004 – 8 K 4795/022

vorgegangen sind, mit den Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter gegen die Ge-

nehmigung von Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen AWZ aus-

einander. In den vorgenannten Entscheidungen des VG Hamburg wurden

die von einer Inselgemeinde, von Hochseefischereibetrieben und eines vom

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

(BMU) anerkannten Naturschutzverbandes erhobenen Klagen gegen die

Genehmigung eines Offshore-Windenergieparks3 jeweils wegen fehlender

Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Aus demselben Grund hat auch

das OVG Hamburg die Zulassung der Berufung gegen die erstinstanzlichen

Urteile zurückgewiesen. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf,

ob Genehmigungen von Offshore-Windenergieparks in der AWZ (derzeit)

überhaupt einer gerichtlichen Kontrolle durch Dritte zugänglich sind.

52 Koch/Hendler, Rdn. 22 zu § 3.53 Koch/Hendler, Rdn. 10 u. 48 zu § 3.54 Maier, UPR 2004, 103 <108>.

[s0]Ggf. eine Art neuen § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB speziell für AWZ?

Prof. Dr. Rainer WolfTU Bergakademie Freiberg, Professur für Öffentliches Recht, Lessingstr.45, 09596 Freiberg, [email protected]ätigkeitsschwerpunkte: Umwelt- und Naturschutzrecht, Bau- und Pla-nungsrecht.Aktuelle Veröffentlichungen: Jacob/Ring/Wolf (Hg.), Freiberger Hand-buch zum Baurecht, Bonn 2003; Roma locuta – causa finita...causa nonfinita. Zum Urteil des EuGH vom 24.7.2003 in Sachen ÖPNV, Verkehrund Technik 2003, 359-363; Blochmann/Jacob/Wolf, Kooperation mit-telständischer Bauunternehmen. Zur Erschließung neuer Marktfelder beider Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Wiesbaden 2003, Rechtspro-bleme der Anbindung von Offshore-Windenergieparks in der AWZ andas Netz, ZUR 2004, 65-73, Herrschaft in Zeiten der Entgrenzungen.Die Europäische Union als Herrschaftsverbund, in: Aden (Hg.), Herr-schaftstheorien und Herrschaftsphänomene, 2004, 177-200.

Maxi Keller

Rechtsschutzdefizite Dritter gegen Genehmigungs-erteilungen für Windenergieanlagen in der AWZ?*

* zugleich Anmerkung zu OVG Hamburg, Beschluss vom 15. September 2004– 1 Bf 128/04 vom 30. September 2004 – 1 Bf 162/04 und Beschluss vom3. Dezember 2004 – 1 Bf 113/04.

1 OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210 ff.; Beschl. v.30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 ff. und Beschl. v. 3.12.2004 – 1 Bf 113/04,ZUR 2005, 206 ff.

2 Vgl. VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19 K 3585/2003, NordÖR 2004, 165 ff.;Urt. v. 1.12.2003 – 19 K 2474/2003, NordÖR 2004, 161 ff.; Urt. v. 25.3.2004 –8 K 4795/02, NordÖR 2004, 248 ff.

3 Im Speziellen wurde gegen die Genehmigung des Offshore-Windenergie-parks »Borkum West« vom 9.11.2001 und des »Offshore-Bürger-Windpark-Butendiek« vom 18.12.2002 vorgegangen.

4 Bundesregierung, Perspektiven für Deutschland – Unsere Strategie für einenachhaltige Entwicklung, April 2002, S. 97.

Verträglichkeit zum zusätzlichen Kriterium für die Errichtung vonAnlagen. In den anderen Fällen ist die vorhabenbezogene Steue-rungsfunktion der Raumordnung zunächst blockiert. Werden diezulassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt, können selbst Vor-ranggebiete Ansprüchen auf Zulassung von konkurrierenden Vor-haben rechtlich nicht entgegengehalten werden. Die Entwicklungeiner Raumordnung für die AWZ gerät somit in Gefahr, einen Pla-nungstorso zu generieren. Dies kann nur durch die Erweiterungdes seeanlagen- und bergrechtlichen Zulassungsrechts umRaumordnungsklauseln verhindert werden, mit denen die Beach-tung der Grundsätze und Ziele der Raumordnung zur Zulassungs-voraussetzung erklärt wird.54 Die Einführung einer Raumordnungfür die AWZ ist daher der Auftakt für eine Anschlussnovellierungdes Zulassungsrechts.

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gen der nahezu restlos ausgeschöpften Eignungsflächen zuneh-mend an ihre Grenzen. Der (politische) Blick richtet sich daherverstärkt auf die Offshore-Windenergienutzung.5 Gegenüber An-lagen auf dem Land wird davon ausgegangen, dass auf dem Meereine bis zu 40 % größere Windausbeute erreicht werden kann. Diein der Bundesrepublik Deutschland fokussierten Vorhaben sollenzum größten Teil seewärts des Küstenmeers innerhalb der AWZ inWassertiefen von bis zu 40 Metern errichtet werden. Für den Be-reich der AWZ kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydro-graphie (BSH) als zuständige Genehmigungsbehörde derzeit auf31 beantragte Windparkprojekte (25 für die Nordsee und 6 für dieOstsee) mit insgesamt 12.500 Anlagen verweisen. Seit November2001 wurden bereits für 7 Pilotprojekte in der Nordsee mit insge-samt 492 Anlagen Genehmigungen erteilt. Bedingt durch zusätz-lich erforderliche Genehmigungen für die Verlegung und den Be-trieb von stromzu- und -abführenden Kabelleitungen von derAWZ über das Küstenmeer bis zur eigentlichen Landanbindungwurde bei noch keinem Projekt mit der Errichtung begonnen.6 DieOffshore-Windenergienutzung findet freilich nicht nur positivenAnklang. Ihre derzeit ungesteuerte7 Ansiedlung führt zu erhebli-chen Nutzungs- und Schutzkonflikten konkurrierender Interes-sen, die zwangsläufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungenführen, in denen sich Dritte gegen die Genehmigung von Offsho-re-Windenergieanlagen wenden. Nachfolgend sollen die Rechts-schutzmöglichkeiten Dritter am Beispiel von Inselgemeinden, Be-rufsfischern und Naturschutzverbänden untersucht werden.

Hierfür wird zunächst mit Blick auf die seevölkerrechtlichgeprägte Rechtsnatur der AWZ das Zulassungsregime für die Errich-tung und den Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen aufgezeigt(B). Sodann wird der Fokus auf den drittgerichtlichen Rechtsschutzgegen Genehmigungserteilungen von Offshore-Windenergieparksin der deutschen AWZ gelenkt (C). Ausblickartig wird sich absch-ließend de lege ferenda den EG-rechtlichen und innerstaatlichenAuswirkungen der Umsetzung des Übereinkommens über den Zu-gang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entschei-dungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangele-genheiten (Aarhus-Konvention)8 vom 25.6.1998 zugewendet (D).

B. Zulassungsregime

I. Völkerrechtliche Rahmenvorgaben

Das Zulassungsregime für Offshore-Windenergieanlagen in derAWZ wird sowohl durch völkerrechtliche, als auch gemeinschafts-rechtliche und nationale Regelungen geprägt. Im Gegensatz zumKüstenmeer (sog. 12-Seemeilen-Zone), das nach Art. 2 Abs. 1 See-rechtsübereinkommen (SRÜ)9 als maritimer Teil des Staatsgebietseiner Anwendbarkeit der innerstaatlichen Rechtsordnung unein-geschränkt offen steht, gehört die AWZ als Funktionshoheits-raum10 nicht zum Hoheitsgebiet des jeweiligen Küstenstaats. Inder AWZ übt der Küstenstaat nur für bestimmte, ihm durch Art. 56Abs. 1 SRÜ exklusiv zugewiesene Nutzungen souveräne Rechteund Hoheitsbefugnisse aus.11 Hierbei unterfallen die Windenergie-nutzung sowie die Errichtung und der Betrieb entsprechender An-lagen ausschließlich seiner innerstaatlichen Regelungsbefugnis.12

Darüber hinaus kommen dem Küstenstaat nach Art. 56 Abs. 1 lit.b) Nr. iii SRÜ Hoheitsbefugnisse für den Schutz und die Bewah-rung der Meeresumwelt zu, die durch spezielle Regelungen in TeilXII des SRÜ und eine Vielzahl globaler und regionaler Überein-kommen ergänzt werden.13 Hervorzuheben sind das Übereinkom-men zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen)14 vom 22.9.1992, das Übereinkommen überden Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Über-

einkommen)15 vom 9.4.1992 und das Übereinkommen über diebiologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention)16 vom 5.6.1992.

II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben

Auf der Ebene des EG-Rechts sind für die Genehmigung von Off-shore-Windenergieparks in der AWZ vor allem umwelt- und natur-schutzrechtliche Anforderungen des gemeinschaftlichen Sekun-därrechts zu beachten. Zu nennen sind die Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Vogel-schutz-Richtlinie)17 vom 2.4.1979, die Richtlinie 92/43/EWG zurErhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebendenTiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie – im WeiterenFFH-Richtlinie)18 vom 21.5.1992 und die Richtlinie 85/337/EWGüber die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentli-chen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie)19 vom 27.6.1985.20

Die Anwendbarkeit der besagten Rechtsakte innerhalb des Funkti-onshoheitsraums wird mit Blick auf die Rechtsprechung des Eu-ropäischen Gerichtshofs (EuGH)21 dahingehend begründet, dasseine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs des Ge-meinschaftsrechts dann anzunehmen ist, wenn die Mitgliedstaa-ten einen durch Völkerrecht bedingten Zuwachs an Rechten in ei-nem Bereich außerhalb ihres Hoheitsgebiets konstatieren können,den sie auf die Gemeinschaft übertragen haben.22 Dem ist mit dem

5 Bundesregierung, Strategie der Bundesregierung zur Windenergienutzung aufSee, Januar 2002, S. 7 ff. Grundlage der Ausbaubestrebungen bildet vor allemdie Vergütungsregelung für offshore-erzeugten Strom in § 10 Abs. 3 Erneuer-bare-Energien-Gesetz (EEG) vom 29.3.2000 (BGBl. I S. 305), zuletzt geändertdurch Art. 1 Gesetz vom 21.7.2004 (BGBl. I S. 1918).

6 Zu den Rechtsproblemen der Kabelverlegung siehe insbesondere Wolf, ZUR 2004,65 ff. und Brandt/Dreher, NordÖR 2003, 138 ff.

7 Vgl. zu den planungsrechtlichen Anforderungen Erbguth, Wahrung mögli-cher Belange der Bundesraumordung in der Ausschließlichen Wirtschaftszo-ne der Bundesrepublik Deutschland, 2002; ders./Mahlburg, DÖV 2003, 665ff. und Maier, UPR 2004, 103 ff.

8 In Kraft getreten am 30.10.2001. Eine deutsche Übersetzung findet sich im In-ternet unter http://www.unece.org/env/pp.

9 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982(BGBl. II 1994, S. 1798).

10 Zur Begrifflichkeit vgl. insbesondere Graf Vitzthum, in: ders., Völkerrecht,2. Aufl. 2001, 5. Abschn. Rn. 10.

11 Gündling, Die 200-Seemeilen-Wirtschaftszone, 1983, S. 119; Fitzpatrick,Künstliche Inseln und Anlagen auf See ,1998, S. 71.

12 Art. 56 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 56 Abs. 1 lit. b) Nr. i i. V. m. Art. 60 Abs. 1 lit.b) SRÜ. Zum Ganzen vgl. die Ausführungen von Gündling, (Fn. 11), S. 220und Jenisch, NuR 1997, 373 (374 f.).

13 Zur Anwendbarkeit von umwelt- resp. naturschutzrechtlichen Regelungendes Völkerrechts in der AWZ vgl. insbesondere Weiß, Möglichkeiten der Re-gelung der Fischerei, des Bergbaus und der Schifffahrt in »Baltic Sea Protec-ted Areas« (BSPAs) in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), 1999,S. 11 ff. und Jarass, Naturschutz in der Ausschließlichen Wirtschaftszone,2002, S. 24 ff.; einen allgemeinen Überblick über das Meeresumweltrechtzum Schutz von Nord- und Ostsee bieten Erbguth/Schlacke, Umweltrecht,2005, § 15 Rn. 11 ff. und Proelß, Meeresschutz im Völker- und Europarecht,2004, S. 71 ff.

14 BGBl. II 1994, S. 1360.15 BGBl. II 1994, S. 1367, geändert durch die Erste Ostseeschutz-Änderungsver-

ordnung (BGBl. II 2002, S. 2953).16 BGBl. II 1993, S. 1741.17 ABlEG Nr. L 103, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 807/2003

des Rates vom 14.4.2003 (ABlEG Nr. L 122, S. 36).18 ABlEG Nr. L 206, S. 7, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr.

1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.9.2003 (ABlEG Nr. L 284, S. 1).

19 ABlEG Nr. L 175, S. 40, zuletzt geändert durch Richtlinie 2003/35/EG des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates vom 26.5.2003 (ABlEG Nr. L 156, S. 17).

20 Auf planungsrechtlicher Ebene gilt es zudem, die Vorgaben der Richtlinie2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläneund Programme (SUP-Richtlinie) vom 27.6.2001 (ABlEG Nr. L 197, S. 30) zubeachten.

21 EuGH, Urt. v. 14.7.1976 – Rs. 3, 4 und 6/76, Slg. 1976, 1279 (1311) Rn. 36 –Kramer und Urt. v. 16.2.1978 – Rs. 61/77, Slg. 1978, 417 (447) Rn. 45/51 –Kommission/Irland.

22 Vgl. nur Jarass, (Fn. 13) S. 41 f.; Czybulka/Kersandt, Rechtsvorschriften, recht-liche Instrumentarien und zuständige Körperschaften mit Relevanz für ma-rine Schutzgebiete (»Marine Protected Areas«/MPAs) in der Ausschließli-chen Wirtschaftszone (AWZ), 2000, S. 18 f.; Wolff, ZUR 2003, 356 (360);Wolfrum, Archiv des Völkerrechts 42 (2004), 67 (68) und Proelß, (Fn. 13),2004, S. 277 f.

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VG Hamburg in seiner Entscheidung vom 1.12.2003 erstmalig eindeutsches Gericht gefolgt, indem es die Vorschriften der Vogel-schutz- und FFH-RL ausdrücklich mit Verweis auf die entsprechen-den EuGH-Urteile in der AWZ für anwendbar erklärte.23

III. Innerstaatliche Genehmigungsanforderungen

Die innerstaatlichen Genehmigungsanforderungen ergeben sichvornehmlich aus der Seeanlagenverordnung (SeeAnlV)24, welcheaufgrund der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 4a, Abs.2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Nr. 10a des Seeaufgabengesetzes (SeeAuf-gG)25 erlassen wurde. Der Geltungsbereich der SeeAnlV erstrecktsich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 auf den Bereich der AWZund mit Einschränkungen auch auf den Bereich der Hohen See.Nach § 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 SeeAnlV bedürfen die Errichtung,der Betrieb und die wesentliche Änderung von Windenergieanla-gen oder ihres Betriebs einer Genehmigung durch das BSH, soweitsie nicht gemäß § 10 SeeAnlV von der Genehmigungspflicht be-freit sind. Die Genehmigung ist nach § 3 Satz 1 SeeAnlV zu versa-gen, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beein-trächtigt oder die Meeresumwelt gefährdet wird, ohne dass diesdurch eine Befristung, durch Bedingungen oder Auflagen verhütetoder ausgeglichen werden kann. Der Genehmigungstatbestandwurde als gebundene Zulassungsentscheidung ausgestaltet (§ 3Satz 3 SeeAnlV) und entfaltet im Gegensatz zur immissionsschutz-rechtlichen Genehmigung26 keine Konzentrationswirkung(§ 2 Satz 3 SeeAnlV).27 Die weiteren verfahrensrechtlichen Maßga-ben folgen aus den §§ 5 und 6 SeeAnlV. Nach § 8 SeeAnlV ist eingenehmigter Offshore-Windenergiepark in den Nachrichten fürSeefahrer bekannt zu machen und in die amtlichen Seekarten ein-zutragen.

In Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben unterlie-gen Offshore-Windenergieanlagen seit der Novellierung der SeeAn-lV im Zuge des BNatSchGNeuregG28 vom 25.3.2002 einer Umwelt-verträglichkeitsprüfungspflicht.29 Nach § 2a Satz 1 SeeAnlV ist fürVorhaben, die nach § 2 SeeAnlV einer Genehmigung bedürfen undzugleich Vorhaben i. S. d. § 3 UVPG sind, eine Umweltverträglich-keitsprüfung (UVP) nach Maßgabe des Gesetzes über die Umwelt-verträglichkeitsprüfung (UVPG)30 durchzuführen.31 Mit § 38 Bunde-snaturschutzgesetz (BNatSchG)32, welcher ebenfalls im Zuge desBNatSchGNeuregG eingeführt wurde, hat der deutsche Gesetzgeberdarüber hinaus die weit reichenden Vorgaben des europäischen Ha-bitatschutzrechts für die Erschließung geeigneter Errichtungsstan-dorte33 in nationales Recht umgesetzt. § 38 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchGenthält eine an die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Rahmen-vorgaben angelegte Anwendungsprärogative für die Energieerzeu-gung aus Wasser, Strömung und Wind. Die Ansiedlung von Offsho-re-Windenergieparks darf danach nur unter den in § 34 BNatSchGnäher bezeichneten Voraussetzungen untersagt werden.34

Inwiefern sich weitere Genehmigungsanforderungen – abgese-hen von etwaig zu verlegenden Kabelleitungen35 – für die Errich-tung und den Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen in derAWZ aus dem nationalen Anlagenzulassungsrecht stellen, ohnedass dieses auf den Funktionshoheitsraum erstreckt wurde, ist hef-tig umstritten.36 Eine vertiefte Auseinandersetzung kann an dieserStelle jedoch nicht geleistet werden. Mit Blick auf die Entschei-dung des VG Hamburg37 vom 1.12.2003, der i. E. auch das OVGHamburg38 gefolgt ist, darf davon ausgegangen werden, dass sichdie Ansicht namhafter Vertreter der Literatur39 durchsetzten wird,»…dass neben dem Seeaufgabengesetz (samt SeeAnlVO) und demBundesberggesetz grundsätzlich keine anderen Fachgesetze zurAnwendung kommen sollen, es sei denn, ihre Geltung wäre imSinne einer ›Erstreckungsklausel‹ (…) ausdrücklich angeordnet«.

C. Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter

Die aus der Rechtsnatur der AWZ folgenden Unsicherheiten tretenauch im Rahmen der Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter deutlichzu Tage. Im Gegensatz zum Küstenmeer, das dem Staatsgebiet derBundesrepublik Deutschland angehört, beurteilt sich die Zulas-sung von Windenergieparks in der AWZ nicht anhand bewährternachbar- bzw. drittschützender Normen wie etwa des Immissions-schutz- und Baurechts40, sondern allein nach der SeeAnlV. WelcheAuswirkungen dies für klagefähige Rechte von Inselgemeindenund Hochseefischereibetrieben hat, wird unter Bezugnahme derhierzu kürzlich ergangenen Entscheidungen des OVG Hamburgim Weiteren näher beleuchtet (I. und II.). Darüber hinaus wird

23 VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19 K 2474/2003, NordÖR 2004, 161 (163);vgl. in diesem Zusammenhang auch High Court of Justice, Urt. v. 5.11.1999 –CO 1336/1999, 120 ILR, 617 ff. Auszugsweise übersetzt und kommentiertvon Czybulka, NuR 2001, 19 ff.

24 Verordnung über Anlagen seewärts der Begrenzung des deutschen Küsten-meers (Seeanlagenverordnung – SeeAnlV) vom 23.1.1997 (BGBl. I S. 57), zu-letzt geändert durch Art. 2 Gesetz vom 25.3.2002 (BGBl. I S. 1193).

25 Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt (Seeauf-gabengesetz – SeeAufgG) in der Fassung vom 26.7.2002 (BGBl. I S. 2876), zuletztgeändert durch Art. 12g Abs. 19 Gesetz vom 24.8.2004 (BGBl. I S. 2198). Die Auf-gabenzuweisung an den Bund erfolgte durch die Novellierung des SeeAufgG i.R. d. Ausführungsgesetzes zum Seerechtsübereinkommen vom 6.6.1995 (BGBl.I S. 778).

26 § 13 BImSchG.27 Zur Rechtsnatur der seeanlagenrechtlichen Genehmigung vgl. nur

Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, Kommentar, 2002, § 3 Rn. 7;Koch/Wiesenthal, ZUR 2003, 350 (353); Nebelsieck, Die Genehmigung vonOffshore-Windenergieanlagen in der AWZ, 2002, S. 12; Beckmann, NordÖR2001, 273 (277); Dahlke, NuR 2002, 472 (474); Resthöft/Dreher, ZNER 2002,95 (96) und Klinski, Rechtliche Probleme der Zulassung von Windkraftanla-gen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), 2001, S. 15.

28 Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschafts-pflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG)vom 25.3.2002 (BGBl. I S. 1193).

29 Bis zur Novellierung der SeeAnlV bestand im Hinblick auf die UVP-Pflichtig-keit von Offshore-Windenergieanlagen weitestgehend Uneinigkeit, vgl. nurBrandt/Resthöft, in: Beck/Brandt/Salander, Handbuch Energiemanagement,Ziff. 5304 Rn. 36 ff.

30 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der Fassung derBekanntmachung vom 5.9.2001 (BGBl. I S. 2350, S. 3762), zuletzt geändertdurch Art. 3 Gesetz vom 24.6.2004 (BGBl. I S. 1359).

31 Für Windfarmen mit Anlagen in einer Höhe von jeweils mehr als 35 Meternoder einer Leistung von jeweils mehr als 10 KW und mit 20 oder mehrWindkraftanlagen besteht eine UVP-Pflicht. Für 6 bis weniger als 20 Anlagenpro Windfarm sieht § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 Anhang 1 zumUVPG eine allgemeine Vorprüfung vor. Windfarmen mit 3 bis weniger als 6Anlagen unterliegen nach § 3c Abs. 1 Satz 2 UVPG i. V. m. Nr. 1.6.3 Anlage 1zum UVPG einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalles.

32 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz –BNatSchG) vom 25.3.2002 (BGBl. I S. 1193), zuletzt geändert durch Gesetzvom 21.12.2004 (BGBl. I S. 186).

33 BT-Drs. 14/7490, S. 29. Angesprochen ist damit der Regelungsbereich desebenfalls i. R. d. BNatSchGNeuregG neu eingeführten § 3a SeeAnlV, wonachdas Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW)besondere Eignungsgebiete für Windkraftanlagen festlegt. Dabei ist nach §3a Abs. 1 Satz 3 SeeAnlV die Festlegung nur zulässig, wenn der Wahl vonStandorten in dem betreffenden Gebiet keine Versagungsgründe nach § 3SeeAnlV und keine Schutzgebietsausweisungen nach Maßgabe des§ 38 BNatSchG entgegenstehen.

34 Eingehend hierzu Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Kom-mentar, Bd. IV, Loseblatt, Stand: Oktober 2003, § 38 BNatSchG Rn. 13 und20.

35 Auch im Zusammenhang mit der Verlegung von stromzu- und -abführenderKabelleitungen besteht weitestgehend Uneinigkeit, welchem Genehmi-gungsregime diese unterfallen. Für das bergrechtliche Zulassungsverfahrennach § 133 Abs. 1 i. V. m. § 133 Abs. 4 BBergG sprechen sich Brandt/Gaßner,(Fn. 27), § 1 Rn. 74 ff. und insbesondere Brandt/Dreher, NordÖR 2003, 138(139 f.) aus; eine hiervon gänzlich abweichende Ansicht vertritt Wolf, ZUR2004, 65 (66 ff.) und auch Erbguth, (Fn. 7), S. 75 ff.

36 Vgl. zum Ganzen Kahle, ZUR 2004, 80 (82 ff.).37 VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19 K 3585/2003, NordÖR 2004, 165 (167). 38 Vgl. die Ausführungen zur Anwendbarkeit des Raumordnungsgesetzes in

der AWZ vom OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005,210 (212 f.).

39 Dies vertreten ebenfalls Lagoni, NuR 2001, 121 (125); Jenisch, NuR 1997, 373(376 f.); Erbguth, (Fn. 7), S.43; ders./Schlacke, (Fn. 13), § 15 Rn. 65;Brandt/Gaßner, (Fn. 27), § 2 Rn. 48; a. A. insbesondere Czybulka, NuR 2001,367 (370 ff.); ihm folgend Kersandt, in: Kumpfer/Schlacke, IntegrativerUmweltschutz Anforderungen an Normsetzung und Vollzug, 2002, S. 119(128 f.); Roßnagel/Hentschel, UTR 71 (2003), 319 (347).

40 Siehe hierzu bspw. Konrad, JA 2002, 967 ff.

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sich der Frage zugewandt, inwiefern anerkannte Naturschutzver-bände gerichtlich gegen die Genehmigung eines Offshore-Wind-energieparks in der AWZ vorgehen können (III.).

I. Klagefähige Rechte von Inselgemeinden

1. Einfachgesetzliches Recht

(Dritt-)Anfechtungsklagen sind nach § 42 Abs. 2 VwGO nur zuläs-sig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwal-tungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.41 Dabei gilt es zu be-achten, dass bei der Gewährung der Anlagengenehmigung nach§§ 2, 3 SeeAnlV die vollziehende Behörde – wie bei jeder inner-staatlichen Rechtsanwendung auch – gehalten ist, die nach bun-desdeutschem Recht bestehenden Rechtspositionen zu beachten,selbst wenn sich die SeeAnlV auf einen Bereich außerhalb desStaatsgebietes erstreckt.42 Nach der allseits bekannten Schutz-normtheorie43 ist ein subjektiv-öffentliches Recht jedoch nurdann zu bejahen, wenn einer die Verwaltung verpflichtendenNorm zu entnehmen ist, dass sie nicht nur dem öffentlichen Inter-esse, sondern auch dem Schutz von Individualinteressen zu die-nen bestimmt ist.44 Gemäß § 3 Satz 1 SeeAnlV ist die Genehmi-gung zu versagen, wenn die zu errichtende Anlage die Sicherheitund Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt oder die Meeresum-welt gefährdet. Aus den in Satz 2 aufgeführten Regelbeispielenfolgt, dass ein Versagungsgrund insbesondere dann vorliegt, wennder Betrieb oder die Wirkung von Schifffahrtsanlagen und -zei-chen (Nr. 1), die Benutzung der Schifffahrtswege oder des Luftrau-mes oder die Schifffahrt (Nr. 2) beeinträchtigt würden, eine Ver-schmutzung i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ zu besorgen ist (Nr. 3)oder der Vogelzug gefährdet wird (Nr. 4).

Das OVG Hamburg45 hat in Nachfolge der Vorinstanz46 § 3 Satz 2Nr. 3 SeeAnlV in zutreffender Weise jegliche drittschützende Wir-kung für Inselgemeinden mit Verweis auf den sog. Dünnsäurefalldes Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)47 abgesprochen. Dort wardie Klagebefugnis eines Berufsfischers gegen die Unternehmenser-laubnis, Dünnsäure in die Nordsee einzuleiten zu beurteilen. DasGericht konnte dem Genehmigungstatbestand des Art. 2 Abs. 2 Nr.2 Hohe-See-EinbringungsG48 keine drittschützende Wirkung ent-nehmen, obwohl es dort u. a. heißt: »Die Erlaubnis darf nur erteiltwerden, wenn durch das Einbringen oder Einleiten keine nachteili-ge Veränderung der Beschaffenheit des Meerwassers zu besorgen ist,die (…) sonstige rechtmäßige Nutzungen des Meeres49 behindert«. DasBVerwG hob hervor, dass gegen einen allgemeinen Drittschutz die-ser Norm bereits der Gesetzeswortlaut spreche, da er »weder auf ei-nen wie auch immer umschriebenen zu schützenden Personenkreisabstellt noch das individuell geschützte Interesse und die Art seinerVerletzung, gegen die Schutz gewährt werden soll, in einer hinrei-chend praktikablen Weise umschreibt.« Nichts anderes folgt aus § 3Satz 2 Nr. 3 SeeAnlV, welcher direkt auf die Begriffsbestimmung »derVerschmutzung der Meeresumwelt« in Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ50 ver-weist.51 Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ definiert den Begriff der Verschmut-zung der Meeresumwelt lediglich allgemein, ohne dabei auf einenzu schützenden Personenkreis abzustellen. Durch den Verweis aufdie völkerrechtliche Norm wird daher nicht deutlich, dass die Belan-ge von Gemeinden in individualisierbarer Weise i. R. v. § 3 Satz 2 Nr.3 SeeAnlV zu berücksichtigen sind. Das SRÜ soll ausschließlich völ-kerrechtliche Pflichten gegenüber den Vertragsparteien und nichtauch subjektive Rechte Einzelner wie Inselgemeinden auf inner-staatlicher Ebene begründen.52 Vielmehr hätte es dem deutschenVerordnungsgeber oblegen, explizit herauszustellen, dass gemeind-lichen Belangen neben den in Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ benannten,drittschützende Wirkung zukommen soll.53

Wie das OVG Hamburg zu Recht weiter ausführt, vermag insofernauch nicht die Übertragung des wasserrechtlichen Rücksichtnah-megebotes Abhilfe verschaffen, da dieses ausschließlich für die §§1a Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)54 Anwen-dung findet, welche gerade keine Geltung in der AWZ beanspru-chen.55

2. Möglichkeit der Verletzung des kommunalen SelbstverwaltungsrechtsFür Gemeinden könnten sich jedoch wehrfähige Rechtspositio-nen aus dem verfassungsrechtlich geschützten kommunalenSelbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG), insbesondere aus dervon ihm erfassten Planungshoheit ergeben.56 Die gemeindlichePlanungshoheit ist gegen Maßnahmen geschützt, die hinreichendkonkrete planerische Vorstellungen der Gemeinde nachhaltig be-einträchtigen oder wesentliche Teile des Gemeindegebiets einerdurchsetzbaren gemeindlichen Planung oder Maßnahme entzie-hen.57 Dem Gemeindegebiet werden vornehmlich das Festlandund die landgestützten Gebiete der Seeinseln zugerechnet. DasKüstenmeer – von historischen Ausnahmen abgesehen – gehörtnicht zum gemeindlichen Gebietsbestand, es gilt ohne entspre-chenden Inkommunalisierungsakt als gemeindefrei.58 Einer In-kommunalisierung der AWZ steht entgegen, dass diese nicht demStaatsgebiet der Bundesrepublik zugehörig ist und die Planungs-hoheit der Gemeinde daher nicht auf die AWZ erstreckt werdendarf.59 Art. 28 Abs. 2 GG vermittelt der Gemeinde eine klagbareRechtsposition aber auch dann, wenn die Veränderung der »Pla-nungsumwelt«, durch ein außerhalb des Gemeindegebiets gelege-

41 Zur herrschenden Möglichkeitstheorie vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsge-richtsordnung, Kommentar, 13. Aufl., Rn. 66 m. w. N.

42 Nach OVG Hamburg, Urt. v. 19.5.1981 – OVG Bf VI 76/81, NuR 1982, 24 (24).43 St. Rechtsprechung vgl. nur BVerwG, Urt. v. 1.3.1978 – 8 C 99.76, BVerwGE

55, 280 (285); Urt. v. 1.12.1982 – 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 (308 ff.). 44 Näheres bei Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 2004, Rn. 486.45 OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210 (211).46 VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19 K 3585/2003, NordÖR 2004, 165 (166);

Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 1211/03, NordÖR 2004, 246 (247).47 BVerwG, Urt. 1.12.1982 – 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 (308). 48 Gesetz zu den Übereinkommen vom 15.2.1972 und 29.12.1972 zur Verhü-

tung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen durchSchiffe und Luftfahrzeuge (Hohe-See-EinbringungsG) vom 11.2.1977 (BGBl.II S. 165)

49 Hervorgehoben durch die Autorin.50 Nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ »bedeutet ›Verschmutzung der Meeresumwelt‹

die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durchden Menschen in die Meeresumwelt einschließlich der Flussmündungen,aus der sich abträgliche Wirkungen, wie eine Schädigung der lebenden Res-sourcen sowie der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres, eine Gefährdung dermenschlichen Gesundheit, eine Behinderung der maritimen Tätigkeiteneinschließlich der Fischerei und der sonstigen rechtmäßigen Nutzung desMeeres, eine Beeinträchtigung des Gebrauchswerts des Meerwassers und ei-ne Verringerung der Annehmlichkeiten des Meerwassers und eine Verringe-rung der Annehmlichkeiten der Umwelt ergeben oder ergeben können…«

51 Bereits kritisch zur Bestimmtheit der Norm Klinski, (Fn. 27), S. 53.52 OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210 (211).53 So bereits auch das VG Hamburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 1211/03, NordÖR

2004, 246 (247) und Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (774).54 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) in

der Fassung der Bekanntmachung vom 19.8.2002 (BGBl. I 2002, S. 3245), zu-letzt geändert durch Art. 6 Gesetz vom 6.1.2004 (BGBl. I S. 2).

55 Ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210(213) mit Verweis auf OVG Greifswald, Beschl. v. 29.6.1995 – 3 M 27/95,NVwZ-RR 1996, 197 (197); vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 6.9.2004 – 7 B 62.04,S. 9 (im Internet veröffentlicht unter http://www.bverwg.de/media/archive/2239.pdf).

56 Zur Klagebefugnis kommunaler Gebietskörperschaften – der sog. Gemein-denachbarklage vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 8 Rn. 32; Spar-wasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 5 Rn. 21 undKopp/Schenke, (Fn. 41), § 42 Rn. 137.

57 BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 – 4 C 51.83, BVerwGE 74, 124 (132); Urt. v.15.12.1989 – 4 C 36.86, NVwZ 1990, 464 (465); Urt. v. 27.3.1992 – 7 C 18.91,BVerwGE 90, 96 (100); Beschl. v. 9.1.1995 – 4 NB 42.94, NVwZ 1995, 694(695); vgl. zum Ganzen auch Bielenberg/Runkel/Spannowky, Raumordnungs-und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Kommentar undTextsammlung, Band 2, Loseblatt, Stand: März 2004, § 14 Rn. 82.

58 Vgl. zur Gemeindefreiheit des Küstenmeers insbesondere Erbguth, DVBl.1995, 1270 (1271).

59 In diesem Sinne auch OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR2005, 210 (211).

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nes Vorhaben herbeigeführt wird, das »Auswirkungen gewichtigerArt« erkennen lässt, die für die Gemeinde nicht zumutbar sind.60

Sofern im Rahmen einer hinreichend konkretisierten örtlichen Pla-nung – deren Vorliegen durch die jeweils betroffene Gemeinde darzu-legen ist61 – auf die Gefahr von Schiffskollisionen mit Windenergiean-lagen Bezug genommen wird, spricht das OVG Hamburg den hier-durch vorübergehenden Verschmutzungen der Strände eineunmittelbare Auswirkung des Vorhabens ab. Das Berufungsgerichtunterstreicht, dass Genehmigungen von Offshore-Windenergieparksnicht mit der Genehmigung anderer gefährlicher Anlagen wie etwaKernenergieanlagen oder Abfalldeponien zu vergleichen sind, die ihrGefahrenpotential regelmäßig in sich tragen.62 Dem gilt es jedoch zuentgegnen, dass durch die Errichtung von großräumigen Offshore-Windenergieparks das Risiko von Unglücksfällen an der deutschenKüste bei rund 200.000 Schiffsbewegungen im Jahr zwangsläufig er-höht wird. Damit sind die im Meer angesiedelten Windparks zumin-dest mitursächlich, wenn es zu entsprechenden Schiffskollisionenkommt. Die Hauptursache von Schiffsunfällen ist aber zumeist inmenschlichem Versagen an Bord zu suchen.63 Sofern Windenergie-parks daher außerhalb von Schifffahrtsstraßen durch Sicherheits-zonen64 von bis zu 500 m hinreichend abgesichert werden, ist das be-stehende Restrisiko auf ein sozialadäquates Maß reduziert worden.Damit ist das Vorhaben aus verkehrlicher Sicht (§ 3 Satz 2 Nr. 2 SeeAn-lV) genehmigungsfähig. Vor diesem Hintergrund folgen auch keinewehrfähigen Rechtspositionen daraus, dass die geplanten Vorhabendas Gemeindegebiet oder Teile hiervon nachhaltig betreffen und dieEntwicklung der Gemeinde beeinflussen.65 Aus den zuvor genanntenGründen können sich Inselgemeinden auch nicht auf ihre – einfach-rechtliche Position – als Eigentümerin betroffener Küstengründstückebzw. als Trägerin der öffentlichen Einrichtung Strand berufen.66 DieAussage des VG Hamburg67, dass etwaige Öl- oder Chemikalienunfällelediglich zu zeitlich begrenzten Beeinträchtigungen des Strandbe-triebs führen würden, kann den Auswirkungen eines Tankerunfallswie den der »Prestige«68 vor den deutschen Küsten allerdings bei wei-tem nicht gerecht werden. Einen gänzlichen Risikoausschluss vonHavarien zu fordern, ist indes unverhältnismäßig und würde zulastendes Fortschritts der Erneuerbaren Energietechnik gehen.

Des Weiteren wird von den Inselgemeinden auf die visuelle Be-einträchtigung des Meereshorizonts durch die Errichtung von Off-shore-Windenergieparks, der sog. »Horizontverschmutzung«, ver-wiesen. Den Hintergrund bilden Befürchtungen, dass sich Offshore-Windenergieparks negativ auf den Tourismus der küstennahenRegionen auswirken und Urlauber wegen der »Verspargelung desHorizonts« fernbleiben könnten. Die Landschaft des Meeres unter-scheidet sich von der terrestrisch-geprägten durch ihre ausschließ-lich horizontal ausgebildete weiträumige Überschaubarkeit. Offs-hore-Windenergieparks sind in Entfernungen von 20 bis 30 kmwohl noch erkennbar, ab einer Entfernung von 50 km jedoch nichtmehr.69 Dem OVG Hamburg ist insofern zuzustimmen, als Errich-tungen in Entfernungen von etwa 34 km, die nur in bestimmtenJahreszeiten bei bestimmten Wetterlagen und dann auch nur alskleiner Punkt am Horizont sichtbar sind, als nicht tief greifend ge-nug angesehen werden können.70 Darüber hinaus muss bezweifeltwerden, ob Vorhaben in der AWZ aufgrund ihrer beträchtlichenEntfernung zur Küste (mehr als 22 km) überhaupt negative Auswir-kungen auf den Fremdenverkehr zeitigen werden.71 Abwehrrechtewerden nämlich nur dann begründet, wenn das geplante Vorhabendie Wirtschaftsstruktur und Leistungsfähigkeit einer Gemeinde somassiv und nachhaltig verschlechtert, dass durch einen derartigen»Eingriff in den Gemeindecharakter« eine Verletzung des gemeind-lichen Selbstverwaltungsrechts zu sehen ist.72

Dem OVG Hamburg ist ebenfalls darin zu folgen, dass sich eben-so wenig aus dem Zusammenspiel des § 16 Raumordnungsgesetz(ROG)73 und der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art.

28 Abs. 2 GG eine Klagebefugnis von Inselgemeinden herleiten läs-st. Gemäß § 16 ROG sind raumbedeutsame Planungen und Maß-nahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbarstaaten habenkönnen, mit diesen nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit undGleichwertigkeit abzustimmen. Hieraus folgt nicht, dass in derAWZ geplante Maßnahmen erst recht mit den Küstengemeindenabzustimmen sind.74 Vielmehr regelt § 14 ROG, in welchen Fällenbei Planungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Abstim-mungen stattzufinden haben. Aber auch dessen Anwendung istvorliegend verwehrt. Das ROG wurde erst im Zuge des Europa-rechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau)75 vom 24.6.2004 in Teilbe-reichen für eine Anwendbarkeit in der deutschen AWZ geöffnet(§ 1 Abs. 1 Satz 3 ROG), um gegenteilige Nutzungs- und Schutzin-teressen nach Maßgabe des § 18a ROG einer planerischen Koordi-nierung zuführen zu können. § 14 ROG ist als Teil des Abschnitts 2:»Raumordnung in den Ländern, Ermächtigung zum Erlass vonRechtsvorschriften« von der Erstreckung jedoch nicht erfasst.

II. Klagefähige Rechte von Hochseefischereibetrieben

1. Einfachgesetzliches RechtDas OVG Hamburg hat zu Recht auch Fischereibetrieben eine kla-gefähige Rechtsposition aus § 3 SeeAnlV wegen der Allgemeinheitder dort benannten Schützgüter abgesprochen.76 Hieran ändert

60 BVerwG, Urt. v. 11.4.1984 – 4 C 83.80, NVwZ 1984, 584 m.w.N.; Urt. v.15.12.1989 – 4 C 36.86, NVwZ 1990, 464 (465); Beschl. v. 26.2.1996 – 11 VR33.95, NuR 1996, 515 (517).

61 Vgl. dazu bereits BVerwG, Urt. v. 30.5.1984 – 4 C 58.81, BVerwGE 69, 256 (261f.); Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (775) verweisen in diesem Zusammenhangauf die Planung eines Flughafens, Erlebnisparks oder Vogelbeobachtungsgebiets.Derzeit sind jedoch keine derartigen Planungen von Inselgemeinden der Nord-und Ostsee bekannt.

62 OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210 (212); vgl.auch bereits VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19 K 3585/2003, NordÖR 2004,165 (166) und Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 1211/03, NordÖR 2004, 246 (248).

63 Jenisch, NordÖR 1999, 170 (170).64 § 7 SeeAnlV.65 In diesem Sinne auch OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR

2005, 210 (212). 66 Dazu allgemein BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 – 7 C 25.93, BVerwGE 97, 143;

Urt. v. 27.3.1992 – 7 C 18.91, BVerwGE 90, 96.67 VG Hamburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 1211/03, NordÖR 2004, 246 (247 f.).68 Am 13.11.2002 schlug der mit rund 77 000 t Schweröl beladene Öltanker

»Prestige« vor der spanischen Nordwestküste (Galicien) leck. Nach vorsichti-ger Schätzung liefen in der Zeit vom 13. bis 19.11. 2002 ca. 25.000 tSchweröl in die See.

69 Merk/ von Nordheim, Technische Eingriffe in marine Lebensräume, Tagungs-band, 2000, S. 95.

70 OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210 (213); vgl.auch das vorinstanzliche Urteil des VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19 K3585/2003, NordÖR 2004, 165 (166 f.) und auch VG Hamburg, Urt. v.25.3.2004 – 8 K 1211/03, NordÖR 2004, 246 (247).

71 Vgl. nur Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH, Tou-ristische Effekte von On- und Offshore-Windkraftlagen in Schleswig-Hol-stein, Gutachten 2000.

72 VG Hamburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 1211/03, NordÖR 2004, 246 (247) mitVerweis auf OVG Koblenz, Beschl. v. 16.8.2001 – 1 B 10286/01, NuR 2002,234 (234); vgl. auch VGH Bad.-Württ., Gerichtsbescheid v. 7.4.1997 – 8 S2550/96, VBlBW 1997, 387 (389).

73 BGBl. I 1997, S. 2081, 2102, zuletzt geändert durch Art. 2 EAG Bau vom24.6.2004 (BGBl. I S. 1359).

74 OVG Hamburg, Beschl. v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04, ZUR 2005, 210 (212 f.). Dieangegriffene Widerspruchsentscheidung erging vor der Novellierung desROG. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass dasROG a. F. lediglich für den Gesamtraum der Bundesrepublik und seine Teil-räume (§ 1 ROG a. F.) und nicht für den Bereich der AWZ galt. Bereits hierauswurde die Anwendbarkeit der §§ 14 und 16 ROG abgelehnt.

75 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechts-anpassungsgesetz Bau – EAG Bau) vom 24.6.2004 (BGBl. I S. 1359).

76 OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 (208). Andersdürfte die Rechtslage im Küstenmeer zu beurteilen sein. So hat das BVerwG, Be-schl. v. 6.9.2004 – 7 B 62.04 (vgl. Fn. 55) neuerlich entschieden, dass für die An-fechtung einer wasserrechtlichen Erlaubnis Folgendes gelte: »Ein Berufsfischerkann geltend machen, dass eine erlaubte Gewässerbenutzung den Naturhaushaltdes Gewässers und darin lebende Pflanzen und Tiere schädigt und dadurch dasFischereirecht bzw. die Ausübung der Fischerei wegen des Rückgang des Ertragsbeeinträchtigt.« Das Gericht unterstreicht jedoch, dass die Nachteile der Gewäs-serbenutzung für den Fischer nicht nur geringfügig sein dürfen.

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auch der Verweis in § 3 Satz 2 Nr. 3 SeeAnlV auf Art. 1 Abs. 1 Nr. 4SRÜ nichts, selbst wenn es in der völkerrechtlichen Begriffsbestim-mung u. a. heißt, die »Verschmutzung der Meeresumwelt« umfas-se die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oderEnergie durch den Menschen in die Meeresumwelt aus der sich ab-trägliche Wirkungen, wie eine Behinderung der maritimen Tätig-keiten einschließlich der Fischerei, ergeben oder ergeben können.77

Das Gericht führt richtig aus, dass durch die bloße Bezugnahmeauf die völkerrechtliche Legaldefinition nicht deutlich wird, dass»die Belange der Fischerei und ihrer Angehörigen in individuali-sierbarer Weise« mit in das Entscheidungsprogramm des § 3 See-AnlV einbezogen worden sind.78 Adressat der völkerrechtlichenRegelung ist allein der Vertragsstaat und nicht der einzelne Bürger.Der innerstaatliche Gesetzgeber hätte den Fischfang als überwie-gendes öffentliches Interesse wie im Genehmigungstatbestand fürdie Verlegung und den Betrieb von Transitrohrleitungen und Un-terwasserkabel nach § 133 Abs. 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 lit. b)Bundesberggesetz (BergG)79 ausdrücklich benennen müssen.

Das OVG Hamburg spricht auch dem Versagungsgrund der Sicher-heit und Leichtigkeit des Verkehrs nach § 3 Satz 1 1. Alt. SeeAnlV diedrittschützende Wirkung ab. Dem kann mit Verweis auf die Vorgän-gerregelung des § 31 Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG)80 nur ge-folgt werden. Sofern in § 3 SeeAnlV Verkehrsbelange geschützt wer-den, entspricht dies dem Regelungszweck der strom- und schifffahrts-polizeilichen Genehmigung gemäß § 31 WaStrG.81 Diese entfaltetkeinerlei drittschützende Wirkung gegenüber privaten Rechten undInteressen, da sie keine in Bezug auf Dritte individualisierbaren Merk-male enthält, nach denen ein bestimmter zu schützender Personen-kreis von den verkehrlichen Belangen unterschieden werden kann,die grundsätzlich der Allgemeinheit zuzurechnen sind.82

Ebenfalls negativ fallen Erwägungen aus, § 3 SeeAnlV i. V. m.dem im Baurecht entwickelten Rücksichtnahmegebot eine Klage-befugnis abzugewinnen. Diesem anerkannten Rechtsinstitutkommt nur insofern nachbarschützende Wirkung zu, als »in qua-lifizierter und individualisierter Weise auf schützenswerte Interes-sen eines von der Allgemeinheit zu unterscheidenden Kreises Drit-ter Rücksicht zu nehmen ist.«83 Das OVG Hamburg führt richtigaus, dass auf dem Festland beheimatete Hochseefischereibetriebemit einem derartigen Personenkreis nicht vergleichbar sind, da ih-nen »weder an der durch den genehmigten Windpark in Anspruchgenommenen Meeresoberflächen noch an den betroffenen Fang-gründen in der Nähe des geplanten Windparks ein Eigentums-recht oder eine sonstige, andere Nutzungen ausschließende sub-jektiv-öffentliche Rechtsposition« zukommt.84 Nutzungsrechte anFanggründen stehen grundsätzlich allen Interessenten im Rah-men der völkerrechtlichen, europäischen und nationalen Rege-lungen offen – folglich auch Betreibern von Offshore-Windener-gieanlagen.85 Bereits im ähnlich gelagerten Dünnsäure-Fall hat dasBVerwG eine Anwendung des Rücksichtnahmegebots abgelehnt,weil das Verhältnis konkurrierender Meeresnutzer nicht mit denim Baurecht zu würdigenden Verhältnissen von Gründstücks-nachbarn zu vergleichen ist.86

Desgleichen hat das OVG Hamburg87 in Anlehnung an die Recht-sprechung des OVG Lüneburg88 eine Klagebefugnis aus einer Beein-trächtigung der Fangerlaubnisse nach §§ 2, 3 des Seefischereigeset-zes (SeeFischG)89 abgelehnt. Dem kann ebenfalls nur gefolgt wer-den, denn Fangerlaubnisse vermitteln keine konkreten Fanggründe,sondern nur das Ausschöpfen bestimmter Fangquoten. Die Bestim-mungen dienen ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit zurErhaltung und wirtschaftlichen Nutzung von Fischbeständen, zurDurchführung des gemeinschaftlichen Fischereirechts oder zur Er-füllung von Verpflichtungen aus internationalen Seefischerei-Übe-reinkommen (vgl. § 2 SeeFischG).

2. Möglichkeit der GrundrechtsverletzungZu denken wäre jedoch an einen Rückgriff der Hochseefischereibe-triebe auf Grundrechtspositionen. Für einen Eingriff in die durchArt. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit bzw. deren Ausübungs-aspekt muss § 3 SeeAnlV »objektiv berufsregelnde Tendenz«90 zu-kommen. Das OVG Hamburg führt richtig aus, dass durch die Ge-nehmigung eines Windparks die berufliche Tätigkeit der Hochsee-fischerei nicht »nennenswert behindert« wird, da der im Vergleichzum gesamten Fanggebiet ausgenommene Bereich des Windparksals verschwindend gering anzusehen ist.91 Eine andere Beurteilungkann sich aber für zukünftig geplante Ausbauphasen ergeben, so-fern diese wesentliche Teile der Fanggründe in Nord- und Ostseeüberziehen sollten oder hierdurch eine für die Berufsfischereiwichtige Fischart deutlich zurückgeht.92

Vor diesem Hintergrund ist auch eine Berufung auf Art. 14 Abs.1 GG nicht gänzlich ausgeschlossen. Dem könnte zwar entgegen-gehalten werden, dass Fanggründe und der dortige Fischreichtumnach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht dem Eigentums-schutz unterliegen, da sie als bloße Erwerbsmöglichkeiten undChancen eigentumsrechtlich nicht gesichert sind.93 Etwas anderesgilt jedoch, wenn die Entziehung dieser Chancen einen Berufsfi-scher »schwer und unerträglich« treffen oder den »Bestand seineseingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ernsthaft in Fra-ge stellen«.94 Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Erträgedurch die Errichtung von Offshore-Windparks »in einer die Fort-führung seines Gewerbebetriebs gefährdenden Weise zurückge-gangen sind«. Solange Berufsfischer in andere Fanggründe auswei-chen und dort ihre Fangverluste ausgleichen können (was für dieersten genehmigten Pilotphasen regelmäßig der Fall sein dürfte),lehnt das OVG Hamburg zu Recht eine Klagebefugnis ab.95 Eineandere Beurteilung ist für spätere Ausbauphasen unter Darlegungentsprechenden Zahlenmaterials freilich nicht ausgeschlossen.96

Derzeit müssen Hochseefischer die erlaubte Benutzung des Meeresdurch andere sowie das rechtmäßige Vorgehen Dritter ebenso hin-nehmen wie Veränderungen im Meer durch Naturgewalten.97 Dar-über hinaus führt das OVG Hamburg richtigerweise aus, dass

77 Zur genauen Definition vgl. Fn. 50.78 VG Hamburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 4795/02, NordÖR 2004, 248 (248); ihm

folgend OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208(209) jeweils mit Verweis auf BVerwG, Urt. 1.12.1982 – 7 C 111.81, BVerwGE66, 307 (308 f).

79 Bundesberggesetzes (BBergG) vom 13.8.1980 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geän-dert durch Art. 12g Abs. 14 Gesetz vom 24.8.2004 (BGBl. I S. 2198).

80 BGBl. I S. 3294, zuletzt geändert durch Art. 238 Verordnung vom 25.11.2003(BGBl. I S. 2304).

81 Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2004, § 31 Rn. 1.82 Friesecke, (Fn. 81), § 31 Rn. 3; in diesem Sinne auch OVG Hamburg, Beschl. v.

30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 (208 f.).83 BVerwG, Urt. v. 25.2.1977 – IV C 22.75, BVerwGE 52 122 (131).84 OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 (209) mit

Verweis auf BVerwG, Urt. 1.12.1982 – 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 (308 f.).85 Vgl. bereits BGH, Urt. v. 31.1.1966 – III ZR 110/64, BGHZ 45, 150 (156).86 BVerwG, Urt. 1.12.1982 – 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 (309).87 OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 (209); vgl.

auch das vorinstanzliche Urteil des VG Hamburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 K4795/02, NordÖR 2004, 248 (249).

88 OVG Lüneburg – Beschl. v. 23.6.2003 – 7 ME 13/03, NVwZ-RR 2003, 642(643).

89 BGBl. I S. 1791, zuletzt geändert durch Verordnung vom 5.4.2002 (BGBl. IS. 1250).

90 BVerfG, Urt. v. 17.2.1998 – 1 BvR 1/91, BVerfGE 97, 228 (254); Urt. v.14.7.1998 – 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218 (258).

91 OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 (210); vgl.auch VG Hamburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 K 4795/02, NordÖR 2004, 248 (249).

92 Vgl. auch Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (775).93 BVerwG, Urt. v. 1.12.1982 – 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 (309) mit Verweis

auf BGH, Urt. v. 31.1.1966 – III ZR 110/64, BGHZ 45, 150 (155 f.).94 BVerwG, Urt. v. 11.11.1970 – IV C 102.67, BVerwGE 36, 248 (251).95 So auch OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208

(210). 96 Ebenso Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (775).97 OVG Lüneburg – Beschl. v. 23.6.2003 – 7 ME 13/03, NVwZ-RR 2003, 642 (643);

vgl. auch bereits BGH, Urt. v. 31.1.1966 – III ZR 110/64, BGHZ 45, 150 (159).

Art. 14 Abs. 1 GG auch nicht die Absatzchancen von Hochseefi-schern vor dem Risiko großflächiger Ölverschmutzungen durchSchiffskollisionen schützt.98

III. Klagefähige Rechte von anerkannten Naturschutzverbänden

1. Verbandsklagerechte aus § 61 BNatSchG

Vor dem Hintergrund, dass drittgerichtlicher Rechtsschutz gegendie Genehmigung von Offshore-Windenergieanlagen in der AWZmangels subjektiver Rechte zurzeit nahezu versagt, fällt der Blickverstärkt auf die Zulässigkeit naturschutzrechtlicher Verbandskla-gen.99 In erster Linie angesprochen ist damit die im Zuge des BNat-SchGNeuregG auf Bundesebene eingeführte altruistische Ver-bandsklage (§ 61 BNatSchG). In deren Rahmen können die Ver-bände nicht allein die Verwirklichung von Mitwirkungs- undBeteiligungsrechten (§ 58 BNatSchG) geltend machen, sondernauch von der individualrechtsschützenden Ausrichtung des § 42Abs. 2 VwGO losgelöste Klagerechte, um Verletzungen objektivernaturschutzrechtlicher Regelungen zu beanstanden, die aus-schließlich dem Schutz von Allgemeininteressen dienen.100

In der hierzu kürzlich ergangenen Entscheidung des OVG Ham-burg kam das Gericht zu dem Schluss, dass für vor dem 3.4.2002beantragte Vorhaben ein Verbandsklagerecht bereits daran schei-tert, dass sowohl § 5 Abs. 3 SeeAnlV als auch § 9 Abs. 1 Satz 1 UVPGi. V. m. § 2a SeeAnlV den Naturschutzverbänden keine spezifi-schen Mitwirkungsrechte einräumen, die durch die Übergangsre-gelung des § 69 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BNatSchG gefordert werden.101

Dabei verkennt das Gericht, dass der innerstaatliche Gesetzgeberdas Bundesnaturschutzgesetz mit der Einführung des § 38 BNat-SchG für den Bereich der AWZ ausdrücklich nur für die Umsetzungdes europäischen Habitatschutzrechts geöffnet hat.102 An keineranderen Stelle innerhalb des Gesetzes wird auf die AWZ und denFestlandsockel Bezug genommen. Es fehlt offensichtlich an einerRegelung, wie sie etwa § 1 Abs. 3 ROG oder § 2 Abs. 3 BBergG be-reithalten, die das gesamte Bundesnaturschutzgesetz bzw. Teilbe-reiche desselben in der AWZ für anwendbar erklärt. Damit könnendie §§ 58 bis 61 BNatSchG für Anlagengenehmigungen gleich wel-cher Art jenseits des Küstenmeers derzeit überhaupt nicht zur An-wendung gelangen.

Selbst wenn § 61 BNatSchG in der AWZ für anwendbar erklärtwerden sollte, kann er den Naturschutzverbänden gegen die Zulas-sung von Offshore-Windenergieparks keine Verbandsklagebefug-nis verschaffen. § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG gilt nur für Pla-nungsentscheidungen – die Genehmigung nach §§ 2, 3 SeeAnlVergeht gerade nicht als Planfeststellung oder -genehmigung.103

Darüber hinaus können sich die Verbände auch nicht auf § 61 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG berufen. Das OVG Hamburg stellt für nachdem 3.4.2002 beantragte Projekte folgerichtig heraus, dass § 61Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG nur Gebiete erfasst, die nach § 38 Abs.3 i. V. m. § 33 Abs. 2 BNatSchG bereits förmlich unter Schutz ge-stellt wurden. Daran mangelt es derzeit. Wie das Gericht richtigdarlegt, steht der analogen Anwendung auf faktische resp. poten-tielle Schutzgebiete bereits der eindeutige Wortlaut des § 61 Abs. 1Satz 1 Nr. 1 BNatSchG entgegen.104 Abzulehnen ist aber auch eineAnwendung des § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG für förmlichausgewiesene Schutzgebiete. Durch § 38 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchGwurde bestimmt, dass Beschränkungen von Offshore-Windener-gieparks in nach § 38 Abs. 3 i. V. m. § 33 Abs. 2 BNatSchG ge-schützten Meeresflächen nur nach § 34 BNatSchG (Verträglich-keitsprüfung) zulässig sind.105 Mithin dürfen Schutzgebietsauswei-sungen derartige Anlagen nicht unmittelbar untersagen.106 Dieswiederum hat zur Folge, dass auch keine Befreiungen solcher Ver-

bote erteilt werden können und § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchGdamit auch nicht zur Anwendung gelangen kann.107

2. Klagefähige Rechte aus FFH-, Vogelschutz- und UVP-RL Nicht gefolgt werden kann dem OVG Hamburg, sofern es ein Ver-bandsklagerecht aus der unmittelbaren Anwendung der Art. 6 Abs.2 und 3 FFH-Richtlinie, Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-Richtlinie undArt. 6 Abs. 2 UVP-Richtlinie negiert.108 Das Gericht führt aus, dassumweltrechtliche Richtlinienbestimmungen dem Einzelnen ge-richtlichen Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung gewähren,dass zumindest auch personale Rechtsgüter geschützt sind, nichtjedoch wenn ausschließlich der Schutz des gemeinsamen Naturer-bes oder der Schutz wild lebender Vogelarten im Vordergrund ste-hen. Wenn jedoch der Schutz der menschlichen Gesundheit109 in-dividuelle Rechte aus Umweltrichtlinien begründet, sprechenauch gute Gründe dafür, die Einbeziehung von für den Menschengewichtigen Naturgütern hiervon nicht auszuschließen. Dem istnunmehr auch der EuGH für die Möglichkeit eines Einzelnen sichauf Art. 6 FFH-RL zu berufen gefolgt. In der Entscheidung zur»Herzmuschelfischerei im niederländischen Wattenmeer« vom7.9.2004 hob er hervor, dass es »…mit der den Richtlinien durchArt. 249 EG zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar [wä-re], grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personenauf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufenkönnen.«110 Übertragen auf eine Klagebefugnis von Naturschutz-verbänden bedeutet dies, dass sie bereits dann in ihrem vomSchutzzweck der Norm umfassten Interesse betroffen sind, wenndurch die Zulassungsbehörde umweltschützende Richtlinienbe-stimmungen missachtet wurden.111 Mit Blick auf Art. 6 Abs. 2UVP-RL darf es den Verbänden als Teil der »Öffentlichkeit« eben-falls nicht verwehrt sein, die aufgrund der Richtlinienvorschriftbegründeten, individuellen Beteiligungsrechte gerichtlich geltendzu machen.112

98 OVG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 1 Bf 162/04, ZUR 2005, 208 (209 f.).99 Zur Verbandsklage im Allgemeinen Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033 ff.

und als »Hüterin der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung« Calliess, NJW 2003,97 (100 ff.).

100 Beteiligungs- resp. Partizipationserzwingungsklagen, welche an eine fehler-hafte oder unterlassene Verbandsbeteiligung anknüpfen, die eine Verlet-zung subjektiv-öffentlicher Rechte des Verbandes begründen, scheiden be-reits insofern aus, als die Zulassung von Offshore-Windenergieanlagen gera-de nicht als Planfeststellungen oder -genehmigungen ergehen (§§ 2, 3SeeAnlV). Vgl. dazu auch Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (776).

101 OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2004 – 1 Bf 113/04, ZUR 2005, 206 (206 f.);vgl. auch das erstinstanzliche Urteil des VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 – 19K 2474/2003, NordÖR 2004, 161 (163 f.).

102 Dies verkennen auch Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (776). Zur umstritte-nen Frage einer umfassenden oder eingeschränkten Geltungserstreckungdes BNatSchG auf die AWZ durch § 38 BNatSchG vgl. Gellermann, NuR 2004,75 (80); Palme, ZNER 2004, 156 (160 f.) und Keller, ZUR 2004, 118 (119).

103 Vgl. hierzu auch Bunge, ZUR 2004, 141 (147).104 OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2004 – 1 Bf 113/04, ZUR 2005, 206 (207).105 Vgl. hierzu bereits unter B. III.106 Näheres bei Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, Bundesnaturschutzge-

setz, 2. Aufl. 2003, § 38 Rn. 20; Gellermann, (Fn. 34), § 38 Rn. 20.107 Ebenso Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (776).108 OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2004 – 1 Bf 113/04, ZUR 2005, 206 (207 f.); vgl.

auch bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 19.2.2001 – 2 Bs 370/00, ZUR 2001, 344(347 f.).

109 Vgl. zur Richtlinie 75/440/EWG – Trinkwasser EuGH, Urt. v. 17.10.1991 – Rs.C-58/89, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 1992, 459 Rn. 14und zur Richtlinie 78/659/EWG – Süßwasser und Muschelgewässer Urt. v.12.12.1996 – Rs. C-298/15, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, NVwZ1997, 369 Rn. 15.

110 EuGH, Urt. v. 7.9.2004 – Rs. C-127/02, NuR 2004, 778 (791) Rn. 66, vgl. hierzuauch die Anmerkung von Gellermann, NuR 2004, 769 (773).

111 In diesem Sinne auch Epiney, NVwZ 1999, 485 (490) und Gellermann, Natura2000, 2. Aufl. 2001, S. 264.

112 Epiney, NVwZ 1999, 485 (490); a. A. OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2004 – 1Bf 113/04, ZUR 2005, 206 (208).

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IV. Resümee

Aus den zuvor dargestellten Rechtsschutzsituationen lässt sichkonstatieren, dass eine gerichtliche Überprüfung der Genehmi-gung von Offshore-Windenergieparks in der AWZ durch Drittederzeit nur schwer möglich ist. Hintergrund bildet der dem gelten-den Recht verhaftete Umstand, dass eine behördliche Entschei-dung nicht allein wegen des Widerspruchs zum objektiv-materiel-len Recht angegriffen werden darf, sondern nur, sofern zugleichsubjektive Rechtspositionen beeinträchtigt werden (§ 42 Abs. 2VwGO). Dem kann auch nicht im Wege der altruistischen Ver-bandsklage nach § 61 BNatSchG abgeholfen werden. Hier hat esder Gesetzgeber versäumt, die §§ 58 bis 61 BNatSchG für eine An-wendung in der AWZ zu öffnen. Nichtsdestoweniger stünde einerAnwendung des § 61 BNatSchG entgegen, dass dessen Abs. 1 Nr. 2auf Planentscheidungen beschränkt und eine Anwendbarkeit Abs.1 Nr. 1 wegen der Privilegierung des § 38 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchGausgeschlossen ist. Darüber hinaus verwehren sich die Gerichte,eine Verbandsklagebefugnis direkt aus dem europäischen Sekun-därrecht herzuleiten. Welchen Einfluss die neueste Rechtspre-chung des EuGH hierzu nehmen wird, bleibt abzuwarten.

D. Auswirkungen der Umsetzung der Aarhus-Konvention

Abhilfe werden zeitnah die mit der Umsetzung der Aarhus-Kon-vention ausgelösten europäischen und innerstaatlichen Entwick-lungen schaffen.113 Die sich aus dem völkerrechtlichen Vertrags-werk ergebenden Verpflichtungen konzentrieren sich auf dreiSäulen: den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeits-beteiligung und den Zugang zu gerichtlicher und sonstiger Über-prüfung. Vorliegend gilt das Augenmerk der in Umsetzung derzweiten und dritten Säule am 23.5.2003 verabschiedeten Richtli-nie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates überdie Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimm-ter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung derRichtlinie 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf dieÖffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten114, diebis spätestens 25.6.2005115 in nationales Recht umgesetzt werdenmuss. Mit weit reichender Konsequenz für das deutsche Verwal-tungsprozessrecht wurde vor dem Hintergrund des völkerrechtli-chen Pendants116 durch Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie 2003/35/EG Art.10a in die UVP-RL eingefügt. Aus Art. 10a UVP-RL folgt, dass jegli-che Genehmigungsentscheidungen der in den Anwendungs-bereich der UVP-RL fallenden Vorhaben auf ihre materiell- undverfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit in einem Überprüfungsver-fahren vor Gericht durch die Mitglieder der »betroffenen Öffent-lichkeit« überprüft werden können müssen. Dies insofern, als ih-nen ein ausreichendes Interesse zugesprochen werden kann(UAbs. 1 lit. a) oder sie alternativ eine Rechtsverletzung geltendmachen können, falls das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Ver-waltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats diese als Voraussetzungerfordert (UAbs. 1 lit. b). Der »betroffenen Öffentlichkeit« unter-fällt nach der an die völkerrechtlichen Vorgaben (Art. 2 Abs. 2 Nr.5 Aarhus-Konvention) angepassten Begriffsbestimmung in Art. 1Abs. 2 UVP-RL n. F. die von umweltbezogenen Entscheidungsver-fahren nach Art. 2 Abs. 2 UVP-RL »…betroffene oder wahrschein-lich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einemInteresse daran«. Selbst wenn die Definition sehr weit zu verstehenist und letztlich alle Personen erfasst, deren Belange durch das Pro-jekt berührt werden, wird eine Drittschutzklage gegen die Geneh-migung von Offshore-Windenergieanlagen auch zukünftig an denVorgaben des § 42 Abs. 2 VwGO scheitern. Die Zulassung der UVP-pflichtigen Vorhaben wird mit §§ 2, 3 SeeAnlV ausschließlich

durch objektive Normen geregelt, aus denen sich wie gezeigt keinesubjektiven Rechte Dritter ableiten lassen. Die Rechtslage wirdsich folglich für Inselgemeinden und Hochseefischereibetriebeauch nach Umsetzung der völker- resp. gemeinschaftsrechtlichenMaßgaben nicht ändern.117

Anders verhält es sich indes für den Rechtsschutz von Umwelt-bzw. Naturschutzverbänden. Als Nichtregierungsorganisationen,die sich für die Umwelt einsetzen und alle nach innerstaatlichemRecht geltenden Voraussetzungen erfüllen, wird ihnen ein Interes-se per definitionem zugesprochen (Art. 1 Abs. 2 und Art. 10a UAbs.3 UVP-RL). Damit sind Umweltverbände – ohne eine eigene oderfremde Rechtsverletzung nachweisen zu müssen – regelmäßig be-fugt, sich mit einer Klage gegen behördliche Entscheidungen zuwenden, die ein UVP-pflichtiges Vorhaben betrifft.118 Mit den ausArt. 10a UVP-RL folgenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben istder eng gefasste Anwendungsbereich des § 61 BNatSchG folglichnicht vereinbar. Insofern bietet sich eine außerhalb des Natur-schutzrechts angelegte gesetzliche Regelung an, die den Rechts-schutz in Umweltangelegenheiten umfassend auch für den Bereichder AWZ regelt. Nicht nur mit Blick auf die Mitte des Jahres ablau-fende Umsetzungsfrist, sondern auch vor dem Hintergrund, dassOffshore-Windenergieparks jenseits des Küstenmeers derzeitkaum einer gerichtlichen Kontrolle durch Dritte zugänglich sind,muss der deutsche Gesetzgeber hier zeitnah tätig werden. Sollte erdem nicht nachkommen, bleibt es den Verbänden unbenommen,sich auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 10a UVP-RL zuberufen. Voraussetzung dafür ist neben dem Fristablauf, dass dieVorschrift hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt ist.119

Art. 10a UVP-RL formuliert in Zusammenschau mit Art. 1 Abs. 2UVP-RL die eindeutige Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, Nicht-regierungsorganisationen den Zugang zu Gericht für Vorhabe-nentscheidungen, die eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach derUVP-RL bedingen, zu gewähren. Der Unbedingtheit stehen auchnicht die Anforderungen des Art. 1 Abs. 2 UVP-RL entgegen.Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Umwelt einsetzenund alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen,wie die Vorgaben des § 59 Abs. 1 BNatSchG, erfüllen, sind ab dem25.6.2005 für UVP-pflichtige Anlagengenehmigungen nach §§ 2,3 SeeAnlV klagebefugt.

113 Zur Aarhus-Konvention vgl. insbesondere Epiney, ZUR 2003, 176 ff.; v. Dan-witz, NVwZ 2004, 272 ff.

114 ABlEG Nr. L 156, S. 17.115 Art. 6 Richtlinie 2003/35/EG.116 Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention.117 In diesem Sinne auch Palme/Schumacher, NuR 2004, 773 (777).118 Bunge, ZUR 2004, 141 (143); Louis, NuR 2004, 287 (290 f.); Schlacke, NuR

2004, 629 (631).119 Dazu Schroeder, in: Streinz, EUV/ EGV, 2003, Art. 249 Rn. 106 mit Nachweisen

zur Rechtsprechung.

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Maxi KellerDoktorandin am Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infra-strukturrecht (OSU), Universität Rostock – Juristische Fakultät, Rich-ard-Wagner-Str. 31, 18119 Rostock-Warnemünde, e-mail: [email protected]ätigkeitsschwerpunkte: Seevölkerrecht sowie europäisches und natio-nales Meeresumweltrecht.

Es ist zu befürchten, dass infolge des beginnenden Klimawandelsextreme Wetterereignisse mit hohen Schadenskosten, wie bei-spielsweise die Flutkatastrophe 2002, künftig mit höherer Fre-quenz auftreten werden.1 Neben einer tatsächlich effektiven Kli-maschutzpolitik bedarf es daher unbedingt auch eines verbesser-ten vorsorgenden Hochwasserschutzes.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hatte bereits1996 – damals unter dem Eindruck insbesondere der beiden Rhein-hochwasser vom Dezember 1993 und Januar 1995 – gefordert, alleMöglichkeiten eines vorsorgenden Hochwasserschutzes auszu-schöpfen.2 Es müsse so viel Wasser wie möglich und so lange wiemöglich auf der Fläche gehalten werden. Natürliche Überschwem-mungsgebiete müssten erhalten und gegebenenfalls, soweit mög-lich, wiederhergestellt werden. Beim Hochwasserschutz handle essich um eine integrierte Aufgabe für Wasserwirtschaft, Raumord-nung, Landnutzung und Naturschutz. Aber auch andere Politikbe-reiche, wie der Verkehr, seien einzubeziehen. Überschwemmungs-gebiete müssten von Nutzungen, die ein hohes Schadenspotenzialbesäßen, freigehalten werden. Ein solchermaßen begründeter vor-sorgender Hochwasserschutz sollte, so der SRU, den in § 32 WHGseinerzeit allein auf schadlosen Abfluss des Hochwassers gerichte-ten Ansatz ersetzen. Mit der Sechsten WHG-Novelle vom Novem-ber 1996 kam der Bundesgesetzgeber dieser Forderung zumindestteilweise nach. In § 32 Abs. 1 S. 2 WHG wurde eine Pflicht der Län-der zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten normiert.Überschwemmungsgebiete sind in ihrer Funktion als natürlicheRückhalteflächen zu erhalten. Soweit dem überwiegende Gründedes Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen, sind rechtzeitig dienotwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen (§ 32 Abs. 2 S. 1WHG). Frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalte-flächen geeignet sind, sollen gemäß § 32 Abs. 2 S. 2 WHG soweitwie möglich wieder hergestellt werden, wenn überwiegende Grün-de des Wohls der Allgemeinheit nicht entgegenstehen. Den Län-dern obliegt dementsprechend ferner der Erlass von dem Schutzvor Hochwassergefahren dienenden Vorschriften, soweit es zumErhalt oder zur Verbesserung der ökologischen Strukturen der Ge-wässer und ihrer Überflutungsflächen, zur Verhinderung erosions-fördernder Eingriffe, zum Erhalt oder zur Rückgewinnung natürli-cher Rückhalteflächen oder zur Regelung des Hochwasserschutzeserforderlich ist (§ 32 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 WHG).

Tatsächlich haben sich diese Vorgaben bislang als eher wenig ef-fektiv erwiesen. Überschwemmungsgebiete wurden von den Bun-desländern nur zurückhaltend ausgewiesen, ähnlich zurückhal-tend ist der Erlass von Schutzvorschriften. Auch sind die erfolgtenAusweisungen in den einzelnen Bundesländern zum Teil wenigkohärent.3

Auf diese unzureichende Situation sowie insbesondere auf dasElbehochwasser im August 2002 hat das Bundesumweltministeri-um am 3.3.2004 mit der Vorlage eines Entwurfs für ein »Gesetz zurVerbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes« reagiert.Geändert werden sollen das WHG, das BauGB, das ROG, das Wa-StrG und das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst (DWDG).Ziel ist ein einheitlicher(er) Hochwasserschutz, insbesondere auch

durch Einbeziehung der Bauleitplanung und durch Anforderun-gen an die Landwirtschaft in Überschwemmungsgebieten. Der Ge-setzentwurf basiert zutreffend auf dem Grundgedanken, den Flüs-sen mehr Raum zu geben. Davon ausgehend sind Kernpunkte desGesetzentwurfs – die flächendeckende Festsetzung von Überschwemmungsge-

bieten durch die Länder innerhalb von fünf Jahren, wobei alsÜberschwemmungsgebiete diejenigen Bereiche gelten, diedurchschnittlich alle 100 Jahre unter Wasser stehen;

– die Einführung einer zweiten Schutzkategorie »überschwem-mungsgefährdete Gebiete«, die z.B. bei Deichbrüchen überflu-tet werden können;

– die Kennzeichnung von Überschwemmungsgebieten und über-schwemmungsgefährdeten Gebieten in Raumordnungs- undBauleitplänen;

– ein grundsätzliches Verbot der Ausweisung von Bau- und Ge-werbegebieten in Überschwemmungsgebieten;

– die grundsätzliche Einstellung des Ackerbaus bis 2012 in denAbflussbereichen der Überschwemmungsgebiete zur Verminde-rung der Erosionsgefahr und des Eintrags von Schadstoffen beiÜberflutungen;4

– das Gebot, Unterhaltung sowie Ausbau und Neubau von Bun-deswasserstraßen künftig hochwasserneutral durchzuführensowie schließlich, als weitere Maßnahme des aktiven Hochwas-serschutzes,

– die Verpflichtung der Länder, innerhalb von vier Jahren flussge-bietsbezogene Hochwasserschutzpläne aufzustellen und inter-national abzustimmen. Hierdurch soll ein vorbeugender Schutzvor dem 200-jährigen Hochwasser erreicht werden. Die Plänekönnen als Instrumentarium zur Schaffung von Retentions-flächen beispielsweise Vorgaben zur Rückverlegung von Dei-chen oder zur Wiederherstellung von Auen enthalten.

Der Bundestag hat dem Gesetz am 1.7.2004 zugestimmt. Der Bun-desrat hat jedoch am 24.9.2004 den Vermittlungsausschuss ange-rufen. Streitpunkte sind vor allem die beabsichtigten Einschrän-kungen der Kommunen bei der Ausweisung neuer Baugebiete so-wie die Einschränkungen des landwirtschaftlichen Ackerbaus inÜberschwemmungsgebieten.

Das Bauplanungsrecht unterfällt der Gesetzgebungskompetenzdes Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG). Der Bundesgesetzgeber ist da-bei keineswegs darauf beschränkt, diese Kompetenz ausschließlichdurch Regelungen im BauGB wahrzunehmen. Es steht ihmgrundsätzlich offen, entsprechende Vorgaben auch in anderen Ge-

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1 S. beispielsweise Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), Umweltgutachten2004 »Umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern«, Tz. 14; WissenschaftlicherBeirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Jahresgutachten2003 »Energiewende zur Nachhaltigkeit«, S. 1.

2 SRU, Umweltgutachten 1996 »Zur Umsetzung einer dauerhaft-umweltge-rechten Entwicklung«, Tz. 369.

3 S. beispielsweise Köck, Hochwasserschutz und Umweltrecht: Einführung undGrundlagen, Vortrag am 22./23.4.2004 auf dem 9. Leipziger Umweltrechts-Sym-posion.

4 Auf Grund massiver Proteste von Landwirten wurde das ursprünglich vorge-sehene generelle Ackerbauverbot in Überschwemmungsgebieten dahinge-hend modifiziert, dass ein Anbauverbot nunmehr nur noch in den Abfluss-bereichen von Überschwemmungsgebieten gelten soll.

Cornelia Ziehm

Hochwasserschutz – Rechtsentwicklung und aktuelle Rechtsprechung

R E C H T S P R E C H U N G S - R E P O R T

setzen, also beispielsweise – wie im Gesetzentwurf beabsichtigt – u.a.in § 31 b Abs. 4 WHG zu normieren.5 Insoweit dürften kompetenz-rechtliche Erwägungen kaum durchgreifen (s. in diesem Zusammen-hang zudem die Ausführungen des BVerwG in seinem Urteil vom22.7.2004). In jedem Fall hat sich gerade die Bebauung von Über-schwemmungsgebieten in der Vergangenheit als Fehler erwiesen.Der erhebliche Widerstand mehrerer Bundesländer gegen die beab-sichtigte Bauverbotsregelung zeigt leider, dass die allseits vollmundi-gen Ankündigungen nach dem Elbehochwasser 2002 vielfach nichtüber Lippenbekenntnisse hinausgekommen sind. Die Bereitschaft zueinem tatsächlich effektiveren Hochwasserschutz hilft wenig, wennsie nur unmittelbar nach einer Flutkatastrophe vorhanden ist. EinEinlenken des BMU in der Frage der Bebauung von Überschwem-mungsgebieten bedeutete eine Abkehr von der Notwendigkeit einesvorsorgenden Hochwasserschutzes. Im Hinblick auf die geplantenEinschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung in Über-schwemmungsgebieten muss berücksichtigt werden, dass ein Verbotdes Ackerbaus nicht insgesamt in Überschwemmungsgebieten, son-dern »nur« noch in den besonders erosionsgefährdeten Abflussberei-chen dieser Gebiete gelten soll. Die Weiden- und Wiesennutzung derfraglichen Flächen soll weiterhin zulässig bleiben. Zur Umstellungwird den betroffenen Landwirten außerdem eine nicht unerheblicheÜbergangszeit eingeräumt. Eine zunehmende Bodenverdichtung imRahmen des Ackerbaus führt zu einer verringerten Wasserspeicherka-pazität der Böden und zu erhöhtem Oberflächenabfluss. Dies wieder-um bewirkt schnellere Hochwässer und erhöhte Belastungen mitDüngemitteln und Pestiziden. Bei der Grünlandbewirtschaftungsind diese Gefahren deutlich geringer.

Aus der aktuellen Rechtsprechung zum Hochwasserschutz seienfolgende Entscheidungen erwähnt:

Mit Urteil vom 22.7.2004 entschied das BVerwG (Az. 7 CN 1.04),6

dass Überschwemmungsgebiete auch für solche Grundstücke nach §32 Abs. 1 WHG festgesetzt werden können, die nach Bauplanungs-recht bebaubar sind (B-Plan, nicht überplanter Innenbereich). Diesgelte auch dann, wenn als Folge der Festsetzungen eine Errichtungoder Änderung baulicher Anlagen in der Regel nicht mehr zulässigsei. Der Hochwasserschutz sei eine Gemeinwohlaufgabe von so ho-hem Rang, dass solche Bauverbote gerechtfertigt und mit dem Eigen-tumsbegriff und der gemeindlichen Planungshoheit vereinbar seien.Das Bauverbot knüpfe an die natürliche Lage des Grundstückes anund belaste weder Gemeinden noch Eigentümer unverhältnismäßig.Ein Überschwemmungsgebiet könne allerdings nur für solcheGrundstücke festgesetzt werden, die – im vorliegenden Fall nachMaßgabe eines 50-jährigen Hochwassers – tatsächlich bei Hochwas-ser überschwemmt werden würden. Denn eine Bebauung der imÜberschwemmungsbereich eines Gewässers gelegenen Flächen er-höhe die Gefahr einer Ausweitung des Hochwassers, indem sie diebisher vorhandenen Rückhalteflächen verringere. Zugleich setze sicheine Bebauung der Grundstücke der Gefahr einer Beeinträchtigungdurch Hochwasser aus. Das BVerwG bestätigte damit dem Grundenach ein Urteil des OVG Rheinland-Pfalz (Az. 1 C 10100/03 u.a.),7

welches die Normenkontrollklagen mehrerer Grundstückseigentü-mer und Gemeinden gegen die Festsetzung eines Überschwem-mungsgebietes abgewiesen hatte. Allerdings verwies das BVerwG dieSache an das OVG zurück mit der Maßgabe, zu prüfen, welcheGrundstücke im Einzelnen bei einem 50-jährigen Hochwassertatsächlich von einer Überschwemmung betroffen wären.

Wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 2 S. 1 WHG stellte der BayVGHmit Urteil vom 27.4.2004 (Az. 26 N 02.2437) die Nichtigkeit einesBebauungsplanes fest. Der streitgegenständliche Plan sah die Be-bauung eines faktischen, d.h. nicht förmlich festgesetzten Über-schwemmungsgebietes sowie eine Ersatzretention an einer einigeKilometer entfernt gelegenen Stelle vor. Nach den Ausführungendes BayVGH gelte § 32 Abs. 2 S. 1 WHG sowohl für förmlich festge-

setzte als auch für nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete.Die Pflicht zur Erhaltung von Überschwemmungsgebieten sei alshöherrangiges Bundesrecht stets bei der Aufstellung von Bebau-ungsplänen zu beachten, soweit durch die Planung die Funktionvon Überschwemmungsgebieten als natürliche Rückhalteflächenberührt werde. Der angegriffene Bebauungsplan verstoße gegendiese Pflicht, weil er die Funktion der überplanten Flächen alsÜberschwemmungsgebiet aufgebe, obwohl keine überwiegendenGründe des Wohls der Allgemeinheit vorhanden seien. Die Frageder Notwendigkeit und Tauglichkeit von Ausgleichsmaßnahmenim Sinne von § 32 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. WHG stelle sich erst dann,wenn feststehe, dass überwiegende Gründe des Allgemeinwohlsder Erhaltungspflicht entgegenstünden. Solche für die Aufgabe ei-nes Überschwemmungsgebietes sprechenden Gründe müssten da-bei wegen der ihnen im Einzelfall zukommenden Bedeutung die-jenigen des Hochwasserschutzes an Wichtigkeit noch übertreffen.Konkret lehnte der BayVGH dies für den vorliegenden Fall hin-sichtlich der insoweit geltend gemachten Wohnbedürfnisse derBevölkerung (§ 1 Abs. 5 Nr. BauNVO), der Belange von Freizeit undErholung (§ 1 Abs. 5 Nr. 3 BauNVO), der Gestaltung des Ortsbildes(§ 1 Abs. 5 Nr. 5 BauNVO) und der Belange des öffentlichen Perso-nennahverkehr (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauNVO) ab.

Einen ähnlich gelagerten Fall betrifft eine weitere Entscheidungdes BayVGH vom 29.9.2004 (Az. 15 ZB 02.298). Im Rahmen der Än-derung eines Flächennutzungsplans waren innerhalb eines fakti-schen Überschwemmungsgebietes gelegene Flächen als Gewerbe-und Mischgebietsflächen dargestellt worden. Auch hier betonte derBayVGH, dass es sich bei § 32 Abs. 2 S. 1 WHG um unmittelbar gel-tendes Recht handele, das bei der Bauleitplanung zu beachten sei.Die Feststellung, ob bestimmte Flächen innerhalb eines Über-schwemmungsgebietes im Sinne von § 32 Abs. 2 S. 1 WHG liegen,hänge nicht von einer förmlichen Festsetzung eines Überschwem-mungsgebietes ab. Abzustellen sei vielmehr allein auf die Begriffsbe-stimmung des § 32 Abs. 1 S. 1 WHG. Dabei sei im Siedlungsbereichdas 100-jährige Hochwasser maßgeblich, d.h. ein Hochwasser, dasstatistisch gesehen im Verlauf von 100 Jahren einmal auftrete. Die-ser Maßstab entspreche der fachlichen Praxis. Mit der beabsichtig-ten Änderungsplanung würde die Funktion des Überschwem-mungsgebiets aufgegeben. Dies stehe in Widerspruch zum Gebotdes § 32 Abs. 2 S. 1 WHG, Überschwemmungsgebiete als natürlicheRückhalteflächen zu erhalten, ohne dass diesem Gebot vorliegendüberwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenste-hen. Zwar ließ der BayVGH offen, wie bei Vorliegen überwiegenderGründe des Allgemeinwohls zu entscheiden gewesen wäre. Er wiesjedoch darauf hin, dass auch das Erfordernis von Ausgleichsmaß-nahmen unabhängig von einer förmlichen Festsetzung eines Über-schwemmungsgebietes gelte, Ausgleichsmaßnahmen also auchdann notwendig seien, wenn die Funktion eines nicht festgesetzten(tatsächlichen) Überschwemmungsgebietes beeinträchtigt würde.

Bereits im Jahre 2003 hatte das VG Leipzig den Antrag eines aner-kannten Naturschutzverbandes auf Erlass einer einstweiligen An-ordnung nach § 123 VwGO zur Untersagung der Abholzung vonGehölzen (Bäumen und Sträuchern) auf Hochwasserdeichen undderen Schutzstreifen an mehreren Elbdeichen mit Beschluss vom10.7.2003 (Az. 7 K 278/03) abgelehnt. Die Abholzungsmaßnahmenwaren damit begründet worden, dass das Hochwasserereignis imAugust 2002 verdeutlicht habe, dass Gehölzbestand jeglicher Artdie Standsicherheit der Deiche wesentlich gefährde. Das VG Leip-zig verneinte einen Anordnungsanspruch des Antragstellers. DieDurchführung der beabsichtigten Holzungsarbeiten auf den fragli-

5 So auch Stüer, Vortrag am 22./23.4.2004 auf dem 9. Leipziger Umweltrechts-Symposion.

6 Abgedruckt in ZUR 2005, S. 94 ff.; DVBl. 2004, S. 1558 ff.; NVwZ 2004, S.1507 ff.

7 Abgedruckt in ZUR 2004, S. 168 ff.

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Ziehm, Hochwasserschutz | R E C H T S P R E C H U N G S - R E P O R T

R E C H T S P R E C H U N G | EuGH, Aufnahme in das Natura 2000-Netz

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Vorläufiger Schutz mitgliedstaatlich gemeldeterGebiete zur Aufnahme in das Natura 2000-Netz(Timavo-Mündung)

EuGH, Urteil vom 13. Januar 2005 – C-117/03

Leitsätze:1. Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.

Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowieder wild lebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen,dass die in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie vorge-sehenen Schutzmaßnahmen nur für die Gebiete getroffenwerden müssen, die nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der

Richtlinie in die von der Kommission der EuropäischenGemeinschaften nach dem Verfahren des Artikels 21 derRichtlinie festgelegte Liste der Gebiete aufgenommen wor-den sind, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutungausgewählt wurden.

2. Die Mitgliedstaaten sind in Bezug auf die Gebiete, die alsGebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt wer-den könnten und die in den der Kommission zugeleitetennationalen Listen aufgeführt sind, insbesondere solche, dieprioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Artenbeherbergen, nach der Richtlinie 92/43 verpflichtet, Schutz-maßnahmen zu ergreifen, die im Hinblick auf das mit derRichtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet sind, die erheb-

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chen Deichen und deren Schutzstreifen sei nicht geeignet, Mitwir-kungsrechte des Antragstellers zu vereiteln. Denn bei den geplan-ten Rodungsarbeiten handele es sich nicht um planfeststellungsbe-dürftige Maßnahmen des Deichausbaus im Sinne von § 88 Abs. 3SächsWG, sondern um Unterhaltungsmaßnahmen im Sinne von§ 88 Abs. 2 SächsWG, die nicht dem Erfordernis der vorherigenPlanfeststellung gemäß § 80 Abs. 1 SächsWG unterliegen. Die Hol-zungsarbeiten stellen insbesondere auch keine wesentliche Umge-staltung der betroffenen Deichabschnitte und folglich keine derPlanfeststellung nach § 31 WHG bzw. nach den hierzu ergangenenlandesrechtlichen Regelungen unterfallende Ausbaumaßnahmedar. Der Zustand eines Gewässers einschließlich seiner Ufer werdenicht in einer für den Wasserhaushalt bedeutsamen Weise verän-dert. Der 4. Senat des OVG Bautzen hat die Entscheidung mit Be-schluss vom 10.10.2003 (Az. 4 BS 243/03) bestätigt. Interessanter-weise geht der 4. Senat dabei überhaupt nicht auf einen anders lau-tenden Beschluss des 1. Senats des OVG Bautzen ein. Der 1. Senathatte nämlich am 23.1.2003 (Az. 1 Bs/03)8 entschieden, dass eineBeseitigung von Gehölzen auf Deichen und Deichschutzstreifendurchaus als planfeststellungsbedürftiger Deichausbau zu qualifi-zieren sei, wenn durch die Beseitigung wesentliche Auswirkungenauf die ökologischen Verhältnisse am Gewässer zu erwarten seien.

Behörden müssen frühzeitig vor einem Hochwasser warnen,nicht erst kurz vor einem Dammbruch. Eine Amtspflicht zur War-nung der Bevölkerung besteht spätestens dann, wenn ein Dammstark gefährdet ist, aber noch gerettet werden kann. Dies ergibtsich aus einem Urteil des BGH vom 11.11.2004 (Az. III ZR 200/03).Der Entscheidung lag eine Klage von Anwohnern in Augsburg zu-grunde, deren Häuser beim Pfingsthochwasser 1999 mit meterho-hen Wassermassen überflutet worden waren. In erster Instanz wardie Stadt Augsburg vom LG Augsburg verurteilt worden, den Klä-gern diejenigen Schäden am Inventar zu ersetzen, die durch einefrühere Warnung noch abwendbar gewesen wären. Das OLG Mün-chen bestätigte ein Fehlverhalten der Stadt Augsburg. Es hob aberhervor, dass bis zum Bruch des Deichs keine Amtspflicht zur War-nung der Anwohner bestanden habe und begründete dies damit,dass drastische Warnungen Panikerscheinungen und ein Ver-kehrschaos bewirken könnten. Häufige Warnungen könnten zu-dem dazu führen, dass sich die Bevölkerung an solche Warnungengewöhne. Der BGH hob nun dieses Berufungsurteil auf und ver-wies den Fall zur Neuverhandlung an das OLG München zurück.

Um Haftungsfragen ging es auch in einem weiteren Urteil desBGH vom 22.4.2004 (Az. III 108/03)9. Bei einem Katastrophenre-gen war es zu einem Rückstau in der Abwasserkanalisation einerGemeinde und in der Folge zu Überschwemmungen gekommen.Der BGH verneinte eine Gefährdungshaftung der beklagten Ge-meinde. Denn führe ein ganz ungewöhnlicher und seltener Star-

kregen, im vorliegenden Fall ein sog. Jahrhundertregen, zu einemRückstau in der Abwasserkanalisation und zu einem Wiederaus-tritt des Niederschlagswassers, könne sich die Gemeinde gegenü-ber der Anlagenhaftung aus § 2 HPflG auf höhere Gewalt berufen.Das Merkmal der höheren Gewalt im Bereich der Gefährdungshaf-tung sei ein wertender Begriff, mit dem diejenigen Risiken ausge-schlossen werden sollten, die bei rechtlicher Bewertung nichtmehr dem gefährlichen Unternehmen, sondern allein dem Dritt-ereignis zugerechnet werden könnten. Bei Überlastung einer Ab-wasserkanalisation durch einen Katastrophenregen gehe es – un-geachtet dessen, dass hier auch das durch den konzentriertenTransport von Wasser stammende Risiko zum Schaden beigetra-gen habe – letztlich um ganz außergewöhnliche, katastrophenarti-ge Wirkungen elementarer Naturkräfte, auf die die Gemeinde we-gen deren Seltenheit ihr Kanalsystem wirtschaftlich zumutbarnicht einrichten könne und müsse. Die Gefährdungshaftung fürRohrleitungsanlagen finde ihre Grenze in der wirtschaftlichen Lei-stungsfähigkeit der Kommunen und dem von ihnen vernünftiger-weise zu erwartenden Aufwand bei der Auslegung ihres Kanalsy-stems. Diese Grenze sei bei Niederschlagsmengen, die seltener alsalle 100 Jahre zu erwarten seien, jedenfalls überschritten.

Einen weiteren Aspekt des Hochwasserschutzes betrifft schließ-lich eine Entscheidung des VG Lüneburg vom 14.9.2004 (Az. 3 A211/03). Danach stehen dem Land Niedersachsen Grundstückezwischen dem Flusslauf der Elbe und dem Deich auf dem Gebietder ehemaligen DDR nach Art. 21 des Einigungsvertrages nicht zu.Diese Grundstücke stellen kein Verwaltungsvermögen des Landesdar. Auch wenn das Land für den Hochwasserschutz zuständig sei,müssen die Grundstücke zur Verwirklichung dieser Aufgabe vomLand nicht unmittelbar selbst genutzt werden. Vielmehr bietendie Vorschriften des Wasserrechts ein genügendes Instrumentari-um in Form von Ge- und Verboten sowie Erlaubnisvorbehalten,um die Nutzung der Grundstücke – auch wenn sie sich im Eigen-tum Dritter befinden – in einer Weise zu lenken, dass der Hoch-wasserschutz effektiv und wirkungsvoll gesichert werden könne.Hochwasserschutz sei damit keine hoheitliche Aufgabe, derenWahrnehmung die Grundstücke zu solchen im Verwaltungsge-brauch mache.

Dr. Cornelia ZiehmRechtsanwältin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Vorsitzendendes Rates von Sachverständigen für Umweltfragen , Universität Ham-burg, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg.Aktuelle Veröffentlichung: Schiffssicherheit und Meeresumweltschutz(zusammen mit H.-J. Koch) in ZUR 2005, Heft 1.

8 Abgedruckt in ZUR 2003, S. 222 f.9 Abgedruckt in DVBl 2004, S. 948 ff.

EuGH, Aufnahme in das Natura 2000-Netz | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 4/2005 | 195

liche ökologische Bedeutung, die diesen Gebieten auf natio-naler Ebene zukommt, zu wahren.

Aus den Gründen: 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Arti-kel 4 Absatz 5, 6 Absatz 3 und 21 der Richtlinie 92/43/EWG des Ra-tes vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräumesowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, imFolgenden: Richtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit u. a. der SocietàItaliana Dragaggi SpA (im Folgenden: Dragaggi) gegen das Ministe-ro delle Infrastrutture e dei Trasporti (Ministerium für Infrastruk-tur und Verkehr) und die Regione autonoma Friuli Venezia Giulia(Autonome Region Friaul-Juliscii Venetien) über die von der Ver-gabebehörde erklärte Aufhebung einer Ausschreibung über Aus-baggerungsarbeiten und die Ablagerung des Aushubs auf einerAufschüttung im Hafen von Monfalcone.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 In der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es:»Zur Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen Erhal-tungszustandes der natürlichen Lebensräume und der Arten vongemeinschaftlichem Interesse sind besondere Schutzgebiete aus-zuweisen, um nach einem genau festgelegten Zeitplan ein zusam-menhängendes europäisches ökologisches Netz zu schaffen.

4 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie wird ein kohärentes eu-ropäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Be-zeichnung ‚Natura 2000’ errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten,die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habi-tate der Arten des Anhangs II umfassen, und muss den Fortbestandoder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhal-tungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitateder Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

5 Artikel 4 der Richtlinie bestimmt:»(1) Anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien

und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen legt jederMitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Ge-bieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des An-hangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführtsind…

Binnen drei Jahren nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie wirdder Kommission diese Liste gleichzeitig mit den Informationenüber die einzelnen Gebiete zugeleitet. …

(2) Auf der Grundlage der in Anhang III (Phase 2) festgelegtenKriterien und im Rahmen der fünf in Artikel 1 Buchstabe c) Zifferiii) erwähnten biogeografischen Regionen sowie des in Artikel 2Absatz 1 genannten Gesamtgebietes erstellt die Kommission je-weils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listender Mitgliedstaaten den Entwurf einer Liste der Gebiete von ge-meinschaftlicher Bedeutung, in der die Gebiete mit einem odermehreren prioritären natürlichen Lebensraumtyp(en) oder eineroder mehreren prioritären Art(en) ausgewiesen sind.

Die Mitgliedstaaten, bei denen Gebiete mit einem oder mehrerenprioritären natürlichen Lebensraumtyp(en) und einer oder mehre-ren prioritären Art(en) flächenmäßig mehr als 5 v. H. des Hoheits-gebiets ausmachen, können im Einvernehmen mit der Kommissi-on beantragen, dass die in Anhang III (Phase 2) angeführten Kriteri-en bei der Auswahl aller in ihrem Hoheitsgebiet liegenden Gebietevon gemeinschaftlicher Bedeutung flexibler angewandt werden.

Die Liste der Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Be-deutung ausgewählt wurden und in der die Gebiete mit einemoder mehreren prioritären natürlichen Lebensraumtyp(en) oder

einer oder mehreren prioritären Art(en) ausgewiesen sind, wirdvon der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 festge-legt.

(3) Die in Absatz 2 erwähnte Liste wird binnen sechs Jahrennach Bekanntgabe dieser Richtlinie erstellt.

(4) Ist ein Gebiet aufgrund des in Absatz 2 genannten Verfahrensals Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden,so weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wiemöglich – spätestens aber binnen sechs Jahren – als besonderesSchutzgebiet aus …

(5) Sobald ein Gebiet in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3aufgenommen ist, unterliegt es den Bestimmungen des Artikels 6Absätze 2, 3 und 4.«

6 Nach Anhang III Phase 2 Nummer 1 der Richtliniewerden«[a]Ile von den Mitgliedstaaten in Phase I ermittelten Ge-biete, die prioritäre natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten be-herbergen, … als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung be-trachtet«.

7 Artikel 6 der Richtlinie bestimmt:»… (2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen,

um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung dernatürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowieStörungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen wordensind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick aufdie Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten. (3) Pläneoder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Ge-bietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind,die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkungmit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigenkönnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den fürdieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichti-gung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehalt-lich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichenBehörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt ha-ben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, undnachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung auszwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesseseinschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Planoder Projekt durchzufahren und ist eine Alternativlösung nichtvorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Aus-gleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globaleKohärenz von Natura 2000 geschätzt ist. Der Mitgliedstaat unter-richtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichs-maßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritärennatürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einsch-ließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Ge-sundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder imZusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen fürdie Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, anderezwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses gel-tend gemacht werden.«

8 Artikel 21 der Richtlinie sieht vor, dass die beabsichtigtenMaßnahmen in einem Ausschussverfahren getroffen werden.

9 Nach Artikel 23 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die-se binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe in innerstaatlichesRecht umgesetzt haben. Die Bekanntgabe fand am 10. Juni 1992statt.

Nationale Vorschriften

10 Die Richtlinie wurde mit dem Dekret Nr. 357 des Präsidentender Republik vom 8. September 1997 mit dem Titel »Regelung zur

Umsetzung der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürli-chen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen«(GURI Nr. 248, supplemento ordinario Nr. 219/L vom 23. Oktober1997, im Folgenden: Dekret Nr. 357/97) in die italienische Rechts-ordnung umgesetzt.

11 Nach Artikel 4 des Dekrets Nr. 357/97 sind die Maßnahmenzur Erhaltung von Gebieten von der Erstellung der Liste der Gebie-te von gemeinschaftlicher Bedeutung durch die Kommission ab-hängig.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

12 Dragaggi erhielt am 14. Mai 2001 den Zuschlag für einen Auf-trag über Ausbaggerungsarbeiten und die Ablagerung des Aushubsauf einer Aufschüttung im Hafen von Monfalcone.

13 Vier Monate später hob die Vergabebehörde das gesamte Ver-gabeverfahren auf, da die Aufschüttung, auf der Aushub, der beiden Arbeiten anfiel, abgelagert werden sollte, als Gebiet von ge-meinschaftlicher Bedeutung einzustufen sei, für das eine Verträg-lichkeitsprüfung nach der einschlägigen nationalen Regelung vor-zunehmen sei. Diese Prüfung könne aber nach Ansicht der zustän-digen Behörde nicht positiv ausfallen.

14 Dragaggi stellte die Rechtmäßigkeit der Entscheidung überdie Aufhebung der Vergabe vor dem Tribunale amministrativo re-gionale del Friuli Venezia Giulia (Italien) in Frage. Sie machte ins-besondere geltend, dass das Verfahren zur Einreihung des Gebietesder »Mündung des Timavo«, in dem die von den Baggerarbeitenbetroffene Aufschüttung liege, unter die Gebiete von gemein-schaftlicher Bedeutung noch nicht abgeschlossen sei. Denn dieKommission habe, obgleich ihr die italienischen Behörden eineListe von Gebieten, darunter das der Mündung des Timavo, vorge-schlagen hätten, noch nicht die Gemeinschaftsliste nach Artikel 4Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie festgelegt. Deshalb habe dieVerpflichtung zur vorherigen Prüfung der Projekte, die sich erheb-lich auf das Gebiet auswirkten, noch nicht gegolten.

15 Das Tribunale amministrativo regionale del Friuli Venezia Gi-ulia wies in seinem Urteil das Argument der fehlenden Anwend-barkeit des Verfahrens der Verträglichkeitsprüfung auf das fragli-che Projekt zurück. Nach seiner Ansicht ist ein wie im vorliegen-den Fall von einem Mitgliedstaat ermitteltes Gebiet, das einenprioritären Lebensraum beherberge und von dem Mitgliedstaat indie der Kommission vorgeschlagene Liste aufgenommen wordensei, nach Anhang III Phase 2 Nummer 1 der Richtlinie als von ge-meinschaftlicher Bedeutung zu betrachten. Daher seien für diesesGebiet nach Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie die Schutzmaßnah-men nach Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie und insbesonderedie in Absatz 3 vorgesehene Verträglichkeitsprüfung vorzuneh-men.

16 Nach Ansicht des Gerichts kann nur diese Betrachtungsweiseder Richtlinie einen logischen Sinn verleihen, die, da mit ihr derSchutz von Lebensräumen oder Arten bezweckt werde, die vomVerschwinden oder Aussterben bedroht seien, sich unmittelbaranwenden lassen müsse, und wenn auch nur als Sicherungsmaß-nahme. Im Übrigen seien die Maßnahmen, mit denen die Einrei-hung der Mündung des Timavo unter die prioritären Gebiete vor-geschlagen worden sei, insbesondere das Dekret des Umweltmini-sters vom 3. April 2000, nicht angefochten worden.

17 In der Erwägung, dass eine Verträglichkeitsprüfung erforder-lich sei, gab das Gericht den weiteren Rügen von Dragaggi statt,die sich darauf bezogen, dass die von der Verwirklichung des Pro-jekts betroffenen Personen nicht angehört worden seien, dassnicht vor der Aufhebung der den Auftrag betreffenden Maßnah-men die Alternativen zu den im Projekt beschlossenen Lösungengeprüft worden seien und dass die zuständige Behörde nicht die

Möglichkeit in Betracht gezogen habe, einen mit Bedingungenversehenen positiven Bescheid zu erlassen.

18 Dragaggi legte gegen das Urteil des Tribunale amministrativoregionale del Friuli Venezia Giulia ein Rechtsmittel beim Consigliodi Stato ein. Vor diesem wiederholte sie insbesondere ihr Vorbrin-gen, dass Artikel4 Absatz 5 der Richtlinie die Anwendung vonSchutzmaßnahmen nach Artikel 6 der Richtlinie erst von der Er-stellung der Gemeinschaftsliste an vorschreibe. Diese Ansicht wer-de durch Artikel 4 des Dekrets Nr. 357/97 bestätigt, wonach dieSchutzmaßnahmen binnen drei Monaten nach der Aufnahme ei-nes Gebietes in die von der Kommission erstellte Liste zu erlassenseien.

19 Der Consiglio di Stato führt aus, dass die Auslegung des Arti-kels 4 Absatz 5 der Richtlinie durch das Tribunale amministrativoregionale del Friuli Venezia Giulia nicht als offensichtlich unbe-gründet anzusehen sei, da die Aufnahme der Gebiete von gemein-schaftlicher Bedeutung, die prioritäre Lebensräume beherbergten,offenbar eine rein deklaratorische Maßnahme sei, die seitens desGemeinschaftsorgans keine Ermessensausübung erfordere.20 Der Consiglio di Stato hat daher beschlossen, das Verfahrenauszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabent-scheidung vorzulegen:

Ist Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie 92/43/EWG vom 21. Mai1992 dahin auszulegen, dass die Maßnahmen des Artikels 6, insbe-sondere des Artikels 6 Absatz 3, der Richtlinie die Mitgliedstaatenerst nach der endgültigen Billigung der Liste der Gebiete im Sinnevon Artikel 21 durch die Gemeinschaft binden, oder ist vielmehrüber die Festlegung des Zeitpunkts des gewöhnlichen Beginns derAnwendung der Schutzmaßnahmen hinaus zwischen deklaratori-schen und konstitutiven Eintragungen zu unterscheiden (wobeizu den Ersteren die Eintragungen für prioritäre Gebiete gehören),und muss zum Zweck der Wahrung der praktischen Wirksamkeitder Richtlinie über den Schutz der Lebensräume nicht angenom-men werden, dass bereits die Ermittlung eines Gebietes von ge-meinschaftlicher Bedeutung, das prioritäre natürliche Lebens-raumtypen oder prioritäre Arten beherbergt, durch einen Mit-gliedstaat die Verpflichtung entstehen lässt, Pläne und Projekte,die das Gebiet erheblich beeinträchtigen können, auch vor derAufstellung des Entwurfs der Liste der Gebiete durch die Kommis-sion oder der endgültigen Aufstellung dieser Liste im Sinne vonArtikel 21 der Richtlinie und im Wesentlichen von der Aufstellungder nationalen Liste an einer Verträglichkeitsprüfung zu unterzie-hen?

Zur Vorlagefrage

21 Nach Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie finden die in Artikel 6 Ab-sätze 2 bis 4 der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen zur Erhal-tung der besonderen Schutzgebiete auf ein Gebiet Anwendung, so-bald es nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie in dievon der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 derRichtlinie festgelegte Liste der als von gemeinschaftlicher Bedeu-tung ausgewählten Gebiete aufgenommen worden ist.

22 Die Tatsache, dass nach Anhang III Phase 2 Nummer 1 derRichtlinie alle von den Mitgliedstaaten in Phase 1 dieses Anhangsermittelten Gebiete, die prioritäre natürliche Lebensraumtypenoder prioritäre Arten beherbergen, als Gebiete von gemeinschaftli-cher Bedeutung betrachtet werden, führt nicht dazu, dass auf siedie in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie vorgesehenen Schutz-maßnahmen anzuwenden sind, bevor sie nach Artikel 4 Absatz 2Unterabsatz 3 der Richtlinie in die von der Kommission festgelegteListe der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenom-men wurden.

196 | ZUR 4/2005

R E C H T S P R E C H U N G | EuGH, Aufnahme in das Natura 2000-Netz

23 Keinen Erfolg haben kann die vom vorlegenden Gericht er-wähnte gegenteilige These, wonach ein wie im vorliegenden Fallvon einem Mitgliedstaat ermitteltes Gebiet, das einen prioritärenLebensraum beherberge und von dem Mitgliedstaat in die derKommission nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorgeschlageneListe aufgenommen worden sei, angesichts des Anhangs III Phase2 Nummer 1 der Richtlinie als Gebiet von gemeinschaftlicher Be-deutung zu betrachten sei und daher gemäß Artikel 4 Absatz 5 derRichtlinie den in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie vorgesehe-nen Schutzmaßnahmen unterliege.

24 Zum einen verstößt diese These gegen den Wortlaut des Arti-kels 4 Absatz 5 der Richtlinie, der die Anwendung der genanntenSchutzmaßnahmen ausdrücklich davon abhängig macht, dass dasbetreffende Gebiet nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richt-linie in die von der Kommission festgelegte Liste der Gebiete vongemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden ist. Zumanderen setzt diese These voraus, dass, wenn ein Mitgliedstaat einGebiet als ein solches, das prioritäre natürliche Lebensraumtypenoder prioritäre Arten beherbergt, ermittelt und in der der Kommis-sion nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorgeschlagenen Listeaufgeführt hat, die Kommission verpflichtet ist, das Gebiet in dievon ihr nach dem Verfahren des Artikels 21 der Richtlinie festge-legte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufzu-nehmen, die in Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie er-wähnt ist. Wäre das der Fall, so wäre die Kommission, wenn sie imEinvernehmen mit den Mitgliedstaaten den Entwurf einer Listeder Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne von Arti-kel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie erstellt, daran gehin-dert, die Nichtaufnahme eines Gebietes, das ein Mitgliedstaat alsGebiet vorgeschlagen hat, das prioritäre natürliche Lebensraumty-pen oder prioritäre Arten beherbergt, in den Entwurf in Betrachtzu ziehen, auch wenn sie der Ansicht wäre, dass es entgegen derAuffassung des betreffenden Mitgliedstaats keine prioritärennatürlichen Lebensraumtypen oder prioritären Arten im Sinnevon Anhang III Phase 2 Nummer 1 der Richtlinie beherbergt. Einesolche Situation würde aber insbesondere gegen Artikel 4 Absatz 2Unterabsatz 1 der Richtlinie in Verbindung mit Anhang III Phase 2Nummer 1 verstoßen.

25 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Artikel 4 Absatz 5 derRichtlinie dahin auszulegen ist, dass die in Artikel 6 Absätze 2 bis 4der Richtlinie vorgesehenen Schutzmaßnahmen nur für die Ge-biete getroffen werden müssen, die nach Artikel 4 Absatz 2 Unter-absatz 3 der Richtlinie in die von der Kommission nach dem Ver-fahren des Artikels 21 der Richtlinie festgelegte Liste der Gebieteaufgenommen worden sind, die als Gebiete von gemeinschaftli-cher Bedeutung ausgewählt wurden.

26 Daraus folgt jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten die Gebie-te nicht von dem Moment an schützen müssen, in dem sie sienach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie auf der der Kommission zu-geleiteten nationalen Liste als Gebiete vorschlagen, die als Gebietevon gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden könnten.

27 Ohne einen angemessenen Schutz dieser Gebiete von diesemMoment an könnte nämlich die Verwirklichung der u. a. in dersechsten Begründungserwägung und in Artikel 3 Absatz 1 derRichtlinie genannten Ziele der Erhaltung der natürlichen Lebens-räume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen gefährdet sein.Eine solche Situation wäre umso gravierender, als prioritäre natür-liche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen wären, diewegen der Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, von einer zügi-gen Durchführung von Maßnahmen zu ihrer Erhaltung profitie-ren sollten, wie es in der fünften Begründungserwägung der Richt-linie empfohlen wird.

28 Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass in den natio-nalen Listen von Gebieten, die als Gebiete von gemeinschaftlicher

Bedeutung bestimmt werden könnten, Gebiete aufgeführt werdenmüssen, denen auf nationaler Ebene erhebliche ökologische Be-deutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräumesowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im Sinne der Richtli-nie zukommt (Urteil vom 7. November 2000 in der Rechtssache C-371/98, First Corporate Shipping, Slg. 2000,1-9235, Randnr. 22).

29 Somit zeigt sich, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ge-biete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmtwerden könnten und die in den der Kommission zugeleiteten na-tionalen Listen aufgeführt sind, zu denen insbesondere auch Ge-biete gehören können, die prioritäre natürliche Lebensraumtypenoder prioritäre Arten beherbergen, nach der Richtlinie verpflichtetsind, geeignete Schutzmaßnahmen zur Wahrung der genanntenökologischen Bedeutung zu ergreifen.30 Auf die vorgelegte Frage ist folglich zu antworten, dass– Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die in

Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie vorgesehenen Schutz-maßnahmen nur für die Gebiete getroffen werden müssen, dienach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie in die vonder Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 der Richt-linie festgelegte Liste der Gebiete aufgenommen worden sind,die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewähltwurden;

– die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gebiete, die als Gebiete vongemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden könnten unddie in den der Kommission zugeleiteten nationalen Listen auf-geführt sind, insbesondere solche, die prioritäre natürliche Le-bensraumtypen oder prioritäre Arten beherbergen, nach derRichtlinie verpflichtet sind, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, dieim Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhaltungszielgeeignet sind, die erhebliche ökologische Bedeutung, die diesenGebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren. (…)

Anmerkung zum Urteil des EuGH

Die vorliegende Entscheidung des EuGH beschäftigt sich, wieschon die Entscheidung zur Herzmuschelfischerei,1 mit der sog.FFH-Verträglichkeitsprüfung. Bei der Entscheidung zur Herzmu-schelfischerei ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzun-gen für ein Projekt eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführenist, um festzustellen, ob eine erhebliche Beeinträchtigung einesGebietes des kohärenten ökologischen Netzes Natura 2000 zu er-warten ist. Die jetzt vorliegende Entscheidung regelt in Abhängig-keit von dem betroffenen Gebiet den Zeitpunkt, ab dem eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden kann bzw. muss.Das in Frage stehende Gebiet der Mündung des Timavo war vonItalien der Kommission als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeu-tung vorgeschlagen worden. Es beherbergt prioritäre Lebensraum-typen und gehört zur kontinentalen biogeographischen Region.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass die Regelungen des Art. 6Abs. 2 bis 4 FFH-RL2 nur auf Gebiete angewendet werden können,die die Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftli-cher Bedeutung aufgenommen hat. Dies setzt eine Veröffentli-chung der Liste voraus, die zu dem für die Entscheidung maßgebli-chen Zeitpunkt noch nicht erfolgt war.3 Damit hält sich der EuGHan den Wortlaut der Norm. Im Ergebnis folgt er dem Vorschlag derGeneralanwältin, die als zusätzliches Argument darauf verweist,dass eine Anwendung der Verträglichkeitsprüfung die »Auswahl-entscheidung der Kommission antizipieren« würde.4 Dieses Argu-ment kann nicht überzeugen, schränkt doch die Anwendung der

1 Urt. v. 7.9.2004, C-127/02, NUR 2004, S. 788.2 Umgesetzt durch § 34 BNatSchG.3 S. Urt. v. 13.1.2005, C-117/03, Rdnr. 21.4 S. Schlussantrag der Generalanwältin Kokott, NuR 2004, S. 587, Rdnr. 18.

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Anmerkung K looth/Louis zum Urte i l des EuGH | A U F S Ä T Z E

R E C H T S P R E C H U N G | Anmerkung K looth/Louis zum Urte i l des EuGH

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Verträglichkeitsprüfung auf ein vorgeschlagenes Gebiet die Ent-scheidungsfreiheit der Kommission nicht ein. Es handelt sich umeinen Verfahrensschritt im nationalen Zulassungsverfahren, derauf die Entscheidung der Kommission keinen Einfluss hat.

Als nächstes widmet sich der EuGH der Frage, ob für Gebiete mitprioritären Lebensraumtypen oder prioritären Arten die FFH-Ver-träglichkeitsprüfung anzuwenden ist. Das BVerwG bejaht dies un-ter Berufung auf Anhang III, Phase 2 Nr. 1 FFH-RL, der besagt, alle»… ermittelten Gebiete, die prioritäre natürliche Lebensraumty-pen bzw. Arten beherbergen, werden als Gebiete von gemein-schaftlicher Bedeutung betrachtet«. Hieraus schließt das BVerwGeine Übernahmepflicht der Kommission hinsichtlich dieser Ge-biete.5 Diese Auffassung wird von der Literatur geteilt.6 Auch dieGeneralanwältin geht von diesem Ansatz aus, verneint aber eineAnwendung der Verträglichkeitsprüfung, weil nach Art. 4 Abs. 2UAbs. 2 FFH-RL in Fällen, in denen die Fläche der vorgeschlagenenprioritären FFH-Gebiete über 5 % der Landesfläche liegt, der Mit-gliedstaat im Einvernehmen mit der Kommission die Auswahl derGebiete flexibler handhaben kann. Daher sei auch bei den prio-ritären Gebieten nicht sicher, ob sie tatsächlich in die Liste der Ge-biete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen werden.7

Der EuGH folgt hier der Generalanwältin nicht. Er betont, dassArt. 4 Abs. 5 FFH-RL die Anwendung der Bestimmungen über denSchutz der FFH-Gebiete nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL ausdrück-lich von der Aufnahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaft-licher Bedeutung abhängig macht. Das verbiete eine frühere An-wendung der Regelungen. Dieses Argument hätte schon genügt,um die FFH-Verträglichkeitsprüfung auszuschließen. Das Gerichtargumentiert aber weiter, dass aus Anhang III, Phase 2 Nr. 1 FFH-RL keine Verpflichtung der Kommission resultiere, vorgeschlageneGebiete mit prioritären Lebensraumtypen oder Arten in die Listeder Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung zu übernehmen.Es stützt seine Argumentation auf die Überlegung, dass die Kom-mission nicht gezwungen sein kann, Gebiete aufzunehmen, in de-nen in Wirklichkeit keine prioritären Lebensraumtypen oder Ar-ten vorhanden sind. Dann scheint aber eine Übernahmepflicht fürGebiete mit prioritären Lebensraumtypen oder Arten zu bestehen,wenn die Existenz letzterer unbestritten ist.

Die klare Absage des EuGH an eine unmittelbare Anwendungder FFH-Verträglichkeitsprüfung für vorgeschlagene, aber nochnicht veröffentlichte Gebiete bedeutet aber nicht, dass diese Ge-biete ohne weiteres beeinträchtigt werden dürfen. Vielmehr mussder Mitgliedstaat diese Gebiete »von dem Moment an schützen, indem (er) sie nach Art. 4 Abs. 1 (FFH-RL) … der Kommission … alsGebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung« vorschlägt.8 Ohne ei-nen angemessenen Schutz ab diesem Zeitpunkt »könnte … dieVerwirklichung … der in Art. 3 Abs. 3 (FFH-RL) genannten Zieleder Erhaltung der natürlichen Lebensraumtypen sowie der wild le-benden Tiere und Pflanzen gefährdet sein.« Dies gilt insbesondere,wenn »prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Ar-ten betroffen wären, die wegen der Bedrohung, der sie ausgesetztsind, von einer zügigen Durchführung von Maßnahmen zu ihrerErhaltung profitieren sollen.«9 Der EuGH betont, dass die Mit-gliedstaaten verpflichtet sind, für Gebiete, die sie in der Vor-schlagsliste für die Kommission als die in ihrem Hoheitsgebiet ge-eigneten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufführen,»geeignete Schutzmaßnahmen zur Wahrung der ökologischen Be-deutung zu ergreifen«.10 Der EuGH konstruiert auf diese Weise einVerschlechterungsverbot. Hinsichtlich der Rechtsgrundlage bleibtder EuGH eher offen, während die Generalanwältin das Ver-schlechterungsverbot dogmatisch präzise entwickelt. Sie gründetes zunächst auf den Grundsatz des venire contra factum propri-um.11 Es sei widersprüchlich, wenn ein Mitgliedstaat einerseits derKommission ein Gebiet vorschlage, dann aber Maßnahmen zulas-

se, die das Gebiet beeinträchtigen können. Weiterhin verlangeauch der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen Mit-gliedstaat und Kommission, dass nach Abgabe des Vorschlags beider Kommission keine Verschlechterung des Gebiets eintritt.12

Schließlich entwickelt die Generalanwältin das Verschlechte-rungsverbot aus dem sog. Frustrationsverbot des Art. 10 Abs. 2EGV, wonach die Ziele des Vertrages nicht gefährdet werden dür-fen. Diese Verpflichtung gilt auch für das Sekundärrecht.13 DerEuGH hat das Frustrationsverbot für Richtlinien aus Art. 10 Abs. 2i.V.m. Art. 249 Abs. 3 EGV hergeleitet.14

Die Generalanwältin konkretisiert auch die sonstigen Anforde-rungen an das Verschlechterungsverbot. Das Ende des Verschlech-terungsverbotes tritt nach ihrer Auffassung drei Jahre nach derEinreichung der vollständigen Vorschlagsliste bei der Kommissionein, wobei es für die Beurteilung der Vollständigkeit auf die Auffas-sung der Kommission ankommt.15 Der Inhalt des Verschlechte-rungsverbots ergibt sich nach ihrer Meinung aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Eine Beeinträchtigung eines vorgeschlagenen Gebiets ist nachihrer Auffassung nur nach den Maßstäben einer FFH-Verträglich-keitsprüfung zulässig, wobei auch die erforderlichen Kohärenz-maßnahmen zu treffen sind. Dabei unterscheidet sie nicht zwi-schen Gebieten mit oder ohne prioritären Lebensraumtypen oderArten. Die Informationspflichten der Kommission sind zu wah-ren, so dass bei prioritären Lebensraumtypen oder Arten eine Stel-lungnahme der Kommission einzuholen ist. Somit kommt die Ge-neralanwältin im Ergebnis zu einer vollständigen Anwendung derArt. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL im Rahmen des Verschlechterungsver-bots.16

Der EuGH übernimmt diese Konkretisierung des Verschlechte-rungsverbots nicht. Allerdings war die Frage des vorlegenden Ge-richts auf die Anwendung der FFH-Verträglichkeitsprüfung be-schränkt; das Bestehen eines Verschlechterungsverbots und des-sen konkreter Inhalt sind in der Vorlage des italienischen Gerichtsnicht angesprochen. Insofern brauchte sich der EuGH zu dieserFrage nicht zu äußern. Dass er aber eine wesentlich andere Rechts-auffassung als die Generalanwältin vertreten würde, erscheinteher unwahrscheinlich. Stimmt ein ausführlicher Schlussantragmit einem davon nicht abweichenden knappen Urteil überein, sokann der Schlussantrag zur Erläuterung des Urteils herangezogenwerden.17 Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob die Dif-ferenzierung des Bundesverwaltungsgerichts zwischen prioritärenund nicht prioritären potenziellen FFH-Gebieten weiterhin Be-stand haben kann, nach der die Grundsätze der Verträglichkeits-prüfung nur für potenzielle FFH-Gebiete mit prioritären Lebens-raumtypen oder Arten anzuwenden sind. Für Gebiete ohne prio-ritäre Elemente gilt nach dieser Rechtsprechung lediglich dasVerbot, das potenzielle FFH-Gebiet so nachhaltig zu beeinträchti-gen, dass es für eine Meldung und Aufnahme in die Gemein-schaftsliste nicht mehr in Betracht kommt. Die Verwaltung hat fürpotenzielle FFH-Gebiete auf Empfehlung der zuständigen Behör-den zumeist eine vollständige FFH Verträglichkeitsprüfung durch-

5 BVerwG v. 17.5.2002, 4 A 28.01 , NuR 2002, 739, 741, m.w.N.6 Louis/Engelke, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl., Teil 1, §§ 1 bis 19f, Braun-

schweig 2000, § 19a, Rdnr. 12; Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnatur-schutzgesetz, Stuttgart 2003, §32, Rdnr. 39.

7 S. Fn. 4, Rdnr. 19; Hösch, NuR 2004, 210, 211; für eine Verträglichkeitsprü-fung bei allen potenziellen FFH-Gebieten, Gellermann, NuR 2003, 205,209.

8 Urteil, Rdnr. 26.9 Urteil, Rdnr. 27

10 Urteil, Rdnr. 29.11 Fn 6, Rdnr. 24.12 Fn. 6, Rdnr. 2513 Fn 6, Rdnr. 26.14 U.v. 18.12.1997, C-129/96; U.v. 8.5.2003, C-14/02, U.v. 5.2.2004, C-157/02.15 Fn 6, Rdnr. 30.16 Dies wird in Fn 6, Rdnr. 31, deutlich dargelegt.17 Vlg. Gündisch/Wienhues, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 2. Aufl.

Stuttgart u.a. 2003, S. 84 f.

BVerwG, UVP in der p laner i schen Abwägung | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 4/2005 | 199

geführt, um auf der sicheren Seite zu sein. Insofern dürfte die Auf-gabe der differenzierenden Rechtsprechung durch das Bundesver-waltungsgericht in der Praxis nicht von großem Gewicht sein.

Inzwischen sind die ersten Listen der Gebiete von gemeinschaft-licher Bedeutung für die in Deutschland relevanten biogeographi-schen Bereiche alpin, kontinental und atlantisch von der Kom-mission bekannt gegeben.18 Diese Listen stehen aber unter demVorbehalt, dass sie keine abschließende Aufzählung enthalten. Fürdie in die Liste aufgenommenen Gebiete tritt nunmehr nach Art. 4Abs. 5 FFH-RL das Schutzregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL inKraft. Daraus folgt die unmittelbare Anwendbarkeit des § 34 BNat-SchG bzw. der in dessen Rahmen erlassenen jeweiligen landes-rechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus gilt auch das Ver-schlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. § 33 Abs. 5 BNat-SchG stellt zwar für den Eintritt des Verschlechterungsverbots aufdie Bekanntgabe der Gebiete im Bundesanzeiger ab, diese Rege-lung ist aber mit Art. 4 Abs. 5 FFH-RL nicht vereinbar. Somit ist Art.6 Abs. 2 FFH - RL für beeinträchtigende Maßnahmen unterhalb derSchwelle eines Projekts oder Plans unmittelbar anzuwenden. Dasvorliegende Urteil ist für alle Fälle relevant, die vor der Veröffentli-chung der ersten Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeu-tung entschieden wurden. Bei der Dauer verwaltungsgerichtlicherProzesse werden davon noch zahlreiche im Klageverfahren befind-liche Projekte auf Jahre erfasst werden. Ferner liegen für bestimm-te Arten und Lebensraumtypen keine ausreichenden Kenntnissevor, um die Vollständigkeit der Liste beurteilen zu können. Biszum Abschluss der derzeit laufenden wissenschaftlichen Prüfun-gen und des Nachmeldeverfahrens durch Bekanntgabe der end-gültigen Gebietslisten durch die Kommission existieren weiterhinvorgeschlagene FFH–Gebiete, auf die die Grundsätze des Urteilsanzuwenden sind.

Aus dem Vorbehalt der Kommission ergibt sich, dass nach ihrerAuffassung für bestimmte Lebensraumtypen und Arten nicht alle inFrage kommende Gebiete vorgeschlagen wurden. Die vorliegendeEntscheidung betrifft aber ein Gebiet, dass der Kommission vomMitgliedstaat vorgeschlagen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob derEuGH die Zulassungsmöglichkeit von Projekten analog Art. 6 Abs. 3und 4 FFH-RL auch in potenziellen FFH–Gebieten zulassen wird, dieder Kommission nicht vorgeschlagen wurden, aber europarechtlichhätten vorgeschlagen werden müssen, da sie die Voraussetzungendes Anhangs III, Phase 1, Buchst. A oder B FFH-RL erfüllen. Betrach-tet man die Rechtsprechung des EuGH zu den faktischen Vogel-schutzgebieten,19 dürften hier erhebliche Zweifel angebracht sein.

Kathrin Klooth/Hans Walter Louis

UVP in der planerischen Abwägung – Bauleitplanung und Luftqualitätsrecht

BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 – 4 CN 11.03

Leitsätze:1. § 17 UVPG 1993 unterwirft die Aufstellung, Änderung oder

Ergänzung von Bebauungsplänen auch unter dem Blick-winkel der Umweltverträglichkeitsprüfung den Anforde-rungen, die sich aus dem Abwägungsgebot ergeben.

2. Die Umweltverträglichkeitsprüfung schafft die methodi-schen Voraussetzungen dafür, die Umweltbelange vorab soherauszuarbeiten, dass sie in gebündelter Form in dieAbwägung eingehen.

3. Ob Defizite im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfungauf den Abwägungsvorgang im Übrigen durchschlagen,richtet sich nach dem für Abwägungsmängel maßgeb-lichen Fehlerfolgenregime (hier: § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB1998).

4. Je größeres Gewicht den Belangen des Umweltschutzes inder Abwägung zukommt, desto eher ist davon auszugehen,dass sich methodische Unzulänglichkeiten bei der Ermitt-lung, Beschreibung und Bewertung im Sinne des § 2 Abs. 1Satz 2 UVPG auf das Planungsergebnis ausgewirkt habenkönnen.

5. Luftreinhaltepläne sind ein wesentliches, aber nicht daseinzige Instrument, um die Einhaltung der in der 22.BImSchV festgesetzten Immissionswerte sicherzustellen(im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 –BVerwG 9 A 6.03 – NVwZ 2004, 1237).

Vorinstanz: OVG Koblenz vom 02.05.2002 – Az.: OVG 1 C11563/00 –

Aus den Gründen: I. Der Antragsteller wendet sich gegen den am 27. August 1998 be-schlossenen Bebauungsplan »Innenstadt I« der Antragsgegnerin.

Das Plangebiet liegt überwiegend südlich der Aar, der Geltungs-bereich des gleichzeitig mit dem angegriffenen Plan beschlosse-nen und in Kraft gesetzten Bebauungsplans »Innenstadt II« er-streckt sich auf den Bereich der nördlich der Aar gelegenen zentra-len Innenstadt. Gegenstand beider Planungen ist in erster Linieeine veränderte Verkehrsführung der Ortsdurchfahrt der Bundes-straße B 417, die bislang unter Inanspruchnahme u.a. des Markt-platzes im Einbahnverkehr auf zwei verschiedenen Strecken durchdie Innenstadt verläuft, künftig aber im Zwei-Richtungs-Verkehrvorwiegend über Straßenzüge im Plangebiet »Innenstadt I« ge-führt werden soll. Die Antragsgegnerin sieht ihre 1993 eingeleitetePlanung als vorübergehenden Kompromiss an. Als Endziel der in-nerstädtischen Verkehrsentwicklung strebt sie eine Tunnellösungan. Die Verkehrsverlagerung führt entlang der neuen Trasse zu ei-ner Erhöhung der Lärm- und Luftschadstoffbelastungen sowie zurteilweisen Inanspruchnahme von Grundstücken. (…)

II. Die Revision des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.Das angefochtene Normenkontrollurteil bietet im Ergebnis keinenAnlass zu rechtlichen Bedenken.

1. Der angegriffene Bebauungsplan »Innenstadt I« scheitertnicht an § 1 Abs. 3 BauGB. Entgegen der Auffassung des Normen-kontrollgerichts kann in diesem Zusammenhang dahin stehen,wie weit die in der Verordnung über Immissionswerte für Schad-stoffe in der Luft – 22. BImSchV – vom 11. September 2002 (BGBl IS. 3626) getroffenen Regelungen geeignet sind, einem Bauleitplanals rechtliches Hindernis im Wege zu stehen, durch das die Erfor-derlichkeit im Sinne dieser Bestimmung in Frage gestellt wird (vgl.hierzu BVerwG, Urteile vom 12. August 1999 – BVerwG 4 CN4.98 – BVerwGE 109, 246 und vom 17. Dezember 2002 – BVerwG

Prof. Dr. iur LL.M. Hans Walter Louis(UC Los Angeles), Ministerialrat, Leiter des Referats »Rechtsangele-genheiten des Naturschutzes, Eingriffsregelung« im NiedersächsischenUmweltministerium, Lehrbeauftragter für Umwelt- und Planungsrechtan der Universität Hannover und der Technischen Universität Braun-schweig, Schriftleiter der Zeitschrift »Natur und Recht«, Mitglied desDeutschen Rats für Landespflege.

Regierungsrätin Kathrin KloothNds. Umweltministerium, Referat für Rechtsangelegenheiten des Na-turschutzes, Eingriffsregelung, Archivstraße 2, 30169 Hannover.Tätigkeitsschwerpunkte: Natura 2000, Umsetzung BNatSchG in Lan-desrecht

18 Abl. EG 2004 Nr. 14, S. 21, Nr. 382 S. 1, Nr. 387 S. 1.19 EuGH, NuR 2001, 210, 212, Rn. 47.

R E C H T S P R E C H U N G | BVerwG, UVP in der p laner i schen Abwägung

200 | ZUR 4/2005

4 C 15.01 – BVerwGE 117, 287). Zu der Zeit, als die Antragsgegne-rin den angegriffenen Bebauungsplan beschloss (27. August 1998)und bekannt machte (7. Oktober 1998), war die 22. BImSchVebenso wenig Teil der Rechtsordnung wie die Richtlinie1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte fürSchwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel undBlei in der Luft (ABl. EG vom 29. Juni 1999 Nr. L163/41), derenUmsetzung die 22. BImSchV dient. Beide Rechtsnormen tratenerst später in Kraft. Rechtsänderungen, die eintreten, nachdem einBebauungsplan wirksam geworden ist, kommen als rechtlichesHindernis im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB nicht in Betracht.

2. Der angegriffene Bebauungsplan leidet außer an dem vomNormenkontrollgericht markierten Fehler nicht an Abwägungs-mängeln, die zu seiner Ungültigkeit führen.

2.1 Das Oberverwaltungsgericht beanstandet, dass »aus Anlassder Planung keine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung(UVP) durchgeführt worden« sei. Es hält dieses Versäumnis aberfür unbeachtlich, weil sich bei konkreter Betrachtungsweise dieMöglichkeit, dass dieser Mangel im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2BauGB in der hier nach § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB 2004 maßgebli-chen Fassung vom 27. August 1997 (BGBl I S. 2141) von Einflussauf das Entscheidungsergebnis gewesen sei, ausschließen lasse.Diese Einschätzung lässt sich letztlich nicht beanstanden.

Das Normenkontrollgericht legt nicht dar, was nach seinem Ver-ständnis die Besonderheiten einer »förmlichen« Umweltverträg-lichkeitsprüfung ausmacht. Es stellt nicht in Abrede, dass eine aufdie planungsrelevanten Umweltbelange bezogene Prüfung statt-gefunden hat. Auch der Antragsteller bestreitet nicht, dass die An-tragsgegnerin alle Belange des Umweltschutzes, die nach Lage derDinge in die Abwägung einzustellen waren, gesehen und bei derabschließenden Entscheidung – wenn auch nach seiner Einschät-zung in unzulänglicher Weise – berücksichtigt hat. Sollte das Nor-menkontrollgericht mit seinem nicht weiter erläuterten Hinweisauf das Erfordernis einer »förmlichen« Umweltverträglichkeit-sprüfung zum Ausdruck gebracht haben wollen, dass es die An-tragsgegnerin, um UVP-rechtlichen Anforderungen zu genügen,nicht damit bewenden lassen durfte, die planungsrelevanten Um-weltbelange in der Abwägung schlicht wie sonstige Belange zuberücksichtigten, so wäre ihm in diesem Punkt aus folgendenGründen zuzustimmen:

2.2 Der angegriffene Bebauungsplan unterlag der UVP-Pflicht.Auf ihn war das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung– UVPG – in der Fassung des Art. I Nr. 3 des Investitionserleichte-rungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 (BGBl IS. 466) anwendbar. Er wies die in § 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG bezeichne-ten Merkmale auf. Denn er war dazu bestimmt, einen Planfeststel-lungsbeschluss für ein Vorhaben im Sinne der Anlage zu § 3 UVPGzu ersetzen. Er hatte den Bau bzw. die Änderung einer nach § 17FStrG planfeststellungsbedürftigen Bundesfernstraße im Sinne derNr. 8 der Anlage zu § 3 UVPG zum Gegenstand. § 17 Abs. 3 Satz 2FStrG ermöglichte es, die Planfeststellung durch einen Bebauungs-plan zu ersetzen. § 17 Satz 1 UVPG stellte klar, dass die nach derUVP-Richtlinie gebotene Umweltverträglichkeitsprüfung im Bau-leitplanverfahren durchzuführen war. Diese gesetzgeberische Vor-kehrung war für planfeststellungsersetzende Bebauungspläne un-umgänglich, da für diese Art der Vorhabenzulassung kein anderesTrägerverfahren zur Verfügung stand. Hierzu bestimmte § 17 Satz 22. Halbsatz UVPG, dass sich der Umfang der Prüfung nach den fürdie Aufstellung, Änderung oder Ergänzung des Bauleitplans anzu-wendenden Vorschriften richtet. Diese Regelung wurde in § 17Satz 2 UVPG um die Bestimmung ergänzt, dass § 2 Abs. 1 Satz 1bis 3 UVPG anzuwenden sei. Danach umfasste die als unselbständi-ger Verfahrensteil gekennzeichnete und unter Einbeziehung derÖffentlichkeit durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung

die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungendes Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser,Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechsel-wirkungen, sowie auf Kultur und sonstige Sachgüter.

§ 17 Satz 2 UVPG war in der ursprünglichen Fassung des Geset-zes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12. Februar 1990(BGBl I S. 205) noch nicht enthalten. Er wurde erst durch das Ge-setz vom 22. April 1993 angefügt. Der Gesetzgeber bezog mit die-ser Regelung Position in dem Streit, der unter der Geltung des § 17UVPG in der Ursprungsfassung darüber entbrannt war, ob die Vor-schriften des Baugesetzbuches, auf die in der Erstfassung des § 17UVPG verwiesen wurde, den Anforderungen der UVP-Richtliniegenügten oder einer spezifisch UVP-rechtlichen Anreicherung be-durften. Er trat dem Vorschlag des Bundesrats entgegen (BTDrucks12/4208 S. 19), im Text des § 17 UVPG ausdrücklich zu bekräfti-gen, dass sich der Umfang der Prüfung »ausschließlich« nach denfür die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung des Bauleitplans an-zuwendenden Vorschriften bestimme (vgl. die Gegenäußerungder Bundesregierung BTDrucks 12/4208 S. 30). Vielmehr stellte erin § 17 Satz 2 UVPG klar, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 UVPG, in demumschrieben wird, was den spezifischen Gehalt der Umweltver-träglichkeitsprüfung ausmacht, auch im Rahmen des Bebauungs-planaufstellungsverfahrens eigenständige Bedeutung zukommt.Als Ausprägung des Frühzeitigkeitsprinzips gewährleistet die Um-weltverträglichkeitsprüfung eine auf die Umweltbelange zentrier-te Vorabprüfung unter Ausschluss der sonstigen Belange, die sichfür oder gegen das Vorhaben ins Feld führen lassen. Die Auswir-kungen des Planvorhabens auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG ge-nannten Schutzgüter sind vor der abschließenden Abwägung ge-sondert zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. Die Um-weltverträglichkeitsprüfung schafft die Voraussetzung dafür, dieUmweltbelange so herauszuarbeiten, dass sie in die Abwägung ingebündelter Form eingehen. Durch diese Verfahrensweise wirdverhindert, dass diese Belange in einer atomistischen Betrach-tungsweise nicht mit dem Gewicht zur Geltung kommen, das ih-nen in Wahrheit bei einer Gesamtschau gebührt. Verstärkt wirddie Bedeutung der Umweltverträglichkeitsprüfung dadurch, dasssie in der Ausprägung, die sie in Umsetzung der UVP-Richtlinie in§ 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG erfahren hat, durch einen integrativen An-satz gekennzeichnet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996– BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238; Beschluss vom 22. März1999 – BVerwG 4 BN 27.98 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 103;vgl. auch Beschluss vom 14. Mai 1996 – BVerwG 7 NB 3.95 –BVerwGE 101, 166).

Der Gesetzgeber bindet die Umweltverträglichkeitsprüfung fürden Bereich der Bauleitplanung in § 17 UVPG 1993 verfahrens-mäßig und inhaltlich in die Vorschriften ein, die für die Aufstel-lung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen oder Sat-zungen nach dem Baugesetzbuch maßgeblich sind. Durch diese In-tegration verknüpft er sie mit den Anforderungen, die sich aus denim Baugesetzbuch enthaltenen Verfahrensnormen und dem Abwä-gungsgebot ergeben. Zu den insoweit einschlägigen Verfahrensvor-schriften zählen insbesondere die Einbeziehung der Öffentlichkeitgemäß § 3 BauGB 1998 (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 9 UVPG 1993),die Behördenbeteiligung nach § 4 BauGB 1998 (vgl. § 7 UVPG1993) und die zusammenfassende Darstellung und Bewertung derUmweltauswirkungen in der Planbegründung gemäß § 9 Abs. 8BauGB 1998 (vgl. § 11 UVPG 1993). Das in § 2 Abs. 1 Satz 2UVPG 1993 angeordnete Prüfprogramm (Ermittlung, Beschrei-bung und Bewertung der Umweltauswirkungen) ist im Rahmen derAbwägung nach den zum Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGBa.F. entwickelten Grundsätzen abzuarbeiten. Dies bringt der Ge-setzgeber in § 1 a Abs. 2 Nr. 2 BauGB 1998 dadurch zum Ausdruck,dass die Bewertung der im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprü-

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fung ermittelten und beschriebenen Auswirkungen des Planvorha-bens auf die Umwelt in der Abwägung zu berücksichtigen ist.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung stellt sich in diesem Rege-lungszusammenhang als ein der allgemeinen Abwägung vorge-schalteter Zwischenschritt dar. Durch die insoweit vorgenomme-ne Abschichtung wird sichergestellt, dass sich die Gemeinde be-reits in der Anfangsphase mit den Belangen des Umweltschutzesauseinander setzt. Der Abwägungsvorgang erhält eine Struktur, diein Bezug auf die Umweltbelange zu einer erhöhten Richtigkeitsge-währ beizutragen vermag. Unterlässt es die Gemeinde, sich me-thodisch an § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG 1993 auszurichten, liegt darinein Ermittlungs- und Bewertungsfehler. Dieses Versäumnis recht-fertigt für sich genommen indes nicht ohne weiteres den Schluss,dass die Planungsentscheidung fehlerhaft ist und keine Rechtswir-kungen erzeugen kann. Ob Defizite im Bereich der Umweltverträg-lichkeitsprüfung auf den Abwägungsvorgang im Übrigen durch-schlagen, richtet sich nach dem für Abwägungsmängel maßgebli-chen Fehlerfolgenregime. Insoweit einschlägig ist hier § 214 Abs. 3Satz 2 BauGB 1998. Danach sind Mängel im Abwägungsvorgangnur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungser-gebnis von Einfluss gewesen sind. Lässt die Gemeinde UVP-recht-liche Vorgaben außer Acht, so ist der Verstoß nur dann erheblich,wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sie ohne den Fehlereine andere Planungsentscheidung getroffen hätte (vgl. BVerwG,Beschlüsse vom 20. Januar 1992 – BVerwG 4 B 71.90 – Buchholz406.11 § 214 BauGB Nr. 5 und vom 20. Januar 1995 – BVerwG 4 NB43.93 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 74). Versäumt es die Ge-meinde, im Rahmen einer Planung, die der UVP-Pflicht unterliegt,eine auf die Umweltauswirkungen bezogene Prüfung vorzuneh-men und die Umweltbelange als Ergebnis dieser Prüfung in gebün-delter Form den übrigen Belangen gegenüberzustellen, so lässtsich die Möglichkeit, dass das Abwägungsergebnis bei korrektemVorgehen anders ausgefallen wäre, allerdings nicht leichthin vonder Hand weisen. Je größeres Gewicht den Belangen des Umwelt-schutzes im Interessengeflecht der Abwägung zukommt, destoeher ist davon auszugehen, dass sich methodische Unzulänglich-keiten bei der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung im Sinnedes § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG auf das Planungsergebnis ausgewirkthaben können.

2.3 Das Normenkontrollgericht hat die Kausalitätsfrage so nichtgestellt. Auch wenn es die durch die Planung hervorgerufenenUmweltauswirkungen nicht im Wege einer Gesamtschau gewür-digt hat, erhellt indes aus den Entscheidungsgründen des ange-fochtenen Urteils, dass es den Beurteilungsmaßstab, der insoweitanzulegen ist, der Sache nach nicht verfehlt hat. Über die von ihmangestellten Betrachtungen hinaus brauchten ihm weitere Erwä-gungen zu diesem Punkt deshalb nicht geboten zu erscheinen,weil die Planungsentscheidung nach seiner Einschätzung zwar un-ter verschiedenen Gesichtspunkten Anlass zu Beanstandungenbietet, aus spezifisch umweltrechtlicher Sicht aber ungeachtet derTatsache, dass die Antragsgegnerin nicht nach den Vorgaben des§ 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG 1993 vorgegangen ist, allenfalls punktuelleDefizite aufweist, die in der Gesamtbilanz nicht nennenswert zumNachteil des Planvorhabens zu Buche schlagen. Auf der Grundlageder im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen nötigtedie konkrete Planungssituation das Normenkontrollgericht nichtdazu, der Frage praktische Bedeutung beizumessen, ob die Um-weltbelange in ihrer Summe in der Konkurrenz mit den für die Pla-nung ins Feld geführten Belangen geeignet gewesen wären, dasAbwägungsergebnis zu beeinflussen.

3. Die Einwände der Revision gegen die Straßendimensionie-rung und die Lärmprognose bleiben erfolglos.

(…)

4. Die 22. BImSchV hat nicht zur Folge gehabt, dass der angegrif-fene Bebauungsplan nachträglich außer Kraft getreten ist. DerPlan ist nicht funktionslos geworden.

Freilich können die Verhältnisse, auf die sich bauplanerischeFestsetzungen beziehen, nicht bloß aufgrund der tatsächlichenEntwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Planverwirkli-chung auf unabsehbare Zeit ausschließt (vgl. hierzu BVerwG, Ur-teil vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 – BVerwGE 54, 5; Be-schluss vom 7. Februar 1997 – BVerwG 4 B 6.97 – Buchholz 406.11§ 10 BauGB Nr. 33). Auch Rechtsänderungen können der Verwirk-lichung eines Bebauungsplans nachträglich als objektives Hinder-nis im Wege stehen. Zwischen den Begriffen der Funktionslosig-keit und der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bestehteine innere Wechselbeziehung. Es entspricht ständiger Senats-rechtsprechung, dass unüberwindliche tatsächliche oder rechtli-che Hindernisse, die der Umsetzung planerischer Festsetzungenauf unabsehbare Zeit entgegenstehen, es unter dem Blickwinkelder Erforderlichkeit ausschließen, dass ein Bebauungsplan wirk-sam wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 1999 – BVerwG4 CN 4.98 – a.a.O. und vom 17. Dezember 2002 – BVerwG 4 C15.01 – a.a.O.). Liegen solche Hindernisse im Zeitpunkt der Pla-nung noch nicht vor, treten sie aber später ein, so liegt der Schlussnahe, die Funktionslosigkeit nach denselben Maßstäben zu beur-teilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. August 1990 – BVerwG 7 C 41bis 43.89 – BVerwGE 85, 273). Die Wertungsparallelität erlaubt dieallgemeine Folgerung, dass ein Bebauungsplan funktionslos wer-den kann, wenn sich die Sach- oder die Rechtslage nachträglich soverändert hat, dass ein Planvollzug auf unüberschaubare Zeit aus-geschlossen erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004– BVerwG 4 C 3.03 – ZfBR 2004, 796). Bloße Zweifel an der Ver-wirklichungsfähigkeit des Plans reichen für die Annahme einesunüberwindlichen Hindernisses indes nicht aus. Ein Bebauungs-plan tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit nur dann außerKraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steue-rung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist(vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 –a.a.O. und vom 3. August 1990 – BVerwG 7 C 41 bis 43.89 – a.a.O.;Beschluss vom 17. Februar 1997 – BVerwG 4 B 16.97 – Buchholz406.11 § 10 BauGB Nr. 34).

Mit der 22. BImSchV ist zwar eine Rechtsänderung eingetreten,die als entscheidungsrelevantes rechtliches Hindernis in Betrachtkommt. Das Konzept, das der Planung der Antragsgegnerin zu-grunde liegt, erweist sich aufgrund dieser Neuregelung aber nichtals offenkundig hinfällig. Das hat das Normenkontrollgericht imErgebnis richtig erkannt, auch wenn die Gründe, die es hierfür an-führt, nicht tragfähig erscheinen.

4.1 § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV legt für die Zeit ab 1. Januar 2010»zum Schutz der menschlichen Gesundheit« einen »Immissions-grenzwert« von 40 µg/m3 für Stickstoffdioxid fest. Entgegen derAuffassung des Normenkontrollgerichts liegt der Verordnung kei-ne ausschließlich gebiets- oder ballungsraumbezogene Betrach-tung zugrunde, bei der nicht darauf abzustellen ist, ob vorhaben-bedingt an einzelnen Stellen des maßgeblichen Gebiets Grenzwer-tüberschreitungen auftreten. Richtig ist, dass nach Maßgabe des§ 9 der 22. BImSchV »Gebiete« bzw. »Ballungsräume« festzulegensind, in denen nach § 10 Abs. 2 der 22. BImSchV »zur Beurteilungder Konzentrationen der einzelnen Schadstoffe Messungen«durchzuführen sind. Indes kommt es nicht darauf an, ob der maß-gebliche Grenzwert an allen Messstellen in dem jeweiligen Gebietoder Ballungsraum überschritten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom26. Mai 2004 – BVerwG 9 A 6.03 – NVwZ 2004, 1237). Der mit derRegelung verfolgte Schutzzweck ließe sich bei einer flächen-deckenden Beurteilung nicht erreichen. Denn wie aus der Nr. I a)der Anlage 2 zur 22. BImSchV zu ersehen ist, sind die Messstellen

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nicht ausschließlich dort zu errichten, »wo die höchsten Konzen-trationen auftreten«. Vielmehr sollen die Messungen auch anOrten durchgeführt werden, an denen Daten gewonnen werdenkönnen, »die für die Exposition der Bevölkerung im Allgemeinenrepräsentativ sind«. Es kann auch nicht auf die Durchschnittsbela-stung in dem jeweiligen Gebiet oder Ballungsraum ankommen.Denn für die Ermittlung eines solchen aus den Ergebnissen allerMessstellen gebildeten Mittelwerts stellt die 22. BImSchV kein Ver-fahren zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004– BVerwG 9 A 6.03 – a.a.O.). Sie beschränkt sich, der Richtlinie1999/30/EG folgend, in den Anlagen 4 und 5 auf Angaben zur Da-tenerhebung an den einzelnen Probenahmestellen. Maßgebendfür die Beurteilung der Schadstoffbelastung ist die Situation indem Bereich, der durch die jeweilige Messstelle erfasst wird. Inso-weit bietet die 22. BImSchV im Anschluss an die Richtlinie1999/30/EG die Gewähr für aussagekräftige Ergebnisse. Denn dieProbenahmestellen für Messungen dürfen nur an Standorten er-richtet werden, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Nach derNr. II 5. der Anlage 2 sollten beispielsweise »Probenahmestellenfür den Verkehr in Bezug auf alle Schadstoffe mindestens 25 Metervon großen Kreuzungen und mindestens 4 Meter von der Mittedes nächstgelegenen Fahrstreifens entfernt sein; für Stickstoffdio-xid- und Kohlenmonoxid-Messungen höchstens 5 Meter vomFahrbahnrand entfernt sein«. Diese Detailanforderungen lassensich als Indiz dafür werten, dass der Richtliniengeber mit seiner insdeutsche Recht umgesetzten Regelung das Ziel verfolgt, dieGrundlagen für eine Bewältigung der Schadstoffproblematik »vorOrt« zu schaffen und es nicht lediglich mit einer gesamtgebiets-oder ballungsraumbezogenen Betrachtung bewenden zu lassen.

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergreifen die zuständigenBehörden die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung derdurch die 22. BImSchV festgelegten Immissionswerte sicherzustel-len. Werden diese Werte überschritten, so hat die für den Immis-sionsschutz zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 BImSchG einenLuftreinhalteplan aufzustellen. Darin werden die erforderlichenMaßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreini-gungen festgelegt, die nach Maßgabe des § 47 Abs. 4 Satz 1 BIm-SchG entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung desGrundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zurichten sind. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich die Einhal-tung der Grenzwerte in aller Regel mit den Mitteln der Luftreinhal-teplanung sichern lässt. Dieses Instrumentarium versagt allerdingsdort, wo durch Grenzwertüberschreitungen vollendete Tatsachengeschaffen werden, die sich nicht wieder beseitigen lassen. Die Luf-treinhalteplanung verspricht nur dann Erfolg, wenn die Immissi-onsschutzbehörde zwischen mehreren zur Einhaltung der Grenz-werte geeigneten Mitteln wählen kann. Überschreiten die Immis-sionen, die von einer einzelnen Quelle – etwa einer Straße –herrühren, bereits für sich genommen den maßgeblichen Grenz-wert, so lässt sich dieses Ergebnis nicht dadurch aus der Welt schaf-fen, dass mit Hilfe von Luftreinhaltemaßnahmen der Hebel bei an-deren Schadstoffquellen in der Nachbarschaft angesetzt wird. Ab-zustellen ist in einem solchen Fall darauf, ob sich die durch dieStraße verursachte Luftverunreinigung gegebenenfalls so weit ver-ringern lässt, dass der EG-rechtlich vorgegebene Qualitätsstandarderreicht wird. Erfolg versprechen in dieser Richtung nur Maßnah-men, die unmittelbar darauf abzielen, die Emissionsquelle Straßezu entschärfen. Erscheint es ausgeschlossen, durch nachträglicheSchutzvorkehrungen (Wälle, Schutzpflanzungen o.ä.), Verkehrsbe-schränkungen oder verkehrslenkende Maßnahmen die Einhaltungder Grenzwerte sicherzustellen, so scheidet die Luftreinhaltepla-nung als Abhilfemöglichkeit aus. Der Gesetzgeber stellt indes klar,dass Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität nicht aussch-ließlich im Rahmen des § 47 BImSchG zulässig sind. § 45 Abs. 1

Satz 2 BImSchG belegt, dass Luftreinhaltepläne nur eines der In-strumente sind, die in Betracht kommen, um die Einhaltung der inder 22. BImSchV festgesetzten Immissionswerte sicherzustellen(vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 – BVerwG 9 A 6.03 – a.a.O.).

4.2 In welcher Weise den Anforderungen der 22. BImSchV imRahmen der Bauleitplanung Rechnung zu tragen ist, bedarf keinernäheren Erörterung. Die vom Normenkontrollgericht getroffenenFeststellungen rechtfertigen jedenfalls nicht die Annahme, dassder rechtliche Bestand des angegriffenen Bebauungsplans durchdie Grenzwertregelungen dieser Verordnung unmittelbar in Fragegestellt wird. Auf der Grundlage der im Juli 1997 angestelltenSchadstoffuntersuchung lässt sich nicht sicher vorhersagen, dassder nach § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV für Stickstoffdioxid maßgebli-che Grenzwert von 40 µg/m3 im Jahr 2010 überhaupt überschrit-ten werden wird.

Der nach den Angaben des Sachverständigen mit einer Fehler-marge von 24 % im Wege eines »Grob-Screening« für denAbschnitt der Schaumburger Straße errechnete Wert von110,8 µg/m3 wurde nach den Vorgaben der Verordnung über dieFestlegung von Konzentrationswerten – 23. BImSchV – vom16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1962) als 98 Perzentil-Wert im Sinnedes § 2 Nr. 1 dieser Verordnung ermittelt. Wie aus der den Beteilig-ten bekannten Stellungnahme des Landesamts für Umweltschutzund Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz vom 15. März 2004 zu erse-hen ist, entspricht er nach den bisher gesammelten Erfahrungendem 2- bis 2,2-fachen des über ein Kalenderjahr gemittelten Werts,auf den § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV abstellt. Werden die Unsicher-heiten in Rechnung gestellt, die das im Juli 1997 verwandte Scree-ning-Programm und die Umrechnung von dem einen Beurtei-lungssystem in das andere in sich bergen, so sind im Jahre 2010 ander Schaumburger Straße über das Kalenderjahr gemittelte Immis-sionswerte zwischen 38,3 µg/m2 und 68,7 µg/m3 wahrscheinlich.Auch wenn auf der Grundlage dieser Abschätzung Grenzwertüber-schreitungen eher zu erwarten als auszuschließen sind, deutetnichts darauf hin, dass durch die Plankonzeption der Antragsgeg-nerin unverrückbare Tatsachen geschaffen werden, die spätere Ab-hilfemaßnahmen von vornherein aussichtslos erscheinen lassen.Zwar scheiden baulich-physische Vorkehrungen, etwa in Formvon Schutzpflanzungen o.ä. (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom18. Juni 2003 – BVerwG 4 A 70.01 – Buchholz 451.91 EuropUm-weltR Nr. 10), mit Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten aus.Die Möglichkeit, andere erfolgversprechende Maßnahmen zu er-greifen, wird hierdurch indes nicht ausgeschlossen. Die Antrags-gegnerin kennzeichnet ihre Planung selbst als Übergangslösung.Ihr Konzept ist nicht darauf angelegt, die Verkehrsverhältnisse imInnenstadtbereich auf Dauer zu bereinigen. Als Mittel, die Stick-stoffdioxidbelastung zu reduzieren, kommen neben Geschwindig-keitsbegrenzungen gegebenenfalls Verkehrsbeschränkungen oderverkehrslenkende Maßnahmen in Betracht. Wird der Verkehrauch nur teilweise auf andere Straßen verlagert, so läuft dies frei-lich unter Umständen darauf hinaus, dass die Antragsgegnerinvon ihrem auf Innenstadtentlastung und Verkehrsberuhigung ge-richteten städtebaulichen Anliegen im Nachhinein wieder Abstri-che machen muss. Etwaige nachteilige Auswirkungen auf die vonihr erstrebten städtebaulichen Strukturen hat sie indes hinzuneh-men, wenn sich anders das Ziel, die Stickstoffdioxidbelastung aufdas zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderliche Maßzu begrenzen, als nicht erreichbar erweisen sollte.

Werden solche Maßnahmen in einem Luftreinhalteplan vorge-sehen, so ermächtigt § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG die zuständigeStraßenverkehrsbehörde, nach Maßgabe der straßenverkehrs-rechtlichen Vorschriften entsprechende Anordnungen zu treffen.Wie aus § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 StVO zu ersehen ist, könnendie Straßenverkehrsbehörden auch sonst die Benutzung bestimm-

OVG Ber l in , Zur Verantwortung für d ie Bese i t igung von Abfä l len | R E C H T S P R E C H U N G

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ter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölke-rung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und denVerkehr umleiten (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Juni 1986 – BVer-wG 7 C 76.84 – BVerwGE 74, 234 und vom 15. April 1999 – BVer-wG 3 C 25.98 – BVerwGE 109, 29). Mit Hilfe dieses Instrumentari-ums lässt sich dem Interesse des Antragstellers, vor Schadstoffbelä-stigungen bewahrt zu bleiben, die über das Maß des Zumutbarenhinausgehen, zu gegebener Zeit voraussichtlich ausreichend Rech-nung tragen. Sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorhan-den, dass die Schutzmechanismen nicht greifen werden, die derGesetzgeber außerhalb des Bauplanungsrechts bereitstellt, so fehltes an dem Offensichtlichkeitsmerkmal, das nach der Rechtspre-chung des Senats für die Annahme der Funktionslosigkeit unver-zichtbar ist.

Zur Verantwortung des Grundstückseigentümers fürdie Beseitigung von darauf lagernden Abfällen

OVG Berlin, Urteil vom 19. November 2004 – 2 B 7.01

Leitsätze:1. Wird ein von der DDR unter Zwangsverwaltung gestelltes

mit gewerblichen Abfällen belastetes Grundstück zurück-erstattet, so kann sich der Eigentümer grundsätzlich nichtdarauf berufen, er sei wegen der fehlenden Einwirkungs-möglichkeit auf die Grundstücksnutzung nicht Besitzer derAbfälle geworden. Ebenso wenig kann der Eigentümer inaller Regel geltend machen, dass ihn die Verantwortung fürdie Beseitigung der Abfälle unverhältnismäßig treffe; dassgilt jedenfalls dann, wenn die Kosten der Abfallbeseitigungden Verkehrswert des Grundstücks nicht übersteigen.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen einem Grundstücks-eigentümer, dem rechtswidrig die Beseitigung von Abfällenaufgegeben worden ist, ein auf den Ersatz der Beseiti-gungskosten gerichteter Folgenbeseitigungsanspruchzustehen kann.

Vorinstanz: VG 10 A 792.97

Tatbestand: Die Klägerin begehrt die Erstattung der von ihr aufgrund einer Ab-fallbeseitigungsanordnung aufgewendeten Kosten.

Sie ist (…) Eigentümerin der ihr von ihrer Mutter im Wege dervorweggenommenen Erbfolge übertragenen Grundstücke. (…)Die Grundstücke wurden von der DDR unter staatliche Verwal-tung gestellt. (…) Diese vermietete die Grundstücke ab 1954 anden VEB ISOKOND. (…)

Aus den Gründen:Die Berufung hat keine Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Ver-waltungsgericht die auf Ersatz der von der Klägerin für die Beseiti-gung der Abfälle auf dem Grundstück aufgewendeten Kosten ge-richtete Klage als unbegründet abgewiesen.

Allerdings vermag der entscheidende Senat nicht die Auffassungdes Verwaltungsgerichts zu teilen, dass es hier für die Zuerken-nung eines Folgenbeseitigungsanspruchs bereits an der Grundvor-aussetzung fehle, dass die kostenverursachende Beauftragung ei-nes Abfallentsorgungsunternehmens »unmittelbar« auf die vonder Klägerin als rechtswidrig beanstandete Abfallbeseitigungsan-ordnung zurückzuführen sei. Soweit das Verwaltungsgericht diefür einen auf Geldausgleich gerichteten Folgenbeseitigungsan-spruch erforderliche Unmittelbarkeit hinsichtlich eines rechts-widrigen hoheitlichen Handelns und einer finanziellen Einbuße(vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984, BVerwGE 69, S. 366, 371,373, Bay. VGH, Urteil vom 28. Juli 1995, NVwZ-RR 1996, S. 645 f.und Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 303) mit

dem Hinweis darauf verneint, dass die Klägerin die Abfallbeseiti-gung aufgrund einer eigenen Entschließung in Auftrag gegebenhabe, steht dem entgegen, dass sie der ihr aufgegebenen Abfallbe-seitigung nicht nach ihrem Belieben durch eigenes Handeln hättenachkommen können, sondern nur mit Hilfe eines fachlich kom-petenten Abfallentsorgungsunternehmens, dessen Beauftragungdeshalb durch die Abfallbeseitigungsanordnung selbst – unmittel-bar– gefordert war. Das ergibt sich aus den insoweit geltenden ab-fallrechtlichen Bestimmungen. Die auf den Grundstücken im Zeit-punkt der Abfallbeseitigungsanordnung nach Einstellung des Pro-duktionsbetriebs der ISOKOND verbliebenen Abfälle stelltenmehrheitlich besonders überwachungsbedürftige Abfälle nach § 3Abs. 8 Satz 1, § 41 Abs. 1 und 3 des Kreislaufwirtschafts- und Ab-fallgesetzes – KrW-/AbfG – vom 27. September 1994 (BGBl. 1 S.2705) in Verbindung mit der seinerzeit anzuwendenden Verord-nung zur Bestimmung von besonders überwachungsbedürftigenAbfällen vom 10. September 1996 (BGBl. I S. 1366) dar. Als Abfällezur Beseitigung mussten sie nach den Grundsätzen der gemein-wohlverträglichen Abfallbeseitigung gemäß § 10 KrW-/AbfG be-seitigt werden (§ 11 Abs. 1 KrW-/AbfG). Hierzu gehörte auch, dassdie Abfälle der Zentralen Einrichtung für Sonderabfälle, der SBB,angedient werden mussten; denn das Landesrecht sah vor, dassSonderabfälle, die behandelt, gelagert oder abgelagert werden sol-len, der SBB von dem entsorgungspflichtigen Abfallbesitzer ko-stenpflichtig anzudienen waren. Die Andienungspflicht bestandaufgrund des § 14 Abs. 1 Satz 1 des Landesabfallgesetzes vom 21.September 1993 (GVBl. S. 651), der auch nach dem Inkrafttretendes Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes des Bundes im Jahr1996 aufgrund von dessen § 13 Abs. 4 Satz 1 anwendbar blieb. DieAndienungspflicht wurde durch § 4 der Verordnung über die Orga-nisation der Sonderabfallentsorgung des Landes Berlin (Sonderab-fallentsorgungsverordnung – SoAbfEV –) vom 22. Januar 1996(GVBl. S. 73) konkretisiert. Ihr konnte die Klägerin nur durch dieVerbringung der Sonderabfälle zu einer Abfallentsorgungsanlagenachkommen (vgl. § 4, § 5 Abs. 1 Satz 2 SoAbfEV). Allein für dieBeförderung der Abfälle waren entsprechend § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr.2, § 42 Abs. 1 und 2 KrW-/AbfG ein Nachweisbuch zu führen undBelege vorzulegen. Die Anforderungen an das Nachweisbuch unddie vorzulegenden Belege richteten sich nach der Verordnungüber Verwertungs- und Beseitigungsnachweise (Nachweisverord-nung – NachWV –) vom 10. September 1996 (BGBl. I S. 1382, be-richtigt BGBl. 1997, 1 S. 2860), deren Anwendbarkeit nicht gemäߧ 1 Abs. 2 NachWV ausgeschlossen war, weil die Abfälle aus demGeschäftsbetrieb der ISOKOND stammte. Danach war von dernachweispflichtigen Person (§ 2, § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 NachWV)schon vor der entsprechenden Verbringung ein Entsorgungsnach-weis zu führen (§ 3 NachWV), der die Zulässigkeit der Entsorgungfeststellte und eine Vorabkontrolle darstellte. Bei dem Transportwar gemäß § 15 NachWV ein Begleitschein zu verwenden, wo-durch eine nachträgliche Verbleibskontrolle sichergestellt wurde.Dieses Verfahren verlangt eine Kenntnis der Materie, die ein Priva-ter nicht besitzt und die auch nicht von ihm verlangt werdenkann, so dass die Klägerin als nichtfachkundige Person die Abfall-beseitigung nicht ohne die Beauftragung eines entsprechend kom-petenten und zugelassenen Unternehmens durchfuhren konnte.Der Einwand des Beklagten, an der erforderlichen Unmittelbarkeitfehle es jedenfalls deshalb, weil der Klägerin nicht die Beauftra-gung eines bestimmten Unternehmens aufgegeben worden sei,führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn allein die der Klägerinverbliebene Möglichkeit, sich ein Unternehmen für die Durch-führung der Abfallbeseitigung auszuwählen, lässt nicht denZwang zur Heranziehung eines Fachunternehmens und damit denUnmittelbarkeitszusammenhang der Kostenfolge für die Klägerinentfallen. Soweit sich unter den entsorgten Stoffen auch lediglich

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überwachungsbedürftige Abfälle befanden, hat auch dies keine ab-weichende rechtliche Bewertung zur Folge, denn auch die Sortie-rung und Feststellung der Abfallart verlangte eine ausreichendeFachkunde, was die von dem Entsorgungsunternehmen durchge-führten Untersuchungen belegen, wo allein für die Analyse derAbfälle 5.901 DM in Rechnung gestellt wurden. (…)

Der von der Klägerin mit dem Ziel der Erstattung der ihr durchdie Abfallbeseitigung entstandenen Kosten geltend gemachte Fol-genbeseitigungsanspruch besteht jedoch nicht; denn die auf § 21Abs. 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1, § 10 Abs. 2 KrW-/AbfG ge-stutzte Abfallbeseitigungsanordnung war rechtmäßig.

Die Klägerin war im Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsan-ordnung vom 11. April 1997 entgegen ihrer Auffassung hinsicht-lich der auf den Grundstücken verbliebenen Stoffe Abfallbesitze-rin im Sinne von § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG und damit Normadressatindes § 11 KrW-/AbfG. Der Begriff des Abfallbesitzers ist öffentlich-rechtlicher Art und stimmt nicht mit dem des BGB überein, so dasses nicht auf einen Besitzbegründungswillen, sondern allein auf dietatsächliche Sachherrschaft ankommt (st. Rspr. schon zum Abfall-gesetz, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983, BVerwGE67, S. 8, 11 f.; Urteil vom 11. Dezember 1997, BVerwG 106, S. 43,46; Urteil vom 8. Mai 2002, NVwZ 2003, S. 1252; aus der Literaturvgl. z.B. Frenz, KrW-/AbfG, 3. Aufl. 2002, § 3 Rdnr. 88 f. m.w.N.).Dabei ist der Begriff des Abfallbesitzers nicht nach einzelfallorien-tierten Kriterien und damit allgemeinen Maßstäben der Zumut-barkeit und Sozialadäquanz zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteilvom 19. Januar 1989, DVBl. 1989, S. 522 f.). Entscheidend ist viel-mehr ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft an demGrundstück, welche die rechtlichen und tatsächlichen Einwir-kungsmöglichkeiten einschließt, um die Abfälle der Entsorgungzuzuführen und die damit eine entsprechende Zuordnung der Ver-antwortlichkeit für den Zustand des Grundstücks rechtfertigt (vgl.die zitierten Urteile des BVerwG vom 11. Februar 1983 und vom11. Dezember 1997, a.a.O. sowie die Ausführungen und Nachwei-se bei Frenz, a.a.O.). Die so beschaffene Sachherrschaft wird regel-mäßig bereits durch das Eigentum an dem Grundstück vermittelt,wobei der Grundstückseigentümer sie in vollem Umfang erlangt,sobald er hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks keine rechtli-chen Duldungspflichten mehr hat (vgl. dazu Fluck [Hrsg.], KrW-/AbfG, § 3 Rdnr. 305).

Ein diesen Anforderungen entsprechendes Mindestmaß anSachherrschaft hat die Klägerin spätestens im Laufe des Jahres1995 erlangt, nachdem ihr die Verwaltung des Grundstücks (…)zurückübertragen worden war und sie bereits zum 31. Dezember1994 der ISOKOND regulär entsprechend dem Mietvertrag gekün-digt hatte. Damit war sie in vollem Umfang in die Eigentümerstel-lung und die damit verbundene Verfügungsbefugnis eingerückt,wovon sie auch in der Folge Gebrauch gemacht hat. So hat sie ei-nen Hausverwaltervertrag geschlossen, die ISOKOND zur Räu-mung aufgefordert und einen Kaufvertrag über das Grundstück ge-schlossen. Ein etwa noch fortbestehender tatsächlicher Besitz desVerwalters der ISOKOND war unberechtigt. Die zwischen den Be-teiligten streitige Frage, ob die Klägerin selbst über einen Schlüsselzu dem Grundstück verfügte oder über den ehemaligen Bedienste-ten der ISOKOND an den Schlüsselkasten gelangen konnte, warnach alledem nicht entscheidungserheblich.

Die Stellung der Klägerin als Abfallbesitzerin war entgegen ihrerAuffassung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie oder ihreMutter als Rechtsvorgängerin aufgrund der vor der deutschenWiedervereinigung über die Grundstücke verhängten Zwangsver-waltung und deren Nachwirkungen rechtlich und tatsächlich kei-nen Einfluss auf die auf dem Grundstück erzeugten und gelagertenAbfälle hatten. Für die Erlangung des Abfallbesitzes ist es grund-sätzlich unerheblich, auf welcher Art und Weise die Sachherr-

schaft erlangt worden ist. Der Grundstückseigentümer wird regel-mäßig auch Abfallbesitzer der von Dritten verbotswidrig auf seinGrundstück geworfenen – ihm also aufgedrängten Abfälle, wenndas Grundstück nach der Verkehrsauffassung einen Herrschaftsbe-reich darstellt, welcher zugleich die tatsächliche Gewalt über diedort liegenden Gegenstände begründet. Das ist bei einem imStadtbereich belegenen, zudem durch eine Mauer umfriedeten Ge-werbegrundstück zu bejahen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezem-ber 1997, BVerwGE 106, S. 43, 47, Urteil vom 19. Januar 1989,DVBl. 1989, S. 522 f. sowie Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2.Aufl. 2003, § 3 Rdnr. 58). Eine Ausnahme wird in der Rechtspre-chung des Bundesverwaltungsgerichts in jenen Fällen anerkannt,bei denen Abfälle auf einem frei zugänglichen, einem allgemeinenBetretungsrecht unterliegenden Grundstück verbotswidrig ohneWissen und Wollen des Eigentümers oder Besitzers abgelagert wer-den (vgl. die Urteile des BVerwG vom 8. Mai 2003, NVwZ 2003,S. 1252 vom 11. Februar 1983, BVerwGE 67, S. 8, 12 sowie vom13. Januar 1994, DÖV 1994, S. 267, 268). Eine solche Konstellationist hier jedoch nicht gegeben. Die Grundstücke der Mutter der Klä-gerin waren nie in dem genannten Sinne frei für die Allgemeinheitzugänglich. Dass die Abfälle darauf zum Teil zu einer Zeit abgela-gert worden sind, als die Klägerin oder ihre Mutter noch keinenZugriff auf die Grundstücke hatten, rechtfertigt es nicht, sie mitder Allgemeinheit zugänglichen Grundstücken gleichzusetzen.Denn die im Vergleich zu anderen Grundstücken abweichende ab-fallrechtliche Beurteilung derartiger Grundstücke hat ihre Ursachein deren spezifischen öffentlich-rechtlichen Beschränkung in derWeise, dass die freie Zugänglichkeit dort der Eigentümerstellung apriori immanent ist (vgl. Frenz, a.a.O.). Die Mutter der Klägerinund die Klägerin haben vielmehr – wie noch ausgeführt werdenwird – aus der Zwangsverwaltung ein – wenn auch vertragswidrig –mit Abfällen belastetes Grundstück mit den sich daraus zivil- undverwaltungsrechtlich ergebenden Pflichten und Rechten erlangt;insoweit unterscheidet sich die Eigentümerstellung nicht grund-sätzlich von derjenigen an einem nach Beendigung eines Miet-oder Pachtverhältnisses zurückerlangten Gewerbegrundstück.

Auch die Auswahl der Klägerin als verantwortliche Abfallbesitze-rin war nicht ermessensfehlerhaft. Mit Rücksicht auf die bei derarti-gen Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Vordergrund stehendenZiele der Schnelligkeit und Effizienz ist es nicht zu beanstanden,dass der Beklagte, nachdem ihm am 31. März 1995 von dem Ver-walter die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der ISOKONDmitgeteilt worden war, von dem zunächst am 10. April 1995 unter-nommenen Versuch einer Inanspruchnahme des Verwalters wegenZweifeln an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterneh-mensvermögens Abstand genommen und sich an die Klägerin alsnunmehr »zustandsverantwortliche« Abfallbesitzerin gehalten hat(vgl. hierzu auch den Beschluss des BVerfG vom 16. Februar 2000,NJW 2000, S. 2573, 2575 und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.Dezember 2001, VBIBW 2002, S. 491). Dass der Beklagte nichtschon früher gegen Abfallablagerungen auf dem Grundstück vor-gegangen ist, wie es die Klägerin fordert, ist nicht zu beanstanden.Soweit – was die Klägerin behauptet und der Beklagte bestreitet –die Behörde bereits frühzeitig von den Abfallablagerungen Kennt-nis gehabt haben sollte und dennoch nicht sofort, sondern erstnach ihrer Information über die Eröffnung des Gesamtvoll-streckungsverfahrens über das Vermögen der ISOKOND tätig ge-worden ist, würde dies nur dann zu einem Ermessensfehler führen,wenn die Behörde absichtlich abgewartet hätte, bis die Gesellschaftzahlungsunfähig geworden war. Dafür bestehen jedoch keinerleiAnhaltspunkte, zumal zu Zeiten des Betriebes der ISOKOND dieAbfalleigenschaft dort verwendeten Materialien sowie deren Artund Menge noch nicht ohne weiteres feststellbar waren.

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Dem Anliegen der Klägerin, von Abfallbeseitigungskosten entla-stet zu werden, auf deren Entstehung und Ablagerung auf denGrundstücken sie infolge der – rechtswidrigen – Zwangsverwal-tung durch die DDR und deren Nachwirkungen keinen Einflussnehmen konnte, ist auch nicht unter dem verfassungsrechtlichenAspekt des Gebots der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.In Bezug auf die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit für bela-stete Grundstücke hat das Bundesverfassungsgericht in dem ge-nannten Beschluss vom 16. Februar 2000, NJW 2000, S. 2573,2575) grundsätzlich festgestellt, dass nach Maßgabe der einschlä-gigen sicherheitsrechtlichen Vorschriften der Eigentümer einesGrundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet wer-den kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseiti-gen, auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch ver-schuldet hat. Dieser Grundsatz ist im Prinzip für die Pflichtenstel-lung des Abfallbesitzers, der zugleich Eigentümer des betreffendenGrundstücks ist, anerkannt (vgl. Frenz, a.a.O., § 3 Rdnr. 89 und be-reits BVerwGE 106, S. 43, 46; vgl. im Übrigen zu der Entscheidungdes BVerfG die Literaturnachweise bei Mohr, NVwZ 2003, S. 686mit Fußnote 2). Diese grundsätzliche Zustandsverantwortlichkeitdes Eigentümers begründet das Bundesverfassungsgericht mit derSachherrschaft des Eigentümers sowie mit der Verbindung vonVorteilen und Lasten der Sache. Eine unter dem Gesichtspunkt derVerhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit prinzipiell zu wahrendeGrenze der Belastung des betreffenden Grundstücks ist nach derEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Fällen über-schritten, in denen aufgrund der geforderten Sanierung die Privat-nützigkeit der Verwendung des Grundstücks aufgehoben oder inFrage gestellt wird. Als Anhaltspunkt für die Feststellung dieser Be-lastungsgrenze kann das Verhältnis des finanziellen Aufwands zudem Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der gefor-derten Maßnahmen dienen. Bereits diese Grenze ist im vorliegen-den Fall nicht annähernd erreicht. (…)

Eine der vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen be-sonderen Konstellationen, bei denen eine diese Grenze über-schreitende Belastung des Grundstückseigentümers als unzumut-bar anzusehen ist (a.a.O.), ist im vorliegenden Fall von vornhereinnicht gegeben. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen wer-den, dass die Abfallbelastung des Grundstücks »aus der Allgemein-heit zuzurechnenden Ursachen« herrührt. Aus Anlass des vorlie-genden Falles bedarf es keiner Klärung, weiche Fallgestaltungenhierunter zu verstehen sind und wo in derartigen Fällen die Beia-stungsgrenze anzusetzen wäre. Denn die durch die DDR über dieGrundstücke verfügte Zwangsverwaltung, auf die die von der Mut-ter der Klägerin und ihr nicht beeinflussbare Ablagerung des Ab-falls zurückzuführen ist, kann aus grundsätzlichen rechtssystema-tischen Erwägungen nicht als der Allgemeinheit zuzurechnendeUrsache in dem erörtertem Sinne eingestuft werden.

Eine dahingehende Auslegung wäre mit dem Rechtssystem derÜberleitung der unter dem Regime der DDR beschlagnahmten undder freien Nutzung der zivilrechtlichen Eigentümer weitgehendentzogenen Grundstücke in das Bundesrecht unvereinbar. Die Klä-gerin hat die Grundstücke auf der Grundlage des Vermögensgeset-zes – VermG – zurückerhalten. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VermG wirddie staatliche Verwaltung über Vermögenswerte auf Antrag des Be-rechtigten durch Entscheidung der Behörde aufgehoben. Nach § 11a Abs. 1 VermG endete die staatliche Verwaltung über Vermögens-werte auch ohne Antrag des Berechtigten mit Ablauf des 31. De-zember 1992. Als Rechtsfolge der Rückübertragung bestimmt § 16Abs. 1 VermG, dass mit der Rückübertragung von Eigentumsrech-ten oder der Aufhebung der staatlichen Verwaltung die Rechte undPflichten, die sich aus dem Eigentum am Vermögenswert ergeben,durch den Berechtigten selbst oder durch ein vom Berechtigten zubestimmenden Verwalter wahrzunehmen sind. Nach § 17 VermG

werden durch die Rückübertragung von Grundstücken oder Ge-bäuden oder die Aufhebung der staatlichen Verwaltung bestehen-de Miet- oder Nutzungsverhältnisse – von bestimmen Ausnahmenabgesehen – nicht berührt. Damit hat der Bundesgesetzgeber eineRegelung vorgesehen, die vor der Rückübertragung bezüglich derGrundstücke entstandenen Rechte und Pflichten grundsätzlich an-erkennt. Zu den übergegangenen Pflichten zählt auch die kraft Ge-setzes bestehende Zustandsverantwortlichkeit, in die der Berechtig-te demgemäß als neuer Eigentümer eintritt (vgl. RechtshandbuchVermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR – RVI – § 16VermG Rdnr. 15). Eine damit für den Einzelnen verbundenen wirt-schaftlichen Risiken berücksichtigende Regelung ist sodann in § 11Abs. 1 Nrn. 2 und 4 VermG getroffen worden. Danach kann der Be-rechtigte statt der Aufhebung der staatlichen Verwaltung unter Ver-zicht auf sein Eigentum Entschädigung nach dem Entschädigungs-gesetz wählen. Mit dem Wirksamwerden des Verzichts wird der Be-rechtigte von allen Verpflichtungen frei, die auf den Zustand desVermögenswertes seit Anordnung der staatlichen Verwaltungzurückzuführen sind. Hieraus ergibt sich mittelbar, dass ohne ei-nen Eigentumsverzicht eine »Rechtsnachfolge« des Eigentümers indie bisherige Pflichtenstellung des Zustandsverantwortlichen fürAltlasten eintreten würde. Dies wird auch durch die Amtliche Be-gründung zum Regierungsentwurf vom 16. April 1993 (BT-Drs.244/93, S. 58) bestätigt, wo es heißt: Für Handlungen oder Unter-lassungen während der Dauer der angeordneten staatlichen Ver-waltung kann der Eigentümer nicht zur Verantwortung gezogenwerden. Die Vorschrift befreit ihn daher von der »Zustandshaf-tung«, wenn der die Haftung auslösende Umstand während derstaatlichen Verwaltung eingetreten ist. In dieser Weise wird derZweck der Regelung auch in der Kommentarliteratur gesehen (vgl.Nentwig/Nethe in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus,VermG, § 1 1 Rdnr. 55; Säcker-Hummert in: Säcker, VermG, § 1 1Rdnr. 1 9). Der Gesetzgeber hat demnach Konfliktsituationen derhier vorliegenden Art erkannt und abschließend geregelt, indem erden Pflichtigen die Möglichkeit des Verzichts eingeräumt hat. Die-ses Regelungssystem verstößt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1GG, weil der Berechtigte anstelle des Eigentums immerhin eineEntschädigung nach Maßgabe des Entschädigungsgesetzes erhält(vgl. Kiethe in: Rechtshandbuch RVI, Systematische Darstellung 11Rdnr. 718 f.), deren – im Vergleich zum Verkehrswert – geringereHöhe zugleich das damit auf den Staat übergehende Altlastenrisikoberücksichtigt.

Im Widerspruch zu diesem Regelungssystem würde eine Risiko-und Kostenverteilung, wie sie die Klägerin fordert, im Ergebnisdarauf hinauslaufen, generell in allen Fällen, in denen auf einemrückerstatteten Grundstück Altlasten vorgefunden werden, denEigentümern der Sache nach insoweit ein vollständiger Anspruchauf Freistellung von der Zustandsverantwortung gegen die öffent-liche Hand und damit zu Lasten der Allgemeinheit zuzuerkennenwäre. Für einen solchen Anspruch ist aber weder eine einfachge-setzliche noch eine verfassungsrechtliche Grundlage ersichtlich.Ansonsten verlören auch § 11 Abs. 1 Satz 4 VermG und die Mög-lichkeit der Freistellung des Eigentümers von der Verantwortlich-keit für Altlasten nach Art. 1 § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzesder DDR vom 29. Juni 1990 (GBI. 1 Nr. 42, S. 649) in der Fassungdes Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen der Pri-vatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitio-nen vom 22. März 1991 (BGBl. I S. 766, 788) ihren Sinn.

Angesichts der so beschaffenen Rechtslage kommt es nicht dar-auf an, ob eine Haftungsbegrenzung der Klägerin hinsichtlich die-ser Abfallablagerungen nicht von vornherein dadurch entfallenist, dass sie das Risiko einer Belastung der erkennbar seit Jahrzehn-ten industriell genutzten Grundstücke bewusst oder zumindestfahrlässig in Kauf genommen hat, was nach dem Beschluss des

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Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 (a.a.O.) sogar ei-ne den Verkehrswert übersteigende Kostenbelastung rechtfertigenkönnte und ob eine solche Risikoübernahme etwa darin gesehenwerden könnte dass die Klägerin statt des Verzichts nach § 11 Abs.1 Satz 2 VermG die Restitution gewählt hat. (…)

Keine Verbandsklagerechte eines Naturschutz-verbandes gegen einen Offshore-Windenergiepark

OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2004 – 1 Bf 113/04

Leitsätze (der Redaktion): 1. Das mit § 61 BNatSchG eingeführte Verbandsklagerecht

anerkannter Naturschutzverbände setzt nach der Über-gangsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BNatSchG einegesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungspflicht der aner-kannten Naturschutzverbände voraus, die für das Verfah-ren zur Genehmigung von Offshore-Windenergieparksweder aus § 5 Abs. 3 SeeAnlV noch aus § 9 Abs. 1 Satz 1UVPG folgt.

2. Die FFH-Richtlinie und die Vogelschutz-Richtlinie verschaf-fen Naturschutzverbänden keine Verbandsklagebefugnis,da sie weder unmittelbar noch mittelbar dem Schutz perso-naler Schutzgüter, wie etwa der menschlichen Gesundheit,dienen.

3. Eine Verbandsklagebefugnis folgt auch nicht aus der UVP-Richtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 97/11/EG,da Naturschutzverbände nicht zu der betroffenen Öffent-lichkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der genannten Richtliniegehören.

Aus dem Tatbestand: Der Kläger ist ein vom Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit anerkannter Naturschutzverband. Erwendet sich gegen die Genehmigung eines Offshore-Windener-gieparks in der Nordsee. Im September 2000 beantragte die Beige-ladene bei der Beklagten, ihr die Errichtung eines Windenergie-parks mit 80 Windenergieanlagen in einer Entfernung von ca. 34km vor der Insel Sylt in der ausschließlichen Wirtschaftszone derBundesrepublik Deutschland zu genehmigen. Der Standort liegt ineinem Gebiet, das das Bundesamt für Naturschutz für eine Aus-weisung als Vogelschutzgebiet vorgeschlagen hat; eine Ausweisungist nicht erfolgt. Die Beklagte übersandte im Juni 2002 die An-tragsunterlagen mit den eingeholten Gutachten an die beteiligtenBehörden, Stellen und Verbände und machte sie öffentlich be-kannt. Nachdem der Kläger verlangt hatte, ihn am Genehmi-gungsverfahren zu beteiligen, erhielt er die Antragsunterlagen undgab ihm die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme. (…)

Aus den Gründen:Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die Berufung gegen das Ur-teil des Verwaltungsgerichtes ist nicht gemäß den §§ 124 Abs. 2,124 a VwGO zuzulassen.

1. Der Kläger hat keine Gründe dargelegt, die ernstliche Zweifelan der Richtigkeit des Urteiles des Verwaltungsgerichtes begrün-den (§§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Der Kläger trägt vor, Art. 20 a GG verlange eine verfassungs-konforme Auslegung des einschlägigen Rechts. Der Schutz dernatürlichen Lebensgrundlagen erfordere es, angesichts des Kon-fliktpotenzials der genehmigten Anlagen und der schwer wiegen-den Gefahren für die Meeresumwelt ein rechtsmittelfähiges Kon-trollsystem zu entwickeln. Deshalb sei den Naturschutzvereinenhier eine Klagbefugnis zuzuerkennen. Dies überzeugt nicht.Gemäß Art. 20a GG schützt der Staat die natürlichen Lebens-grundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen

Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetzund Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtspre-chung. Das Verwaltungsgericht hat richtig ausgeführt, dass nachdem geltenden Gesetz und Recht eine Verbandsklagebefugnis desKlägers hinsichtlich der hier angegriffenen Genehmigung einesOffshore-Windenergieparkes nicht gegeben ist.

b) Nach den insoweit von dem Kläger zu Recht nicht in Zweifelgezogenen Überlegungen des Verwaltungsgerichts gilt das mit § 61des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 (BGBl. I S.1193 mit Änd.) – BNatSchG – eingeführte Verbandsklagerecht an-erkannter Naturschutzverbände nach der Übergangsvorschrift des§ 69 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BNatSchG für vor dem 3. April 2002 bean-tragte und nach dem 1. Juli 2000 erlassene, noch nicht bestands-kräftige Verwaltungsakte, sofern im vorausgegangenen Verwal-tungsverfahren eine Mitwirkung der von dem Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit anerkannten Ver-eine gesetzlich vorgeschrieben war. Diese Übergangsregelunggreift ein. Die Beklagte hat die angegriffene Genehmigung bereitsim Jahr 2000 beantragt. Für das deshalb zur Begründung einer Ver-bandsklagebefugnis nach § 61 BNatSchG erforderliche Mitwir-kungsrecht der Naturschutzvereine ergibt sich aus den Darlegun-gen der Kläger kein ausreichender Anhalt.

b. a) Entgegen der Auffassung des Klägers setzt das Verbandskla-gerecht nach dem klaren Wortlaut des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchGvoraus, dass eine gesetzliche Verpflichtung der Genehmigungs-behörde bestand, die anerkannten Verbände mitwirken zu lassen.Hingegen ist eine Mitwirkung noch nicht deshalb gesetzlich vor-geschrieben, weil die Genehmigungsbehörde sie – wie im vorlie-genden Falle – tatsächlich durchgeführt hat.

b. b) Die Beklagte war nicht gemäß § 5 Abs. 3 Seeanlagenverord-nung vom 23.1.1997 (BGBl. I S. 57 mit spät. Änd.) – SeeAnlV – ge-setzlich verpflichtet, den Kläger an dem Verfahren zur Genehmi-gung des Windparks mitwirken zu lassen. Nach dieser Vorschriftberücksichtigt die Genehmigungsbehörde bei der Genehmigungdie Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Stellen, derenAufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Der Klägergehört nicht – wie er meint – deshalb zu den sonstigen Stellen,weil er auf Grund seiner Sachkunde und Aufgabenstellung Infor-mationen zu den Genehmigungsvoraussetzungen beitragen kann.Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die »son-stigen Stellen« eine gewisse strukturelle Nähe zu den in der Rege-lung an erster Stelle genannten Behörden aufweisen. Rein sprach-lich verdeutlicht die Regelung mit der Verwendung des Aus-druckes »sonstige«, dass auch Behörden Stellen im Sinne derVorschrift sind (vgl. zu dem strafrechtlichen Begriff der neben denBehörden in § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB genannten sonstigen StellenBGH, Urt. v. 29.1.1992, NJW 1992, S. 847, 848; LG Köln, Beschl. v.1.8.2003 NJW 2004 S. 2173). Zwischen den Behörden und densonstigen Stellen müssen daher Ähnlichkeiten bestehen. Nachdem Wortlaut der Vorschrift sind an dem Verwaltungsverfahrenzudem nur solche »sonstigen Stellen« zu beteiligen, deren Aufga-benbereich durch das Vorhaben berührt wird. Die Vorschrift ver-klammert Behörden und sonstige Stellen durch das beiden ge-meinsame Erfordernis einer Berührung in ihrem Aufgabenbereich.Der Kläger hat aber keinen derartigen strukturierten und durch dieTräger öffentlicher Gewalt, insbesondere die Regierungen undKommunen vorgegebenen Aufgabenbereich, wie er für Behördentypisch ist. Er gibt sich seine Satzung selbst und bestimmt seineAufgaben im Rahmen seiner Satzung autonom. Bei dem Klägerhandelt es sich um eine rein private Nichtregierungsorganisation,die nicht in die öffentliche Verwaltung eingebunden oder von ihrabhängig ist und auch nicht mit der Wahrnehmung öffentlicherAufgaben beliehen oder sonst betraut ist. An diesem Unterschiedzu anderen öffentlichen oder »halbamtlichen« Stellen ändert

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nichts, dass ihn das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit als Naturschutzverein anerkannt hat. Hätteder Verordnungsgeber der Seeanlagenverordnung auch für derarti-ge rein private Vereine ein verfahrensrechtliches Mitwirkungs-recht begründen wollen, so hätte er dies im Wortlaut der Verord-nung deutlich gemacht.

b. c) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen,dass gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträg-lichkeitsprüfung (UVPG) in der Fassung der Bekanntmachungvom 5. September 2001 (BGBl. I S. 2350 mit spät. Änd.) i.V.m. demdurch Art. 2 Nr. 1 des Bundesnaturschutzneuregelungsgesetzesvom 25. März 2002 (BGBl. 1 S. 1193) eingefügten § 2 a SeeAnlV dieGenehmigungsbehörde die Öffentlichkeit zu den Umweltauswir-kungen des Vorhabens anzuhören hatte.

Diese Öffentlichkeitsbeteiligung begründet kein spezifischesMitwirkungsrecht der anerkannten Naturschutzvereine. Ein derar-tiges spezifisches Mitwirkungsrecht setzt aber § 69 Abs. 5 Nr. 2BNatSchG voraus (vgl. Gassner in Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG 2. Aufl. § 69 Rdnr. 8). Die Übergangs-regelung bezieht sich insbesondere auf die Fälle, in denen den aner-kannten Naturschutzvereinen ein Mitwirkungsrecht nach § 29BNtSchG a.F. eingeräumt war und ihnen darauf aufbauend nun-mehr auch rückwirkend eine Verbandsklagebefugnis eingeräumtwerden sollte (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.4.2004 – 4 C 2.03 –; Urt. v.28.6.2002 NVwZ 2002 S. 1234) Hingegen dient die Öffentlichkeits-beteiligung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UVPG nicht der Begründung dem§ 29 BNtSchG a.F. vergleichbarer Beteiligungsrechte der anerkann-ten Naturschutzvereine, § 9 Abs. 1 Satz 1 UVPG begründet lediglichein Einsichtsrecht in die Genehmigungsunterlagen für jedermann.Hingegen begrenzt Satz 2 der Regelung das Recht, Einwendungenzu erheben, auf die Betroffenen. Dies zeigt die Ausgestaltung derÖffentlichkeitsbeteiligung in § 9 Abs. 1 Satz 2 UVPG. Danach mussdas Anhörungsverfahren den Anforderungen des Auslegungs- undEinwendungsverfahrens nach § 73 Abs. 3, 4 bis 7 VwVfG genügen.Hiernach sind aber die Naturschutzverbände nicht berechtigt, dasAllgemeininteresse am Naturschutz unabhängig davon einzuwen-den, ob sie in eigenen Belangen betroffen sind (vgl. agner, UVPG §9 Rdnr. 21; Peters, HK-UVPK § 9 Rdnr. 7). Angesichts des Hinweisesauf § 73 VwVfG heißt Öffentlichkeit zum einen Einsichtnahme indie Unterlagen durch jedermann und zum anderen Einwendungs-berechtigung für alle, deren Belange durch das Vorhaben berührtwerden (vgl. Peters, UVPG § 9 Rdnr. 3). Dies hindert die Genehmi-gungsbehörde allerdings nicht, die Verbände wie Sachverständigein das Verfahren einzubeziehen.

Hinzu kommt: § 9 UVPG dient der Umsetzung der Richtlinie desRates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfungbei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten 85/337/EWG(Abl. Nr. L 175/40), geändert durch Richtlinie 97/11/EG vom 3.März 1997 (Abl. Nr. L 74/5). Nach Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie sollnur der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung gege-ben werden. Dazu zählen die anerkannten Naturschutzvereinenicht (siehe dazu unten unter c.b]). Es kann nicht angenommenwerden, dass der Gesetzgeber über seine Verpflichtung zur Umset-zung der genannten Richtlinie hinaus ein spezifisches Beteiligungs-recht für die anerkannten Naturschutzvereine begründen wollte.Im Gegenteil schließt § 9 Abs. 3 Satz 2 UVPG geradezu vorsorglichaus, dass durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit Rechtsan-sprüche begründet werden. Erst recht spricht nichts für die Annah-me, der Gesetzgeber habe bereits in der bloßen Verpflichtung zurÖffentlichkeitsbeteiligung eine Mitwirkungspflicht zu Gunsten deranerkannten Naturschutzvereine sehen und daran rückwirkend fürBescheide, die vor dem Stichtag des 3. April 2002 beantragt wordensind, eine Verbandsklagebefugnis begründen wollen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass auch daseuropäische Recht dem Kläger im vorliegenden Falle kein Ver-bandsklagerecht verschafft. Der Kläger hat keine Gesichtspunktedargelegt, die daran ernsthafte Zweifel begründen.

c. a) Das Gemeinschaftsrecht verlangt in der vorliegenden Fall-konstellation nicht, ein Verbandsklagerecht zu entwickeln, umden Zielsetzungen der Richtlinie 92/43 EWG vom 21. Mai 1992zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildleben-den Tiere und Pflanzen (Abl. EG Nr. L 206 S.7), zuletzt geändertdurch Richtlinie 97/62 EG vom 27. Oktober 1997 (Abl. EG Nr. L305 S. 42) – FFH-Richtlinie – zum Erfolg zu verhelfen – »effet utile«.Entsprechendes gilt für die Richtlinie 79/409/EWG vom 2. April1979 über die Erhaltung wildlebender Vogelarten (Abl. EG Nr. L103 S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie 97/49/EG vom 29. Juli1997 [Abl. EG Nr. L 223 S. 9]) – Vogelschutzrichtlinie –. Das Ver-waltungsgericht (S. 13 ff. des Urteiles) hat dargelegt, dass die Mit-gliedstaaten nach den Richtlinien berechtigt sind, ein verfahrens-rechtliches Interesse bzw. eine Betroffenheit des Einzelnen zu ver-langen, der sich vor Gericht auf diese Richtlinien beruft (vgl. dazuEuGH, Urt. v. 14.12.1995 – C-312/93 – (Peterbroek) Slg. 1995 S. I-04599). Diese Befugnis berechtigte Deutschland, an dem Erforder-nis einer Klagbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO festzuhalten. Ander danach für eine Klage erforderlichen subjektiven Rechtspositi-on fehlt es hier. In der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt:Umweltrechtliche Richtlinien können dem Einzelnen einen ge-richtlichen durchsetzbaren Schutz nur gewähren, wenn die Richt-linie zumindest auch personale Rechtsgüter schützt, wie etwa diemenschliche Gesundheit (vgl. EuGH, Urteile v. 30.5.1991,– C-361/88 [Luftqualität – Schwefeldioxyd und Staub] Slg. 1991 I-2567Rdnr. 16 und C-59/89 [Luftqualität – Blei] Slg. 1991 I-2607, Rdnr.19; v. 17.10.1991 – C-587 – [Oberflächengewässer/Trinkwasser]Slg. 1991, I-4983 Rdnr. 14; v. 12.12.1996 – C298/95 – [Muschelge-wässer] Slg. 1996, I-6747 Rdnr. 16). Daran fehlt es hier.

Schutzziel von Art. 6 Absätze 2 und 3 der FFH-Richtlinie ist dieErhaltung von Lebensräumen und Arten innerhalb bestimmterGebiete. Der damit bezweckte Schutz des gemeinsamen Naturer-bes ist zwar von besonderem Interesse, aber kein Anspruch, der zuGunsten von Einzelnen begründet werden kann (vgl. Schlussan-trag des Generalanwaltes 143 in EuGH, Urt. v. 7.9.2004 – C-127/02– Raad van State [Muschelfischerei im Wattenmeer]; OVG Ham-burg, Teilbeschl. v. 19.2.2001, NordÖR 2001, S. 135, 139, Beschl. v.27.2.2001, – 2 Bs 38/01 –, Beschl. v. 23.6.2003 – 2 Bs 463/02 –;BVerwG, Urt. v. 10.5.2001, BVerwGE Bd. 115, S 294/296 ff.;BVerfG, Beschl. v. 10.5.2001, NVwZ 2001 S. 1148). Insoweit kannsich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des EuGH vom7.9.2004 – C-127/02 – (Muschelfischerei im Wattenmeer) berufen.Darin heißt es unter Rdnr. 66: »Was das Recht des Einzelnen, sichauf eine Richtlinie zu berufen, und des nationalen Gerichts, sie zuberücksichtigen, angeht, wäre es mit der den Richtlinien durchArt. 249 EG zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar,grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen aufdie durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen kön-nen«. Damit hat der EuGH nicht entschieden, dass ein neues Ver-bandsklagerecht zu entwickeln ist, um den genannten Richtlinienim Wege einer Verbandsklage zum Erfolg zu verhelfen. Dies be-stätigt ein Blick in die Schlussanträge des Generalanwaltes. Dieseenthalten keinerlei Anhalt zur Entwicklung einer Verbandsklage-befugnis zur Durchsetzung der FFH-Richtlinie.

Gleiches gilt für Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie, die denSchutz wildlebender Vogelarten und nicht – auch nicht mittelbar –den der menschlichen Gesundheit im Auge hat. Auch diese Richt-linie begründet keine Verbandsklagebefugnis (vgl. die genanntenSchlussanträge des Generalanwaltes).

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c. b) Ebenfalls kann der Kläger keine Verbandsklagebefugnis ausder Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltver-träglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privatenProjekten 85/337/EWG (Abl. Nr. L 175/40), geändert durch Richt-linie 97/11/EG vom 3. März 1997 (Abl. Nr. L 73/5) herleiten. Art. 6Abs. 2 der genannten Richtlinie über die Umweltverträglichkeit-sprüfung verpflichtete die Mitgliedstaaten nicht, ein Verbandskla-gerecht für die anerkannten Naturschutzvereine einzufahren.Vielmehr hatten die Mitgliedstaaten nur dafür Sorge zu tragen,dass »der Öffentlichkeit die Genehmigungsanträge sowie die nachArt. 5 eingeholten Informationen binnen einer angemessenenFrist zugänglich gemacht werden, damit der betroffenen Öffent-lichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor Erteilung der Geneh-migung dazu zu äußern«. Nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie legendie Mitgliedstaaten die Einzelheiten dieser Unterrichtung und An-hörung fest und können sie insbesondere bestimmen, in welcherWeise die Öffentlichkeit angehört werden soll, z.B. durch Auffor-derung zur schriftlichen Stellungnahme und durch öffentlicheUmfrage. Es ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenom-men hat – nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zu der betroffe-nen Öffentlichkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der genannten Richt-linie gehören könnte. Der Kläger hat nichts vorgetragen, wasZweifel an dieser Annahme begründen könnte. Erst mit der Richt-linie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 (Abl. EU Nr. L 156/17) wurdeim Zusammenhang mit dem Beitritt der EU zu dem Aarhus-Übe-reinkommen in (4) der Erwägungsgründe auch eine Förderung derBeteiligung der Nichtregierungsorganisationen, die sich für denUmweltschutz einsetzen, vorgesehen, und in Art. 10 a das Ziel for-muliert, auch derartigen Nichtregierungsorganisationen einenweiten Zugang zu Gericht zu eröffnen (vgl. auch Art. 1 b, Art. 2Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 der genannten Änderungsrichtlinie). Auf dieerst mit der Richtlinie 2003/35/EG eingeführte Beteiligung derNichtregierungsorganisationen kann sich der Kläger nicht beru-fen. Insoweit ist die den Mitgliedstaaten bis zum 25. Juni 2005 ein-geräumte Frist zur Umsetzung in nationales Recht (Art. 6 Richtli-nie 2003/35/EG) noch nicht abgelaufen.2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutungder Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). (wird aus-geführt; die Red.)

Keine Klagebefugnis der Hochseefischer gegenTeilgenehmigung für einen Offshore-Windpark

OVG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2004 – 1 Bf 162/04

Leitsätze: 1. Berufsfischern, die nicht auf die durch die Errichtung eines

Offshore-Windenergieparks in der Außenwirtschaftszonebetroffenen Fanggründe angewiesen sind, steht weder aus§ 3 SeeanlV, noch aus Art. 14 Abs. 1 GG oder den ihnennach § 3 Seefischereigesetz erteilten Fangerlaubnissen einRecht zu, in dem sie die Genehmigung eines Windparks inder Nordsee verletzen könnte.

2. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensfehlersgemäß den §§ 124 Abs. 2 Nr. 5, 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5Satz 2 VwGO zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht dieKlage unrichtig als unzulässig abgewiesen hat, wenn esohne den Begriff der Klagbefugnis zu verkennen infolgeseiner materiell-rechtlichen fehlerhaften Subsumtion dieKlagbefugnis versagt hat, obwohl es richtigerweise die

Klage mangels einer Verletzung der Rechte der Kläger alsunbegründet hätte abweisen müssen.

Vorinstanz: 8 K 4795/02

Tatbestand: Die Klägerinnen wenden sich gegen die von der Beklagten der Bei-geladenen mit Bescheid vom 9.11.2001 erteilte Genehmigung, ca.43 bis 50 km nord-westlich der Insel Borkum in der Nordsee in derausschließlichen Wirtschaftszone 12 Windenergieanlagen alsPilotprojekt für einen 196 Windenergieanlagen umfassendenOffshore-Windpark zu errichten. Der Standort liegt zwischen denVerkehrstrennungsgebieten »Terschelling German Bight« und»German Bight Western Approach«. Die Klägerinnen betreibenvon Cuxhaven aus die Hochseefischerei. Das Verwaltungsgerichthat ihre Klage mit Urteil vom 25.3. 2004 mit der Begründung ab-gewiesen, die Klagen seien unzulässig. Es fehle an der erforderli-chen Klagbefugnis.

Aus den Gründen:Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die Berufung gegen dasaufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.3.2004 ergangeneUrteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist nicht zuzulassen.

1. Aus den von den Klägerinnen dargelegten Gründen ergebensich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils desVerwaltungsgerichts Hamburg (§§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 124 a Abs. 4Satz 4 VwGO). (…)

b) Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ergeben sich ausder Genehmigungsvorschrift des § 3 SeeAnlV für die Klägerinnenkeine Rechte, in denen sie verletzt sein könnten. Das Verwaltungs-gericht hat richtig ausgeführt, dass – zumindest in mit diese vorlie-genden Problematik der Klägerinnen vergleichbaren Fallkonstella-tionen – diese Vorschrift allein dem Schutz öffentlicher Interessenund nicht auch den Schutz der Seefischer bezweckt. Gemäß Satz 1der Vorschrift dient die Genehmigungspflicht der Abwehr von Ge-fahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder derMeeresumwelt. Nach Satz 2 Nr. 2 liegt insbesondere ein Versa-gungsgrund vor, wenn die Benutzung der Schifffahrtswege oderdes Luftraums oder die Schifffahrt beeinträchtigt würden. NachSatz 2 Nr. 3 ist die Genehmigung zu versagen, wenn eine Ver-schmutzung der Meeresumwelt zu besorgen ist. Zutreffend hat dasVerwaltungsgericht ausgeführt, dass die Regelung damit Schutzgü-ter der Allgemeinheit bezeichnet.

b.a. Den Klägerinnen ist allerdings zuzugeben, dass der Schutzder Schifffahrt den Schutz des Verkehrs mit Fischereifahrzeugenumfasst und viel dafür spricht, auch das Fahren der Kutterwährend des Fanges mit ausgebrachtem Fanggeschirr und nichtnur die Fahrten zu den Fanggebieten der Schifffahrt zuzurechnen.Gleichwohl kann nicht angenommen werden, dass das Gesetz je-dem Teilnehmer an der Schifffahrt eine – klagfähige – eigeneRechtsposition gegen die Genehmigung verschaffen will, den dieErrichtung des genehmigten Windparkes an dem Durchquerender von den Windenergieanlagen sowie etwaiger Sicherheitszonenbeanspruchten Meeresfläche hindert. Eine derartige Betrachtungs-weise würde den Kreis der Klageberechtigten unüberschaubar weitziehen. Der Kreis der an der Schifffahrt Beteiligten, also aller Perso-nen, die – in welchem Umfang auch immer – auf der See fahren, istähnlich wie der Kreis der Teilnehmer am Straßenverkehr so weitgezogen, dass er sich nicht hinreichend von der Allgemeinheit un-terscheidet. Weder die Seeanlagenverordnung noch die § 9 Abs. 1Satz 1 Nr. 4 a, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Nr. 10 a desSeeaufgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.September 1994 (BGBl. I S. 2802), auf denen die Seeanlagenverord-nung beruht, enthalten einen Anhalt dafür, dass der Gesetz- undVerordnungsgeber den an der Seeschifffahrt Beteiligten ein derartweit reichendes Recht einräumen wollte, die See frei von jeden

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Hindernissen befahren zu dürfen. Vielmehr verweist der Begriffder Schifffahrt wie auch der der Sicherheit und Leichtigkeit desVerkehrs allein auf die damit bezeichneten öffentlichen Interes-sen. Dementsprechend wird in der genannten Ermächtigungs-grundlage für die Seeanlagenverordnung dem Bund nur die Aufga-be der Zulassung der Anlagen »auf ihre Eignung im Hinblick aufden Verkehr und die Abwehr von Gefahren für die Meeresumwelt«zugewiesen. § 3 der Seeanlagenverordnung führt die Interessender Fischerei an der Befischbarkeit der Fanggründe nicht alsSchutzgut auf. Vielmehr stellt der Gesetzeswortlaut weder auf ei-nen wie auch immer umschrieben zu schützenden Personenkreisab noch nennt er das individuell geschützte Interesse (vgl. zumGanzen BVerwGE 66, 307 ff).

Die Genehmigung dieses Offshore-Windparks entfaltet keine be-lastende Drittwirkung gegenüber den Personen, die später einmalnach Errichtung der Anlage daran gehindert werden können, denWindpark zu durchfahren. Der Genehmigungsbescheid schafft kei-ne Lage, die mit der nach Aufstellung eines Verkehrsschildes ver-gleichbar ist. Ein Verkehrsschild verkörpert eine verkehrsrechtli-ches Gebot, welches jeweils den an das Schild heranfahrenden Ver-kehrsteilnehmern bekannt gemacht wird und insoweit belastendin deren allgemeine Handlungsfreiheit eingreift und ihnen eineKlagbefugnis verschafft (vgl. BVerwG, Urt. vom 21.8.2003 NJW2004, 298-699). Eine derartige verkehrsrechtliche »Gebots- bzw.Verbotswirkung« entfaltet der Genehmigungsbescheid nicht.

b.b. Der Hinweis der Klägerinnen überzeugt nicht, § 3 Satz 2 Nr.3 SeeanlagenV schütze insbesondere vor einer Verschmutzung derMeeresumwelt im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 des Seerechtsübe-reinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982(BGBl. 1994 II S. 1798) und daraus ergebe sich für sie ein dritt-schützender Gehalt der Norm.

Zwar trifft zu, dass die dortige Definition des Begriffes der »Ver-schmutzung der Meeresumwelt« die Interessen der Fischerei inden Blick nimmt. Verschmutzung meint danach » die unmittelba-re oder mittelbare Zuführung von Stoffen … in die Meeresumwelt…, aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Schädigung der le-benden Ressourcen …, eine Gefährdung der menschlichen Ge-sundheit, eine Behinderung der maritimen Tätigkeiten einschließ-lich der Fischerei und der sonstigen rechtmäßigen Nutzung desMeeres … ergeben oder ergeben können«. Das Seerechtsüberein-kommen soll aber insoweit ersichtlich nur völkerrechtliche Pflich-ten gegenüber den Vertragspartnern des Übereinkommens undnicht – innerstaatliche – subjektive Rechte einzelner Fischer be-gründen. Es erscheint ausgeschlossen, dass das Übereinkommenmit der beispielhaften Nennung der Fischerei als einer maritimenTätigkeit und einer rechtmäßigen Nutzung des Meeres den Fi-schern eigene Rechte verschaffen soll. Dem entspricht die Recht-sprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 66, 307 ff)für die vergleichbare Problematik der Genehmigung zur Verklap-pung von Dünnsäure nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zu denÜbereinkommen vom 15. 2. 1972 und 29.12. 1972 zur Verhütungder Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällendurch Schiffe und Luftfahrzeuge vom 11. 2. 1977 (BGBl. II S. 165):Diese Genehmigungsnorm vermittelt nicht deshalb einen allge-meinen Drittschutz, weil sie als Schutzgut u.a. auch die »recht-mäßigen Nutzungen des Meeres« erwähnt. Ebenso wie in Absatz 3a der Anlage III zu dem zuletzt genannten Abkommen als allge-meine Erwägung die Beeinträchtigung der Schifffahrt, der Fische-rei, der Erholung, der Gewinnung von Bodenschätzen etc. aufge-führt sind, ohne dass daraus auf einen subjektiv-rechtlichen Ge-halt geschlossen werden kann, nennt die Definition des Begriffesder Meeresumwelt die Fischerei, ohne damit den Fischern einRecht auf Durchsetzung ihrer Interessen zu verschaffen. Vielmehrspricht gerade die ausdrückliche Bezugnahme in § 3 Satz 2 Nr. 3

SeeanlagenV auf das völkerrechtliche Seerechtsübereinkommengegen eine individualrechtliche Schutzrichtung. Dass den Kläge-rinnen der mit den Genehmigungsvoraussetzungen in § 3 Seean-lagenV verbundene Schutz tatsächlich zu Gute kommen kann,genügt zur Begründung eines subjektiv-rechtlichen Gehalts derVorschrift nicht. Insoweit überzeugt auch die Erwägung der Kläge-rinnen nicht, anderenfalls würde sich die Genehmigung derarti-ger Offshore-Windparks gänzlich gerichtlicher Kontrolle entzie-hen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nur effektiven Rechtsschutz ge-genüber Verletzungen eigener Rechte, schafft aber nicht derartigeRechte (vgl. zum Ganzen OVG Hamburg, Beschl. vom 15.9.2004 –OVG 1 Bf 128/04 –).

b.c. Auch dringen die Klägerinnen nicht mit ihrer Erwägungdurch, § 3 SeeanlV verleihe ihnen in Verbindung mit dem im Bau-recht entwickelten Rücksichtnahmegebot eigene klagfähigeRechtspositionen. Sie übersehen, dass das Gebot der Rücksicht-nahme im Baurecht seine Grundlage in der gegenseitigen Ver-flechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke unddas durch diese Situationsgebundenheit geprägte Grundeigentumhat. Zudem kann dem objektiv-rechtlichen Gebot der Rücksicht-nahme nur ein individualrechtlicher Gehalt entnommen werden,wenn die Pflicht zur Rücksichtnahme durch besondere Umständequalifiziert und individualisiert wird (vgl. BVerwG a.a.O. ; BVerw-GE 52, 122) bzw. das genehmigte Vorhaben den Nachbarn konkretund in unzumutbarer Weise trifft (vgl. BVerwG, Beschl. vom20.1.1989 NVwZ 1989, 666). Damit ist die Lage der weit von demgeplanten Windpark entfernt in Cuxhaven beheimateten Hoch-seefischereibetriebe der Klägerinnen nicht vergleichbar. Ihnensteht weder an der durch den genehmigten Windpark in Anspruchgenommenen Meeresoberfläche noch an den betroffenen Fang-gründen in der Nähe des geplanten Windparks ein Eigentums-recht oder eine sonstige andere Nutzungen ausschließende subjek-tiv-rechtliche Rechtsposition zu (vgl. BVerwGE 66, 307 ff.). Auchist nichts dafür dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass dieKlägerinnen gerade auf die Befischung der von dem Pilotprojekt»netto« in Anspruch genommenen Fläche von nur 5,6 qkm bzw.einschließlich einer – noch nicht eingerichteten – Sicherheitszonevon insgesamt lediglich ca. 11 qkm angewiesen sein könnten. DieSperrung dieser eher kleinen Fläche trifft sie nicht in einem rele-vanten Maße. Daran ändert ihr Hinweis nichts, dass der geplanteWindpark sie von den hinter den Anlagen liegenden Fanggründenabschneide. Dem ist ersichtlich nicht so. Dies zeigt bereits einBlick auf das Kartenmaterial. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ange-sichts der Größe und der Lage des geplanten Windparks gerade aufdie Interessen der Klägerinnen in einer qualifizierenden und indi-vidualisierten Weise Rücksicht genommen werden müsste.

c. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dasssich aus den auf grund von § 3 des Seefischereigesetzes vom12.7.1984 (BGBl. I S. 876 mit spät. Änd.) erteilten Fangerlaubnis-sen keine Klagbefugnis für die Klägerinnen ableiten lässt. Zu Rechtziehen die Klägerinnen nicht in Zweifel, dass ihnen die Fanger-laubnisse keine konkreten Fanggründe zusprechen. Die lediglichfür die Dauer eines Jahres erteilten Fangerlaubnisse vermitteln denKlägern lediglich das Recht, in dem die gesamte Nordsee einsch-ließlich der Übergangszone zur Ostsee umfassenden Fanggebietdie ihnen zugeteilten Fischquoten auszufischen. Dieses Recht wirdnicht dadurch beschränkt, dass ihnen nach Errichtung des geplan-ten Windparkes und lange nach Ablauf der befristeten Fangerlaub-nisse die tatsächliche Möglichkeit genommen wird, auf einer ver-schwindend kleinen Teilfläche der Nordsee, auf dessen Befischungsie nicht angewiesen sind, auf Fischfang zu gehen.

Auch das bloße entfernte Risiko, es könne bei einer Kollision ei-nes Tankschiffes mit einer der genehmigten Windenergieanlagenzu einer großflächigen Öl- oder andersartigen Chemiekatastrophe

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kommen, vermag etwaige Rechte der Klägerinnen aus den ihnenbefristet erteilten Fangerlaubnissen nicht zu beeinträchtigen. (…)

d. Ebenfalls zutreffend hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt,aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG eine Klagebefug-nis der Klägerinnen herzuleiten und ausgeführt: Die Fanggründeund der dortige Fischreichtum gehörten nicht zu dem von Art. 14GG geschützten Eigentum. Auch eine – bloße – schwere Beein-trächtigung der Fangmöglichkeiten beinhalte noch keinen Ein-griff in das möglicherweise von Art. 14 GG geschützte Recht ameingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Fangmög-lichkeiten zählten nach der Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichtes (vgl. BVerwGE 66, 307 ff) zu den bloßen Erwerbs-möglichkeiten und Chancen, die eigentumsrechtlich nicht ge-schützt seien. Rechtsschutz setze erst dort ein, wo die Entziehungdieser Chancen einen Berufsfischer, der seinen Betrieb auf diesenChancen aufgebaut habe, schwer und unerträglich treffe, so dassder Bestand seines Gewerbebetriebes ernsthaft in Frage gestelltwerde. Ebenfalls richtig entnimmt das Verwaltungsgericht dieserRechtsprechung, dass von einer derartigen Intensität eines Eingrif-fes erst ausgegangen werden könne, wenn dem Vorbringen derBetroffenen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen seien, dass ihreErträge als Folge der umstrittenen Maßnahme in einem die Fort-führung ihrer Fischereibetriebe gefährdenden Umfang zurückgin-gen und sie auch nicht auf andere Fischgründe ausweichen könn-ten. Diese Grundsätze stellen die Klägerinnen nicht in Frage. (…)

d.b. Art. 14 GG verleiht den Klägerinnen auch kein Recht, das et-waige Risiko einer großflächigen Ölverschmutzung der DeutschenBucht im Falle einer Kollision eines Öl- oder Chemikalientankersmit den genehmigten Windenergieanlagen abzuwehren. Zum ei-nen ist die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Kollision mit denallerdings in der Nähe der vielbefahrenen Verkehrstrennungsgebie-te »Terschelling German Bight« und »German Bight Western Ap-proach« genehmigten Windenergieanlagen und einer dadurch ver-ursachten großflächigen Verschmutzung der westlichen Deut-schen Bucht und des Wattenmeeres nur gering. Für einegegenteilige Einschätzung lässt sich dem Vorbringen der Klägerin-nen unabhängig davon nichts entnehmen, ob die von ihnen gegendie Risikostudie des Germanischen Lloyd erhobenen Bedenkenüberzeugen oder nicht. Insoweit kommt es für die Frage eines Ein-griffes in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe-trieb nicht darauf an, ob die Beklagte objektiv-rechtlich bei der Ge-nehmigung für den Windpark das – nie vollkommen auszusch-ließende – Risiko einer derartig folgenreichen Schiffskollision als zugering vernachlässigen durfte. Zum anderen bliebe den Klägerin-nen selbst im Falle einer verheerenden Ölkatastrophe die Möglich-keit, mit ihren Hochseekuttern von Cuxhaven aus andere, ggflsauch weiter entfernte Fanggründe solange zu befischen, bis die Fol-gen der Ölverschmutzung abgeklungen sind. Es ist nichts dafürdargelegt, dass der Aktionsradius der Hochseekutter der Klägerin-nen, derart begrenzt sein könnte, dass ihnen ein derartiges Auswei-chen nicht möglich wäre. Im Gegenteil ergibt sich aus der von demVerwaltungsgericht angeführten Stellungnahme des staatlichen Fi-schereiamtes Bremerhaven vom 17.5.2002, dass die Schiffe der Klä-gerinnen zumindest in den Wintermonaten in der nördlichenNordsee auf Fang gehen. Deshalb ist die vorliegende Fallkonstella-tion nicht mit der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom1.12.1982 (BVerwGE 66, 307/310/) zugrundeliegendem Fall ver-gleichbar, in dem – wie die Klägerinnen richtig vortragen – das Bun-desverwaltungsgericht eine Klagbefugnis des nach seinem Vortragvon der Dünnsäureverklappung geschädigten Fischers bejaht hat.

Auch vermag der Hinweis der Klägerinnen auf eine von ihnenim Falle einer großen Ölkatastrophe befürchteten Absatzkrisenicht zu überzeugen. Art. 14 GG schützt die Absatzchancen der

Klägerinnen nicht vor dem Risiko, dass das »Image« der Fischpro-dukte im Falle einer Ölkatastrophe leiden könnte.

e) Aus den unter d) angeführten Überlegungen ergibt sich zu-gleich, dass die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen zu Art. 12 GGkeinen Erfolg haben können. Dabei kann offen bleiben, ob Ein-griffe in die von Art 12 GG geschützte Berufsfreiheit eine berufre-gelnde Tendenz voraussetzen. Jedenfalls ist nicht dargelegt, dassdie angegriffene Genehmigung den Klägerinnen die Grundlagefür die Ausübung ihres Berufes entziehen könnte.

f) Schließlich ergeben sich auch aus dem Vorbringen der Kläge-rinnen zu Art. 19 Abs. 4 GG keine ernsthaften Zweifel an der Rich-tigkeit des angegriffenen Urteiles. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt denKlägerinnen lediglich effektiven Rechtsschutz gegenüber Eingrif-fen der öffentlichen Gewalt in ihre eigenen Rechte. Die Rechts-schutzgarantie verleiht ihnen aber keine derartigen Rechte.

Auch überzeugt es nicht, wenn die Klägerinnen vortragen, dasVerwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Klagbefugnisüberspannt und ihnen deshalb effektiven Rechtsschutz vorenthal-ten. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes stellt sich auch dann imErgebnis als richtig dar, wenn man annähme, unter Zugrundele-gung des Vorbringens der Klägerinnen könne nicht angenommenwerden, dass offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweisesubjektive Rechte der Klägerinnen verletzt sein könnten, wie dieszur Verneinung einer Klagbefugnis erforderlich sei (vgl. dazu BVer-wG, Urt. v. 21.8.2003, NJW 2004 S. 698). Die Klage hätte auchdann keinen Erfolg, wenn das Verwaltungsgericht sie insoweit mitder Begründung als unbegründet abgewiesen hätte, es fehle jeden-falls an einer Verletzung der Rechte der Klägerinnen und einemdaraus folgenden Abwehr- bzw. Aufhebungsanspruch. Es ist deut-lich, dass das Verwaltungsgericht in jedem Falle die von den Kläge-rinnen geltend gemachten Rechtspositionen als nicht verletzt be-urteilt hätte, wenn es nicht schon insoweit die Klagbefugnis ausge-schlossen hätte. Dies kann nicht nur im Verfahren der Zulassungder Revision (vgl. dazu BVerwG, Beschl. vom 21.1.1993, NVwZ1993, 884, 887, Urt. vom 10.4.1969 Buchholz 310 § 121 VwGO Nr.29; Beschl. vom 13.6.1977 BVerwGE 54, 99/101/), sondern auchim Berufungsverfahren berücksichtigt werden. Die Klägerinnensind nicht dadurch beschwert, dass das Verwaltungsgericht dieKlage mangels Klagbefugnis schon als unzulässig und nicht erstmangels Rechtsverletzung als unbegründet abgewiesen hat (eben-so OVG Hamburg, Beschl. vom 15.9.2004 – 1 Bf 128/04 –).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutungder Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2, 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5Satz 1 VwGO zuzulassen. (wird ausgeführt; die Red.)

Kein Klagerecht einer Gemeinde gegen Offshore-Windpark

OVG Hamburg, Beschluss vom 1. September 2004 – 1 Bf 128/04

Leitsätze: 1. § 3 SeeanlV und die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28

Abs. 1 GG vermitteln einer Gemeinde keine Rechte gegendie Genehmigung eines Offshore-Windparks in der aus-schließlichen Wirtschaftszone in einer Entfernung von über30 Km vor der Küste.

2. Zur Rüge einer Überspannung der Anforderungen an dieKlagbefugnis im Berufungszulassungsverfahren.

Vorinstanz: 19 K 3585/2003

Tatbestand: Die Klägerin ist eine durch den Fremdenverkehr geprägte Gemein-de der Insel Sylt. Sie wendet sich gegen die von der Beklagten derBeigeladenen erteilte Genehmigung, in ca. 34 km Entfernung vor

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der Insel Sylt im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone derBundesrepublik Deutschland einen sog. Offshore-Windpark mit 80Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Die Genehmi-gung soll erlöschen, wenn nicht bis zum 1. Juni 2005 mit dem Baudes Windparks begonnen wird. Die Beklagte hat den Widerspruchder Klägerin gegen den Genehmigungsbescheid vom 18. Dezember2002 mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2003 zurückgewie-sen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Klägerin am 11.März 2004 zugestellten Urteil vom 1. Dezember 2003 als unzulässigabgewiesen und ausgeführt, dass es an der Klagbefugnis fehle.

Aus den Gründen:Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die Berufung gegen das aufGrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2003 er-gangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist nicht zuzu-lassen.

1. Aus den von der Klägerin dargelegten Gründen ergeben sichkeine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des Ver-waltungsgerichts Hamburg (§§ 124 Abs. 2 Nr.1, 124 a Abs. 4 Satz 4VwGO).

a) Die Klägerin macht geltend, die Genehmigung des Windparksin der ausschließlichen Wirtschaftszone der BundesrepublikDeutschland setze eine genauere Rechtsgrundlage voraus als sie§ 3 Seeanlagenverordnung – SeeAnLV – vom 23.1.1997 (BGBl. I S.57 mit spät. Änd.) biete, auf den die Beklagte die angegriffene Ge-nehmigung gestützt hat. Die sog. Wesentlichkeitstheorie verlange,§ 3 SeeAnlV ausdehnend auszulegen, um den verfassungsrechtli-chen Bedenken Rechnung zu tragen.

Diese Überlegungen stellen das Urteil des Verwaltungsgerichtsnicht ernsthaft in Frage. Das Verwaltungsgericht hat zutreffendbegründet, dass § 3 SeeAnlV nicht den Schutz der Gemeinden be-zwecke. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Genehmigung zu ver-sagen, wenn der Windpark die Sicherheit und Leichtigkeit des Ver-kehrs beeinträchtigt oder die Meeresumwelt beeinträchtigt wird.Nach Satz 2 liegt ein Versagungsgrund insbesondere vor, wenn derBetrieb oder die Wirkung von Schifffahrtsanlagen und -zeichenbzw. die Benutzung der Schifffahrtswege oder der Schifffahrt be-einträchtigt werden oder eine Verschmutzung der Meeresumweltzu besorgen ist. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenom-men, dass diese Norm nicht den Schutz von Individualinteressender Gemeinden auf Seeinseln, sondern allein öffentliche Belangeim Blick hat.

a.a. § 3 SeeanlV verleiht der Klägerin nicht deshalb – wie sie vor-bringt – ein Klagerecht, weil die Klägerin zu der von der Norm ge-schützten Meeresumwelt gehöre. Die Klägerin ist nicht Teil derMeeresumwelt. Zwar mag die Meeresküste und mögen damit dieStrände der Klägerin zu dem Schutzbereich der Meeresumweltgehören. Dafür spricht insbesondere Art. 145 S. 2 a) i.V.m. Art. 56Abs. 1 b) iii) des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Natio-nen vom 10. Dezember 1982 – SeeRÜbk – (Vertragsgesetz vom 2.September 1994, BGBl. II 1994 S. 1798). Die Klägerin ist aber nichtSachwalterin der nicht in ihrem Interesse, sondern im öffentli-chen Interesse geschützten Meeresumwelt. Es ist nichts dafür er-sichtlich, dass § 3 SeeAnlV mit dem Versagungsgrund der Besorg-nis einer Verschmutzung der Meeresumwelt im Sinne des Art. 1Abs. 1 Nr. 4 SeeRÜbk den Schutz der Seebäder in dem Sinne be-zweckt, dass diesen ein eigenes Durchsetzungsrecht zustehen soll.Die ausdrückliche Bezugnahme auf den völkerrechtlichen Begriffder Meeresverschmutzung spricht gerade gegen einen subjektiv-rechtlichen Gehalt. Art. 1 Abs.1 Nr. 4 SeeRÜbk definiert den Begriffder Verschmutzung der Meeresumwelt lediglich allgemein ohneauf einen wie auch immer umschrieben zu schützenden Personen-kreis abzustellen. Verschmutzung der Meeresumwelt bedeutetnach dieser Regelung die unmittelbare oder mittelbare Zuführungvon Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Meeresum-

welt, aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Schädigung derlebenden Ressourcen sowie der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres,eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Beeinträch-tigung der maritimen Tätigkeiten einschließlich der Fischerei undder sonstigen rechtmäßigen Nutzung des Meeres etc. ergeben oderergeben können. Das Seerechtsübereinkommen soll insoweit er-sichtlich nur völkerrechtliche Pflichten gegenüber den Vertrags-partnern des Übereinkommens, aber nicht – innerstaatliche – sub-jektive Rechte einzelner Gemeinden begründen. Es erscheint aus-geschlossen, dass das Übereinkommen mit der Nennung dersonstigen rechtmäßigen Nutzung des Meeres Seebädern eigeneRechte verschaffen will (vgl. BT-Drs. 12/7829 und zu der Verklap-pung von Dünnsäure in der Nordsee BVerwG, Urt. vom 1.12.1982,BVerwGE 66, 307-311). Dass der Klägerin der Schutz der Mee-resumwelt tatsächlich zu Gute kommen kann, genügt zur Begrün-dung eines subjektiv- rechtlichen Gehaltes des § 3 SeeanlV nicht.Insoweit überzeugt auch nicht die Erwägung der Klägerin, ande-renfalls würde sich die Genehmigung gerichtlicher Kontrolle ent-ziehen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nur effektiven Rechtsschutz ge-genüber Verletzungen eigener Rechte.

a.b. Auch leuchtet nicht ein, weshalb vor dem völkerrechtlichenHintergrund des § 3 SeeanlV dem Begriff der Sicherheit und Leichtig-keit des Verkehrs drittschützender Gehalt zu Gunsten der Klägerinbeigemessen werden sollte. Insoweit kann das Vorbringen der Kläge-rin nicht genügen, sie könne gegenüber einer Schadensverursachungauf See Schadensersatzansprüche wesentlich schwerer durchsetzenals dies bei Unfällen auf den Bundeswasserstraßen der Fall sei.

b) Eine extensive Auslegung des § 3 SeeanlV, die der Klägerin ei-ne wehrfähige Rechtsposition verschaffen könnte, gebietet auchdie in der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG ge-schützte Befugnis der Gemeinden nicht, die Angelegenheiten derörtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Rich-tig hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Genehmigung be-einträchtige die gemeindliche Garantie der Selbstverwaltung (Art.28 GG Abs. 2 S. 1 GG) nicht. Die Planungshoheit der Klägerin er-strecke sich nicht auf die ausschließliche Wirtschaftszone, in derdas Vorhaben genehmigt sei. Auch gingen von dem geplantenVorhaben keine Auswirkungen aus, die das Gemeindegebiet oderTeile davon nachhaltig betreffen und die Entwicklung der Ge-meinde beeinflussen und deshalb der Gemeinde auch gegen Vor-haben, die außerhalb des Gemeindegebietes liegen, ein Klagrechtverschaffen.

b.a. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt: Die von der Kläge-rin befürchtete Kollision eines Schiffes mit den Windenergieanla-gen könne keine Abwehrrechte der Klägerin begründen. Die vonihr im Falle eines derartigen Unfalles befürchtete Verschmutzungder Strände der Insel Sylt stelle keine unmittelbare Auswirkung desVorhabens dar. Der genehmigte Windpark trage ein derartiges Risi-ko nicht in sich. Bei einer Schiffskollision realisiere sich kein Risi-ko, das in den Windenergieanlagen selbst angelegt sei. Die Folgenmüssten vielmehr allein den kollidierenden Schiffen zugerechnetwerden. Da der Windpark fernab der Schifffahrtsstrassen errichtetwerden solle, wäre die Beigeladene bei einem solchem Unfall we-der Zustands- noch Zweckstörerin.

Es überzeugt nicht, wenn die Klägerin ausführt, die Frage der Ri-sikoverteilung müsse nur anders beantwortet werden als es dasVerwaltungsgericht getan habe, um zu einer Klagbefugnis zu ge-langen. Vielmehr erscheint die Betrachtungsweise des Verwal-tungsgerichts richtig. Es trifft zu, das Risiko einer Öl- oder Chemi-kalienverschmutzung der Strände den Schiffen zuzuordnen, diedas – potentiell schädliche – Öl bzw. die Chemikalien transportie-ren und – aus welchen Gründen auch immer – mit einem außer-halb der üblichen Schifffahrtsrouten gelegenen und ausreichendin den Kartenwerken sowie durch Sicherheitseinrichtungen ge-

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kennzeichneten und ggf. durch Einrichtung einer 500 m tiefen Si-cherheitszone nach Art. 56 SeeRÜbk geschützten Windpark kolli-dieren. Ähnlich wie bei Schiffszusammenstößen oder einem Auf-laufen auf Untiefen realisiert sich insoweit ein Risiko des verun-glückten Öl- bzw. Chemikalientankers. Nur die Ladung dieserTankschiffe und nicht die Materialien der Winderzeugungsanla-gen könnten im Falle eines Unfalles die Strände verschmutzen. In-soweit ist die Genehmigung eines sog. Offshore-Windparks nichtmit der Genehmigung anderer gefährlicher Anlagen zu verglei-chen, die ihr Gefahrpotential in sich tragen, wie dies z.B. bei Kern-energieanlagen oder Abfalldeponien der Fall ist. Deshalb greifendie Grundsätze nicht, die die Rechtsprechung zur Klagbefugnis derGemeinden gegen die Genehmigung von Kernenergieanlagen, dieaußerhalb des Gemeindegebietes liegen (vgl. BVerwG, Urt. v.22.12.1980 BVerwGE 61, 256 ff; VGH München, Urt. v. 9.4.1979,DVBl. 1979, 673, 676-681) und Genehmigungen für den Transportvon Sondermüll auf Deponien im potentiellen Einziehungsbe-reich gemeindlicher Trinkwasserbrunnen (vgl. OVG Hamburg, Be-schl. v. 25.8.1987, DVBl. 1987 S. 1017 ff; OVG Lüneburg, Beschl. v.12.6.1987, DVBl. 1987 S. 1019; vgl. auch OVG Saarland, Beschl.vom 11.10.1990 – juris –) entwickelt hat.

b.b. Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrem Vorbringen durch,das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesver-waltungsgerichts zu den »Auswirkungen gewichtiger Art« auf eingefahrgeneigtes Vorhaben angewendet, auf welches die zu eineranderen Konstellation entwickelte Rechtsprechung nicht passe. Estrifft nicht zu, dass die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerich-tes insoweit für Anlagen der vorliegenden Art nicht einschlägigseien. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert in feststehenderRechtsprechung: Eine Gemeinde kann bei Inanspruchnahme ih-res Gebietes durch überörtliche Fachplanung eine Rechtsbeein-trächtigung im Sinne der Klagbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO nurunter zwei Voraussetzungen geltend machen. Einmal muss für dasbetroffene Gebiet bereits eine hinreichend bestimmte gemeindli-che Planung vorliegen. Zum anderen muss die Störung dieser Pla-nung durch den überörtlichen Fachplan »nachhaltig« sein, d.h.unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Planung ha-ben (vgl. BVerwG, Urt. vom 11.5.1984, NVwZ 1984, 584 m.w.Nachw.; Urt. vom 14.2.1969 Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr.2; vgl.auch BVerwG, Urt. vom 18.3.1987 BVerwGE 77, 128 ff). Nach die-sen Grundsätzen können sich die Gemeinden auch gegen Vorha-ben der Fachplanung außerhalb ihres Gemeindegebietes wehren,sofern von ihnen derartige Auswirkungen auf ihre eigene ge-meindliche Planung ausgehen (BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 BVer-wGE 84, 209, 215) oder sie das Gemeindegebiet oder Teile hiervonnachteilig betreffen und die Entwicklung der Gemeinde beeinflus-sen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 26.2.1996, NuR 1996, 515-517). DieErwägung der Klägerin ist zwar richtig, dass es in den von demBundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen nicht darumging, die Gemeinde vor Risiken zu schützen, die sich aus Unfällenergeben könnten. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb eine Ge-meinde vor derartigen Risiken weitergehender geschützt sein sollals vor anderen Fachplanungen, die nicht nur im Falle eines – un-wahrscheinlichen – Unfalles die Interessen der Gemeinde beein-trächtigen, sondern sich tatsächlich nachhaltig auf die Planungder Gemeinde oder ihre Einrichtungen auswirken. Maßgeblich ist,ob sich die Risiken, die nach Auffassung der Gemeinde von demgenehmigten Vorhaben ausgehen, ihrer Art nach und der Wahr-scheinlichkeit, eines Schadenseintrittes als unmittelbare Auswir-kungen gewichtiger Art auf die Planung der Gemeinde oder ihreEinrichtungen darstellen.

Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Zum einen istdas Risiko einer Kollision eines Öl- oder Chemikalientankers mitdem außerhalb der gebräuchlichen Schifffahrtsrouten gelegenen

Windpark nur gering und ist dieses Risiko – wie oben dargelegt – beiausreichender – was die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag nichtin Frage stellt – Absicherung des Windparkes den Schiffen undnicht – unmittelbar – den genehmigten Windenergieanlagen zuzu-ordnen. Zum anderen würde eine Öl- oder sonstige Chemikalien-verschmutzung der Strände der Insel Sylt zwar den dortigen Frem-denverkehr beeinträchtigen, der die klägerische Gemeinde prägt.Auch ist nicht auszuschließen, dass die Selbstverwaltungsgarantieeiner Fremdenverkehrsgemeinde eine wehrfähige Rechtspositionzur Erhaltung ihrer Strände verleiht. Jedoch sind keine dauerhaf-ten, irreparablen Nachteile für die Fremdenverkehrsinteressen derKlägerin und die Nutzung der dortigen Strände zu befürchten.Selbst nach einer »Ölkatastrophe« könnten die Strände der Kläge-rin – wenn auch nur mit großem Aufwand – in einem für den Tou-rismus ausreichenden Maße gereinigt werden. Der Erhalt der Strän-de und ihre dauerhafte Attraktivität für den Fremdenverkehr wer-den im Falle einer »Ölkatastrophe« nicht in Frage gestellt. Vor einerallenfalls geringen Gefahr einer durch den Schiffsverkehr in derausschließlichen Wirtschaftszone verursachten vorübergehendenVerschmutzung der Strände und einer dadurch verursachten zeit-weisen Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs schützt die Garan-tie gemeindlicher Selbstverwaltung offensichtlich nicht. Insoweitkommt es nicht darauf an, welche Folgen eine »Ölpest« für dieMeeresumwelt und die Tier- und Pflanzenwelt nach sich ziehenkönnte und ob insoweit dauerhafte Schäden zu befürchten wären.Die Selbstverwaltungsgarantie verleiht der Klägerin kein eigenesRecht zur Wahrnehmung dieser ökologischen Interessen. Der Ge-meinde kommen nicht deshalb wehrfähige Rechte zu, weil der All-gemeinheit ein Schaden drohen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v.15.12.1989, BVerwGE 84,209, 213).

(…) b.e. Die Klägerin wendet sich gegen die Auffassung des Verwal-

tungsgerichts, sie könne aus dem Raumordnungsgesetz keine sub-jektiven Rechtspositionen ableiten, weil dieses Gesetz für Vorha-ben im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone nicht gelte.Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus dem Zu-sammenspiel der Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung gemäßArt. 28 Abs. 2 GG und dem Abstimmungsgebot des § 16 Raumord-nungsgesetz keine Klagbefugnis.

Gemäß § 16 ROG sind raumbedeutsame Planungen und Maß-nahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbarstaaten habenkönnen, mit den betroffenen Nachbarstaaten nach den Grundsät-zen der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit abzustimmen. Hier-aus folgt keinesfalls, dass derartige Maßnahmen, die in der aus-schließlichen Wirtschaftszone geplant sind, erst recht mit denGemeinden abzustimmen sind. Zum einen regelt das Raumord-nungsgesetz an anderer Stelle, in welchen Fällen bei Planungen in-nerhalb der Bundesrepublik Deutschland Abstimmungen stattzu-finden haben. In der zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenenWiderspruchsentscheidung am 10.7.2003 maßgeblichen Fassungsah § 14 S.1 ROG vor, dass die öffentlichen Stellen ihre raumbe-deutsamen Planungen und Maßnahmen aufeinander und unter-einander abzustimmen haben. Zum anderen gelten weder § 16ROG noch § 14 S.1 ROG in der zum Zeitpunkt der Widerspruch-sentscheidung maßgeblichen Fassung für Planungen und Geneh-migungen in der ausschließlichen Wirtschaftszone. Wie § 1 ROGa.F. zeigt, galt das Raumordnungsgesetz lediglich für den Gesam-traum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume. Dazuzählt die ausschließliche Wirtschaftszone offensichtlich nicht. Dieausschließliche Wirtschaftszone gehört nicht zum Staatsgebiet derBundesrepublik Deutschland. Gemäß Art. 55 SeeRÜbk ist die aus-schließliche Wirtschaftszone ein jenseits des Küstenmeeres und andieses angrenzendes Gebiet, das der im Teil V des SeeRÜbk festge-legten besonderen Rechtsordnung unterliegt. Dieses regelt die

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Rechte und Hoheitsbefugnisse des Küstenstaates und die Rechteund Freiheiten anderer Staaten. Zu diesen Hoheitsrechten gehörtnach Art. 56 Abs.1 b die Energieerzeugung durch Wind. Die Sou-veränität der Bundesrepublik Deutschland erstreckt Art. 2 See-RÜbk hingegen lediglich auf das Küstenmeer im Bereich der 12-Seemeilenzone (vgl. Art. 3 ff SeeRÜbk). Erst durch Art. 2 Nr. 2 desEuroparechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau – vom 24. Juni 2004(BGBl. I S. 1359) ist der Anwendungsbereich des Raumordnungs-gesetzes erweitert und § 1 Abs. 1 ROG folgender Satz hinzugefügtworden: »In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone kön-nen einzelne Funktionen im Rahmen der Vorgaben des See-rechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezem-ber 1982 (BGBl. 1994 . II S. 1798) durch die Raumordnung ent-wickelt, geordnet und gesichert werden«. Es ist nichts dafürdargelegt oder sonst ersichtlich, dass sich eine Klagbefugnis derKlägerin daraus ergeben könnte, dass in das Raumordnungsgesetzerst nach der Genehmigung des von der Beigeladenen geplantenWindparks mit der durch Art. 2 Nr. 7 EAG Bau erfolgten Einfügungdes § 18 a ROG Regelungen zu den Verfahren und den Inhalten derRaumordnung sowie der Einrichtung von Vorranggebieten fürWindenergieanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone auf-genommen wurden.

b.f. Die Klägerin hat auch nicht innerhalb der Begründungsfristdes § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass die Möglichkeit be-stehe, dass sie der geplante Windpark wegen einer optischen Be-einträchtigung in ihren Rechten verletzen könnte. Auch mit ihreram 13. September 2004 eingegangenen Stellungnahme hat sie dieAusführungen des Verwaltungsgerichts in dem ihr am 11. März2004 zugestellten Urteil nicht ernsthaft in Frage gestellt, die Sicht-barkeit des in einer Entfernung von etwa 34 km zur Insel Sylt ge-planten Windparks stelle keine gewichtige nachteilige Auswir-kung dar, die allein ein Abwehrrecht der Gemeinde begründenkönne. Insbesondere ist die Feststellung des Verwaltungsgerichtsnicht angegriffen, dass die geplanten Windenergieananlagen nurin bestimmten Jahreszeiten bei bestimmten Wetterlagen sichtbarseien und auch dann nur als kleine Punkte am Horizont.

2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGOwegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache u.a. nur dann,wenn mit ihr eine bestimmte bisher höchstrichterlich oder ober-gerichtlich noch nicht beantwortete Rechts- oder Tatfrage von all-gemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die klärungsbedürftig undklärungsfähig ist. (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 1.7.1998 – 4 Bf336/98.A –; VGH Kassel, Beschl. vom 17.7.1998 – 8 ZU 2071/98 –juris –. (…)

a) In der Antragsbegründung heißt es lediglich, eine oberge-richtliche Klärung der Grundsatzfrage nach der Klagbefugnis seinotwendig, da es sich um ein Pilotverfahren für die Errichtungvon Windparks in der Nordsee handele und erstmals in derMenschheitsgeschichte eine derart große Meeresfläche dem aus-schließlichen Gebrauch eines Rechtssubjektes zugewiesen werde.Erstmals sei die Genehmigung für einen großflächigen Offshore-Windpark gerichtlich zu überprüfen. Damit ist nicht hinreichendbestimmt bezeichnet, welche Rechts- oder Tatfrage sich im Beru-fungsverfahren stellen soll, die einer fallübergreifenden Klärungzuzuführen ist. Insoweit genügt es nicht, wenn die Klägerin vor-bringt, das Verwaltungsgericht habe das Urteil auf die grundsätzli-chen Erwägungen ausgerichtet, ob die Klägerin Rechte im Hin-blick auf Vorhaben in der ausschließlichen Wirtschaftszone habeund dass die Klagbefugnis zu klären sei.

b) Ebenso ergibt sich eine grundsätzlich klärungsbedürftige Fra-ge nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf den ihrer Auffassungnach abweichenden Beschluss des OberverwaltungsgerichtsGreifswald vom 29.6.1995, NVwZ-RR 1996, 197-199. In jenem Fal-

le hatte das Gericht die Klagbefugnis eines Seebades bejaht, daswegen der Genehmigung einer Fischzuchtanlage im Meer um dieQualität des Badewassers fürchtete. Diese hat das OVG Greifswaldaus den Gestattungsvorschriften der §§ 1 a Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 22WHG, einem daraus folgenden Rücksichtnahmegebot und demInteresse der Gemeinde abgeleitet, ihre Funktion als Kurort vornachhaltigen Beeinträchtigungen zu schützen. Damit ist die vor-liegende Problematik nicht vergleichbar. Das Wasserhaushaltsge-setz gilt gemäß seines § 1 Abs. 1 Nr. 1 a WHG nicht in der aussch-ließlichen Wirtschaftszone. § 3 SeeAnlV formuliert anders als § 1 aWHG nicht, dass die Gewässer so zu bewirtschaften sind, dass siedem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch demNutzen Einzelner dienen. Auch kennt die Vorschrift keine § 4Abs.1 Satz 2 WHG vergleichbare Regelung, nach der der wasser-rechtlichen Erlaubnis und Bewilligung Auflagen beigefügt werdenkönnen, um nachteilige Wirkungen für andere zu verhüten oderauszugleichen. Diese Unterschiede im Normprogramm rechtferti-gen es, einem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot drittschüt-zende Wirkung beizulegen, dem § 3 SeeAnlV aber nicht.

Überdies macht es einen wesentlichen Unterschied, ob ein See-bad wegen laufender Verunreinigungen im Zuge der industriellenBewirtschaftung einer Fischfarm in der Nähe ihrer Strände einedauerhafte Schädigung ihrer Fremdenverkehrsinteressen fürchtetoder ob es um das geringe Risiko einer – vorübergehenden – Ölka-tastrophe geht.

c) (…)

Windkraftanlagen als Verunstaltung desLandschaftsbildes

OVG Münster, Urteil vom 18. November 2004 – 7 A 3329/01

Leitsätze: 1. Bei der Beurteilung, ob Windenergieanlagen das Land-

schaftsbild verunstalten, kann insbesondere die anlagen-typische Drehbewegung der Rotorblätter nicht außerBetracht bleiben.

2. Eine Verunstaltung ist zu bejahen, wenn in einer Mittel-gebirgslandschaft an exponierter Stelle zu errichtendeWindenergieanlagen unmittelbar in das Blickfeld einerbislang unbeeinträchtigten Fernsicht treten und durch ihreRotoren optisch eine Unruhe stiften würden, die diesemBild fremd ist und seine ästhetisch wertvolle Einzigartigkeitmassiv beeinträchtigt.

3. Es erscheint zweifelhaft, ob § 4 Abs. 3 Nr. 4 LG NRW,wonach die Errichtung von bis zu zwei nahe beieinanderliegenden Windkraftanlagen nicht als Eingriff im Sinne dernaturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gilt, von derErmächtigung des § 18 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG gedeckt ist;aus der naturschutzrechtlichen Sonderregelung des § 4Abs. 3 Nr. 4 LG NRW lässt sich jedenfalls nichts dafürherleiten, wie die landschaftsästhetische Wirkung vonWindenergieanlagen unter dem bundesrechtlichen Aspekteiner Verunstaltung des Landschaftsbilds zu werten ist.

Vorinstanz: VG Arnsberg – 4 K 3563/00 –

Aus den Gründen: Die Klägerin begehrte die Erteilung eines Bauvorbescheids für dieErrichtung von zwei Windenergieanlagen, die auf einem Höhen-zug im Sauerland in ca. 600 m Höhe über NN errichtet werden soll-ten. Die Bebauungsgenehmigung wurde mit der Begründung ab-gelehnt, dass die Anlagen das Landschaftsbild verunstalteten. Dienach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungs-klage der Klägerin hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

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Der auf Verpflichtung des Beklagten gerichtete Hauptantrag derKlägerin ist unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch aufden begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid hat. Die zurGenehmigung gestellten beiden Windenergieanlagen sind anihren vorgesehenen Standorten bauplanungsrechtlich unzulässig.Die bauplanungsrechtliche Beurteilung der strittigen Anlagenrichtet sich nach § 35 BauGB. An der Außenbereichslage der vorge-sehenen Standorte besteht kein Zweifel. Trotz Privilegierung derAnlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB n.F. (früher: § 35 Abs. 1 Nr. 6BauGB) sind diese unzulässig, weil ihnen öffentliche Belange ent-gegenstehen. Dabei kann dahinstehen, ob die erst im Berufungs-verfahren in Kraft getretene 26. Änderung des Flächennutzungs-plans der Beigeladenen wirksam ist oder nicht. Geht man von derWirksamkeit der Flächennutzungsplanänderung aus, stehen demVorhaben öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ent-gegen, weil im Sinne der genannten Vorschrift für privilegierteWindenergieanlagen durch Darstellungen im Flächennutzungs-plan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist (a). Sollte die Än-derung des Flächennutzungsplans hingegen – wie die Klägerinmeint – unwirksam sein, wäre das Vorhaben jedenfalls deshalb un-zulässig, weil es im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB dasLandschaftsbild verunstaltet (b).

a) Die 26. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigela-denen zielt, wie aus ihrem Erläuterungsbericht folgt, darauf ab, dieErrichtung von Windenergieanlagen im Gemeindegebiet der Bei-geladenen zu steuern. Planerische Absicht der Darstellung der ein-zigen von der Beigeladenen letztlich dargestellten Konzentrations-zone ist es, im übrigen Stadtgebiet Windenergieanlagen künftigauszuschließen.

Diese Zielsetzung kann die 26. Änderung des Flächennutzungs-plans – ihre Wirksamkeit unterstellt – im vorliegenden Fall aucherfüllen, indem sie den hier strittigen Anlagen als entgegenstehen-der öffentlicher Belang entgegengehalten werden kann. DieseRechtswirkung tritt gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zwar nur »inder Regel« ein. Anhaltspunkte dafür, diese regelmäßige Folge imvorliegenden Fall zu verneinen, liegen jedoch nicht vor. Eine Ab-weichung im Einzelfall steht unter dem Vorbehalt, dass die Kon-zeption, die der Planung zugrunde liegt, als solche nicht in Fragegestellt wird; das mit der Ausweisung an anderer Stelle verfolgteSteuerungsziel darf nicht unterlaufen werden (Vgl.: BVerwG, Ur-teil vom 17.12.2002 , 4 C 15.01, BRS 65 Nr. 95, S. 462).

Genau das träte jedoch ein, verneinte man die regelmäßige Aus-schlusswirkung für die hier in Rede stehenden Standorte. Die Bei-geladene hatte auch diesen Bereich in ihre Überlegungen zur Dar-stellung von Konzentrationszonen einbezogen. Von dieser Einbe-ziehung wurde insbesondere auf Grund der zahlreichen Bedenkenvon Bürgern, Fachbehörden und Nachbargemeinden abgesehen.Diese Planungsentscheidung würde in der Tat unterlaufen, würdeman der 26. Änderung des Flächennutzungsplans eine Ausschlus-swirkung auch für den hier strittigen Bereich südlich absprechen.

Der Einwand der Klägerin, der Flächennutzungsplanung liegekein schlüssiges Plankonzept zugrunde, gibt zu einer anderen Wer-tung keinen Anlass. Die Ausweisung von Konzentrationszonen anbestimmter Stelle muss Hand in Hand mit der Prüfung gehen, obund inwieweit die übrigen Gemeindegebietsteile als Standorteausscheiden. Insoweit sind die öffentlichen Belange, die für dienegative Wirkung der planerischen Darstellung ins Feld geführtwerden, mit dem Anliegen, der Windenergienutzung an geeigne-ten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung ge-recht wird, nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB (früher: § 1 Abs. 6BauGB) abzuwägen. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002,4 C 15.01, BRS 65 Nr. 95, S. 458).

Sollte es hieran fehlen, wäre die Änderung des Flächennut-zungsplans wegen eines durchgreifenden Abwägungsmangels als

unwirksam anzusehen. Die 26. Änderung einerseits als wirksamanzusehen, ihr andererseits aber die gewollte Ausschlusswirkungnach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB abzusprechen, würde demgegen-über den bereits dargelegten planerischen Willen der Beigela-denen verfälschen.

Im Übrigen würde die Annahme, die 26. Änderung des Flächen-nutzungsplans sei zwar wirksam, ihr komme aber keine Ausschlus-swirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu, an dem Ergebnis der Un-zulässigkeit des strittigen Vorhabens nichts ändern. In diesem Fallkönnte einer Errichtung der von der Klägerin geplanten Windener-gieanlagen aus den nachfolgend noch anzusprechenden Gründenentgegen gehalten werden, dass sie das Landschaftsbild verunstal-ten und ihnen deshalb öffentliche Belange entgegenstehen.

b) In der Rechtsprechung ist grundsätzlich geklärt, dass eine Ver-unstaltung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB voraussetzt,dass das Bauvorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästheti-scher Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem fürästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfun-den wird. Dieser Grundsatz gilt auch gegenüber im Außenbereichprivilegierten Vorhaben, einschließlich Windenenergieanlagen.Zwar sind diese Anlagen durch § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB n.F. (früher:§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) grundsätzlich dem Außenbereich zuge-wiesen. Eine Entscheidung über den konkreten Standort hat derGesetzgeber jedoch nicht getroffen. Ihre Zulässigkeit steht deshalbunter dem Vorbehalt, dass die jeweilige Anlage das Orts- undLandschaftsbild im Einzelfall nicht verunstaltet. Ob die Schwelleder Verunstaltung überschritten ist, hängt von den konkretenUmständen der jeweiligen Situation ab. (Vgl. zu alledem: BVerwG,Beschluss vom 18.3.2003 – 4 B 7.03 –, BauR 2004, 295 m.w.N.)

Bei dieser den Tatsachengerichten obliegenden wertenden Ein-schätzung kann insbesondere auch die anlagentypische Drehbe-wegung der Rotorblätter nicht außer Betracht bleiben. (Vgl.: BVer-wG, Beschluss vom 15.10.2001, 4 B 69.01, BRS 64 Nr. 100)

Gemessen an diesen Maßstäben hat das VG in Übereinstim-mung mit der Einschätzung der zuständigen Fachbehörden eineVerunstaltung des Landschaftsbilds durch Errichtung der stritti-gen Anlagen an ihren vorgesehenen exponierten Standorten zuRecht bejaht.

Diese Standorte liegen im oberen Bereich eines Höhenzugs, derdie weite Tallandschaft um die Ortschaft F. nach Osten abgrenzt.Diese Landschaft ist durch eine für das Sauerland in der Tat unge-wöhnliche Vielfalt unterschiedlichster Landschaftselemente ge-kennzeichnet. (Wird ausgeführt.)

Bemerkenswert ist insbesondere, dass – abgesehen von einzel-nen »Narben« früherer Abbautätigkeiten durch Steinbrüche, diefür eine Mittelgebirgslandschaft durchaus typisch sind – bei derweiträumigen Sicht über die Landschaft, wie sie sich namentlichvon den X-Steinen bietet, keine besonders auffällig in Erscheinungtretenden Überformungen durch gewerbliche Anlagen zu bemer-ken sind. Auch die in landschaftsästhetischer Hinsicht häufig alsbelastend empfundenen Zerschneidungen durch optisch auffälli-ge Hochspannungsleitungen einschließlich deren Masten fehlenvöllig. Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass die betroffeneLandschaft nicht völlig unberührt ist von Freizeitanlagen, derenästhetischer Wert im Einzelfall durchaus fraglich erscheinen mag,und in gewissem Umfang auch von gewerblichen Bauten. Diesetreten bei der für die Wertung des Landschaftsbilds maßgeblichengroßräumigen Betrachtung jedoch so deutlich in den Hinter-grund, dass sie kaum als störende Elemente wahrnehmbar sind(wird ausgeführt).

Die besondere Bedeutung dieses Landschaftsbilds für den gesam-ten Raum des östlichen Sauerlands erschließt sich dem Betrachtervornehmlich dann, wenn er die X-Steine besteigt. Die dort wahr-nehmbare Fernsicht über viele Kilometer hinweg ist insbesondere

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auch maßgeblich geprägt durch das unterschiedliche Auf und Abder Kuppen und Höhenzüge, die die reizvollen Tallagen mit ihrenabwechslungsreichen Landschaftselementen begrenzen und teil-weise Blicke bis in über 30 km Entfernung zulassen. Gerade dieseabwechslungsreichen Grenzlinien zwischen den vielfältigen Struk-turen des bewegten Geländes und dem freien Himmel sind nahezuausnahmslos von störenden baulichen Elementen frei. Die weni-gen auf einzelnen Kuppen vorhandenen Türme, Fernsehumsetzero.ä. erscheinen allenfalls als schmale, fest stehende Elemente, dieden Blick nicht ablenken, sondern ihn ungehindert über die Weiteder freien Landschaft schweifen lassen.

Demgegenüber würde durch die hier strittigen Windenergiean-lagen ein in besonderem Maß beachtliches und belastendes Stör-potential namentlich in den für die Wirkung des Panoramas be-sonders wichtigen Grenzbereich zwischen natürlichem Geländeund freiem Himmel hineindringen. An ihren exponierten Stan-dorten würden die strittigen Windenergieanlagen die weitgehendbewaldeten Kuppen deutlich überragen. Durch die kontinuierli-che Drehbewegung der Rotoren, die vor dem freien Himmel be-sonders auffällig in Erscheinung treten, würden sie den Blick überdie Landschaft besonders beeinträchtigen.

Wie störend solche Drehbewegungen in einer Mittelgebirgs-landschaft der hier betroffenen Struktur wirken, wurde anlässlichder Ortsbesichtigung gerade an Hand der im Westen bereits errich-teten drei Windenergieanlagen besonders deutlich. Trotz ihrerEntfernung von gut 9 km Luftlinie waren sie sowohl von demWirtschaftsweg nahe den vorgesehenen Standorten der strittigenAnlagen als auch vom Westhang der Kuppe mit den X-Steinen auszwar noch deutlich wahrnehmbar. Die große Entfernung ließ siejedoch so deutlich in den Hintergrund treten, dass ihr Ablen-kungseffekt und Potential zur Beeinträchtigung des Blicks in dieweitere Ferne im hier in Rede stehenden Landschaftsraum nochrelativ gering war.

Die strittigen Anlagen in nur zwei Kilometer Entfernung zu denX-Steinen würden hingegen geradezu auffällig in das Blickfeld desBetrachters treten, der sich ihren durch die Drehbewegungen derRotoren verstärkten optischen Auswirkungen nicht entziehenkönnte. Sie würden zudem gerade bei der dort vorhandenen unbe-einträchtigten Aussicht in Richtung Norden bis Osten unvermeid-bar in das Blickfeld treten und diese Fernsicht so gravierend nega-tiv beeinflussen, dass bereits dies als grob unangemessene Bela-stung für den ästhetischen Eindruck der Landschaft zu werten ist.Der besondere Wert dieser Landschaft liegt gerade darin, in Mußeden Blick immer wieder über die Ruhe ausstrahlende Weite dieserLandschaft mit den wechselvollen Elementen des wie ein Gemäl-de wirkenden Bilds schweifen lassen zu können, ohne von derHektik des menschlichen Lebens gestört zu werden. Die geplantenWindenergieanlagen würden demgegenüber optisch im Wortsinneine »Unruhe« stiften, die diesem Bild fremd ist und seine ästhe-tisch wertvolle Einzigartigkeit massiv beeinträchtigt.

Schon diese angesprochenen Auswirkungen der strittigen Anla-gen auf das weiträumige Landschaftsbild, wie es namentlich vondem besonderen touristisch wertvollen Aussichtspunkt derX–Steine aus wahrnehmbar ist, rechtfertigen aus Sicht des Senatsdie – auch von den zuständigen Fachbehörden und dem VG geteil-te – Wertung einer Verunstaltung des Landschaftsbilds. Dabeikommt es nicht darauf an, dass das Landschaftsbild um die X-Stei-ne – wie die Klägerin vorträgt – vornehmlich von Bus- und Wo-chenendtouristen wahrgenommen wird. Auch Tagestouristen, dieden weiten Weg in die Landschaft um die X-Steine als einem derhervorragendsten Naturdenkmale des Sauerlands nicht scheuen,haben ein schützenswertes Interesse daran, das bestehende gran-diose Panorama möglichst ungeschmälert genießen zu können.Dieses Interesse ist nicht zuletzt auch angesichts der Bedeutung

des Tourismus für die Wirtschaft des östlichen Sauerlands durch-aus von gewichtigem öffentlichen Belang. Demgegenüber hat imRahmen der nach § 35 Abs. 1 BauGB vorzunehmenden planungs-rechtlichen Abwägung bei der Prüfung des »Entgegenstehens« öf-fentlicher Belange – vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2001, 4 C 3.01,BRS 64 Nr. 98 (S. 428) m.w.N. – das Interesse der Klägerin, ausge-rechnet an diesem exponiertem Standort Windenergie wirtschaft-lich ausnutzen zu können, trotz des durch die Privilegierungsent-scheidung des Gesetzgebers den Windenergieanlagen zuerkann-ten gesteigerten Durchsetzungsvermögens gegenüber öffentlichenBelangen zurückzutreten.

Der vorstehenden Wertung steht auch nicht entgegen, dassnach § 4 Abs. 3 Nr. 4 LG NRW die Errichtung von bis zu zwei nahebeieinander liegenden Windkraftanlagen nicht als Eingriff – imSinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung – gilt. Insoweitlässt der Senat offen, ob diese landesrechtliche Regelung über-haupt von der Ermächtigung des § 18 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG ge-deckt ist. Immerhin erscheint zumindest zweifelhaft, ob Winden-ergieanlagen – namentlich der heute üblichen Größenordnungen– »im Regelfall« nicht zu Beeinträchtigungen des Landschaftsbildsführen, so dass der Landesgesetzgeber wegen eines regelmäßig feh-lenden Beeinträchtigungspotentials sogar zwei nahe beieinanderliegende Anlagen dieser Art generell von den Anforderungen dernaturschutzrechtlichen Eingriffsregelung freistellen konnte. Je-denfalls gibt die allein auf die naturschutzrechtliche Eingriffsrege-lung bezogene Sonderregelung des § 4 Abs. 3 Nr. 4 LG NRW nichtsdafür her, wie die landschaftsästhetische Wirkung von Windener-gieanlagen unter dem bundesrechtlichen Aspekt einer Verunstal-tung des Landschaftsbilds zu werten ist. Die bauplanungsrechtli-chen und die naturschutzrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzun-gen eines Außenbereichsvorhabens haben jeweils eigenständigenCharakter. Ob ein Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist,richtet sich nicht nach seiner naturschutzrechtlichen Zulässigkeit.Vielmehr stehen die Anforderungen des § 35 BauGB, auch soweitsie »naturschutzbezogen« im Sinne von Absatz 3 Nr. 5 sind, unab-hängig neben den Anforderungen des Naturschutzrechts. (Vgl.:BVerwG, Urteil vom 13.12.2001, 4 C 3.01, BRS 64 Nr. 98, S. 428.)

Bebauungsplan für Windkraftanlagen

OVG Weimar, Beschluss vom 16. August 2004 – 1 EN 944/03

Leitsätze: 1. Eine Gemeinde ist verpflichtet, sich im Verfahren zur Auf-

stellung eines Bebauungsplanes selbst Gewissheit über dieabwägungserheblichen Belange zu verschaffen.

2. Macht eine Gesellschaft zur Entwicklung regenerativerEnergieprojekte im Verfahren zur Aufstellung eines Bebau-ungsplanes für Windkraftanlagen ein eigenes Interesse ander Nutzung der Windenergie im Plangebiet geltend, kanndie Gemeinde verpflichtet sein, die ins Auge gefasstenStandorte für Windkraftanlagen in Erfahrung zu bringen,um das Nutzungsinteresse der Gesellschaft in ihre Abwä-gung einstellen zu können.

Aus den Gründen: I. Die Antragstellerin, die bundesweit Windkraftanlagen plant understellt, wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegenden Vollzug des am 25. Juli 2003 in Kraft getretenen Bebauungs-planes Nr. 2 für das Sondergebiet »Windpark G. (SO)« der Antrags-gegnerin. Der Geltungsbereich des Bebauungsplanes liegt in denGemarkungen Großberndten, Immenrode und Straußberg der Ge-meinde Schernberg im Kyffhäuserkreis. Der Plan umfasst eineFläche von rund 617 ha; davon sind rund 226 ha als Sondergebiet

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für Windkraftanlagen und rund 391 ha als Flächen für die Land-wirtschaft festgesetzt. In dem Sondergebiet sind überbaubareFlächen (Baufenster) festgesetzt, in denen Windkraftanlagen er-richtet werden dürfen.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 8. Dezem-ber 1998 die Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungspla-nes für den sogen. Windpark G. (Beschluss Nr. 98/0644). Nachdem Aufstellungsbeschluss war die Errichtung von 14 Windkraft-anlagen vorgesehen; Vorhabenträger sollte die E. GmbH (E.GmbH) sein. Der Beschluss wurde im Hainleiteboten Nr. 27 vom 2.Februar 1999, dem Amtsblatt der Gemeinde Schernberg, bekanntgemacht. Mit Beschluss vom 20. Mai 1999 fasste der Gemeinderateinen Änderungsbeschluss, wonach der vorhabenbezogene Planals Bebauungsplan »Nr. 2 für das Sondergebiet Windpark G. (SO)in der Gemeinde Schernberg gem. §§ 2, 8, 9 und 10 BauGB weiterbearbeitet werden soll« (Beschluss Nr. 99/0732). Zudem beschlosser, den Bebauungsplan durch die E. GmbH erarbeiten zu lassen(Beschluss Nr. 99/0734). Beide Beschlüsse wurden im Hainleitebo-ten Nr. 31 vom 1. Juni 1999 bekannt gemacht.

Am 10. Juli 1999 schloss die Antragsgegnerin mit der E. GmbHeinen städtebaulichen Vertrag. In dessen § 1 Abs. 1 war als Ziel diePlanung, Errichtung, der Betrieb und die Unterhaltung von 14Windkraftanlagen bestimmt.

In der Folgezeit erarbeitete die E. GmbH insgesamt drei Bebau-ungsplanentwürfe, die der Gemeinderat der Antragsgegnerin je-weils billigte.

Mit Beschluss Nr. 2002/0294 vom 5. Dezember 2002 billigte derGemeinderat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 2 fürdas Sondergebiet »Windpark G. (SO)« mit integriertem Grünord-nungsplan in seinem 4. Entwurf (Fassung vom 5. Dezember 2002);dieser Entwurf enthielt Festsetzungen für 10 Windkraftanlagen.Gleichzeitig beschloss der Gemeinderat die – erneute – öffentlicheAuslegung des Plans gemäß § 3 Abs. 3 BauGB in der Zeit vom10. Januar 2003 bis zum 27. Januar 2003 sowie die erneute Beteili-gung der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 4 BauGB.

Die Antragstellerin äußerte sich mit Schriftsatz vom 24. Januar2003 zum Verfahren. Sie trug vor, sie sei Nutzungsberechtigte ein-zelner Grundstücke. Die im 4. Entwurf des Bebauungsplanes imVergleich zu den früheren Entwürfen vorgesehene Reduzierungder Anzahl der Windkraftanlagen auf zehn sei nicht nachvollzieh-bar und entspreche nicht den Zielen der Raumordnung. Da das imRaumordnungsplan Nordthüringen ausgewiesene, einschlägigeVorranggebiet keine Begrenzung der Anzahl der Windkraftanla-gen vorsehe, solle raumordnerisch eine maximale Ausnutzung desGebiets mit Windkraftanlagen erreicht werden. Der Bebauungs-planentwurf trage den Interessen der Grundstückseigentümernicht hinreichend Rechnung, auf deren Grundstücke keine Stan-dorte für Windkraftanlagen vorgesehen seien. Das Thüringer Lan-desverwaltungsamt teilte in seiner Stellungnahme vom 4. Februar2003 u. a. mit, der 4. Entwurf des Bebauungsplanes entspreche denErfordernissen der Raumordnung, nachdem – im Vergleich zu denfrüheren Entwürfen – auf die Ausweisung von Standorten für dreiWindkraftanlagen außerhalb des raumordnerisch ausgewiesenenVorranggebietes verzichtet worden sei.

Am 6. März 2003 fasste der Gemeinderat Abwägungsbeschlüssezu den während der – erneuten – Auslegung des Plans vorgetra-genen Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange. (…)

Mit – bekannt gemachtem – Beschluss Nr. 2003/0311 vom6. März 2003 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin denBebauungsplan Nr. 2 für das Sondergebiet »Windpark G. (SO)« mitintegriertem Grünordnungsplan als Satzung. Zudem beschloss er,die Genehmigung des Planes zu beantragen. (…)

II. Die Anträge der Antragstellerin haben keinen Erfolg. DerHauptantrag ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II). Ohne Erfolgbleibt auch der Hilfsantrag (III.).

I. Der Hauptantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig. Die An-tragstellerin ist antragsbefugt. Antragsbefugt im Verfahren nach §47 Abs. 6 VwGO ist derjenige, der auch im Hauptsacheverfahrenantragsbefugt ist. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der seit dem 1.Januar 1997 geltenden Fassung kann ein Normenkontrollantragvon jeder natürlichen oder juristischen Person gestellt werden, diegeltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendungin eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletztzu werden. An die Geltendmachung der Rechtsverletzung i. S. d.§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zustellen, als sie auch für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGOgelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 – 4 CN 2.98 – NJW1999, 592).

Die Antragstellerin beruft sich darauf, Nutzungsberechtigtemehrerer Grundstücke im Plangebiet zu sein, auf denen sie beab-sichtigt, insgesamt 5 Windkraftanlagen zu errichten. Die dafür be-antragten Bauvorbescheide sind durch die zuständige Bauauf-sichtsbehörde unter Hinweis auf den Bebauungsplan der Antrags-gegnerin abgelehnt worden. Mit diesem Vorbringen macht dieAntragstellerin die Einschränkung eines eigenen Rechts und da-mit eine Rechtsverletzung i. S. d. § 47 Abs. 2 Satz 1 geltend. Dassdie Antragstellerin nicht Grundstückseigentümerin ist, ändertdaran nichts (vgl. zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a. F. und zu § 42 Abs.2 VwGO BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994 – 4 NB 27.93 – BRS56 Nr. 31 = UPR 1994, 308 = NVwZ 1995, 264; vgl. fernerThürOVG, Urteil vom 18. Mai 2001 – 1 N 932/00 – UPR 2002, 158).(…)

Allerdings unterwirft Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung derUVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz – UVP-Gesetz – vom 27. Juli 2001(BGBl. I S. 1950) mit der Neufassung der Anlage zur 4. Verordnungzur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – 4.BImSchV –, die ihrerseits zuletzt durch Art. 2 der Verordnung vom6. Mai 2002 (BGBl. I S. 1566) geändert worden ist, »Windfarmen«der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG. Dies bedeutet, dassdie Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheidesfür derartige Vorhaben nicht in Betracht kommt. Daraus kann in-des nicht geschlossen werden, die Bauvorbescheide für die 5Windkraftanlagen, die die Antragstellerin zu errichten beabsich-tigt, seien offensichtlich schon deshalb und unabhängig von derWirksamkeit des Bebauungsplanes der Antragsgegnerin abzuleh-nen. Der Begriff der »Windfarm« ist im BImSchG nicht definiertund eine gerichtliche Klärung durch den Senat steht noch aus; siekann auch nicht im Rahmen der Zulässigkeit des vorliegenden Eil-verfahrens herbeigeführt werden. Es kann deshalb nicht ausge-schlossen werden, die Antragstellerin beabsichtige lediglich die Er-richtung von 5 Einzelanlagen, und nicht die Errichtung einer»Windfarm« (vgl. zu den Problemen der BegriffsbestimmungSchmidt-Eriksen, Die Genehmigung von Windkraftanlagen, NuR2002, 648; ferner OVG Lüneburg, Urteil vom 25. September 2003 –1 LC 276/02 – NuR 2004, 125). Das Rechtsschutzinteresse für dasVerfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO ist der Antragstellerin auchnicht mit der Erwägung abzusprechen, ihr gehe es in Wahrheitnicht um die Außerkraftsetzung des angegriffenen Bebauungs-plans, sondern darum, in seinem räumlichen Geltungsbereich ei-gene Windkraftanlagen errichten zu können. Die Antragstellerinerleidet durch den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nachteile,weil ihr aufgrund seiner Festsetzungen, insbesondere aufgrund derBaufenster, die Errichtung der geplanten – eigenen – Windkraftan-lagen verwehrt ist. Ohne diese Festsetzungen wären die Anlagenbauplanungsrechtlich als privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1

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OVG Weimar, Bebauungsplan für Windkra f tan lagen | R E C H T S P R E C H U N G

Nr. 6 BauGB zu beurteilen. Insofern hat die Antragstellerin ein In-teresse auch an der vorläufigen Außervollzugsetzung des Bebau-ungsplans. (…)

II. Der (Haupt-)Antrag erweist sich jedoch als unbegründet.Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstwei-lige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachtei-le oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. § 47Abs. 6 VwGO ist der Regelung in § 32 des Gesetzes über das Bun-desverfassungsgericht nachgebildet; an das Vorliegen ihrer Vor-aussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Insoweit sinddie Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anord-nung nicht erginge, der – hier noch nicht gestellte – Normenkon-trollantrag später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen ab-zuwägen, die aufträten, wenn die begehrte einstweilige Anord-nung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglosbliebe. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind bei der Ent-scheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anord-nung nur dann als Bestandteil der Folgenabwägung in die Bewer-tung einzubeziehen, wenn sich schon bei summarischer Prüfungim Anordnungsverfahren erweist, dass ein Normenkontrollantragunzulässig, offensichtlich unbegründet oder offensichtlich be-gründet ist (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 29. November 2000 – 2N 804/00 –, NVwZ-RR 2001, 234 = ThürVBI. 2001, 87 = ThürV-GRspr. 2001, 149, ThürOVG, Beschluss vom 28. November 2002 –4 N 563/02 – Leitsätze in juris; VGH Baden-Württemberg, Be-schluss vom 23. November 1998 – 14 S 2844/98 –, NJW 1999, 1569= DÖV 1999, 260).

Im vorliegenden Fall ergibt die im Verfahren nach § 47 Abs. 6VwGO gebotene summarische Prüfung, dass die Erfolgsaussichteneines Normenkontrollantrages offen sind (1.). Die begehrte einst-weilige Anordnung ist daher mit Blick auf die Erfolgsaussichten ei-nes Normenkontrollantrags nicht dringend geboten. Es bestehenauch keine anderen wichtigen Gründe für den Erlass der beantrag-ten einstweiligen Anordnung (2.).

1) Ein Normenkontrollantrag erweist sich weder als offensicht-lich begründet noch als offensichtlich unbegründet.

a) Keinen durchgreifenden Bedenken unterliegt der Bebauungs-plan der Antragsgegnerin im Hinblick auf § 1 Abs. 3 BauGB. Nachdieser Bestimmung haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustel-len, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung undOrdnung erforderlich ist.

Der Gemeinde ist insoweit ein weites Planungsermessen einge-räumt. Bauleitpläne sind dann erforderlich, wenn sie nach der pla-nerischen Konzeption der Gemeinde als erforderlich angesehenwerden können. (…)

Zweifel am Planungserfordernis kommen hier vor allem hin-sichtlich der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen(§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i. V. m. § 23 BauNVO) in Betracht, außer-halb derer die Errichtung von Windkraftanlagen ausgeschlossensein soll. Sie sind indes nicht begründet. Der Planung des Wind-parks – und damit auch der Festsetzung der überbaubaren Grund-stücksflächen – liegt ausweislich der Planbegründung das Konzeptzugrunde, die landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht über-mäßig in Anspruch zu nehmen und Eingriffe im Interesse des Na-turschutzes möglichst gering zu halten. Daraus lässt sich entneh-men, dass durch die Planung Belangen des Naturschutzes und derLandschaftspflege sowie der Gestaltung des Landschaftsbildes unddamit städtebaulich beachtlichen Gründen Rechnung getragenwerden soll (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 und 7 BauGB). Hinreichen-de Anhaltspunkte dafür, dass diese Gründe nur vorgeschoben sindund insbesondere die Festsetzung der Baugrenzen in Wahrheit le-diglich dazu dient, private Interessen – insbesondere der E. GmbH– zu befriedigen, fehlen. (…)

b) Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin unterliegt bei sum-marischer Prüfung auch keinen durchgreifenden Bedenken imHinblick auf das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB. (…)

c) Bei summarischer Prüfung offen ist hingegen, ob sich der Be-bauungsplan der Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das Ab-wägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB als unwirksam erweist. Nachdieser Bestimmung sind die öffentlichen und privaten Belange ge-geneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das in § 1Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot ist dann verletzt, wennein sachgerechter Abwägungsvorgang überhaupt nicht stattgefun-den hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nichteingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie hätte einge-stellt werden müssen (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung derbetroffenen privaten und öffentlichen Belange verkannt oderwenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Be-lange in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Ge-wichtigkeit einzelner Belange außer Gewicht steht (vgl. grundle-gend BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 – IV C 105.66 –BVerwGE 34, 301, 309). Die Anforderungen an die Abwägung be-ziehen sich sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch – mit Aus-nahme des Erfordernisses, dass überhaupt eine Abwägung stattge-funden haben muss – auf das Abwägungsergebnis (vgl. grundle-gend BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 – IV C 50.72 – BVerwGE 45,309, 315). Für die Abwägung – und somit auch für ihre gerichtli-che Überprüfung – ist auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung überden Bebauungsplan abzustellen (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB).Mängel im Abwägungsvorgang sind zudem nur dann erheblich,wenn sie offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesensind (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).

Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall einAbwägungsausfall vorliegt, bestehen nicht. Es ist insbesonderenicht erkennbar, dass sich die Antragsgegnerin der E. GmbH ge-genüber in einer Weise gebunden hätte, dass ihre – der Antragsgeg-nerin – Abwägung nicht mehr ergebnisoffen gewesen wäre. An-haltspunkte dafür ergeben sich nicht bereits daraus, dass die Pla-nung der Antragsgegnerin – worauf der Ablauf des Planverfahrensund der im Juli 1999 mit der E. GmbH geschlossene Vertrag hin-deuten – auf ein Vorhaben der GmbH »zugeschnitten« ist. DerUmstand, dass eine Gemeinde den Bebauungsplan auf der Grund-lage des Entwurfs eines Vorhabenträgers erarbeitet, ist kein regel-mäßiges Indiz für einen Abwägungsfehler (vgl. BVerwG, Beschlussvom 28. August 1987 - 4 N 1.86 - BRS 47 Nr. 3 = UPR 1988, 65 =NVwZ 1988, 351). (…)

Ebenfalls keine greifbaren Anhaltspunkte bestehen dafür, dassdie Antragsgegnerin insbesondere im Zusammenhang mit derFestsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen in ihrem Be-bauungsplan die Interessen der Eigentümer, auf deren Grund-stücken keine Anlagenstandorte vorgesehen sind, unberücksich-tigt gelassen hat. (…)

Nicht unbedenklich erscheint indes, ob die Antragsgegnerin dasmit Schreiben vom 24. Januar 2003 angeführte Interesse der An-tragstellerin mit den in ihrem Beschluss vom 7. März 2003 (Be-schluss Nr. 2003/0309) angestellten Erwägungen zurückweisendurfte. In der bauleitplanerischen Abwägung sind solche privatenBelange zu berücksichtigen, die in der konkreten Planungssituati-on einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwä-gungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einemMakel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestandkein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Ge-meinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar wa-ren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2001 – 6 BN 2.00 – BRS64 Nr. 214). Aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 24. Januar2003 ergibt sich, dass sie nicht nur auf Belange der Raumordnungund der Grundstückseigentümer hinweisen, sondern ein eigenes

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RECHTSPRECHUNG IN LE ITSÄTZEN

Interesse an der Nutzung der Windenergie im Plangebiet sichtbarmachen wollte. Dies erschließt sich daraus, dass sie – eine Gesell-schaft zur Entwicklung regenerativer Energieprojekte – die Begren-zung der Anlagenstandorte kritisiert und mitgeteilt hat, Nutzungs-berechtigte einzelner Grundstücke zu sein. Die Antragsgegnerinhat das Interesse der Antragstellerin, wie aus ihrem Beschluss Nr.2003/0309 erkennbar, nicht in die Abwägung eingestellt. Esspricht viel dafür, dass ihre Abwägung deshalb an einem Defizitleidet. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Antragstellerindie Flächen, an denen sie ein Nutzungsinteresse hat, in ihremSchreiben vom 24. Januar 2003 nicht im Einzelnen mitgeteilt hat.Das Schreiben hat begründeten Anlass gegeben, den Sachverhaltinsoweit weiter aufzuklären. Das von der Antragstellerin in dasVerfahren eingebrachte Nutzungsinteresse dürfte jedenfalls dann,wenn – wie hier – die zur Nutzung vorgesehenen Flächen vertrag-lich gesichert sind, zum notwendigen Abwägungsmaterialgehören, weil es sich um ein durch § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB recht-lich geschätztes Interesse handelt. Auch wird die Gemeinde vonihrer Verpflichtung, sich im Verfahren zur Aufstellung eines Be-bauungsplanes selbst Gewissheit über die abwägungserheblichenBelange zu verschaffen, grundsätzlich nicht durch Stellungnah-men von Beteiligten des Planverfahrens entbunden (vgl. BVerwG,Beschluss vom 14. August 1989 – 4 NB 24.88 – BRS 49 Nr. 22). Auchwenn danach Vieles dafür spricht, dass der Abwägungsvorgangfehlerhaft ist, kann bei summarischer Prüfung nicht ohne weiteresdavon ausgegangen werden, dass dieser Fehler auch das Abwä-gungsergebnis beeinflusst hat. Von einer Auswirkung auf das Ab-wägungsergebnis ist dann auszugehen, wenn nach den Umstän-den des Falles die konkrete Möglichkeit eines Einflusses besteht,was etwa der Fall sein kann, wenn sich anhand der Planunterlagenoder sonstiger erkennbarer oder nahe liegender Umstände ergibt,dass sich ohne Fehler im Abwägungsvorgang ein anderes Ergebnisabgezeichnet hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1992 -4 NB 22.90 – BRS 54 Nr. 15 = NVwZ 1992, 662). Die konkrete Mög-

lichkeit eines anderen Entscheidungsergebnisses lässt sich hiernicht ohne weitere Sachaufklärung feststellen.

2) Ist der Bebauungsplan der Antragsgegnerin jedenfalls nichtoffensichtlich unwirksam, spricht bei der gebotenen Folgenabwä-gung alles gegen den Erlass der beantragten einstweiligen Anord-nung. Der Antragstellerin drohen bei einem Verweis auf einHauptsacheverfahren zwar nicht unerhebliche wirtschaftlicheNachteile, wobei der geltend gemachte Verlust in Höhe von 1,5Mio Euro allerdings nicht nachvollziehbar ist. Allein ein wirt-schaftlicher Nachteil vermag den Erlass einer einstweiligen Anord-nung nach § 47 Abs. 6 VwGO jedoch grundsätzlich nicht zu recht-fertigen, weil dem Bauwilligen insoweit kein außergewöhnlichesOpfer abverlangt wird (vgl. auch HessVGH, Beschluss vom 19. No-vember 2002 – 4 NG 2283/02 – BRS 65 Nr. 60). Dafür, dass die An-tragstellerin durch den geltend gemachten wirtschaftlichen Nach-teil in ihrer Existenz bedroht wäre, liegt nichts vor.

Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ist auchnicht aus anderen wichtigen Gründen i. S. d. § 47 Abs. 6 VwGOdringend geboten. (…)

III. Der Hilfsantrag, mit dem die Antragstellerin eine nur teilwei-se Außervollzugsetzung des Bebauungsplans erwirken möchte, hatgleichfalls keinen Erfolg. Dies ergibt sich bereits aus den unter Ziff.II dargelegten Gründen. Im Übrigen dürfte hier zu berücksichtigensein, dass der angegriffene Bebauungsplan nicht teilbar ist. Von ei-ner Teilbarkeit könnte nur dann ausgegangen werden, wenn dievon der Antragstellerin mit ihrem Hilfsantrag nicht angegriffenenFestsetzungen für sich genommen noch eine sinnvolle städtebau-liche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken könntenund mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen wäre, dass die An-tragsgegnerin auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränktenInhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August1991 – 4 NB 3.91 – BRS 52 Nr. 36 = UPR 1991, 447 = NVwZ 1992,567 zur Teilnichtigkeit eines Bebauungsplans). Dafür, dass die An-tragstellerin einen derart eingeschränkten Plan beschlossen hätte,kann nicht ausgegangen werden. (…)

Planfeststellung, Lärmschutz

BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 9 B 38.04

Leitsätze:

1. Der Schienenbonus ist bei Ermittlung des Schienenver-kehrslärms unabhängig davon anzusetzen, ob durch dieZugvorbeifahrten gleichzeitig Erschütterungen entstehenund als Folge davon Körperschall ausgelöst wird (wieBVerwG, Beschluss vom 13. November 2001 – BVerwG 9 B57.01 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 17, S. 28).

2. Wenn die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchVes nicht erlauben, abschließend zu beurteilen, ob die Immis-sionssituation für die Planbetroffenen zumutbar sein wird,obwohl Verkehrslärm mit verkehrsbedingtem Körperschallzusammentrifft, fordert § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eineergänzende Prüfung, die der tatsächlich zu erwartendenBelastung Rechnung trägt. Hierzu ist regelmäßig immis-sionsschutzfachlicher Sachverstand heranzuziehen.

VGH Kassel vom 27.04.2004 – Az.: VGH 2 A 2424/03 –

Gebot der Rücksichtnahme, Windenergieanlage

BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 – 4 C 1.04

Leitsatz:Die allgemeinen baurechtlichen Vorschriften, zu denen auchdas Gebot gehört, mit Vorhaben im Außenbereich auf denluftverkehrsrechtlich genehmigten Betrieb eines Segelflugge-ländes Rücksicht zu nehmen, werden nicht durch vorrangigeRegelungen des Luftverkehrsgesetzes verdrängt.

Vorinstanzen:I. VG Neustadt vom 13.11.2002 – Az.: VG 4 K 682/02.NWII. OVG Koblenz vom 26.11.2003 – Az.: OVG 8 A 10814/03

Wesentliche Änderung eines Schienenwegs

BVerwG, Urteil vom 10. November 2004 – 9 A 67.03

Leitsatz:Der Begriff des Schienenweges in § 1 der 16. BImSchV ist nichtfunktions-, sondern trassenbezogen zu verstehen. Für die Ab-

R E C H T S P R E C H U N G I N L E I T S Ä T Z E N

Gerbig/Kohls/Schütte , Neueste Entwick lungen im Bundesumwelt recht | G E S E T Z G E B U N G

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grenzung zwischen dem Bau eines neuen und der Änderungeines bestehenden Schienenweges kommt es deshalb auf dasräumliche Erscheinungsbild im Gelände an. Die Schaffung einerS-Bahnstrecke in enger Parallellage zu einer vorhandenen Fern-bahnstrecke ist hiernach als Änderung eines Schienenwegs zuqualifizieren (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3. März 1999– BVerwG 11 A 9.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26).

Einheitliche Entscheidung nach § 78 VwVfG bei der Straßenplanung

BVerwG, Beschluss vom 4. August 2004 – 9 VR 13.04

Leitsatz:Ein gemeinsamer Kreuzungspunkt zweier Straßenplanungenmag im Einzelfall für die Anwendung des § 78 Abs. 1 VwVfG

ausreichen, führt aber nicht notwendig dazu. Ein erhöhterplanerischer Koordinierungsbedarf, der eine Kompetenzver-lagerung erzwingt, wird in der Praxis die Ausnahme bleiben.

Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in einemInterimslager

VGH Mannheim, Urteil vom 11. Mai 2004 – 10 S 1291/01

Leitsatz:Zum Rechtsschutz von Anlagennachbarn gegen eine Geneh-migung zur Lagerung abgebrannter Kernbrennstäbe in einemInterimslager auf dem Gelände des Kernkraftwerks.

Mara Gerbig/Malte Kohls/Peter Schütte

Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht

G E S E T Z G E B U N G

1.12.2004-20.2.2005Neben dem Abschluss dreier umweltpoliti-scher »Großprojekte« (A.) – über die jeweilsbereits in dieser Rubrik berichtet wurde –sind aus der zurückliegenden Berichtsperi-ode insbesondere die Novellierung des Um-weltinformationsgesetzes (B.) sowie einigeweitere interessante Fortschritte und Akti-vitäten der Bundesgesetzgebung zu vermel-den (C.).

A. Zentrale umweltpolitische Rechtsset-zungsprojekte abgeschlossen

Drei der brisantesten umweltpolitischenGesetzgebungsvorhaben dieser Legislatur-periode, sind in der zurückliegenden Be-richtsperiode (nahezu) abgeschlossen wor-den: Zum einen ist das Gentechnik-Neu-ordnungsgesetz, das in Grundzügen bereitsin Heft 3/2004 vorgestellt und von Palmein Heft 3/2005 ausführlich erläutert wurde,am 21. Dezember 2004 vom Bundestag be-schlossen worden und am 4. Februar 2004in Kraft getreten. Zum anderen hat am 12.Januar das Bundeskabinett der Novellie-rung der Verpackungsverordnung,1 die zu-vor am 17. Dezember vom Bundesrat be-schlossen worden war, zugestimmt.2 DieVerordnung kann damit nach Notifizie-rung bei der EU voraussichtlich im Mai die-sen Jahres in Kraft treten.

Mit dem Elektro- und Elektronikgeräte-gesetz (ElektroG)3 befindet sich neben der

novellierten Verpackungsverordnung einweiteres zentrales abfallrechtliches Rege-lungsprojekt auf der Zielgeraden. Dem Ge-setz, das die beiden EU-Richtlinien über dieEntsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten4 und über die Verwendung be-stimmter gefährlicher Stoffe in Neuge-räten5 umsetzen soll, hat der Bundesrat am18.2.2005 nunmehr zugestimmt. Es siehtim Kern vor, dass Verbraucherinnen undVerbraucher zukünftig ihre alten Elektro-und Elektronikgeräte kostenlos bei kom-munalen Sammelstellen abzugeben habenund dass die gesammelten Geräte sodannvon den jeweiligen Herstellern zurückge-nommen und möglichst verwertet werdenmüssen. Im Hinblick auf das Ziel einermöglichst schadlosen Wiederverwendungund Verwertung werden außerdem spezifi-sche Anforderungen an die Beschaffenheitund an die Entsorgung der Geräte nor-miert.6

B. Novellierung des Umweltinformationsgesetzes

Durch das Gesetz zur Neugestaltung desUmweltinformationsgesetzes und zur Än-derung der Rechtsgrundlagen zum Emissi-onshandel vom 22.12.20047 wurde unteranderem das Umweltinformationsgesetz(UIG) novelliert. Das neue UIG ist am14.2.2005 in Kraft getreten; gleichzeitigtrat das UIG in der Fassung der Bekanntma-

chung vom 23.8.2001 (BGBl. I, S. 2218)außer Kraft. Mit dem Gesetz werden dieneu gefasste Umweltinformationsrichtli-nie vom 14.2.2003 (Richtlinie 2003/4/EGüber den Zugang der Öffentlichkeit zu Um-weltinformationen und zur Aufhebung derRichtlinie 90/313/EWG8) umgesetzt sowie

1 Über die wesentliche Inhalte der Verpackungsno-velle wurde unter dieser Rubrik in Heft 2/2005 be-richtet.

2 Zur Vereinbarkeit der Verpackungsverordnungmit dem Gemeinschaftsrecht, die einen zentra-len Anlass der Novelle bildet, siehe die Urteiledes EuGH vom 14.12.2004, Rs. C-463/01(Euro-päische Kommission ./. BundesrepublikDeutschland) und C-309/02 (Radeberger Ge-tränkegesellschaft mbH & Co. ./. Land Baden-Württemberg), abgedruckt in ZUR, Heft 3/2005mit Anmerkung Jacobi.

3 Hierüber wurde bereits berichtet, siehe zuletztHeft 4/2004; eine Darstellung inhaltlicher Eck-punkte des nun beschlossenen Gesetzes findetsich bereits in Heft 4/2003.

4 Richtlinie 2002/96/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 27. Januar 2003 überElektro- und Elektronik-Altgeräte, ABl. Nr. L 37vom 13.02.2003, S. 24-39;die Umsetzungsfristist bereits am 12.August 2004 abgelaufen, vgl.Art. 17 Abs. 1 der RL 2002/96/EG; bzw. Art. 9Abs. 1 der RL 2002/95/EG.

5 Richtlinie 2002/95/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 27. Januar 2003 zurBeschränkung der Verwendung bestimmter ge-fährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgerä-ten, ABl. Nr. L 37 vom 13.02.2003, S. 19-23.

6 Eine detaillierte Erläuterung des Gesetzes wer-den Mario Tobias und Hans-Jochen Lückefett imnächsten ZUR-Heft geben.

7 BGBl. I, S. 3704.8 ABl. Nr. L 41, S. 26.

Verpflichtungen aus der sog. Aarhus-Kon-vention9 erfüllt.

Durch das neue Umweltinformationsge-setz werden Informationsrechte ausgewei-tet und der Zugang zu Umweltinformatio-nen deutlich verbessert. So sind gem. § 2Abs. 1 Ziff. 1 UIG n. F. künftig grundsätz-lich alle Stellen der öffentlichen Verwal-tung, unabhängig davon, ob sie Aufgabendes Umweltschutzes wahrnehmen, zurHerausgabe von Umweltinformationenverpflichtet. Darüber hinaus müssen auchnatürliche oder juristische Personen desPrivatrechts, soweit sie öffentliche Aufga-ben wahrnehmen oder öffentliche Dienst-leistungen erbringen, die im Zusammen-hang mit der Umwelt stehen und die derKontrolle des Bundes oder einer unter Auf-sicht des Bundes stehenden juristischenPerson des öffentlichen Rechts unterlie-gen, Zugang zu Informationen verschaffen(§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 UIG n.F.). Mit dem neuenGesetz werden zudem die Fristen für die Be-antwortung von Anfragen zu Umweltinfor-mationen halbiert, sodass die bisher vorge-sehene zweimonatige Frist auf im Regelfalleinen Monat verkürzt wird (vgl. § 3 Abs. 3Ziff. 1 UIG n.F.). Eine wesentliche Neue-rung ergibt sich auch im Hinblick auf zu er-bringende Gebühren, da die Einsichtnah-me von Informationen am Ort der Verwal-tung nach § 12 Abs. 1 UIG n.F. in Zukunftkostenfrei geschehen kann.

Darüber hinaus ist neu, dass die Behör-den weitaus umfassender als bisher ver-pflichtet werden, aktiv Umweltinformatio-nen zu verbreiten bzw. den Zugang zu sol-chen Informationen zu erleichtern: Sosieht § 7 UIG n.F. vor, dass die informati-onspflichtigen Stellen Maßnahmen undVorkehrungen zu treffen haben, die denZugriff auf die bei ihnen verfügbaren Um-weltinformationen verbessern. Außerdemmüssen die Behörden und informations-pflichtige natürliche oder juristische Perso-nen des Privatrechts nach § 10 UIG n.F. dieÖffentlichkeit aktiv und systematisch überdie Umwelt unterrichten. Unter anderemist vorgesehen, dass besonders umweltrele-vante Zulassungsentscheidungen zum Bei-spiel auf elektronischem Wege zugänglichgemacht werden. Die Bundesregierungwird nach § 11 UIG n.F. zudem verpflich-tet, regelmäßig in einem Abstand vonnicht mehr als vier Jahren einen Umwelt-zustandsbericht zu verfassen.

C. Sonstige Entwicklungen

Aufhebung und Abwicklung des SolidarfondsAbfallrückführung

Das Bundesumweltministerium hat am8.2.2005 den zu beteiligenden Kreisen ei-

Tätigkeiten und Anlagentypen auszuwei-ten. Zudem sollen die Mengenschwellenfür bestimmte explosionsgefährliche undpyrotechnische Stoffe gesenkt sowie im-missionsschutzrechtliche Schutzobjekteund Abstandsregelungen weiter konkreti-siert werden. Eine Befassung mit dem Re-gierungsentwurf durch Bundestag undBundesrat steht noch aus.

Meldepflicht für Biozid-Produkte Produkte, die aufgrund ihrer chemischenoder biologischen Wirkungsweise zurBekämpfung schädlicher Organismen ein-gesetzt werden (sog. Biozid-Produkte), sol-len zukünftig nur noch auf den Markt ge-bracht werden dürfen, wenn ihre Wirkstof-fe zuvor gemeldet und freigegeben wordensind. Das sieht der am 16.2.2005 von derBundesregierung beschlossene Entwurf ei-ner sog. »Biozid-Meldeverordnung«14 vor,dem der Bundesrat noch zustimmen muss.Durch die Verordnung soll die Überwa-chung von unmittelbar geltenden EU-Vor-schriften zu Biozid-Produkten durch dieVollzugsbehörden der Länder erleichtertwerden, da alle gemeldeten Produkte nacheiner Prüfung durch die Behörden mit ei-ner Registrierungsnummer versehen wer-den sollen.

Entwurf einer Chemikalien-Ozonschicht-verordnungEin vom Bundesumweltministerium er-stellter Entwurf einer Verordnung überStoffe, die die Ozonschicht schädigen (sog.Chemikalien-Ozonschichtverordnung),15

sieht u.a. vor, den Einsatz ozonschädigen-der Stoffe in ausgewählten Bereichen zuverbieten oder zu beschränken. Durch dieVerordnung, die derzeit innerhalb der Bun-desregierung abgestimmt wird, würde dieVerordnung 2037/2000/EG16 ergänzt undgleichzeitig die nationale FCKW-Halon-Verbots-Verordnung abgelöst werden. Da-mit soll u.a. mehr Klarheit in das bisherigeNebeneinander von EG-Recht und natio-nalem Recht gebracht werden, da nun-mehr die nationale Vorschrift lediglich Re-

nen Referentenentwurf zur Änderung desAbfallverbringungsgesetzes zugeleitet, des-sen Ziel die Aufhebung des SolidarfondsAbfallrückführung ist.10 Im Abfallverbrin-gungsgesetz war bisher vorgesehen, dassdie Exporteure von Abfällen im Rahmendes Notifizierungsverfahrens einen Pflicht-beitrag an den Solidarfonds zu entrichtenhaben, damit aus dem Beitragsaufkommendie Rückholung illegal exportierter Abfällefinanziert werden kann. Der europäischeGerichtshof hatte im Februar 2003 ent-schieden, dass dies Regelungen gegen Arti-kel 23 und 25 EG verstoßen.11 Entspre-chend sieht der Entwurf insbesondere vor,dass § 8 AbfVerbrG , der u.a. die Errichtungdes Solidarfonds Abfallrückführung sowiedie Kostentragungspflicht des Solidar-fonds regelt, vollständig aufgehoben wird(vgl. Art. 1 des Entwurfs). Durch ein geson-dertes Gesetz zur Abwicklung der AnstaltSolidarfonds Abfallrückführung (Art. 2 desEntwurfs) soll des weiteren geregelt wer-den, wie die Vermögensüberschüsse undVerbindlichkeiten der Anstalt auf die Län-der übergehen.

Besserer Schutz von Greifvogelarten durch No-velle der Artenschutzverordnung

Zum besseren Schutz heimischer Greifvo-gelarten sowie weiterer Vogelarten undSchildkröten hat der Bundesrat am17.12.2004 einer Änderung der Bundesar-tenschutzverordnung zugestimmt.12 Dienovellierte Artenschutzverordnung ent-hält nunmehr ein Verbot der Kreuzung un-terschiedlicher Greifvogelarten (sog. Hy-brid-Zucht) sowie der Haltung derartgezüchteter Tiere, da von diesen erwiese-nermaßen die Gefahr einer Verdrängungheimischer Arten ausging. Zudem wurdendurch die Novellierung Kennzeichnungs-pflichten für bestimmte weitere gefährdeteVogelarten eingeführt und eine artenge-rechtere Kennzeichnung von Schildkrötenermöglicht, wonach zukünftig als Erken-nungsnachweis auch die Fotografie des Tie-res zulässig ist.

Verstärkte Vorsorge vor Industrieunfällen durchgeplante Novelle zur Störfallverordnung

Die Bundesregierung hat am 26.1.2005 zurUmsetzung der Seveso-II-Änderungsrichtli-nie eine Änderung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes sowie der Störfall-Verord-nung beschlossen.13 Durch die Änderun-gen soll, den europarechtlichen Vorgabenentsprechend, Störfällen in der Industrieumfassender als bisher vorgebeugt werdensowie eine Begrenzung der Umweltauswir-kungen von Industrieunfällen erfolgen.Der Entwurf sieht vor, den Geltungsbereichdes europäischen Störfallrechts auf be-stimmte, bisher von diesem nicht erfasste,

9 Übereinkommen über den Zugang zu Informatio-nen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entschei-dungsverfahren und den Zugang zu Gerichten inUmweltangelegenheiten vom 25.6.1998, abge-druckt in Beilage III/2001 zu Heft 3/2001.

10 Der Entwurf ist einschließlich Begründung ab-gedruckt auf der Webseite des BMU.

11 Urteil des EuGH vom 27.2.2003, Rs. C 389/00(Europäische Kommission ./. BundesrepublikDeutschland).

12 BR-Drs. 800/04(B).13 Gesetz- und Verordnungsentwurf veröffentlicht

auf der Webseite des BMU.14 Entwurf veröffentlicht auf der Webseite des

BMU.15 Verordnungsentwurf veröffentlicht auf der

Webseite des BMU.16 Verordnung des Europäischen Parlaments und des

Rates vom 29. Juni 2000 über Stoffe, die zum Ab-bau der Ozonschicht führen, ABl. Nr. L 244, S. 1.

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B U C H N E U E R S C H E I N U N G E N

gelungen beinhalten soll, die über das quaVerordnung ohnehin unmittelbar geltendeEG-Recht hinausgehen, soweit dies zurAufrechterhaltung des bisherigen deut-schen Schutzniveaus erforderlich ist.

Neue Abgaswerte für mobile Maschinen –drastische Reduzierung von Stickoxiden undPartikelnUm Partikel- und Stickoxid-Emissionen ausmobilen Maschinen zu reduzieren, hat die

soll die durch diese Geräte hervorgerufeneLuftbelastung in zwei Stufen gesenkt wer-den, sodass bereits bis zum Jahre 2015 eineReduzierung der Emissionsmenge umknapp 50% bei Stickoxiden sowie um sogardeutlich mehr als 50 % bei Partikeln erwar-tet wird.

Bundesregierung am 16.2.2005 den Ent-wurf einer Änderung der 28. Verordnungzum Bundes-Immissionsschutzgesetz be-schlossen.17 Der Entwurf hat die Festlegungneuer Abgaswerte zum Inhalt hat und solldadurch zugleich die Richtlinie 2004/26/EG18 umsetzen. Die Verordnung sieht u.a.eine schrittweise Verschärfung der Abgas-grenzwerte für Maschinen mit einer Nutz-leistung von mehr als 19 Kilowatt im Zeit-raum zwischen 2005 und 2014 vor. Danach

Gesetz zur Ausführung der Verordnung(EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Par-laments und des Rates vom 19. März2001 über die freiwillige Beteiligung vonOrganisationen an einem Gemein-schaftssystem für das Umweltmanage-ment und die Umweltbetriebsprüfung(EMAS) – Umweltauditgesetz zuletztgeändert am 4.12.2004, BGBl. I, 3166Energiesparverordnung neu gefasst am2.12.2004, BGBl. I, 3146Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bo-denveränderungen und zur Sanierung

von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz)zuletzt geändert am 9.12.2004, BGBl. I,3214Chemikalienrechtliche Verordnung zur Be-grenzung der Emissionen flüchtiger orga-nischer Verbindungen (VOC) durch Be-schränkung des Inverkehrbringens löse-mittelhaltiger Farben und Lacke(Lösemittelhaltige Farben- und Lack-Ver-ordnung – ChemVOCFarbV) vom 16. De-zember 2004, BGBl. I, 3508 Verordnung zur Anpassung der Gefahr-stoffverordnung an die EG-Richtlinie

SONSTIGE RECHTSAKTE, PROGRAMMATISCHE PAPIERE UND MITTEILUNGEN

98/24/EG und andere EG-Richtlinienvom 23.12.2004, BGBl. I, 3758Gefahrgutverordnung Straße und Eisen-bahn (GGVSE) neu gefasst am 3.1.2005,BGBl. I, 36Gesetz über Abgaben für das Einleitenvon Abwasser in Gewässer (Abwasserab-gabengesetz) neu gefasst am 18.1.2005,BGBl. I, 114Erste Verordnung zur Änderung der Che-mikalien Straf- und Bußgeldverordnungvom 25.1.2005, BGBl. I, 154

17 Entwurf veröffentlicht auf der Webseite des BMU.18 Abl. Nr. L 146, S. 1.

B U C H N E U E R S C H E I N U N G E N

Die nachfolgende Übersicht erfasst, soweit ver-fügbar, die umweltrechtliche Literatur des Er-scheinungszeitraums vom 16.10.2004 bis zum15.12.2004.

EG- und Internationales Umweltrecht

Pohlmann, Markus:Kyoto Protokoll: Erwerb von Emissionsrech-ten durch Projekte in Entwicklungsländern2004, 407 S., 84,80 €, Duncker & Humblot,ISBN 3-428-11464-7

Im Rahmen des Emissionshandelssystemsdes Kyoto Protokolls können die Vertrags-staaten mit Hilfe ihrer Privatwirtschaft inklimafreundliche Projekte in Entwick-lungsländern investieren und sich die hier-durch generierten Emissionsrechte gegenü-ber ihren völkerrechtlichen Reduktionsver-pflichtungen gutschreiben lassen (sog.»Clean Development Mechanismus«, CDM).Markus Pohlmann setzt sich praxisnah miteiner Vielzahl an rechtlichen Problemenbei der privatwirtschaftlichen Umsetzungvölkerrechtlicher Emissionsreduktionsziele

auseinander. Hierzu zählen insbesonderedie rechtliche Verzahnung des CDM mit be-stehenden und künftigen nationalen Be-wirtschaftungssystemen, die klimavölker-rechtliche Stellung privater Rechtsträger,die völkerrechtliche Struktur des CDMeinschließlich seiner materiell- und verfah-rensrechtlichen Voraussetzungen und dieRechtsnatur der durch den CDM zu erwer-benden Emissionsrechten. Auf Grundlageder gewonnenen Erkenntnisse und der bis-herigen Erfahrungen des »prototype Car-bon Fund« der Weltbank weist der AutorLösungen auf zur Gestaltung entsprechen-der Kaufverträge und zum effektiven Ma-nagement projektspezifischer Risiken.

Allgemeines Umweltrecht

Heidrich, Martin:Rechtsphilosophische Grundlagen desRessourcenschutzesZu den normativen Ebenen der ökologischenFrage2004, 233 S., 68,– €, Duncker & Humblot,ISBN 3-428-11516-3

Martin Heidrich widmet sich thematischder Frage nach der Regelung bzw. Regelbar-keit der ökologischen Frage in rechtsphilo-sophischer Hinsicht. Methodologisch han-delt es sich daher um eine Grundlagenbe-trachtung, welche die Regelungsebenen desRessourcenschutzes und die diesen norma-tiven Ebenen zuzuordnenden Theorien so-wohl formal als auch inhaltlich systemati-siert. Dabei findet die Auseinandersetzungauf zwei normativen Ebenen statt, nämlicheinerseits auf jener der Moral und anderer-seits auf jener des Rechts, nachdem zu-nächst gezeigt wird, dass trotz formaler Ab-straktheit beider Begriffe hinsichtlich ihresmateriellen Gehalts dennoch eine gewissePermeabilität zu konstatieren ist.

Im Ergebnis gilt für die normative Ebeneder Moral, dass das anthropozentrische Na-turverständnis argumentativ zum einenunhintergehbar und zum anderen auch perse nicht notwendigerweise aufzugeben ist,da dieses – entgegen der mannigfaltigenKritik – unter Berücksichtigung der inner-halb des anthropozentrischen Lagers ent-

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wickelten Korrektivansätze keine systema-tisch begründeten, destruktiv-exploitativenTendenzen aufweist. Auf rechtlicher Ebenekann die Idee des freiheitlich verfasstensubjektiven Rechts ebenfalls gegen den Vor-wurf eines etwaigen, sich für die ökologi-sche Frage destruktiv auswirkenden Besitz-individualismus verteidigt werden. Zudemist aus dem freiheitlichen TeilhaberechtKantischer Prägung ein für die ökologischeFrage brauch- und entwickelbarer Begriffder iustitia distributiva zu entnehmen.

Hendler, Reinhard/ Marburger, Peter/ Reinhard, Michael/ Schröder, Meinhard:Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts20042004, 525 S., 129,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-50308327-8Das Jahrbuch enthält in gewohnter Weiseaktuelle Abhandlungen aus dem Umwelt-und Technikrecht. Das Spektrum der The-men umfasst neben völker- und europa-rechtlichen Aspekten besonders Problemedes deutschen Umwelt- und Technikrechts.Behandelt werden u. a. Fragen der Nachhal-tigkeit, des Energierechts, des Bergrechts,des Gefahrstoffrechts, des Abwasserabga-benrechts, des neuen Technikrechts, derUmwelthaftung und der privatautonomenGestaltung des Nachbarschaftsverhältnis-ses. Ein ausführlicher Bericht über die Ent-wicklung des Umwelt- und Technikrechtsim Jahre 2003 rundet den Band ab.

Immissionsschutzrecht

Ebsen, Peter:Emissionshandel in DeutschlandEin Leitfaden für die Praxis2004, 141 S., 24,80 €, Carl Heymanns Verlag,ISBN 3-452-25814-9

Am 1. Januar 2005 beginnt der europaweiteHandel mit Emissionsberechtigungen. DieBetreiber der vom Emissionshandel betrof-fenen Anlagen müssen sich über etlicheneue Rechte und Pflichten informieren. Be-sonders wichtig ist die zu berücksichtigendeFrist für die Anträge auf kostenlose Zuteilungvon Emissions-Berechtigungen. Dafür blei-ben den Anlagenbetreibern nur 15 Tagenach In-Kraft-Treten des Zuteilungsgesetzes.

Dieser Leitfaden gibt in einer auch fürNicht-Juristen verständlichen Form eineEinführung zum Emissionshandel inDeutschland. Er stellt einen Wegweiser fürdie Anlagenbetreiber da und gibt eine ersteOrientierung.

Kalmbach, Siegfried:Technische Anleitung zur Reinhaltung derLuft – TA LuftTA Luft mit Erläuterungen2004, 475 S., 49,80 €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-06677-2

Die 2002 in Kraft getretenen umfassendenÄnderungen der TA Luft wurden u. a. durchdie Umsetzung und weitere Konkretisie-rung der IVU-Richtlinie der EU erforderlich.Die EU sah die Notwendigkeit, »beste ver-fügbare Techniken« bei Genehmigungsver-fahren zu Grunde zu legen. Dies erfolgtdurch sog. BREFs (Best available techniqueREFerence Documents). Soweit sie vorlie-gen, bestimmen sie auch den Emissionsteilder TA Luft 2002.

Der »Stand der Technik« – im deutschenUmweltrecht wurde dieser Begriff beibehal-ten, inhaltlich jedoch an die Definition derEU angepasst – soll dabei den verschiedenenGesichtspunkten des Umweltschutzes undder Umweltbereiche gerecht werden. Bei denfür eine nachvollziehbare Kontrolle des»Standes der Technik« unerlässlichen Para-metern, den Emissionswerten, ist man aller-dings weiterhin auf die Einzelkomponentender Luftverunreinigungen angewiesen.

Die neue TA Luft, die seit dem 3. Oktober2002 in Kraft ist, ist sowohl auf der Emissi-ons- als auch der Immissionsseite weiterhinformal eine reine Luftreinhalte-Vorschrift.Allerdings regelt sie entscheidend industri-elle und gewerbliche Tätigkeiten auch imBlick auf die anderen Umweltbereiche. Siegibt daher allen Beteiligten verlässlicheMaßstäbe und ermöglicht die erforderlicheRechtssicherheit.

Dieser Band enthält, neben der TA Luft mitumfassenden Erläuterungen, die notwendi-gen ergänzenden Verordnungen und Richtli-nien zum Stand der Technik und zur Luft-qualität in den jeweils neuesten Fassungen.

Schweer, Carl-Stephan/ von Hammerstein,Christian:Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz(TEHG)2004, 519 S., 74,– €, Carl Heymanns Verlag,ISBN 3-452-25771-1

Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz(TEHG) ändert das Luftreinhaltungssystemin Deutschland grundlegend. Ab 1. Januar2005 regeln europaweit handelbare Zertifi-kate das Recht auf C02-Ausstoß. Aber schonjetzt hat das TEHG weitreichende Konse-quenzen für alle Anlagenbetreiber.

Die Frist ist abgelaufen: Bis zum 20. Sep-tember 2004 mussten die Anträge auf ko-stenlose Anfangszuteilung von Emissions-zertifikaten gestellt sein. Außerdem stellendie Anträge die Weichen für die zukünftige

Ausstattung mit Berechtigungen z. B. imHinblick auf Ersatzanlagen etc. verspätete,möglicherweise auch unvollständige odernicht korrekte Anträge haben den Verlustdes Anspruchs zur Folge. Rechtstreitigkei-ten sind damit vorprogrammiert und Anla-genbetreiber wie Behörden müssen sich mitzahlreichen Problemen auseinandersetzen,für die es bisher keine Präzedenzfälle gibt.

Diese Informationslücke schließt der vor-liegende Kommentar. Er enthält die erstedetaillierte Analyse des neuen Gesetzes un-ter Berücksichtigung der internationalenund europäischen Vorgaben. Grundlegen-de Aussagen über die Zulässigkeit des Sys-temwechsels im Luftreinhaltungsrecht wer-den verbunden mit praktischen Anleitun-gen für Anlagenbetreiber und alle anderenTeilnehmer des Handels mit Emissionszer-tifikaten.

Schwerpunkte sind die Durchsetzung derAnsprüche auf Anfangszuteilung von Zerti-fikaten und der Schutz vor möglichen Wett-bewerbsverzerrungen durch übermäßigeAnfangszuteilungen an Konkurrenten. DerKommentar stellt die Möglichkeiten desbörslichen und außerbörslichen Handelsder Zertifikate auf nationaler und interna-tionaler Ebene dar.

Atom- und Energierecht

Baur, Jürgen F.:Die Energiewirtschaft in der RegulierungDie neuen rechtlichen Herausforderungen2004, 166 S., 39,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN 3-8329-0807-2

Der Tagungsband steht unter dem hochak-tuellen Thema der Regulierung in der Ener-giewirtschaft. Referiert wird u. a. über das An-forderungsprofil an die geplante Regulie-rungsbehörde für den Strom- und Gasmarktnach den Richtlinien 2003/54/EG und2003/55/EG, über Anmerkungen zur Regu-lierungsdebatte aus öffentlich-rechtlicherSicht, über die Missbrauchsaufsicht überNetzentgelte und über den Wettbewerb inder Regulierung, Märkte im Umbruch unddie Rolle des Vertragsrechts.

Gentechnikrecht

Breckling, Broder/ Brand, Verena/ Winter, Gerd/ Fisahn, Andreas/ Pagh, Peter:Fortschreibung des Konzeptes zur Bewer-tung von Risiken bei Freisetzungen und demInverkehrbringen von gentechnisch verän-derten Organismen2004, 423 S., 58,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-08331-6

Der Bericht befasst sich aus rechtswissen-schaftlicher und biologisch/ökologischer

ZUR 4/2005 | 223

B U C H N E U E R S C H E I N U N G E N

Sicht mit unterschiedlichen Konzepten derRisikobewertung und des Risikomanage-ments beim Inverkehrbringen gentech-nisch veränderter Organismen (GVO).

Dabei werden europarechtliche und völ-kerrechtliche Maßstäbe ebenso wie die gen-technikrechtlichen Maßstäbe von Deutsch-land, Dänemark, Frankreich, den USA undGroßbritanniens untersucht. Besonders dieKonkretisierung des Schadensbegriffes, wel-che Voraussetzung für die Bildung einesMaßstabs ist, wird durch Herstellung einesBezugs zu anderen deutschen Umweltge-setzen vorangetrieben.

Die ökologische Forschung beschäftigtsich mit den unterschiedlichen naturwissen-schaftlichen Bewertungskonzepten, prüft ih-re Praxistauglichkeit für die Bewertung desInverkehrbringens von GVO und aktualisiertein auf die Erfordernisse der Freisetzung unddes Inverkehrbringens von GVO abgestimm-tes Konzept. Dabei werden verschiedene öko-logische Wirkungsebenen von GVO vorge-stellt, wobei die Notwendigkeit und derUmfang einer ebenenübergreifenden Risiko-bewertung betont werden. Die Studie zeigt,dass aufgrund der Selbstvermehrungsfähig-keit von Organismen Ungewissheiten vor-handen sind, die eine wichtige Rolle spielenund in die Bewertung einzubeziehen sind.

Das Buch baut auf den Bericht 3/10 unddem Text-Band 50/03 des Umweltbundes-amtes dargelegten Erkenntnissen auf. DieForschungsergebnisse münden in einenLeitfaden für das Verfahren der Risikobe-wertung und des Risikomanagements, derdie Tätigkeit der Genehmigungsbehördenerleichtern soll.

Abfallrecht

Erbguth, Wilfried:Die Abfallwirtschaftsplanung2004, 103 S., 24,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN 3-8329-0906-0

Die Zweitauflage der Schrift zur Abfallwirt-schaftsplanung kommentiert § 29 KrW-/AbfG auf dem Stand von Mitte 2004. ImZentrum der Abhandlung stehen die bun-desrechtlichen Vorgaben; das einschlägigeEuroparecht wird berücksichtigt. Die Ein-bindung der Abfallwirtschaftsplanung indas System der Raumplanung findet beson-dere Beachtung.

Fluck, Jürgen:Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Boden-schutzrechtKrW-/AbfG, AbfVerbrG, EG-AbfVerbrVO, BBodSchG, Kommentar

Loseblattwerk in 7 Ordnern, 9.588 S., 53. Ergän-zungslieferung, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm,ISBN 3.8114-7900-8

Die 53. Ergänzungslieferung enthält eineKommentierung der AltholzV, eine Kom-mentierung von § 24 BBodSchG sowie Än-derungen landesrechtlicher Vorschriftenund Ergänzungen durch Neuaufnahme.

Johnke, Bernt/ Scheffran, Jürgen/ Soyez, Konrad:Abfall, Energie und KlimaWege und Konzepte für eine integrierteRessourcennutzung2004, 253 S., 39,80 €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-08324-3

Die Bemühungen um einen verbesserten Kli-maschutz stehen in Übereinstimmung mitdem Grundsatz einer nachhaltigen Entwick-lung, der gleichzeitig eine Verbesserung derUmweltsituation, eine Steigerung wirt-schaftlicher Effizienz und Wertschöpfungund die soziale Konsolidierung verlangt.Hierfür gilt es, verfügbare und erkannte Po-tenziale schnell wirksam zu machen.

Unter den Optionen für die Umsetzungderartiger Forderungen verdient die Abfall-wirtschaft besonderes Augenmerk, weil siebei richtiger Organisation Beiträge in alledrei Richtungen leisten kann: Abfallver-meidung erhöht die stoffliche und energe-tische Rohstoffproduktivität und vermeidetEmissionen. Die stoffliche Verwertung vonAbfällen spart Primärrohstoffe und Primär-energie ein. Ihre energetische Verwertungzur Erzeugung von Strom und Wärme sub-stituiert Primärenergieträger. Dadurch wer-den klimaschädigende Emissionen ebensoreduziert wie durch die Vorbehandlung vorder Ablagerung. Eine gut organisierte Ab-fallwirtschaft im Rahmen einer nachhalti-gen und integrierten Kreislaufwirtschaftverringert Kosten, entlastet Bürger undStaat und stellt einen wichtigen Beitragzum Klimaschutz dar.

Vor diesem Hintergrund entstand die In-itiative »Abfall, Energie und Klima«, derenPotsdamer Abfalltagung 2003 in diesemBand dokumentiert wird.

Thärichen, Holger:Öffentliche Interessen im AbfallrechtZum Rechtsbegriff der »überwiegendenöffentlichen Interessen« im Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetz2004, 367 S., 56,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-07851-7

Der Rechtsbegriff der »öffentlichen Interes-sen« spielt in verschiedenen Regelungendes Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzeseine zentrale Rolle. In § 13 steuert er die

Reichweite der kommunalen Überlassungs-pflichten, in denen §§ 16ff. die Möglich-keiten der Beleihung Privater mit der Wahr-nehmung von Entsorgungsaufgaben.

Bei der erforderlichen Norminterpretationgeht es im Kern um den heutigen Stellenwertder kommunalen Abfallentsorgung im Ge-samtsystem des Kreislaufwirtschafts- und Ab-fallgesetzes. Umfassend wird erörtert, inwie-weit abfallwirtschaftliche Belange der Kom-munen normativen Schutz in Anspruchnehmen können. Dabei kommen unweiger-lich auch die grundsätzlicheren Diskussio-nen um Privatisierung und Daseinsvorsorgeauf nationaler wie auf europäischer Ebenemit ins Spiel. Die Wandlungen und Interes-senkonflikte, die die Abfallentsorgung als tra-diertes Element öffentlicher Daseinsvorsorgeheute prägen, bilden sich auch bei der Inter-pretation des Rechtsbegriffs der »öffentlichenInteressen« ab.

Trute, Hans-Heinrich:Regelungsstrukturen der Kreislaufwirtschaftzwischen kooperativem Umweltrecht undWettbewerbsrecht2004, 193 S., 39,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN 3-8329-0700-9

Die Arbeit untersucht die Beziehung vonkooperativem Umweltrecht und Wettbe-werbsrecht im Bereich der dualen Entsor-gungswirtschaft am Beispiel der Ver-packungsverordnung und des auf dieserGrundlage entstandenen Vertragssystemsder DSD AG.

Wasserrecht

Delfs, Sören:Grundwasser: Rechtlicher Schutz vonQualität und Quantität2004, 327 S., 59,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN 3-8329-0794-7

Der Autor widmet sich dem Grundwasser-schutz im Recht. Es werden die Instrumen-te zum Schutz des Grundwassers im deut-schen und gemeinschaftlichen Umwelt-recht eingehend analysiert und auf derGrundlage der Darstellung der aktuellen Ge-fahren für das Grundwasser jeweils dieRechtslage, die bestehenden Defizite undHandlungschancen aufgezeigt.

Röpke, Björn/ Bach, Martin/ Frede, Hans-Georg:Prediction of Pesticide Concentrations in German River Basins from DiffuseAgrucultural Inputs2004, 216 S., 39,80 €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-08322-7

B U C H N E U E R S C H E I N U N G E N

224 | ZUR 4/2005

Im Rahmen der Implementierung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wird zurErreichung des angestrebten »guten Ge-wässerzustandes« u.a. eine Quantifizierungder Einträge von Pflanzenschutzmitteln(PSM) aus diffusen Quellen verlangt.

Mit dem Modell DRIPS (Drainage-Runoff-Spraydrift Input of Pesticides in Surface Wa-ters) ist jetzt im Rahmen eines Forschungs-projektes des Umweltbundesamtes vomInstitut für Ressourcenmanagement der Uni-versität Gießen ein Modellierungs-Werkzeugentwickelt worden. Mit Hilfe von DRIPSkönnen auf nationaler Ebene einzugsge-bietsspezifische Anfangskonzentrationen(Predicted Environmental Concentration insurface waters, PECsw) für Wirkstoffe inPflanzenschutzmitteln ermittelt werden.

DRIPS wurde zur benutzerfreundlichenBedienbarkeit der Modellalgorithmen mit ei-ner grafischen Benutzeroberfläche ausge-stattet. Hiermit können die wichtigstenModellparameter wie DT50, Koc, Tag der Pe-stizid-Applikation. Aufwandmenge etc. mo-difiziert werden, um nutzerspezifischePECsw-Szenarien zu berechnen. Die Model-lergebnisse lassen sich auf Karten mit hoherzeitlicher und räumlicher Auflösung mit spe-zifischen Konzentrationsangaben (PECsw)für ca. 350 Einzugsgebiete darstellen.

Fachplanungsrecht

Fiedler, Uli:Straßenplanung und UmweltvorsorgeDie Ermittlung, Beschreibung und Berücksichti-gung von Umweltauswirkungen nach demUVPG in der Praxis der Bundesstraßenplanung2004, 229 S., 61,– €, Nomos Verlagsgesellschaft,ISBN 3-8329-0810-2

Die Arbeit liefert eine detailgenaue Darstel-lung der Bedeutung der UVP in der Pla-nungs- und Zulassungspraxis der gestuftenBundesstraßenplanung. Anhand unter-schiedlicher Straßenbauprojekte zeigt sie dieEntwicklung der Umweltvorsorge, speziellder UVP und der in diesem Bereich mit ihrverbundenen Verwaltungsverfahren wäh-rend der letzten 30 Jahre auf.

Sonstiges

Tauchmann, Harald:CO

2-Vermeidung und Brennstoffwahl in der

ElektrizitätserzeugungÖkonomische Analysen2004, 215 S., 72,– €, Ducker und Humblot,ISBN 3-428-11574-0

Angesichts einer drohenden Veränderungdes Weltklimas wurde die Notwendigkeit er-kannt, den Ausstoß klimarelevanter Spu-

rengase, insbesondere C02, zu reduzieren.

Ein Weg dazu könnte in der Substitutionvon Energieträgern bestehen, wobei sich derElektrizitätserzeugungssektor als größterC02-Emittent anbietet. Differenzierte Ener-giesteuern könnten als umweltpolitischesInstrument dienen, um solche Substituti-onsvorgänge auszulösen. Wie stark der En-ergieträgermix darauf reagieren würde bzw.wie hoch entsprechende Steuersätze ge-wählt werden müssten, stellt dabei eine em-pirische Frage dar. Harald Tauchmann ver-sucht diese am Beispiel Deutschlands undder USA zu beantworten.

In methodischer Hinsicht werden über-wiegend mikroökonometrische Verfahrenangewendet. Das Ergebnis ist ernüchternd:Keine der durchgeführten Untersuchungenlieferte Hinweise auf starke Effekte vonBrennstoffpreisänderungen auf die Energie-trägerwahl. Konnte diese für Deutschlandnoch mit auf die hier hohe Regulierungsin-tensität zurückgeführt werden, vermitteltedie Analyse für die USA, dass auch techno-logische Gründe verantwortlich sind. Dieökologische Effektivität differenzierter En-ergiesteuern muss daher zurückhaltend be-urteilt werden. Damit erscheint die nun-mehr von der EU getroffene Entscheidungfür ein Emissionshandelssystem als vermut-lich geeigneteres Politikinstrument.

Das gesamte Nomos Programm suchen finden bestellen unter www.nomos.de

Das EG-Umweltrecht und seine Umsetzung in Deutschland und PolenHerausgegeben von Prof. Dr. Hans-Joachim Koch, Universität Hamburg und Dr. Jan Schürmann2005, 181 S., brosch., 36,– €, ISBN 3-8329-1124-3(Forum Umweltrecht, Bd. 50)

Eine wesentliche Beitrittsbedingung für die osteuropäischen Länder war die konsequenteÜbernahme des maßgeblichen EU-Rechts in ihre Rechtsordnungen; damit einhergehendnatürlich auch das Erfordernis der Umsetzung des Umweltrechts. Dieses vor dem Hinter-grund, dass insbesondere die ökologischen Herausforderungen in den Aufnahmestaatenimmens sind. Die Beiträge dieses Bandes dokumentieren ein deutsch-polnisches Juristen-symposium und beleuchten die vielfältigen Herausforderungen der Umsetzung des EU-Rechts in beiden Ländern.

Bitte bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder bei:Nomos Verlagsgesellschaft ■ 76520 Baden-BadenTel. 0 72 21/21 04-37 ■ Fax -43 ■ [email protected]

Nomos

Umweltrecht 139,– €, für Nichtmitglieder 198,– €. Studenten-Abo: Für Mit-glieder des Vereins für Umweltrecht 79,– €, für Nicht-Mitglieder 120,– €. (BitteStudienbescheinigung einsenden). Alle Preise verstehen sich incl. MwSt. zzgl.Versand. Preisänderungen bleiben vorbehalten. Bezahlung bitte nach Rech-nungserhalt. Bitte teilen Sie Adressänderungen mit, da die ZUR nicht von einempostalischen Nachsendeauftrag erfaßt wird. Bankverbindung: Sparkasse Baden-Baden, Konto.-Nr. 5002266, BLZ 66250030, Postbank, Konto.-Nr. 73636-751,BLZ 66010075, Volksbank Baden-Baden, Konto.-Nr. 107806, BLZ 66290000Manuskripte: Einsendungen für den Aufsatz- und Berichtsteil werden an die Schriftleitung (Prof. Dr. Wolfgang Köck, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Permoserstr. 15, 04318 Leipzig, Tel.: 0341/235-3140, Email: [email protected]) oder an die angegebene Redaktionsadresse erbeten. Für Manuskripte, die unaufgefordert eingesandt werden, wird keine Haftung über-nommen. Die Annahme zur Veröffentlichung muß schriftlich erfolgen. Copy-right: Die ZUR und die darin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlichgeschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und Leit-sätze, soweit sie vom Einsender oder von der Redaktion erarbeitet oder redigiertworden sind. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung inelektronischen Systemen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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Schriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck (Verantwortlich im Sinne des Presserechts) cDr. Moritz Reese c Dr. Sabine Schlacke

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Verlag:Nomos-Verlagsgesellschaft c Waldseestr. 3-5 c 76520 Baden-Baden cTelefon (07221) 2104-0 c Fax: (07221) 2104-27 c [email protected]

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Vertrieb und Aboverwaltung: Nomos Verlagsgesellschaft Abo-Service: Tel. 07221/2104-39 Fax: 07221/2104-43. Erscheinungsweise der ZUR: 11 Ausgaben pro Jahr.

Bestellungen und Bezugspreise: Bestellungen richten Sie bitte an die Nomos-Verlagsgesellschaft. Das Abo beginnt bei Bestellung. Das Abo kann bis zum 30. September eines Jahres gekündigt werden, ansonsten verlängert es sich umein Kalenderjahr. Ein ZUR-Jahresabonnement kostet für Mitglieder des Vereins für

ZUR 4/2005 | I I I

Z E I T S C H R I F T E N S C H A U | I M P R E S S U M

Am Freitag, den 3. Juni 2005in der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa

Hiroshimastraße 24, 10785 Berlinwww.landesvertretung.bremen.de

16.00 Uhr Begrüßung RA Joachim Garbe-Emden (VUR)Dr. Moritz Reese (ZUR)

16.15 Uhr Rechtsprobleme der Umsetzung des FFH-Rechts Prof. Dr. Rainer Wolf,TU Freiberg

Diskussion

17.00 Uhr Die Erheblichkeit von Beeinträchtigungender FFH-Gebiete RA Klaus Füßer, Leipzig

Diskussion

17.40 Uhr Rechtliche Anforderungen an denKohärenzausgleichProf. Dr.Wolfgang Köck, UFZ/Uni Leipzig

18.15 Uhr Abschlussdiskussion

Moderation: Dr. Sabine Schlacke, Uni Rostock

Ab 19.00 Uhr Empfang mit Imbiss

Anmeldungen bitte bis zum 20.5.2005 beim Verein für Umweltrecht e.V.Große Fischerstr. 5, 28195 BremenTel.: 0421 - 33 54 142, Fax: 0421 - 33 54 141E-Mail: [email protected]

Die Teilnahme ist kostenlos.

Verein für Umweltrecht / Zeitschrift für Umweltrecht

ZUR-Fachgespräch:Natura 2000 auf gutem Wege?

– Aktuelle Probleme des FFH-Rechts –

ZURZeitschrift für Umweltrecht

Das Forum für Umwelt- und

Planungsrecht

29. APRIL 2005

Rostock

Rostocker Umweltrechtstag 2005

Strategische Umweltprüfung (SUP)Stand, Rechtsfragen, Perspektiven

Anliegen der Tagung:Mit der Strategischen Umweltprüfung (SUP)erfasst das Gemeinschaftsrecht endgültig dieder Zulassungsstufe vorgelagerte, nämlichplanerische Entscheidungsebene: Im Gefolgeder SUP-Richtlinie ist eine Vielzahl öffentlicherPläne und Programme der Umweltprüfungunterworfen. Die Veranstaltung beschäftigtsich mit der Umsetzung dieser europarechtli-chen Vorgaben in das nationale Recht und be-leuchtet die hiermit einhergehenden Konse-quenzen wie Rechtsfragen. Dabei wird auchdas Verhältnis der SUP zu anderen umweltbe-zogenen Prüfverfahren virulent, sei es auf glei-cher Entscheidungsebene, sei es in der Abfol-ge vertikal gestufter staatlicher Dezision.Themen:• Prof. Dr. Christian Calliess, M.A.E.S., LL.M.,

Göttingen: Europarechtlicher Hintergrundder SUP

• Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Schröd-ter, Hannover: EAG Bau – Die SUP in derBauleitplanung

• Ministerialdirektor Dr. Peter Runkel, Berlin:EAG Bau – Die SUP im Raumordnungsrecht

• Ministerialrat Dr. Christoph Sangenstedt,Berlin: Die Umsetzung der SUP durch dasSUP-Gesetz

• Professor Dr. Wilfried Erbguth, Rostock: DieSUP im Abfallrecht

• Vizepräsident des OVG Michael Sauthoff,Greifswald: Die SUP im Straßenrecht

• Professor Dr. Michael Reinhardt, LL.M., Tri-er: Die SUP im Wasserrecht

• Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. OlafReidt, Berlin: SUP und Rechtsschutz

Tagungsbeitrag: 100,– Euro inkl. Pausenversor-gung, Mitarbeiter der Öffentlichen Dienstes80,– Euro, Mitarbeiter an Universitäten, Refe-rendare und Mitglieder des Fördervereins OSU50,– Euro.Anmeldung: Kathrin Podehl, Juristische Fa-kultät, Universität Rostock, Richard-Wag-ner-Str. 31, 18119 Rostock, Tel.: 0381/498-8211, Fax: 0381/498-8212, e-mail: [email protected].

3. – 5. JUNI 2005

Hamburg

McPlanetcom-Konsum.Globalisierung.Umwelt

Im Supermarkt hat jeder die Wahl – zwi-schen dem knackig-grünen Apfel aus Neu-

T E R M I N E

seeland, dem rötlich-duftenden aus demAlten Land oder dem Bio-Apfel aus Bayern.Aber was verändert schon eine einzelneKaufentscheidung – angesichts globalerMärkte und ungerechter Verteilung? Undaußerdem: wo das Geld knapp wird, ist Po-litik mit dem Einkaufskorb teuer.Gemeinsam stellen sich Attac, BUND undGreenpeace in Kooperation mit der Hein-rich-Böll-Stiftung und dem Wuppertal In-stitut für Klima, Umwelt, Energie den Fra-gen individueller und gesellschaftlicherKonsum- und Lebensstile.Tagungsbeitrag: 35,– €, ermäßigt 25,– €Anmeldung: Kongressbüro McPlanet.com,Chausseestr. 131a, 10115 Berlin, Tel.:030/280978-01, Fax: 030/280978-21, Inter-net: www.mcplanet.com, e-mail: [email protected].

9. JUNI 2005

Magdeburg

Freistellungsfinanzierte Altlastensanierung

Neue Herausforderungen in fachlicher, admi-nistrativer und finanzplanerischer Hinsicht

Themen u.a.:I. Altlastenmanagement– Planung, Steuerung und Durchführung

der Sanierung ökologischer Altlasten– Altlastensanierung in Sachsen – Die Um-

setzung des Altlastenfreistellungsverfah-rens im Freistaat Sachsen

– Altlastenfreistellung/Sanierung/Restruk-turierung als öffentliche Aufgabe – dieverschiedenen Modelle der Länder ausSicht der Praxis

II. Grundwassersanierung– Das Projekt WELCOME– Qualitätsgesteuerte Kostenminimierung

komplexer Grundwassersysteme mit Hil-fe linearer Optimierung

– Einfluss einer geologischen Struktur aufdas Grundwassersanierungskonzept desÖGP Bitterfeld-Wolfen

– Aktueller Stand und Grenzen von Ver-fahren der Grundwassersanierung

– Erste Erfahrungen mit ENA am ÖGP– ModellvorstellungenIII. Standortrevitalisierung– Wiederbelebung kontaminierter Altstan-

dorte unter Nutzung der Instrumente derAltlastenfreistellung und Wirtschaftsför-derung am Beispiel des Industrieparks Il-senburg

– Teerseesanierung am Rande einer Groß-stadt

– Altstandort Bitterfeld – Modell einer ko-stenoptimierten Sanierung mit dem Zieleiner gefahrfreien Nachnutzung

Tagungsgebühr: 120,– €.Anmeldung: TÜV Akademie Magdeburg,Frau Christa Schmidt, Tel.: 0391/8186386,Fax: 0391/8520248, e-mail: [email protected].

4. – 15. JULI 2005

CanadaUniversity of Montreal

Training Course in European and Interna-tional Environmental Law

This programme, offered in English, inclu-des 60 hours of lectures and case studies. The objectives of the proposed programmeare:– to offer a high-quality accelerated, inten-

sive and detailed training on Europeanand international environmental law, ina comparative perspective, given bysome of the best world experts;

– to promote the exchange of knowledgeand experiences between key partici-pants of different nationalities ;

– to build an international network of ex-perts;

– to offer the participants a complete andupdated set of related documentation(legal texts and proposals, Commissioncommunications and Green papers,Court cases, written contributions ofspeakers, etc.).

The programme is primarily intended for:– civil servants in charge of environmental

protection policies ;– staff of non governmental organisations ;– academics and researchers;– business actors or representatives of pro-

fessional federations and associations;– judges, lawyers and consultants;– students.For more information on the programmeand organisation of the training course,please see: www.cerium.ca or www.mon-net.umontreal.ca or www.unitar.org. Adresse postale: C.P. 6128, succursale Cent-re-ville, Montréal QC Canada H3C 3J7, Tel:(514) 343-6586, Fax: (514) 343-7525

IV | ZUR 4/2005

T E R M I N E

Neu mit Stand September 2004:Aktualisierte Erläuterungen zu■ § 8 BImSchG (Teilgenehmigung)■ § 9 BImSchG (Vorbescheid)■ § 11 BImSchG (Einwendungen

Dritter)Neu kommentiert wurden■ die 10. BImSchV vom 24.6.2004■ die 11. BImSchV vom 29.4.2004■ die 28. BImSchV vom 20.4.2004■ die 33. BImSchV vom 13.7.2004Neu: Vorbemerkung zur 13. BImSchVvom 20.7.2004.

Der umfassende Großkommentar■ Band I: BImSchG■ Band II: Durchführungsvorschriften

zum BImSchG, z.B. VO über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV), VO über Immissions-schutz- und Störfallbeauftragte (5.BImSchV), StörfallVO (12. BImSchV)sowie TA Lärm und TA Luft.

■ Band III: sonstige zentrale Vor-schriften, u. a. zum Umweltverträg-lichkeitsprüfungsG, zum Umwelt-haftungsG, zum BenzinbleiG, zumChemG und zum WasserhaushaltsG.

■ In Band IV: das BBodenSchG, dasGenTG mit VO, das BNatSchG unddas UAG kommentiert. Außerdemsind zahlreiche Vorschriften des euro-päischen Umweltrechts enthalten.

Im Umweltrecht unentbehrlich

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Datum/Unterschrift 137820

Sie haben das Recht, die Ware innerhalb von 2 Wochen nach Lieferungohne Begründung an Ihren Buchhändler oder an den VerlagC.H.Beck, c/o Nördlinger Verlagsauslieferung, Augsburger Str.67a, 86720 Nördlingen, zurückzusenden, wobei die rechtzeitigeAbsendung genügt. Kosten und Gefahr der Rücksendung trägt derEmpfänger. Ihr Verlag C.H.Beck oHG, Wilhelmstr. 9, 80801 München.

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Erscheint Mai 2005

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Prozessverlauf und Prozessführung werden um-fassend dargestellt: Prozessrechtliche Grundlagen,taktische Hinweise und vollständige Musterschrift-sätze sind eingearbeitet. Materielles Recht, Prozess-recht und das Recht der Zwangsvollstreckung werdenauf ideale Weise miteinander verbunden.

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