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ZUR Zeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt- und Planungsrecht Aus dem Inhalt Aufsätze Nils Meyer-Ohlendorf Institutionelle Architektur der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa 225 Mario Tobias/Hans-Jochen Lückefett Das Elektrogesetz 230 Hans-Heiner Gotzen Braunkohlenplanung und Entschädigungsrecht 239 Rechtsprechung Aufbewahrung von Kernbrennstoffen, BVerwG 244 Drittschutz bei Verfahrenfehler, OVG Koblenz 246 Beteiligungsrechte und UVP für Braunkohletagebau »Hambach I«, OVG Münster 249 Zu Einwänden gegen die Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten der EU, OVG Münster 254 Ausbau des Verkehrslandeplatzes Egelsbach, VGH Kassel 259 Gewerbliche Schrottsammlung und abfallrechtliche Überlassungspflichten, OVG Brandenburg 264 Abwägungsmangel wegen Verkehrslärm, VGH München 268 Gesetzgebung Josef Falke Neueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht 272 Tagungsbericht, Buchrezension, Zeitschriftenschau,Termine Herausgeber Verein für Umweltrecht e.V. in Verbindung mit: Prof. Dr. Martin Beckmann Siegfried Breier Prof. Dr. Matthias Dombert Dr. Günther-Michael Knopp Prof. Dr. Hans-Joachim Koch Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff Dr. Frank Petersen Dr. Renate Phillip Michael Sauthoff Prof. Dr. Reinhard Sparwasser Prof. Dr. Michael Uechtritz Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl Prof. Dr. Andreas Voßkuhle Prof. Dr. Gerd Winter 5/2005 Jahrgang 16 · Seiten 225– 280 · E 10882 Nomos Immissionsschutz Naturschutz Klimaschutz Bodenschutz Gentechnik Energiewirtschaft Abfallwirtschaft Gewässerschutz Chemikaliensicherheit

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ZURZeitschrift für Umweltrecht

Das Forum für Umwelt- und

Planungsrecht

Aus dem Inhalt

Aufsätze

Nils Meyer-OhlendorfInstitutionelle Architektur der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa 225

Mario Tobias/Hans-Jochen LückefettDas Elektrogesetz 230

Hans-Heiner GotzenBraunkohlenplanung und Entschädigungsrecht 239

Rechtsprechung

Aufbewahrung von Kernbrennstoffen, BVerwG 244

Drittschutz bei Verfahrenfehler, OVG Koblenz 246

Beteiligungsrechte und UVP für Braunkohletagebau»Hambach I«, OVG Münster 249

Zu Einwänden gegen die Verbringung von Abfällenzwischen Mitgliedstaaten der EU, OVG Münster 254

Ausbau des Verkehrslandeplatzes Egelsbach,VGH Kassel 259

Gewerbliche Schrottsammlung und abfallrechtlicheÜberlassungspflichten, OVG Brandenburg 264

Abwägungsmangel wegen Verkehrslärm,VGH München 268

Gesetzgebung

Josef FalkeNeueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht 272

Tagungsbericht, Buchrezension,Zeitschriftenschau, Termine

Herausgeber

Verein für Umweltrecht e.V.

in Verbindung mit:Prof. Dr. Martin BeckmannSiegfried BreierProf. Dr. Matthias DombertDr. Günther-Michael KnoppProf. Dr. Hans-Joachim KochProf. Dr. Gertrude Lübbe-WolffDr. Frank PetersenDr. Renate PhillipMichael SauthoffProf. Dr. Reinhard SparwasserProf. Dr. Michael UechtritzProf. Dr. Ludger-Anselm VersteylProf. Dr. Andreas VoßkuhleProf. Dr. Gerd Winter

5/2005Jahrgang 16 · Seiten 225– 280 · E 10882

Nomos

Immissionsschutz ■ Naturschutz ■ Klimaschutz ■ Bodenschutz ■ GentechnikEnergiewirtschaft ■ Abfallwirtschaft ■ Gewässerschutz ■ Chemikaliensicherheit

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AUFSÄTZEInstitutionelle Architektur der EU nachdem Vertrag über eine Verfassung fürEuropa – Gut oder schleckt für dieeuropäische Umweltpolitik? Nils Meyer-Ohlendorf 225

Das Elektrogesetz – Herstellerverantwortung, Altgeräte-management und Verpflichtete Mario Tobias/Hans-Jochen Lückefett 230

Braunkohlenplanung undEntschädigungsrecht – ist der nord-rhein-westfälische Landesgesetzgeberzum Handeln verpflichtet?Hans-Heiner Gotzen 239

RECHTSPRECHUNG

� BVerwGBedürfnis für die Aufbewahrung vonKernbrennstoffen außerhalb derstaatlichen VerwahrungBeschluss vom 5. Januar 2005 – 7 B 135.04 244

� OVG KoblenzDrittschutz bei Verfahrenfehler (BImSchG, Windpark)Beschluss vom 25. Januar 2005 – 7 B 12114/04.OVG 246

� OVG MünsterBeteiligungsrechte und UVP fürBraunkohletagebau »Hambach I«Urteil vom 17. Dezember 2004 – 21 A 102/00 249

� OVG MünsterZu Einwänden gegen die Verbringungvon Abfällen zwischen Mitgliedstaatender EUUrteil vom 29. April 2005 – 20 A 3956/02 254

� VGH KasselAusbau des Verkehrslandeplatzes EgelsbachUrteil vom 30. November 2004 – 2 A 1666/02 259

� OVG BrandenburgGewerbliche Schrottsammlung undabfallrechtliche Überlassungs- undNachweispflichtenBeschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 B 135/04 264

� VGH MünchenAbwägungsmangel wegen gesund-heitsgefährdendem VerkehrslärmUrteil vom 5. Oktober 2004 – 14 N 02.926 268

GESETZGEBUNG

Neueste Entwicklungen im Europäischen UmweltrechtJosef Falke 272

I N H A LT

Schriftleitung

Prof. Dr. Wolfgang Köck (V.i.S.d.P.)UFZ – Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbHUniversität LeipzigDr. Moritz ReeseRat von Sachverständigen für Umwelt-fragen, BerlinDr. Sabine SchlackeUniversität Rostock

Redaktionsadresse: Zeitschrift für Umweltrecht e.V. Große Fischerstr. 5 c 28195 Bremen Tel. 0421/33 54 143Fax: 0421/33 54 141E-Mail: [email protected]

Redaktion:Dr. Peter BeyerRechtsanwalt, Ecologic, BerlinProf. Dr. Christian CalliessUniversität GöttingenProf. Dr. Andreas FisahnUniversität BielefeldDr. Harald GinzkyUmweltbundesamtCarola GlinskiUniversität BremenDr. Ekkehard HofmannUniversität HamburgDr. Malte KohlsRechtsanwalt, HamburgStefan Kopp-AssenmacherRechtsanwalt, PotsdamDr. Silke R. LaskowskiUniversität HamburgChristian Maaß, MdHBVorsitzender des Umweltausschussesder Hamburgischen Bürgerschaft,HamburgDr. Peter SchütteRechtsanwalt, HamburgProf. Dr. Bernhard W. WegenerUniversität ErlangenDr. Cornelia ZiehmRechtsanwältin, Hamburg,Rat von Sachverständigen für Umwelt-fragen, Hamburg

Verlag:Nomos-VerlagsgesellschaftWaldseestr. 3-5 c 76520 Baden-BadenTelefon (07221) 2104-0 Fax: (07221) 2104-27

Zeitschrift fürUmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

16. Jahrgang, S. 225- 280

ZUR 5/2005

Vorschau auf Heft 6/2005Vorgesehen s ind u.a .Bundesverwaltungsgerichtentscheidet über Pflichtbehälter fürgewerbliche RestabfälleCedric C. Meyer und Dr. AndreasZühlsdorff

Rechtliche Rahmenbedingungeneiner Kerosinbesteuerung aufinnerstaatlichen FlügenEckhard Pache/Joachim Bielitz

EuGH: neue Verfahren im UmweltrechtChristoph Sobotta

Grundwasserschutz zwischengestern und morgenHarald Ginzky

TAGUNGSBERICHT

Beihilfe- und Vergaberecht als Rah-menbedingungen der UmweltpolitikZehnte Osnabrücker Gespräche zum deutschen und europäischen Umweltrechtam 11. und 12. November 2004

Friederike Mechel 277

BUCHREZENSIONWilfried Erbguth, Sabine Schlacke, Umweltrecht Baden-Baden (Nomos) 2005

Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., München (C.H. Beck), 2004Tobias Brönneke 279

RUBRIKEN

ZEITSCHRIFTENSCHAU 280

TERMINE IV

ZUR 5/2005 | I

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Z E I T S C H R I F T E N S C H A U

Z E I T S C H R I F T E N S C H A U

AcP = Archiv für die civilistische Praxis 6/04 – AbfallR = Abfallrecht6/04 – AfK = Archiv für Kommunalwissenschaften 6/04 (abbestellt)– AgrarR = Agrarrecht 1/05 – AKP = Alternative Kommunalpolitik1/05 – altlasten-spektrum 6/04 – AnwBl = Anwaltsblatt 2/05 –AöR = Archiv des öffentlichen Rechts 4/04 – ARSP = Archiv fürRechts- und Sozialphilosophie 1/05 – AVR = Archiv des Völker-rechts 4/04 – BauR = Baurecht 2/05 – BayVBl. = Bayerische Ver-waltungsblätter 3/05 – BB = Betriebs-Berater 48/04 – BodSch = Bo-denschutz 4/04 – CMLR = Common Market Law Review 5/04 – DB= Der Betrieb 2/05 – DÖV = Die öffentliche Verwaltung 3/05 –DVBl. = Deutsches Verwaltungsblatt 3/05 – DVP = Deutsche Ver-waltungspraxis 2/05 – DZWiR = Deutsche Zeitschrift fürWirtschaftsrecht 12/04 – EELR = European Environmental Law Re-view 1/05 – EJIL = European Journal of International Law 4/04 –ELNI = ELNI-Newsletter 2/04 – ELR = European Law Review 6/04 –et = Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2/05 – EuGRZ = Europäis-che Grundrechte-Zeitschrift 23/04 – EuR = Europarecht 5/04 – Eu-rUP = Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht5/04 – EuZW = Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2/05 –EWS = Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht 9/04 – GewArch =Gewerbearchiv 2/05 – ImmSch = Immissionsschutz 4/04 – JA = Ju-ristische Arbeitsblätter 2/05 – JEEPL = Journal for European Envi-ronmental & Planning Law 1/04 – JEL = Journal of European Law-- June 04 – JEPP = Journal of European Public Policy 6/04 – JR =Juristische Rundschau 1/05 – Jura = Juristische Ausbildung 2/05 –JuS = Juristische Schulung 2/05 – JZ = Juristenzeitung 3/05 – KA =KA-Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2/05 – KGVR = KGV-Rund-brief 1/04 – KJ = Kritische Justiz 4/04 – KritV = Kritische Viertel-jahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 4/04 – LKV= Landes- und Kommunalverwaltung 2/05 – MDR = Monatsschriftfür Deutsches Recht 3/05 – MM = Müllmagazin 4/04 – Müll&Abf= Müll und Abfall 1/05 – NdsVBl. = Niedersächsische Verwal-tungsblätter 2/05 – NJ = Neue Justiz 2/05 – NJW = Neue JuristischeWochenschrift 6/05 – NordÖR = Zeitschrift für norddeutsches öf-fentliches Recht 12/04 – NStZ = Neue Zeitschrift für Strafrecht 2/05– NuL = Natur und Landschaft 2/05 – NuR = Natur und Recht 1/05

– NVwZ = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1/05 – NWVBl. =Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 2/05 – NZBau = NeueZeitschrift für Baurecht und Vergaberecht 1/05 – NZS = NeueZeitschrift für Sozialrecht 1/05 – NZV = Neue Zeitschrift fürVerkehrsrecht 1/05 – osteuR = osteuropa-Recht 6/04 – RdE = Rechtder Energiewirtschaft 12/04 – Rechtstheorie = Zeitschrift für Logik,Methodenlehre, Normentheorie und Soziologie des Rechts 4/04 –RIW = Recht der internationalen Wirtschaft 1/05 – RJE = Revue Ju-ridique de l’ environnement spécial 2004 – Sächs.VBl. = Sächsis-che Verwaltungsblätter 2/05 – Staat = Der Staat 4/04 – Städtetag =Der Städtetag 12/03 – StoffR = Stoffrecht 4/04 – StuG = Stadt undGemeinde 11/04 – StV = Strafverteidiger 1/05 – ThürVBl. =Thüringische Verwaltungsblätter 2/05 – TransportR = Trans-portrecht 10/04 – UPR = Umwelt- und Planungsrecht 2/05 – UVP-Report = UVP-report 4/04 – VBlBW = Verwaltungsblätter Baden-Württemberg 2/05 – VersR = Versicherungsrecht 5/05 – Verw = DieVerwaltung 1/05 – VerwArch. = Verwaltungs-Archiv 1/05 – VR =Verwaltungsrundschau 3/05 – WiRO = Wirtschaft und Recht in Os-teuropa 1/05 – wistra = Zeitschrift für Wirtschaft Steuer Strafrecht6/04 – WiVerw = Wirtschaft und Verwaltung 4/04 – ZaöRV =Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht3/04 – ZAU = Zeitschrift für Angewandte Umweltforschung 4/04 –ZEuP = Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 4/04 – ZEuS =Zeitschrift für Europarechtliche Studien 4/04 – ZfB = Zeitschrift fürBergrecht 3/04 – ZfBR = Zeitschrift für deutsches und interna-tionales Baurecht 1/05 – ZfRS = Zeitschrift für RechtssoziologieDezember 04 – ZfU = Zeitschrift für Umweltpolitik und Umwel-trecht 4/04 – ZfW = Zeitschrift für Wasserrecht 1/05 – ZG =Zeitschrift für Gesetzgebung 4/04 – ZIP = Zeitschrift für Wirtschaft-srecht 5/05 – ZLR = Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht1/05 – ZLW = Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht 4/04 – ZNER= Zeitschrift für Neues Energierecht 4/04 – ZRP = Zeitschrift fürRechtspolitik 1/05 – ZStW = Zeitschrift für die gesamteStrafrechtswissenschaft 4/04 – ZUR = Zeitschrift für Umweltrecht1/05

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Eine umweltpolitische Reformdes WTO-Systems?

Alexander Schimmelpfennig

Integration Europasund Ordnung der Weltwirtschaft 31

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Eine umweltpolitische Reform des WTO-Systems?Von Dipl.-Vw. Alexander Schimmelpfennig2005, 271 S., geb., 49,– €, ISBN 3-8329-1027-1(Integration Europas und Ordnung der Weltwirtschaft, Bd. 31)

Das GATT / WTO-System sieht sich oft der Kritik ausgesetzt, daß es umweltpolitische Ein-schränkungen des internationalen Handels nur auf mögliche protektionistische Absichten prüfe,ohne die umweltpolitischen Erfordernisse ausreichend zu berücksichtigen. Umweltschützersehen das gesamte Handelssystem deshalb als „umweltblind“ an und fordern eine umwelt-politische Reform der WTO. Als Antipode steht dieser Sichtweise die rein freihandelsorientiertePosition gegenüber. Die Arbeit liefert,konkrete Ansatzpunkte für eine umweltbezogene Reformdes WTO-Regelwerks.Dabei steht auch die politische Durchsetzbarkeit der Reformüberlegungenim Zentrum des Interesses.

I I | ZUR 5/2005

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Dieser Artikel diskutiert die Auswirkungen der Änderungen der institu-tionellen Architektur der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung fürEuropa (VVE) auf die europäische Umweltpolitik. Es werden die Schaf-fung des Amtes des Präsidenten des Europäischen Rates sowie die Än-derungen in Rat, Kommission und Europäischem Parlament aus um-weltpolitischer Sicht untersucht. Der Artikel kommt zum Ergebnis, dassder VVE zwar einige umweltpolitische Anliegen nicht aufgreift, aber ins-gesamt wichtige umweltpolitische Verbesserungen enthält. Aus Sicht desUmweltschutzes wäre es daher wünschenswert, wenn der VVE ratifiziertwerden würde.

A. Einleitung

Der von März 2002 bis Juni 2003 tagende Europäische Konvent leg-te am 19.6.2003 dem Europäischen Rat von Thessaloniki seinenEntwurf für einen Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE)vor. Nach teilweisen kontroversen Verhandlungen nahm die Re-gierungskonferenz der Mitgliedstaaten diesen Entwurf am18.6.2004 mit wenigen, aber teilweise wichtigen Änderungen an.Die Unterzeichnung durch die Regierungschefs erfolgte am29.10.2004 in Rom.

Gemäß Artikel IV-447 Absatz 21 tritt der VVE am 1.11.2006 inKraft, vorausgesetzt alle Ratifikationsurkunden sind zu diesem Zeit-

Nils Meyer-Ohlendorf

Institutionelle Architektur der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa – Gut oder schlecht für die europäische Umweltpolitik?

1 Artikel ohne nähere Bezeichnung sind solche des VVE.2 Die Änderungen zum Europäischen Parlament gelten frühestens zu seiner

nächsten, am 1.7.2009 beginnenden Wahlperiode (Artikel 1 des Protokollsüber die Übergangsbestimmungen für die Organe und Einrichtungen derUnion), zum Rat frühestens ab dem 1.11.2009 (Artikel 2 des Protokolls überdie Übergangsbestimmungen für die Organe und Einrichtungen der Union)und zur Kommission frühestens bei ihrem übernächsten Amtsantritt am1.11.2014 (Artikel I-26 Absatz 6 der Verfassung). In der Zwischenzeit gilt dasbestehende Vertragswerk zuletzt in der Fassung, die es durch den Vertrag überden Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten, der am 16.4.2003 unterzeich-net wurde und am 1.5.2004 in Kraft trat, erhalten hat.

3 Homeyer, A Sustainable Constitution for Europe – Democracy, Efficiency andTransparency, Ecologic Briefs, 2003, S. 4; Beyer/Coffey/Klasing/von Homeyer,»The Draft Constitution for Europe

punkt hinterlegt worden. Andernfalls tritt der VVE am ersten Tagdes zweiten Monats nach der Hinterlegung der letzten Ratifikati-onsurkunde in Kraft. Der VVE sieht vor, dass verschiedene institu-tionelle Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wer-den.2 In verschiedenen Mitgliedstaaten sind für die RatifikationVolksabstimmungen vorgesehen. Die Parlamente Sloweniens, Li-tauens und Ungarns haben zwischenzeitlich den VVE ratifiziert.In diesem Artikel werden die wesentlichen institutionellen Ände-rungen des VVE aus Sicht der europäischen Umweltpolitik unter-sucht. Dabei bilden die folgenden Aspekte zentrale Bewertungs-maßstäbe:– Stärkung von Institutionen, die in der Regel, wie etwa das Eu-

ropäische Parlament,3 ambitionierte Umweltpolitik unterstützen

A U F S Ä T Z E

5/200516. Jahrgang • Seiten 225- 280

Zeitschrift fürUmweltrecht

Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V. Prof. Dr. Martin Beckmann, Rechtsanwalt, Münster; Siegfried Breier, EU-Kommission,Brüssel; Prof. Dr. Matthias Dombert, Rechtsanwalt, Potsdam; Dr. Günther-MichaelKnopp, Ministerialrat, Bayerisches Umweltministerium, München; Prof. Dr. Hans-Joachim Koch, Universität Hamburg; Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Richterin des Bun-desverfassungsgerichts, Karlsruhe; Dr. Frank Petersen, Ministerialrat, Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn; Dr. Renate Phillip, Richterin amBundesverwaltungsgericht, Leipzig; Michael Sauthoff, Vizepräsident des Oberverwal-tungsgerichts Greifswald; Prof. Dr. Reinhard Sparwasser, Rechtsanwalt, Freiburg; Prof. Dr.Michael Uechtritz, Rechtsanwalt, Stuttgart; Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl, Rechtsan-walt, Hannover; Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Universität Freiburg; Prof. Dr. Gerd Winter,Universität BremenSchriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck, Dr. Moritz Reese, Dr. Sabine Schlacke

ZUR 5/2005 | 225

ZURDas Forum für Umwelt- und Planungsrecht

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A U F S Ä T Z E | Meyer-Ohlendor f , Ins t i tut ione l le Arch i tektur der EU nach dem VVE

226 | ZUR 5/2005

– Verbesserung der Effizienz der EU-Institutionen und– Erhalt bzw. Stärkung der Gemeinschaftsmethode. Denn wichti-

ge Erfolgsbedingungen für eine fortschrittliche Umweltpolitiksind u.a. das Initiativmonopol der EU Kommission und das ei-nigungsfördernde Entscheidungssystem im Umweltministerratund zwischen Umweltministerrat und EU-Parlament«.4

Darüber hinaus ist der Erhalt und Ausbau einer starken EU im Um-weltbereich ein wichtiger Bewertungsmaßstab. Zum einen sind ausGründen der Wettbewerbsfähigkeit europäische Lösungen einemnationalen Vorgehen regelmäßig vorzuziehen. Zum anderen wäredie Verlagerung von Teilen der EU-Umweltpolitik auf die Mit-gliedstaaten – vorbehaltlich der Grenzen des Subsidiaritätsprinzips– in aller Regel ein Rückschritt. Denn der Schutz der Umwelt for-dert aller Regel grenzüberschreitende Lösungen. Zudem könnenumweltpolitische Akzente – wie die Vergangenheit gezeigt hat – oftbesser auf der Gemeinschaftsebene als auf der nationalen Ebene ge-setzt werden. Trotz aller gebotenen Vorsicht hinsichtlich einer der-art allgemeinen Beurteilung der sehr ausdifferenzierten europäi-schen Umweltpolitik und trotz einiger teilweise umweltpolitischproblematischer Tendenzen auf EU-Ebene5 muss die Umweltpoli-tik der EU insgesamt positiv beurteilt werden. Die Flora-Fauna-Habitat Richtlinie, die SUP-Richtlinie, die NEC-Richtlinie oder dieWasserrahmenrichtlinie sind Beispiele für eine ehrgeizige Um-weltpolitik der EU, die in dieser Form mit großer Wahrscheinlich-keit nicht von den Mitgliedstaaten angenommen worden wären.6

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen umweltpolitischenAmbitionen der EU Mitgliedstaaten ist diese Politik jenseits deskleinsten gemeinsamen Nenners bemerkenswert.7

Unter diesem Blickwinkel werden die Schaffung des Amtes desPräsidenten des Europäischen Rates sowie die Änderungen in Rat,Kommission und Europäischem Parlament diskutiert. Vor demHintergrund, dass der europäische Außenminister allein dem Ratfür Außenbeziehungen vorsitzen wird und dessen umweltpoliti-sche Bedeutung gering bleiben dürfte, wird dieses neue Amt nichtbehandelt. Da den Europäischen Gerichtshof nur wenige institu-tionelle Änderungen betreffen, wird auch nicht auf den Gerichts-hof eingegangen.8

B. Der Europäische Rat

Der VVE ändert den Europäischen Rat erheblich. Der EuropäischeRat wird in den Katalog der Unionsinstitutionen gleich hinter demEuropäischen Parlament aufgenommen und somit vollständig indas Institutionsgefüge der EU integriert (Artikel I-19).9 Darüberhinaus werden das Mandat des Europäischen Rates sowie dessenVorsitz geändert.

I. Mandat

Das Mandat des Europäischen Rates hat sich im Hinblick auf seineregelmäßigen Aufgaben nach den Vorschriften des Vertrages überdie Europäische Union (EUV) bzw. I-21 VVE nicht wesentlich geän-dert. Die VVE weitet aber sein Mandat mit Blick auf die noch offe-nen Punkte der institutionellen Architektur der EU aus. Der Eu-ropäische Rat regelt nun die Verteilung der Sitze im EuropäischenParlament (Artikel I-20 Absatz 2), die Formationen und den Vor-sitz des Rates (Artikel I-24 Absatz 4 und 7) und die Anzahl der Kom-missare nach 2014 (Artikel I-26 Absatz 6). Er kann zudem – vor-ausgesetzt kein nationales Parlament legt ein Veto ein – einstim-mig die Ausweitung des Prinzips der Mehrheitsentscheidung unddes Mitentscheidungsverfahrens auf neue Bereiche beschließen(Artikel IV-444).

Insbesondere die in Artikel IV-444 niedergelegte Passerelle wirdden Europäischen Rat stärken, da nunmehr Änderungen des Mit-entscheidungsverfahrens und der Mehrheitsentscheidungen nichtmehr ein nationales Ratifizierungsverfahren durchlaufen müssen.Voraussichtlich werden diese Neuregelungen eine Stärkung der in-tergouvernementalen Zusammenarbeit in der EU zur Folge ha-ben.10 Dies ist aus Sicht der Umweltpolitik problematisch. Denn dieGemeinschaftsmethode hat sich in der Umweltpolitik grundsätz-lich bewährt und ist Formen der intergouvernementalen Zusam-menarbeit in der Regel überlegen. Zudem hat sich in der Vergan-genheit gezeigt, dass Staats- und Regierungschefs nicht entschie-den für eine ambitionierte Umweltpolitik eintraten. Zwarenthalten die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates ver-schiedene Vorgaben für die europäische Umweltpolitik, aber häu-fig sind sie Bremse und nicht Motor für ehrgeizige Umweltpolitik.Die Nachhaltigkeitsstrategie der EU ist insofern ein Beispiel für dieschwache Stellung der Umweltpolitik auf der Ebene der Staats- undRegierungschefs.11

II. Präsidentschaft

Gemäß Artikel I-22 wird die gegenwärtig bestehende rotierendePräsidentschaft des Europäischen Rates durch einen hauptamtli-chen, für 2 _ Jahre gewählten Präsidenten abgelöst. Der Präsidentdarf kein nationales Amt innehaben, eine Regelung, die Möglich-keiten einer zukünftigen Personalunion zwischen Kommissions-präsidenten und ER-Präsidenten bestehen lässt (großer Doppel-Hut). Die Aufgaben sind in einem Katalog in Artikel I-22 festgelegtund umfassen u.a. die Vorbereitung und den Vorsitz der Tagungendes Europäischen Rates, die Sicherstellung von Kontinuität, Kon-sens und Kohärenz in seiner Arbeit, sowie die Vertretung der EUnach außen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs.

Die Einführung dieses neuen Amtes wird vielfach als ein we-sentlicher Beitrag zur Stärkung von Effizienz, Kontinuität undSichtbarkeit der EU gesehen. Es wird argumentiert, dass mit diesemneuen Amt die bisherige, von nationalen Interessen getriebeneAgenda des Europäischen Rates einheitlicher und stärker an denInteressen der EU orientiert wird und dass ein Follow-Up der Ar-beit des Europäischen Rates erleichtert wird.12 Die Befugnisse desPräsidenten werden aber auch als begrenzt eingeschätzt.13

and the Environment – The Impact of Institutional Changes, the Reform of theInstruments and the Principle of Subsidiarity«, EELR 2003, S. 222; vgl. Holzinger,Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners? – Umweltpolitische Entschei-dungsprozesse in der EG am Beispiel der Einführung des Katalysatorautos, 1994,S. 484.

4 Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), Umweltgutachten 2004, BT-Drucksache 15/3600, Tz. 1256

5 Müller-Brandeck-Bocquet, Europäische Umweltpolitik – Der deutsche Umgangmit transnationalen Problemen, in: Schneider/Jopp/Schmalz (Hg.): Eineneue deutsche Europapolitik?, 2001, S. 464.

6 SRU (Fn. 4), Tz. 12557 vgl. Holzinger (Fn. 4), S. 469.8 Schwarze, Ein pragmatischer Verfassungsentwurf, EuR 2003, 552; Läufer, Der

Europäische Gerichtshof – moderate Neuerungen des Verfassungsentwurfs,Integration 2003, S. 517.

9 EU-Kommission: Summary of the Agreement on the Constitutional Treaty(non-paper); Ruffert, Schlüsselfragen der Europäischen Verfassung der Zu-kunft, EuR 2004, S. 180; de Schoutheete, Die Debatte des Konvents über denEuropäischen Rat, Integration 2003, S. 473; Wessels, Der Verfassungsvertragim Integrationstrend: Eine Zusammenschau zentraler Ergebnisse, Integrati-on 2003, S. 292.

10 vgl. Scholl, Wie tragfähig ist die neue institutionelle Architektur der EU? – DerVerfassungsentwurf des Konvents im Spiegel nationalstaatlicher Präferenzen,Integration 2003, S. 216; de Schoutheete (Fn. 9), S. 476, 477.

11 Klasing/Meyer-Ohlendorf/von Homeyer, Über Lissabon zu einem nachhaltigenEuropa?, Politische Ökologie 90, 2004, S. 74 f.

12 CER-Guide to the EU´s Constitutional Treaty; Emmanouilidis, HistoricallyUnique, Unfinished in Detail – An Evaluation of the Constitution, 2004, S.6 (http://www.euintegration.net/data/comp_files/181/Reformspotlight-03-04-en-pdf_040629_fisc38.pdf).

13 EU-Kommission (Fn. 9); Scholl, Wie tragfähig ist die neue institutionelle Ar-chitektur der EU? – Der Verfassungsentwurf des Konvents im Spiegel natio-nalstaatlicher Präferenzen, Integration 2003, S. 215.

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Offensichtlich wird die politische Bedeutung dieses Amtes ent-scheidend von der Persönlichkeit des Amtsinhabers abhängen. Sei-ne Rolle im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs, dieallein im Europäischen Rat stimmberechtigt sein werden und übereine eigene Hausmacht verfügen, wird sich entwickeln müssen.14

Dennoch ist angesichts des potenziell ausgedehnten Mandates so-wie angesichts dürftiger parlamentarischer und mangelnder ge-richtlicher Kontrolle davon auszugehen, dass der Europäische Ratund dessen Präsident Gewinner des VVE sind.15 Zudem ist der Prä-sident des Europäischen Rates nicht dem Parlament gegenüber ver-antwortlich oder von diesem gewählt.

Diese Regelung des VVE ist umweltpolitisch problematisch. DerPräsident wird voraussichtlich das Instrument des EuropäischenRates sein, Politikfelder stärker inhaltlich zu besetzen und verstärktin die Arbeit anderer Organe hineinzuwirken.16 Insbesonderekönnte der Präsident ein Instrument sein, Entscheidungen stärkerauf der Ebene des Europäischen Rates zu zentralisieren, was zur Fol-ge haben könnte, dass der Umweltrat in seinen Handlungsmög-lichkeiten begrenzt wird und nicht mehr selbständig auf Heraus-forderungen des Umweltschutzes reagieren und Umweltschutz alseigenes, dynamisches Politikfeld voranbringen kann. Eine ähnli-che Befürchtung gilt hinsichtlich der Kommission, deren Tätigkeitnoch stärker im Detail vom Europäischen Rat vorgegeben werdenkönnte. Da die Belange der Umweltpolitik auf der Ebene der Staats-und Regierungschefs in der Vergangenheit nur eine nachrangigeRolle gespielt haben, beinhaltet die gefundene Regelung aus Um-weltsicht erhebliche Risiken, die voraussichtlich nicht durch dieanvisierten Verbesserungen in der Koordination der EU-Politik auf-gewogen werden. Dieses Risiko wiegt umso schwerer, als der Präsi-dent die Tagesordnung des Europäischen Rates festlegt und inso-fern auch die Diskussionen zur EU-Nachhaltigkeitsstrategie undzum Cardiff-Prozess zur Integration von Umweltschutz in die Ar-beit anderer Ratsformationen bestimmt.17

C. Ministerrat

Wesentliche Änderungen des VVE betreffen den Ministerrat (Rat).Hier wurden das Entscheidungsverfahren, die Ratsformationenund die Präsidentschaft verändert.

I. Entscheidungsverfahren

Anders als nach derzeitigem Recht werden die Stimmen im Rat fürdas Zustandekommen von Entscheidungen mit qualifizierterMehrheit nicht mehr gewogen. Gemäß Artikel I-25 Absatz 1kommt die qualifizierte Mehrheit im Falle eines Handelns auf Vor-schlag der Kommission bei der Zustimmung von 55 Prozent derMitglieder zustande, sofern diese aus mindestens 15 Mitgliederngebildet wird (was bei einer Union von 25 Mitgliedstaaten noch 60Prozent der Mitgliedstaaten bedeutet) und die von diesen Mitglie-dern vertretenen Mitgliedstaaten zusammen mindestens 65 Pro-zent der Bevölkerung der Union ausmachen. Eine Sperrminoritätbedarf mindestens vierer Ratsmitglieder. Daneben sieht Art I-25Absatz 1 UAbsatz 2 VVE i.V.m. dem Beschluss des Rates über die An-wendung des Artikel I-25 VVE vor, dass eine Sperrminorität, sofernsie mindestens drei Viertel des Bevölkerungsanteils oder min-destens drei Viertel der Anzahl der Mitgliedstaaten vertritt, erklärenkann, die Annahme des Rechtsaktes mit qualifizierter Mehrheit ab-zulehnen, mit der Folge, dass die Frage im Rat zu erörtern und ei-ne zufrieden stellende Lösung zu finden ist (Artikel 2 Beschluss desRates über die Anwendung des Artikel I-24). Diese Regelung ent-spricht in etwa dem Kompromiss von Ioannina.18 An dem Luxem-burger Kompromiss halten die Mitgliedstaaten demgegenüber

nicht mehr fest.19 Handelt der Rat nicht auf Vorschlag der Kom-mission, so kommt die qualifizierte Mehrheit zustande, wenn 72Prozent der Mitglieder des Rates, die 65 Prozent der Bevölkerungausmachen, zustimmen (Artikel I-25 Absatz 2).

Die Abschaffung der Stimmengewichtung im Rat erhöht dessenEffizienz. Es wird teilweise angenommen, dass es nach den Regelndes VVE für die EU-25 einfacher wird eine Entscheidung zu treffenals für die EU-12.20 Auch wenn diese optimistische Lesart des VVEmit Blick auf die verschiedenen Notbremsen und Ausnahmen sichin Zukunft möglicherweise nicht voll realisieren wird, so ist esweitgehend Konsens, dass die jetzt gefundene Regelung einen er-heblichen Effizienzgewinn mit sich bringen wird.21 Diese Effizi-enzsteigerung – obwohl sie erheblich hinter den ehrgeizigen Vor-schlägen des Konvents zurückfällt – kann sich in Zukunft als einerder größten Gewinne aus umweltpolitischer Sicht erweisen. DerGrad der Vergemeinschaftung im Umweltbereich mit über 1500Rechtsakten, die in diesem Bereich zwischen 1998 und 2001 ver-abschiedet wurden, macht deutlich, welche fundamentale Bedeu-tung ein handlungsfähiger Rat hat.

Zudem weitet der VVE die Anwendung der Entscheidungen mitqualifizierter Mehrheit auf 44 weitere Fälle aus. Dies ist aus Sichtder Umweltpolitik im Grundsatz positiv zu bewerten, da hierdurchEffizienz gesteigert und die Kommission sowie die Gemeinschafts-methode gestärkt werden, denn Initiativen der Kommission müs-sen weniger auf die Bedenken von Mitgliedstaaten Rücksicht neh-men, wenn mit Mehrheit entschieden wird. Die Kommission ist indiesen Fällen besser gewappnet, ihre Vorstellung durchzusetzenund Vorschläge jenseits des kleinsten gemeinsamen Nenners zumachen.22

Allerdings betrifft die Erweiterung der Entscheidungen mit qua-lifizierter Mehrheit in erster Linie den Bereich der Justiz- und In-nenpolitik sowie Durchführungsverordnungen.23 Außen-, Sicher-heits- und Steuerpolitik werden bis auf wenige Ausnahmen wei-terhin einstimmig entschieden, ebenso wie einige andere Bereicheund die Grundentscheidungen über den mehrjährigen Finanzrah-men (Artikel I-55).

Auch im Bereich der Umweltpolitik ist das Einstimmigkeitser-fordernis in dem praktisch bedeutsamen Artikel 175 Absatz 2 EGVnicht geändert worden. Nach Artikel 175 Absatz 2 EGV erlässt derRat einstimmig Vorschriften überwiegend steuerlicher Art, Maß-nahmen im Bereich der Raumordnung, Wasserbewirtschaftungund Bodennutzung sowie Maßnahmen, die die Wahl eines Mit-gliedstaates zwischen verschiedenen Energiequellen und die allge-meine Struktur seiner Energieversorgung erheblich berühren. Die-

14 Scholl (Fn. 13), S. 207.15 Ruffert (Fn. 9) S. 186; für eine zurückhaltendere Bewertung vgl. de Schouthee-

te: (Fn. 9), S. 480; Mauer/Matl, Steuerbarkeit und Handlungsfähigkeit: Reformdes Ratssystem, Integration 2003, S. 491.

16 Wessels, Die institutionelle Architektur der EU nach der Europäischen Ver-fassung, Integration 2004, S. 165; von Homeyer (Fn. 3), S. 9.

17 Beyer (Fn. 3), S. 220.18 Um Blockaden im Rat durch eine Sperrminorität zu verhindern und damit

eine Beschlussfassung unter Rücksichtnahme auf die Interessen bestimmterMitgliedstaaten zu erleichtern, schloss der Rat 1994 in Ioannina einen poli-tischen Kompromiss, wonach er in Fällen, in denen eine Sperrminorität dasZustandekommen eines Rechtsaktes ablehnt, alles daran setzt, eine zufriedenstellende Lösung zu finden, die mit 65 Stimmen (anstelle der üblichen 62Stimmen) gebilligt werden kann.

19 1966 hatte der Europäische Rat in Luxemburg darüber hinaus bereits denKompromiss geschlossen, dass unabhängig davon, ob der Vertrag eine Be-schlussfassung im Wege qualifizierter Mehrheit zulässt, unter Wahrung dergegenseitigen sowie des Gemeinschaftsinteresses stets Einstimmigkeit anzu-streben ist, wenn sehr wichtige Interessen eines oder mehrerer Partner aufdem Spiel stehen, was einen politischen freiwilligen Verzicht auf das Recht,Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zu treffen, bedeutet.

20 CER-Guide (Fn. 12); Wessels (Fn. 16), S. 169; a.A. Emmanouilidis (Fn. 12), S. 5.21 Huber, Institutionelles Gleichgewicht zwischen Rat und Europäischem Par-

lament in der künftigen Verfassung für Europa, EuR 2003, S. 587.22 Schild, Reform der Kommission, Integration, S. 494; vgl. auch Holzinger

(Fn. 3), S. 493.23 CER-Guide (Fn. 12); Wessels (Fn. 16), S. 166.

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ses Einstimmigkeitserfordernis hat beispielsweise die Verhandlun-gen zu einer europäischen Energiebesteuerungsrichtlinie jahrelangblockiert und nur zu einem Kompromiss auf dem kleinsten ge-meinsamen Nenner geführt.

Insoweit ist mit dem VVE eine Gelegenheit für eine umweltpo-litisch wichtige Weichenstellung verpasst worden. Allerdings istanzumerken, dass der VVE dem Europäischen Rat die Befugnis ein-räumt, mit einer einstimmigen Entscheidung den Bereich der qua-lifizierten Mehrheit auszudehnen. Ob diese Befugnis indessen imBereich der Umweltpolitik genutzt wird, scheint gegenwärtig un-wahrscheinlich, auch weil der VVE für diesen Fall die Hürde einesVetos eines nationalen Parlaments vorsieht.

II. Ratsformationen

Gegenwärtig bestimmt Artikel 2 Absatz 1 Geschäftsordnung desRates (GO-Rat), dass der Rat in verschiedenen Zusammensetzun-gen tagen kann. Artikel 2 GO-Rat setzt die Formation »AllgemeineAngelegenheiten und Außenbeziehungen« fest. In dieser Zusam-mensetzung hat der Rat 8 weitere Ratsformationen beschlossen,darunter den Umweltrat (Anhang I GO-Rat).

Der Konvent hatte einen Legislativrat vorgeschlagen. Gemäß Ar-tikel I-23 Absatz 1 des Konventsentwurfs sollte der Ministerrat,wenn er in gesetzgeberischer Funktion tätig ist, Gesetze gemeinsammit dem Europäischen Parlament verabschieden. Die Vertretungder Mitgliedstaaten sollte ein oder zwei Vertreter auf Ministerebe-ne einschließen.

Der VVE hat den Vorschlag eines Legislativrates nicht aufge-nommen. Er legt in Artikel I-24 Absatz 1 fest, dass der Rat in ver-schiedenen Zusammensetzungen tagt. Durch den VVE garantiertsind die Formationen »Allgemeine Angelegenheiten« (Artikel I-24Absatz 2) sowie »Auswärtige Angelegenheiten« (Artikel I-24 Absatz3). Gemäß Artikel I-24 Absatz 4 bestimmt der Europäische Rat mitqualifizierter Mehrheit die weiteren Ratsformationen.

Nationale Umweltministerien, wie aber auch andere nationaleFachressorts, haben sich vehement gegen die Schaffung eines Le-gislativrates ausgesprochen, jeweils mit dem Argument, dass einübergeordnetes Ministerium, etwa ein Europaministerium, nichtin der Lage wäre, die spezifischen Interessen des jeweiligen Poli-tikfeldes angemessen zu vertreten. In der Tat wäre es aus umwelt-politischer Sicht problematisch, wenn die nationalen Umweltmi-nisterien sich einem anderen Koordinationsministerium unter-ordnen müssten. Es hätte die Gefahr bestanden, dass derUmweltrat übergangen würde. Es wäre möglich gewesen, dass derUmweltrat als ein zentrales Instrument europäischer Umweltpoli-tik erheblich entwertet worden wäre. Insofern ist die Regelung desVVE günstig.

Eine umweltpolitische Verbesserung kann sich aus der Auftei-lung des gegenwärtigen Rates Allgemeine Angelegenheiten undAußenbeziehungen in zwei unabhängige Formationen ergeben.Die derzeitige Formation ist aufgrund der überfüllten und kurzfri-stig von außenpolitischen Themen dominierten Tagesordnung un-fähig, seiner Aufgabe, die EU Nachhaltigkeitspolitik zu koordinie-ren und die Integration von Umweltaspekten in andere Politikbe-reiche voranzutreiben, gerecht zu werden.24

III. Ratsvorsitz

Artikel 203 UAbsatz 2 EGV sieht vor, dass der Ratsvorsitz in einemhalbjährlichen Wechsel von den Mitgliedstaaten wahrgenommenwird. Der Konvent hat in Artikel I-23 Absatz 4 vorgeschlagen, dassMitgliedstaaten den Ratsvorsitz auf Grundlage einer gleichberech-tigten Rotation für mindestens ein Jahr innehaben. Diese allge-

meinen Vorgaben sollten durch einen Beschluss des EuropäischenRates konkretisiert werden.

Artikel I-24 Absatz 7 legt demgegenüber fest, dass der Vorsitz imRat (mit Ausnahme des Rates Auswärtige Angelegenheiten) vonden Mitgliedstaaten nach einem System der gleichberechtigten Ro-tation und im Einklang mit einem konkretisierenden Beschluss desEuropäischen Rates wahrgenommen wird. Artikel I-24 Absatz 7legt demnach selbst keine Zeitspanne für die Rotation fest. Die Fest-legung des Zeitrahmens erfolgt vielmehr im Wege des mit qualifi-zierter Mehrheit zu fassenden Beschlusses des Europäischen Rates.Danach wird der Ratsvorsitz in Gruppen von 3 Mitgliedstaaten füreinen Zeitraum von 18 Monaten und auf der Grundlage eines ge-meinsamen Programms wahrgenommen, wobei jedes Gruppen-mitglied den Vorsitz gleichzeitig für 6 Monate in allen Ratsforma-tionen (mit Ausnahme des Rates Auswärtige Angelegenheiten)führt.

Insofern ändert sich in der Sache an der halbjährlichen Rotati-on des Ratsvorsitzes nichts. Im Wesentlichen werden durch dieseRegelung die politisch bereits geltenden Vorgaben des Europäi-schen Rates von Sevilla in Primärrecht gegossen. Der EuropäischeRat von Sevilla hatte beschlossen, dass er auf Grundlage der Vor-schläge der betroffenen Vorsitze ein dreijähriges Strategiepro-gramm erlässt. Des Weiteren hat er beschlossen, dass auf Grundla-ge dieses Strategieprogramms im Dezember die beiden nächstenVorsitze ein operatives Jahresprogramm für die Tätigkeit des Ratesvorschlagen, welches in seiner endgültigen Form vom Rat Allge-meine Angelegenheiten festgelegt wird. Allerdings ist zu beachten,dass es für eine Änderung des Rotationsrhythmus keiner Ver-tragsänderung mehr bedarf, sondern lediglich eines mit qualifi-zierter Mehrheit zu treffenden Beschlusses des Europäischen Rates.In diesem Zusammenhang kann argumentiert werden, dass dieAusgestaltung der Ratspräsidentschaft nach dem VVE ein trag-fähiger Kompromiss ist, der einerseits eine gewisse Kohärenz, Sta-bilität und Vorhersehbarkeit der Gemeinschaftspolitiken herstelltund anderseits es den Mitgliedstaaten erlaubt, den Ratsvorsitz innoch überschaubaren Abständen (bei 25 Mitgliedstaaten von allenzwölfeinhalb Jahren) auszuüben. Vor dem Hintergrund aber, dassder jetzt gefundene Kompromiss in der Sache nur geltende Be-schlüsse aufgreift, ist zweifelhaft, ob hier tatsächlich eine Verbes-serung gegenüber dem Status quo erreicht wurde und identifizier-te Defizite, wie mangelnde Kontinuität, Sichtbarkeit, Glaubwür-digkeit und Neutralität,25 angegangen wurden. Es ist anzunehmen,dass die koordinierende Wirkung des gemeinsamen Präsident-schaftsprogramms nur gering bleiben wird und insofern das Ziel ei-ner stärkeren Kohärenz zwischen den folgenden Ratspräsident-schaften nicht erreicht wird.26

Ein längerfristig angelegter Vorsitz wäre aus umweltpolitischerSicht wichtig gewesen, da die Wirkungen umweltpolitischer In-strumente sich oft erst mittel- oder langfristig zeigen. Die Regelungdes VVE ist insofern umweltpolitisch ungünstig. Insgesamt wirddie Schaffung des Amtes eines ER-Präsidenten einen größeren Ein-fluss auf die Koordinierung der EU-Politik haben27, was aus Sichtdes Umweltschutzes problematisch sein könnte (s. oben).

D. Kommission

Änderungen des VVE betreffen die Zusammensetzung der Kom-mission und die Kompetenzen des Kommissionspräsidenten.

24 Beyer (Fn. 3), S. 221; vgl. auch Mauer; Matl (Fn. 15), S. 483 und 491.25 Vgl. hierzu Van de Voorde, Plädoyer für das Rotationsverfahren in der Rat-

spräsidentschaft der Europäischen Union, Integration 2002, S. 318 ff.26 Wessels (Fn. 16), S. 165, 166.27 CER-Guide (Fn. 12), S. 3.

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I. Zusammensetzung

Ab dem 1.11.2004 (Artikel 4 Absatz 1 des Protokolls über die Er-weiterung der Europäischen Union zum Vertrag von Nizza i.V.m.Artikel 45 Absatz 2 lit. d) der Beitrittsakte) besteht die Kommissi-on aus einem Staatsangehörigen jedes Mitgliedstaates. Änderun-gen der Zahl der Mitglieder der Kommission durch einstimmigenRatsbeschluss sind möglich. Ab dem Amtsantritt der ersten Kom-mission nach dem Beitritt des 27. Mitgliedstaats ist die Zahl derKommissionsmitglieder kleiner als die Zahl der Mitgliedstaaten.Die genaue Zahl soll durch einstimmigen Ratsbeschluss festgelegtwerden. (Artikel 4 des Protokolls über die Erweiterung der Eu-ropäischen Union zum Vertrag von Nizza).

Nach dem VVE besteht die erste Kommission nach Inkrafttretender Verfassung, das heißt frühestens zum Amtsantritt am1.11.2009, aus einem Mitglied je Mitgliedstaat (Artikel I-26 Absatz5). Ab der folgenden Amtszeit, also 2014, entspricht die Anzahl derMitglieder der Kommission zwei Dritteln der Zahl der Mitglied-staaten, es sei denn der Europäische Rat beschließt einstimmig et-was anderes. Es gilt das Prinzip der gleichberechtigten Rotation un-ter Berücksichtigung des demographischen und geographischenGleichgewichts. Dieses Prinzip lässt es zu, dass ein Mitgliedstaat al-lenfalls einen Kommissar mehr als ein anderer Mitgliedstaat stellt,was es rechnerisch ausschließt, dass ein Mitgliedstaat gleichzeitigzwei Kommissare stellt (Artikel I-26 Absatz 6).

Die Handlungsfähigkeit der Kommission, einem der wichtigstenAkteure der europäischen Umweltpolitik, ist von fundamentalerBedeutung. Handlungsfähigkeit ergibt sich zwar nicht nur aus derGröße eines Organs sondern auch aus der Repräsentanz und Legi-timität der Kommission. Dennoch muss die Anzahl der Mitgliedereines Kollektivorgans überschaubar sein, um führbar zu bleiben.Die Regelung des VVE würde bei einer EU-27 grundsätzlich 18Kommissare bedeuten, was eine angemessene Kommissionsgrößedarstellen dürfte.28 Dem Kommissionspräsidenten wird vor diesemHintergrund eine entscheidende Rolle zukommen, dieses großeund heterogene Organ zu koordinieren. Diese stärkere Stellung desPräsidenten ist tendenziell umweltpolitisch problematisch, da aufdieser Ebene umweltpolitische Themen grundsätzlich wenigerstark betrieben werden.

II. Kommissionspräsident

Insgesamt stärkt der VVE die Kompetenzen des Kommissionsprä-sidenten, allerdings nicht in dem Maße, wie der Konvent dies vor-geschlagen hat. Zum einen wurden die Führungskompetenzen desKommissionspräsidenten gestärkt. Denn nach Artikel 217 EGV übtdie Kommission ihre Tätigkeit unter der politischen Führung desPräsidenten aus; nach Artikel III-350 sind die Kommissionsmit-glieder demgegenüber unter der Autorität des Kommissionspräsi-denten tätig. Zum anderen wurden die Befugnisse des Präsidenten,einzelne Kommissare zu entlassen, weiter gestärkt. Während ernach Artikel 217 Absatz 4 EGV nur nach Billigung durch das Kol-legium eine Entlassung aussprechen durfte, bedarf es nach ArtikelI-27 Absatz 3 dieser Billigung nicht mehr.

Diese Regelungen bergen potenziell die Gefahr, dass ein erheb-lich gestärkter Kommissionspräsident Belange des Umweltschutzesals einen regelmäßig politisch weniger gewichtigen Bereich nichtausreichend gegenüber den Interessen anderer Politiken durchset-zen will. Inwieweit der Gewinn an Koordination sich positiv für dieeuropäische Umweltpolitik auszuwirken vermag, bleibt abzuwar-ten. Positiv mag sich demgegenüber die Stärkung des EuropäischenParlaments, eines traditionell umweltpolitisch besonders aktivenAkteurs, in der Wahl der Kommission auswirken.

E. Europäisches Parlament

Die Rechte des Europäischen Parlaments werden durch den VVE,wie auch durch jede vorherige Vertragsänderung, gestärkt. Manchesprechen von einer vollen Gleichberechtigung des EuropäischenParlaments gegenüber dem Rat.29 Auch wenn sein Einfluss auf dieExekutive hinter dem Einfluss nationaler Parlamente auf nationa-le Regierungen zurück bleibt, 30 ist insbesondere eine weitere Auf-wertung im Gesetzgebungsverfahren erreicht worden. Das Mit-entscheidungsverfahren wird nach dem VVE auf das ordentlicheGesetzgebungsverfahren und auf weitere Politikbereiche ausge-weitet, so dass nach dem VVE 95 Prozent der Gesetzgebung nachden Regeln des Mitentscheidungsverfahrens laufen, darunter auchdie umweltrelevanten Politikfelder Regional- und Agrarpolitik (Ar-tikel 223 bzw. 231 Absatz 2).31 Ausgenommen bleiben aber Steuer-politik und andere der Einstimmigkeit vorbehaltenen Politikfelder.Artikel IV-444 Absatz 2 sieht die Möglichkeit vor, dass der ER eineAusweitung des Mitentscheidungsverfahrens beschließt.

Als eine erhebliche Stärkung des Europäischen Parlaments ist dieAusweitung des Mitentscheidungsverfahrens auf die Verabschie-dung des gesamten EU-Haushaltes zu bewerten.32 Das EuropäischeParlament wird nach dem VVE voll hinsichtlich der Ausgabensei-te mitbestimmen. Bisher hatte das EP nur bei den nicht-verpflich-teten Ausgaben ein Mitentscheidungsrecht (Artikel 272 Absatz 6EGV), was auch die umweltpolitisch besonders bedeutsamenAgrarausgaben betrifft. Allerdings wurde dem Konventsvorschlag,die finanzielle Vorschau auch dem Mitentscheidungsverfahren zuunterwerfen, nicht gefolgt. Dies hat zur Folge, dass der Finanzrah-men auch nach dem VVE nicht zwischen Rat und Parlament ver-handelt wird und dass das Parlament auf die Mittelverteilung in-nerhalb des Haushaltes beschränkt bleibt, aber nicht den Gesam-tumfang des Haushaltes umfasst (Artikel 55).

Auch wenn es im Umweltkapitel nach dem VVE keine Auswei-tung des Mitentscheidungsverfahrens geben wird, könnte dieseStärkung des Europäischen Parlaments sich als eine der umweltpo-litisch bedeutsamsten Änderungen entpuppen. Denn die Stärkungdes Europäischen Parlaments, einer umweltpolitisch i.d.R. ambi-tionierteren Institution – insbesondere im Vergleich zum Rat –, wirdvoraussichtlich dazu beitragen, dass im EU-Haushalt, einem derwichtigsten Instrumente der Politikgestaltung, umweltpolitischeAspekte stärker zur Geltung kommen. Zudem dehnt der VVE dasMitentscheidungsverfahren in den Bereichen Landwirtschaft, Fi-scherei und Regionalentwicklung aus. Auch werden die Rechte desParlaments in der Handelspolitik gestärkt. Vor dem Hintergrund dergroßen umweltpolitischen Relevanz dieser Politikfelder sind hierpotenziell besonders große Gewinne für die Umwelt Europas zu er-warten. Des Weiteren dehnt der VVE die Rechte des EuropäischenParlaments beim Abschluss internationaler Abkommen aus (ArtikelIII-325 Abs. 6 a) (v)), was angesichts der Internationalisierung eu-ropäischer Umweltpolitik erhebliche Auswirkungen haben kann.

Vor dem Hintergrund der traditionell ehrgeizigen umweltpoliti-schen Haltung des Europäischen Parlaments ist deren Stärkung ei-ne der wichtigsten Auswirkungen des VVE auf die UmweltpolitikEuropas. Die starke Stellung der jeweils federführenden Ausschüs-se – in der Regel folgt das Plenum den Entschließungen der Aus-schüsse –, die starke Stellung des einzelnen Abgeordneten sowie

28 Emmanouilidis (Fn. 12), S. 6.29 Wuermeling, Mit Kraft zum Konflikt, EuGRZ 2004, S. 559; Nickel, Das Eu-

ropäische Parlament als Legislativorgan – zum neuen institutionellen Designnach der Europäischen Verfassung, Integration 2003, S. 504.

30 Nickel (Fn. 29), S. 509.31 EU-Kommission (Fn. 9); Wuermeling (Fn. 29), S. 560; Müller-Graf, Systemra-

tionalität in Kontinuität und Änderung des Europäischen Verfassungsver-trags, Integration 2003, S. 310.

32 Vgl. Hartwig, Eine neue Finanzverfassung für die Europäische Union, Inte-gration 2003, S. 524.

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schwache Koalitions- und Parteibindungen geben Fachpolitiken,wie etwa der Umweltpolitik, einen relativ großen Gestaltungs-spielraum.

F. Schlussfolgerungen

Insgesamt wertet der VVE die Rechte des Parlaments weiter auf undverschiebt das institutionelle Gleichgewicht zugunsten des Parla-ments.33 Neben den oben genannten Aspekten wird das Parlamentdurch die Bindung der Wahl des Kommissionspräsidenten an denAusgang der Wahl zum Parlament (Artikel I-27 Absatz 1) und dieneuen Rechte des Parlaments zum Initiativrecht der Kommission(Artikel III-332) weiter gestärkt. Zwar wird auch mit Inkrafttretendes VVE das Initiativmonopol weiterhin bei der Kommission lie-gen (Artikel I-26 Absatz 2), jedoch wird dem Parlament neben demRat das Recht eingeräumt, die Kommission zum Tätigwerden auf-zufordern, was diese nur mit einer formellen Begründung ableh-nen kann (Artikel III-332). Die Kommission muss nun einen for-mellen Beschluss des Kollegiums herbeiführen und kann nicht dentoten Mann spielen.34 Diese Entwicklung ist aus Sicht der Um-weltpolitik zu begrüßen.

Im Zusammenhang mit der Stärkung des Europäischen Parla-ments wird zwar teilweise eingewendet, dass eine weitgehende Par-lamentarisierung der EU eine Aufwertung von Parteien und Frak-tionsdisziplin zur Folge haben könnte.35 Diese Entwicklung könn-te – so der Einwand – aus umweltpolitischer Sicht problematischsein, da sie zu einer Politisierung zulasten von weniger wahlent-scheidenden Dossiers, wie etwa der Umweltpolitik, führen würde.Indes führt der VVE nicht zu einer weitreichenden Parlamentari-sierung, die etwa eine Wahl des Kommissionspräsidenten durchdas Europäische Parlament beinhalten würde. Des Weiteren sollteeine derartige parteipolitische Politisierung Ansporn sein, Um-weltbelange stärker in Wahlkämpfe einzuführen.

Positiv36 werden darüber hinaus weitere, oben diskutierte insti-tutionelle Änderungen des VVE bewertet, nämlich:– die Ausdehnung der Bereiche, die mit qualifizierter Mehrheit

entschieden werden,– die weitere Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens zum

ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,– die Effizienzsteigerung durch die Einführung der doppelten

Mehrheit im Rat,– die Abwehr eines Legislativrates unter Erhalt des bewährten Zu-

sammenspiels des »umweltpolitischen Dreiecks« aus Umwelt-ausschuss des Parlaments, Generaldirektion Umwelt und Um-weltministerrates,37

– weitgehend unveränderter Fortbestand des Initiativmonopolsder Kommission, was die umweltpolitisch bewährte Gemein-schaftsmethode stärkt,38

– die Aufteilung des gegenwärtigen Rates Allgemeine Angelegenhei-ten und Außenbeziehungen in zwei unabhängige Formationen.

Problematisch aus umweltpolitischer Sicht ist dagegen, dass– das Prinzip der Mehrheitsentscheidung nicht im Umweltkapi-

tel ausgeweitet wurde, – die halbjährige Ratspräsidentschaft beibehalten wurde,– die Stellung des Europäischen Rates im institutionellen Gefüge

der EU weiter gestärkt wurde. Diese Bedenken wiegen umso schwerer, als der VVE nach den Wor-ten des Konventspräsidenten auf 50 Jahre Lebensdauer angelegt istund das Ende einer längeren und kontinuierlichen Periode desÜberarbeitens des Primärrechts kennzeichnen sollte. Auch wennsolchen Prognosen mit Vorsicht begegnet werden muss,39 so istnicht verkennbar, dass hinsichtlich der genannten Defizite derVVE eine große Chance auf umweltpolitische Verbesserungen ver-passt wurde.

Obwohl neben diesen Bedenken zusätzliche umweltpolitischeMängel in den Politiken nach dem VVE bestehen bleiben – dieprimärrechtlichen Vorschriften zur Verkehrs-, Landwirtschafts-und Fischereipolitik sind anachronistisch40 – überwiegen unterdem Strich eindeutig die positiven Aspekte. Der VVE stellt einenKompromiss dar, der zwar nicht jeden umweltpolitischen Wunschin Verfassungsrang umsetzt, aber schrittweise wichtige Verbesse-rungen enthält. Aus Sicht des Umweltschutzes wäre es daher wün-schenswert, wenn der VVE ratifiziert werden würde. Es wäre einVerlust für die Umwelt Europas, wenn der VVE die kommendenHürden der Ratifikation nicht nehmen sollte.

33 Emmanouilidis (Fn. 12), S. 3; vgl. hinsichtlich der Arbeiten des Konvents: Huber,Institutionelles Gleichgewicht, EuR 2003, S. 597; Ruffert (Fn. 9), S. 180; Schwarze(Fn. 8), S. 549.

34 Nickel (Fn. 29), S. 504; Schild (Fn. 22), S. 494.35 von Homeyer (Fn. 3), S. 11.36 Für eine allgemein positive Bewertung des VVE vgl. Nettesheim, Die Kompe-

tenzordnung im Vertrag über eine Verfassung für Europa, EuR 2004, S. 514;Schwarze (Fn. 8), S. 548.

37 SRU (Fn. 4), Tz. 1256, 1262.38 Die Kommission hat ihr Initiativrecht in der Vergangenheit häufig für um-

weltpolitisch anspruchsvollere Vorschläge genutzt. Inwieweit dieses positi-ve Urteil auch für die von Umweltverbänden heftig kritisierte derzeitigeKommission zutrifft, wird sich zeigen müssen.

39 Wessels (Fn. 16), S. 174, 175.40 Vgl. Beyer, The Environment in the Future European Constitution, JEEPL

2004, S. 149.

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A U F S Ä T Z E | Meyer-Ohlendor f , Ins t i tut ione l le Arch i tektur der EU nach dem VVE

Dr. Nils Meyer-OhlendorfSenior Fellow bei Ecologic, Institute for International and European Envi-ronmental Policy, Pfalzburger Strasse 43/44, 10717 Berlin, Internet:www.ecologic.deTätigkeitsschwerpunkte: Internationale Umweltpolitik (»Governance«),Umweltschutz und Entwicklungszusammenarbeit, EU-Erweiterung undKlimaschutz; zuvor Referent für das Bundesministerium für Umwelt, Na-turschutz und Reaktorsicherheit im Referat »Europäische Union«.

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Tobias/Lückefet t , Das E lekt rogesetz | A U F S Ä T Z E

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bisher vorrangig praktizierte Verbrennung oder Deponierung vonElektroaltgeräten über kommunale Abfallströme berücksichtigtnicht die umwelttoxischen Wirkungen von Quecksilber, Blei oderPlastiken mit bromierten Flammhemmern.

Das ElektroG und die europäischen Richtlinien haben vor diesemHintergrund zum Ziel, den Anfall von Elektro-Abfall möglichst zuverringern und im Übrigen eine umweltverträgliche, möglichststoffliche Verwertung zu fördern. Zu diesem Zweck werden Anfor-derungen an die getrennte Sammlung, Erfassung und schadloseEntsorgung der Altgeräte sowie – insbesondere durch Stoffverbote8

– Anforderungen an eine verwertungsfreundliche Beschaffenheitvon Neugeräten gestellt. Kerninstrument der neuen Regelwerke istindes die umfassende Produkt- und Finanzierungsverantwortungder Hersteller von der Produktionsplanung bis zur Entsorgung: DieHersteller haben die von ihnen in Verkehr gebrachten Gerätezukünftig zurückzunehmen und den gesetzlichen Anforderungenentsprechend zu verwerten Die Neuregelung geht dabei einen wich-tigen Schritt von öffentlicher Daseinsvorsorge zu privatwirtschaft-licher Entsorgung und beschreitet in ihrer Kooperation von betrof-fener Industrie und Politik neue Wege der Umsetzung.

Neben den Vorgaben der EU gab es im Vorfeld bereits den Ent-wurf einer deutschen Verordnung über die Entsorgung von elek-trischen und elektronischen Geräten. Diese wurden nach Beratungim Umweltausschuss des Bundestages 1999 aufgrund der sichankündigenden europäischen Richtlinie nicht weiter verfolgt. ImZuge der Beratungen zum ElektroG konnte allerdings an zahlrei-chen Stellen auf Vorarbeiten zu diesem Verordnungsentwurfzurückgegriffen werden.9

B. Die tragenden Elemente des Gesetzes

I. Die getrennte Erfassung, Sammlung und Entsorgung von Altgeräten

Schon die Altgeräte-Richtlinie stellt fest, dass die getrennte Samm-lung eine »Voraussetzung« für die spezifische Entsorgung von Elek-tro- und Elektronik-Altgeräten ist.10 Folglich kommt den Besitzern

Mario Tobias/Hans-Jochen Lückefett

Das Elektrogesetz – Herstellerverantwortung, Altgerätemanagement und Verpflichtete

Am 23.03.2005 wurde das »Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rück-nahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektro-nikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG)« im Bundes-gesetzblatt veröffentlicht.1 Es setzt die Richtlinien 2002/96/EG (Altgerä-te) und 2002/95/EG (Stoffverbote) des Europäischen Parlaments und desRates in deutsches Recht um. Der folgende Beitrag stellt einige wichtigeInhalte und Hintergründe des ElektroG dar und gibt einen Überblick überdie bisher erkennbaren Strukturen zur Umsetzung der weit reichenden Her-stellerverantwortung. Die Rollen der Beteiligten und die Auswirkungen desGesetzes werden kritisch beleuchtet.

A. Einführung und Zielsetzungen des Elektrogesetzes

Durch das Elektrogesetz werden Elektro- und Elektronik-Altgeräte3

nach Verpackungen und Batterien aus dem allgemeinen Sied-lungsabfall herausgenommen und unter dem Dach der allgemei-nen Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes4 beson-deren Regelungen unterworfen5. Das ElektroG sieht dabei u. a. diefolgenden Kernregelungen vor:– Verbraucher haben künftig ihre alten Elektro- und Elektronik-

geräte einer vom übrigen Hausmüll getrennten Erfassung zuzu-führen.

– Die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorger betreibenhierfür Sammelstellen, an denen der letzte Besitzer sein Ge-brauchtgerät unentgeltlich abgeben kann.

– Kleingewerblichen Nutzern stehen diese Wege ebenfalls offen.– Den Kommunen obliegen Informationspflichten gegenüber

ihren Bürgern.– Den Herstellern und Importeuren obliegen Kennzeichnungs-

und Informationspflichten gegenüber Demontagebetrieben,Kunden und Geschäftspartnern.

– Die gesammelten Altgeräte werden von jeweiligen Herstellernzurückgenommen und einer Wiederverwendung bzw. (soweitmöglich stofflichen) Verwertung zugeführt.

– Diese Rücknahme umfasst auch »historische« Altgeräte und»Waisen«, d. h. Produkte, die vor der Gesetzesregelung bereitsim Markt waren und Geräte, deren Hersteller heute nicht mehrpräsent sind.

– Um eine geregelte Entsorgung zu gewährleisten bauen die betrof-fenen Unternehmen entsprechende »Clearing-Strukturen« auf.

– Um hohe Wiederverwendungs- und Verwertungsquoten errei-chen zu können, werden ab 2006 Stoffverbote für eine Reihevon Stoffen eingeführt.

Das gesetzgeberische Motiv für altgerätespezifische Abfallvor-schriften liegt im umweltrelevanten Gefährdungspotenzial der In-haltsstoffe. Nach Aussagen des Bundesumweltministeriums ist da-bei von etwa 1,8 Mio. Tonnen Abfall aus Altgeräten jährlich aus-zugehen, EU-weit schätzt die Europäische Kommission einAufkommen von etwa 6 Mio. Tonnen.6 Insbesondere für die In-formations- und Kommunikationstechnik ist dabei weiterhin mitsteigenden Gerätezahlen zu rechnen.7 Auch wenn damit das zu er-wartende Volumen an Altgeräten im Vergleich zum Gesamtauf-kommen der allgemeinen Siedlungsabfälle relativ gering ist, erfor-dert seine Entsorgung häufig spezielle Verfahren, um eine Gefähr-dung von Gesundheit und Umwelt ausschließen zu können. Die

1 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 17, ausgegeben zu Bonn am 23. März2005, S. 762-774.

2 Richtlinie 2002/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom27.1.2003 über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (ABl. EG Nr. L 37 S.24), zu-letzt geändert durch die Richtlinie 2003/108/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 8.12.2003 zur Änderung der Richtlinie 2002/96/EGüber Elektro- und Elektronik-Altgeräte (ABl. EG Nr. L 345 S. 106 – Altgeräte-Richtlinie) und Richtlinie 2002/95/EG des Europäischen Parlaments und desRates vom 27.1.2003 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter ge-fährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (ABl. EG Nr. L 37, S. 19 –Stoff-Richtlinie).

3 Nachfolgend kurz als Altgeräte bezeichnet.4 Vom 27.9.1994 i. d. F. von 2004.5 § 1 ElektroG knüpft zwar an § 22 KrW-/AbfG (Produktverantwortung) an,

geht jedoch z. T. eigene Wege.6 Vgl. Entwurf der EU-Kommission zur Altgeräte-Richtlinie, 2000.7 Vgl. EITO (European Information Technology Observatory) 2004, S. 42 ff.8 Die auf Art. 95 des EG-Vertrags basierende Stoff-Richtlinie wird durch § 5

ElektroG umgesetzt. Demnach ist es ab dem 1.7.2006 verboten, Geräte inVerkehr zu bringen, die > 0,1 Gew.-% Blei, Quecksilber, sechswertiges Chrom,polybromiertes Biphenyl (PBB) oder polybromierten Diphenylether (PBDE)oder > 0,01 Gew.-% Cadmium je homogenen Werkstoff enthalten.

9 Vgl den Bericht von Giesberts/Hilf, Elektroschrott – quo vadis?, CR 2000, 624ff; Zu Vorgeschichte und Inhalten der Altgeräte-Richtlinie Schütte/Siebel-Huffmann, Die Elektroschrottrichtlinie, ZUR 2003, S. 211-216.

10 Art. 5 und Erwägung 15.

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elektrischer und elektronischer Geräte bei der Umsetzung des Elek-troG eine zentrale Rolle zu. § 9 Abs. 1 verpflichtet sie, Elektro- undElektronikaltgeräte getrennt vom allgemeinen Siedlungsabfall zuerfassen. Letztlich entscheidet also ihr Verhalten über den Erfolgder gesetzgeberischen Maßnahme, denn sie setzen durch die ge-trennte Erfassung die Elektroabfallwirtschaft in Gang. § 1 legt indiesem Zusammenhang die Messlatte der abfallwirtschaftlichenZielsetzung auf durchschnittlich mindestens 4 kg getrennt gesam-melte Altgeräte aus privaten Haushalten pro Einwohner und Jahrab 2006. Für Deutschland ist in der politischen Diskussion wie-derholt darauf hingewiesen worden, dass die vorgegebene Sam-melquote wahrscheinlich schon jetzt erfüllt wird, denn vielerortswerden Elektro- und Elektronikaltgeräte bereits heute getrennt ge-sammelt. Insofern spiegelt die europarechtliche Vorgabe dasBemühen um eine Harmonisierung der Verhältnisse in den 25 Mit-gliedsstaaten wider. Bis Ende 2008 will die Europäische Union al-lerdings einen neuen Zielwert für die getrennte Erfassung festle-gen.11

II. Herstellerverantwortung

Die Verantwortung des Herstellers für seine Produkte stellt – als be-sondere Ausprägung des Verursacherprinzips – schon seit langemein tragendes Prinzip des Umweltschutzes dar.12 Dabei besitzt derGesetzgeber bei der Ausgestaltung dieses Prinzips im Abfallrechtpolitischen Gestaltungsspielraum, sind doch alle Beteiligten derWertschöpfungskette eines Produktes – namentlich Zulieferer, Her-steller, die gesamte Handelskette sowie die Nutzer – am Ende desProduktlebenszyklus Verursacher des Elektronikschrotts.

Es stellt sich folglich jenseits aller Ideologie die Frage, nach wel-chen Kriterien die Verantwortlichkeiten für Altgeräte den ver-schiedenen Verursachern zugewiesen werden sollen. Im Blick aufden Hersteller und seine Verantwortung erscheint es zweckmäßig,diese Verantwortlichkeiten vorrangig nach den Kriterien Kern-kompetenz und spezifischer Verursachungsbeitrag zuzuweisen.Kernkompetenzen des Herstellers sind Produkttechnologie und -design. Mit ihnen entscheidet er unter anderem über die Langle-bigkeit eines Produktes und über die Möglichkeiten, es umweltge-recht zu nutzen und umweltschonend zu verwerten.

Während jedoch die Verantwortung für die Produktrücknahmeund –entsorgung verpflichtend zugewiesen werden kann, stelltsich für die Produktgestaltung die Frage, welche Anreize Gesetzge-ber und Regierung setzen können, um die Hersteller elektrischerund elektronischer Produkte dazu zu veranlassen, ihre Kernkom-petenzen in dem hier genannten Sinne einzusetzen.13

III. Geteilte Produktverantwortung

Dieser Begriff beschreibt eine einfache Aufgabenteilung zwischenden Herstellern einerseits und den öffentlich-rechtlichen Entsor-gungsträgern14 andererseits: während das Elektrogesetz die Her-steller dafür verantwortlich macht, die Altgeräte sachgerecht zuentsorgen, weist es den Kommunen die Aufgabe zu, die Altgeräteaus privaten Haushalten zu sammeln.15

Über diese Aufgabenteilung gab es ein lang anhaltendes und er-bittertes politisches Ringen: während die kommunale Seite sichunter Verweis auf die umfassende Produktverantwortung der Her-steller gegen jegliche Aufgabenzuweisung und die damit verbun-dene Erhöhung der allgemeinen Abfallgebühren wandte, verwie-sen die Hersteller darauf, dass die Sammlung von Altgeräten derAllzuständigkeit der Kommunen für Siedlungsabfälle zuzurechnenist, und dem Bürger im Interesse des Sammlungserfolges die Sam-melwege angeboten werden sollten, die er seit langem kennt undnutzt.16 Das jetzt verabschiedete Gesetz stellt einen Kompromiss

dar: es behält die geteilte Produktverantwortung im Grundsatz bei,verpflichtet die Kommunen aber nur noch, die gesammelten Alt-geräte in 5 anstatt in 7 Gruppen zur Abholung durch die Herstel-ler bereitzustellen. Außerdem verpflichtet das Gesetz die Bundes-regierung, die abfallwirtschaftlichen Auswirkungen unter ande-rem der geteilten Produktverantwortung spätestens 5 Jahre nachInkrafttreten zu prüfen.17

C. Der Inhalt der Herstellerverantwortung

Die beiden großen Verbände der Elektro- und ElektronikindustrieZVEI18 und BITKOM19 haben im Januar 2005 einen zweitägigenKongress zum Elektrogesetz veranstaltet und dafür den Titel ge-wählt: »Der Count-down läuft«. Die darin zum Ausdruck kom-mende Dramatik ist Realität: auch wenn der Bundestag die Be-stimmungen über das Inkrafttreten des Gesetzes gegenüber demRegierungsentwurf gemildert hat,20 wird die Wirtschaft alle Händevoll zu tun haben, sich auf die Abholung und Entsorgung der Alt-geräte zu Beginn des Jahres 2006 vorzubereiten. Um diese »Matterof Urgency« zu verdeutlichen, seien einige wichtige – bei weitemnicht alle – Verpflichtungen der Hersteller nachfolgend in einemskizzenhaften Überblick dargestellt.

I. Primäre Verpflichtungen

Die Liste der primären Verpflichtungen, die das Gesetz den Her-stellern aufgebürdet hat, klingt einleuchtend. Er muss– Historische und künftige Elektro- und Elektronik-Altgeräte21 aus

privaten Haushalten bei den kommunalen Sammelstellen ab-holen.

– Künftige Altgeräte von gewerblichen Kunden entgegennehmen.– Sämtliche Altgeräte unter Einhaltung der vorgegebenen Quoten

behandeln, verwerten und beseitigen.– Die Entsorgung künftiger Altgeräte aus privaten Haushalten

durch Garantien finanziell sichern.– Produkte entwickeln, welche Demontage und Wiederverwen-

dung berücksichtigen und erleichtern.– Stoffverbote des § 5 ElektroG einhalten.Im Detail lassen die Bestimmungen der europäischen Richtlinienund des ElektroG, die diese Verpflichtungen festlegen, etlicheRechtsfragen unbeantwortet.

1. Wer ist Hersteller?Das Gesetz kennt drei verschiedene Typen von Herstellern:22

– Den Hersteller im engeren Sinne, der Geräte fertigt und ver-marktet.

– Den Eigenmarken-Händler, der Produkte anderer Produzentenunter seinem eigenen Markennamen vertreibt

– Den Erstinverkehrbringer, der Produkte anderer Anbieter nachDeutschland importiert, um sie hier unter dem ursprünglichenMarkennamen auf den Markt zu bringen.

11 Art. 5 Abs. 5 S. 2 Altgeräte-Richtlinie.12 Für das Abfallrecht vgl. § 22 KrW/AbfG; und bereits § 14 AbfG 1986.13 Siehe dazu im Einzelnen Bullinger/Lückefett, Das neue ElektroG, B IV Rn.

18 ff. und E I Rn. 2 ff.14 Im Folgenden örE.15 §§ 9 und 10 ElektroG.16 Zur Rückwirkung des Elektrogesetzes als weiteres Argument der Hersteller sie-

he Abschnitt C 1.17 § 1 Abs. 2 S. 1 neu.18 Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.19 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Me-

dien e.V.20 § 24 Elektrogesetz in der Lesefassung vom 20.1. 2005.21 Historische Altgeräte sind solche, die vor dem 13.8.2005, künftige Altgeräte

solche, die danach in Verkehr gebracht worden sind (§ 14 Abs. 5).22 § 3 Abs. 11 ElektroG.

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Tobias/Lückefet t , Das E lekt rogesetz | A U F S Ä T Z E

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Im Zuge der nationalen Umsetzung der Altgeräte-Richtlinie tauch-te im Zusammenhang mit dem Herstellerbegriff die Frage auf, ob»in Verkehr bringen« sich auf den jeweiligen nationalen Marktoder auf den europäischen Markt bezieht. Die Mitgliedsstaaten derEuropäischen Union nehmen auf den jeweiligen nationalen MarktBezug (so auch § 3 Abs. 11 ElektroG), weil die Anordnungs- undKontrollbefugnisse der nationalen Abfall- und Umweltbehördenan den Grenzen des Nationalstaates enden. Sie unterscheiden da-bei nicht, ob es sich um Importgeräte von außerhalb der EU oderaus einem anderen Mitgliedsstaat handelt. Dementsprechend stell-te sich die Frage, ob der Erstinverkehrbringer (§ 3 Abs. 11 Nr. 3) injedem Falle verpflichtet ist, die von ihm auf den deutschen Marktgebrachten Geräte zu kennzeichnen,23 um seine Geräte identifi-zieren zu können, wenn sie am Ende ihres Lebenszyklus als Alt-geräte an der kommunalen Sammelstelle abgegeben werden. Demist die Europäische Kommission entgegengetreten. Sie hat daraufhingewiesen, dass die Begriffsbestimmung24 der Altgeräte-Richtli-nie nur den Importeur meint, der Neugeräte von außerhalb der Eu-ropäischen Union in einem Mitgliedsstaat in Verkehr bringt. Nurder europäische Erstinverkehrbringer sei verpflichtet, die von ihmeingeführten Geräte zu kennzeichnen. Eine darüber hinausgehen-de Verpflichtung zur Kennzeichnung auch solcher Geräte, die auseinem Mitgliedsstaat in einen anderen eingeführt werden, stelltnach ihrer Auffassung innerhalb des einheitlichen europäischenMarktes ein Handelshemmnis dar.

Damit wird eine begriffliche Diskrepanz deutlich, die bishernoch nicht aufgelöst ist. Die europäische Kommission verhindertzu Recht die Entstehung von Handelshemmnissen zwischen Mit-gliedsstaaten. Die nationale Kennzeichnung durch den Erstinver-kehrbringer ist kaum durchführbar, würde sie doch bedeuten, dassdieser jedes einzelne Elektro- und Elektronikgerät auspacken,kennzeichnen und anschließend wieder verpacken müsste. Ande-rerseits müssen die Mitgliedsstaaten ihre Begriffsbestimmungenan ihrer Macht- und Einflusssphäre ausrichten, um den Vollzug dergesetzlichen Neuregelung sicherzustellen.

Um die geschilderte Diskrepanz zu überbrücken, haben großeMarkenhersteller vorgeschlagen, dass sie an Stelle des Erstinver-kehrbringers dessen gesetzliche Verpflichtungen erfüllen. Zwarbliebe jener verpflichtet, sich registrieren zu lassen, würde dabeiaber vertragliche Vereinbarungen mit den Markenherstellern dervon ihm vertriebenen Produkte vorlegen. Auf Grund dieser Ver-träge würden die Markenhersteller an Stelle des Erstinverkehrbrin-gers die Altgeräte abholen und entsorgen sowie die erforderlichenGarantien nachweisen. Eine Kennzeichnung der Geräte mit demNamen des Erstinverkehrbringers wäre auf Grund solcher Verein-barungen tatsächlich entbehrlich, denn als Verpflichtete würdenauf Grund des Markennamens auf den Altgeräten den vertragli-chen Vereinbarungen entsprechend die Markenhersteller identifi-ziert.

Die Diskussion über den Begriff des Herstellers und diesen Vor-schlag ist noch nicht abgeschlossen. Nicht alle Markenherstellersind bereit, für ihre Erstinverkehrbringer einzutreten. StaatlicheStellen sehen eine besondere Schwierigkeit darin, dass die Erfül-lung öffentlich-rechtlicher, abfallrechtlicher Verpflichtungen vonder Erfüllung privatrechtlicher, vertraglicher Verpflichtungen ab-hängt. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass privatrechtli-che Verpflichtungen über die Grenzen des Nationalstaates hinausvollstreckt werden können, während Umweltbehörden im Aus-land nicht agieren dürfen.

2. Welche Elektro- und Elektronikgeräte fallen unter das Gesetz?

Zur Beantwortung dieser Frage ist auf die §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1ElektroG hinzuweisen. Nach § 2 Abs. 1 gilt das Gesetz für alle Gerä-

te, die unter die zehn Kategorien des Anhangs I fallen. Nach § 3Abs. 1 sind Elektro- und Elektronikgeräte solche,– die zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme oder

elektromagnetische Felder benötigen und solche,– die elektrische Ströme oder elektromagnetische Felder erzeu-

gen, übertragen und messen.Davon ausgenommen sind u. a. solche Geräte, die Bestandteile ei-nes anderen Gerätes sind, das nicht in den Anwendungsbereich desGesetzes fällt. In der Diskussion über die europäische Altgeräte-Richtlinie und das deutsche Elektrogesetz wurde als Beispiel für die-se Ausnahme immer wieder das Autoradio genannt. Hier sindZweifel angebracht. Was ist beispielsweise zu tun, wenn ein Her-steller baugleich mit einem Autoradio ein selbstständig zu betrei-bendes Radio auf den Markt bringt? Warum soll das eine nach demElektrogesetz und das andere nach den Bestimmungen für Alt-Au-tos behandelt werden?

Auch sonst ist der Bogen der offenen Fragen weit gespannt.– Was gilt für Geräte, die zwar die Begriffsbestimmung des § 3 Abs.

1 erfüllen, sich aber nicht in eine der zehn Kategorien des § 2Abs. 1 einsortieren lassen25

– Wie sind elektrische und elektronische Komponenten einesGerätes zu behandeln, die nur gemeinsam mit diesem Gerätebenutzt werden können, gleichwohl aber selbstständig vertrie-ben werden? Beispiel hierfür sind PC-Tastaturen, Laufwerke,Festplatten und Grafikkarten. § 3 Abs. 3 könnte dahin ausgelegtwerden, dass das Elektrogesetz die Hersteller dieser Komponen-ten grundsätzlich nicht erfasst, denn letztere fallen nur dannunter die Vorgaben des Elektrogesetzes, wenn sie gemeinsammit dem Hauptgerät Abfall werden. Dagegen spricht, dass § 2Abs. 1 nur solche Geräte aus dem Geltungsbereich des ElektroGausschließt, die Teil eines anderen Gerätes sind, welches seiner-seits nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt. Diegenannten Komponenten dagegen gehören zu Geräten, die inden Anwendungsbereich des Elektrogesetzes fallen und siebenötigen für ihren Betrieb elektrische Ströme oder elektroma-gnetische Felder. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Andern-falls könnten private Haushalte Elektronikkomponenten wei-terhin über den Hausmüll entsorgen, wenn sie nicht gemeinsammit dem dazugehörigen Hauptgerät, einem PC beispielsweise, inden Abfall wandern.26

– In den Beratungen des Bundestages spielten exotische Gerätewie elektrische Eisenbahnen, Klavierstummschalter, beleuchte-te Puppenhäuser, Puppen oder Plüschtiere mit Stimme eine Rol-le. Wie weit hier der Anwendungsbereich des Gesetzes geht,wird letztlich die forensische Praxis erweisen.

– Schließlich führt § 6 Abs. 3 S. 2 ElektroG so genannte B2B-Gerä-te in das Gesetz ein.27 Dabei handelt es sich um Geräte, die nichtin privaten Haushalten genutzt werden und die deshalb auchnicht bei kommunalen Sammelstellen abgegeben werden. Fürdiese Geräte braucht der Hersteller keine Garantien nachzuwei-sen. Wie B2B-Geräte im Einzelnen von solchen Geräten unter-schieden werden, die sowohl gewerblich als auch in privatenHaushalten genutzt werden können, ist umstritten. Einerseitswird in der Wirtschaft gegenwärtig vertreten, dass die Begriffs-bestimmung sich danach richten möge, an wen der Herstellerseine Geräte verkauft. Die Gegenmeinung geht davon aus, dassnur solche Geräte unter die Begriffsbestimmung des § 6 Abs. 3Satz 2 fallen, die auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaftennicht in einem privaten Haushalt genutzt werden können (Bei-

23 § 7 ElektroG.24 Artikel 3 Buchst. i.25 Vergleiche dazu insb. Anhang I zum Elektrogesetz – weitestgehend selbster-

klärend.26 Vgl. Bullinger/Lückefett,(Fn. 13), Abschnitt C I 3, Rn. 9.27 Dazu ist auch auf Abschnitt D II 2 unten zu verweisen.

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spiel: das industrielle Kühl-Aggregat und der Antennenmast fürden Mobilfunk).

3. Wie kommt der Hersteller in den Besitz der Altgeräte, für dessen Entsorgung er verantwortlich ist?

Das Elektrogesetz beschränkt sich zur Beantwortung dieser Fragedarauf, den Beteiligten vorzugeben, wie Elektro- und Elektroni-kaltgeräte aus privaten Haushalten zu sammeln und an die Her-steller zu übergeben sind. Für Altgeräte aus dem gewerblichen Be-reich regelt es lediglich, wer – vorbehaltlich anders lautender ver-traglicher Vereinbarung – verpflichtet ist, den Abfall zu entsorgen:– Historische Altgeräte hat der Besitzer zu entsorgen;– für neue Altgeräte hat der Hersteller zumutbare Möglichkeiten

zur Rückgabe zu schaffen.28

Zurück zu den Altgeräten aus privaten Haushalten: hier verpflich-tet das Elektrogesetz die örE, Sammelplätze einzurichten, wo dieseGeräte unentgeltlich zurückgegeben werden können, und zwardurch die privaten Haushalte selbst oder durch Vertreiber, die sievon Privathaushalten entgegengenommen haben.29 Das ElektroGverpflichtet die örE weiter, die gesammelten Altgeräte in 5 Grup-pen zur Abholung durch die Hersteller bereitzuhalten.30 Die Her-steller ihrerseits sind verpflichtet, die Behälter bei den Kommunenabzuholen, sobald sie als voll gemeldet sind.31 Sie haben den örEdie notwendigen Behälter unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.32

4. Die Abholkoordination

Das in Abschnitt CI3 geschilderte Zusammenspiel zwischen örEund Herstellern erfordert eine zentrale Abholkoordination, dennwie sollte der einzelne Hersteller wissen, wann er verpflichtet ist,bei welcher Kommune einen vollen Behälter welcher Sammel-gruppe abzuholen.

Der Gesetzgeber überträgt diese Aufgabe einer gemäß § 6 Elek-troG von den Herstellern einzurichtenden Gemeinsamen Stelle.Die Gemeinsame Stelle hat die zeitlich und örtlich gleichmäßigeVerteilung der Abholpflicht auf alle registrierten Hersteller auf derBasis einer wissenschaftlich anerkannten Berechnungsweise zu ge-währleisten.33 Meldet ein Entsorgungsträger den Behälter einerSammelgruppe als voll, so berechnet die Gemeinsame Stelle, wervon den Herstellern an der Reihe ist, diesen abzuholen und zu ver-werten.

Die Wirtschaft hat die Gemeinsame Stelle bereits in Gestalt derStiftung Elektro-Altgeräte-Register gegründet. Die Vorbereitungenfür ihren Betrieb werden gegenwärtig in der ProjektorganisationElektro-Altgeräte-Register GbR vorangetrieben.34

Methodisch sind für die Abholkoordination zwei Modelle imGespräch, nämlich – eine deutschlandweite Abholkoordination oder– eine Gebietsaufteilung.Ausgangspunkt beider Modelle ist die Jahresabholverpflichtung ei-nes Herstellers35 Bei der deutschlandweiten Abholkoordination istimmer derjenige Hersteller verpflichtet, einen vollen Altgeräte-Behälter abzuholen, der im Vergleich zu allen anderen registrier-ten Hersteller einer Sammelgruppe die größte Restverpflichtungaufweist. Diese ergibt sich daraus, dass von der vorausberechnetenJahres-Abholverpflichtung die bereits vorgenommenen Abholun-gen und das Ergebnis seiner eigenen Sammeltätigkeit abgezogenwerden.36

Bei der Gebietsaufteilung werden alle registrierten Abholstellender örE den registrierten Herstellern im Umfang ihrer voraussicht-lichen Jahres-Abholverpflichtung zugewiesen. Jeder Hersteller er-hält so viele Abholstellen zugewiesen, dass die von diesen voraus-sichtlich bereitzustellenden Mengen an Altgeräten seiner Jahres-

abholverpflichtung entspricht. Die verschiedenen Branchen orientieren sich bisher unter-

schiedlich: während für die Haushaltsgroßgeräte beispielsweise ei-ne Gebietsaufteilung im Gespräch ist, favorisiert die Branche derUnterhaltungselektronik gegenwärtig eine deutschlandweite Ab-holkoordination.

Beide Modelle haben Vor- und Nachteile.37 Unterm Strich wirdgegenwärtig die Gebietsaufteilung als kostengünstiger einge-schätzt. Außerdem bietet sie den örE zumindest auf Zeit feste An-sprechpartner für die Abholung. Diese können folglich die Beson-derheiten der einzelnen Abholstellen bei ihrer Tätigkeit berück-sichtigen. Andererseits setzt dieses Modell voraus, dass sich dieHersteller einer Sammelgruppe über die Wahl dieses Modells unddie Aufteilung der Abholstellen einig sind. Vor diesem Hintergrundplant u. a. die Branche der Haushaltsgroßgeräte mit einer relativgeringen Zahl an verpflichteten Herstellern gegenwärtig die Ein-führung einer Gebietsaufteilung. Die Einigung aller Hersteller ei-ner Sammelgruppe ist bei der deutschlandweiten Abholung dem-gegenüber nicht erforderlich. Dieses Modell der Abholkoordinati-on stand bei der Formulierung des § 14 ElektroG Pate. Die in derSammelgruppe 3 zusammengefassten Branchen der Informations-und Kommunikationstechnik sowie der Unterhaltungselektronik,beide durch eine Vielzahl von Herstellern und häufige Marktver-änderungen gekennzeichnet, werden daher mit der deutschland-weiten Abholkoordination starten.

II. Sekundäre Verpflichtungen

Die geschilderten primären Verpflichtungen des Herstellers sinddurch zahlreiche sekundäre Verpflichtungen flankiert, um Markt-transparenz zu schaffen, die Erfüllung der Entsorgungsverpflich-tungen zu überwachen und eine Erfolgskontrolle einzuführen. Soregelt das Gesetz:– eine Registrierungspflicht38 und– die Pflicht, die bei der Registrierung zugewiesene Registrie-

rungsnummer im schriftlichen Geschäftsverkehr zu führen;39

– gegenüber der Gemeinsamen Stelle: fortlaufende Berichts-pflichten über die in Verkehr gebrachten Mengen an Elektro-und Elektronikgeräten und die Erfüllung der Rücknahme- undEntsorgungsverpflichtung,40

– gegenüber den Verbrauchern: Informationspflichten über diegetrennte Erfassung, Sammlung und Entsorgung von Elektro-und Elektronikgeräten,41

– gegenüber Behandlungsanlagen: Informationspflichten über al-le künftigen Altgeräte,42

– bei allen Elektrogeräten: die Pflicht zur Kennzeichnung,43

– gegenüber Vertreibern und Verbrauchern: die zeitlich befristeteBerechtigung, die Entsorgungskosten getrennt vom Preis desGerätes auszuweisen.44

28 § 10 Abs. 2 ElektroG.29 § 9 Abs. 3 ElektroG.30 § 9 Abs. 4 ElektroG.31 § 10 Abs. 1 ElektroG.32 § 9 Abs. 5 S. 1 ElektroG.33 § 14 Abs. 6 S. 1 ElektroG.34 Siehe http://www.ear-projekt.de und http:// www.stiftung-ear.de sowie E I.35 Zu den Berechnungsformeln siehe Bullinger/Lückefett, Das neue ElektroG,

C I 5 Rn. 21 ff.36 Hierzu insgesamt § 14 Abs. 5 ElektroG.37 Dazu Bullinger/Lückefett (Fn. 13), C I 6 Rn. 30 ff.38 § 6 Abs. 2 S. 1 ElektroG.39 § 6 Abs. 2 S. 4 ElektroG.40 § 13 ElektroG.41 §§ 10 Abs. 3 und 9 Abs. 7 S. 2 (Vertreiber) ElektroG.42 § 13 Abs. 6 ElektroG.43 § 7 ElektroG.44 § 6 Abs. 4 ElektroG.

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In rechtlicher Hinsicht ist bemerkenswert, dass das Elektrogesetzin § 6 Abs. 2 ein Vertriebsverbot für Elektro- und Elektronikgerätevorsieht, solange ein Hersteller nicht registriert ist. Das Elektro-Alt-geräte-Register (Gemeinsame Stelle) wird deshalb bemüht seinmüssen, die Registrierung innerhalb einer allgemein zugesagtenFrist vorzunehmen, um den verpflichteten Herstellern den not-wendigen Vertrauensschutz im Blick auf diese Marktzugangshürdezu gewähren.

Noch ein Blick auf die Uhr: die pflichtigen Hersteller werden sichbis November 2005 registriert haben müssen, um den gesetzlichenVorgaben zu genügen. Die Gemeinsame Stelle hat deshalb test-weise die Website für die Registrierung, die im Juni 2005 beginnensoll, inzwischen freigeschaltet.

III. Fragen der Finanzierung

1. Rückstellungen

Das Elektrogesetz geht zutreffend davon aus, dass die finanzielleVorsorge für die Rücknahme und Entsorgung von Elektro- undElektronikaltgeräten beginnt, wenn die Geräte in Verkehr gebrachtwerden. Nach dem Grundsatz der individuellen Herstellerverant-wortung entsteht zu diesem Zeitpunkt die Verpflichtung, die Gerä-te zurückzunehmen und zu entsorgen, wenn sie am Ende ihrerNutzungszeit als Altgeräte in den Abfallstrom gelangen. Vor diesemHintergrund müssen die Hersteller und ihre Wirtschaftsprüferklären, ob für die interne Finanzierung dieser VerpflichtungenRückstellungen zu bilden sind. Die Antwort auf diese Frage hataußerordentliche wirtschaftliche Bedeutung, denn diese Rückstel-lungen, die u. U. den Jahresgewinn eines Unternehmens verrin-gern können, werden beträchtliche Ausmaße annehmen: das Bun-desumweltministerium schätzt die jährliche Gesamtmenge anelektrischen und elektronischen Altgeräten in Deutschland auf biszu 1,8 Millionen Tonnen. Schätzungen der Wirtschaft gehen da-von aus, dass die Entsorgung dieses Abfallberges jährlich etwa 350Millionen Euro verschlingen dürfte.

Die Diskussion über die Frage, ob und in welchem Umfang esmöglicherweise Ausnahmen von der Verpflichtung zur Bildungvon Rückstellungen gibt, ist noch nicht abgeschlossen.45 Es würdeden Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, auf die Einzelheiten dieserDiskussion einzugehen. Hier nur so viel: die Altgeräte-Richtliniewurde nachträglich geändert, um sicherzustellen, dass die Herstel-ler für die Verpflichtung, auch die so genannten historischen Alt-geräte zu entsorgen, keine (kumulierten) Rückstellungen bildenmüssen, sobald die gesetzlichen Neuregelungen in Kraft treten.Hierüber besteht unter den Wirtschaftprüfern weitestgehend Ei-nigkeit. Umstritten ist nach wie vor, wie weit Hersteller verpflich-tet oder berechtigt sind, für die Entsorgung neuer Altgeräte Rück-stellungen zu bilden. Wiederum sind sich die Beteiligten einig,dass diese Verpflichtung besteht, wenn ein Hersteller sich dafürentscheidet, nur seine eigenen Geräte zurückzunehmen und zuentsorgen.46 Anders dagegen könnte die Rechtslage zu beurteilensein, wenn ein Hersteller sich dazu entschließt, seine Rücknahme-und Entsorgungsverpflichtung nach aktuellem Marktanteil erfül-len zu wollen.47 Diese Regelung ist der für historische Altgerätenachempfunden.48 Folglich vertreten eine große Gruppe von Her-stellern und auch namhafte Wirtschaftsprüfer die Auffassung, dasseine Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen nicht besteht.

2. Garantien

Nach § 6 Abs. 3 S. 1 ElektroG hat jeder Hersteller dem Elektro-Alt-geräte-Register jährlich eine insolvenzsichere Garantie für die Fi-nanzierung der Rücknahme und Entsorgung seiner Geräte nach-

zuweisen, die er in den kommenden 12 Monaten in Verkehr zubringen plant. Der Sinn dieser Bestimmung erschließt sich aus Er-wägung 20 zur Altgeräte-Richtlinie. Danach ist es Aufgabe der Ga-rantien, sicherzustellen, dass Elektro- und Elektronikaltgeräte we-der der Gesellschaft noch den übrigen Herstellern zur Last fallen.Die Garantien dienen also dazu, die Entsorgung der Altgeräte zu fi-nanzieren, wenn »ihr« Hersteller insolvent geworden ist oder aufGrund eigener geschäftlicher Entscheidung aus dem Markt aus-scheidet.

Die praktische Handhabung dieser Bestimmung bereitet aller-dings Kopfzerbrechen. Zum einen haben sich Banken und Versi-cherungen bisher nicht damit hervorgetan, den betroffenen Her-stellern geeignete Garantien anzubieten. Zum anderen dürften dieHersteller dafür auch selbst Verantwortung tragen, weil sie sich bis-lang noch nicht darauf zu einigen vermochten, unter welchen Vor-aussetzungen der »Garantiefall« eintritt und wie die Garantien da-nach ausgeübt werden. Noch unklar sind die Beschreibung des Ga-rantiefalles und die Ausübung der Garantien für die Hersteller, diesich in Anwendung von § 14 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 ElektroG dafür ent-scheiden, auch neue Altgeräte nach aktuellem Marktanteil zurück-zunehmen und zu entsorgen. Im Zuge der parlamentarischen Dis-kussion sind die in § 6 Abs. 3 S. 3 ElektroG genannten Beispiele fürGarantien um »ein System, das auf der Berechnung nach § 14 Abs.5 S. 3 Nr. 2 beruht« ergänzt worden. Zur Begründung dieses Ände-rungsantrages führt der Bundesrat aus, es solle damit klargestelltwerden, dass die Teilnahme an einem kollektiven Rücknahmesy-stem, bei dem sich die Hersteller wechselseitig zusichern, für dieEntsorgung ihrer Altgeräte einzustehen, als Garantie anerkanntwird.49 Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung ausge-führt, die Forderung, dass jeder Hersteller im Rahmen der Regi-strierung eine insolvenzsichere Garantie nachweisen muss, bleibevon dieser Änderung unberührt. Es sei folglich auch bei einem sol-chen System im Einzelfall darzulegen, dass die Finanzierung derEntsorgung bei Insolvenz von Teilnehmern durch das Systemtatsächlich gewährleistet werden kann.50 Wann diese von der Bun-desregierung beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, ist zur-zeit Gegenstand der Diskussion innerhalb der Wirtschaft.

Die Zeit für eine Einigung indes drängt. Bis November 2005 müs-sen alle Hersteller ihre Verpflichtung zur Registrierung erfüllt ha-ben.51 Voraussetzung für die Registrierung ist unter anderem, dassder Hersteller die erforderliche Garantie für die ersten 12 Monateseiner Markttätigkeit unter der Geltung des Elektrogesetzes nach-weist.52

D. Weitere Verpflichtete

I. Vertreiber

Das Elektrogesetz unterscheidet Hersteller und Vertreiber.53 Ver-treiber im Sinne des Elektrogesetzes ist jeder, der Geräte gewerblichfür den Nutzer anbieten«.54 Das Gesetz überlässt es Vertreibern, Alt-geräte freiwillig zu sammeln. Allerdings kann der Vertreiber auch

45 Schäfer, Droht die Pflicht zur kumulierten Rückstellungsbildung für die Entsor-gung von Elektroaltgeräten?, BB 2004, S. 2735 ff. und Bullinger/Lückefett (Fn. 13),E I 3 Rn. 11 ff.

46 § 14 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 ElektroG.47 § 14 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 ElektroG.48 § 14 Abs. 5 S. 2 ElektroG.49 BT DS 15 4234 Nr. 17.50 BT DS 15 4234 Anlage 3.51 § 24 ElektroG in der Lese-Fassung des Bundestages. Näherer Einzelheiten zu

Fragen der Finanzierung in Bullinger/Lückefett (Fn. 13), Abschnitt E I, Rn. 11 ff.52 § 6 Abs. 2 S. 2 ElektroG.53 Im täglichen Sprachgebrauch findet statt des Begriffs »Vertreiber« häufig der

Begriff »Händler« Verwendung, dieser umfasst Groß- und Einzelhandelsbe-triebe, Supermarktketten, Baumärkte, Drogerien oder Kioske.

54 § 3 Abs. 11 und 12.

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selbst Hersteller und damit Verpflichteter des ElektroG werden.Vom Erstinverkehrbringer war bereits die Rede.55 In § 3 Abs. 11 istdarüber hinaus vorgesehen, dass er fiktiver Hersteller werdenkann.56

1. Freiwillige Sammlung von Altgeräten durch den VertreiberDie Altgeräte-Richtlinie hat es den Mitgliedsstaaten freigestellt, dieHändler bei Verkauf eines Neuproduktes zu verpflichten, ein ent-sprechendes Altgerät Zug um Zug unentgeltlich zurückzuneh-men.57 Der deutsche Gesetzgeber hat die Sammelverpflichtungnicht auf Vertreiber ausgedehnt, um Wettbewerbsnachteile insbe-sondere für kleine (Familien-)Betriebe zu vermeiden. Entscheidetsich ein Vertreiber allerdings auf freiwilliger Basis dazu, Altgeräteals Element seines Kundenservice zurückzunehmen, muss er fol-gende gesetzliche Rahmenbedingungen beachten:– Der Vertreiber darf für die Altgeräte-Rücknahme kein Entgelt

verlangen.58 Holt er Altgeräte hingegen beim Nutzer ab, so darfdem Kunden der dabei anfallende Aufwand in Rechnung ge-stellt werden.

– Bei Zwischenlagerung von gesammelten Altgeräten sind die Be-stimmungen des Immissionsschutzrechtes über genehmi-gungspflichtige Anlagen einzuhalten. Allerdings kann die La-gerung von der Genehmigungspflicht in Nr. 8.12 des Anhangsder 4. BImSchVO ausgenommen sein, weil der Händler erstnoch prüfen muss, ob es sich bei dem Altgerät tatsächlich umAbfall handelt oder ob es wieder verwendet werden kann.59

– Der Vertreiber darf Altgeräte aus privaten Haushalten bei derkommunalen Sammelstelle unentgeltlich abgegeben. Dabeimuss es sich um Altgeräte aus Haushalten handeln, die im Ein-zugsgebiet des örE beheimatet sind. Diese in der Praxis nur ein-geschränkt praktikable Vorgabe ist notwendig, um die Kostender kommunalen Sammlung gebührenumlagefähig zu machen.Andere Personen als private Endnutzer und Vertreiber sind ankommunalen Sammelstellen nicht anlieferungsberechtigt.

– Schließlich kann sich der Vertreiber auch dazu entschließen,Altgeräte selbst zu entsorgen,60 er unterliegt dann allerdings al-len gesetzlichen Pflichten für Transport, Behandlung und Ent-sorgung.

2. Vertreiber als fiktiver HerstellerDer Vertreiber wird zum »fiktiven« Hersteller, wenn er schuldhaftNeugeräte eines nicht registrierten Herstellers zum Verkauf anbie-tet.61 Dies lässt sich für den Vertreiber indes leicht vermeiden. Dennzum einen verpflichtet das ElektroG jeden Hersteller, die Regi-strierungsnummer auf seinen Geschäftspapieren zu führen undzum anderen muss das EAR die registrierten Hersteller gemäß § 14Abs. 2 ElektroG im Internet veröffentlichen, so dass jedermann zu-verlässige Informationsquellen zur Verfügung stehen. Diese Rege-lung ist der intensiven Diskussion zwischen Politik, Herstellernund Handel geschuldet, auf welche Art und Weise »Trittbrettfah-rer« vermieden werden können.62 Fiktive Vertreiber unterliegen al-len für Hersteller vorgesehenen Verpflichtungen des ElektroG – in-klusive eines möglichen Vertriebsverbots für den Fall, dass sie sichnicht registrieren lassen.

II. Besitzer

1. Private HaushalteWie bereits in B I dargestellt, kommt den Besitzern elektrischer undelektronischer Geräte bei der Umsetzung des ElektroG eine zentraleRolle zu. Indes schafft die Verpflichtung, Altgeräte bei kommuna-len Sammelstellen abzugeben, keinen vollständig neuen Sachver-

halt. An vielen kommunalen Wertstoffhöfen war es schon bisherüblich, den Bürgern die Rückgabe der Altgeräte anzubieten – in vie-len Fällen allerdings gegen Entgelt. § 3 Abs. 4 ElektroG bestimmt,dass zu privaten Haushaltungen auch solche Nutzer zählen, vondenen Altgeräten in einer Beschaffenheit und einer Menge anfal-len, die privaten Haushaltungen im Sinne des Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetz vergleichbar sind.63 Damit die privaten Haushal-te ihre Rückgabemöglichkeiten wahrnehmen können, sind u. a dieörE verpflichtet, darüber auf geeignetem Wege zu informieren.64

2. Geräte aus anderen Herkunftsbereichen als privaten HaushaltenDer Gesetzgeber unterscheidet zwischen Altgeräten aus privatenHaushalten und denen von anderen Nutzern.65 Gesetzestechnischenthält § 3 Abs. 4 ElektroG dazu eine Begriffsbestimmung, für pri-vate Haushaltungen. Für andere Nutzer, bei denen Altgeräte ingroßem Maßstab anfallen (sog. B2B-Produkte gewerblicher und in-dustrieller Großkunden oder der Öffentlichen Hand) enthält dasGesetz keine eigene Begriffsbestimmung. Der Gesetzgeber unter-stellt, dass diesen Nutzern weder im Einzelnen vorgegeben werdenmuss, wie sie Altgeräten fachgerecht entsorgen (lassen), noch dassihnen besondere Anreize geboten werden müssen, zum Erfolg dergesetzlichen Neuregelung beizutragen. Typischerweise wird diesenNutzern bereits heute beim Kauf neuer Geräte die Rücknahem undVerwertung der entsprechenden Gebrauchtprodukte angeboten.Vor diesem Hintergrund legt das ElektroG zwar fest, dass für hi-storische Altgeräte der Nutzer, für neue dagegen der Hersteller ver-antwortlich ist. Es sieht jedoch gleichzeitig vor, dass Hersteller undNutzer davon abweichende Vereinbarungen treffen können.66

Die Abgrenzung reiner B2B-Geräte ist aus mehreren Gründenwichtig. Zum einen gilt für diese Gebrauchtgeräte die Sammel-pflicht der Kommunen nicht67 – was im Umkehrschluss bedeutet,dass die Geräte bei den Kommunen auch nicht angeliefert werdendürfen. Damit verbunden ist, dass reine B2B-Geräte auch nicht indie Berechnung des spezifischen Marktanteils eines Unternehmensdurch die Gemeinsame Stelle eingerechnet werden (sofern der be-treffende Hersteller gegenüber der Stiftung EAR glaubhaft macht,dass die Produkte nicht von Privatkunden und Kleingewerbe beiden örE zurückkommen werden.68) Darüber hinaus ist für B2B-Geräte keine Garantiestellung erforderlich.

Für die Einstufung von B2B-Geräten kommt es allerdings nichtdarauf an, ob die betreffenden Neugeräte an »professionelle Kun-den« vertrieben werden. Entscheidend ist vielmehr, ob es aufgrundder Gerätebeschaffenheit ausgeschlossen werden kann, dass dieseGeräte später an kommunalen Sammelstellen abgegeben werden.Produkte, für die dies nicht auszuschließen ist, werden als »Dual-use-Produkte« bezeichnet, die sowohl in Unternehmen als auch inprivaten Haushalten genutzt werden (u. a. Notebooks, Monitoreund Drucker). Für diese sind Garantien nachzuweisen, da sie ggf.nach einer »zweiten Nutzungsphase« über die private Schiene

55 Siehe oben C I 1.56 Siehe unten 2.57 Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Europäischen Richtlinie.58 § 9 Abs. 7 S. 2 ElektroG in Verbindung mit Abs. 3 S. 3.59 Siehe die Begründung zu § 9 Abs. 7 des Regierungsentwurfs.60 In diesem Falle hat er alle dafür geltenden Bestimmungen des Elektrogeset-

zes einzuhalten, vgl. auch § 9 Abs. 7 S. 3, 4 und 5 sowie §§ 11, 12 und 13ElektroG.

61 § 3 Abs. 12 S. 2 ElektroG.62 Nähere Ausführungen bei Bullinger/Lückefett (Fn. 13), Abschnitt C II 4, Rn.

85 ff.63 Gedacht ist dabei beispielsweise an kleine Handwerksbetriebe, Rechtsan-

waltskanzleien oder Versicherungsagenturen. Bei Arztpraxen oder Laborsgreift die Legaldefinition nur für Geräte, die auch aus privaten Haushaltenstammen könnten, Röntgengeräte etwa zählen nicht dazu.

64 Siehe unten Abschnitt III.65 §§ 3 Abs. 4 und 9 Abs. 3 ElektroG.66 Vgl. § 10 Abs. 2 ElektroG.67 Vgl. § 6 Abs. 3 S. 2 ElektroG.68 Vgl. § 6 Abs. 3 S. 2 ElektroG.

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zurückkommen könnten, auch wenn der Hersteller sie zunächst angewerbliche Kunden verkauft hatte.69

III. Rolle der öffentlich-rechtlichen Entsorger

1. Sammlung von Altgeräten aus privaten Haushalten

Es ist bereits angesprochen worden, dass das ElektroG den örE dieSammlung von Altgeräten aus privaten Haushalten zuweist.70 DasGesetz schafft damit eine »geteilte Produktverantwortung« zwi-schen privaten Haushalten, Herstellern und örE, indem es letzte-ren – anders als beispielsweise in der AltölVO71 – eine Pflichtrollebeschert. Die örE haben somit Schnittstellen im Verhältnis zu denBürgern, die sich ihrer Altgeräte entledigen möchten sowie ge-genüber den verpflichteten Herstellern und deren Entsorgern.72

Für die Einrichtung der Sammelstellen, deren Betrieb sowie fürdie sich aus § 9 Abs. 1 ElektroG ergebenden Informationsaufgabengegenüber den privaten Haushalten können die örE auf vorhan-dene Erfahrungen zurückgreifen. Die Zusammenarbeit mit denHerstellern stellt demgegenüber Neuland dar, beispielsweise beider sog. Abholkoordination durch das Elektro-Altgeräte-Register,das festlegt, welcher Hersteller wann und wo einen vollen Behäl-ter abzuholen hat.73 An dieser Stelle besteht zwischen Herstellernund örE für die kommenden Monate noch erheblicher Gesprächs-bedarf.

2. Die Information der privaten Haushalte

Nach § 9 Abs. 2 ElektroG sind die örE verpflichtet, die privatenHaushalte in ihrem Zuständigkeitsbereich umfassend über die fol-genden Sachverhalte der getrennten Erfassung und Sammlung vonAltgeräten zu informieren:– Die Pflicht zur getrennten Erfassung von Altgeräten vom Haus-

müll– Die im Gebiet bestehenden Möglichkeiten zur Rückgabe von

Altgeräten– Der Beitrag der Nutzer zur Wiederverwendung gebrauchter

Geräte(teile) und zur stofflichen Verwertung– Die möglichen negativen Auswirkungen einer ungeregelten

Entsorgung auf Umwelt und menschliche Gesundheit.– Die Bedeutung des Symbols nach Anhang II.74

3. Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsbedürfnis für die Sammel-stellen

Während die Zwischenlagerung von Altgeräten beim Vertreibernicht selten der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs-pflicht entgehen kann.75 fällt diese Beurteilung bei den kommu-nalen Sammelstellen schwerer. Nach allen bisherigen Untersu-chungen sind die bei den kommunalen Sammelstellen abgegebe-nen Altgeräte nicht mehr wieder verwendbar. Gleichzeitig liefertder Handel die durch ihn zurückgenommenen Altgeräte ab, diefolglich ebenfalls Abfall sind.76 In den beiden letzten Fällen ist al-so davon auszugehen, dass die Altgeräte der Abfalldefinition un-terliegen.

4. Betrieb der Sammelstellen

Das ElektroG macht für den Betrieb der kommunalen Sammelstel-len nur wenige Vorgaben. – Private Haushalte und Vertreiber dürfen unentgeltlich anlie-

fern.

– Die gesammelten Altgeräte sind den Herstellern in den 5 Frak-tionen des § 9 Abs. 4 ElektroG unentgeltlich zur Abholung be-reitzustellen.77

– Die Annahmepflicht der Sammelstellen beschränkt sich aufGeräte gemäß § 3 Abs. 3 ElektroG, die aus privaten Haushal-tungen aus dem Zuständigkeitsgebiet des jeweiligen Entsor-gungsträgers stammen und von diesen selbst oder von Vertrei-bern angeliefert werden. Diese Einschränkung ist außerordent-lich unpraktikabel, gebührenrechtlich jedoch notwendig.78

– Schließlich dürfen die Altgeräte keine Gefahr für Gesundheitund Sicherheit von Menschen darstellen.79 Gemäß § 9 Abs. 3Satz 6 kann die Annahme solcher Geräte zurückgewiesen wer-den, allerdings bleibt es bei der Annahmepflicht nach § 13 Abs.1 KrW-/AbfG – mit solchen Geräten wird mithin verfahren wiebisher auch.

– Vertreiber, die mehr als 20 Geräte80 anliefern wollen, müssensich zuvor mit der Sammelstelle abstimmen. Dieses ist im bei-derseitigen Interesse eines funktionierenden Betriebes notwen-dig, um stets ausreichende Sammelkapazitäten vorzuhalten.

In der politischen Diskussion ist oft auf das notwendige Invest-ment der Kommunen in die gesetzlich geforderte Sammelinfra-struktur und auf die Betriebskosten hingewiesen worden, welcheinsbesondere durch Personal ausgelöst werden, das u. a. der Pro-blematik von »Fehlwürfen« vorbeugen soll. Ein Pilotversuch derStadt Reutlingen hat hierzu ein differenziertes Bild ergeben. Kom-munen, die schon heute Wertstoffhöfe betreiben, werden tenden-ziell geringer belastet sein, weil die Infrastruktur bereits weitge-hend vorhanden ist und sie durch die Hersteller künftig von denEntsorgungskosten befreit werden. Wer allerdings erst anfangenmuss, die Sammelinfrastruktur aufzubauen, dürfte mit steigendenBelastungen rechnen müssen.81

5. Eigenentsorgung durch die öffentlich-rechtlichen EntsorgungsträgerZu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt wurde ein Passus in dasElektroG aufgenommen, der es den örE ermöglicht, die angenom-menen Altgeräte in eigener Regie zu entsorgen. Hintergrund die-ser Vorschrift ist einerseits der Wunsch der Kommunen, Einnah-men aus der Verwertung von Altgeräten erwirtschaften zu können,wenn steigende Rohstoffpreise – wie gegenwärtig für Metall – ein-zelne Abfallarten besonders attraktiv machen. Andererseits habendie Hersteller kein Interesse daran, dass volle Behälter zunächstnach Brauchbarem durchsucht und ihnen schließlich nur noch

69 Vgl. Mitarbeiterverkäufe oder Firmenspenden.70 Vgl. § 9 Abs. 3 ElektroG.71 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AltölVO.72 Nähere Ausführungen dazu in Bullinger/Lückefett (Fn. 13), C IV, Rn. 111 ff.73 Die endgültige Anzahl der von den örE einzurichtenden Sammelstellen, die dar-

aus resultierende Gesamtzahl an Behältern sowie Fragen der Behälter-Normungwerden zurzeit abschließend diskutiert.

74 Alle ab dem 13.8.2005 neu in den Markt gebrachten Geräte sind mit einerdurchgestrichenen Mülltonne zu kennzeichnen, die dem Nutzer verdeutli-chen soll, dass ein Gerät am Ende seiner Lebensphase getrennt vom Haus-müll zu entsorgen ist.

75 Siehe oben Abschnitt D I 1.76 Siehe oben Abschnitt D I 1.77 Der Festlegung der Anzahl an Sammelgruppen gingen heftige Diskussionen

zwischen einerseits Industrie, Umweltverbänden und Recyclingwirtschaft,die mindestens 6 Gruppen für eine umweltgerechte und wirtschaftlich ver-tretbare Entsorgung forderten, und andererseits den Kommunalverbändenvoraus, die versuchten die geteilte Produktverantwortung aus dem Gesetz zueliminieren oder zumindest die Anzahl der Fraktionen im Interesse geringerSammelkosten möglichst klein zu halten. Vgl. hierzu auch Tobias/Cossé, Un-terzahl festgestellt, Müllmagazin 2004, S. 19-21.

78 Siehe die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 9 Abs. 3 ElektroG.79 Alle Einschränkungen finden sich in § 9 Abs. 3 ElektroG.80 Vgl. § 9 Abs. 3 Satz 7.81 Die entsprechenden Voraussetzungen sind im EAG-Merkblatt der LAGA dar-

gestellt, vgl. Abschnitt 5 der LAGA-Mitteilungen 31 »Technische Anforde-rungen zur Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten sowie zur Er-richtung und zum Betrieb von Anlagen zur Entsorgung von Elektro- undElektronik-Altgeräten«.

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unverwertbare Reste überlassen werden. Der Gesetzgeber hat hier-zu einen tragfähigen Kompromiss gefunden, wonach sich die örEim Vorfeld jeweils für mindestens 1 Jahr auf eine Eigenentsorgungeiner vollständigen Abholfraktion festlegen und dies gegenüberder Gemeinsamen Stelle 3 Monate vor Beginn der eigenen Entsor-gung anzeigen müssen. Mit der Entscheidung für die Eigenentsor-gung müssen die örE alle Pflichten hinsichtlich der Behandlungund Entsorgung einer Abfallgruppe wie die Hersteller erfüllen. DaDemontage- und Recyclingbetriebe bei den Sammelstellen nichtanlieferungsberechtigt sind, ist gleichzeitig ausgeschlossen, dassdie Rest-Abfälle nach einer »Ausschlachtung« wieder bei den Sam-melstellen deponiert und somit in den Stoffkreislauf der Herstel-lerverantwortung eingeschleust würden.

IV. Privatwirtschaftliche Entsorgungsbetriebe

Privatwirtschaftliche Entsorgungsbetriebe sind in der Praxis dievertraglichen Erfüllungsgehilfen der verpflichteten Hersteller.82

Durch die Vertragsbeziehung wird der Hersteller (Auftraggeber)aber nicht öffentlich-rechtlich »entlastet«.83 Der Erstbehandler istzudem materiell nicht für die Erreichung der Verwertungsquotenverantwortlich sondern nur dafür, die Daten für den Nachweis derVerwertungsquoten entlang der Entsorgungskette für den Herstel-ler zu erheben. Auch hier bleibt die materielle Verantwortung beimHersteller.84

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die durch das ElektroG85

eingeführte Zertifizierung der Behandlungsanlagen nach den dafürgeltenden allgemeinen abfallrechtlichen Bestimmungen für Ent-sorgungsfachbetriebe.86 Die Zertifizierung entlastet die Herstellerbeim Nachweis der gesetzlich festgelegten Verwertungsquoten87

und Stoffströme auf der Grundlage des Betriebstagebuchs.88 DerHersteller braucht die vom Behandler vorgelegten Zahlen nicht miteinem weiteren Nachweis zu versehen. Altgeräte, die aus der EUausgeführt werden, dürfen übrigens in der Berechnung nur für denFall eingerechnet werden, dass ein Nachweis über die Einhaltungder Quoten existiert. Darüber hinaus muss die Ausfuhr im Einklangmit dem einschlägigen EU-Abfallverbringungsrecht erfolgen (vgl.VO EWG 259/93, zuletzt geändert durch VO EG 2557/2001, VO EG1420/1999, zuletzt geändert durch VO EG 2243/2001 sowie VO EG1547/1999 u. a.)

E. Steuerung und Kontrolle

I. Selbstverwaltung der Wirtschaft

Die durch das Elektrogesetz eingeführte Herstellerverantwortungbezieht sich zunächst auf die mit der Entsorgung der Altgeräte ver-bundenen operativen Tätigkeiten. Leere öffentliche Kassen führtenin der politischen Diskussion jedoch sehr schnell dazu, der Wirt-schaft darüber hinaus als Selbstverwaltungsaufgabe auch die not-wendige Steuerung des Teilabfallstroms Altgeräte aufzuerlegen.Diese erweiterte Verantwortung beruht auf der Überzeugung, dasses nicht einem einzelnen Unternehmen überlassen werden kann,dafür zu sorgen, dass »seine« Altgeräte vollständig und deutsch-landweit flächendeckend in seinen Besitz gelangen, um sie dannfachgerecht entsorgen zu können. Die Unternehmen würden sichin diesem Falle – so die begründete Befürchtung von Politik undWirtschaft – ohne zentrale Steuerung ein Wettrennen um die be-sten Altgeräte bzw. die lukrativsten Standorte von Altgeräte-Con-tainern liefern und damit eine gleichmäßige und faire Beteiligungaller betroffenen Hersteller verhindern.89 War dieser Ansatz auchschnell gemeinsames Gedankengut aller Beteiligten in Politik und

Wirtschaft, so setzt seine Umsetzung jedoch Regelungsvorhabenhöchster Komplexität in Gang.90

Sollte die Wirtschaft abfallrechtliche Steuerungs- und Kontroll-funktionen übernehmen, so bedeutet dies – wie bei TÜV, DEKRAauf ganz anderem Gebiet und bei der DAU GmbH –, dass eine pri-vate Organisation mit hoheitlichen Befugnissen beliehen wird, da-mit sie sich gegenüber falsch verhaltenden Herstellern durchzu-setzen vermag. Die – zu weit mehr als 90 % der betroffenen Bran-chen in den Verbänden ZVEI und BITKOM organisierte – Industriebekundete bereits vor Veröffentlichung des Referentenentwurfs ihrCommittment zur Selbstverwaltung der Wirtschaft in dem hier be-schriebenen Sinne durch die Gründung der Projektgesellschaft»Elektro-Altgeräte-Register« EAR.91 Diese hat inzwischen damit be-gonnen, in Zusammenarbeit mit den branchenübergreifendenFachgremien der genannten Verbände die Strukturen für Regi-strierung, Marktanteilsermittlung, Koordination und Kontrolle zuschaffen.

Im Vorfeld der Verabschiedung des Kabinettsbeschlusses zumElektroG im September 2004 wurde darüber hinaus die StiftungEAR als endgültige Betriebsgesellschaft ins Leben gerufen. Damithat die Wirtschaft die Voraussetzungen für die Beleihung einer pri-vatrechtlichen Organisation nach den §§ 14 ff. und 17 ff. ElektroGgeschaffen. Sie wird damit der Kostentragungspflicht, die in § 6Abs. 1 für den Fall geregelt ist, dass die Wirtschaft die Gemeinsa-me Stelle nicht (rechtzeitig) und funktionsfähig aufbaut, aller Vor-aussicht nach entgehen.92

II. Der Staat

Dem Bund (Umweltbundesamt) verbleibt nach der Beleihung desElektro-Altgeräte-Registers die Rechts- und Fachaufsicht über die-se Organisation.93 Darüber hinaus werden die Abfallbehörden derLänder notwendige Kontrollen nach dem allgemeinen Abfallrechtdurchführen müssen. Schließlich enthält das Elektrogesetz einenBußgeldkatalog94 und eröffnet damit einen weiteren Zweig vonOrdnungswidrigkeitenverfahren.

Schließlich hat aber die Industrie durchgesetzt, dass sie die Hand-lungs- und Interpretationsspielräume des Elektrogesetzes durch ei-gene Regelsetzung in Selbstverwaltung ausfüllen kann.95 Muster fürdie Regelsetzung ist die industrielle Normung. An ihr können sichalle registrierten Hersteller beteiligen. Im Unterschied zur Nor-

82 Insbesondere gilt dieses für die Rückführung, Behandlung, Verwertung und Ent-sorgung der Altgeräte gem. § 20 ElektroG i.V.m. § 16 Abs. 1 S. 2 und 3 des KrW-/AbfG.

83 § 20 ElektroG i.V.m. § 16 KrW-/ AbfG.84 Weiterführende Informationen Bullinger/Lückefett (Fn. 13), C V Rn. 158 ff.85 Vgl. § 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ElektroG.86 Vgl. § 52 Abs. 1 KrW-/AbfG und die aufgrund der Ermächtigung in § 52 Abs.

2 S. 1 KrW-/AbfG ergangene Entsorgungsfachbetriebsverordnung, EfbVOvom 10.9.1996 (BGBl. I, 1421), zuletzt geändert durch die Verordnung vom24.6.2002 (BGBl. I, S. 2247), dort § 13 Abs. 3.

87 Ausgenommen von der Berechnung sind an dieser Stelle während einesÜbergangszeitraumes bis zum 31.12.2008 zunächst solche Altgeräte, die alsGanzes wiederverwendet werden.

88 Vgl. Ziff. 5.4.3.1 der zweiten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ab-fallgesetz (TA Abfall), Teil 1, Technische Anleitung zur Lagerung, chemisch/physikalischen, biologischen Behandlung, Verbrennung und Ablagerungvon besonders überwachungsbedürftigen Anlagen, in der Fassung der Be-kanntmachung vom 12.3.1991, GMBl., S. 139, ber. S. 469.

89 Dieser Sachverhalt wurde in der Diskussion ebenfalls unter dem Stichwort»Cherry-Picking« geführt.

90 Ausführlich hierzu Bullinger/Lückefett (Fn. 13), Rn. 158.91 Die Verbände haben bei der Gründung der EAR-Projektorganisation bewus-

st die Rolle von »Geburtshelfern« übernommen und von Anfang an das Zielverfolgt, möglichst viele der betroffenen Unternehmen »ins Boot zu holen«.Mittlerweile sind mehr als 120 führende Unternehmen Finanziers oder Ge-sellschafter der Projektorganisation. Weiterführende Information unterhttp://www.ear-projekt.de.

92 Zur sog. internen Regelsetzung vgl. Abschnitt II.93 § 18 Abs. 1 ElektroG.94 § 23 ElektroG.95 § 15 Abs. 1 Nr. 3 ElektroG.

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mung unterliegen die Regeln jedoch der Rechts- und Fachaufsichtdes Umweltbundesamtes, da sie nicht Regeln der Technik sondernmaterielle Verwaltungsvorschriften zu einem öffentlich-rechtli-chen Spezialgesetz des Abfallrechtes darstellen.96 Themen der Re-gelsetzung sind zurzeit Begriffsbestimmungen, Registrierung, Men-gen–Bezugsgrößen, Mengen–Input, Mengen–Output, Nachweis-führung, Abholkoordination sowie Garantien.

F. Ausblick

I. Was einst als Umweltschutz begann …

Die Altgeräteentsorgung hatte seinerzeit als reines Umweltthemabegonnen; gefordert von Umweltverbänden, diskutiert in der Um-weltpolitik, bearbeitet zunächst nur in den Umweltabteilungender Unternehmen. Spätestens durch die sich aus dem ElektroG er-gebenden Pflichten für Garantiestellung, Dokumentation, Kenn-zeichnung, Information oder Geräte-Design ist »die Entsorgung«gebrauchter Elektro- und Elektronikaltgeräte zu einer komplexenManagement-, Logistik-, Controlling- und Kommunikationsauf-gabe geworden, die viele organisatorische Bereiche der betroffenenUnternehmen beansprucht. Die in den nächsten Monaten in denGremien der Verbände und der Gemeinsamen Stelle anstehendekonkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Regeln wird dieses nocheinmal deutlich machen.

II. Europäische Harmonisierung – weit gefehlt

Der Elektro-Richtlinie liegt naturgemäß auch das Ziel zu Grunde,die Lebensbedingungen innerhalb der Europäischen Union zu har-monisieren. Nicht zum ersten Mal zeichnet sich ab, dass die euro-päische Union dieses Ziel verfehlen wird. Deutschland ist beispiels-weise bisher eines der wenigen Länder, die das tragende Prinzip derindividuellen Herstellerverantwortung überhaupt umsetzen wer-den. Viele andere Mitgliedsstaaten planen, es für alle Altgeräte da-bei zu belassen, dass die Hersteller gemeinsam für die Entsorgungder Elektro- und Elektronikaltgeräte verantwortlich sind. Das Ziel,den Herstellern einen wirtschaftlichen Anreiz zur Entwicklung um-

weltfreundlicher Produkte zu geben, wird damit von vornhereinaufgegeben. Es bleibt abzuwarten, wie die Europäische Kommissionauf diese Entwicklung reagieren wird.

III. Altgeräterücknahme – ein weltweites Phänomen

Auch außerhalb Europas, in Asien und in Nord- und Südamerika,arbeiten Regierungen und Wirtschaft an der Einführung von Sy-stemen zur getrennten Erfassung, Sammlung und Entsorgung vonElektro- und Elektronikaltgeräten. Große Firmen rechnen damit,dass es 2010 in rund drei Vierteln aller wirtschaftlich bedeutsamenLänder entsprechende Vorkehrungen geben wird. Besorgnis erre-gend ist dabei vor allem, dass die geplanten nationalen Systemewirtschaftlich und technisch zu wichtigen Fragen wie Geltungs-umfang, Verpflichtete, Finanzierung und Organisation funda-mentale System-Unterschiede aufweisen. Allein diese unter-schiedlichen Anforderungen werden den Herstellern erheblicheKosten für deren unternehmensinterne Administrationen besche-ren. Diesen Kosten steht kein Nutzen – weder für die Herstellerselbst noch für die Verbraucher oder die Umwelt gegenüber.Gleichwohl steht dieses Problem nirgendwo auf der politischenAgenda. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die internationalen Her-steller selbst sich dieser Problematik umweltpolitischer Blindleis-tung mit Nachdruck annehmen werden.

Rechtsanwalt Hans-Jochen Lückefett, MR a. D.Vorsitzender der Geschäftsführung Krug und Petersen Government Af-fairs and Consulting GmbH, Tübingen, Kontakt: www.krug-und-peter-sen.de/gac-de

Dr. Mario TobiasBereichsleiter Umwelt und Nachhaltigkeit beim Bundesverband Infor-mationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BIT-KOM), Albrechtstraße 10, 10117 Berlin, Kontakt: [email protected]öffentlichungen und Vortragstätigkeit zu Entsorgung, Umweltma-nagement, Naturschutz und nachhaltigem Wirtschaften, Lehraufträgean der FU Berlin und TU Braunschweig

Hans-Heiner Gotzen1

Braunkohlenplanung und Entschädigungsrecht – ist der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber zum Handeln verpflichtet?

In dem vor kurzem genehmigten Braunkohlenplan zur Umsiedlung der imrheinischen Braunkohlentagebaugebiet Garzweiler II liegenden Orte Bor-schemich sowie Immerath, Lützerath und Pesch wurden nach ausführli-cher Vorberatung in den zuständigen Gremien weit über die gesetzlichenRegelungen hinausgehende Grundsätze für die Entschädigung der Rechts-und Vermögensnachteile der Umsiedler aufgenommen. Zeitgleich hat dievon diesem Tagebau betroffene Kommune, die Stadt Erkelenz, im Rhei-nischen Braunkohlenrevier erstmalig für ihre Bürger eine vertragliche Re-gelung mit dem Bergbautreibenden, der RWE Power AG, über die Ent-schädigung für den auszugleichenden Rechts- und Vermögensnachteil ab-geschlossen. Erstaunlich ist, dass bislang zwischen den Regelungen zumEntschädigungsrecht in den ostdeutschen Braunkohlenrevieren und demRheinischen Braunkohlenrevier noch erhebliche Unterschiede in der recht-

lichen Qualität der Entschädigungsgrundsätze bestehen. Zur dringendnotwendigen Vereinheitlichung der Rechtsverbindlichkeit der Entschädi-gungsgrundlagen ist jedoch nicht der nordrhein-westfälische Landesge-setzgeber gefordert, sondern der Bergbautreibende.

A. Einleitung

Rechtsfragen der Braunkohlenplanung gelangen in unterschiedli-chen zeitlichen Abfolgen immer wieder in den Blickpunkt der ju-

1 Der Verfasser ist Erster Beigeordneter der Stadt Erkelenz, die mit rund 1/3 ihrerFläche (ca. 40 qkm von 117 qkm) im Abbaugebiet des in NRW genehmigtenBraunkohlentagebaues Garzweiler II liegt.

96 Da die Stiftung EAR ihren Sitz in Fürth hat, obliegt darüber hinaus die Stif-tungsaufsicht über die Gemeinsame Stelle der Bezirksregierung von Mittelfran-ken in Ansbach.

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ristischen Auseinandersetzung. Zumeist geschieht dies im zeitli-chen Zusammenhang mit behördlichen Entscheidungen zur Ge-nehmigung von Braunkohlentagebauen. Dies war beispielhaft imZusammenhang mit der Genehmigung des BraunkohlentagebausGarzweiler II im Rheinischen Revier festzustellen,2 konnte aberauch im Zusammenhang mit der Genehmigung des Braunkohlen-tagebaus Jänschwalde im Lausitzer Tagebaugebiet beobachtet wer-den.3 Die nur zeitweilig zu verzeichnende Präsenz der juristischenFragestellungen in Fachzeitschriften darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Bereich des Braunkohlenrechts nach wie vorjuristisch wenig aufgearbeitete Themenfelder gibt. Dies verwun-dert, da doch die tatsächlichen Auswirkungen der rechtlich einge-räumten Möglichkeit zum Abbau der Braunkohle in vielfältigerHinsicht und für eine Vielzahl von Betroffenen sehr einschneidendsind. Ein solch juristisch wenig aufgearbeitetes Kapitel im Recht derBraunkohlenplanung ist die Entschädigung. Für die im Tagebau-gebiet lebenden Bürger steht vor allem, aber nicht nur, die Frageder Angemessenheit und damit die Höhe der vom Bergbautrei-benden für den erlittenen Rechts- und Vermögensverlust zu zah-lenden Entschädigung im Vordergrund. Für einen Juristen jeden-falls erstaunlich ergibt sich im Vergleich zur tatsächlich in denRevieren gezahlten Entschädigung nur ein Bruchteil der Entschä-digung aus einer gesetzlichen Grundlage. Der weitaus größere An-teil wird auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen oder einseiti-ger Erklärungen des Bergbautreibenden gewährt. Dabei findet sichim Vergleich des Rheinischen Braunkohlenreviers mit den ost-deutschen Braunkohlenrevieren ebenfalls ein erstaunlicher Unter-schied, der nicht erst seit einer Tagung des Deutschen Braunkoh-len- Industrie-Vereins e. V. (DEBRIV) im November 2002 offen-sichtlich zu Tage getreten ist.4 In den ostdeutschen Gebieten hatsich seit einigen Jahren der Umsiedlungsvertrag, mittlerweile zi-vilrechtlich ausgestaltet als Vertrag zu Gunsten Dritter, als Hand-lungsinstrumentarium zur Festlegung insbesondere auch der zu-sätzlichen Leistungen des Bergbautreibenden an Eigentümer, Mie-ter, Gewerbetreibende und Landwirte etabliert. Im RheinischenRevier hat sich diese Praxis (noch?) nicht durchgesetzt. Im Rheini-schen Revier werden die vom Bergbautreibenden gewährten zu-sätzlichen Leistungen an Eigentümer, Mieter, Gewerbetreibendeund Landwirte durch einseitige Erklärungen, jüngst erstmaligdurch vertragliche Vereinbarung des Unternehmens mit der be-troffenen Kommune festgelegt. Dieses Vorgehen stößt zuneh-mend, insbesondere im Vergleich zu den ostdeutschen Regelun-gen, auf Kritik. So hat erst jüngst der Umsiedlungsbeauftragte derLandesregierung Nordrhein-Westfalen gefordert, die Entschädi-gungspraxis im Rheinischen Revier der in den Ostrevieren anzu-gleichen.5 Die Kritik richtet sich dabei ausdrücklich nicht auf dieHöhe der materiellen Entschädigung, sondern auf die Rechtsver-bindlichkeit der Grundlage, auf der die über den gesetzlichen Ent-schädigungsanspruch hinausgehenden Zahlungen des Bergbau-treibenden erfolgen.

Damit ergeben sich zahlreiche juristische Fragestellungen. Wiesieht die gesetzliche Entschädigung nach dem Bundesberggesetzaus? Welche Regelungen hat der Landesgesetzgeber getroffen? Istder Landesgesetzgeber verpflichtet, weitergehende Regelungen zurEntschädigungshöhe zu treffen? Empfiehlt sich eine Angleichungder Rechtsverbindlichkeit der Entschädigungsgrundlage in Ostund West? Die aufgeworfenen Fragen gilt es, in den folgenden Aus-führungen zu beantworten.

B. Gesetzlicher Entschädigungsanspruch nach dem BBergG

Im Bundesberggesetz hat der Bundesgesetzgeber die Grund-satzentscheidung getroffen, dass an der Gewinnung von Braun-

kohle ein öffentliches Interesse besteht. Dieses öffentliche Interes-se ist das in § 1 Nr. 1 und § 48 Abs. 1 Bundesberggesetz genannteInteresse an der Sicherung der Rohstoffversorgung. Hierin sieht derGesetzgeber in der Regel ein so hohes Allgemeininteresse, dass erfür die Errichtung und Führung eines Gewinnungsbetriebes zwecksVersorgung des Marktes mit Rohstoffen die Inanspruchnahme vonGrundstücken durch Enteignung zulässt. In den §§ 77 ff. Bundes-berggesetz (BBergG) hat der Bundesgesetzgeber die Entschädi-gungshöhe für das Grundabtretungsverfahren festgelegt. UnterGrundabtretung ist die Befugnis des Bergbautreibenden zu verste-hen, für Zwecke des Bergbaus fremden Grund und Boden in An-spruch zu nehmen.6 Die im BBergG normierte Grundabtretung isteng mit dem Grundsatz der Bergbaufreiheit verbunden. Bergbau-freiheit bedeutet in diesem Zusammenhang die rechtliche Tren-nung der Bodenschätze von dem Grundeigentum. Hätte der Berg-bautreibende nicht das Recht zur Benutzung fremder Grundstücke,so könnte eine Bergbauberechtigung nicht ausgeübt werden. DieGrundabtretung ist im BBergG als Enteignung zu Gunsten priva-ter Dritter ausgestaltet und damit in ihrer Rechtsnatur als Enteig-nung festgelegt.7 Im Grundabtretungsverfahren ist daher auch ent-sprechend der verfassungsrechtlichen Forderung in Art. 14 Abs. 3Satz 1 GG verbindlich zu entscheiden, ob das öffentliche Interes-se an der Braunkohlengewinnung die Enteignung der Bewohnerdes Abbaugebietes legitimiert.

Der Gesetzgeber schreibt für die Grundabtretung nach § 84 Abs.1 BBergG eine Entschädigungsverpflichtung vor, die sich nach derRegelung des § 84 Abs. 2 BBergG aus dem Ersatz für den durch dieGrundabtretung eintretenden Rechtsverlust und für andere durchdie Grundabtretung eintretende Vermögensnachteile zusammen-setzt. Die Entschädigung für den Rechtsverlust bemisst sich nach§ 85 Abs. 1 BBergG nach dem Verkehrswert des Gegenstandes derGrundabtretung. Der Verkehrswert ist nach Abs. 2 v. g. Vorschriftder Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung be-zieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichenGegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Be-schaffenheit und Lage des Gegenstandes der Wertermittlung ohneRücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu er-zielen wäre. Verwiesen wird für die Ermittlung des Verkehrswertesauf die auf der Grundlage des § 199 BauGB erlassene Verordnungüber die Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes vonGrundstücken (WertermittlungsVO-WertV). Die Verkehrswertent-schädigung erlaubt es dem Eigentümer, eine vergleichbare Immo-bilie (gebraucht) wieder zu erwerben. Die Entschädigung nach demVerkehrswert ermöglicht jedoch nicht, eine Immobilie vergleich-barer Qualität neu zu errichten.

Die Verpflichtung zur Festlegung von Art und Ausmaß der Ent-schädigung im Falle der Grundabtretung durch den Bundesgesetz-geber lässt sich aus der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GGherleiten. Hiernach darf eine Enteignung nur durch Gesetz oderauf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Ent-schädigung regelt. Die vom Bundesgesetzgeber im BBergG festge-legte Entschädigungshöhe auf (lediglich) den Verkehrswert ist da-bei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die nach Art. 14Abs. 3 Satz 2 GG festzulegende Entschädigung soll den Enteigne-

2 Vgl. hierzu z.B. Erbguth, VerwArch 1995 (86), S. 327 ff.; Schnapp, NWVBl. 1996,S. 415 ff. u.v.m.

3 Vgl. hierzu beispielhaft Degenhart, Rechtsfragen der Braunkohlenplanung fürBrandenburg – Zum Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburgvom 1.6.1995 zum Braunkohlenplan Tagebau Jänschwalde, Bochum 1996.

4 Vgl. Dokumentation Workshop »Umsiedlung im Braunkohlenbergbau – Erfah-rungen und Perspektiven«, Herausgeber DEBRIV 2003.

5 Tätigkeits- und Erfahrungsbericht des Umsiedlungsbeauftragten der Lan-desregierung Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum vom 1.6.2001 –31.3.2003.

6 Vgl. Piens/Schulte/Vitzthum, Kommentar zum Bundesberggesetz, 1983, § 77I.1.

7 Vgl. Depenbrock/Reiners, Kommentar zum Landesplanungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 1985, § 30 Rn. 2.2.

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ten, soweit nicht auf Grund besonderer Umstände in zulässigerWeise etwas Abweichendes bestimmt ist, in die Lage versetzen, ei-nen gleichwertigen Ersatz zu erlangen.8 Der Gesetzgeber wird inArt. 14 Abs. 3 Satz 2 GG aber nicht verpflichtet, im Falle der Ent-eignung eine Regelung in Höhe des vollen Schadenersatzes zu tref-fen,9 er ist aber auch nicht zu einer Regelung verpflichtet, die denErsatz des vollen Verkehrswertes vorsieht.10 Im BBergG hat derBundesgesetzgeber gleichwohl die Entschädigung in Höhe des Ver-kehrswertes angesetzt. Damit hat er eine Regelung getroffen, dieden Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG genügt. Der aufder Grundlage des BBergG im Wege der Grundabtretung zu Gun-sten des Bergbautreibenden Enteignete kann daher verfassungs-rechtlich keine höhere Entschädigung geltend machen. Diesschließt jedoch nicht aus, dass durch den Bergbautreibendentatsächlich eine höhere Entschädigung für den Rechts- und Ver-mögensverlust gezahlt wird. Die Grundabtretung setzt nach § 79Abs. 2 BBergG voraus, dass der Grundabtretungsbegünstigte, alsoder Bergbautreibende, sich ernsthaft um den freihändigen Erwerbdes Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, insbesondere,soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angebot geeig-neter anderer Grundstücke aus dem eigenen Vermögen vergeblichbemüht hat. Der Bergbautreibende hat damit zwei Möglichkeitendas bergbaulich benötigte Grundstück zu erwerben. Zum einen imWege der Grundabtretung nach dem BBergG oder durch (vorran-gig) freihändigen Erwerb nach den Grundsätzen von Angebot undNachfrage.

Neben der Mindestentschädigung der Umsiedler aufgrund dergesetzlichen Bestimmungen über das Grundabtretungsverfahrenhaben die Bergbautreibenden in Ost- und Westdeutschland aus un-terschiedlichen Gründen heraus seit Jahren beim freihändigen Er-werb erhebliche zusätzliche Leistungen gewährt. Hierbei handeltes sich jedoch nach der rein gesetzlichen Terminologie um frei-willige Leistungen des Bergbautreibenden. Freiwillig insoweit, alssie keine Grundlage in gesetzlichen Bestimmungen finden. DieFreiwilligkeit dieser Leistungen bedingt, dass der Umsiedler keinenRechtsanspruch auf diese Leistungen geltend machen kann. Diesist nur dann möglich, wenn der Bergbautreibende, wie in den ost-deutschen Revieren geschehen, eine verbindliche Rechtsgrundla-ge zur Gewährung der über die Entschädigung im Falle derGrundabtretung hinausgehenden Leistungen schafft. Ein Blick aufdie unterschiedlichen Regelungen in den Revieren ist daher not-wendig.

C. Vertragliche Vereinbarung der Entschädigungsgrundsätzeim Ostrevier und einseitige Erklärungen im Rheinischen Revier

Die braunkohlebedingten Umsiedlungen in Mitteldeutschlandsind auf der Basis eines Umsiedlungsvertrages erfolgt. Der Um-siedlungsvertrag bildet nach Auffassung des Bergbautreibenden inMitteldeutschland, der MIBRAGmbH, die Basis für eine sozialver-trägliche Umsiedlung.11 In ihm werden die Grundlagen der Um-siedlung und des Umsiedlungsverfahrens geregelt. So werden diegesetzlichen und zusätzlichen Leistungen an Eigentümer, Mieter,Gewerbetreibende und Landwirte ebenso festgelegt, wie Leistun-gen an die Gemeinde und Regelungen zum gesellschaftlichen Le-ben allgemein. In Mitteldeutschland sind zwei Umsiedlungsver-träge mit dem dortigen Bergbautreibenden, der MIBRAGmbH, ge-schlossen worden. Der erste Vertrag betrifft die Umsiedlung derGemeinde Großgrimma. Grundlage für die Umsiedlung der Ge-meinde Großgrimma war der 1994 unterzeichnete so genannteKommunalvertrag, der zwischen der MIBRAGmbH, der GemeindeGroßgrimma und der die Umsiedlungsgemeinde aufnehmendenStadt Hohenmölsen abgeschlossen wurde. Der dem Kommunal-

vertrag Großgrimma inhaltlich entsprechende Vertrag der Um-siedlung Heuersdorf wurde 1995 zwischen der Staatsregierung desFreistaates Sachsen und der MIBRAGmbH abgeschlossen. Die Ge-meinde Heuersdorf als dritter Partner hat diesen Vertrag jedochnicht unterzeichnet. Die mit der MIBRAGmbH geschlossenen Ver-träge begründen Rechte auch zu Gunsten Dritter. In § 15 des Kom-munalvertrages Umsiedlung Großgrimma aus dem Jahre 1994 er-klären die Vertragsparteien, dass, soweit in dem Vertrag RechteDritter beschrieben werden, die Vertragspartner sich darüber einigsind, dass der im Vertrag beschriebene Personenkreis im Rahmender gesetzlichen Möglichkeiten daraus Rechte gegenüber derMIBRAG mbH herleiten kann. Der Bergbautreibende hat sich imVertrag rechtlich verpflichtet, eine deutlich über der gesetzlich ver-bindlichen Entschädigungshöhe liegende Entschädigung zu leis-ten. Dies mit dem Ziel zu sichern, dass jeder Eigentümer sich mitden so vereinbarten Entschädigungsleistungen in der Regel neuesEigentum schuldenfrei schaffen kann.12

In der Verbindlichkeit für Dritte vergleichbar wurde im Lausit-zer Braunkohlenrevier zwischen der Umsiedlungsgemeinde Hai-demühl und der LAUBAG (heute Vattenfall Europe Mining AG) alsBergbautreibendem ein Vertrag zu Gunsten Dritter abgeschlossen,der die Umsiedlung des Ortes Haidemühl regelt. Der Umsied-lungsvertrag ist nach § 1 Abs. 3 des Vertrages aus dem Jahre 2000als Vertrag zu Gunsten Dritter ausgestaltet und ermöglicht so di-rekte vertragliche Ansprüche der Umsiedler. Er enthält maßgeblichauch Regelungen zur Entschädigungspraxis. Die Entschädigungder Eigentümer, Gewerbetreibenden oder sonstiger Nutzungsbe-rechtigter wird dabei auf der Basis eines funktionellen Ersatzes oh-ne Neuverschuldung auf der Grundlage des Vorhandenen sicher-gestellt.13

Im Rheinischen Braunkohlenrevier wurden bislang Entschädi-gungsfragen vor allem durch einseitige Erklärung des Bergbautrei-benden, der RWE-Power (früher Rheinbraun), festgelegt. So enthältzuletzt die Jüchen-Erklärung (Eigentümerkonzept für die Umsied-lung Otzenrath, Spenrath und Holz) ein eigenes Eigentümer-Hand-lungskonzept, das mit der Zusage des Bergbautreibenden an dieUmsiedler verbunden ist, in ca. 95 % aus der gewährten Gesamt-entschädigungssumme im vergleichbaren Standard einen Neubauwieder errichten zu können. Es handelt sich hierbei jedoch im Ver-gleich zu den ostdeutschen Verträgen um eine einseitige Erklärungdes Bergbautreibenden, dessen Inhalt weder von der Kommunenoch von den Umsiedlern eingeklagt werden kann.

Im Rahmen der auf Grund des genehmigten Braunkohlentage-baues Garzweiler II im Rheinischen Braunkohlenrevier anstehen-den Umsiedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz hat der Berg-bautreibende erstmalig in der Geschichte des Rheinischen Reviersam 22.9.2004 eine vertragliche Regelung über die Entschädi-gungsgrundsätze mit der betroffenen Kommune abgeschlossen(Vertrag zwischen der Stadt Erkelenz und der RWE Power AG zurUmsiedlung der Orte Borschemich sowie Immerath, Pesch undLützerath). Vertragliche Rechtsansprüche der Umsiedler werdenin § 6 des Vertrages jedoch ausdrücklich ausgeschlossen; es handeltsich also nicht um einen Vertrag zu Gunsten Dritter.

8 BGHZ 29, 217 (221); 39, 198 (200); Wendt, in: Sachs, Kommentar zum GG, 1996,Art. 14 Rn. 171.

9 BGHZ 57, 359 (368); 59, 250 (258).10 BVerfGE 24, 367 (421); 46, 268 (285).11 Vgl. Meßinger, in: Dokumentation Workshop »Umsiedlung im Braunkohlen-

bergbau – Erfahrungen und Perspektiven«, Herausgeber DEBRIV 2003, S. 20 (21).12 Vgl. Meßinger, in: Dokumentation Workshop »Umsiedlung im Braunkoh-

lenbergbau – Erfahrungen und Perspektiven«, Herausgeber DEBRIV 2003, S.20 (25).

13 Vgl. Dähnert, in: Dokumentation Workshop »Umsiedlung im Braunkohlen-bergbau – Erfahrungen und Perspektiven«, Herausgeber DEBRIV 2003, S. 28(30 f.).

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D. Möglichkeiten und Grenzen des Landesgesetzgebers zurFestlegung zusätzlicher Entschädigungsleistungen

Die gegenüber der im BBergG vorgesehenen Entschädigung deut-liche Anhebung des Entschädigungsniveaus für die anlässlich derbraunkohlentagebaubedingten Umsiedlung erlittenen Vermögens-und Rechtsnachteile geht aus vielfältigen Gründen auf Initiativedes Bergbautreibenden zurück. Insoweit unterscheidet sich das ost-deutsche Revier nicht von dem Rheinischen Braunkohlenrevier.Der Gesetzgeber hat im Bundesberggesetz ein Entschädigungsni-veau festgelegt, dass nach heutigen Ansprüchen einer sozialver-träglichen Umsiedlung nicht gerecht wird. Fraglich ist jedoch, obder Gesetzgeber nicht aufgrund der Wesentlichkeitstheorie ge-zwungen ist, die Frage einer angemessenen Entschädigung bei Ver-folgung des Zieles einer sozialverträglichen Umsiedlung selbst fest-zulegen und sie nicht dem wirtschaftlich orientierten Inhaber desRechts auf Braunkohlenabbau überlassen darf. Die grundsätzlicheGeltung der Wesentlichkeitstheorie ist in Literatur und Rechtspre-chung unumstritten.14 Nach der Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichtes hat der Gesetzgeber unabhängig vom Vorliegeneines Eingriffes im Sinne der Vorbehaltslehre die wesentlichen Ent-scheidungen selbst zu treffen. Grundlegende (wesentliche) Ent-scheidungen sind dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehal-ten.15 So sehr die Wesentlichkeitstheorie in ihrer Gesamtaussageauch Einvernehmen findet, so sehr stellt sich im Einzelfall die Pro-blematik zu bestimmen, was eigentlich wesentlich ist. Anhand derRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und der Literaturlassen sich zumindest maßgebliche Elemente des Wesentlichkeits-prinzipes heraus arbeiten. Zum Wesentlichkeitsmaßstab macht dasBundesverfassungsgericht vor allem die Grundrechtsrelevanz einerMaßnahme. Je intensiver eine Regelung die Grundrechte berührt,desto eher muss sie in der Form eines Parlamentsgesetzes erfol-gen.16 Als weiteres Kriterium kommt hinzu, wie bedeutend die Re-gelung für die Allgemeinheit17 und das öffentliche Interesse18 ist.Staatliche Regelungen, die weittragende Folgen und Auswirkungenfür das Ganze und den Einzelnen haben und die auf die allgemei-nen Lebensverhältnisse mit besonderer Intensität ausstrahlen, un-terfallen demnach dem Wesentlichkeitsprinzip und erfordern sei-tens des Gesetzgebers normative Entscheidungen. Eng damit ver-knüpft ist der Aspekt der politischen Umstrittenheit einerMaterie.19 Hierbei kommt es maßgeblich darauf an, ob der Konfliktim Verhältnis des Bürgers zum Staat, der in Form tief greifenderMeinungsverschiedenheiten, die sich durch eine breite Öffent-lichkeit ziehen, besteht, in einem demokratisch verfassten Staats-wesen gerade der Lösung vor den Augen der Öffentlichkeit bedarf.Weitere Gesichtspunkte werden mit der Intensität staatlichen Han-delns und der Richtigkeit der Entscheidung angesetzt.20

Der Bundesgesetzgeber ist im Zusammenhang mit der Regelungdes Bergbaus seiner gesetzgeberischen Verpflichtung zur Festle-gung der Entschädigungshöhe im Falle der Grundabtretung, diesich unmittelbar nicht nur aus der Gesetzgebungskompetenz nachArtikel 72 i.GG V. m. 74 Nr. 11 GG ergibt, sondern aus Artikel 14abgeleitet werden muss, nachgekommen. Fraglich ist, ob ein Lan-desgesetzgeber in Folge der Wahrnehmung der Gesetzgebungs-kompetenz durch den Bundesgesetzgeber überhaupt noch kom-petenzrechtlich einen Spielraum für eine (weitergehende) gesetz-liche Regelung hat und ob er nach den oben genannten Kriteriender Wesentlichkeitstheorie verpflichtet ist, eine höhere Entschädi-gung gesetzlich festzulegen.

Dem Landesgesetzgeber ist die grundsätzliche Wertung desBBergG für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme des Grundei-gentums im Interesse des Bergbaus vorgegeben.21 Diese Grundent-scheidung darf landesgesetzlich nicht unterlaufen werden. Das Ei-gentum des Privaten ist in seiner Situationsgebundenheit zu sehen,

die den prinzipiellen Vorrang des Bergbaus verfassungsrechtlich le-gitimiert.22 Durch die grundsätzliche Ausgestaltung der Eigen-tumssituation auf bundesgesetzlicher Ebene durch die Wertungendes Bergrechts und des konkreten Interessenausgleichs im berg-rechtlichen Grundabtretungsverfahren bleibt dem Landesgesetz-geber nur ein geringer eigener Gestaltungsraum. Verbindliche Aus-sagen darf der Landesgesetzgeber nur in den Bereichen treffen, dievom BBergG nicht abschließend erfasst sind. Hierzu gehört diegrundsätzliche Präferenzentscheidung für eine sozialverträglicheUmsiedlung. Verbindliche Aussagen hierzu sind dem Landesge-setzgeber nicht verwehrt, da es diesbezüglich keine insoweit ab-schließende Regelung im BBergG gibt. Auch wenn diese Entschei-dung Auswirkungen auf die Entschädigungshöhe hat, berührt sienur mittelbar die gesetzgeberische Festlegung der Entschädi-gungshöhe für das Grundabtretungsverfahren. Der Bundesgesetz-geber hat im BBergG die Entschädigungshöhe im Falle der Enteig-nung verbindlich und abschließend festgelegt. Diesen Fall darf derLandesgesetzgeber nicht zum Gegenstand seiner Regelung ma-chen. Dies würde aber auch im Falle der Präferenzentscheidung füreine sozialverträgliche Umsiedlung nicht geschehen.

Was aber gehört zu einer sozialverträglichen Umsiedlung? DieLandesregierung Nordrhein-Westfalen hat bereits 1990 im Vorfeldder Genehmigungserteilung zum Braunkohlenplan Garzweiler IIein Gutachten zur Sozialverträglichkeit von Umsiedlungen imRheinischen Braunkohlenrevier in Auftrag gegeben. Das Gutach-ten war einer von mehreren Schritten auf dem Weg, den Begriff derSozialverträglichkeit und ein entsprechendes Prüfverfahren in dieBraunkohlenplanung zu integrieren. Die Erteilung des Auftrags zurErstellung eines Gutachtens erklärte sich aus der europaweiten De-batte über die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung(UVP) bei der Genehmigung von Großvorhaben, die starke Aus-wirkungen auf die natürliche Umwelt haben. Das Gutachten wur-de durch das Büro für Stadtplanung und Stadtforschung Peter Zlo-nicky – Kunibert Wachten erstellt. In dem Gutachten wurden zehnKriterien zur Beurteilung der Sozialverträglichkeit von Umsied-lungen festgelegt.23 Nr. 5 dieses Kriterienkataloges behandelt diematerielle Sicherung. Dort heißt es u. a.: »Neben der Entschädi-gung der Umsiedler nach Recht und Gesetz stehen allen Umsied-lern zusätzliche Leistungen des Bergbautreibenden zu, sei es alsAntwort auf ihre immateriellen Verluste, sei es als Anerkennung ih-rer Umsiedlungsleistung.« In dem Gutachten zur Evaluierung vonUmsiedlungen im Rheinischen Braunkohlenrevier im Hinblick aufihre Sozialverträglichkeit aus dem Jahre 1999 machen die Gutach-ter deutlich, dass »naturgemäß die Entschädigungsleistungen desBergbautreibenden das wesentliche Fundament der materiellenVoraussetzungen für sozialverträgliche Umsiedlungen« ist. »Sie(Anm.: die Entschädigungsleistungen) gründen nicht allein aufder nach Bundesberggesetz vorgeschriebenen Entschädigung vor-handener Vermögenswerte, sondern umfassen auch Bemühungen,immaterielle Verluste auszugleichen und die besonderen Leistun-gen der Umsiedler anzuerkennen.«24 Wenn demnach unbestrittenzur sozialverträglichen Umsiedlung auch eine oberhalb der Ent-

14 Vgl. hierzu BVerfGE 57, 295 (321); BVerwGE 57, 130 (137); statt vieler Erbguth,VerwArch 86 (1995), S. 327 (338 ff.).

15 Vgl. zur Übersicht Schnapp, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar,Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 20 Rdnr. 20 ff.

16 BVerfGE 77, 170 (231); OVG Münster, DVBl. 1978, S. 62 (64).17 OVG Münster, NWVBl. 1990, S. 226 (228).18 OVG Münster, DVBl. 1978, S. 62 (64).19 OVG Münster, DVBl. 1978, S. 62 (64).20 Vgl. statt vieler Erbguth, VerwArch 86 (1995), S. 327 (343 ff.) m.w.N.21 Vgl. Degenhart, Rechtsfragen der Braunkohlenplanung für Brandenburg,

1996, S. 95.22 Vgl. Degenhart, Rechtsfragen der Braunkohlenplanung für Brandenburg,

1996, S. 95 m.w.N.23 Zlonicky & Partner, Gutachten zur Beurteilung der Sozialverträglichkeit von

Umsiedlungen im Rheinischen Braunkohlenrevier, Dortmund 1990. 24 Kurzfassung des Gutachtens zur Evaluierung von Umsiedlungen im Rheini-

schen Braunkohlenrevier im Hinblick auf ihre Sozialverträglichkeit, S. 47.

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schädigung des Bundesberggesetzes anzusiedelnde materielle Ab-sicherung gehört, so würde mit der Festlegung eines höheren Ent-schädigungsniveaus lediglich die Sozialverträglichkeit der Um-siedlung abgesichert. Dies dürfte es dem Landesgesetzgeber erlau-ben, aufgrund einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage dasEntschädigungsniveau festzuschreiben.

Damit stellt sich die Frage, ob der Landesgesetzgeber in Nord-rhein-Westfalen von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauchgemacht hat. Der Landesgesetzgeber hat zum Braunkohlenrecht ei-ne eigenständige Regelung im Landesplanungsgesetz Nordrhein-Westfalen – LPlG NW – getroffen. Die Regelungen des LPlG NWüber die Braunkohlenplanung und die daraus folgenden mögli-chen Beschränkungen der Abbautätigkeit stellen im Hinblick aufdas sog. Bergwerkseigentum des Bergbautreibenden eine Inhalts-und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GGdar. Das Bergwerkseigentum, also das nach dem BBergG zeitlichunbefristete, unwiderruflich abgabefreie und grundstücksgleicheRecht zur Gewinnung und Aneignung der verliehenen Boden-schätze,25 fällt unstreitig nach Rechtsprechung26 und Literatur27 inden Schutzbereich des Art. 14 GG. Das LPlG NW eröffnet auf derGrundlage des Landesentwicklungsprogramms und der Landes-entwicklungspläne die Aufstellung von Gebietsentwicklungsplä-nen sowie von Braunkohlenplänen. Gebietsentwicklungspläne le-gen nach § 14 Abs. LPlG NW die regionalen Ziele der Raumord-nung und Landesplanung für die Regierungsbezirke fest.Braunkohlenpläne nach § 24 LPlG NW legen die Ziele derRaumordnung und Landesplanung fest, soweit es für eine geord-nete Braunkohlenplanung erforderlich ist. Nach nordrhein-west-fälischem Landesrecht stehen die Braunkohlenpläne mithin aufder gleichen Ebene der Konkretisierung wie die Gebietsentwick-lungspläne.28 Als Teil der Landesplanung ist die Braunkohlenpla-nung in das rahmenrechtlich geordnete Bundesraumordungsrechteingebunden und unterliegt damit auch den in § 2 ROG niederge-legten Grundsätzen der Raumordnung. Braunkohlenpläne werdenvon dem als Sonderausschuss des Bezirksplanungsrats des Regie-rungsbezirks Köln eingerichteten Braunkohlenausschuss (§ 26LPlG NW) erarbeitet und aufgestellt (§ 33 LPlG NW). Sie bedürfengemäß § 34 LPlG NW der Genehmigung der Landesplanungs-behörde. Die Braunkohlenplanung selbst unterliegt den allgemei-nen Anforderungen, die an landesplanerische und darüber hinausallgemein an planerische Verfahren und Festlegungen zu stellensind. Hierzu gehört maßgeblich das Gebot, die von der Maßnah-me berührten öffentlichen und privaten Belange untereinanderund gegeneinander abzuwägen.29 Zu den hierbei abzuwägendenBelangen gehören auch solche, die spezifischen Bezug zur Braun-kohlenförderung haben. Im Landesplanungsgesetz sind diese Be-lange als Voraussetzungen der Genehmigung des Braunkohlen-planes in § 34 Abs. 2 LPlG NW aufgeführt. So legt § 34 Abs. 2 LPlGNW fest, dass die Genehmigung eines Braunkohlenplanes nur zuerteilen ist, wenn der Braunkohlenplan den Erfordernissen einerlangfristigen Energieversorgung auf der Grundlage des Landesent-wicklungsprogramms (LEPro, §§ 26 Abs. 2, 32 Abs. 3) entsprichtund die Erfordernisse der sozialen Belange der vom Braunkohlen-tagebau Betroffenen und des Umweltschutzes angemessen berück-sichtigt werden. In Erfüllung dieser Anforderungen enthält derBraunkohlenplan Garzweiler II,30 der mit Erlass des Ministeriumsfür Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NWvom 31.03.1995 – VI A 3-92.32.09.11 genehmigt wurde,31 in Kapi-tel 10 eine Darstellung und Bewertung der sozialen Auswirkungenauf der Grundlage einer Sozialverträglichkeitsprüfung. In Ziffer10.3.2 finden sich Ausführungen zu den Belangen der Immobilien-eigentümer. Hierzu wird bezüglich der Entschädigungshöhe beiEin- und Zweifamilienhäusern u. a. die Rückgängigmachung derAbschreibung der Baunebenkosten sowie die Orientierung der Ent-

schädigung am Sachwert als notwendige zusätzliche Entschädi-gung zur Bestätigung der Berücksichtigung der sozialen Belangeangesehen. Damit wird deutlich, dass der über dem Niveau desBundesberggesetzes liegenden materiellen Absicherung des Um-siedlers auch durch den Landesgesetzgeber die nach dem Sozial-verträglichkeitsgutachten unterstellte Bedeutung zukommt.

Damit stellt sich die Frage, ob die über dem Entschädigungsni-veau des BBergG durch den Landesgesetzgeber im Braunkohlenplangeforderte höhere Entschädigung den oben genannten Anforde-rungen der Wesentlichkeitstheorie genügt. Über die rechtliche Qua-lität des Braunkohlenplanes hat es bereits in der Vergangenheit sehrviel Auseinandersetzung gegeben. Der Rechtscharakter von Braun-kohlenplänen ist nach wie vor sehr umstritten.32 Diskutiert werdenals Möglichkeiten vor allem der öffentlich-rechtliche Vertrag, einematerielle Rechtsnorm (Gesetz, Verordnung, Satzung), der Verwal-tungsakt sowie normergänzende Verwaltungsvorschriften.33 Als Er-gebnis der rechtlichen Diskussion kann festgehalten werden, dassder Braunkohlenplan seiner Rechtsnatur nach als Rechtsnorm ein-zustufen ist, der zum Teil beträchtliche tatsächliche Auswirkungengegenüber privaten Dritten hat.34 Der Verfassungsgerichtshof fürdas Land Nordrhein-Westfalen hat in mehreren Entscheidungen35

zum Braunkohlenplan deutlich gemacht, dass der Braunkohlen-plan selbst hinreichende Grundlage ist, die Detailfragen der Braun-kohlenplanung zu klären. Die landesplanerische Ordnung desBraunkohlentagebaus durch Aufstellung und Genehmigung vonBraunkohlenplänen gehört nach Auffassung des Verfassungsge-richtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen zu den wesentlichenFragen, die auf Grund des Vorbehalts des Gesetzes nicht am Parla-ment vorbei entschieden werden dürfen. Der Landesgesetzgeberhabe jedoch die in diesem Sinne wesentlichen Fragen der Landes-planung des Braunkohlenabbaus durch das Landesplanungsgesetzgeregelt. Das Gericht hält daher eine über die Regelungen des Lan-desplanungsgesetzes hinausgehende Regelung durch den Landes-gesetzgeber nicht für erforderlich. Die Wesentlichkeitstheorie ver-langt damit kein Handeln des Gesetzgebers.

Hieraus leitet sich unmittelbar die Frage ab, ob der Umsiedler ausder im Braunkohlenplan für notwendig empfundenen zusätzli-chen Entschädigung einen Anspruch gegenüber dem Bergbautrei-benden herleiten kann. Die Bindungswirkung der Braunkohlen-pläne ist in § 23 Abs. 4 Satz 1 LPlG hinreichend bestimmt. Hier-nach werden die Braunkohlenpläne, die aus einer textlichen undzeichnerischen Darstellung von Zielen der Raumordnung und Lan-desplanung bestehen (§ 24 Abs. 1 und 2 LPlG), mit der Bekannt-machung der Genehmigung als Ziele der Raumordnung und Lan-desplanung verbindlich. Der Erläuterungsbericht selbst nimmt ander Bindungswirkung nicht teil. Als Ziele der Raumordnung undLandesplanung sind die Braunkohlenpläne von den Behörden desBundes und des Landes, den Gemeinden und Gemeindeverbän-den, von den öffentlichen Planungsträgern sowie im Rahmen der

25 Hierzu Kühne, Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besondererBerücksichtigung des Art. 14 GG, 1998, S. 57 und 92.

26 BVerfGE 77, 130 ff. (136).27 Vgl. statt vieler Schmidt-Aßmann/Schoch, Bergwerkseigentum und Grundei-

gentum im Betriebsplanverfahren, 1994, S. 47 und 80.28 Vgl. Depenbrock/Reiners, Kommentar zum Landesplanungsgesetz Nordrhein-

Westfalen, 1985, § 24 Rn. 2.29 Vgl. hierzu Kühne, Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsver-

fahren, 1999, S. 6.30 Ausführlich hierzu nunmehr auch der jüngst vorliegende und genehmigte

Braunkohlenplan zur Umsiedlung der Orte Immerath, Lützerath und Peschsowie Borschemich.

31 Die Bekanntmachung der Genehmigung erfolgte gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1LPlG NW im GV NW 1995, 202, berichtigt am 2.5.1995 im GV NW 1995,338.

32 Vgl. statt vieler Erbguth, VerwArch 86 (1995), S. 327 (332 ff.) m.w.N.33 Vgl. Erbguth, VerwArch 86 (1995), S. 327 (334 ff.) m.w.N.34 Vgl. hierzu nur Erbguth, VerwArch 86 (1995), S. 327 (337) m.w.N.35 Vgl. VerfGH NW, VerfGH 20/95, 1/96, 3/96, 7/96, 8/96, Urteil vom 9.6.1997.

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ihnen obliegenden Aufgaben von den bundesunmittelbaren undden der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, An-stalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts bei raumbedeutsa-men Planungen und Maßnahmen zu beachten. Auch das Bundes-recht legt die Bindungswirkung gegenüber den Trägern öffentli-cher Verwaltung vorrangig verbindlich fest. Als bekannt gemachteZiele der Raumordnung und Landesplanung entfalten die Aussa-gen des Braunkohlenplanes nach Maßgabe des § 5 Abs. 4 ROG Ver-bindlichkeit gegenüber den Trägern öffentlicher Verwaltung. DerBürger selbst zählt jedoch nicht zum Adressatenkreis der Bin-dungswirkung, weshalb dieser auch keine Möglichkeit hat, denBraunkohlenplan verwaltungsgerichtlich unmittelbar zu überprü-fen.36 Eine rechtliche Außenwirkung im Verhältnis zu einem Pri-vaten kann sich allenfalls gegenüber dem privaten Bergbauunter-nehmer ergeben.37 Der Umsiedler kann demnach unmittelbarkeine Ansprüche aus der Fixierung weitergehender Entschädi-gungsgrundsätze im Braunkohlenplan ableiten.

Ansprüche auf eine höhere Entschädigung kann der Umsiedlermithin nur auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung er-langen. Eine vertragliche Vereinbarung hätte jedoch nur dann diegleiche Ausstrahlungswirkung wie eine gesetzliche Regelung, wennsie in Form des Vertrages zu Gunsten Dritter, so wie in den ost-deutschen Revieren geschehen, erfolgt. Hierbei geht es im Kern we-niger um die Frage der Höhe der materiellen Entschädigung. DieHöhe der materiellen Entschädigung dürfte in beiden Revierenausgerichtet auf den Funktionsersatz sein. Wichtig ist jedoch dieVerbesserung der Anspruchsgrundlage für den Umsiedler.

E. Schlussbemerkung

Auch wenn sich hinsichtlich der materiellen Höhe der umsied-lungsbedingten Entschädigung kaum Unterschiede in ost- und

westdeutschen Revieren ergeben, so muss doch die Frage derRechtsverbindlichkeit der gewährten Zahlungen nicht außer Achtgelassen werden. Sie ist zentrale Grundlage für das Vertrauen, dasfür eine Akzeptanz des Braunkohlentagebaues unerlässlich ist. Indiesem Punkt haben gerade die ostdeutschen Braunkohleunter-nehmen in der DDR-Zeit verloren gegangenes Vertrauen nach derWende erst durch vertraglich bindende Regelungen wieder gewin-nen können. Im Sinne einer Rechtsvereinheitlichung wäre zu wün-schen, dass die vertraglichen Regelungen auch für die RheinischenReviere zum Regelfall werden. Vertrauen der Betroffenen ist auchhier Grundvoraussetzung, ein mit solch gravierenden Auswirkun-gen verbundenes Vorhaben wie den Braunkohlentagebau umset-zen zu können. Insoweit ist jedoch nicht der Gesetzgeber, sondernder Bergbautreibende gefordert. Die ersten Schritte in Richtung ei-ner vertraglichen Regelung der Entschädigungsgrundsätze auchim Rheinischen Braunkohlenrevier sind mit dem sog. Erkelenz-Vertrag gemacht; die nächsten Schritte hin zu einem Vertrag zuGunsten Dritter werden hoffentlich folgen.

Assessor Dipl.-Verwaltungswirt Dr. jur. Hans-Heiner GotzenErster Beigeordneter der Stadt Erkelenz und Lehrbeauftragter für Öf-fentliches Recht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung inKöln (c/o Stadtverwaltung Erkelenz, Johannismarkt 17, 41812 Erke-lenz).Aktuelle Veröffentlichungen: Das Recht auf Informationszugang amBeispiel des IFG NRW, KommunalJurist 2004, S. 171 – 174; Das Be-stattungsgesetz NRW: Gut gemeint oder auch gut gemacht, NWVBl.2005, S. 173 – 176; Nichtige kommunale Grundstücksgeschäfte –EG-Beihilferecht und § 134 BGB, KommunalJurist (erscheint dem-nächst).

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Bedürfnis für die Aufbewahrung von Kernbrenn-stoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung

BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2005 – 7 B 135.04

Leitsätze:Die Erteilung einer Genehmigung nach § 6 Abs. 4 AtG i.d.F. desGesetzes vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1351) setzt kein geson-dertes individuelles Bedürfnis für die Aufbewahrung bestrahl-ter Brennelemente außerhalb der staatlichen Verwahrungvoraus. Das erforderliche Bedürfnis für diese Zwischenlagerungwird durch § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG kraft Gesetzes begründet.Die in § 6 Abs. 4 Satz 7 AtG angeordnete entsprechende Gel-tung des § 6 Abs. 2 AtG bezieht sich deshalb nur auf die Geneh-migungsvoraussetzungen gemäß Abs. 2 Nr. 1 bis 4.

Vorinstanz: VGH Mannheim vom 11.05.2004 – Az.: VGH 10 S 1291/01 –

Aus den Gründen: Der Kläger wendet sich gegen eine atomrechtliche Genehmigungzur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Interimslager des Ge-meinschaftskernkraftwerks Neckar. Nach der Genehmigung dürfenbis zum 30. April 2006 auf dem Betriebsgelände des Kernkraftwerksauf höchstens 24 Stellplätzen bestrahlte Brennelemente aus denReaktoren der Anlage in höchstens 24 Castor-Behältern zum Zweck

der Zwischenlagerung bis zur Einlagerung in das Standort-Zwi-schenlager aufbewahrt werden. Der 1 400 m vom Betriebsgeländeentfernt wohnende Kläger sieht sich durch die Genehmigung inseinen Rechten verletzt, weil die Castor-Behälter die Risiken für Le-ben und Gesundheit der Bevölkerung erhöhten, insbesondere ge-zielten Angriffen mittels Verkehrsflugzeugen nicht standhielten,und für die Lagerung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatli-chen Verwahrung kein Bedürfnis bestehe.Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. (…)

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteilnicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägershat keinen Erfolg.

Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätz-lichen Bedeutung zuzulassen. Die von der Beschwerde aufgewor-fene Frage, ob das gesetzliche Merkmal eines Bedürfnisses für dieAufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichenVerwahrung dem Schutz Dritter diene, betrifft ausgelaufenes Rechtund rechtfertigt daher schon aus diesem Grund nicht die Zulas-sung der Grundsatzrevision (1). Davon abgesehen lässt sich die Fra-ge anhand des Gesetzes beantworten, ohne dass hierfür ein Revi-sionsverfahren durchgeführt werden müsste (2).

1. Gegenstand der Anfechtungsklage ist eine Genehmigung, dieauf der Grundlage des § 6 Abs. 2 AtG a.F. erteilt worden ist. DieseVorschrift setzt neben den Genehmigungsvoraussetzungen derNr. 1 bis 4 voraus, dass ein »Bedürfnis« für eine Aufbewahrung

36 Vgl. Erbguth, VerwArch 86 (1995), S. 327 (354) m.w.N.37 Vgl. hierzu Kühne, Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsver-

fahren, 1999, S. 21 ff.

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außerhalb der staatlichen Verwahrung besteht. Die Vorschrift istzwar in ihrem Wortlaut durch das Gesetz zur geordneten Beendi-gung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung vonElektrizität vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1351) nicht geändert wor-den. Die Einfügung der Absätze 3 und 4 durch dieses Gesetz be-wirkte aber für die hiervon betroffenen Fallgestaltungen eine Funk-tionsänderung des in § 6 Abs. 2 AtG bestimmten Bedürfnisses, diezur Folge hat, dass der Frage eines hierauf bezogenen Drittschutzeskeine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt.

Nach dem neuen, seit In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzesvom 22. April 2002 geltenden Recht ist eine Genehmigung zurvorübergehenden Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente in-nerhalb eines abgeschlossenen Geländes des Betreibers einer Kern-kraftanlage zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität demjeni-gen zu erteilen, der für eine Aufbewahrung aufgrund der Ver-pflichtung zur Errichtung eines Zwischenlagers innerhalb desabgeschlossenen Geländes der Anlage (§ 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG) dieerforderliche Genehmigung beantragt hat (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AtG).Sind diese Voraussetzungen – neben den in § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 4AtG genannten Genehmigungsvoraussetzungen – erfüllt, ist für diePrüfung eines individuellen Bedürfnisses für die Aufbewahrungbestrahlter Brennelemente außerhalb der staatlichen Verwahrungkein Raum. Die Genehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AtG soll denZeitraum bis zur Ausnutzung der Genehmigung für die Zwischen-lagerung bestrahlter Brennelemente in einem gesonderten Lager-gebäude innerhalb des abgeschlossenen Geländes der Anlage (§ 6Abs. 3 AtG) überbrücken. Da aufgrund der Verpflichtung nach § 9 aAbs. 2 Satz 3 AtG für diese Zwischenlagerung ein gesetzliches Be-dürfnis gegeben ist (vgl. BTDrucks 14/6890 S. 20), besteht das ent-sprechende gesetzliche Bedürfnis auch während des Über-brückungszeitraums für die Aufbewahrung im Interimslager (Mül-ler-Dehn, in: Posser/Schmans/Müller-Dehn, AtG-Novelle 2002, Rn.80). Das Merkmal eines gesonderten Bedürfnisses kommt daher beider in § 6 Abs. 4 Satz 7 AtG »im Übrigen« bestimmten entspre-chenden Anwendung des § 6 Abs. 2 AtG wegen der verändertenZweckbestimmung der Vorschrift nicht zur Geltung. Die Prüfungeines individuellen Bedürfnisses für die Aufbewahrung bestrahlterBrennelemente außerhalb der staatlichen Verwahrung ergibt an-gesichts des gesetzlich bestimmten generellen Bedürfnisses für ei-ne solche Aufbewahrung keinen Sinn.

Infolge der geänderten Rechtslage stellt sich die von der Be-schwerde aufgeworfene Frage nach der drittschützenden Eigen-schaft eines individuellen Bedürfnisses für ein Interimslager in Zu-kunft nicht mehr. Damit kann das die Zulassung der Grundsatz-revision rechtfertigende Ziel, die Rechtseinheit zu erhalten oder zurWeiterentwicklung des Rechts beizutragen, nicht erreicht werden.In einem Revisionsverfahren könnten keine grundsätzlichen Aus-sagen zur künftigen Bedeutung des Bedürfnis-Merkmals des § 6Abs. 2 AtG für die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Ge-nehmigung eines Interimslagers getroffen, sondern allenfalls ab-strakte Rechtsfragen erörtert werden. Das ist nicht der Sinn der Zu-lassung einer Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl.Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buch-holz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr).

2. Stellt man den Gesichtspunkt ausgelaufenen Rechts zurück,kann die Revision deshalb nicht zugelassen werden, weil die Frage,ob ein Dritter als Verletzung in seinen Rechten geltend machenkann, dass für eine Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente außer-halb der staatlichen Verwahrung kein Bedürfnis bestehe, ohneDurchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ge-klärt, dass Drittschutz nur solche Rechtsvorschriften vermitteln,die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der All-gemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller

Rechte dienen. In diesem Sinne drittschützend ist eine Norm, diedas geschützte Recht sowie einen bestimmten und abgrenzbarenKreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt. Aus dem Atom-gesetz ergibt sich nicht das Recht, vor jedweder von einem Kern-kraftwerk ausgehenden ionisierenden Strahlung geschützt zu sein.§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AtG a.F. gewährleistet bezüglich des Betriebseiner Kernkraftanlage nur »die nach dem Stand von Wissenschaftund Technik erforderliche Vorsorge«, was die Hinnahme eines aufdie Begrenzung menschlichen Erkenntnisvermögens zurückzu-führenden Restrisikos einschließt. Die erforderliche Vorsorge dafür,dass bestimmte Strahlendosen und bestimmte Konzentrationenradioaktiver Stoffe in Luft und Wasser nicht überschritten werden,wird durch die Bestimmung der Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchVa.F. konkretisiert. Die Dosisgrenzwerte haben drittschützendenCharakter, weil sie die äußerste, nicht mehr überschreitbare Gren-ze der erforderlichen Schadensvorsorge bestimmen und damitnicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Einzelnen vor denGefahren und Risiken der Kernenergie bewahren sollen. Soweit dieGenehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung die nachdem Stand von Wissenschaft und Technik dem Einzelnen gegenü-ber erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansehendarf, hat es auch mit dem Drittschutz sein Bewenden. Mehr als dieerforderliche Vorsorge, die auf den praktischen Ausschluss einessich als Grundrechtsverletzung darstellenden Schadens hinaus-läuft, kann ein Dritter nicht verlangen. Insbesondere gibt es kei-nen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung derStrahlenexposition (vgl. Urteil vom 22. Dezember 1980 – BVerwG7 C 84.78 – BVerwGE 61, 256 <262 ff.>; Urteil vom 19. Dezember1985 – BVerwG 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 <318>).

Für die Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente außerhalb derstaatlichen Verwahrung gilt unter dem Gesichtspunkt des Dritt-schutzes nichts anderes. Insoweit gewährleistet § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtGbezüglich der Aufbewahrung der Kernbrennstoffe gleichfalls »dienach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vor-sorge«. Die Genehmigungsvoraussetzung, dass »ein Bedürfnis füreine solche Aufbewahrung besteht«, dient demgegenüber aussch-ließlich den Interessen der Allgemeinheit. Das Merkmal des Be-dürfnisses sollte vor der Einfügung der Absätze 3 und 4 sicherstel-len, dass der Grundsatz der staatlichen Verwahrung nur unter be-sonderen Umständen durchbrochen werden konnte. DieseUmstände knüpften an das entsprechende Interesse der Allge-meinheit an, das durch das Interesse des Kraftwerkbetreibers an ei-ner privaten Aufbewahrung nur unter dem Vorbehalt eines indi-viduellen Bedürfnisses sollte überwunden werden können (vgl. BT-Drucks 3/759 S. 22). Damit verbindet sich kein auf Rechte einesindividualisierbaren Dritten bezogener Schutzzweck. In welcherWeise die Verpflichtung zur Zwischenlagerung (§ 86 StrlSchV a.F.)erfüllt wird, ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen Sachedes Anlagenbetreibers. Die von der Beigeladenen verfolgte dezen-trale Zwischenlagerkonzeption berührt die Rechte Dritter nicht.Das Merkmal des Bedürfnisses in § 6 Abs. 2 AtG ist ein vor die Klam-mer gezogener Vorbehalt, der anders als die drittschützende Ge-nehmigungsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG keinen Dritt-schutz vermittelt. Die Annahme der Beschwerde, dieses Merkmalmüsse drittschützend sein, um eine gerichtliche Überprüfung zuermöglichen, ob die vorübergehende Aufbewahrung bestrahlterBrennelemente innerhalb des Geländes des Kraftwerkbetreibersvernünftigerweise geboten ist, verwechselt die Wirkungen desDrittschutzes mit seinen Voraussetzungen. Dritte sind durch dieDosisgrenzwerte unabhängig davon geschützt, ob für die Aufbe-wahrung bestrahlter Brennelemente außerhalb der staatlichen Ver-wahrung ein Bedürfnis besteht oder nicht. Von einer untrennba-ren Verknüpfung von Bedürfnis und Schadensvorsorge, wie sie dieBeschwerde behauptet, kann hiernach keine Rede sein. Die von der

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Beschwerde angedeuteten Bestimmungen der Europäischen Men-schenrechtskonvention, der Aarhus-Konvention und des europäi-schen Gemeinschaftsrechts geben für eine andere Beurteilungschon deswegen nichts her, weil die Frage eines Drittschutzesdurch Auslegung des einschlägigen materiellen Rechts zu beant-worten ist und den genannten Regelwerken keine entsprechendenVorgaben und Maßstäbe in Bezug auf das allein erhebliche Be-dürfnis-Erfordernis zu entnehmen sind. (…)

Drittschutz bei Verfahrensfehler (BImSchG, Windpark)

OVG Koblenz, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 7 B 12114/04.OVG

Leitsätze:1. Zur Abgrenzung eines einheitlichen Windparks2. Die Bestimmungen des förmlichen immissionsschutzrecht-

lichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteili-gung haben wegen ihrer Funktion als Trägerverfahren fürdie nach der UVP-Richtlinie einer Umweltprüfung bedürfti-gen Anlagen drittschützende Wirkung für die »betroffene«Öffentlichkeit.

Vorinstanz: VG Trier, Az.: 5 L 1551/04.TR

Zum Sachverhalt:

Der Antragsteller ist Eigentümer und Bewohner eines Anwesens inN., das im Außenbereich gelegen ist und in dessen Nachbarschaftmehrere Windkraftanlagen von der Beigeladenen geplant sind. Ur-sprünglich wurde die Absicht verfolgt, auf der Grundlage mehrereBaugenehmigungen insgesamt eine Kette, von insgesamt 15 Wind-kraftanlagen zu errichten. (…)

Nachdem der Antragsteller verschiedene Baugenehmigungenangegriffen hatte, verzichtete die Beigeladene schließlich auf dieGenehmigungen für die Anlagen 4 und 5 sowie 8 bis 10. Im Hin-blick auf die aufrechterhaltene Baugenehmigung für die Anlagen6 und 7 hat der 8. Senat des OVG Rheinland-Pfalz durch Beschlussvom 22. Oktober 2004 die aufschiebende Wirkung des Wider-spruchs des Antragstellers im Hinblick auf den nächtlichen Betriebwiederhergestellt, weil insoweit im Hauptsacheverfahren Beden-ken im Hinblick auf die Einhaltung der nächtlichen Immissions-richtwerte zu überprüfen seien. Für die Anlagen l bis 3 sowie 11 bis15 hat der Antragsgegner auf entsprechend geänderte Anträge desBeigeladenen hin am 19. Oktober 2004 die angegriffenen immis-sionsschutzrechtlichen Genehmigungen erteilt, nachdem jeweilsfür die genannten Komplexe ein vereinfachtes Verfahren nach § 19BImSchG durchgeführt worden war. (…)

Aus den Gründen:Die Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor er-sichtlichen Umfang Erfolg. (…)

1. Was die Verletzung von drittschützenden materiell-rechtli-chen Bestimmungen angeht, spricht zwar vieles dafür, dass es auchfür den hier erkennenden Senat bei den Erwägungen verbleibenkönnte, die der für Baurecht zuständige 8. Senat des Gerichts imHinblick auf die von ihm im Beschluss vom 22. Oktober 2004 – 8B 11696/04.OVG – als für seine Bewertung einzig verbleibenden 2Windenergieanlagen als maßgeblich angesehen hat. (…)

Im Blick auf die Geltendmachung einer Verletzung des baupla-nungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots wegen einer zu befürch-tenden »erdrückenden« Wirkung nimmt der Senat auf die von derBeigeladenen zitierten Ausführungen des 1. Senats des Gerichts Be-zug. Auch der 8. Senat hat in dem in Bezug genommenen Beschlussinsoweit ausgeführt, bei einem Abstand der nächstgelegenen An-lagen von mindestens 470 m komme im Hinblick auf die einzel-

nen Anlagen eine erdrückende Wirkung nicht in Betracht. Die op-tische Belästigungswirkung mag bei einem Windpark, insbeson-dere wenn der Betroffene von Windkraftanlagen geradezu einge-kreist ist, zwar ein höheres Gewicht haben als bei einer Einzelan-lage. Auch vermag der erkennende Senat nicht uneingeschränktder Betrachtung des 1. Senats zu folgen, wenn dieser darauf ab-stellt, dass es um psychisch vermittelte Wirkungen geht und daherwegen der subjektiv unterschiedlichen Empfindungen ein rechtli-cher Maßstab gleichsam wenig greifbar sei. Richtig ist indessen,dass das Gebot der Rücksichtnahme insoweit auf besondere Em-pfindlichkeiten nicht einzugehen vermag. Angesichts des Um-stands, dass beim Aufenthalt im Innern des Gebäudes der Belästi-gung durch die Anlage ausgewichen werden kann, sie auch sonstnicht ständig die Aufmerksamkeit erwecken muss, drängt sichauch bei, Windparks eine Verletzung des Gebots der Rücksicht-nahme wegen einer visuellen erdrückenden Wirkung nicht auf, je-denfalls wenn der in der Raumplanung mindestens empfohleneAbstand von etwa 500 m eingehalten ist.

Auch im Hinblick auf die aufgeworfene Schattenwurfproblema-tik kann auf die Ausführungen im Beschluss des 8. Senats vom 22.Januar 2004, US 5, Bezug genommen werden. Wegen der Pro-grammierbarkeit von etwa notwendigen Abschaltzeiten könnenetwaige Ermittlungsfehler kein Grund für die Aussetzung der Voll-ziehbarkeit sein.

2. Der Senat hält indessen dafür, dass vorliegend ernsthaft in Be-tracht zu ziehen ist, dass ein Windpark mit mehr als 5 Anlagen zurGenehmigung ansteht und die im vereinfachten Verfahren nach §19 Abs. 1 BImSchG erfolgten Genehmigungen Verfahrensvor-schriften verletzen. Wegen der drittschützenden Wirkung dieserVerfahrensvorschrift bei europarechtskonformer Auslegung kannder Antragsteller insoweit aller Voraussicht nach eine eigeneRechtsverletzung im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 VwGO gel-tend machen, so dass die Genehmigung ohne Heilung des Verfah-rensfehlers voraussichtlich auf die Anfechtung hin aufzuhebensein wird.

Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:Für die Genehmigung hätte voraussichtlich ein förmliches Ge-

nehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt werdenmüssen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 4. BImSchVO ist das Genehmi-gungsverfahren nach § 10 durchzuführen für Anlagen nach Spal-te 1 der Anlage zur Verordnung bzw. für Anlagen der Spalte 2, u.a.wenn aufgrund einer Vorprüfung eine Umweltverträglichkeit-sprüfung durchgeführt werden muss. Unter Ziffer 1.6 der Anlageist in Spalte 1 für Errichtung und Betrieb von Windfarmen mitsechs oder mehr Windkraftanlagen das förmliche Genehmigungs-verfahren angeordnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesver-waltungsgerichts (Urteil vom 30. Juni 2004, 4 C 9.03, DVBl 2004,1304, 1306) ist entscheidend für das Vorhandensein einer »Wind-farm« der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sindsie soweit voneinander entfernt, dass sich die nach der Umwelt-verträglichkeitsprüfungs-Richtlinie (UVP-RL) maßgeblichen Aus-wirkungen nicht summieren, so behält jede Anlage für sich denCharakter einer Einzelanlage.

Von einer Windfarm ist indessen auszugehen, wenn drei odermehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet werden,dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstensberühren. Was insofern für die Unterscheidung von Einzelanlagengilt, muss ebenso für die Frage Bedeutung haben, ob im Hinblickauf die Grenzzahl der Anlagen für das einfache oder förmliche im-missionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ein Zusam-menhang dieser Art zwischen Gruppierungen von Anlagen bestehtoder nicht.

Für sich genommen bilden die hier jeweils in vereinfachten Ver-fahren nach § 19 BImSchG genehmigten Gruppen von Wind-

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kraftanlagen (WEA 1 bis 3 einerseits sowie WEA 11 bis 15 anderer-seits) Komplexe, deren Wirkungsbereiche sich in diesem Sinnewohl nicht überschneiden oder berühren. Dies ergibt sich aus ih-rer Entfernung. Allein der Umstand, dass sie Teile eines ursprüng-lich geplanten größeren zusammenhängenden Komplexes sind, istunerheblich, da ein entsprechender Antrag nicht anhängig ist. Dienicht mehr zur Genehmigung anstehenden Anlagen 4 und 5 so-wie 8 bis 10 sind daher für die Betrachtung nicht mehr maßgeb-lich. Sollten insoweit Genehmigungsanträge wieder aufgegriffenwerden, eine Befürchtung, die der Antragsteller im Hinblick auf diebereits errichteten Fundamente äußert, so ist zu prüfen, ob es sichdabei um die Entstehung oder Erweiterung eines Windparks han-delt. In die Betrachtung einzubeziehen sind indessen die Anlagen6 und 7, die auf der Grundlage der bestehenden Baugenehmigungerrichtet werden. Soweit sie im Sinne der oben genannten funk-tionalen Wirkungen einen »Bindeglied« zwischen den genanntenKomplexen darstellen, sind sie in die Würdigung einzubeziehen.b) Es spricht vorliegend insoweit manches dafür – wenn auch dieendgültige Würdigung dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenbleiben muss –, dass die Anlagen unter Einbeziehung der Anlagen6 und 7 einen einheitlichen Windpark mit mehr als 5 Anlagen dar-stellen. Die Anlagen bilden zwar von den Abständen her gesehenkeine gleichsam homogene Kette, weil sich zwischen der Anlage 3und 6 einerseits und 7 und 11 (infolge des Wegfalls der ursprüng-lich geplanten Zwischenglieder 4 und 5 sowie 8 bis 1 0) größere Ab-stände ergeben als innerhalb der hier genehmigten Komplexe. DerAbstand zwischen Windanlage 3 und 7 beträgt knapp über 700 m,der zwischen den Anlagen 7 und 11 knapp über 950 m.

Der Senat hält die Argumentation der Beigeladenen, im Hin-blick auf das Kriterium des 10-fachen Rotordurchmessers seien dieKomplexe genügend voneinander abgesetzt, um sich berührendeEinwirkungsbereiche zu verneinen, für nicht hinreichend. Der aufden Rotordurchmesser bezogene Abstand geht in erster Linie vondem wegen Turbulenzen unter den Anlagen technisch erforderli-chen Abstand ein, wenn der Senat auch nicht verkennt, dass inso-weit technisch zwingend unter Umständen lediglich je nach denGegebenheiten der 3- bis 8-fache Abstand notwendig ist. Im Übri-gen liegt hier für alle ursprünglich geplanten Anlagen im Hinblickauf diese Abstände zur Verminderung technischer Schäden unter-einander ein Turbulenzgutachten vor. Auch der Erlass für das LandNordrhein-Westfalen vom 29. April 2004 geht insoweit davon aus,dass mit dem dort genannten 8-fachen Rotordurchmesser als Ab-stand nur ein Kriterium für die Einwirkungsbereiche genannt ist,weitere Kriterien indessen ein anderes Maß für die Abschätzung des,Zusammenhangs des Einwirkungsbereichs nahe legen könnten.

Der Einwirkungsbereich zur Definition des Windparks ist selbst-verständlich unabhängig von der Position des betroffenen Ein-wendungsführers objektiv zu bestimmen. Zu betrachten sind dieEinwirkungsbereiche hinsichtlich der in der Umweitverträglich-keitsprüfung zu betrachtenden verschiedenen geschätzten Um-weltgüter, insoweit nämlich neben dem Lärmschutz die visuellenWirkungen, die Auswirkungen auf den Vogelzug und die sonst zuschätzende Fauna (z.B. Problematik der Schlagschäden für Fleder-mäuse), insbesondere auch im Hinblick auf die Störung der Le-bensräume besonders geschätzter Arten. Schließlich ist auch derSchutz des Landschaftsbildes zu berücksichtigen. Allein schon inletzterer Hinsicht liegt es nahe, dass angesichts der exportierten La-ge sämtliche Anlagen auf einem Höhenrücken des Mittelgebirgs-zugs eine einheitliche Betrachtung angemessen erscheint, selbstwenn zwischen den Anlagen 3 und 6 bis 7 und 11 mehr als der 10-fache Rotordurchmesser (900 m bzw. 700 m) liegen mag. Jedenfallssind die Abstände nicht derart groß, dass im Hinblick auf das Land-schaftsbild bzw. auf die Hinderniswirkungen für den Vogelzug unddie Jagdgebiete der zu schützenden Fauna von einem fehlenden

sich überschneidenden Wirkungsbereich ausgegangen werdenkönnte. Die insofern verbleibenden erheblichen Zweifel an derRechtmäßigkeit des Verfahrens müssen sich im Eilverfahren zula-sten der Beigeladenen auswirken.

c) Die Verfahrensrechtsverletzung ist auch drittschutzerheblich.Insbesondere kann der Antragsteller unter Einfluss der einschlä-

gigen europarechtlichen Bestimmungen aufgrund der jüngstenRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wie auch der imHinblick auf die Arhus-Konvention geänderten verdeutlichendenBestimmungen der UVP-Änderungsrichtlinie 2003/35-EG zum Zu-gang zu den Gerichten geltend machen, das notwendige Öffent-lichkeitsbeteiligungsverfahren sei nicht durchgeführt worden.

Die Einbeziehung von Windkraftanlagen in die 4. BImSchVOund deren Zuordnung zu den vereinfachten oder förmlichen Ge-nehmigungsverfahren geht auf die Umsetzung der UVP-Richtlinieund die Notwendigkeit zurück, für nach dem UVP-Gesetz um-weltverträglichkeitsprüfungspflichtige Vorhaben im Immissions-schutzrecht das geeignete Trägerverfahren bereitzustellen. Die An-lage 1 zum UVP-Gesetz sieht unter Ziffer 1.6.2 für Windparks mit6 bis 20 Anlagen in Spalte 2 den Kennbuchstaben A vor, was be-deutet, dass UVP-rechtlich im Hinblick auf die Verfahrenspflichteneine allgemeine Prüfung des Einzelfalls (§ 3 c Abs. 1 Satz 2 UVP-Ge-setz) stattzufinden hat. Die Umweltverträglichkeitsprüfung istnach den Kriterien der Anlage 2 zum UVP-Gesetz vorzunehmen,wenn das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung erheblichenachteilige Auswirkungen haben kann, die nach § 12 UVP-Gesetzzu berücksichtigen wären. § 2 der 4. BImSchVO mit der Zuordnungvon Windparks über 5 Anlagen stellt insoweit das geeignete Trä-gerfahren zur Verfügung. Im danach angeordneten förmlichenVerfahren nach § 10 BImSchG ist eine Öffentlichkeitsbeteiligungvorgesehen (§ 10 Abs. 3, 4 BImSchG).

Der deutsche Gesetzgeber stellt damit das Öffentlichkeitsbeteili-gungsverfahren wegen einer möglichen Notwendigkeit der Durch-führung eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens zur Ver-fügung. Verletzungen dieser Verfahrensbestimmungen sind damitgleichbedeutend mit der möglichen Verletzung der einschlägigeneuroparechtlich begründeten Verfahrenspflichten.

Im Hinblick auf diese Verfahrenspflichten hat die Rechtspre-chung in Deutschland zunächst angenommen, dass sie keineselbständige Schutzwirkung zugunsten Dritter entfalten (vgl. Über-sicht bei Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umwelt-recht unter Einfluss des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457m.w.N.).

Bei Verfahren mit einem planerischen Abwägungsgebot ist dieRechtsprechung davon ausgegangen, dass dem Fehlen eines förm-lich als Umweltverträglichkeitsprüfung zu bezeichnenden Verfah-rens dann keine Bedeutung zukommt, wenn das Verfahren frei vonErmittlungs- und Abwägungsmängeln ist und der Sache nach indiesem Rahmen de facto den gemeinschaftsrechtlichen Anforde-rungen genügt wurde (vgl. BVerwGE 100, 238; 100, 370). In die-sem Sinne wurde eine Klagemöglichkeit allein wegen des Verfah-rensfehlers infolge mangelnder Kausalität verneint. Die »konkreteMöglichkeit einer anderen Entscheidung« (BVerwGE 69, 256, 269)wurde nur dann in Betracht gezogen, wenn sich aufgrund erkenn-barer und nahe liegender Umstände die Möglichkeit abzeichne,dass bei Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung dieEntscheidung anders ausgefallen wäre (vgl. zuletzt BVerwG, Urteilvom 18. November 2004, 4 CN 11.03, UmDr. S. 14). Eine Ausnah-me davon hat die Rechtsprechung im Sinne der Anerkennungselbständig einklagbarer Verfahrenspositionen im Sinne eines vor-gezogenen Grundrechtschutzes allerdings im Atomrecht aner-kannt, zum Teil auch im förmlichen immissionsschutzrechtlichenVerfahren (vgl. BVerwGE 85, 373 f.), indessen für das vereinfachteimmissionsschutzrechtliche Verfahren verneint (a.a.O.).

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Bei Entscheidungen ohne planungsrechtlichen Abwägungsge-halt hat die Rechtsprechung die Bedeutung des Verfahrensschutzesdahin relativiert, dass sie davon ausgegangen ist, das Verfahren die-ne lediglich der bestmöglichen Verwirklichung der dem Einzelnenzustehenden materiell-rechtlichen Position, so dass es auf den Ver-fahrensschutz nicht ankommt, wenn die materiell-rechtliche Po-sition erkennbar nicht verletzt sei. Der erkennende Senat (vgl. OVGKoblenz DVBl 1993, 1956 = DÖV 1994, 354) hat angenommen,dass auch über das Atomrecht hinaus der Rechtsordnung selbst-ständig schätzende Verfahrensrechte zu eigen sein können, wennnämlich die Rechtsordnung erkennbar wegen einer komplexen Ge-nehmigungslage dem einzelnen nicht zumuten kann, auch ohnedas ihn schätzende Verfahren unmittelbar seine materiell-rechtlichePosition zu verteidigen, und insoweit sein Grundrechtsschutz zukurz käme. Er hat dies zum Beispiel bei Eröffnung eines regelmäßi-gen Flughafenverkehrs ohne erforderliche Genehmigung nach § 6LuftVG auf der Grundlage einer dafür nicht geeigneten bloßenAußenstart- und -landeerlaubnis (§ 25 LuftVG) angenommen.

Nach europäischem Recht kommt bei komplexen Umweltent-scheidungen, die der UVP bedürfen, dem Verfahrensgedanken ei-ne eigenständige Bedeutung bei. Das europäische Verfahrensrechtnimmt insoweit moderne Entwicklungen im Verhältnis von Staatund Gesellschaft auf. Die neueren technischen Verfahren habenderart ubiquitäre Auswirkungen, dass die sie domestizierenden Ge-setze nicht mehr stabile Individualsphären zuteilen und begren-zen, sondern nur noch die Koordinierung und Abwägung des Ge-flechts betroffener Belange organisieren können. Mangels einerprästabilisierten Ordnung genau umschriebener Rechte und Pflich-ten kann dabei nicht in jeder Hinsicht ein bestimmter Anspruchverfolgt werden (vgl. Winter, NVwZ 1999, 467, 472). Zudemkommt der moderne Staat mit seiner Übernahme umfassender Ver-antwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen und die Daseins-vorsorge, was den Schutz der Umwelt und der Rechte des Einzel-nen angeht, zunehmend bei komplexen Genehmigungsverfahrenin die Rolle eines nicht mehr vollends neutralen und unabhängi-gen Verfahrensführers. Die Schaffung von Beteiligungsmöglich-keiten im Verfahren, die Herstellung von Transparenz und Öffent-lichkeit kann dem in gewissem Maße abhelfen. Soweit im eu-ropäischen Umweltrecht solche Ansätze verfolgt werden, müssendie nationalen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit zugleichals Gemeinschaftsrechtsgerichte die volle Anwendung und Effek-tivität der Bestimmungen des EG-Rechts gewährleisten. In diesemRahmen ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob nachnationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Ge-nehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, weil der »Einzel-ne« sich auf die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2,Art. 4 der Richtlinie 85/337 berufen kann (vgl. EuGH – Wells-Ent-scheidung – Urteil der 5. Kammer vom 7. Januar 2004, C 201/02,DVBl 2004, 370, dort Leitsätze 2 und 3; vgl. dazu auch AnmerkungKerkmann, DVBl 2004, 1287, der insbesondere darauf hinweist,dass danach klargestellt wird, dass die unmittelbare Wirkung einerRichtlinie nicht daran scheitert, dass im Dreiecksverhältnis damiteine Belastung für einen privaten Dritten verbunden ist). Soweitaus dem europäischen Recht damit die Absicht der Einräumung ei-ner selbständigen Verfahrensstellung zu entnehmen ist, wird demim deutschen Recht mit der Zulassung der Anfechtungsklage undder Aussetzung der Vollziehung zu entsprechen sein. Im Hinblickauf den Willen des Europarechts, selbständige Verfahrenspositio-nen für die »betroffene Öffentlichkeit« zu schaffen, die durch diegleichzeitige Gewährleistung des Zugangs zu den Gerichten durch-setzbar sind, kommt insbesondere den verdeutlichenden Recht-sakten in der EG im Zusammenhang mit der Umsetzung der Arhus-Konvention Bedeutung bei, die die bisherige Rechtsprechung in ei-nem anderen Licht erscheinen lässt. Nach den Erwägungen zur

Änderungsrichtlinie 2003/35 EG vom 26. Mai 2003, Amtsblatt EUL 156/17) heißt es unter 7: »Art. 6 des Arhus-Übereinkommenssieht die Beteiligung der Öffentlichkeit an den Entscheidungenüber bestimmte Tätigkeiten, die eine erhebliche Auswirkung auf.die Umwelt haben können, vor«. Unter Ziffer 6 ist dort ausgeführt,dass es eines der Ziele des Übereinkommens sei, das Recht auf Be-teiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Um-weltangelegenheiten zu gewährleisten und somit dazu beizutra-gen, dass das Recht des Einzelnen, auf ein Leben in einer Gesund-heit und dem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt geschätzt wird.Ziffer 9 der Erwägungsgründe hebt hervor, dass das Arhus-Übe-reinkommen Bestimmungen über den Zugang zu gerichtlichenund anderen Verfahren zwecks Anfechtung der materiellen undverfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit vorsieht und zwar in Ver-fahren, in denen gemäß dem Überkommen eine Öffentlichkeits-beteiligung vorgesehen ist. Der auf diesen Grundlagen beruhendeArt. 10 a der geänderten UVP-Richtlinie sieht dementsprechendvor, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichenRechtsvorschriften sicherstellen, dass Mitglieder der betroffenenÖffentlichkeit, die ausreichendes Interesse haben oder eineRechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprü-fungsverfahren vor einem Gericht oder einer auf gesetzlicherGrundlage zu schaffenden unabhängigen und unparteiischen Stel-le haben, um die materiell-rechtliche und die verfahrensrechtlicheRechtmäßigkeit von entsprechenden Entscheidungen, für die dieÖffentlichkeitsbeteiligung gilt, anzufechten. Was als ausreichendesInteresse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitglied-staaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeiteinen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten.

Art. 10 a verdeutlicht die Funktionselemente der Verfahrensbe-teiligung auf der Ebene des europäischen Umweltrechts und damitdie bestehenden Direktiven für eine europarechtskonforme – demEffektivitätsgrundsatz Rechnung tragende Auslegung der inner-staatlichen Verfahrensvorschriften wie § 10 BImSchG i.V.m. denBestimmungen des UVP-Gesetzes und der 4. BImSchVO, wie sie derUmsetzung des europäischen Verfahrensrechts dienen. Angesichtsdessen kommt es auf die Umsetzungsfrist der Änderungsrichtlinieselbst maßgeblich nicht an. Das deutsche Verfahrens- und Prozes-srecht ist in seinem Bestand ohne weiteres in der Lage, diesen sys-tematischen Ansatz aufzunehmen, wie sich auch daran zeigt, dassauf dieser systematischen Grundlage auch bisher schon im inner-staatlichen Recht (ausnahmsweise) die selbständige drittschützen-de Funktion von Verfahrensbestimmungen Anerkennung zu fin-den vermochte, indem die Verfahrensrechtsposition als drittge-schütztes Recht im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 VwGOanerkannt wird. Die entsprechende Entwicklung ist dem nationa-len Recht nicht fremd, wie auch etwa die amtliche Begründung desRegierungsentwurfs zum Europarechtsanpassungsgesetz-Bau (all-gemeine Begründung unter II 2) zeigt, wo es unter der Überschrift»Gewähr materieller Rechtmäßigkeit des Bauleitplans durch einordnungsgemäßes Verfahren« heißt, dass das bestehende deutscheRechtssystem mit dem Konzept der gemeinschaftsrechtlichen Vor-gaben strukturell harmonisiert werden solle und die europarecht-lich vorgegebene Stärkung des Verfahrensrechts mit den Regelun-gen zur Bestandssicherung der städtebaulichen Pläne verbundenwerden solle.

Aus diesen Gründen kommt dem immissionsschutzrechtlichenVerfahrensrecht, soweit aus Gründen der Umsetzung der Umwelt-verträglichkeitsprüfungsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteili-gung vorgesehen ist, drittschützende Bedeutung für die angespro-chene »betroffene Öffentlichkeit« zu. Zu diesem Kreis gehört derAntragsteller ohne Zweifel, ohne dass es vorliegend einer näherenAbgrenzung bedürfte. Es handelt sich dabei nicht um ein Jeder-mannsrecht; erforderlich ist vielmehr, dass eine mögliche nach-

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R E C H T S P R E C H U N G | OVG Koblenz, Dr i t t schutz be i Ver fahrens feh ler (B ImSchG, Windpark)

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teilige Betroffenheit von nicht unerheblichem Gewicht geltendgemacht werden kann. Es ist insoweit eine Orientierung an demerforderlich, was im Bereich der Planungsentscheidungen als ab-wägungserheblicher Belang zu qualifizieren wäre. Da der Antrag-steller vorliegend im Hinblick auf die Anlagen 6 und 7, die in dieBetrachtung einzubeziehen sind, von nahezu unzumutbaren Aus-wirkungen betroffen ist, wie die Würdigung des 8. Senats für dennächtlichen Betrieb ergibt, gehört er auf jeden Fall zum Kreis derbetroffenen Öffentlichkeit. Der Antragsteller braucht Errichtungund Betrieb der Anlagen nicht hinzunehmen, bevor nicht das ge-botene Verfahren durchgeführt ist. Inwieweit es auf die Verletzungeinzelner Verfahrensvorschriften innerhalb des gebotenen förmli-chen Verfahrens ankäme, braucht vorliegend nicht erörtert zu wer-den. Insoweit mögen im Einzelnen Kausalitätserwägungen eineRolle spielen können. Das Europarecht nimmt mit seinen verfah-rensrechtlichen Vorstellungen die prozessualen Befugnisse des Ein-zelnen zur Durchsetzung seiner Funktion auch unabhängig von ei-ner im Einzelnen abgegrenzten materiell-rechtlichen Betroffenheitdes Einzelnen in Dienst. Es ergibt sich insoweit eine vergleichbareLage wie sie bei demjenigen besteht, der als von, den enteig-nungsrechtlichen Vorwirkungen Betroffener eine Planungsent-scheidung auch unter Hinweis auf verletzte Belange des Allge-meinwohls angreift /vgl. dazu BVerwGE 67, 74; 69, 271; 77, 91).

Kann der Antragsteller deswegen hier im Ansatz zwar beanspru-chen, dass die Vollziehbarkeit der auf falscher Verfahrensgrundlageergangenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausge-setzt wird, so ist im Wege der Interessenabwägung im Eilverfahrenindessen zugleich zu berücksichtigen, dass die Verfahrensgrundla-ge nicht zu beanstanden wäre, wenn die Anlagen 6 und 7 nicht indie Betrachtung einzubeziehen sind. Dem Betreiber musste deshalbvorbehalten bleiben, auf die Ausnutzung seiner Rechtsposition ausder Baugenehmigung (wenigstens vorerst) zu verzichten, um durchdie vorliegende Entscheidung nicht an der Errichtung und dem Be-trieb der Komplexe 1 bis 3 und 11 bis 15 noch vor einer eventuel-len Heilung des Verfahrensfehlers oder einer anderweitigen Ent-scheidung im Hauptsacheverfahren gehindert zu sein. Sollte er dieBedingungen für die Ausschöpfung des ausgesprochenen Vorbe-halts erfüllen, ist kein berechtigtes Interesse des Antragstellers aneiner Aussetzung zu erkennen.

Beteiligungsrechte und UVP für Braunkohletagebau»Hambach I«

OVG Münster, Urteil vom 17. Dezember 2004 – 21 A 102/00

Leitsätze:1. Das Mitwirkungsrecht eines anerkannten Naturschutzver-

bandes aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 kannnicht nur durch die unzureichende oder gänzlich unterlas-sene Beteiligung an einem durchgeführten Planfeststel-lungsverfahren, sondern auch durch ein rechtswidrigesAusweichen in ein nichtbeteiligungspflichtiges Verfahrenverletzt sein.

2. Mit dem Vorhaben, das § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG einemPlanfeststellungsverfahren mit eingeschlossener Umwelt-verträglichkeitsprüfung unterwirft, ist das Bergbauvor-haben als Ganzes gemeint und nicht gegenständlich oderzeitlich begrenzte Teilabschnitte, wie sie Gegenstand einesfakultativen Rahmenbetriebsplans im Sinne von § 52 Abs. 2Nr. 1 BBergG sein können (im Anschluss an BVerwG, Urteilevom 12.6.2002– 7 C 2.02 – und – 7 C 3.02 –).

3. Der Abbau der Lagerstätte Hambach I stellt ein Gesamt-vorhaben dar, mit des-sen Ausführung vor dem Ablauf derFrist zur Umsetzung der UVP-Richtlinie am 3.7.1988 und

damit auch vor dem Inkrafttreten des Bergrechtsände-rungsgesetzes am 1.8.1990 begonnen worden ist. Das zumGegenstand des Rahmenbetriebsplans für die Fortführungdes Tagebaus Hambach von 1996 bis 2020 gemachte Vor-haben ist ein unselbständiger Teil dieses Gesamtvorha-bens mit der Folge, dass es für dessen Zulassung nicht derDurchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit inte-grierter Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte.

Vorinstanz: VG Aachen – 3 K 2040/96 –

Aus den Gründen: Als anerkannter Naturschutzverband wandte sich der Kläger gegendie Zulassung des Rahmenbetriebsplans für die Fortführung desBraunkohlentagebaus Hambach für den Zeitraum 1996 bis 2020.

Der Braunkohlentagebau Hambach liegt im rheinischen Braun-kohlenrevier (…). Am 16./17.12.1976 stellte der Braunkohlenaus-schuss einen Braunkohleplan mit der Bezeichnung Teilplan 12/1 –Hambach – auf, der mit Erlass vom 11.5.1977 für verbindlich er-klärt wurde. Er erstreckt sich über eine für den Abbau von Braun-kohle vorgesehene Gesamtfläche von rund 85 km2.

Unter dem 13.3.1978 ließ das Bergamt Köln einen (planerischen)Rahmenbetriebsplan und einen bergmännischen Betriebsplan zu.Beide Pläne erfassten eine Teilfläche von 23 km2 des dem Teilplan12/1 – Hambach – zugrunde liegenden Gebiets, auf der bis zumJahre 1995 etwa 282 Millionen Tonnen Braunkohle gewonnenwerden sollten. Noch im Jahre 1978 wurde mit dem Aufschluss derLagerstätte begonnen. Die Braunkohlengewinnung setzte im Jah-re 1984 ein.

Unter dem 3.5.1993 stellte die Beigeladene einen Rahmen-betriebsplan für die Fortführung des Tagebaus Hambach von 1996bis 2020 – im Folgenden: Rahmenbetriebsplan Hambach 1993 – auf.Die danach vorgesehene Abbaufläche schließt mit ihrer westlichenGrenze an den in den früheren Betriebsplänen beschriebenen undzugelassenen Tagebaustand an und erstreckt sich von dort aus wei-ter in südöstlicher Richtung. Die südliche Begrenzung entsprichtdem voraussichtlichen Tagebaustand im Jahre 2020.

Das beklagte Bergamt gelangte nach Abstimmung mit anderenBehörden zu der Auffassung, für die Zulassung des Rahmenbe-triebsplans sei die Durchführung einer Umweltverträglichkeit-sprüfung nicht notwendig, und verzichtete deshalb auf ein Plan-feststellungsverfahren, an dem der Kläger hätte beteiligt werdenmüssen. Dem Kläger wurde aber dennoch Gelegenheit zur Stel-lungnahme gegeben.

Mit Bescheid vom 17.8.1995 ließ das beklagte Bergamt den Rah-menbetriebsplan Hambach 1993 befristet bis zum 31.12.2020 undmit zahlreichen Nebenbestimmungen zu. Den dagegen eingeleg-ten Widerspruch des Klägers wies das Landesoberbergamt NRWzurück.

Mit seiner Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend,sein Mitwirkungsrecht aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987sei verletzt, weil das beklagte Bergamt die erforderliche Durch-führung eines Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträg-lichkeitsprüfung unterlassen habe.

Die Klage und auch die Berufung des Klägers blieben ohne Er-folg.

A. Hauptantrag

I. Der Hauptantrag ist zulässig. Er ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 1. AlternativeVwGO statthaft, da das Begehren des Klägers auf die Aufhebungdes Bescheids des Beklagten über die Zulassung des Rahmenbe-triebsplans Hambach 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids des Landesoberbergamts NRW und damit auf die Aufhe-bung eines Verwaltungsakts gerichtet ist.

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OVG Münster, Bete i l igungsrechte und UVP für Braunkohletagebau | R E C H T S P R E C H U N G

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R E C H T S P R E C H U N G | OVG Münster, Bete i l igungsrechte und UVP für Braunkohletagebau

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Der Kläger verfügt über die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlicheKlagebefugnis.

Sie ergibt sich aus der von ihm geltend gemachten Verletzungdes Mitwirkungsrechts aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Bundesnatur-schutzgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 12.3.1987 (BGBl. IS. 889) – im Folgenden: BNatSchG 1987 –. (…) Der Kläger kann sichauf eine Verletzung der sich aus dieser Vorschrift ergebendenRechtsposition berufen. (Wird ausgeführt.) Der Kläger hat geltendgemacht, durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans Ham-bach 1993 in seinem Mitwirkungsrecht aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4BnatSchG 1987 verletzt zu sein. Mit seinem Einwand, anstelle destatsächlich erfolgten Verfahrens auf Zulassung eines fakultativenRahmenbetriebsplans im Sinne von § 52 Abs. 2 BBergG vom13.8.1980 (BGBl. I S. 1310) i.d.F. vom 12.2.1990 (BGBl. I S. 215)hätte ein Planfeststellungsverfahren im Sinne von § 52 Abs. 2 aBBergG durchgeführt werden müssen, beruft sich der Kläger auf ei-ne Verletzung dieses Mitwirkungsrechts. Träfe seine Rechtsauffas-sung zu, läge eine solche Rechtsverletzung tatsächlich vor.

Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Klägerkönne sich schon deshalb nicht auf ein Mitwirkungsrecht aus § 29Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 berufen, weil tatsächlich keinPlanfeststellungsverfahren durchgeführt worden und deshalb einMitwirkungsrecht erst gar nicht entstanden sei. Dieser Einwandträgt dem Schutzzweck der Regelung nur unzureichend Rechnung.Die Mitwirkung anerkannter Naturschutzverbände zielt darauf, ei-ne möglichst effektive Berücksichtigung der Belange von Naturund Umwelt bei umweltrelevanten Vorhaben sicherzustellen. An-gesichts dessen kann das Mitwirkungsrecht nicht nur durch die un-zureichende oder gänzlich unterlassene Beteiligung des aner-kannten Naturschutzverbands an einem durchgeführten Planfest-stellungsverfahren, sondern auch durch ein rechtswidrigesAusweichen in ein nichtbeteiligungspflichtiges Verfahren verletztsein. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.5.1997 – 11 A 43.96 –, BVerwGE104, 367 = NVwZ 1998, 279; OVG Bbg., Urteil vom 28.6.2001 – 4 A115/99 –, NuR 2002, 685; HessVGH, Urteil vom 1.9.1998 – 7 UE2170/95 –, NVwZ-RR 1999, 304; OVG NRW, Urteil vom 18.7.1997– 21 B 1717/94 – NuR 1997, 617; OVG LSA, Urteil vom 29.3.1995– 4 L 299/93 –, DÖV 1995, 780; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom17.11.1992 – 10 S 2234/92 –, NVwZ-RR 1993, 179; Nds. OVG, Ur-teil vom 27.1.1992 – 3 A 221/88 –, NVwZ 1992, 903)

Dieser Grundsatz kommt uneingeschränkt für das im vorliegen-den Zusammenhang relevante Verhältnis zwischen der Zulassungeines fakultativen Rahmenbetriebsplans und derjenigen eines ob-ligatorischen Rahmenbetriebsplans zum Tragen. Auch wenn mitder Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für den Bergwerkunter-nehmer nicht unmittelbar die rechtliche Grundlage geschaffenwird, das zugrunde liegende Bergbauvorhaben durchzuführen, do-kumentiert die Zulassung eines fakultativen Rahmenbetriebsplanszugleich die – für das Mitwirkungsrecht der anerkannten Natur-schutzverbände relevante – Entscheidung, dass ein Planfeststel-lungsverfahren nach § 52 Abs. 2 a BBergG als nicht erforderlichangesehen wird. Mit dieser Entscheidung ist die Rechtsposition ei-nes anerkannten Naturschutzverbands aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4BNatSchG 1987 – wie vorliegend diejenige des Klägers – betroffen.(Vgl. in diesem Zusammenhang OVG Bbg., Urteil vom 28.6.2001– 4 A 115/99 –, a.a.O.) (…)

II. Der Hauptantrag ist aber unbegründet.1. Der Bescheid des Beklagten über die Zulassung des Rahmen-

betriebsplans Hambach 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids des Landesoberbergamts NRW verletzt den Kläger nicht inseinem Mitwirkungsrecht aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNat-SchG 1987.

a) Eine Verletzung des Mitwirkungsrechts aus § 29 Abs. 1 Satz 1Nr. 4 BnatSchG 1987 entfällt allerdings nicht schon deshalb, weil

der Kläger in dem tatsächlich durchgeführten Verfahren faktischbeteiligt worden ist.

Eine derartige faktische Beteiligung genügt schon nicht derSchutzfunktion des Mitwirkungsrechts. Würde man die rein fakti-sche Beteiligung am rechtswidrigen Verfahren als ausreichend an-sehen, bliebe ein Verstoß gegen die Beteiligungsvorschrift des § 29Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 sanktionslos und die Wahl derVerfahrensart stünde zur Disposition der Behörde. (Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.11.1992 – 10 S 2234/92 –, a.a.O.) (…)

b) Das Mitwirkungsrecht des Klägers aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4BNatSchG 1987 ist nicht verletzt, weil die Zulassung desRahmenbetriebsplans Hambach 1993 nicht auf der Grundlage ei-nes Planfeststellungsverfahrens nach Maßgabe der §§ 57 a und57 b BBergG erfolgen musste.

aa) Entgegen der Auffassung des VG kann sich die gerichtlicheÜberprüfung allerdings nicht darauf beschränken, die Entschei-dung des Beklagten zur Verfahrensart darauf hin zu kontrollieren,ob mit ihr ein an sich gebotenes Planfeststellungsverfahren um-gangen werden sollte, um das Mitwirkungsrecht des Klägers aus§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 zu vereiteln. Diese vom VGauf eine Entscheidung des BVerwG aus dem Jahre 1997 (BVerwG,Urteil vom 14.5.1997 – 11 A 43.96 –, a.a.O.) gestützte Auffassungkann für die vorliegende Fallgestaltung nicht zur Anwendungkommen. Im Gegensatz zu der dem Urteil des BVerwG zugrundeliegenden Fallgestaltung einer angefochtenen Plangenehmigungnach § 18 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, die u.a. vor-aussetzt, dass Rechte Dritter nicht betroffen sind und deren Ertei-lung bei Vorliegen der Voraussetzungen im Ermessen der Behördesteht, ist vorliegend die Entscheidung über die Art der Rahmen-betriebsplanzulassung an zwingenden gesetzlichen Bestimmungenorientiert. Sie stellt daher eine gebundene Behördenentscheidungdar, so dass kein Grund für eine nur eingeschränkte gerichtlicheÜberprüfbarkeit besteht. (Vgl. dazu im Einzelnen OVG Bbg., Urteilvom 28.6.2001 – 4 A 115/99 –, a.a.O.)

bb) Für die Zulassung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993war die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nachMaßgabe der §§ 57 a und 57 b BBergG nicht erforderlich.

Gemäß § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG ist die Aufstellung eines Rah-menbetriebsplans zu verlangen und für dessen Zulassung ein Plan-feststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57 a und 57 b BBergGdurchzuführen, wenn ein Vorhaben nach § 57 c BBergG einer Um-weltverträglichkeitsprüfung bedarf.

Einer solchen Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf nach § 57 cBBergG in Verbindung mit § 1 Nr. 1 Buchst. b UVP-V Bergbau vom13.7.1990 (BGBl. I S. 1420) u.a. ein betriebsplanpflichtiges berg-bauliches Vorhaben zur Gewinnung von Braunkohle im Tagebaumit einer Größe der beanspruchten Gesamtfläche einschließlichBetriebsanlagen und Betriebseinrichtungen von 10 ha oder mehr,mit einer Förderkapazität von 3.000 Tonnen oder mehr je Tag odermit der Notwendigkeit einer großräumigen Grundwasserabsen-kung.

Obwohl das von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zumGegenstand des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993 gemachteVorhaben jede dieser in § 1 Nr. 1 Buchst. b UVP-V Bergbau ge-nannten Voraussetzungen erfüllt, ist für die Zulassung des Rah-menbetriebsplans die Durchführung eines Planfeststellungs-verfahrens nach Maßgabe der §§ 57 a und 57 b BBergG nicht er-forderlich. Insofern kann offen bleiben, ob § 52 Abs. 2 a Satz 1BBergG bereits deshalb nicht einschlägig ist, weil das Braunkohle-planverfahren nach dem Landesplanungsgesetz, das eine Umwelt-verträglichkeitsprüfung vorsieht, als Verfahren im Sinne von § 54Abs. 2 Satz 3 BBergG anzusehen ist, auf welches gemäß § 52 Abs. 2 bSatz 2 BBergG die Vorschriften über den obligatorischen Rahmen-betriebsplan keine Anwendung finden. Denn § 52 Abs. 2 a Satz 1

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OVG Münster, Bete i l igungsrechte und UVP für Braunkohletagebau | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 5/2005 | 251

BBergG kommt für die streitgegenständliche Zulassung schon des-halb nicht zur Anwendung, weil es sich bei dem von der Rechts-vorgängerin der Beigeladenen zum Gegenstand des Rahmenbe-triebsplans Hambach 1993 gemachten Vorhaben nicht um einVorhaben im Sinne von § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG handelt.

(1) Diese Feststellung beruht darauf, dass eine Auslegung des Be-griffs des Vorhabens in § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG ergibt, dass hier-mit allein das Bergbauvorhaben als Ganzes gemeint ist (a), was zurKonsequenz hat, dass es bei (Gesamt-)Vorhaben, mit deren Aus-führung vor dem Inkrafttreten des § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG be-reits teilweise begonnen worden ist, für die auf weitere Abbau-abschnitte bezogenen Entscheidungen keiner Prüfung ihrer Um-weltverträglichkeit bedarf (b). Auch das Gemeinschaftsrechtzwingt weder zu einer abweichenden Auslegung des Vorhabenbe-griffs noch begründet es für bereits begonnene (Gesamt-)Vorhabendie Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (c). Dievom Kläger erhobenen Einwände rechtfertigen ebenfalls keine an-dere Auslegung des Vorhabenbegriffs (d).

(a) Für ein sachgerechtes Verständnis des Begriffs des Vorhabensim Sinne von § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG ist die Entstehungsge-schichte der Vorschrift und damit verbunden der gesetzessyste-matische Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht, von we-sentlicher Bedeutung:

§ 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG ist durch Art. 1 Nr. 4 Buchst. b desGesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990(BGBl. I S. 215) – im Folgenden: BergRÄndG – in das Bundesberg-gesetz aufgenommen worden und am 1.8.1990 (vgl. Art. 4 Satz 2BergRÄndG) in Kraft getreten. U.a. mit dieser Bestimmung hat dieBundesrepublik Deutschland die Richtlinie des Rates über die Um-weltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und pri-vaten Projekten vom 27.6.1985 (RL 85/337 EWG, ABlEG Nr. L 175,S. 40) – im Folgenden: UVP-Richtlinie – für den Bereich des Berg-baus umgesetzt. Die Einführung eines Planfeststellungsverfahrensfür die Zulassung des (obligatorischen) Rahmenbetriebsplans soll-te eine geeignete verfahrensrechtliche Grundlage für die Umwelt-verträglichkeitsprüfung schaffen. Dabei beruht die Einführung derUmweltverträglichkeitsprüfung auf dem Gedanken, dass ein Vor-haben, das einer Prüfung seiner Umweltverträglichkeit bedarf, fürdie Beurteilung der Umwelteinwirkungen als Ganzes in den Blickgenommen werden und als Ganzes Gegenstand des Verfahrenssein soll. Bei allen technischen Planungen und Entscheidungensollen die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglichberücksichtigt werden.

Daraus erhellt, dass mit dem Vorhaben, das § 52 Abs. 2 a Satz 1BBergG einem Planfeststellungsverfahren mit eingeschlossenerUmweltverträglichkeitsprüfung unterwirft, das Bergbauvorhabenals Ganzes gemeint ist und nicht gegenständlich oder zeitlich be-grenzte Teilabschnitte erfasst werden sollen, wie sie Gegenstand ei-nes fakultativen Rahmenbetriebsplans im Sinne von § 52 Abs. 2Nr. 1 BBergG sein können. (Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom12.6.2002 – 7 C NVwZ 2002, 1237 und – 7 C 3.02 –, ZfB 2002, 165,und Urteil vom 2.11.1995 – 4 C 14.94 –, a.a.O.)

Der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung soll also das Ge-samtvorhaben unterworfen werden. Für den vollständigen Prozessder Rohstoffgewinnung aus einem Lagervorkommen von seinemBeginn an bis zu seinem geplanten Ende sollen die Auswirkungenauf die Umwelt in ihrer Gesamtheit erfasst und bewertet werden.(Vgl. OVG Bbg., Urteil vom 28.6.2001 – 4 A 115/99 –, a.a.O.)

Die UVP-Richtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten zwar auch dieMöglichkeit, in ihren nationalen Genehmigungsverfahren eineUmweltverträglichkeitsprüfung in mehreren Verfahren oder Ver-fahrensabschnitten vorzusehen, solange diese insgesamt einer ein-heitlichen Prüfung gleichwertig sind. Der bundesdeutsche Ge-setzgeber hat aber bei der Änderung des Bundesberggesetzes aus-

weislich der in § 52 Abs. 2 b Satz 1 BBergG getroffenen Regelungeine Umweltverträglichkeitsprüfung in mehreren Schritten nurausnahmsweise zugelassen. Einer solchen besonderen Ausnahme-regelung zur Zulässigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung fürTeilabschnitte hätte es indes nicht bedurft, wenn die gesetzlicheNeuregelung nicht von dem Grundgedanken getragen wäre, dassder obligatorische Rahmenbetriebsplan grundsätzlich (nur) für dasGesamtvorhaben aufzustellen und zuzulassen ist. (Vgl. BVerwG,Urteile vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 -, a.a.O., und – 7 C 3.02 –, a.a.O.)

Im Weiteren sprechen auch die in den zusätzlichen – sich aus§ 57 a Abs. 2 BBergG ergebenden – Anforderungen für obligatori-sche Rahmenbetriebspläne zum Ausdruck kommenden verschie-denen Zielrichtungen dafür, den Gegenstand von obligatorischenund von fakultativen Rahmenbetriebsplänen zu unterscheiden. Einfakultativer Rahmenbetriebsplan muss sich nicht auf das gesamteBergbauvorhaben erstrecken, sondern kann auch auf einen räum-lich oder zeitlich in sich abgeschlossenen und abgrenzbaren Teil ei-nes solchen beschränkt sein. Im Gegensatz dazu kann Gegenstandeines obligatorischen Rahmenbetriebsplans nur das Gesamt-vorhaben sein, da im Rahmen des obligatorischen Rahmenbe-triebsplans zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch-zuführen ist und insoweit eine grundsätzlich endgültige Entschei-dung getroffen werden soll. (Vgl. Boldt/Weller, Bundesberggesetz,Ergänzungsband zum Kommentar, 1992, Zu § 52 Rn. 21.)

Von einem auf das Gesamtvorhaben abstellenden Verständnisdes Vorhabenbegriffs in § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG ist schließlichauch der nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers ausgegan-gen, wie dessen Reaktion auf die Einfügung des § 52 Abs. 2 b Satz 2BBergG durch das Bergrechtsänderungsgesetz zeigt. (Wird ausge-führt.)

(b) Dieses auf das Bergbauvorhaben als Ganzes abstellende Be-griffsverständnis des Vorhabens im Sinne von § 52 Abs. 2 a Satz 1BBergG hat bei solchen Gesamtvorhaben, bei denen zum Zeit-punkt der Einführung der Planfeststellungspflicht bereits teilweisemit der Ausführung begonnen worden ist, zur Konsequenz, dassdie weiteren Abschnitte des Abbaus nicht unter § 52 Abs. 2 a Satz 1BBergG fallen und damit keiner Prüfung ihrer Umweltverträglich-keit in einem Planfeststellungsverfahren bedürfen, solange sie sichim Rahmen dieses, vor Inkrafttreten des § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergGbegonnenen Gesamtvorhabens halten. Denn es entspräche nichtdem Sinn der Vorschrift des § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG, die Fort-führung bereits teilweise ausgeführter Gesamtvorhaben im Nach-hinein einer Umweltverträglichkeitsprüfung und einem Planfest-stellungsverfahren zu unterwerfen, die sich zwangsläufig auf Teil-aspekte des Vorhabens beschränken müsste, ohne das Ganze inden Blick nehmen zu können. (Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteilevom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –, a.a.O., und – 7 C 3.02 –, a.a.O., undvom 2.11.1995 – 4 C 14.94 –, BVerwGE 100, 1 = NVwZ 1996, 907.)

Dabei kommt es nach dem Zweck der Umweltverträglichkeit-sprüfung – entgegen der Annahme des Klägers – nicht darauf an,ob das Gesamtvorhaben schon als solches genehmigt worden ist;entscheidend ist vielmehr allein, ob mit ihm tatsächlich schon be-gonnen worden ist. Denn weder das Bundesberggesetz in der vordem Erlass des Bergrechtsänderungsgesetzes maßgeblichen Fas-sung noch das davor geltende Allgemeine Berggesetz vom24.6.1865 (PrGS. NRW. S. 164), zuletzt geändert durch Artikel XX-XIII des Zweiten Gesetzes zur Anpassung landesrechtlicher Straf-und Bußgeldvorschriften an das Bundesrecht vom 3.12.1974(GV. NRW. S. 1504), – im Folgenden: AllgBergG – schrieben eineZulassung des Gesamtvorhabens vor. Vielmehr war vor der Ein-führung des § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG – und ist außerhalb des Be-reichs des obligatorischen Rahmenbetriebsplans auch noch heu-te – die Zulassung bergbaulicher Maßnahmen im Betriebsplan-verfahren durch eine fortlaufende, nach Zeitabschnitten gestufte

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Kontrolle gekennzeichnet. (Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.6.2002 –7 C 2.02 –, a.a.O., und – 7 C 3.02 –, a.a.O., und Urteil vom13.12.1991 – 7 C 25.90 -, BVerwGE 89, 246 = NVwZ 1992, 980.)

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat auch keine Übergangsre-gelung geschaffen, die davon abweichend bestimmt, dass bereitsbegonnene (Gesamt-)Vorhaben – zumindest in Teilen – im Nach-hinein einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind.Angesichts der Tatsache, dass für die Beurteilung der Umwelt-auswirkungen das Vorhaben als Ganzes in den Blick zu nehmenund Gegenstand des UVP-Verfahrens ist, hätte es für die Anwen-dung des neuen Rechts auf die Fortführung bereits teilweise aus-geführter (Gesamt-)Vorhaben und damit auf teilweise abgeschlos-sene Tatbestände einer entsprechenden Aussage des Gesetzgebersbedurft. An einer solchen fehlt es aber. Insbesondere kann eine der-artige Übergangsregelung nicht in der im Zusammenhang mit derEinführung des Planfeststellungsverfahrens in das Bundesbergge-setz erlassenen Überleitungsvorschrift des Art. 2 BergRÄndG gese-hen werden. (Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –,a.a.O., und – 7 C 3.02 -, a.a.O.)

Vielmehr sieht Satz 1 des Art. 2 BergRÄndG nur für die Fälle, indenen ein (Betriebsplan-)Verfahren vor dem 1.8.1990 eingeleitetworden ist, vor, dass – trotz des nach altem Recht bereits eingelei-teten Verfahrens – unter bestimmten Voraussetzungen rückwir-kend neues Recht anwendbar werden und damit das Verfahrennochmals, und zwar nach neuem Recht, einzuleiten sein kann. Daauch diese Bestimmung eindeutig vorhabenbezogen zu verstehenist, bezieht sie sich ebenfalls auf das Gesamtvorhaben und fordert– im Nachhinein – die Einleitung eines neuen Verfahrens, nämlicheines Planfeststellungsverfahrens für einen (obligatorischen) Rah-menbetriebsplan mit Umweltverträglichkeitsprüfung nur in denFällen, in denen – erst – ein bergrechtliches Verfahren begonnenworden, nicht aber auch dann, wenn die Ausführung des (Gesamt-)Vorhabens schon in Angriff genommen worden ist. (Vgl. dazuBVerwG, Urteil vom 2.11.1995 – 4 C 14.94 -, a.a.O.)

Dem entspricht es, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber,als er bei der Änderung des Landesplanungsgesetzes im Jahre 1993für den Bereich des Braunkohlenabbaus von der Möglichkeit Ge-brauch gemacht hat, vorzusehen, dass die Umweltverträglich-keitsprüfung nicht im bergrechtlichen Verfahren, sondern in ei-nem besonderen Verfahren – hier im Braunkohlenplanverfah-ren – durchgeführt wird, in der Übergangsvorschrift des Art. IIAbs. 2 LPlG-ÄndG 1993 ausdrücklich bestimmt hat, dass rechts-verbindliche Braunkohlenpläne weiter gelten.

(c) Auch die UVP-Richtlinie zwingt weder zu einer anderen Aus-legung des Begriffs des Vorhabens in § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG,noch vermag sie die Notwendigkeit zu begründen, für bereits be-gonnene (Gesamt-)Vorhaben im Nachhinein eine Umweltverträg-lichkeitsprüfung durchzuführen. Dies erschließt sich aus folgen-den Erwägungen:

Die UVP-Richtlinie ist nur auf solche Projekte anwendbar, dieweder begonnen noch beantragt waren, als die Frist zur Umsetzungder Richtlinie ablief. Projekte dürfen von der Durchführung einerUmweltverträglichkeitsprüfung nicht befreit werden, wenn für siezwar vor dem 3.7.1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zurUmsetzung der UVP-Richtlinie, bereits eine Genehmigung erteiltworden war, von dieser Genehmigung aber in der Folge kein Ge-brauch gemacht und nach dem 3.7.1988 ein neues Genehmi-gungsverfahren förmlich eingeleitet worden ist. (Vgl. EuGH, Urteilvom 18.6.1998 – C-81/96 –, EuGHE I 1998, 3923.)

Daraus ergibt sich, dass die UVP-Richtlinie namentlich nicht aufsolche Projekte anwendbar ist, die vor dem Stichtag bereits be-gonnen waren. Entscheidend kommt es dabei auf den tatsächli-chen Beginn des Projekts an, nicht aber darauf, ob hierfür eine Ge-nehmigung erforderlich war, von der Gebrauch gemacht worden

ist. Denn die UVP-Richtlinie erfasst auch Projekte, für welche dasRecht der Mitgliedstaaten die Erteilung einer Genehmigung nichtvorgesehen hatte. Art. 2 Abs. 2 UVP-Richtlinie stellt den Mitglied-staaten anheim, die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmenbestehender Verfahren oder, falls solche nicht bestehen, im Rah-men anderer, gegebenenfalls auch neu einzuführender Verfahrendurchzuführen. Die UVP-Richtlinie geht also ersichtlich von derMöglichkeit aus, dass Projekte, die aufgrund der Richtlinie nun-mehr einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, zuvor ohneGenehmigung begonnen werden konnten, und will für solche be-gonnenen Projekte nicht rückwirkend eine Prüfungspflicht ein-führen. (Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –, a.a.O.,und – 7 C 3.02 –, a.a.O.)

Bestätigt wird diese Auffassung durch die UVP-Änderungsricht-linie vom 3.3.1997 (RL 97/11/EG, AblEG Nr. L 073, S. 5). Sie hat diefrühere Nr. 12 des Anhangs II (jetzt Nr. 13) neu formuliert. Danachwird die Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten,durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Pro-jekten als Projekt im Sinne des Anhangs II angesehen. Diese Be-stimmung trifft keine Neuregelung, sondern stellt nur klar, was vonAnfang an gewollt war. Danach sind durchgeführte oder in derDurchführungsphase befindliche Projekte nur dann Gegenstandeiner Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn sie geändert oder er-weitert werden. Insoweit macht die Richtlinie keinen Unterschiedzwischen genehmigten, durchgeführten oder in der Durch-führungsphase befindlichen Projekten. (Vgl. BVerwG, Urteile vom12.6.2002 – 7 C 2.02 –, a.a.O., und – 7 C 3.02 –, a.a.O.)

Allerdings mag eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlichsein, wenn für ein Projekt, das die insoweit einschlägigen Kriteri-en erfüllt, eine (neue) Genehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2UVP-Richtlinie beantragt wird, selbst wenn das Projekt nach derfrüheren Rechtslage ohne Genehmigung begonnen werden durfteund begonnen worden ist. (Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.6.2002– 7 C 2.02 –, a.a.O., und – 7 C 3.02 –, a.a.O.)

Das ist hier jedoch nicht der Fall. Eine neue Genehmigung desGesamtvorhabens Tagebau Hambach I steht nicht in Rede.

(d) Der Kläger bezweifelt, dass bei der Auslegung des Vorhaben-begriffs in § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG das Bergbauvorhaben alsGanzes in den Blick zu nehmen ist, und vertritt dazu die Auffas-sung, im Bundesberggesetz sei von einem einheitlichen Vorha-benbegriff auszugehen.

Mit diesem Vorbringen trägt der Kläger jedoch dem Unterschiedzwischen einem fakultativen und einem obligatorischen Rahmen-betriebsplan nur unzureichend Rechnung. Seine Argumentationbeschränkt sich – im Wesentlichen orientiert an Rechtsprechungund Literatur aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bergrechts-änderungsgesetzes – in weiten Teilen auf allein für den fakultati-ven Rahmenbetriebsplan maßgebliche Gesichtspunkte undberücksichtigt nur unzureichend, dass die im obligatorischen Rah-menbetriebsplanverfahren durchzuführende Umweltverträglich-keitsprüfung gerade auf die Beurteilung der Umweltauswirkungendes Vorhabens als Ganzes ausgerichtet ist. Insbesondere auf diesenUmstand hat das BVerwG in seinen Entscheidungen vom12.6.2002 zu den Tagebauvorhaben Jänschwalde und Cottbus-Nord – vgl. BVerwG, Urteile vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –, a.a.O., und– 7 C 3.02 –, a.a.O., – jedoch maßgeblich abgestellt und daraus dieSchlussfolgerung gezogen, dass mit dem Vorhaben, das § 52Abs. 2 a Satz 1 BBergG einem Planfeststellungsverfahren mit ein-geschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung unterwirft, dasBergbauvorhaben als Ganzes gemeint ist und nicht gegenständlichoder zeitlich begrenzte Teilabschnitte erfasst werden, wie sie Ge-genstand eines fakultativen Rahmenbetriebsplan nach § 52 Abs. 2Nr. 1 BBergG sein können. (…)

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(2) Ausgehend von diesem Begriffsverständnis fällt das von derRechtsvorgängerin der Beigeladenen zum Gegenstand des Rah-menbetriebsplans Hambach 1993 gemachte Vorhaben nicht unterden Vorhabenbegriff des § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG, weil der Ab-bau der Lagerstätte Hambach I ein Gesamtvorhaben darstellt (a),mit dessen Ausführung vor dem Ablauf der Frist zur Umsetzung derUVP-Richtlinie am 3.7.1988 und damit auch vor dem Inkrafttre-ten des Bergrechtsänderungsgesetzes am 1.8.1990 begonnen wor-den war (b) und zu dem als unselbständiger Teil das dem Rah-menbetriebsplan Hambach 1993 zugrunde liegende Vorhabenzählt (c). Entgegen der Auffassung des Klägers zwingen auch we-der gemeinschaftsrechtliche Vorgaben noch sonstige Erwägungendazu, für das zum Gegenstand des Rahmenbetriebsplans Ham-bach 1993 gemachte Vorhaben die Notwendigkeit der Durch-führung einer Umweltverträglichkeitsprüfung anzunehmen (d).

(a) Schon nach der Art des Vorhabens spricht eine gewisse Ver-mutung dafür, dass es sich bei bergbaulichen Tätigkeiten, die eineBraunkohlengewinnung in einem Abbaugebiet im Tagebau zumGegenstand haben, um ein Gesamtvorhaben handelt. Denn der Ab-bau von Braunkohle im Tagebau ist seiner Natur nach großflächigangelegt und erfordert in der Regel bereits vor dessen Beginn eineumfängliche Planung des gesamten Abbauvorhabens. Gerade inAnbetracht dessen, dass die Führung des Abbaus regelmäßig schonzu Beginn für das gesamte Braunkohlefeld festgelegt werden muss,die in dem Bereich des vorgesehenen Abbaufeldes wohnendenMenschen (frühzeitig) umgesiedelt werden müssen und auch dieGrundwasserregulierung in ihrer Gesamtheit von Anfang in denBlick zu nehmen ist, deuten gewichtige Indizien darauf hin, dasssich ein Braunkohlentagebau im Regelfall als ein einheitliches Vor-haben darstellt. Des Weiteren kommt hinzu, dass der Braunkohle-tagebau dadurch gekennzeichnet ist, dass der Bergwerkunterneh-mer vor der ersten Gewinnung von Braunkohle erhebliche In-vestitionen zu tätigen hat, die sich erst dann amortisieren, wenn einGroßteil des Braunkohlefeldes abgebaut worden ist.

Diese abstrakte Vermutung für das Vorliegen eines Gesamtvor-habens findet im vorliegenden Einzelfall seine Bestätigung in zahl-reichen tatsächlichen Umständen, die in ihrer Gesamtheit die An-nahme rechtfertigen, dass der Abbau der Lagerstätte Hambach I einGesamtvorhaben im Sinne des § 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG darstellt.(Wird ausgeführt.)

(b) Mit der Ausführung dieses auf den vollständigen Abbau derLagerstätte Hambach I gerichteten Gesamtvorhabens ist vor demAblauf der Frist zur Umsetzung der UVP-Richtlinie am 3.7.1988und damit auch vor dem Inkrafttreten des Bergrechtsänderungs-gesetzes am 1.8.1990 begonnen worden. Denn die Ausführung be-gann im Jahre 1978 mit dem Aufschluss des Tagebaus auf derGrundlage des (planerischen) Rahmenbetriebsplans 1977 und desbergmännischen Betriebsplans 1977 sowie der auf diesen aufbau-enden Haupt- und Sonderbetriebspläne. Die erste Braunkohle wur-de im Jahre 1984 gewonnen. In der Folgezeit ist der Abbau konti-nuierlich fortgesetzt worden.

(c) Die dem Rahmenbetriebsplan Hambach 1993 zugrunde lie-gende Abbautätigkeit stellt einen unselbständigen Teilabschnittdes den vollständigen Abbau der Lagerstätte Hambach I umfas-senden Gesamtvorhabens dar.

Der Rahmenbetriebsplan Hambach 1993 hält sich im vollen Um-fang innerhalb der durch das Gesamtvorhaben vorgegebenenGrenzen. Mit dem in dem Rahmenbetriebsplan beschriebenenVorhaben wird der Abbau der Lagerstätte Hambach I orientiert anden das Gesamtvorhaben kennzeichnenden Planungen fort-gesetzt. (Wird ausgeführt.)

(d) Entgegen der Auffassung des Klägers zwingen weder ge-meinschaftsrechtliche Vorgaben noch sonstige Erwägungen dazu,für das zum Gegenstand des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993

gemachte Vorhaben die Notwendigkeit der Durchführung einerUmweltverträglichkeitsprüfung anzunehmen.

(aa) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Zu-lassung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993 stelle eine Ge-nehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie dar. Die Zu-lassung könnte nur dann als eine solche Genehmigung angesehenwerden, wenn das ihr zugrunde liegende Vorhaben ein (neues)Projekt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie wäre. Daran fehltes aber hier. Das Vorhaben, das Gegenstand des Rahmenbe-triebsplans Hambach 1993 ist, stellt kein neues Projekt im Sinnevon Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie, sondern – wie bereits im Einzel-nen dargelegt – lediglich einen unselbständigen Teilabschnitt desauf den vollständigen Abbau der Lagerstätte Hambach I ge-richteten Gesamtvorhabens dar.

(bb) Angesichts dessen führt auch der Hinweis des Klägers nichtweiter, das BVerwG habe in seinen Entscheidungen vom 12.6.2002zu den Tagebauvorhaben Jänschwalde und Cottbus-Nord – vgl.BVerwG, Urteile vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –, a.a.O., und – 7 C3.02 –, a.a.O., – ausgeführt, eine Umweltverträglichkeitsprüfungmöge erforderlich sein, wenn für ein Projekt, das die insoweit ein-schlägigen Kriterien erfülle, eine (neue) Genehmigung im Sinnevon Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie beantragt werde, selbst wenn dasProjekt nach der früheren Rechtslage ohne Genehmigung begon-nen werden durfte und begonnen worden sei. Denn die beantrag-te Zulassung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993 war geradenicht auf die Erteilung einer (neuen) Genehmigung für den Abbauder Lagerstätte Hambach I in seiner Gesamtheit gerichtet, sondernhatte lediglich einen unselbständigen Teilabschnitt dieses Ge-samtvorhabens zum Gegenstand.

(cc) Zu Unrecht wendet der Kläger im Weiteren ein, die Zulas-sung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993 müsse schon des-halb als eine Genehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richt-linie angesehen werden, weil das Recht zur Durchführung des Vor-habens erst mit dieser Zulassung und nicht schon zu einemfrüheren Zeitpunkt durch einen Akt eingeräumt worden sei, der alsGenehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie eingestuftwerden könne. Abgesehen davon, dass auch die Zulassung einesRahmenbetriebsplans noch nicht den Abbau zulässt, verkennt derKläger mit diesem Einwand, dass eine Anwendung der UVP-Richt-linie schon dann nicht geboten ist, wenn mit einem Projekt vordem 3.7.1988 tatsächlich begonnen worden ist. Ob für diesen Be-ginn eine Genehmigung erforderlich war oder nicht, ist hingegenunerheblich. (Vgl. EuGH, Urteil vom 18.6.1998 – C-81/96 –, a.a.O.)

Die UVP-Richtlinie legt nämlich zugrunde, dass mit Projekten,für die mit der Richtlinie eine Pflicht zur Durchführung einer Um-weltverträglichkeitsprüfung begründet worden ist, nach der zuvorin den Mitgliedstaaten geltenden Rechtslage auch ohne Vorliegeneines als Genehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinieeinzustufenden Aktes begonnen werden durfte. (Vgl. BVerwG, Ur-teile vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –, a.a.O., und – 7 C 3.02 –, a.a.O.)

Angesichts dessen ist es unerheblich, ob in der Verbindlichkeit-serklärung des Teilplans 12/1 – Hambach – oder in der Zulassungder Betriebspläne aus dem 1977 ein mit einer Genehmigung imSinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie vergleichbarer Akt gesehenwerden kann. Maßgeblich ist allein, dass mit dem Vorhabentatsächlich begonnen worden ist, das ist hier – wie bereits darge-stellt – in Anbetracht des als Gesamtvorhaben einstufenden Ab-baus des Braunkohlefeldes Hambach I anzunehmen.

(dd) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch aus der»Wells«-Entscheidung des EuGH – vgl. Urteil vom 7.1.2004,C-201/02, NVwZ 2004, 593 – nichts anderes herzuleiten. (Wird aus-geführt.)

(ee) Auch der Verweis des Klägers auf die »Herzmuschelfischer«-Entscheidung des EuGH – vgl. Urteil vom 7.9.2004. C-127/02,

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EuZW 2004, 730 – rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Auch dieseEntscheidung betrifft eine Fallgestaltung, die mit der vorliegendennicht vergleichbar ist. (…) Denn bei der Erteilung der dort in Redestehenden Lizenzen ist offensichtlich jedes Mal die Ausübung dermechanischen Herzmuschelfischerei im Laufe eines Jahres in ihrerGesamtheit erneut zu beurteilen, ohne dass hierfür frühere Ent-scheidungen von Belang wären. Darin liegt aber der wesentlicheUnterschied zu der hier streitgegenständlichen Zulassung des Rah-menbetriebsplans Hambach 1993, die lediglich einen unselbstän-digen Teilabschnitt eines bereits festgelegten und teilweise insWerk gesetzten Gesamtvorhabens zum Gegenstand hat, so dass da-bei gerade nicht der Abbau der Lagerstätte Hambach I in seiner Ge-samtheit erneut zur Überprüfung ansteht.

2. Neben § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 bestehen we-der eine Rechtsvorschrift, aus denen sich ein Recht des Klägers er-geben könnte, dessen Verletzung er im vorliegenden Verfahrengeltend machen kann (1.), noch eine Bestimmung, die ihm unab-hängig von einer eigenen Rechtsbetroffenheit eine Klage-möglichkeit eröffnet (2.).

a) Soweit der Kläger – insbesondere mit der Berufungsbegrün-dung – Verstöße der Zulassung des Rahmenbetriebsplans Ham-bach 1993 gegen die Richtlinie des Rates über die Erhaltung derwild lebenden Vogelarten vom 2.4.1979 (RL 79/409 EWG, ABlEGNr. L 103, S. 1) – im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie – und dieFFH-Richtlinie geltend macht, bedarf es keines näheren Eingehensauf dieses Vorbringen, da beide Richtlinien dem Kläger keinegerichtlich durchsetzbare Rechtsposition zu vermitteln vermögen.(…)

b) Dem Kläger ist auch nicht die Möglichkeit eröffnet, die streit-gegenständliche Zulassung des Rahmenbetriebsplans Ham-bach 1993 unabhängig von der Geltendmachung einer eigenenRechtsverletzung mittels einer sogenannten altruistischen Ver-bandsklage zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen.

aa) Die Möglichkeit einer derartigen altruistischen Ver-bandsklage, die durch Art. I Nr. 8 des Gesetzes zur Änderung desLandschaftsgesetzes vom 9.5.2000 (GV. NRW. S. 487) für das LandNordrhein-Westfalen eingeführt worden ist, ist nunmehr in § 12 bAbs. 1 LG NRW vom 21.7.2000 (GV. NRW. S. 568) geregelt. Nachdieser Bestimmung kann ein nach den Vorschriften des Bundes-naturschutzgesetzes anerkannter Verband Rechtsbehelfe gegen ei-nen Verwaltungsakt nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsord-nung einlegen, ohne eine Verletzung eigener Rechte darlegen zumüssen, wenn er geltend macht, dass der Verwaltungsakt den Vor-schriften des Bundesnaturschutzgesetzes, des LandschaftsgesetzesNRW, den aufgrund dieser Gesetze erlassenen oder fortgeltendenRechtsvorschriften oder anderen Rechtsvorschriften einschließlichderjenigen der Europäischen Union widerspricht, die auch den Be-langen des Naturschutzes und der Landschaftspflege dienen.

(1) Unabhängig von der Frage, ob erst eine nach der Klageerhe-bung erlassene Rechtsvorschrift überhaupt im Nachhinein eine Kla-gebefugnis für einen Kläger zu begründen vermag, kann die Be-stimmung des § 12 b Abs. 1 LG NRW vorliegend schon mit Blick aufihren zeitlichen Anwendungsbereich nicht zum Tragen kommen.

Nach der durch Art. I Nr. 19 des Gesetzes zur Änderung desLandschaftsgesetzes vom 9.5.2000 (GV. NRW. S. 487) in das Land-schaftsgesetz NRW eingefügten Übergangsvorschrift des § 76 Abs. 2Satz 1 LG NRW findet § 12 b LG NRW grundsätzlich nur auf Ver-waltungsakte Anwendung, die nach dem Inkrafttreten des Geset-zes erlassen worden sind. Diese Voraussetzung erfüllt die streit-gegenständliche Zulassung offensichtlich nicht.

Darüber hinaus kommt nach § 76 Abs. 2 Satz 2 LG NRW die Mög-lichkeit der Verbandsklage auch gegen solche Verwaltungsakte inBetracht, die bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes nicht be-standskräftig waren und für die im vorausgegangenen Verwal-

tungsverfahren eine Mitwirkung der anerkannten Verbände ge-setzlich vorgeschrieben war. Diese Voraussetzungen sind hier eben-falls nicht erfüllt.

Zwar war die Zulassung des Rahmenbetriebsplans Ham-bach 1993 infolge der vom Kläger erhobenen Klage bei Inkrafttre-ten des Änderungsgesetzes noch nicht bestandskräftig. Es fehltaber an der weiteren Voraussetzung, dass im vorausgegangenenVerwaltungsverfahren eine Mitwirkung der anerkannten Verbän-de gesetzlich vorgeschrieben gewesen ist.

Die eine Mitwirkung der anerkannten Naturschutzverbände be-gründende Bestimmung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987kam für die Zulassung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993nicht zur Anwendung, da die Zulassung des Rahmenbetriebsplansnicht im Wege eines Planfeststellungsverfahrens erfolgt ist und –wie im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung desMitwirkungsrechts aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 imEinzelnen dargelegt – auch nicht hätte erfolgen müssen.

Eine andere Bestimmung, aus der sich eine Pflicht zur Beteili-gung der anerkannten Verbände ergeben könnte, ist nicht ersicht-lich. Insbesondere kommt auch § 12 Nr. 3 Buchst. a LG NRW nichtin Betracht, da auch diese Bestimmung mit Blick auf die Über-gangsvorschrift des § 76 LG NRW keine Anwendung findet.

(2) Ein Klagerecht aus § 12 b Abs. 1 LG NRW scheitert für denKläger aber auch daran, dass es sich bei der streitgegenständlichenZulassung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993 nicht um ei-nen solchen Verwaltungsakt handelt, gegen den § 12 b Abs. 2 Nr. 2LG NRW die Möglichkeit einer Verbandsklage eröffnet. (…)

bb) Auch § 61 Abs. 1 BNatSchG vom 25.3.2002 (BGBl. I S. 1193)– BNatSchG 2002 – vermag ein Verbandsklagerecht des Klägersnicht zu begründen. (…) Schon in zeitlicher Hinsicht kommt die-se Bestimmung nach der maßgeblichen Übergangsvorschrift des§ 69 Abs. 5 BNatSchG 2002 nicht zur Anwendung, da die Zulassungdes Rahmenbetriebsplans weder nach dem 3.4.2002 beantragtnoch nach dem 1.7.2002 erlassen worden ist. Aber auch tatbe-standlich greift diese Bestimmung vorliegend nicht ein, weil dieZulassung des Rahmenbetriebsplans Hambach 1993 – wie im Zu-sammenhang mit der geltend gemachten Verletzung des Mitwir-kungsrechts aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG 1987 bereits imEinzelnen dargestellt – zutreffend nicht im Wege eines Planfest-stellungsbeschlusses erfolgt ist.

B. HilfsantragAuch der Hilfsantrag, mit dem der Kläger eine Vorlage an denEuGH zur Einholung einer Vorabentscheidung über von ihm näherbezeichnete Fragen begehrt, hat keinen Erfolg. (Wird ausgeführt.)

Zu Einwänden gegen die Verbringung von Abfällenzwischen Mitgliedstaaten der EU

OVG Münster, Urteil vom 29. April 2004 – 20 A 3956/02

Leitsätze der Redaktion:1. Einwände gegen die Verbringung von Abfällen sind nur

dann rechtswirksam erhoben, wenn sie mit Gründen ver-sehen sind, die ihrerseits unter Umständen noch innerhalbder Frist ausgeräumt werden können und einer gerichtlichenÜberprüfung zugänglich sind.

2. Eine nicht hinlänglich durch Gründe präzisierte Ablehnungeiner Verbringung kann nicht als beachtlicher Einwandgelten.

3. Es ist ausgeschlossen, nach Ablauf der Frist zusätzliche Ein-wände nachzuschieben oder erhobene Einwände nachzu-bessern.

Vorinstanz: VG Düsseldorf – 17 K 3899/02 –

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ZUR 5/2005 | 255

Zum Sachverhalt:Die Klägerin notifizierte die Verbringung kalziumhaltiger Schläm-me aus der Rauchgasentschwefelung als zur Verwertung bestimm-te Abfälle nach Belgien. Die Schlämme sollten nach vorherigerVermischung mit anderen Stoffen in der belgischen Zementindu-strie Verwendung finden. Die Behörde am Bestimmungsortstimmte der Verbringung zu. Die Beklagte, zuständige Behörde amVersandort, erhob Einwände gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchstabe a) 1.und 2. Gedankenstrich VO (EWG) Nr. 259/93 und forderte dieKlägerin zur Vorlage weiterer Unterlagen sowie zu ergänzendenAngaben auf. Nach Ablauf der 30-Tage-Frist gemäß Art. 7 Abs. 2VO (EWG) Nr. 259/93 wandte die Beklagte zusätzlich u. a. ein,Hauptzweck der Verbringung sei die Beseitigung des Schadstoffpo-tentials der Abfälle. Das VG gab der Klage auf Verpflichtung zur Er-teilung der Zustimmung zur Verbringung statt. Nach Erledigungder Hauptsache und Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklagestellte das Berufungsgericht die Rechtswidrigkeit der Verweige-rung der Zustimmung fest.

Aus den Gründen:

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach Erledigungdes erstinstanzlich hilfsweise verfolgten Verpflichtungsbegehrenszulässig (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwen-dung). Das Verpflichtungsbegehren, dem das VG unter Klageab-weisung im Übrigen stattgegeben hat, war gegenüber den vor-rangig geltend gemachten Anfechtungs- sowie Feststellungsbe-gehren die sachgerechte Fassung des Rechtsschutzziels derKlägerin. Die beabsichtigte Verbringung der Abfälle nach Belgiensetzte die Zustimmung sowohl der zuständigen belgischen Behör-de als auch der Beklagten voraus. Die Deklarierung der Abfälle alssolche zur Verwertung hatte lediglich zur Folge, dass die Verbrin-gung anders als bei einer Verbringung von zur Beseitigung be-stimmten Abfällen, bei der es stets einer schriftlichen Genehmi-gung bedarf (Art. 5 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 7, Abs. 5 derVerordnung [EWG] Nr. 259/93 des Rates zur Überwachung undKontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus derEuropäischen Gemeinschaft), nach Ablauf der Frist von 30 Tagennach der Absendung der Empfangsbestätigung hätte erfolgen dür-fen, wenn bei der gegebenen Zustimmung der belgischen Behördeauch seitens der Beklagten keine Einwände erhoben wordenwären (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO [EWG] Nr. 259/93). Das Verstreichender 30-Tage-Frist bei der Verbringung von zur Verwertung be-stimmten Abfällen hebt aber nicht das Erfordernis der behörd-lichen Zustimmung zur Verbringung auf; vielmehr gilt die Zu-stimmung mit Fristablauf als stillschweigend erteilt (Art. 8 Abs. 1Satz 2 VO [EWG] Nr. 259/93). Das Notifizierungsverfahren ist so-wohl bei der Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfäl-len als auch bei der Verbringung von zur Verwertung bestimmtenAbfällen der Sache nach als Genehmigungsverfahren ausgestaltet.In der Notifizierung ist der Antrag auf Genehmigung der Verbrin-gung zu sehen; in der Erhebung von Einwänden liegt seine Ableh-nung. Zur Ermöglichung einer beabsichtigten Verbringung zurVerwertung ist, sind – wie hier – Einwände erhoben worden, dieVerpflichtung der Behörde zur Erteilung der Zustimmung zu er-streiten. Sofern der Senat in der Vergangenheit in einstweiligenRechtsschutzverfahren gegen erhobene Einwände abweichendhiervon die Prozesssituation eines Anfechtungsbegehrens für in-teressengerecht erachtet hat (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom27.9.2002 – 20 B 1347/02 – und vom 26.4.1995 – 20 B 3057/94),hält er hieran im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG,Urteil vom 6.11.2003 – 7 C 2.03 –, NVwZ 2004, 344, nicht fest. Dieursprüngliche Verpflichtungsklage war auch in sonstiger Hinsichtzulässig. (…)

Die Klage ist begründet. Die Weigerung, die Zustimmung zurVerbringung der notifizierten Abfälle nach Belgien zu erteilen, warrechtswidrig. Bei einer Notifizierung der Verbringung von zur Ver-wertung bestimmten Abfällen können die zuständigen Behördenam Bestimmungsort und am Versandort und die für die Durchfuhrzuständige Behörde innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach derAbsendung der Empfangsbestätigung Einwände erheben, Art. 7Abs. 2 Satz 1 VO (EWG) Nr. 259/93, die nach Satz 2 dieses Absatzesauf Absatz 4 dieser Bestimmung gestützt werden müssen. Die Ver-bringung darf nach Ablauf der Frist erfolgen, wenn keine Einwän-de erhoben worden sind; die Zustimmung gilt dann als stillschwei-gend erteilt. Wird den zuständigen Behörden innerhalb der Fristnachgewiesen, dass die Probleme, die zu den Einwänden geführthatten, gelöst sind und dass die Auflagen für die Beförderung er-füllt werden, so teilen sie dies unverzüglich der notifizierendenPerson schriftlich mit und senden eine Kopie des Schreibens demEmpfänger sowie den anderen zuständigen Behörden (Art. 7 Abs. 5Satz 1 VO [EWG] Nr. 259/93).

Nicht fristgerechte Einwände sind ausgeschlossen. Das gemein-schaftliche Verbringungsrecht enthält eine harmonisierte und da-mit grundsätzlich abschließende Regelung sowohl der materiellenVoraussetzungen für einen Einwand als auch des Verfahrens (vgl.EuGH, Urteile vom 27.2.2002 – C-6/00 –, DVBl. 2002, 539, Tz. 35,und vom 13.12.2001 – C-324/99 –, DVBl. 2002, 246, Tz. 42, 67, 75;BVerwG, Urteil vom 13.3.2003 – 7 C 1.02 –, DVBl. 2003, 743). EinEinwand muss demnach unter Beachtung der in der Verordnung(EWG) Nr. 259/93 vorgesehenen Modalitäten erhoben werden,um den Eintritt der Rechtswirkungen nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO(EWG) Nr. 259/93 und das Entstehen der Pflicht zur Erteilung derZustimmung zu hindern. Mit der Frist nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO(EWG) Nr. 259/93 garantiert das gemeinschaftsrechtlich harmoni-sierte Verwaltungsverfahren der notifizierenden Person, dass siespätestens bei Ablauf der Frist darüber unterrichtet ist, ob und ggf.unter welchen Auflagen die Verbringung durchgeführt werdenkann (vgl. EuGH, Urteil vom 13.12.2001 – C-324/99 –, DVBl. 2002,246, Tz. 70). Der vom EuGH im Hinblick auf die Zuordnung derAbfälle zum Verbringungszweck entweder der Verwertung oderder Beseitigung neben den Einwänden nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7Abs. 4 VO (EWG) Nr. 259/93 entwickelte »Einwand des falschenVerfahrens« unterliegt deswegen ebenfalls der durch Art. 7 Abs. 2Satz 1 VO (EWG) Nr. 259/93 vorgegebenen Frist (vgl. EuGH, Urteilvom 27.2.2002 – C-6/00 –, DVBl. 2002, 539, Tz. 49).

Von der Schutzfunktion der Frist zu Gunsten der notifizieren-den Person ist auch der »Einwand der Illegalität der Verbringung«(vgl. EuGH, Beschluss vom 27.2.2003 – C-307/00 u. a. –, Tz. 122)nicht ausgenommen. Das schließt es aus, nach Ablauf der Frist zu-sätzliche Einwände nachzuschieben oder einen gegen die Verbrin-gung erhobenen Einwand durch Anführen neuer oder anders gela-gerter »Probleme« (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 VO [EWG] Nr. 259/93) nach-zubessern. Denn Einwände sind nur dann rechtswirksam erhoben,wenn sie mit Gründen versehen sind (vgl. OVG NRW, Beschlussvom 24.3.2004 – 20 B 282/04), die ihrerseits unter Umständennoch innerhalb der Frist ausgeräumt werden können und einer ge-richtlichen Überprüfung zugänglich sind. Ob und gegebenenfallsunter welchen Voraussetzungen eine ausdrücklich oder still-schweigend erteilte Zustimmung nachträglich zurückgenommenoder widerrufen werden kann, bedarf vorliegend keiner Erörte-rung, weil jedenfalls in den außerhalb der Frist für Einwände vor-gebrachten Gründen der Beklagten für ihre Weigerung, die vonder Klägerin beanspruchte Zustimmung zu erteilen, nicht der füreine Rücknahme oder einen Widerruf kennzeichnende Wille zumAusdruck kommt, eine – zu Gunsten der Klägerin – schon ergange-ne Entscheidung über die Zustimmung im Nachhinein zu korri-gieren. Die Beklagte vertritt gerade den Standpunkt, mittels ord-

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nungsgemäßer Erhebung von Einwänden die Erteilung der Zu-stimmung zu Recht verweigert zu haben; diese Vorstellung der Be-klagten ist mit einem Verständnis der Weigerung (auch) als Rück-nahme bzw. Widerruf einer erfolgten Zustimmung unvereinbar.Die Beklagte war verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen.

Die Empfangsbestätigung ist von der zuständigen belgischenBehörde unter dem 4.2.2002 ausgestellt worden. Geht man man-gels sonstiger Anhaltspunkte von einer zeitnahen Absendung derBestätigung nach Erhalt der Notifizierung aus (Art. 7 Abs. 1 VO[EWG] Nr. 259/93), endete die 30-Tage-Frist spätestens Mitte März2002. Innerhalb der Frist hat die Beklagte den Bescheid vom12.2.2002 erlassen. Ob die Beklagte mit ihrem Schreiben vom12.3.2002 die Frist ebenfalls gewahrt hat, kann dahingestellt blei-ben und zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden. Ein die Ver-weigerung der Zustimmung rechtfertigender Einwand besteht un-ter Berücksichtigung des Aussagegehalts beider Schriftstückenicht. Mit dem Bescheid vom 12.2.2002 hat die Beklagte sowohlEinwände erhoben als auch zusätzliche Angaben und Unterlagenangefordert (Art. 6 Abs. 4 VO [EWG] Nr. 259/93); mit dem Schrei-ben vom 12.3.2002 hat sie ihre Nachfrage zu einem von ihr alsmitteilungsbedürftig genannten Aspekt erneuert und mit demHinweis auf materielle Anforderungen an die Verbringung erläu-tert. Es ist schon erheblich zweifelhaft, ob die Beklagte einenrechtswirksamen, sich also im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO(EWG) Nr. 259/93 auf die Fiktion der Zustimmung zur Verbrin-gung auswirkenden Einwand angebracht hat; näher liegt es, dassdie Beklagte ein Informationsbedürfnis geäußert hat, um sodannüber die Erhebung von zureichend fundierten Einwänden ent-scheiden zu können. Die spezifischen Merkmale eines Einwandessind wegen der erwähnten Funktion der 30-Tage-Frist danach zukonkretisieren, dass er mit Gründen versehen sein muss, die »Pro-bleme« betreffen, die gegebenenfalls gelöst werden können. Dasverlangt neben einem Bezug zu den möglichen Rechtsgrundlagenfür einen Einwand ein Mindestmaß an Deutlichkeit und Be-stimmtheit, damit die notifizierende Person in die Lage versetztwird, die gesehenen »Probleme« auszuräumen. Eine nicht hin-länglich durch Gründe präzisierte Ablehnung einer Verbringungkann nicht als beachtlicher Einwand gelten. Werden – wie hier –nicht näher konkretisierte Einwände mit der Forderung nach zu-sätzlichen Informationen verknüpft, muss hinreichend zum Aus-druck kommen, ob die Behörde ihr Informationsersuchen als Mit-tel versteht, das Bestehen von nach dem bisherigen – vermeintlichlückenhaften – Kenntnisstand nur als möglich erachteten Grün-den gegen die Verbringung abzuklären, um anschließend ggf. ei-nen begründeten Einwand erheben zu können, oder ob die Behör-de das Vorhandensein von zur Erhebung von Einwänden ermäch-tigenden Problemen zugrunde legt und die Informationen imHinblick auf deren mögliche Lösung erstrebt. Die Formulierungim Bescheid vom 12.2.2002, aufgrund der bisher vorliegendenNotifizierungsunterlagen würden »Einwände gemäß Art. 7 Abs. 4a), 1. und 2. Spiegelstrich« erhoben, ließ lediglich erkennen, wel-che Rechtsgrundlagen die Beklagte für Einwände heranzog, ver-deutlichte aber nicht, welche tatsächlichen und/oder rechtlichenGesichtspunkte nach Ansicht der Beklagten die Annahme trugen,dass die Voraussetzungen dieser Vorschriften, die ihrerseits aufweit gespannte sonstige Vorschriften Bezug nehmen, erfüllt wa-ren. Eine inhaltliche Befassung und Auseinandersetzung mit ei-nem solchen »Einwand«, um die zu ihm führenden Probleme zulösen, ist mangels Offenlegung der konkret ins Auge gefassten Be-denken nicht möglich. Der Zusammenhang zwischen der Er-hebung der Einwände und dem Informationsverlangen wird we-der im Bescheid vom 12.2.2002 noch im Schreiben vom 12.3.2002nachvollziehbar erläutert.

Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Folgen eines Informa-tionsverlangens nach Art. 6 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 259/93 auf denLauf der Frist keine ausdrückliche Regelung erfahren haben; dieBefugnis zur Verbringung ist davon nicht abhängig gemacht wor-den, obwohl sich die Voraussetzungen für die Erhebung von Ein-wänden im Einzelfall nur anhand aussagekräftiger Unterlagen be-urteilen lassen. Die Notifizierung dient gerade dazu, die zu-ständigen Behörden angemessen zu informieren, damit sie alle fürden Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfor-derlichen Maßnahmen treffen können, wozu auch die Möglich-keit der Erhebung von Einwänden gehört (9. Erwägungsgrund derVerordnung). Das mag dafür sprechen, abweichend von Art. 7Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 VO (EWG) Nr. 259/93 die Ausübung der Befug-nis nach Art. 6 Abs. 4 der Verordnung im Ergebnis, was die Auswir-kungen auf den Fristablauf anbelangt, als Erhebung eines Einwan-des im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zu behandeln(vgl. Nr. 2.3.1 Seite 16 der Muster-Verwaltungsvorschriften zumAbfallverbringungsgesetz und zur EG-Abfallverbringungsverord-nung).

Zu berücksichtigen sind insofern die Erwägungen, die denEuGH zur Anerkennung des »Einwandes des falschen Verfahrens«bewogen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 27.2.2002 – C-6/00 –,DVBl. 2002, 539, Tz. 38 f). Das braucht nicht abschließend erörtertund entschieden zu werden. Denn jedenfalls bedeutet die Parallelezu dem vorgenannten Einwand des falschen Verfahrens, dass in-nerhalb der mit der Absendung der Empfangsbestätigung in Laufgesetzten Frist die noch für erforderlich gehaltenen Informationenkonkret zu bezeichnen sind und dass die Zustimmung zur Verbrin-gung ausschließlich aus Gesichtspunkten verweigert werden darf,die inhaltlich mit dem fristgerecht angebrachten Informationsbe-dürfnis hinreichend eng zusammenhängen; die verlangten Infor-mationen müssen Einwänden nach Art. 7 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 VO(EWG) Nr. 259/93 oder den außerhalb dieser Vorschriften ent-wickelten Einwänden zugeordnet werden können. Nicht andersals im Hinblick auf die Erhebung von Einwänden, die durch Lö-sung der Probleme ausgeräumt werden können, besteht der Zweckder 30-Tage-Frist im Hinblick auf die Nachforderung zusätzlicherInformationen darin, die aus der Sicht der Behörde unter Umstän-den gegebenen Gründe für eine Verweigerung der Zustimmung ineinem angemessenen Zeitraum nach der Notifizierung hinrei-chend klar zum Ausdruck zu bringen. Eine Möglichkeit, die Ver-bringung von Abfällen durch das Anfordern von Informationen inbeliebiger und inhaltlich nach und nach ergänzungsfähiger Weiseunbestimmt in der Schwebe zu halten, wäre hiermit unvereinbar.Eine dem Vorschlag der Kommission vom 30.6.2003 (KOM [2003]379 endgültig) zur Bedingtheit der Frist zur Weiterleitung der No-tifizierung sowie der Frist zur Absendung der Empfangsbestäti-gung durch eine ordnungsgemäß ausgefüllte und ordnungsgemäßdurchgeführte Notifizierung entsprechende Regelung existiertderzeit hinsichtlich Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VO(EWG) Nr. 259/93 nicht. Im Übrigen wäre die Rechtmäßigkeit derVerweigerung der Zustimmung durch die Beklagte selbst dannnicht anders zu bewerten, wenn man in jeder Hinsicht zu Gunstender Beklagten annehmen würde, dass ein fristgerechtes Informati-onsverlangen die Unterbrechung der 30-Tage-Frist nach sich zie-hen würde (vgl. insoweit § 5 Abs. 5 Sätze 3 und 4 Nachweis-verordnung).

Betrachtet man das Informationsersuchen der Beklagten im Be-scheid vom 12.2.2002 und im Schreiben vom 12.3.2002 danachvollständig unter dem Blickwinkel der inhaltlich angesprochenenFragestellungen als genügende Bezeichnung von Problemen, kannferner dahingestellt bleiben, ob die geforderten Informationensämtlich in einen tragfähigen Zusammenhang mit einem denk-baren Einwand gebracht werden können. Unabhängig hiervon

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findet eine Verweigerung der Zustimmung in denjenigen Umstän-den, die im Bescheid vom 12.2.2002 und im Schreiben vom12.3.2002 thematisiert sind, keine zureichende Grundlage.

Ordnet man einen Informationsbedarf als solchen als denkba-ren Grund für die Verweigerung der Zustimmung ein, ist dieser Be-darf, soweit er rechtlich anzuerkennen ist, im März 2002 durch Lö-sung des Problems entfallen. (…) Die verbleibenden, durch Befrie-digung des Informationsbedarfs nicht erledigten Gesichtspunkte(Nr. 1, Nr. 4 Satz 3 des Bescheides vom 12.2.2002) führen, ver-standen als inhaltliche Beanstandung der Notifizierung und derVerbringung, nicht auf einen berechtigten Einwand. Der Zustim-mung steht nicht entgegen, dass gerade die Klägerin die Notifizie-rung vorgenommen hat.

Die Pflicht zur Notifizierung einer beabsichtigten Verbringungvon Abfällen obliegt der »notifizierenden Person« (Art. 6 Abs. 1VO [EWG] Nr. 259/93). Der Begriff der »notifizierenden Person«wird bestimmt durch Art. 2 Buchst. g VO (EWG) Nr. 259/93. Erumfasst alle Personen, die zur Notifizierung verpflichtet sind, d. h.eine der dort nachstehend – unter i bis iv – genannten Personen,die beabsichtigen, Abfälle zu verbringen oder verbringen zu las-sen. Während der Abfallerzeuger (i) allein ausgehend von seinerTätigkeit aufgeführt wird, sind den sonst aufgezählten PersonenVoraussetzungen vorangestellt (ii bis iv); für den Personenkreis derEinsammler, Händler und Makler, dem die Klägerin wegen der vonihr ausgeübten Entsorgung von Abfällen für andere zuzurechnenist, wird vorausgesetzt, dass (»wenn«) dies – also die Notifizierungdurch den Abfallerzeuger – nicht möglich ist (ii). Eine im Verhält-nis zum Abfallerzeuger nur nachrangige und bedingte Befugnis ei-nes Einsammlers, Händlers oder Maklers, eine Verbringung zu no-tifizieren, beinhaltet das jedoch nicht.

Zur Annahme einer vorgegebenen Reihen- und Rangfolge derBerechtigung zur Notifizierung zwingt der Wortlaut des Art. 2Buchst. g VO (EWG) Nr. 259/93 nicht. Die nach i bis iv überhauptfür eine Notifizierung in Betracht kommenden Personen sind al-ternativ (»oder«) genannt und stehen damit auf einer Ebenenebeneinander. Bei einer durch Voraussetzungen gesteuerten Ab-stufung dieser Personen wäre eine Aneinanderreihung durch denBegriff »oder« verfehlt. Die Verknüpfung durch »oder« deckt sichihrem Aussagegehalt nach damit, dass die der Aufzählung unter ibis iv vorangehende Definition der »notifizierenden Person« keinMerkmal enthält, das auf eine fehlende Gleichrangigkeit der nach-folgend aufgeführten Personen hindeuten würde. Im Gegenteilwerden unterschiedslos alle Personen einbezogen, die zur Notifi-zierung verpflichtet sind, und werden diese Personen durch dieunmittelbar anschließende Erläuterung (»d. h.«) dahingehendumschrieben, dass es sich um eine der nachstehend genanntenPersonen handelt, die beabsichtigt, Abfälle zu verbringen oder ver-bringen zu lassen. Mit der Berücksichtigung der Absicht zur Ver-bringung wird der wesentliche Aspekt für die Zuordnung derPflicht zur Notifizierung genannt, die unverkennbar auf die Ziel-richtung der Abfallverbringungsverordnung zurückgeht, dieVerbringung von Abfällen im Interesse des Umweltschutzes zuüberwachen und zu kontrollieren. Dagegen erschließt sich an-hand des Wortlautes der Vorschrift nicht, dass mittels der Definiti-on für die von ii bis iv erfassten Personen über eine Pflicht zur No-tifizierung hinaus die Berechtigung zur Notifizierung gesteuertund allein unter den bezeichneten Voraussetzungen bestehen soll.Während die Pflicht zur Notifizierung in direktem Zusammen-hang damit steht, gegen wen nach Art. 26 Abs. 2 VO (EWG)Nr. 259/93 gegebenenfalls bei illegalen Verbringungen behörd-liche Maßnahmen ergriffen werden können, fehlt ein Anknüp-fungspunkt dafür, dass die Personen nach ii bis iv von einer Notifi-zierung vorbehaltlich der Erfüllung besonderer Kriterien ausge-schlossen sein sollen.

Des Weiteren verlangt Art. 6 VO (EWG) Nr. 259/93 von jeder no-tifizierenden Person gleichermaßen Angaben und Unterlagen. In-dessen sind in dieser Vorschrift Aussagen der notifizierenden Per-son zur Möglichkeit einer Notifizierung durch den Abfallerzeuger– sowie Zulassung des Einsammlers, Händlers oder Maklers bzw.zur Bekanntheit der Personen – nicht als erforderlich genannt.Entsprechendes gilt für den Begleitschein, der nach der Entschei-dung der Kommission vom 24.11.1994 (94/774/EG) im Rahmender Notifizierung zu verwenden ist und der unter Nr. 1 ein auszu-füllendes Feld für die »notifizierende Person/Exporteur« enthält,ohne dass diesbezüglich die Abgabe weitergehender Erklärungenformularmäßig vorgesehen wäre. Schließlich ist den Erwägungs-gründen zu der Verordnung kein Hinweis darauf zu entnehmen,dass die Merkmale für eine in Art. 2 Buchst. g VO (EWG)Nr. 259/93 angelegte Reihenfolge als substantielle Anforderungenan die Befugnis zur Notifizierung einzuordnen sind. Das von derBeklagten hervorgehobene Informationsbedürfnis (9. Erwägungs-grund) ist in diesem Zusammenhang unergiebig. Die Erlangungund Verschaffung der nach Art sowie Umfang für die Ent-scheidung über zum Schutz der menschlichen Gesundheit undder Umwelt erforderlichen Informationen hängt nicht von derEinhaltung einer bestimmten Reihenfolge der zur Notifizierungberechtigten Personen ab. Der Notifizierende muss sich die be-nötigten Informationen erforderlichenfalls verschaffen. Ist erhierzu nicht im Stande, kann die Zustimmung zur Verbringungnicht erteilt werden; dabei ist es Sache der Behörde, die abgesehenvom Begleitschein benötigten zusätzlichen Angaben und Unterla-gen mit hinreichender Bestimmtheit zu bezeichnen. Dadurch istauch die Verlässlichkeit der erforderlichen Informationen gewähr-leistet. Zu bedenken ist zudem, dass die Verbringung von Abfällengemeinschaftsrechtlich Teil des grenzüberschreitenden Wirt-schaftsverkehrs ist und eine Zielsetzung, die Befugnis zur Teilnah-me hieran mit dem Begriff der »notifizierenden Person« ein-schränkend zu steuern, nicht festzustellen ist.

Die im Vorschlag der Kommission vom 30.6.2003 (KOM [2003]379 endgültig) als Regelungsgegenstand einer neu gefassten »Ver-ordnung über die Verbringung von Abfällen« vorgesehene Hierar-chie der Notifizierenden (Art. 4 Abs. 2 des Vorschlags) ist im aktu-ell geltenden Recht nicht enthalten. Die vorgeschlagene aus-drückliche »Rangfolge der Nennung« findet sich in Art. 2 Buchst. gVO (EWG) Nr. 259/93 gerade nicht.

Die an die Überschreitung der Eingangsgrenzwerte der Zement-werke (Nr. 4 Satz 3 des Bescheides vom 12.2.2002) anknüpfendenmateriellen Bedenken der Beklagten ergeben weder unter demAspekt der Abgrenzung zwischen einer Verwertung und einer Be-seitigung von Abfällen noch unter demjenigen der An-forderungen an eine ordnungsgemäße Verwertung einen Grund,die Zustimmung zur Verbringung zu verweigern.

Die Notifizierung der Schlämme als Abfälle, die zur Verwertungbestimmt sind, war nicht zu beanstanden; die Voraussetzungenfür einen »Einwand des falschen Verfahrens« waren nicht gege-ben. Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind nach Art. 2Buchst. i und k VO (EWG) Nr. 259/93 anhand derjenigen Maßstä-be voneinander abzugrenzen, die sich aus Art. 1 Buchst. e und f derRichtlinie 75/442/EWG ergeben. Nationale Kriterien können fürdie Abgrenzung nur beachtlich sein, wenn und sofern sie diesenBestimmungen entsprechen (vgl. EuGH, Urteile vom 13.2.2003– C-228/00 –, NVwZ 2003, 455, Tz. 36, und vom 13.2.2003 – C-458/00 –, NVwZ 2003, 457, Tz. 24). Die in den Anhängen II A undII B der Richtlinie 75/442/EWG (Art. 1 Buchst. e und f der Richtli-nie) genannten Verfahren der Beseitigung und Verwertung lasseneine eindeutige Zuordnung der Behandlung der Schlämme in Bel-gien zu einem der Verbringungszwecke nicht zu. Unabhängig da-von, welche Bedeutung den einzelnen Verfahren für die Einstu-

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fung als Verbringung zur Beseitigung oder zur Verwertung ange-sichts dessen zukommt, dass die Auflistung in den Anhängen II Aund II B erklärtermaßen lediglich in der Praxis angewandte Ver-fahren einschließt, ist die Abgrenzung jedenfalls dann losgelöstvon diesen Verfahren und nach Maßgabe der Umstände des jewei-ligen Einzelfalles vorzunehmen, wenn die infrage stehende Be-handlung des Abfalls nicht einem einzigen Verfahren eindeutigunterfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 27.2.2002 – C-6/00 –, DVBl.2002, 539, Tz. 64 f). Das ist hier der Fall. Die Schlämme sollten vonT. mit anderen Stoffen vermischt und zur Bildung eines homoge-nen Granulats verwendet werden, das als erstarrungsregelnder Zu-satz bei der Herstellung von Zement eingesetzt werden sollte. Ver-mischungsprozesse sind als solche in den Anhängen II A und II Bder Richtlinie 75/442/EWG nicht aufgeführt. Unter D13 ist alsBeseitigungsverfahren eine Vermischung vor Anwendung eines inAnhang II A aufgeführten Verfahrens genannt. Einem der letztge-nannten Verfahren lässt sich die Verwendung eines durch Ver-mischung entstandenen Granulats als Zuschlagstoff für Zementaber nicht unzweifelhaft zuordnen. Zum VerwertungsverfahrenR5 (»Verwertung/Rückgewinnung von anderen anorganischenStoffen«) kann eine Verwendung anorganischer Stoffe ohne vor-angehende Vorbehandlung gehören (vgl. EuGH, Beschluss vom27.2.2003 – C-307/00 u. a. –, Tz. 90; Urteil vom 27.2..2002 – C-6/00 –, DVBl. 2002, 539, Tz. 65), sodass auch die Erstellung eineszur Verwendung in der Baustoffindustrie bestimmten und geeig-neten Gemischs aus anorganischen Abfällen als Verwertungs-maßnahme eingestuft werden kann. Übereinstimmend hiermithat der EuGH die Verwendung von Flugaschen bei der Herstellungvon – durch Vermischung herzustellenden – Betonmörtel durch-aus als Maßnahme der Verwertung im Sinne des Verfahrens R5 er-wogen (vgl. EuGH, Beschluss vom 27.2.2003 – C-307/00 u. a.(hier: C-308/00 und C-311/00) –, Tz. 46, 68, 76, 79, 86, 90). EineZuordnung einzig zum Verfahren R12 (»Austausch von Abfällen,um sie einem der unter R1 bis R11 aufgeführten Verfahren zu un-terziehen«), das die Klägerin in der Notifizierung bezeichnet hat,scheidet danach jedenfalls aus.

Die Verwertung von Abfällen ist, was die Merkmale einer stoffli-chen Verwertung (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i Richtlinie75/442/EWG) anbelangt, ausschlaggebend dadurch gekennzeich-net, dass die Verwendung im Einzelfall ihrem Hauptzweck nachdarauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfül-len können, indem sie andere Materialien ersetzen, die sonst fürdiese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch natür-liche Rohstoffquellen erhalten werden können (vgl. EuGH, Be-schluss vom 27.2.2003 – C-307/00 u. a. –, Tz. 86, 97, und Urteilvom 27.2.2002 – C-6/00 -, DVBl. 2002, 539, Tz. 69). Diese allge-meinen Kriterien für eine Verwertung hat der EuGH hinsichtlicheiner energetischen Verwertung von Abfällen bekräftigt (vgl.EuGH, Urteil vom 13.2.2003 – C-228/00 –, NVwZ 2003, 455, Tz.45, 47, 48). Der Zusatz gipshaltiger Stoffe zu Zement, um dessenErstarrungsverhalten zu steuern, ist unstreitig üblich und für dieVerarbeitung von Zement unerlässlich. Die notifizierten Schläm-me enthielten Gips und wiesen damit eine für ihren Ver-wendungszweck in der Zementindustrie taugliche Eigenschaftaus. Außerdem beeinflussten sie nach der Verfahrensbeschreibungder T., der die Beklagte nicht mit substantiiertem Vorbringen ent-gegengetreten ist, durch ihre sonstigen Eigenschaften die Homo-genität und Dosierbarkeit des Granulats günstig. Wären dieSchlämme für die Erstellung des Granulats nicht verfügbar, müssteauf andere gipshaltige Stoffe zurückgegriffen werden. Als Alterna-tive zu den Schlämmen konnten nach der Verfahrensbeschrei-bung natürlicher Gips oder synthetisch hergestelltes Anhydrit ein-gesetzt werden. Es mag sein, dass der Zweck der Einbringung derSchlämme ebenso gut durch andere gipshaltige Abfälle hätte er-

füllt werden können; das ändert aber nichts daran, dass dieSchlämme nicht etwa wahllos bis an die Grenze der Brauchbarkeitdes Granulats im Rahmen der Zementherstellung den anderenEinsatzstoffen beigemischt werden sollten oder worden sind, son-dern dass ihre Verwendung der Ausnutzung ihrer spezifischen undsich für bestimmte Gemische – insofern letztlich auch für den Ze-ment – als positiv erweisenden Eigenschaften diente. Die Möglich-keit, unterschiedliche Abfälle für einen bestimmten Zweck einzu-setzen, für den im Falle mangelnder Verfügbarkeit von Abfällennatürliche Rohstoffe verwendet werden müssten, besagt lediglich,dass jeder der infrage kommenden Abfälle zur Erreichung dessinnvollen Zwecks verwendet werden kann. Die von der Beklagtenvorgenommene Abstufung unter den einzelnen Abfallarten orien-tiert sich nicht an deren Funktion für den – mit allen Abfällen glei-chermaßen erreichbaren – Zweck, sondern an anderen Kriterienwie dem Schadstoffgehalt der Abfälle und einem angenommenenPrinzip der Verwendung des am besten für den Zweck geeignetenAbfalls. Dass der Gipsgehalt der Schlämme im Verhältnis zudemjenigen der sonstigen bei der Herstellung des Granulats undzur Erstarrungsregelung eingesetzten bzw. verwendbaren Stoffeverhältnismäßig niedrig war, hindert ihre stoffliche Eignung zudiesem Zweck aber nicht. Weder die Verfahrensbeschreibung derT. noch das Vorbringen der Beteiligten, insbesondere nicht der Ak-tenvermerk der Beklagten vom 30.8.2002, deuten darauf hin, dassdie Schlämme nicht den für das Granulat und die Beeinflussungdes Erstarrungsverhaltens technisch zwingend notwendigen An-teil an Gips enthielten. Weder ist ein »Mindest«-Gipsgehalt vorge-schrieben noch ist zu erkennen, dass die Schlämme bei Einbrin-gung in das Granulat trotz ihres – wenn auch eher geringen – Gips-gehalts nicht zu dessen Brauchbarkeit für die Zementherstellungbeitrugen oder dessen Verwendbarkeit gar abträglich waren. DerGipsgehalt des Granulats wurde von der T. mittels ihrer Rezeptu-ren zielgerichtet beeinflusst. Daher kommt es nicht auf die Mög-lichkeit an, anstelle der Schlämme gipshaltigere Stoffe einzu-setzen. Bezogen auf die parallele Fragestellung der energetischenVerwertung für sich nur schwer brennbarer Stoffe hat der EuGH inAnwendung gerade des Kriteriums des hauptsächlich verfolgtenZwecks (nationale) Mindestheizwertanforderungen als für die Ab-grenzung von Verwertung und Beseitigung unerheblich verwor-fen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.2.2003 – C-228/00 –, NVwZ 2003,455, Tz. 41 bis 43, 47).

In Bezug auf einen sinnvollen Einsatz von Abfällen für einestoffliche Verwertung gelten keine anderen Maßstäbe. Dafür, dassder Gipsanteil der Schlämme unter dem Blickwinkel einer nur vor-geschoben sinnvollen Verwendung als gänzlich unbeachtlich be-trachtet werden könnte, gibt es keinen Anhalt; auch die Beklagtemacht derartiges nicht geltend. Das trägt insgesamt den Schlussauf die Erfüllung einer sinnvollen Aufgabe durch die Schlämmebei einem sonst unabhängig von der Verfügbarkeit dieser Abfällestattfindenden Produktionsprozess für Zement.

Im Kern bestreitet die Beklagte die Erfüllung einer sinnvollenAufgabe durch die Schlämme wegen deren Belastung mit Queck-silber. Der Sache nach zieht sie damit nationale Anforderungen aneine stoffliche Verwertung heran (§ 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG), dieim gemeinschaftlichen Verbringungsrecht keine Entsprechungfinden und mit dessen Auslegung durch den EuGH in seiner aktu-ellen Rechtsprechung nicht im Einklang stehen. Gemeinschafts-rechtlich ist, wie erwähnt, geklärt, dass für die Einstufung einesVorgangs der Behandlung von Abfällen als Verwertung oder Besei-tigung die Gefährlichkeit der Abfälle als solche nicht erheblich ist(vgl. EuGH, Urteile vom 13.2.2003 – C-228/00 –, NVwZ 2003, 455,Tz. 41 bis 43, 47, und vom 27.2.2002 – C-6/00 –, DVBl. 2002, 539,Tz. 68); das gilt auch dann, wenn es um die Belastung einzelner Be-standteile eines Abfallgemischs geht. Es gibt auch keinerlei An-

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haltspunkt dafür, dass der Schadstoffgehalt der Schlämme in ir-gendeiner Weise deren technische oder rechtliche Verwendbarkeitoder diejenige des Granulats oder des Zements hindern könnte.Hinsichtlich der Einbringung der Schlämme in das Granulat hat T.angegeben, dass Eingangsgrenzwerte nicht vorgegeben seien. Diezuständige belgische Behörde hat der Verbringung der Schlämmein Kenntnis der Quecksilberbelastung sowie der Verfahrensbe-schreibung zugestimmt; Zweifel daran, dass die belgische Behördehierbei die Zulassung der T. zutreffend beurteilt und berücksichtigthat, hat die Beklagte im Bescheid vom 12.2.2002 nicht themati-siert, sodass dahinstehen mag, ob sie insofern gegebenenfalls kor-rigierend eingreifen dürfte. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dassnach belgischen Zulassungsregelungen für die Zementwerke überdas Granulat hinaus diejenigen Stoffe in den Blick genommenwerden, aus denen das Granulat bei T. gebildet wurde. Das Entste-hen von Gesundheits- oder Umweltgefahren durch Zement wirdinsofern geregelt durch die Eingangsgrenzwerte der Zementwerke.Dass diese auf einem Verbot des Einsatzes eines durch Vermi-schung unterschiedlich belasteter Stoffe erstellten Granulats beru-hen oder dass sie ein solches Verbot einschließen könnten, ist we-der dargetan worden noch zu erkennen. Bei dem Eingangsgrenz-wert für Quecksilber, der nach Meinung der Beklagten eingehaltenwerden muss, handelt es sich um einen auf die Konzentration die-ser Substanz in einer bestimmten Menge der für die Produktionvon Zement verwendeten Stoffe bezogenen Grenzwert, also um ei-ne Höchstgrenze im Sinne eines bestimmten mengenmäßigen An-teils von Quecksilber. Das schließt notwendig ein, dass sich die Ge-samtmenge der Eingangsstoffe auf die Gesamtfracht an Quecksil-ber auswirkt, die in den Zement eingetragen wird. Für dasBestehen eines Vermischungsverbotes im Sinne der Vorstellungender Beklagten spricht nichts; letztlich macht die Beklagte lediglichgeltend, dass aus ihrer Sicht insoweit ein Bedarf an Regelungen imRahmen der Zulassung der Zementwerke gegeben ist. Dagegenfehlt es an einem ihren Standpunkt stützenden tatsächlichenGesichtspunkt, der zumindest eine weitergehende Aufklärung desSachverhaltes hinsichtlich der seinerzeit gegebenen Zulassung derZementwerke veranlassen könnte. Immerhin steht insofern eineBeurteilung ausländischer Rechtsverhältnisse in Rede, mit denendie Beklagte, wie ihre Nachfrage zu den Eingangsgrenzwertenzeigt, nicht vollständig vertraut ist. Vermutungen darüber, ob diebelgische Behörde bei der Erteilung der Zustimmung die nach bel-gischem Recht verbindliche Genehmigungslage für die Zement-werke fehlerhaft beurteilt oder nicht angewendet hat, entbehrender Grundlage.

Ordnet man die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom12.2.2002, die den Quecksilbergehalt der Schlämme betreffen, alsEinwand unzulänglicher Verwertung ein, kann auf sich beruhen,dass diese Erwägung unter dem Blickwinkel der ordnungsgemäßenErmessensausübung Bedenken ausgesetzt ist, weil sie mit der– nach dem oben Gesagten unzutreffenden – Prämisse einer Ver-bringung der Schlämme zur Beseitigung einhergeht, die Beklagtesich also von einer falschen Einstufung der Abfälle hat leiten lassen(vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13.3.2003 – 7 C 1.02 –, DVBl. 2003,743). Ebenso braucht nicht erörtert zu werden, ob der Einwand, wieseitens der Beklagten geschehen, auf Art. 7 Abs. 4 Buchst. a 1. oder2. Gedankenstrich VO (EWG) Nr. 259/93 gestützt werden kann.Denn unabhängig hiervon ist, wie ausgeführt, nicht erkennbar,dass die von der Beklagten angeführte generelle Gefährlichkeit desUmgangs mit quecksilberhaltigen Stoffen angesichts der Ein-gangsgrenzwerte der Zementwerke ein die Verbringung hinderndesProblem darstellt. In Bezug auf die Gewährleistung der Umweltver-träglichkeit von Zement bei Schadstoffeinträgen als Folge der Ver-wertung von Abfällen ist des Weiteren zu bedenken, dass es nichtSinn und Zweck des gemeinschaftlichen Verbringungsrechts ist,

ein aus der Sicht einer nationalen Behörde für lückenhaft undunzulänglich gehaltenes Produktrecht dadurch zu vervollständi-gen und zu verschärfen, dass als Folge der Erhebung von Einwän-den im Einzelfall einer beabsichtigten Verbringung als kritisch an-gesehene Einsatzstoffe nicht zu der in einem anderen Mitgliedstaatgelegenen Produktionsstätte gelangen können.

Die von der Beklagten nach Ablauf der 30-Tage-Frist über dendurch den Bescheid vom 12.2.2002 und das Schreiben vom12.3.2002 abgesteckten Rahmen hinaus angeführten Probleme– wie etwa die Frage der Zulassung der Anlage der T. – sind nachdem Vorstehenden schon wegen der insofern unterbliebenenWahrung der Frist nicht geeignet, ihr die Befugnis zu verschaffen,die Zustimmung zu verweigern.

Ausbau des Verkehrslandeplatzes Egelsbach

VGH Kassel, Urteil vom 30. November 2004 – 2 A 1666/02

Leitsatz: Das Vorkommen der im Anhang II der FFH-Richtlinie aufge-führten – nicht prioritären – Fischart Cottus gobio (Groppe/Mühlkoppe) sowie von Larven der nach der Bundesarten-schutzverordnung besonders geschützten heimischen Libel-lenart Cordulegaster boltoni (Zweigestreifte Quelljungfer) ineinem Bachabschnitt, der für die Verlängerung der vorhande-nen Start-/Landebahn in Anspruch genommen werden muss,steht dem Ausbau des Verkehrslandeplatzes Egelsbach mitverkehrs-, wirtschafts- und arbeitsmarkpolitischer Zielsetzungnicht entgegen.

Aus dem Tatbestand: Der Kläger wendet sich als anerkannter Naturschutzverein gegenden Plan für die Erweiterung des Verkehrslandeplatzes B-Stadt, derim Wesentlichen die Verlängerung der vorhandenen (990 m lan-gen und 25 m breiten) asphaltierten Start-/Landebahn um 410 mnach Westen, die Anlage der dazugehörigen Rollwege sowie diewegen dieser Erweiterungsmaßnahmen notwendige Teilverlegungdes Hegbachs zum Gegenstand hat. (…)

Aus den Gründen: Die fristgerecht (…) erhobene (…) Anfechtungsklage ist nachMaßgabe des § 61 Abs. 1 und 2 BNatSchG 2002 auch im Übrigenzulässig. Dies folgt aus der (gemäß § 11 Satz 1 unmittelbar gelten-den) Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG 2002(…).

Die ausschließlich auf die Aufhebung des Planfeststellungsbe-schlusses des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. April 2002gerichtete Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtene Pla-nungsentscheidung widerspricht weder Vorschriften des zwingen-den Rechts, deren Verletzung der Kläger nach § 61 Abs. 2 Nr. 1BNatSchG 2002 mit der Folge geltend machen kann, dass der Plan-feststellungsbeschluss deswegen aufzuheben wäre (§ 10 Abs. 8Satz 2 LuftVG), noch leidet sie an erheblichen, eine entsprechendeRechtsfolge auslösenden Abwägungsmängeln (§ 10 Abs. 8 Satz 1LuftVG) zu Lasten der für einen anerkannten Naturschutzvereinrügefähigen Belange. (…)

Es kommt danach für die Entscheidung des vorliegendenRechtsstreits nicht darauf an, dass der Kläger als anerkannter Na-turschutzverein nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bun-desverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. Juli 2003 – 4 VR 1.03 –,Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3) grundsätzlich nichtbefugt ist, das Fehlen der Planrechtfertigung zu rügen.

Strikt verbindliche Zielvorgaben des Fachplanungsrechts, dieder zur Planfeststellung ermächtigten Behörde bei der Zulassungeines bestimmten Luftverkehrsvorhabens in Form gesetzlicher

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Planungsleitsätze (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG vom 22. März1985 – 4 C 73.82 –, BVerwGE 71, 163 ff., sowie den Beschluss vom21. August 1990 – 4 B 104.90 –, Buchholz 406.401 § 8 BNatSchGNr. 8 = NVwZ 1991, 69 f.) unüberwindbare Schranken setzenkönnten, existieren im hier angesprochenen Regelungsbereichnicht. Auch im Wege der Erteilung von Befreiungen oder der Zu-lassung von Ausnahmen nicht zu überwindende gesetzliche Ein-griffsverbote ergeben sich für die luftverkehrsrechtliche Fachpla-nung entgegen der Auffassung des Klägers ferner nicht – jedenfallsbei den hier gegebenen konkreten Einzelfallumständen nicht –aus dem einschlägigen (europäischen oder nationalen) Natur-schutzrecht; hierauf wird noch zurückzukommen sein.

Die das Vorhaben der Beigeladenen zulassende Entscheidungdes Regierungspräsidiums Darmstadt erweist sich im Rahmen derinsoweit grundsätzlich nur eingeschränkt möglichen gerichtli-chen Überprüfung als abwägungsfehlerfrei, jedenfalls aber alsnicht in einer Weise abwägungsfehlerhaft, die als erheblich imSinne des § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG beanstandet werden könnte.(…)

Der Kläger wirft der Planfeststellungsbehörde vor, die Bedeu-tung der von dem Planvorhaben berührten Belange grundsätzlichverkannt, nämlich das Gewicht der für dessen Realisierung spre-chenden Belange ohne zureichenden Grund überbewertet, dasGewicht der dagegen sprechenden Belange unter Verkennungzwingender Vorschriften des Naturschutzrechts demgegenüberentscheidungsrelevant unterbewertet zu haben. Dem vermag dererkennende Senat ebenso wenig zu folgen wie der von dem Klägerin unterschiedlichem Zusammenhang sinngemäß dargelegtenAuffassung, mit der Zulassung des Vorhabens sei der Ausgleich derin die Abwägung einzustellenden gegenläufigen Belange untereinseitiger Bevorzugung der Interessen des Luftverkehrs auf eineArt und Weise vorgenommen worden, dass er zur objektiven Ge-wichtigkeit der durch die irreparable Zerstörung des Hegbachsnachteilig betroffenen Belange des Naturschutzes außer Verhält-nis stehe.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des 4. Senat des Bundesverwal-tungsgerichts vom 19. Mai 1998 (– 4 A 9.97 –, BVerwGE 107, 1,5 ff.) ist in dem Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2002 (S. 8 ff.) zuder die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen der anerkannten Natur-schutzvereine regelnden Vorschrift des § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG2002 ausgeführt, dass hierdurch die gerichtliche Überprüfung dervon einem solchen Verein angefochtenen Planfeststellungsbe-schlüsse inhaltlich auf ein bestimmtes »Klageprogramm« be-schränkt werde, das von den Gerichten nicht erweitert werdendürfe. Die gesetzliche Beschränkung der Rügebefugnis der aner-kannten Naturschutzvereine habe zur Folge, dass Fragen des Ver-kehrsbedarfs, der Kostenberechnung, der Lärmauswirkungen undandere Fragen nicht-naturschutzrechtlicher Art bei der gerichtli-chen Kontrolle grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssten.Zu den naturschutzrechtlichen Bestimmungen im Sinne des § 61Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2002 gehöre das fachplanerische Abwä-gungsgebot nur insoweit, als Belange des Naturschutzes und derLandschaftspflege betroffen seien. Dagegen müssten nicht als na-turschutzrechtlich zu qualifizierende Belange zwar im Rahmen derfachplanerischen Abwägung beachtet werden; ihre Beachtungkönne jedoch ebenso wenig Gegenstand der durch § 61 Abs. 1BNatSchG 2002 eröffneten Rechtsbehelfe sein wie das Vorliegeneiner hinreichenden Planrechtfertigung (im Sinne der ersten Prü-fungsstufe bei der gerichtlichen Überprüfung von Planungsent-scheidungen). Ob hieran ohne Einschränkungen festgehaltenwerden kann, nachdem der 9. Senat des Bundesverwaltungsge-richts den Standpunkt eingenommen hat, die Klagebefugnis einesanerkannten Naturschutzvereins nach § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2BNatSchG 2002 decke auch Rügen gegen die Tauglichkeit der Ver-

kehrsprognose, sofern diese von Bedeutung für den Planfeststel-lungsbeschluss in Bezug auf die mit dem Vorhaben verbundenenEingriffe in Natur und Landschaft sei (Urteil vom 19. März 2003a.a.O.; vgl. zu den Einschränkungen des »Rechtsschutzes durchVerbandsklage« auch Schlacke, NuR 2004, 629, 630 f. m.w.N.),muss im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht absch-ließend entschieden werden. Selbst wenn nämlich im Hinblick aufdie den anerkannten Naturschutzvereinen mit der Vereinsklagezugedachte Funktion, zum Abbau von Vollzugsdefiziten im Natur-schutz beizutragen und der Vereinsmitwirkung mehr Gewicht zuverleihen, diesen Vereinen der Einwand eröffnet sein sollte, infol-ge beispielsweise einer fehlerhaften Verkehrsprognose seien natur-schutzrechtliche Belange zu Unrecht als nachrangig eingestuftworden, könnte hieraus für den Ausgang des vorliegenden Rechts-streits nichts hergeleitet werden. Der hier entscheidungserhebli-che Sachverhalt bietet nämlich schon im Ansatz keine hinreichen-den Anhaltspunkte dafür, dass gerade eine sachlich nicht gerecht-fertigte Überbewertung der für das Planvorhaben anzuführendenöffentlichen (BVerwGE 56, 110, 119) Belange zu einem objektivnicht mehr vertretbaren Abwägungsergebnis geführt haben könn-te. Für die planfestgestellte Verlängerung der Start-/Landebahn desVerkehrslandeplatzes B-Stadt sprechen bei objektiver Betrachtungallein wegen dessen auf der Hand liegenden verkehrsinfrastruktu-rellen Bedeutung für die Rhein-Main-Region derart gewichtige, imPlanfeststellungsbeschluss (S. 83 ff.) hinreichend dargelegte öf-fentliche Interessen, dass dem Vorhaben der Beigeladenen im Hin-blick auf den bei seiner Realisierung nicht zu vermeidenden Ver-lust eines ca. 350 m langen Abschnitts des Hegbachs und seinerUfergehölze nicht von vornherein ein fachplanerisch unüber-windbares Hindernis entgegenstand, sondern den hierdurchnachteilig betroffenen Belangen von Natur und Landschaft – un-geachtet ihres Gewichts im Einzelnen – grundsätzlich nur in Formeines möglichst weitgehenden Eingriffsausgleichs Rechnung ge-tragen werden musste, worauf noch zurückzukommen ist. Wederder Umstand, dass das Planvorhaben im räumlichen Geltungsbe-reich sowohl der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet»Landkreis Offenbach« vom 13. März 2000 (StAnz. S. 1123) alsauch – hauptsächlich – der Verordnung zum Schutze von Land-schaftsteilen im Bereich des Landkreises Darmstadt vom 20. De-zember 1956 (StAnz. 1957 S. 84) verwirklicht werden muss, nochder besondere gesetzliche Schutz von »naturnahen Bachabschnit-ten« und »Ufergehölzen« (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 und 3 HENatG 1996)noch schließlich das im Zeitpunkt der Planfeststellung vorhande-ne Vorkommen von Cottus gobio in dem planbetroffenen Ab-schnitt des Hegbachs sowie die dort als vorhanden unterstelltenLarvalhabitate von Cordulegaster boltoni sind demgegenüber –einzeln oder in ihrer Gesamtheit – von solchem Gewicht, dass des-wegen entsprechend der von dem Kläger für geboten gehaltenenGewichtung das Projekt als solches scheitern müsste. Das von demKläger erklärtermaßen nach wie vor allein verfolgte Klageziel, denfür die Flugplatzerweiterung unmittelbar in Anspruch genomme-nen ca. 350 m langen Abschnitt des Hegbachs mit seinen Ufer-gehölzen vollständig zu erhalten bzw. – nach inzwischen erfolgterInbetriebnahme der verlängerten Start-/Landebahn – seinen ur-sprünglichen Zustand durch entsprechenden Rückbau in vollemUmfang wiederherzustellen, stützt sich letztlich auf eine objektivnicht nachvollziehbare, nach Auffassung des Senats geradezu ekla-tante Verkennung des erheblichen Gewichts der für den Ausbaudes Verkehrslandeplatzes B-Stadt streitenden öffentlichen Interes-sen insbesondere verkehrs-, wirtschafts- und arbeitsmarktpoliti-scher Art. Unter der Geltung des derzeitigen, weiteres Wachstumzumal des Luftverkehrs tendenziell begünstigenden Fachpla-nungsrechts sind die von ihm angeführten Belange des Natur- undLandschaftsschutzes nach ihrer konkret erkennbaren Bedeutung

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allenfalls dazu geeignet, die Beigeladene zur Durchführung weiter-gehender als der ohnehin im angefochtenen Planfeststellungsbe-schluss bereits angeordneten Kompensationsmaßnahmen ver-pflichten zu lassen; einen entsprechenden Verpflichtungsantraghat der Kläger aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht zurEntscheidung des Gerichts gestellt.

Dass der Planfeststellungsbeschluss an keinem durchgreifendenMangel leidet, soweit er nach § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG die Belangevon Natur und Landschaft im Rahmen der fachplanerischen Ab-wägung angemessen zu berücksichtigen hat, folgt zunächst dar-aus, dass ihm eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnah-me der im Planungsraum vorhandenen Tier- und Pflanzenartensowie ihrer Lebensräume vorausgegangen ist. Nicht zuletzt derKläger selbst hat durch seine bereits im Verwaltungsverfahren ge-gebenen Hinweise auf die im bzw. am Hegbach anzutreffendenHabitatspezialisten Cottus gobio und Cordulegaster boltoni dazubeigetragen, dass die Planfeststellungsbehörde der Vorhabensträ-gerin nach Durchführung des Erörterungstermins im April 2001noch bestimmte Ergänzungen der Planunterlagen, insbesonderehinsichtlich des Naturschutzes, auferlegte. Nach Abschnitt III derNachforderung vom 26. Juni 2001 war »für die Libelle Cordule-gaster boltoni der genaue Fundort durch eine Larvaluntersu-chung/Befragung der Gutachter zu ermitteln und (waren) Maß-nahmen zur Biotopgestaltung oder zur Umsiedlung vorzusehen(Bl. 2667 der Behördenakten »Planfeststellungsverfahren B-Stadt«). Hieran anknüpfend erblickt der Kläger ein auch arten-schutzrechtlich relevantes Ermittlungsdefizit darin, dass – ohneDurchführung einer Larvaluntersuchung – hierzu in der Anlage3.4 der von der Beigeladenen nachgereichten ergänzenden Unter-lagen vom 18. Juli 2001 sowie – nahezu wortgleich im angefochte-nen Planfeststellungsbeschluss (S. 100) – ausgeführt ist:

Im Rahmen der Ausführungsplanung werden die Existenz derZweigestreiften Quelljungfer (Cordulegaster boltoni, Rote ListeBRD 3) und des Eisvogels … berücksichtigt. Auf deren Ansprüchewird in der Planung des neuen Hegbachs eingegangen. Nachweisfür diese Vorkommen liefern zum einen die Auswertung der Libel-lenkartierung von Edmund Flößer (Durchführung in den 90er Jah-ren), die das Vorkommen der Zweigestreiften Quelljungfer als Ima-go im Gebiet aufzeigt …

Die Lebensraumansprüche der Zweigestreiften Quelljungfersind wie beim Eisvogel die gute Gewässerqualität, aber auch wiebei der Groppe möglichst kühles und beschattetes Wasser. EineGewässereutrophierung muss unbedingt vermieden werden. Des-wegen ist es äußerst wichtig, Einleitungen durch z. B. die Land-wirtschaft … oder beim Bau zu verhindern und einen ausreichendSchatten spendenden Ufergehölzsaum herzustellen. Außerdemsind Stillwasserbuchten in den Verlauf des Hegbachs einzuplanen,in dem Sand- und Kiesbänke mit feinem Sediment für die Eiablageund die Larvenentwicklung eingebracht werden. (…)

Der im Wesentlichen in § 42 BNatSchG 2002 geregelte besonde-re Artenschutz, der nicht nur den Larvalhabitaten von Cordulega-ster boltoni, sondern auch den dort lebenden Larven als Individu-en zugute kommt, entfaltet im Rahmen der Fachplanung nicht dieRechtswirkung, die ihr der Kläger in der Annahme, es handele sichhierbei um einen der Abwägung nicht zugänglichen gesetzlichenPlanungsleitsatz, beimessen will. Jedenfalls sind substantielle Er-mittlungsdefizite, die zu einer erheblichen Fehlgewichtung der Be-lange von Natur und Landschaft hinsichtlich dieser Libellenartund ihrer besonderen Lebensraumansprüche führen könnten,nicht ersichtlich.

Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG 2002 – einer ebensowie die §§ 42 bis 50 unmittelbar geltenden Vorschrift – kann vonden Verboten des § 42 und den Vorschriften einer Rechtsverord-nung auf Grund des § 52 Abs. 7 auf Antrag Befreiung gewährt wer-

den, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiungerfordern und – was bei Cordulegaster boltoni offensichtlich derFall ist – die Art. 12, 13 und 16 der Richtlinie 92/43/EWG oderArt. 5 bis 7 und 9 der Richtlinie 79/409/EWG nicht entgegenste-hen. Zudem gelten nach der Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 4Satz 1 BNatSchG 2002 die Verbote des § 42 Abs. 1 und 2 u. a. nichtfür den Fall, dass die Handlungen bei der Ausführung eines nach§ 19 zugelassenen Eingriffs vorgenommen werden, soweit hierbeiTiere der besonders geschützten Arten, einschließlich ihrer Nist-,Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten, nicht absichtlich beeinträch-tigt werden. Aus diesen Befreiungen und Ausnahmen vom beson-deren gesetzlichen Artenschutz zulassenden Regelungen folgt,dass das Vorkommen einer (nur) nach nationalem Recht beson-ders geschützten Tierart im Planungsraum – sei es im Zuge entspre-chender Detailuntersuchungen nachgewiesen, sei es in zulässigerWeise von der Planfeststellungsbehörde als vorhanden unterstellt– entgegen der Auffassung des Klägers jedenfalls kein »absolutes«Planungshindernis darstellt.

Die mit dem Artenschutzrecht in Zusammenhang stehendenGründe, die dazu geführt haben, dass der 3. Senat des HessischenVerwaltungsgerichtshofs mit Urteilen vom 24. November 2003(– 3 N 1080/03 –, NuR 2004, 393) und vom 25. Februar 2004 (– 3 N1699/03 –, NuR 2004, 397) Bebauungspläne für unwirksam erklärthat, sind nicht geeignet, den hier angefochtenen Planfeststel-lungsbeschluss als rechtswidrig erscheinen zu lassen. (…)

Der Kläger macht auch im Hinblick auf die ebenfalls einschlägi-gen Befreiungsvorschriften der (hier noch anzuwendenden)§§ 30b Satz 1 Nr. 2 und 23 Abs. 4 HENatG 1996 sowie des § 62Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. den §§ 42 Abs. 1 Nr. 1 und 10 Abs. 2Nr. 10c BNatSchG 2002 geltend, eine die Zulassung des Planvorha-bens ermöglichende »Befreiungslage« habe nicht vorgelegen, weildie für den Ausbau des Verkehrslandeplatzes B-Stadt – und damitzwangsläufig für die »Zerstörung des Hegbachs« – angeführten, al-lenfalls wirtschaftlichen Interessen nicht als überwiegende Grün-de des Gemeinwohls angesehen werden könnten. Dem vermagsich der erkennende Senat jedoch nicht anzuschließen. OhneBedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Vorhabensträ-gerin eine Gesellschaft des Privatrechts ist. Ein dem allgemeinenVerkehr offen stehender B-Straße wird dessen ungeachtet im öf-fentlichen Interesse betrieben (vgl. BVerwGE 56, 110, 119, zumVerkehrsflughafen A-Stadt); für seinen Ausbau können grundsätz-lich Gemeinwohlgründe angeführt werden. Dies ist in dem ange-fochtenen Planfeststellungsbeschluss (S. 95 ff., 117 f., 119 ff.) aus-reichend geschehen. Dabei hat der Beklagte den Begriff der über-wiegenden Gründe des Gemeinwohls in § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2BNatSchG 2002 und in den weiteren Befreiungsvorschriften nichtverkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-richts (Beschluss vom 20. Februar 2002 – 4 B 12.02 –, JURIS-Dok.-Nr.: WBRE 410008770 m.w.N.) müssen insoweit zwei Tatbestands-voraussetzungen erfüllt sein:

Von einer besonderen oder einer Ausnahmesituation kann nurbei einem Sachverhalt die Rede sein, der sich vom gesetzlich gere-gelten Tatbestand durch das Merkmal der Atypik abhebt. Ist die-sem Erfordernis genügt, so bedarf es zusätzlich einer Abwägungs-entscheidung. Der Bilanzierungsgedanke kommt im gesetzlichenTatbestandsmerkmal der »überwiegenden« Gründe zum Aus-druck; durch den Hinweis auf das »Gemeinwohl« stellt der Gesetz-geber außerdem klar, dass in die bilanzierende Betrachtung zugun-sten einer Ausnahme nur Gründe des öffentlichen Interesses undnicht auch private Belange eingestellt werden dürfen. Ob eine be-stimmte Maßnahme aus überwiegenden Gründen des Gemein-wohls zuzulassen ist, kann unabhängig davon, wer sich auf denAusnahmetatbestand beruft, nur das Ergebnis einer Abwägungs-entscheidung sein, bei der in Rechnung zu stellen ist, dass eine

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Ausnahme allenfalls in Betracht kommt, wenn Gründe des öffent-lichen Interesses von besonderem Gewicht sie rechtfertigen. Der-artige Gründe, die den durch Rechtsverordnung oder Gesetz be-sonders geschützten Belangen des Naturschutzes im vorliegendenKonfliktfalle im Range vorgehen, hat der Beklagte insbesondere imHinblick auf die verkehrsinfrastrukturelle Bedeutung des Ausbausdes Verkehrslandeplatzes B-Stadt als eines Vorhabens angenom-men, »das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Arbeitsplätzeund Strukturelemente der Rhein-Main-Region dauerhaft sichernund verbessern hilft« (S. 120 f. des Planfeststellungsbeschlusses).Dies kann gerichtlich um so weniger beanstandet werden, als dender Verwirklichung des Vorhabens – nach Meinung des Klägersunüberwindbar – entgegenstehenden Belangen des Natur-schutzes, nämlich dem Interesse an der Erhaltung des bis 2002 be-stehenden Zustandes des Hegbachs und seiner Ufergehölze mit-samt der in einem ca. 350 m langen Gewässerabschnitt vorgefun-denen bzw. als vorhanden unterstellten Tierarten, unterBerücksichtigung der konkreten naturräumlichen Gegebenheitenobjektiv ein (deutlich) geringeres Gewicht beizumessen ist als demöffentlichen Interesse an dem planfestgestellten Ausbau des Ver-kehrslandeplatzes B-Stadt. Auf die hiervon abweichende Gewich-tung der von der Planung berührten (öffentlichen), teils für, teilsgegen die Verlängerung der Start-/Landebahn sprechenden Belan-ge durch den Kläger kommt es fachplanungsrechtlich nicht an; eserscheint im Übrigen auch unter Berücksichtigung aller von demKläger bereits im Verwaltungsverfahren gegen das Vorhaben erho-benen naturschutzfachlichen Bedenken sachlich nicht nachvoll-ziehbar, dass der von der Beigeladenen beantragten Planfeststel-lung konkret betroffene Belange des Natur- und Landschafts-schutzes von solchem Gewicht sollten entgegenstehen können,dass mangels »Befreiungslage« auf das Vorhaben insgesamt hätteverzichtet werden müssen. Damit ist nicht gesagt, dass die Lebens-räume der Groppe und der Zweigestreiften Quelljungfer im undam Hegbach, soweit dieser wegen der Verlängerung der vorhande-nen Start-/Landebahn verlegt werden muss, von dem Vorhaben innur so geringem Maße berührt würden, dass von einer erhebli-chen, ausgleichsbedürftigen Beeinträchtigung keine Rede seinkönnte. Vielmehr ist damit klargestellt, dass die erforderlichen Be-freiungen im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss (S. 9,95 ff.) aus ohne Rechtsfehler angenommenen überwiegendenGründen des Gemeinwohls mit verkehrs-, wirtschafts- und ar-beitsmarktpolitischer Zielsetzung erteilt sind (vgl. hierzu Louis,Die naturschutzrechtliche Befeiung, NuR 1995, 62, 64 f., 69 f.), fer-ner, dass die durch das Vorhaben verursachten und in rechtlichnicht zu beanstandender Weise ermittelten Beeinträchtigungenvon Natur und Landschaft in der fachplanerischen Abwägungnicht nach ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht grundsätzlich ver-kannt oder sonst in nicht vertretbarer Weise hinter andere für dasVorhaben sprechenden Belange zurückgestellt worden sind. Dabeikommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-richts (Urteil vom 9. Juni 2004, a.a.O., Rdnr. 100) in diesem Zu-sammenhang nicht darauf an, ob das nach Maßgabe der natur-schutzrechtlichen Eingriffsregelung (§§ 6a und 6b HENatG 1996)zu erstellende Kompensationsmodell in allen Einzelpunkten einerrechtlichen Überprüfung standhält, beispielsweise hinsichtlichder von den Beteiligten kontrovers diskutierten Frage, ob der gebo-tene Ausgleich für den bei Verwirklichung des Vorhabens unver-meidbaren Natureingriff entsprechend der Einschätzung des Be-klagten bereits nach einigen Jahren oder aber – so der Kläger – gün-stigstenfalls erst nach 30 oder mehr Jahren sichergestellt werdenkönne. Entscheidend ist vielmehr, dass die in die fachplanerischeAbwägung einzustellenden Belange der Umweltverträglichkeit desVorhabens und damit gerade auch seine Auswirkungen auf Naturund Landschaft im Einzelnen wie auch in der Gesamtheit nach

ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung angemessen erfasst und be-wertet sind. Zu erheblichen Abwägungsmängeln führende Fehlge-wichtungen können hier – auch unter Berücksichtigung aller ge-gen die Planung erhobenen Einwände – nicht festgestellt werden.Das Gewicht der für das Vorhaben sprechenden Belange wird ent-gegen der Ansicht des Klägers insbesondere nicht dadurch ent-scheidend verringert, dass die planfestgestellte Verlängerung derStart-/Landebahn des Verkehrslandeplatzes B-Stadt nach den Re-gelungen der JAR-OPS 1 »nicht zwingend erforderlich« sein mag.Allein die Entlastungsfunktion, die dieser Landeplatz im Bereichder Allgemeinen Luftfahrt für den benachbarten internationalenVerkehrsflughafen A-Stadt – künftig noch verstärkt – nach den densüdhessischen Raum betreffenden verkehrspolitischen Zielsetzun-gen zu übernehmen hat, sowie die Verbesserung der Verkehrssi-cherheit verleihen dem öffentlichen Interesse an der Verwirkli-chung des Vorhabens nach näherer Maßgabe der Ausführungenim Planfeststellungsbeschluss (S. 83 ff.) objektiv ein derartiges Ge-wicht, dass das gegenläufige Interesse des Naturschutzes an der Er-haltung des ca. 350 m langen Abschnitts des Hegbachs (einsch-ließlich seiner Ufergehölze) mit dem dort angetroffenen Groppen-vorkommen und (als vorhanden unterstellten) Larvalhabitatender Zweigestreiften Quelljungfer – jedenfalls unter Berücksichti-gung der von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Aus-gleichsmaßnahmen – zurückstehen muss. (…)

Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss steht nicht in Wi-derspruch zu Anforderungen der FFH-RL und des diese gemein-schaftsrechtliche Richtlinie umsetzenden nationalen Rechts(§§ 32 ff., 69 Abs. 1 BNatSchG 2002; die seit dem 28. Juni 2002 gel-tenden §§ 20a ff. des durch Gesetz vom 18. Juni 2002 geändertenHENatG finden auf den am 5. April 2002 erlassenen Planfeststel-lungsbeschluss noch keine Anwendung).

Der Kläger leitet aus dem Umstand, dass sich in dem inzwischenüberbauten, ca. 350 m langen Abschnitt des Hegbachs ab Km 16,1die im Anhang II der FFH-RL aufgeführte – nicht prioritäre –Fischart Cottus gobio (Groppe/Mühlkoppe) mit einer, wie mittler-weile ermittelt, »zwar räumlich stark restringierten, aber ausge-sprochen stark reproduktiven, dichten und vitalen Population«nachweisen ließ, die Folgerung ab, dass es sich um ein potenziellesFFH-Gebiet gehandelt habe. Er lässt dabei aber außer Acht, dassnicht jeder Lebensraum, in dem sich Arten im Sinne des AnhangsII der FFH-RL nachweisen lassen, als potenzielles FFH-Gebiet ein-zustufen ist. Auf der Ebene der mitgliedstaatlichen Gebietsaus-wahl ist die FFH-Relevanz nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL anhand derdort in Anhang III Phase 1 festgelegten Merkmale zu beurteilen,für Cottus gobio als (seit 1997 nicht mehr prioritäre) Art des An-hangs II also nacha) Populationsgröße und -dichte der betreffenden Art in diesem

Gebiet im Vergleich zu den Populationen im ganzen Land,b) Erhaltungsgrad der für die betreffende Art wichtigen Habitats-

elemente und Wiederherstellungsmöglichkeit,c) Isolierungsgrad der in diesem Gebiet vorkommenden Populati-

on im Vergleich zum natürlichen Verbreitungsgebiet der jewei-ligen Art und

d) Gesamtbeurteilung des Wertes des Gebietes für die Erhaltungder betreffenden Art.

Dieser Kriterienkatalog belegt zwar, dass politische oder wirt-schaftliche Gesichtspunkte bei der Auswahl ebenso außer Betrachtzu bleiben haben wie sonstige Zweckmäßigkeitserwägungen. Erschließt einen mitgliedstaatlichen Beurteilungsspielraum gleich-wohl nicht aus, denn er ist so konzipiert, dass er im Einzelfall fürunterschiedliche fachliche Wertungen offen ist. Lässt sich die Ent-scheidung für oder gegen die Aufnahme eines Landschaftsraumsin die nationale Gebietsliste aus fachwissenschaftlicher Sicht ver-treten, so nimmt die FFH-RL dieses Ergebnis hin (vgl. Urteil des

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VGH Kasse l , Ausbau des Verkehrs landeplatzes Ege l sbach | R E C H T S P R E C H U N G

ZUR 5/2005 | 263

BVerwG vom 22. Januar 2004, a.a.O., S. 726 m.w.N.). Ob das Vor-kommen der Groppe – genau in dem Abschnitt des Hegbachs, derbei einer Verlängerung der Start-/Landebahn überbaut werdenmuss – die im Anhang III Phase 1 aufgeführten Kriterien im Zeit-punkt der Planfeststellung erfüllte, erscheint zweifelhaft, vor al-lem im Hinblick auf den Isolierungsgrad der nur in einem ver-gleichsweise kurzen Gewässerabschnitt festgestellten Population.Dem muss hier jedoch nicht näher nachgegangen werden, weildie Planfeststellungsbehörde ausdrücklich »aus Gründen der Ver-fahrenssicherheit« eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchge-führt, im Hinblick auf das Groppenvorkommen im Hegbach denbetreffenden Bachabschnitt vorsorglich als potenzielles FFH-Ge-biet angesehen, die durch das Planvorhaben verursachten Eingrif-fe wie Beeinträchtigungen im Sinne von § 19c Abs. 1 BNatSchG(1998) – entsprechend § 34 Abs. 1 BNatSchG 2002 – bewertet,gemäß Abs. 3 eine Ausnahme zugelassen sowie gemäß Abs. 5 diezur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologi-schen Netzes »Natura 2000« notwendigen Maßnahmen – nämlichdie in Anlage 11 der Planfeststellungsunterlagen aufgeführtenMaßnahmen zur Erhaltung des Groppenbestandes – vorgesehenhat (S. 94 ff., 100 ff.). Dass auf diese Weise wegen der damals nochunsicheren Datenlage dem betreffenden Groppenvorkommenmöglicherweise sogar ein weitergehender Schutz gewährt wurde,als er nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-gerichts in einem potenziellen FFH-Gebiet ohne prioritäre Lebens-raumtypen oder Arten geboten ist, lässt die Rechtmäßigkeit desangefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ebenso unberührtwie die tatsächlichen Vorgänge des Jahres 2003, die zum weitge-henden Verlust der im Zeitpunkt der Planfeststellung noch vor-handenen Population geführt haben.

Der Kläger räumt in diesem Zusammenhang selbst ein, dass eineAusnahmeprüfung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL (dessen Umsetzungin nationales Recht durch § 19c BNatSchG 1998 bzw. § 34 Abs. 1BNatSchG 2002 und in Hessen durch § 20d HENatG in der freilicherst ab dem 28. Juni 2002 geltenden Fassung erfolgt ist) tatsächlichstattgefunden hat, wenn auch mit dem nach seiner Auffassungfalschen Ergebnis, dass das Projekt zugelassen werden dürfe. Zu-treffend verweist er selbst auf die neuere Rechtsprechung des Bun-desverwaltungsgerichts zum Schutzregime potenzieller, also nichtdem strengen Schutz des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL unterstellter FFH-Ge-biete, die in dem vorstehend zitierten Urteil vom 22. Januar 2004gerade im Hinblick auf ein möglicherweise FFH-würdiges Grop-penvorkommen (in der Leine) bekräftigt worden ist. Danach rich-tet FFH-Recht, selbst wenn unterstellt wird, dass die Fischart derGroppe in den deutschen Habitatmeldungen bisher noch unterre-präsentiert ist und deshalb ein entsprechender Nachmeldebedarfbesteht, für Pläne und Projekte kein unüberwindliches Hindernisauf. Potenzielle FFH-Gebiete, die wie der hier betroffene Planungs-raum nur über nicht prioritäre Lebensraumtypen oder Arten ver-fügen, unterliegen entgegen der Ansicht des Klägers insbesonderekeiner Veränderungssperre, die einer Vorwegnahme des Art. 6Abs. 2 FFH-RL gleichkäme. Vielmehr gebietet das Gemeinschafts-recht lediglich ein Schutzregime, durch das verhindert wird, dass»Gebiete, deren Schutzwürdigkeit nach der FFH-RL auf der Handliegt«, zerstört oder anderweitig so nachhaltig beeinträchtigt wer-den, dass sie für eine Meldung nicht mehr in Betracht kommen(BVerwG a.a.O. S. 727 m.w.N.). Selbst wenn der inzwischen in ei-nem Bereich von ca. 350 m überbaute Bachabschnitt in diesemSinne schutzwürdig gewesen sein sollte, würde dies nicht zur ge-richtlichen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führenkönnen. Durch das Vorhaben der Beigeladenen wird nämlich derHegbach als Habitat für die Groppe nicht derart entwertet, dass eraus dem Kreis der meldefähigen Gebiete endgültig ausscheidenmüsste. Zwar wird derjenige verhältnismäßig kurze Bachab-

schnitt, in dem die Groppe bei Erlass des Planfeststellungsbe-schlusses noch anzutreffen war, weitgehend – bis auf einen als Alt-arm zu erhaltenden Abschnitt – für die Verlängerung der Start-/Landebahn unmittelbar in Anspruch genommen. Gleichwohlgeht der deswegen in einem weiten Bogen um die verlängerteStart-/Landebahn herumzuführende Hegbach als Habitat für dieGroppe nicht insgesamt verloren. (…)

Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verstößt schließ-lich nicht in einer Weise gegen die naturschutzrechtliche Ein-griffsregelung, die dem von dem Kläger allein gestellten Aufhe-bungsantrag zum Erfolg verhelfen könnte. Wie das Bundesverwal-tungsgericht zuletzt in dem mehrfach zitierten Urteil vom 9. Juni2004 dargelegt hat, verlangt die naturschutzrechtliche Eingriffsre-gelung, dass durch das Vorhaben verursachte Eingriffe in Naturund Landschaft so weit wie möglich vermieden und, wo dies nichtmöglich ist, ausgeglichen werden. Verbleiben danach Eingriffswir-kungen, hat die Planfeststellungsbehörde in einer spezifisch na-turschutzrechtlichen Abwägung darüber zu entscheiden, ob dasVorhaben wegen überwiegender anderer öffentlicher Belangegleichwohl zuzulassen ist. Spricht sie sich dafür aus, sind die ver-bleibenden Eingriffe durch Ersatzmaßnahmen vollständig zukompensieren, notfalls ist eine Ausgleichsabgabe zu erheben. …Danach ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in erster Li-nie ein Kompensationsmodell und nicht vorrangig Zulassungs-schranke für umweltrelevante Vorhaben, … Gleichwohl kann einVorhaben im Einzelfall auch an der naturschutzrechtlichen Abwä-gungsentscheidung insgesamt scheitern (vgl. hierzu Halama, Na-turschutzrechtliche Anforderungen in der Fachplanung, in:Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 163, S. 93, 101 ff.).

Ist die naturschutzrechtliche Abwägung fehlerhaft, … oder lie-gen sonstige Rechtsverstöße bei der Festlegung der gebotenen Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen vor, werden solche Fehler aller-dings regelmäßig nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbe-schlusses zur Folge haben. (…)

Können die unterlaufenen Rechtsverstöße nur in einem ergän-zenden Verfahren »geheilt« werden, weil sie die Ausgewogenheitder Gesamtplanung betreffen oder ohne ihre vorherige Behebungmit Rücksicht auf die Belange Dritter die Umsetzung des Planfest-stellungsbeschlusses im Übrigen nicht ins Werk gesetzt werdendarf, ist nach § 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG die Rechtswidrigkeit undNichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustel-len. Dies ist freilich nur zulässig, wenn und soweit die konkreteMöglichkeit der Fehlerbehebung in dem ergänzenden Verfahrenbesteht. …

Genügt zur Fehlerbehebung jedoch die Verpflichtung zurPlanergänzung, weil der Fehler die Ausgewogenheit der Gesamt-planung nicht betrifft, seine isolierte Behebung durchsetzbar istund mit der Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses bereitszuvor ohne Verletzung der Rechte Dritter begonnen werden kann,kommt kein ergänzendes Verfahren in Betracht und erst rechtnicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. …

Dieser Grundsatz gilt auch für die auf § 61 BNatSchG gestützteKlage eines anerkannten Naturschutzvereins. Die wesentlicheFunktion der Vereinsklage, mögliche Vollzugsdefizite im Natur-schutzrecht zu vermeiden oder auszugleichen, die daher rühren,dass der gesetzlich gebotenen Berücksichtigung der Belange vonNatur und Landschaft keine subjektiven DurchsetzungsansprücheEinzelner entsprechen, verlangt nicht die Aufhebung des Planfest-stellungsbeschlusses, wenn es an einer gebotenen Ausgleichs- oderErsatzmaßnahme fehlt. Auf die stattdessen anzustrebende Planer-gänzung kann der Naturschutzverein freilich nur dann verwiesenwerden, wenn diese Planergänzung auch im Klagewege durchge-setzt werden kann. § 61 BNatSchG ermöglicht dies. … Die altruisti-sche Vereinsklage des anerkannten Naturschutzvereins ist in den

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R E C H T S P R E C H U N G | OVG Frankfur t (Oder) , Gewerbl iche Schrottsammlung

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Grenzen des § 61 Abs. 2 BNatSchG ein objektives Beanstandungs-verfahren; von der im deutschen Verwaltungsprozess ansonstengeltenden Beschränkung auf den subjektiven Rechtsschutz di-spensiert § 61 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG explizit. Schließlichschränkt die Vorschrift das Klagerecht der Naturschutzvereine we-der ausdrücklich noch sinngemäß auf die Anfechtungsklage ein.(…)Rechtsfehler bei der Erarbeitung des naturschutzrechtlichen Aus-gleichs- und Ersatzkonzepts werden danach, jedenfalls bei der Kla-ge eines anerkannten Naturschutzvereins, in aller Regel nicht dieAufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder die Feststellungseiner Nichtvollziehbarkeit mit dem Verweis auf ein ergänzendesVerfahren rechtfertigen, sofern es sich um Einzelmängel handelt,die nicht das Gesamtkonzept in Frage stellen, und es keinen ernst-haften Zweifeln unterliegt, dass das erforderliche Ausgleichs- oderErsatzpotenzial zur Behebung des Kompensationsdefizits für diePlanergänzung im Grundsatz vorhanden ist. Sie bleiben allerdingsauch nicht sanktionslos, sondern begründen für den Verein die ge-richtlich durchsetzbare Möglichkeit der Planergänzung.Gemessen an diesen Grundsätzen führen die von dem Klägergerügten Defizite bei der Abarbeitung der naturschutzrechtlichenEingriffsregelung weder zur Aufhebung des Planfeststellungsbe-schlusses noch zur Feststellung seiner Nichtvollziehbarkeit. (…)

Gewerbliche Schrottsammlung und abfallrechtlicheÜberlassungs- und Nachweispflichten

OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 14. Oktober 2004– 2 B 135/04 –

Leitsätze der Redaktion: 1. Die generelle Annahme, gewerbliche Sammlungen unter-

liefen in lukrativen Bereichen die Überlassungspflicht nach§ 13 Abs. 1 KrW-/AbfG, rechtfertigt nicht die Bejahung einesÜberwiegens entgegenstehender öffentlicher Interessen imSinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG.

2. Der Veranstalter einer gewerblichen Sammlung muss nach-weisen, dass und wie der Abfall der Verwertung zugeführtwird, ohne dass er für nicht überwachungsbedürftigenAbfall den Verwertungsweg für die Abfallfraktionen imeinzelnen aufzeigen muss.

3. Für die Forderung eines »Negativnachweises«, mit demaufgezeigt wird, dass sich unter dem Sammelgut keinegewerblichen oder besonders überwachungsbedürftigenAbfälle befinden, bietet § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfGkeine Rechtsgrundlage

Aus den Gründen: Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die auf §§ 21i.V.m. 13 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG gestützte Un-tersagungsverfügung bezüglich der gewerblichen Schrottsamm-lung (mit Ausnahme von Waschmaschinen) mangels Eingreifensder abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1KrW-/AbfG, im Übrigen, soweit es darum geht, ob der Antragstel-ler den Nachweis der schadlosen Verwertung geführt hat, wegenUnverhältnismäßigkeit der Untersagungsrechtsfolge überwiegendwahrscheinlich rechtswidrig ist. Es hat deshalb dem Interesse desAntragstellers, während des noch laufenden Widerspruchsverfah-rens von der Vollziehung der Untersagungsverfügung verschontzu bleiben, den Vorrang eingeräumt. Demgegenüber meint derAntragsgegner, die gewerbliche Sammlung verstoße gegen dasKrW-/AbfG und die darin grundsätzlich bestimmte Überlassungs-pflicht zugunsten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.Insbesondere der Ankauf von Buntmetallen sei danach unzulässig.

Mit Sammlungen dieser Art werde § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfGunterlaufen. Zudem sei nach dem Inhalt des vom Antragstellerverteilten Handzettels nicht zu vermeiden, dass mit Motoren undGetrieben trotz des Zusatzes auf dem Handzettel des Antragstellers»ohne Öl« besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Samm-lung kämen. Der Antragsteller habe ferner seiner Pflicht zumNachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertunggemäß § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG nicht genügt und schließlichstünden überwiegende öffentliche Interessen der gewerblichenSammlung entgegen. (…)

Das Verwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung im Er-gebnis zu Recht als gegenwärtig rechtswidrig beurteilt. Diese Be-wertung ist allerdings nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil diemateriellen Voraussetzungen für die Untersagung der gewerbli-chen Schrottsammlung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfGnicht vorlägen. Es unterliegt aber zum einen Zweifeln, ob die Akti-vitäten des Antragstellers allein unter dem Aspekt des Unterlau-fens der in § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG enthaltenen Verpflich-tung, Abfälle aus privaten Haushaltungen den öffentlich-rechtli-chen Entsorgungsträgern zu überlassen, rechtlich richtig erfasstwerden. Zum anderen lässt sich im summarischen Verfahren fürdie unter § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG fallenden, grundsätzlichüberlassungspflichtigen Abfälle nicht feststellen, dass entgegen-stehende öffentliche Interessen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1Nr. 3 KrW-/AbfG überwiegen. Eine möglicherweise allein auf un-zureichende Nachweise der ordnungsgemäßen und schadlosenVerwertung des gesammelten Abfalls gestützte Untersagung un-terliegt Bedenken, weil der Antragsgegner insoweit von mögli-cherweise überzogenen Anforderungen an den Nachweis ausgehtund vor dem Erlass der Untersagungsverfügung den Antragstellernicht hinreichend angehört hat.

Im Einzelnen ist von folgenden Erwägungen auszugehen: DiePflicht zur Überlassung von Gegenständen aus privaten Haushal-ten setzt nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG zunächst voraus, dasses sich dabei bereits um Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfGhandelt. Dafür ist u.a. erheblich, ob sich der Besitzer dieser beweg-lichen Sachen entledigen will oder entledigen muss. Das ist nachden Legaldefinitionen in § 3 Abs. 3 und 4 KrW-/AbfG anzuneh-men, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung der Sache ent-fällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungs-zweck unmittelbar an deren Stelle tritt, wobei die Auffassung desBesitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung der Beur-teilung zugrunde zu legen ist, oder wenn eine nicht mehr verwen-dungsfähige oder nicht mehr bestimmungsgemäß verwendete Sa-che gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbe-sondere die Umwelt gefährdet und das Gefährdungspotential nurdurch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder ge-meinverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden kann. Ange-sichts dieser Abgrenzung des Abfallbegriffs erscheint schon zwei-felhaft, ob sich die Offerte des Antragstellers auf den von ihm ver-teilten Handzetteln, »größere Mengen« Buntmetalle »wie Alu,Kupfer oder Messing« anzukaufen, die gerade auch wesentlichesZiel der Untersagungsverfügung ist, im Schwerpunkt überhauptauf solche Gegenstände mit Buntmetallgehalt richtet, die bereitsals Abfall im Sinne des Gesetzes zu beurteilen wären. Soweit mitder Verfügung angestrebt würde, die Veräußerung und Abgabevon gebrauchten Buntmetallgegenständen ungeachtet ihrer Ab-falleigenschaft durch private Haushalte an Altwarenhändler zuuntersagen, läge dies allerdings außerhalb der Durchführung desKrW-/AbfG, zu der § 21 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG allein ermächtigt.

Handelte es sich insoweit aber um Abfall aus privaten Haushal-tungen, hinge das Eingreifen der Überlassungspflicht von denMerkmalen in § 13 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz KrW-/ AbfG ab,nämlich ob Erzeuger oder Besitzer von häuslichem Abfall zu einer

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Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen.Insoweit ist dem Antragsgegner zwar grundsätzlich darin beizupf-lichten, dass private Haushalte zu einer stofflichen Verwertung vonSchrott und Buntmetallgegenständen - anders als etwa bei sog. Bio-abfällen – nicht selbst in der Lage sein werden, was vorderhand fürein Eingreifen der Überlassungspflicht zugunsten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers spricht. Das Angebot des Antrag-stellers, größere Mengen Buntmetalle aufzukaufen, wirft aber dieweitere Frage auf, inwiefern die Veräußerung an einen Dritten eineMöglichkeit der Verwertung i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 1 letzter Hs. KrW-/AbfG darstellt und damit der Überlassungspflicht entgegensteht.Dabei handelt es sich um eine stark umstrittene – soweit ersichtlich– bislang höchstrichterlich und auch vom Senat noch nicht ent-schiedene Frage (vgl. nur Kunig in Kunig/Paetow/ Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 13, Rn. 15). Diese muss ungeachtet etwaiger, nachAuffassung des Antragsgegners in der bisherigen die Eigenverwer-tung von Abfällen behandelnden Rechtsprechung (vgl. BVerwG,Urteile vom 11. Dezember 1997 – 7 C 58.96 – BVerwGE 106, 43<49> und vom 20. Dezember 2000 – 11 C 7.00 – BVerwGE 112, 297<307>) vorhandener Tendenzen für eine Klärung in dem Sinne,dass die Einschränkung der Überlassungspflicht allein auf die Ei-genkompostierung ziele und letztlich darauf zu beschränken sei,im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offenbleiben. Die Fragestellung ist zu komplex, um im Rahmen einer nursummarischen Prüfung beantwortet zu werden. Selbst wenn derGesetzgeber nach der Begründung des Gesetzes bei der Einschrän-kung der Überlassungspflicht speziell an die Eigenkompostierunggedacht haben mag (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2000a.a.O.) oder sogar nur dies vor Augen hatte, rechtfertigt dies bei nursummarischer Betrachtung nicht schon ohne weiteres eine dahingehende Reduzierung der nach dem Gesetzeswortlaut selbst inso-weit nicht eingeschränkten sog. Verwertungsoption. In Schrifttumund in der Rechtsprechung werden hierzu gegensätzliche Auffas-sungen vertreten (vgl. Klöck, NuR 1999, 443 m.w.N.; gegen eineVerwertung über Dritte: Nds.OVG, Beschluss vom 10. Juni 2003 – 9ME 1/03 – NVwZ-RR 2004, 175; VGH B.-W, Urteil vom 21. Juli 1998– 10 S 2614/97 – NVwZ 1998, 1200; VG Chemnitz, Beschluss vom27. Februar 2004 – 2 K 142/04 –; VG Schleswig, Urteil vom 26. März2001 – 4 A 100/99 –; für deren Zulässigkeit LG Berlin, Urteil vom 16.September 2003 – 48 S 62/03 – Grundeigentum 2003, 1553, dazuRindtorff, Grundeigentum 2003, 1535; ders. DVBl. 2001, 1038;Frenz, KrW-/ AbfG, Kommentar, 3. Aufl., § 13, Rn. 27 f., aus der Ent-stehungsgeschichte: Bericht des Ausschusses für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit – 17. Ausschuss – BT-Drucks.12/7284, S. 17). Bei diesem Befund kann die Rechtmäßigkeit derangefochtenen Untersagungsverfügung unter diesem Gesichts-punkt für das vorliegende Verfahren nur als offen beurteilt werden.

Was den Gehalt der Untersagungsverfügung im Übrigen angeht,ist ihre Rechtmäßigkeit danach zu beurteilen, ob die (unentgeltli-che) gewerbliche Sammlung von Schrott aus privaten Haushaltun-gen durch den Antragsteller die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG erfüllt. Nach der Vorschrift besteht dieÜberlassungspflicht nämlich nicht für Abfälle dieser Herkunft, diedurch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen undschadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies den öffent-lich-rechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird undnicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

Nach dem Handzettel des Antragstellers ist allerdings schonzweifelhaft, ob sein Interesse nur auf Abfälle aus privaten Haushal-tungen zielt, für die die Überlassungspflicht infolge dieser Bestim-mung nicht besteht. Denn die in der Offerte beispielhaft als anzu-nehmende Abfälle genannten Landmaschinen, Motore und Ge-triebe fallen typischerweise in privaten Haushaltungen nicht alsderen Abfall an, sondern typischerweise in Gewerbebetrieben und

in der Landwirtschaft. Der Handzettel ist deshalb geeignet, bei denBesitzern solcher Gegenstände, auch wenn es sich nicht um Abfallaus privaten Haushaltungen handelt, die Vorstellung hervorzuru-fen, sie könnten ihrer gesetzlichen Entsorgungspflicht genügen,indem sie diese Gegenstände in die Sammlung des Antragstellersgeben. Diese Vorstellung ist ungeachtet dessen, ob auf diese Weiseeine schadlose stoffliche Verwertung gewährleistet wäre, verfehlt,weil der Antragsteller als Schrottsammler keinen Entsorgungsbe-trieb unterhält, dem allgemein Abfälle zur Verwertung überlassenwerden dürften. Zutreffend führt der Antragsgegner außerdemaus, dass private Haushaltungen regelmäßig nicht zu einer Reini-gung von Motoren oder Getrieben von Öl und anderen Schmier-stoffen in dem erforderlichen Ausmaß – ganz abgesehen von derEntsorgung der Flüssigkeiten und Stoffe, die durch den Reini-gungsvorgang anfallen – in der Lage sind und Motore und Getrie-be daher – auch nach Ablassen der Schmierstoffe – besonders über-wachungsbedürftige Abfälle (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 i.V.m. AnlageSchlüsselnummer 16 01 21 Abfallverzeichnis-Verordnung) blei-ben, die nicht von der Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1KrW-/AbfG und erst recht nicht von ihrer Einschränkung in § 13Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG erfasst werden, wie in § 13 Abs. 3Satz 2 KrW-/AbfG ausdrücklich klargestellt ist. Die vorliegende Er-messensentscheidung, die gewerbliche Schrottsammlung zu un-tersagen, stützt sich in der Tat teilweise auf Erwägungen, um diehierin zu Tage tretende Problematik des Übergriffs gewerblicherSammlungen in den Entsorgungsbereich außerhalb des § 13 Abs. 1KrW-/AbfG zu erfassen. Das ist indes vom rechtlichen Ausgangs-punkt der Verfügung, die auf die Durchsetzung (nur) der Ver-pflichtungen aus § 13 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 gerichtetist, verfehlt, weil dem Antragsteller die Veranstaltung gewerbli-cher Sammlungen von Schrott schlechthin und ohne Beachtungder Voraussetzungen der genannten Vorschriften untersagt wur-de. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Sammlungstätig-keit des Antragstellers außerhalb des Rahmens von § 13 KrW-/AbfG untersagt werden könnte und ob dafür der Antragsgegnerauch zuständig wäre, bedarf keiner näheren Prüfung, weil Erwä-gungen zur Unzulässigkeit der Sammlungstätigkeit des Antragstel-lers nach anderen Vorschriften des KrW-/AbfG die vorliegendeVerfügung nicht zu stützen vermögen.

Ob den Sammlungen des Antragstellers von (Schrott-)Abfällenaus privaten Haushaltungen überwiegende öffentliche Interessenim Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG entgegenstehenund damit die Überlassungspflicht nach Abs. 1 Satz 1 der Vor-schrift zugunsten des Antragsgegners für den insoweit eingesam-melten Schrottabfall eingreift, lässt sich im summarischen Verfah-ren nicht abschließend beurteilen, kann jedenfalls auch nach derBeschwerdebegründung nicht zweifelsfrei bejaht werden.

Insoweit kann im vorliegenden Verfahren auf sich beruhen, obden Ausführungen des Antragsgegners zur Auslegung dieses ge-setzlichen Merkmals in der Beschwerdebegründung, die hinsicht-lich Überlassungspflicht und gewerblicher Sammlung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis erkennen und dementsprechend eine mög-lichst restriktive Auslegung der die gewerblichen Sammlungeneinschränkenden Merkmale befürworten wollen, unter Berück-sichtigung anerkannter Erkenntnisse der Methodenlehre (vgl. zuAusnahmevorschriften und ihrer Auslegung, Larenz, Methoden-lehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 243 f.) gefolgt werdenkann. Hier muss jedenfalls eine einseitig interessengeleitete Übe-rinterpretation der Regelungen vermieden werden. Auch wennman die Vorschrift des § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG abweichend von derBeschwerde gleichsam als eine dem allgemeinen Regelungsansatzdes Gesetzes (Entsorgungspflicht beim Abfallerzeuger oder -besit-zer) folgende Rückausnahme von der Ausnahme der mit der Über-lassungspflicht gekoppelten Entsorgungspflicht des öffentlich-

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rechtlichen Entsorgungsträgers für den Abfall aus privaten Haus-haltungen (für deren Ausnahmecharakter: BVerwG, Urteil vom25. August 1999 – 7 C 27.98 – Buchholz 451.221 § 13 Nr. 4 S. 12 f)und damit als bloße Regelungskomponente des gesetzlichen Ent-sorgungsmodells zu verstehen hätte, ergeben sich daraus nicht oh-ne weiteres bestimmte Erkenntnisse für eine weite oder enge Aus-legung des unbestimmten Rechtsbegriffs der entgegenstehendenöffentlichen Interessen.

Ungeachtet dieser Fragestellung ist für das Verständnis diesesder vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegenden unbestimm-ten Rechtsbegriffs allerdings davon auszugehen, dass der Gesetz-geber mit den Einschränkungen der Überlassungspflicht in § 13Abs 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG die Berechtigung auch gewerblicherAbfallsammlungen als eine der bisher schon üblichen Formen derKreislaufwirtschaft anerkennen wollte. Dabei hat er andererseitsnicht verkannt, dass die Beibehaltung dieser historisch überkom-menen Verwertungswege in Konkurrenz zu der in § 15 Abs. 1 KrW-AbfG vorgesehenen Verwertung und Beseitigung des Abfalls ausprivaten Haushaltungen durch die öffentlich-rechtlichen Entsor-gungsträger tritt. Entgegenstehende öffentliche Interessen erge-ben sich daher bereits aus dem gesetzlichen Regelungsgefüge der§§ 13 und 15 KrW-/AbfG. Potentiell macht die gewerbliche Samm-lung des Abfalls aus privaten Haushaltungen den gesetzlich vorge-sehenen Entsorgungsweg über die öffentlich-rechtliche Abfall-wirtschaft entbehrlich; praktisch wird den öffentlich-rechtlichenEntsorgungsträgern aber nur ein Anteil des zu verwertenden Ab-falls, und zwar der lukrative Teil, entzogen. Zudem kann die Artund Weise der Sammlung zu Beeinträchtigungen oder besonderenAnforderungen an die Aufgabenwahrnehmung führen. Alle dieseBeeinträchtigungen der öffentlichen Abfallwirtschaft sind jedochals Ausdruck des Spannungsverhältnisses, das mit der Zulassungdes konkurrierenden Entsorgungsweges entsteht, grundsätzlichhinzunehmen und können für sich genommen eine Untersagungnicht begründen. Aus dem Merkmal des Überwiegens entgegen-stehender öffentlicher Interessen ist vielmehr abzuleiten, dass dieEinschränkung der Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr.3 KrW-/AbfG, letztlich aber die Zulässigkeit gewerblicher Samm-lungen, dort enden soll, wo das gesetzliche Regelungsmodell fürdie Entsorgung privater Haushalte in seiner Funktionsfähigkeit be-einträchtigt wird (instruktiv hierzu Frenz a.a.O., § 13, Rn. 62 ff.;Zandonella/Thärichen, NVwZ 1998, 1160). Ein Überwiegen entge-genstehender öffentlicher Interessen liegt daher vor, wenn die Er-füllung der gesetzlichen Pflichten des öffentlich-rechtlichen Ent-sorgungsträgers existentiell gefährdet wird (vgl. VG Frankfurt/Main, NVwZ-RR 1998, 167; Kunig a.a.O, Rn. 37; Frenz, KrW-/AbfG, Kommentar, 3. Aufl., § 13, Rn. 66 ff., 91; Queitsch, Abfall-prax 1999, 91), vorbehaltlich eines davon unabhängigen öffentli-chen Interesses an einer geordneten Durchführung der gewerbli-chen Sammlung. Eine solche existentielle Gefährdung liegt vor,wenn die zum Betrieb der öffentlichen Entsorgungseinrichtungennotwendige Planungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist, einbetriebswirtschaftlich sinnvoller Betrieb unmöglich gemacht oderdie geordnete Abfuhr und Entsorgung der Abfälle aus privatenHaushaltungen sonst nicht mehr gewährleistet ist. Dabei ist je-doch zu berücksichtigen, dass diese als öffentliche Einrichtungender Daseinsvorsorge keine gewinnorientierten Unternehmensind; ihre Kosten sind nach § 9 des Brandenburgischen Abfallge-setzes – BbgAbfG – grundsätzlich durch kostendeckend zu kalku-lierende Benutzungsgebühren von den ihre Leistungen in An-spruch nehmenden, angeschlossenen Nutzern zu tragen. DieHöhe dieser Gebühren wird bundesrechtlich durch das Äquiva-lenzprinzip begrenzt, wonach die Gebühr nicht in einem unange-messenen Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen darf unddas dementsprechend auch im Rahmen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3

KrW-/AbfG die äußerste Grenze der (wirtschaftlichen) Entsor-gungssicherheit darstellt. Ob und gegebenenfalls inwieweit wirt-schaftliche Beeinträchtigungen durch gewerbliche Sammlungenunter dem Aspekt der Gebührenhöhe auch unterhalb dieser Gren-ze im Sinne eines Überwiegens entgegenstehender öffentlicher In-teressen beachtlich sein können, muss bei summarischer Prüfungebenfalls offen bleiben, bedarf hier indessen schon deshalb keinerKlärung, weil nach der Beschwerdebegründung unzumutbare Ge-bührenerhöhungen, wie noch darzulegen ist, nicht dargetan sind.

Nach diesen Grundsätzen ist ein Überwiegen entgegenstehen-der öffentlicher Interessen nicht ersichtlich. Es folgt nicht ohneweiteres daraus, dass sich nach den Angaben des Antragsgegnersdie Abfallentsorgung infolge geringerer als erwarteter Erlöse ausder Schrottverwertung verteuert. Insoweit muss im summarischenVerfahren offen bleiben, ob eine Mischkalkulation dergestalt, dassdie Entsorgung des übrigen Abfalls über die Erlöse aus der Schrott-verwertung mitfinanziert wird, aufgemacht werden darf oder von-einander abgrenzbare Entsorgungssparten nach ihrer leistungs-spezifischen Kostenverursachung jeweils zu veranschlagen unddanach zu betrachten sind, ob im jeweiligen Bereich eine Kosten-deckung erzielt wird. Es ist mit der Beschwerde jedenfalls nichthinreichend erläutert, warum die hinter den Erwartungen zurück-bleibenden Erlöse aus der Schrottverwertung zu einer für den Bür-ger unzumutbaren Gebührenhöhe führen würden, wenn dadurchdie Gebühr je Einwohner um einen Euro erhöht werden müsste.Ebenso wenig ist hinreichend dargelegt, warum die gewerblichenSammlungen die Schrottentsorgung durch den Antragsgegner exi-stentiell gefährden. Die Beschwerde trägt selbst vor, dass dieSchrottentsorgung als solche jedenfalls im Jahre 2003 kosten-deckend betrieben werden konnte, da der Antragsgegner infolgeder gestiegenen Preise für Sekundärrohstoffe im Schrotthandel mitabgefahrenen 338 Tonnen noch einen höheren Erlös (ca.37.180 €) erzielt hat, als ihm nach der vertraglichen Vereinbarungmit dem Abfuhrunternehmen an Kosten für dessen Leistungser-bringung entstand (29.180 €/a bei einer kalk. Mindestmenge von938 t/a). Für die ferner behauptete Störung der Planungssicherheitfehlen hinreichende und schlüssige Belege. Allein die Notwendig-keit einer Vertragsanpassung mit dem Unternehmen, das mit derSchrottabfuhr beauftragt wurde, genügt dafür nicht. Vielmehrmüsste eine – im Einzelnen zu belegende – Analyse der Ursachenfür die Notwendigkeit der Anpassung ergeben, dass die ausschlag-gebende Ursache in der Tätigkeit des Antragstellers und anderergewerblicher Schrottsammler zu finden ist und andere Ursachen,insbesondere auch Prognosefehler im kalkulativen Ansatz derzunächst abgeschlossenen Vereinbarung mit dem Abfuhrunter-nehmen, mit hinreichender Sicherheit als maßgebliche Ursacheausgeschlossen werden können. Für eine solche Bewertung fehltes aber an ausreichenden Darlegungen und Belegen durch denAntragsgegner. Insgesamt eröffnet die Beschwerdebegründung da-mit keine hinreichende Grundlage für eine Prüfung, ob aus demFehlen erwarteter Verwertungserlöse entsorgten Schrotts eine Ge-fährdung der Abfallentsorgungseinrichtung des Antragsgegnersoder ihres Gebührengefüges erwächst. Die generelle Annahme, ge-werbliche Sammlungen unterliefen oder höhlten die Überlas-sungspflicht nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG in lukrativen Bereichenaus, rechtfertigt angesichts der gesetzlichen Einschränkung derÜberlassungspflicht für gewerbliche Sammlungen, die gerade aufmit Gewinnerzielung verwertbare Abfälle bezogen sind, die Be-jahung eines Überwiegens entgegenstehender öffentlicher Inter-essen nicht, weil damit die gesetzliche Einschränkung der Überlas-sungspflicht durch § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG geradezu un-terlaufen würde. Schwierigkeiten, die aus der Art und Weise derDurchführung der Sammlungsaktionen entgegenstehende öffent-liche Interessen begründen könnten, sind im Hinblick auf die kon-

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krete Tätigkeit des Antragstellers nicht dargelegt. Die Ausführun-gen des Antragsgegners zur Sammlung besonders überwachungs-bedürftiger Abfälle, insbesondere schmierstoffhaltiger Motore undGetriebe, verfehlen – wie bereits dargelegt – tatbestandlich dieNorm und können die vorliegende Ermessensentscheidung, ge-werbliche Sammlungen zur Durchsetzung der Überlassungspflichtnach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG zu untersagen, unter dem Ge-sichtspunkt überwiegender entgegenstehender öffentlicher Inter-essen schon deshalb nicht rechtfertigen.

Kann somit die Verfügung des Antragsgegners nicht unter demGesichtspunkt überwiegender öffentlicher Interessen ohne weite-res als rechtmäßig bestätigt werden, gilt das auch unter Berück-sichtigung der Nachweispflicht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Zwar ist der Beschwerdebegründung zumindest im Ansatzzu folgen, was den erforderlichen, vom Antragsteller zu erbringen-den Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertunganbelangt. Anders, als das Verwaltungsgericht offenbar meint, hatder Antragsteller diesen Nachweis allein mit der Vorlage desSchreibens der Fa. ..., seines Abnehmers, derzeit nicht geführt. InAnsehung der Vorlage dieses Schreibens hat der Antragsgegneraber die ihm obliegende Anhörungspflicht verletzt.

Die Anforderungen an den vom Antragsteller zu erbringendenNachweis nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG sind nach demGesetz auf die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung be-schränkt. Entgegen der Annahme des Antragsgegners ist regel-mäßig davon auszugehen, dass der Nachweis einer ordnungs-gemäßen und schadlosen Verwertung von Altmetallen aus priva-ten Haushaltungen geführt werden kann, da es sich im Regelfallum nicht überwachungsbedürftigen Abfall handelt und zudem fürdiesen Abfall ein hohes Verwertungsinteresse besteht, wie derAntragsgegner in anderem Zusammenhang der Beschwerde-begründung selbst ausführt. Der Nachweis kann sich aber nur aufdie Entsorgung von Abfällen beziehen, die von der Bestimmungdes § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG erfasst werden. Der Veranstalter der ge-werblichen Sammlung muss nachweisen, dass und wie der Abfallder Verwertung zugeführt wird, ohne dass für nicht überwa-chungsbedürftigen Abfall allerdings der Verwertungsweg für die –in der Verfügung auch nicht näher bestimmten – Abfallfraktionenim Einzelnen aufgezeigt werden müsste. Für die Forderung eines»Negativnachweises« durch den Antragsteller, dass sich unter demSammelgut keine gewerblichen oder besonders überwachungsbe-dürftigen Abfälle befinden, bietet § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG keine Rechtsgrundlage, da solcher Abfall danach schonnicht gesammelt werden darf und deshalb auch nicht aus einer ge-werblichen Sammlung zur Verwertung gelangen kann. SolcheNachweise können von der zuständigen Behörde möglicherweiseauf der Grundlage der §§ 45ff. KrW-/AbfG gefordert werden, wennhinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass auchAbfälle angenommen werden, die nicht unter § 13 Abs. 3 Nr. 3KrW-/AbfG fallen. Auch die Angabe, dass ein werbendes Verwer-tungsunternehmen bereit ist, künftig weiterhin Schrott anzuneh-men, ist grundsätzlich nicht erforderlich. Wenn die Schrottver-wertung zum Gewerbe des Unternehmers gehört, ist nach dem ge-wöhnlichen Verlauf mit seiner Fortführung im bisherigen Umfangzu rechnen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG bietet schließlichkeine Grundlage für Angaben über das mit der Sammlung beab-sichtigte zu erzielende Schrottvolumen. Diese Angabe hat im An-satz nichts mit der Verwertung der gesammelten Abfälle zu tunund steht in Widerspruch mit dem Wesen der Sammlung, mit derverbunden ist, dass der Erfolg ungewiss ist und entsprechende An-gaben allenfalls durch Erfahrungswerte aus einem längeren Zeit-raum einigermaßen zuverlässig prognostiziert werden können.Nur bei entsprechenden Anhaltspunkten für einen Zusammen-hang von Abfallmenge und nicht ordnungsgemäßer Abfuhr könn-

te eine Verpflichtung zu solchen Angaben in Erwägung gezogenwerden. Von der dem gewerblichen Sammler gesetzlich auferleg-ten Nachweispflicht ist eine solche Angabe jedoch nicht umfasst.Hinsichtlich des Zeitpunkts des Nachweises könnte allerdings ei-niges dafür sprechen, dass die Überlassungspflicht nur dann imSinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG entfällt, wenn der Nach-weis vor Durchführung der Sammlung durch eine Anzeige ge-genüber dem öffentlichen Entsorgungsträger geführt wird (vgl.Kunig a.a.O., § 13, Rn. 36). Dafür lassen sich vor allem Sinn undZweck der Privilegierung gewerblicher Sammlungen anführen, die(selbstverständlich) nur dann gesetzeskonform zur Kreislaufwirt-schaft beitragen, wenn (von vornherein) eine ordnungsgemäßeund schadlose Verwertung sichergestellt ist. Jedenfalls müssenVeranstalter gewerblicher Sammlungen – wie hier auf Anforde-rung – jederzeit den ihnen obliegenden Nachweis führen können.

Der Antragsteller hat den hiernach erforderlichen Nachweis derschadlosen Verwertung allein mit dem Schreiben der Fa. ... vom11. Juni 2003 nicht geführt, weil sich daraus nur die Abnahme desSammlungsgutes, nicht aber dessen ordnungsgemäße und schadlo-se Verwertung ergibt. Hierzu müsste die Zertifizierung der Fa. ... alsEntsorgungsbetrieb für diese Art von Abfällen oder der weitere Ver-wertungsweg durch einen Betrieb, der tatsächlich und rechtlich zurschadlosen Verwertung in der Lage ist, nachgewiesen werden.

Nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG kann die zuständige Behörde imEinzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung desGesetzes, also auch zur Durchführung der Regelungen des § 13Abs. 1 und 3 KrW-/AbfG treffen. Die Anordnung im Einzelfallsteht daher im Ermessen der Behörde. Ob eine Ermessensentschei-dung, dem Antragsteller die gewerbliche Schrottsammlung – an-ders als in der angefochtenen Verfügung – zu untersagen, alleinauf den fehlenden Nachweis einer ordnungsgemäßen und schad-losen Verwertung gestützt werden kann, könnte erwogen werden.Die hier vorliegende Ermessensbetätigung des Antragsgegnersgeht – wie ausgeführt – von rechtlich zum Teil nicht einwandfrei-en Ansätzen aus und lässt in ihrem Gesamtbild eine Tendenz er-kennen, dem Antragsteller im Schwerpunkt unter dem Konkur-renzaspekt die gewerbliche Schrottsammlung zu untersagen. DieFrage ordnungsgemäßer Ermessensausübung bedarf hier jedochkeiner abschließenden Entscheidung. Denn der angefochtene Ver-waltungsakt erweist sich auch so gegenwärtig als rechtswidrig. DerAntragsgegner hat nämlich den Antragsteller zu der beabsichtig-ten Untersagungsverfügung nicht angehört. Darin liegt ein Ver-stoß gegen § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für dasLand Brandenburg – VwVfG Bbg –, wonach vor Erlass eines in dieRechte eines Beteiligten eingreifenden Verwaltungsakts eine An-hörung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen erfor-derlich ist. Ein Fall der Entbehrlichkeit der Anhörung nach § 28Abs. 2 und 3 VwVfG Bbg liegt ersichtlich nicht vor. Die notwendi-ge Anhörung kann auch nicht als mit den Schreiben vom 15. April2003 und vom 23. April 2003 bewirkt angesehen werden, weil die-se Schreiben im Wesentlichen der Anforderung des vom Antrag-steller zu erbringenden Nachweises und damit der Aufklärung desentscheidungserheblichen Sachverhalts dienten. Sie betrafennicht die nach Vorlage des Schreibens der Fa. ... durch den Antrag-steller maßgebliche Tatsachenlage, dass dem Antragsgegner diesesSchreiben – gemessen an den rechtlichen Anforderungen zu Recht– als Nachweis nicht ausreichte. Der Antragsteller hätte dement-sprechend nach Vorlage jenes Schreibens vor Erlass der Verfügungjedenfalls darauf hingewiesen werden müssen, dass der nach demGesetz ihm obliegende Nachweis der ordnungsgemäßen undschadlosen Verwertung mit diesem Schreiben allein noch nichtgeführt war und dass gerade deshalb erwogen werde, ihm die ge-werbliche Sammlung von Abfällen (Schrott) aus privaten Haushal-tungen zu untersagen. Nur so wäre ihm im erforderlichen Umfang

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R E C H T S P R E C H U N G | VGH München, Abwägungsmangel wegen Verkehrs lä rm

Gelegenheit gegeben worden, sich umfassend zu äußern und gege-benenfalls auch vor der angedrohten Untersagung der Sammlungeinen weitergehenden Nachweis über die Schrottverwertung zuführen. Die fehlende Anhörung kann gegenwärtig hier – unab-hängig davon, inwieweit dies im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Vw-GO erfolgen kann und berücksichtigungsfähig ist – auch nochnicht durch die Möglichkeit, sich mit dem Widerspruch umfas-send (so grundsätzlich BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1991 –7 B 15.91 – NVwZ-RR 1991, 337; Urteil vom 17. August 1982 – 1 C22.81 – BVerwGE 66, 111) und im vorliegenden Verfahren (dazuetwa HessVGH, Beschluss vom 20. Mai 1988 – 4 TH 3616/87 –NVwZ-RR 1989; 113; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. April1989 – 1 OVG B 114/88 – DVBl. 1989, 887; auch Beschluss des 4.Senats des erkennenden Gerichts vom 20. August 2004 – 4 B210/04 – BA S. 3 f.; ferner Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,6. Aufl., § 45, Rn. 86) äußern zu können , als gemäß § 45 Abs. 1 Nr.3, Abs. 2 VwVfG Bbg nachgeholt angesehen werden. WesentlicheVoraussetzung für eine wirksame Nachholung der Anhörung –dies gilt sowohl für die Nachholung der Anhörung in einemVerwaltungsverfahren als auch für die Nachholung in einem ge-richtlichen Eilverfahren – ist, dass die Qualität der Anhörungnicht hinter derjenigen zurückbleibt, die sie im Normalfall des §28 Abs. 1 VwVfG Bbg hat. Hierbei sind grundsätzlich zwei Stufender Anhörung zu unterscheiden, nämlich die eigentliche An-hörung, d.h. die Gelegenheit, zu den entscheidungserheblichenTatsachen Stellung zu nehmen, und die Entscheidung über dieeventuell erhobenen Einwendungen (vgl. HessVGH a.a.O.). Dieangefochtene Verfügung verhält sich zu dem Schreiben der Fa. ...nicht und gibt keine Begründung dafür an, warum dieses Schrei-ben ungeeignet ist, den Nachweis ordnungsgemäßer und schadlo-ser Verwertung zu führen, so dass der Zweck der Anhörung, demBetroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu diesen rechtserhebli-chen Umständen zu geben (vgl. zur Frage fehlender Begründungder Ausgangsentscheidung Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 45,Rn. 43 Fn. 29), gegebenenfalls auch den Nachweis noch zu erbrin-gen, bislang weder durch das noch nicht abgeschlossene Wider-spruchsverfahren noch durch eine im Rahmen des gerichtlichenvorläufigen Rechtsschutzverfahrens bestehende Äußerungsmög-lichkeit des Antragstellers in einer der Qualität der Anhörung nach§ 28 Abs. 1 VwVfG Bbg entsprechenden Weise erreicht werdenkonnte.

Abwägungsmangel wegen gesundheitsgefährdendemVerkehrslärm

VGH München, Urteil vom 5. Oktober 2004 – 14 N 02.926

Leitsatz der Redaktion: Auch eine unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle liegendeMehrbelastung der Anwohner mit Verkehrslärm aufgrundeines neu ausgewiesenen Wohngebiets bedarf jedenfalls danneiner besonderen Abwägung im Bebauungsplanverfahren,wenn die Lärmimmissionen zu einer Gesamtbelastung führen,die knapp unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefährdungliegt.

Aus dem Tatbestand: Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan der An-tragsgegnerin, den diese am 23. Januar 2002 als Satzung beschlos-sen und am 20. Februar 2002 bekannt gemacht hat. (…)

Aus den Gründen: (…)B. Der Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 1 und 2 ist un-zulässig. Denn die Antragsteller zu 1 und 2 können nicht gemäß

§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, dass sie durch den streit-gegenständlichen Bebauungsplan oder dessen Anwendung inihren Rechten verletzt sind oder in absehbarer Zeit verletzt wer-den. (…)

C. Der Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 3 und 4 istzulässig (dazu unten I.) und hat auch in der Sache Erfolg (dazu un-ten II.).

I. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist der Antragzulässig. Die Antragsteller zu 3 und 4 können insbesondere gel-tend machen, dass sie durch den streitgegenständlichen Bebau-ungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt sindoder in absehbarer Zeit verletzt werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).Für sie prognostiziert die Antragsgegnerin in der o.g. Lärmberech-nung vom 20. Januar 2003 eine Steigerung der Lärmbelästigungum jeweils rund 1,1 dB (A): für den Antragsteller zu 3 von derzeit66,1 / 56,0 dB (A) – Tag/Nacht – auf 67,2 / 57,1 dB (A) und für denAntragsteller zu 4 von derzeit 67,9 / 57,8 dB (A) auf 69,1 / 58,9 dB(A). Auf die von der Antragsgegnerin problematisierte Frage, obdiese Steigerung der Verkehrslärmbeeinträchtigung für dasmenschliche Ohr wahrnehmbar ist oder nicht (vgl. Antragserwi-derung vom 24.1.2003 S. 14 f. unter Hinweis auf BVerwG vom19.2.1992 a.a.O.), kommt es nach Ansicht des Senats jedenfalls imRahmen der Prüfung der Antragsbefugnis nicht an. Denn bei einerSteigerung der Lärmentwicklung auf diesem Niveau erscheint diefehlerhafte Behandlung abwägungsrelevanter Belange der Antrag-steller zu 3 und 4 zumindest als möglich. Das gilt um so mehr, alssowohl die von der Antragsgegnerin für die jetzige Situation ermit-telten Werte als auch die von ihr für die Zeit nach Vollzug des Be-bauungsplans prognostizierten Werte die für allgemeine und reineWohngebiete geltenden Grenzwerte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 16.BImSchV (59/49 dB (A)) deutlich überschreiten. Das jedenfallsgenügt für die Annahme einer Antragsbefugnis (BayVGH vom12.5.2004 Az. 20 N 04.329 S. 12).

II. Der Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 3 und 4 hatauch in der Sache Erfolg. Der verfahrensfehlerfrei zustande ge-kommene Bebauungsplan leidet an materiellen Fehlern, die seineUnwirksamkeit begründen.

1. Zwar greift der Einwand der Antragsteller, die im Satzungstextangegebenen Ermächtigungsgrundlagen sowie die Festsetzungs-möglichkeiten nach § 8 a Abs. 1 Sätze 2 und 4 BNatSchG seien seitder Neubekanntmachung des Bundesnaturschutzgesetzes nichtmehr existent, nicht durch. (…)

4. Der Bebauungsplan ist jedenfalls unwirksam, weil das Gebotdes § 1 Abs. 6 BauGB, bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öf-fentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinan-der gerecht abzuwägen, verletzt ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts istdas Gebot gerechter Abwägung dann verletzt, wenn eine sachge-rechte Abwägung Oberhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall)oder wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird,was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwä-gungsdefizit). Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betrof-fenen Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oderwenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Be-langen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Ge-wichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungs-disproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wirddas Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung be-rufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belan-gen dafür entscheidet, den einen zu bevorzugen und damit not-wendig den anderen zurückzustellen (BVerwG vom 12.12.1969BVerwGE 34, 301/309 und vom 5.7.1974 BVerwGE 45, 309/315).Diese Anforderungen richten sich, abgesehen von der Notwendig-keit einer Abwägung überhaupt, die allein im Hinblick auf den Ab-

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VGH München, Abwägungsmangel wegen Verkehrs lä rm | R E C H T S P R E C H U N G

wägungsvorgang praktisch werden kann, sowohl an den Abwä-gungsvorgang als auch an das Abwägungsergebnis. Maßgebendfür die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt derBeschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1BauGB).

Zugleich beinhaltet das Abwägungsgebot auch das Gebot derKonfliktbewältigung. Demnach hat jeder Bebauungsplangrundsätzlich die von ihm geschaffenen oder ihm sonst zurechen-baren Konflikte zu lösen (BVerwG vom 14.7.1994 BayVBl 1995,158 f. unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung seit BVer-wG vom 5.7.1974 BVerwGE 45, 309/328; allgemein Söfker inErnst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., RdNrn. 215 f. und 222 zu § 1BauGB). Das schließt zwar eine Verlagerung von Problemlösungenaus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungs-handeln nicht zwingend aus. So darf die Gemeinde von einer ab-schließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstandnehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkanntenKonfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrensauf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. DieGrenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind jedoch dann über-schritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sichder offen gelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgen-den Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird, so dass demBetroffenen ein unzumutbares Opfer abverlangt wird (vgl. BVer-wG vom 1.9.1999 NVwZ-RR 2000, 146/147; vom 11.3.1988 Buch-holz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; vom 17.2.1984 BVerwGE 69, 30/34ff.). Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshan-deln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Ge-meinde, da es um den Eintritt zukünftiger Ereignisse geht, progno-stisch zu beurteilen.

Gemessen daran unterliegt die planerische Abwägung vorlie-gend durchgreifenden Bedenken.

a) Zwar liegt ein Abwägungsausfall – entgegen dem Vorbringender Antragsteller nicht vor, nachdem eine Abwägung erkennbarstattgefunden hat.

b) Auch greift der Einwand der Antragsteller, bei der Antragsgeg-nerin habe die erforderliche Abwägungsbereitschaft gefehlt, weilsie eine zusätzliche Anbindung des Baugebiets nach Süden zur P.-straße nicht geprüft habe (Antragsbegründung vom 11.10.2002 S.29), nicht durch. Zwar muss eine rechtsstaatlich abwägende Pla-nung zu Beginn des Verfahrens offen sein und naheliegende, sichaufdrängende Alternativen auch dann in Betracht ziehen, wennsie von niemandem vorgetragen worden sind (König, Baurecht, 4.Aufl. 2000, RdNr. 51a). Eine solche Fallgestaltung liegt hier abernicht vor. Denn die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass eine zu-sätzliche Verkehrsanbindung des geplanten Baugebiets nach Sü-den nicht in Betracht komme, weil das dem der Planung zugrun-deliegenden Konzept, welches im Plangebiet verkehrsberuhigteBereiche und einen ökologischen Ausgleich im Süden durch einennaturbelassenen Bereich, der sich aus dem neuen (planfestgestell-ten) W. Landgraben und der festgesetzten öffentlichen Grünflächezusammensetzt, zuwiderlaufen würde (Antragserwiderung vom24.1.2003 S. 25).

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auch alle Belange in dieAbwägung eingestellt, die nach Lage der Dinge eingestellt werdenmussten, so dass – entgegen dem Vorbringen der Antragsteller –keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abwägungsdefizits er-kennbar sind. So hat sie insbesondere auch die Tatsache berück-sichtigt, dass es bei der Verwirklichung des Vorhabens und derplanbedingt zu erwartenden Zunahme des Straßenverkehrs auchzu einer Steigerung der Lärmbelastung außerhalb des Planbereichsvor allem an der S.-Straße kommen wird.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung erweistsich hier jedoch als fehlerhaft, weil sie einzelnen abwägungsrele-

vanten Belangen nicht das Gewicht beigemessen hat, das ihnennach objektiven Wertungsgrundsätzen zukommt. Die Beklagtehat zwar die Belange des Naturschutzes fehlerfrei gewichtet (dazuunten aa). Sie hat aber die Belange des Verkehrslärmschutzes nichtsachgerecht berücksichtigt (dazu unten bb).

aa) Die Antragsteller dringen nicht mit ihrem Vortrag durch, dieAntragsgegnerin habe den aus § 8 a BNatSchG a.F. resultierendenbesonderen Anforderungen an die bauleitplanerische Abwägungim Hinblick auf die Belange des Naturschutzes und der Land-schaftspflege nicht entsprochen. (…)

bb) Dagegen dringen die Antragsteller im Hinblick auf die Rüge,die Antragsgegnerin habe ihre immissionsschutzrechtlichen Be-lange abwägungsfehlerhaft gewürdigt, weil insoweit eine Fehlein-schätzung oder unverhältnismäßige Gewichtung dieser Belangevorliege, durch. Denn der Belang des Verkehrslärmschutzes ist in-soweit in der Abwägung nicht sachgerecht berücksichtigt worden.

Eine abwägungsfehlerfreie Würdigung solcher Belange erfordert– in einem ersten Schritt – zunächst, das Gewicht der konkurrie-renden Belange, insbesondere das Maß der Verkehrsimmissionen,die auf das neue Baugebiet und die nähere Umgebung einwirkenkönnten, zutreffend, d.h. auf der Grundlage einer tragfähigen, me-thodisch mängelfreien schalltechnischen Beurteilung zu ermit-teln (allgemein: BVerwG vom 9.11.1979 BVerwGE 59, 87/100 ff.;zum Lärmschutz: BayVGH vom 2.3.2004 Az. 25 N 97.2755 S. 9;NdsOVG vom 27.9.2001 BauR 2002, 732/735; OVG NRW vom16.10.1997 NVwZ-RR 1998, 632/634). Bei der – in einem zweitenSchritt – auf dieser Grundlage durchzuführenden Bewertung derErgebnisse dieser schalltechnischen Begutachtung ist zu berück-sichtigen, dass (nach wie vor) keine rechtsverbindlichen Regelun-gen bestehen, in denen Grenzwerte für die Bestimmung derplanungsrechtlichen Zumutbarkeit solcher Lärmimmissionenfestgelegt werden, die durch eine planbedingte Mehrung des Ver-kehrsaufkommens auf vorhandenen öffentlichen Straßen hervor-gerufen werden (BVerwG vom 18.12.1990 BayVBl 1991, 310/312;OVG NRW vom 16.10.1997 a.a.O.). So sind beispielsweise die Re-gelungen der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) – wieoben dargelegt – unmittelbar nur dann anwendbar, wenn die vor-gesehenen Straßen gleichzeitig (wesentlich) baulich verändertwerden. Mithin kann sich die Ermittlung eines Grenzwertes im-mer nur nach den Umständen des Einzelfalles richten, insbeson-dere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhält-nisse bestimmten Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit.

Letztere wird vor allem durch den jeweiligen Gebietscharakterund durch die planerische oder tatsächliche Vorbelastung be-stimmt. In diesem Rahmen kann für die Bauleitplanung die DIN18005 als Orientierungshilfe herangezogen werden, wobei Abwei-chungen, sofern sie mit dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 6 BauGB)vereinbar sind, nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalleszulässig sind. So kann eine Überschreitung des Orientierungswer-tes für Wohngebiete um 5 dB (A) das Ergebnis einer gerechten Ab-wägung sein (BVerwG vom 18.12.1990 BayVBI 1991, 310/313m.w.N.; vom 1.9.1999 NVwZ-RR 2000, 146; OVG NRW vom16.10.1997 NVWZ-RR 1998, 632/635).

Gemessen daran hat die Antragsgegnerin die Belange des Lärm-schutzes insbesondere im Hinblick auf die Antragsteller zu 3 und 4fehlerhaft gewichtet.

Die Antragsgegnerin hat zwar, die Umgebung des Plangebiets,die von der Verkehrsmehrung auf der S.-Straße betroffen ist, zu-treffend als Wohngebiet eingestuft und damit – stillschweigend –auch eine erste Einstufung der Schutzwürdigkeit vorgenommen.

Die Antragsgegnerin hat ferner die mit der Verwirklichung desBebauungsplans einhergehenden Immissionsbelastungen demGrunde nach zutreffend ermittelt. Denn die von den Antragstel-

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R E C H T S P R E C H U N G | VGH München, Abwägungsmangel wegen Verkehrs lä rm

lern vorgetragenen Einwände gegen die schalltechnischen Berech-nungen der Antragsgegnerin greifen nicht durch.Die Antragsteller bemängeln insoweit eine fehlerhafte Ermittlungdes Abwägungsmaterials im Hinblick auf die Belange des Lärm-schutzes durch die Antragsgegnerin. Sie tragen insbesondere vor,die Gutachten vom 4. September 2000 und 22. Dezember 2000(richtig wohl: 16.1.2001) beruhten auf einer fehlerhaften Annah-me der aktuellen Verkehrsbelastung (8.900 Kfz/24 h an Stelle vonca. 12.000 Kfz/24 h) und unterstellten zudem in zwei Variantenden fertig gestellten Ausbau der B.-Straße (Antragsbegründungvom 11.10.2002 S. 33). Die Antragsgegnerin habe die mit der Aus-weisung des neuen Baugebiets einhergehende zusätzliche Ver-kehrsbelastung nicht untersucht und die Verkehrszählung im Jahr2000 in der allgemeinen Sommerurlaubszeit durchgeführt(Schriftsatz vom 30.4.2003 S. 12 f.). Dem ist die Antragsgegnerinunter detaillierter Darlegung der Ergebnisse der in der Vergangen-heit durchgeführten Verkehrszählungen entgegengetreten undhat dargelegt, dass die Verkehrsbelastung im wesentlichen kon-stant geblieben sei (1992: 9.713 Kfz/24 h, 2000: 9.882 Kfz/24 h;2002: 9.719 Kfz/24 h; vgl. Antragserwiderung vom 24.1.2003 S. 23f.). Angesichts dieser über einen mehrjährigen Zeitraum im we-sentlichen unverändert gebliebenen und durch mehrere Zählun-gen bestätigten Verkehrsbelastung ist der Hinweis der Antragstel-ler auf den ihrer Auffassung nach ungeeigneten Zeitpunkt der Ver-kehrszählung im Jahr 2000 nach Ansicht des Senats nichtgeeignet, die von der Antragsgegnerin in Ansatz gebrachten Ver-kehrszahlen in Zweifel zu ziehen. Damit ist zugleich auch ihrer Be-hauptung, die aktuelle Verkehrsbeiastung sei mit 12.000 Kfz/24 hin Ansatz zu bringen und zur Grundlage einer Prognose über dieVerkehrsentwicklung nach Fertigstellung des geplanten Wohnge-biets zu machen, die Grundlage entzogen. Damit vermag der Senatauch keine Gründe dafür zu erkennen, dass die von den Antrag-stellern nicht ausdrücklich bestrittene prognostische Annahmeder Antragsgegnerin, die Verkehrsbelastung auf der S.-Straße be-trage nach Fertigstellung des Baugebiets rund 14.300 Kfz/24 h, un-zutreffend sein könnte. Auch der Einwand, das Tiefbauamt der An-tragsgegnerin habe im Rahmen der Prüfung eines Antrags des An-tragstellers zu 3 auf Bezuschussung von Lärmschutzfenstern am 8.November 2001 für dessen Anwesen einen um ca. 0,6 dB (A) höhe-ren Dauerschallpegel errechnet, so dass die von der Antragsgegne-rin nunmehr präsentierten Messergebnisse insgesamt bestrittenwürden (Schriftsatz vom 30.4.2003 S. 5), ist nicht geeignet dieschalltechnischen Berechnungen der Antragsgegnerin grundle-gend in Zweifel zu ziehen. Der Hinweis der Antragsgegnerin, dieseDifferenz sei auf die unterschiedliche Lage der Messorte zurückzu-führen (Schriftsatz vom 29.10.2003 S. 5 f.) ist plausibel, nachvoll-ziehbar und wird auch von den Antragstellern nicht weiter inZweifel gezogen.

Jedoch ist die Antragsgegnerin im weiteren offenkundig von ei-ner unzutreffenden Voraussetzung ausgegangen. In der Begrün-dung des Bebauungsplans heißt es nämlich (S. 3 der Begründung):

»Die vorhandenen Wohngebiete entlang der S.-Straße sind der-zeit vom Durchgangsverkehr zwischen E.-Straße und dem F. Orts-teil P. erheblich belastet (ca. 12.000 Kfz/24 h). Erhebliche Über-schreitungen der städtebaulichen Orientierungswerte nach DIN18005 sind tags und nachts zu konstatieren. Der Bau der B.-Straßeist ab 2003 mit insgesamt 6 Mio. DM nach dem Mittelfristigen In-vestitionsplan (MIP 2001-2004) vorgesehen. Durch den Bau derB.-Straße wird auch die S.-Straße erheblich entlastet werden.«

Damit hat die Antragsgegnerin zwar die Vorbelastung der vor-handenen Wohngebiete entlang der S.-Straße erkannt und dieseBelange insoweit in die Abwägung eingestellt (BVerwG vom19.8.2003 4 BN 51/03; BVerwG vom 19.2.1992 NJW 1992, 2844;

zur Berücksichtigung faktischer Vorbelastungen: BVerwG vom18.5.1995 BVerwGE 98, 235/244 f.).

Soweit die Antragsgegnerin im weiteren aber auf den Entla-stungseffekt durch den Bau der B.-Straße abstellt, geht sie aber of-fenkundig von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Denn sie un-terstellt den Bau und die Fertigstellung der B.-Straße sowie eine da-mit einhergehende Minderung des Verkehrsaufkommens auf derS.-Straße. Dabei verkennt sie aber, dass der Bau der B.-Straße wederim Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan nochderzeit planungsrechtlich oder finanziell abgesichert ist (zu diesemAnsatz vgl. BayVGH vom 9.2.2004 Az. 25 N 96.2982 S. 5). So hat dieAntragsgegnerin auf Anfrage des Senats unter dem 26. August 2004mitgeteilt, dass die Trassenführung im Bereich der Stadtgrenzenoch mit der Stadt F. abgestimmt und danach ein Planfeststellungs-verfahren durchgeführt werden müsse. Die notwendigen Finanz-mittel seien im mittelfristigen Investitionsplan ab dem Jahr 2007vorgesehen. Ein verbindlicher Fertigstellungstermin könne nichtgenannt werden; frühestmöglich sei eine Fertigstellung im Jahr2008 denkbar. Zudem seien noch nicht alle Grundstücke für denStraßenbau erworben worden. Der vorgenannte Fertigstellungster-min steht mithin nach wie vor unter weit reichenden und teilweiseaußerhalb der Einflusssphäre der Antragsgegnerin liegenden Vor-behalten kommunalpolitischer, planungsrechtlicher und finanzi-eller Art. Damit hätte die Antragsgegnerin aber die Zunahme derVerkehrsbelastung auf der S.-Straße auch für den Fall einer Nicht-realisierung der B.-Straße und die damit verbundene Erhöhung desVerkehrslärms – sowohl für die bestehenden Wohngebiete entlangder S.-Straße als auch für das Plangebiet selbst – mit in die Abwä-gung einstellen müssen. Das ist hier aber nicht geschehen.

Es mag zwar sein, dass die Antragsteller zu Unrecht vorbringen,in dem bestehenden Wohngebiet an der S.-Straße seien bereitsjetzt erhebliche Überschreitungen der zulässigen Lärmpegel – ins-besondere auch der Grenzen zur Gesundheitsgefährdung – festzu-stellen (Antragsbegründung vom 11.10.2002 S. 30; Schriftsatzvom 30.4.2003 S. 6). Denn die von der Antragsgegnerin für die inbesonderem Maße betroffenen Anwesen der Antragsteller zu 3und 4 ermittelten Werte bei der von ihr zutreffend prognostizier-ten Erhöhung des Verkehrsaufkommens liegen nur noch knappunterhalb der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle(70-75/60-65 dB (A)). Etwas anderes ergibt sich schließlich auchnicht aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Normenkon-trollverfahren, die zu erwartende Mehrbelastung werde unterhalbder Wahrnehmbarkeitsschwelle liegen. Insoweit weist sie zwar zu-treffend darauf hin, dass es auch bei einer prognostizierten Bela-stung der S.-Straße mit 14.300 Kfz/24 h nach Fertigstellung desBaugebiets für die Anwohner entlang der S.-Straße nur zu einer ge-ringfügigen Erhöhung der Lärmbelastung kommen wird (Antrags-erwiderung vom 24.1.2003 S. 27). Für die Antragsteller zu 3 und 4prognostiziert die Antragsgegnerin dabei auf der Grundlage ihrerschalltechnischen Berechnungen, gegen deren Richtigkeit – wieoben dargelegt – keine durchgreifenden Zweifel bestehen, eineSteigerung der Lärmbelastung von rund 1,1 dB (A). Darüber hin-aus mag auch sein, dass eine Differenz von bis zu 2 dB (A) bei ei-nem Dauerschallpegel nach allgemeinen Erkenntnissen der Aku-stik für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist (BVerwGvom 19.2.1992 a.a.O.; vom 22.5.1987 BVerwGE 77, 285/293;BayVGH vom 4.3.1999 Az. 2 N 93.2270 S. 3). Gleichwohl ist derSenat der Auffassung, dass eine unterhalb der Wahrnehmbarkeits-schwelle liegende Mehrbelastung der Anwohner mit Verkehrslärmjedenfalls dann in die Abwägung einzustellen ist, wenn sie zu ei-ner Gesamtbelastung führt, die vorliegend – wie oben dargestellt –nur knapp unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefährdungliegt. Je mehr sich die Lärmwerte wegen der Verkehrszunahme auf-grund einer neuen Planung der Schwelle der Gesundheitsgefähr-

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VGH München, L i turg i sches Glockenläuten | R E C H T S P R E C H U N G

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dung annähern, desto sorgfältiger und gründlicher muss insoweitauf Seiten der planenden Gemeinde abgewogen werden. Die An-tragsgegnerin hat zwar berücksichtigt, dass die Antragsteller er-heblichen Lärmbelastungen durch die S.-Straße ausgesetzt sind,das trifft jedoch auch bei Lärmwerten zu, die die Grenze der Ge-sundheitsgefährdung bei weitem nicht erreichen. Die Planungs-leitlinie gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 1 BauGB bezeichnet mit der Berück-sichtigung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsver-hältnisse eine der zentralen Aufgaben des Städtebaus. Deshalbbedarf der Umstand, dass durch Lärmwerte knapp unterhalb derSchwelle der Gesundheitsgefährdung städtebauliche Missständewegen der zu befürchtenden ungesunden Wohnverhältnisse dro-hen, einer besonderen Abwägung. Das gilt um so mehr, als sich dieAnwesen der Antragsteller zu 3 und 4 in einem Bereich befinden,der bauplanungsrechtlich als reines Wohngebiet festgesetzt unddamit in besonderem Maße schutzbedürftig ist.

Auch für die Lärmbelastung im Plangebiet selbst hat die An-tragsgegnerin, die Möglichkeit einer Nichtrealisierung der B.-Straße und die damit verbundene Erhöhung des Verkehrslärmsnicht in die Abwägung eingestellt. Zwar heißt es hierzu in der Be-gründung des Bebauungsplans (S. 9 ff.), dass »von der den Pla-nungsbereich im Norden tangierenden S.-Straße (…) nicht uner-hebliche Lärmbelastungen« ausgingen, so dass »eine größtenteilsdurchgehende Lärmschutzwall/-wand-Kombination mit Höhenvon 3,50 m bis zu 5,00 m und die in § 2 Nr. 8 der textlichen Rege-lungen vorgesehenen Vorkehrungen zum Schutz der oberen Ge-schosse (passiver Lärmschutz am Gebäude) festzusetzen« seien. Imweiteren konstatiert die Antragsgegnerin ausgehend von einerprognostizierten maximalen Verkehrsbeiastung der S.-Straße mit8.900 Kfz/24 h – bei Fertigstellung der B.-Straße ohne Unterbre-chung der P.-Straße im Bereich der Stadt F. – für fünf von ihr ausge-wählte Immissionsorte im Planbereich Überschreitungen der Ori-entierungswerte nach der DIN 18005 in einem Bereich zwischen5,5 und 9,9 dB (A). Diesbezüglich verweist sie in der Begründungdes Bebauungsplans (S. 10) auf die Regelungen in § 2 Nr. 8 des Sat-zungstextes, wonach zur Abwehr erhöhter Lärmimmissionen vonder S.-Straße Schallschutzvorkehrungen, wie z.B. Lärmschutzgrun-drisse zu treffen sind. In diesem Zusammenhang bedarf keiner ab-schließenden Klärung, ob das Vorbringen der Antragsteller, dieAnnahmen zu den Auswirkungen des aktiven Schallschutzes be-züglich der Gebäude innerhalb des Plangebiets träfen nicht zu,weil die vier- bis fünfgeschossigen Gebäude keine durchgehendgeschlossene Front bildeten und somit nur begrenzt Lärm däm-mend für die nachfolgenden Gebäude wirkten (S. 34 f. der An-tragsbegründung vom 11.10.2002), durchgreift oder durch denHinweis der Antragsgegnerin auf die im angegriffenen Bebauungs-plan für die Wohnbebauung innerhalb des Plangebiets vorgesehe-nen Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes (S. 26 f.der Antragserwiderung vom 24.1.2003) entkräftet wird. Dennauch insoweit berücksichtigt die Antragsgegnerin in ihrer Abwä-gung offenkundig nicht den Umstand, dass der Bau der B.-Straßesowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungs-

plan als auch derzeit weitgehend ungesichert ist und somit aucheine prognostizierte Verkehrsbeiastung der S.-Straße mit 14.300Kfz/24 h der Lärmschutzberechnung hätte zugrundegelegt werdenmüssen.

e) Angesichts der oben dargestellten Unwägbarkeiten im Hin-blick auf die Realisierung der B.-Straße liegt hier zugleich ein Ver-stoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung vor. Denn es liegtbei der geschilderten Situation auf der Hand, dass die durch diePlanung hervorgerufenen Konflikte, d.h. die Erhöhung des Ver-kehrsaufkommens auf der S.-Straße und die damit einhergehendeZunahme der Verkehrslärmbelastungen aufgrund der Verwirkli-chung des streitgegenständlichen Bebauungsplans zu Lasten derAntragsteller zu 3 und 4 ungelöst bleiben.

5. Die festgestellten Mängel im Abwägungsvorgang sind auchbeachtlich, weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnisvon Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Zum einenhandelt es sich um offensichtliche Fehler, denn die dargelegtenAbwägungsfehler betreffen die Zusammenstellung und Aufberei-tung des Abwägungsmaterials und ergeben sich unmittelbar ausden beigezogenen Bebauungsplanakten. Zum anderen waren die-se Mängel auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss, weilnach den Umständen des Falls die konkrete Möglichkeit besteht,dass das Ergebnis ohne die genannten Fehler anders ausgefallenwäre. Denn die Antragsgegnerin hätte möglicherweise von derPlanung Abstand genommen, wenn sie die zusätzliche Lärmbela-stung der Anwesen in den bestehenden Wohngebieten entlangder S.-Straße richtig gewichtet hätte.

6. Die vorgenannten Mängel führen zur Unwirksamkeit desstreitgegenständlichen Bebauungsplans. Das ergibt sich aus § 47Abs. 5 Satz 2 VwGO in der Fassung von Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zurAnpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechts-anpassungsgesetz Bau – EAG Bau; BGBl 1 S. 1359). Diese am 20. Ju-li 2004 in Kraft getretene und mit der Neuregelung in § 214 Abs. 4BauGB (Art. 1 Nr. 68 EAG Bau) sowie der Aufhebung des § 215 aBauGB (Art. 1 Nr. 69 EAG Bau) korrespondierende Regelung (vgl.Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.12.2003 BT-Drs15/2250, S. 66, 74) findet hier Anwendung, auch wenn der Bebau-ungsplan auf der Grundlage einer früheren Fassung des Baugesetz-buchs in Kraft getreten ist. Denn zum einen gilt nach denGrundsätzen des intertemporalen Rechts neues Verfahrens- (Pro-zess-) Recht im Zweifel auch für anhängige Verfahren, wenn be-sondere Überleitungsvorschriften fehlen (BVerfG vom 7.7.1992BVerfGE 87, 48/64; vom 12.7.1983 BVerfGE 65, 76/98; vom21.6.1977 BVerfGE 45, 272/297; vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO,13. Aufl. 2003, RdNr. 1 zu § 195; Vollkommer/Geimer in Zöller,ZPO, 24. Aufl. 2004, Einleitung RdNr. 104; Hartmann/Albers inBaumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004,Einleitung III RdNr. 78). Zum anderen ergibt sich auch aus der all-gemeinen Überleitungsvorschrift des § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB,dass die Vorschriften zur Planerhaltung (§§ 214 bis 216 BauGB)auch auf Satzungen entsprechend anzuwenden sind, die auf derGrundlage bisheriger Fassungen des Baugesetzbuchs in Kraft getre-ten sind. (…)

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G E S E T Z G E B U N G | Fa lke , Neueste Entwick lungen im Europä ischen Umwelt recht

A. Legislativprogramm zum gemein-schaftlichen Umweltrecht

Die Kommission hat im Januar 2005 inihrem Arbeitsprogramm für das Jahr 20051

ein ehrgeiziges Programm für den Umwelt-schutz vorgelegt. Darin spielen thematischeStrategien eine Schlüsselrolle; sie sollen op-timale Verknüpfungen innerhalb der Um-weltpolitik sowie zwischen ihr und anderenPolitikbereichen ermöglichen. Sie sind soangelegt, dass sämtliche politischen Aspek-te berücksichtigt werden können und sicheine breite Palette von Instrumenten nut-zen lässt, um Themenkomplexe wie Res-sourcennutzung, Abfälle, Pestizide, Böden,Luftverschmutzung, Meeresumwelt sowieUmweltschutz im städtischen Raum anzu-gehen. Die Kommission hat für das laufen-de Jahr sechs neue thematische Strategienangekündigt, nämlich zur Luftverschmut-zung, zur nachhaltigen Nutzung der natür-lichen Ressourcen2, zur Erhaltung und zumSchutz der Meeresumwelt, zu einer dauer-haft verträglichen Nutzung von Pestiziden,zum Schutz des Bodens3 und zum Schutzder städtischen Umwelt. Zur Vereinfachungder derzeit bestehenden Rechtslage sollaußerdem die Rahmenrichtlinie 96/62/EGzur Luftreinhaltung4 mit ihren Töchter-richtlinien 1999/30/EG5, 2000/69/EG6,2002/3/EG7 und 2004/107/EG8 zu einemeinheitlichen Instrument verknüpft wer-den. Im Rahmen der thematischen Strate-gie für Abfallvermeidung und -recycling9

sollen eine Mitteilung zum Abfall-management und ein Vorschlag für eine zu-sammenfassende Vereinfachung der derzeitbestehenden Regelungen und eine grundle-gende neue Rahmenrichtlinie vorgelegtwerden. In Ausfüllung der thematischenStrategie zum Schutz der Meeresumwelt sollfür die verschiedenen Schutzbedürfnisseund Nutzungsarten eine Rahmenrichtlinievorgeschlagen werden. Die thematischeStrategie zu einer dauerhaft verträglichenNutzung von Pestiziden zielt auf eine Ver-minderung der Beeinträchtigung dermenschlichen Gesundheit und der Umweltdurch den Einsatz von Pestiziden und solldurch den Vorschlag einer Rahmenrichtli-nie ergänzt werden. Auch zum Boden-schutz soll eine Rahmenrichtlinie ausgear-beitet werden. Schließlich werden zwei Mit-teilungen zum Klimaschutz angekündigt,

– Änderung der Richtlinie 67/548/EWGim Hinblick auf ihre Anpassung an dieREACH-Verordnung (Oktober 2003),

– Richtlinie über Batterien und Akkumu-latoren sowie Altbatterien und -akku-mulatoren (November 2003),

– Richtlinie zur Einführung humanerFangmethoden für bestimmte Tierarten(Juli 2004),

– Richtlinie zur Schaffung einer Raumda-teninfrastruktur in der Gemeinschaft(INSPIRE) (Juli 2004),

– Verordnung über das Finanzierungsin-strument für die Umwelt (LIFE +) (Sep-tember 2004),

– Verordnung über die Schaffung einesEuropäischen Registers zur Erfassungder Freisetzung und Übertragung vonSchadstoffen und zur Änderung derRichtlinien 91/689/EWG und 96/61/EG(Oktober 2004).

B. Strategie zur Bekämpfung derglobalen Klimaänderung

Die Kommission hat das Inkrafttreten desKyoto-Protokolls11 zum Anlass genommen,

eine zu ökonomischen Instrumenten zurReduzierung der Einflüsse des Luftverkehrsauf den Klimawandel und eine weitere füreine langfristig angelegte Strategie zurBekämpfung des Klimawandels. Schließlichsoll eine Mitteilung zum Schutz der Biodi-versität eine Zwischenbilanz ziehen und ei-ne Perspektive für die bis zum Jahr 2010 zutreffenden Maßnahmen aufzeigen. Um-weltpolitische Relevanz haben schließlichzahlreiche Vorhaben im Verkehrs- und En-ergiebereich. Sie zielen u. a. darauf ab, dieökologischen und sozialen Kosten der ver-schiedenen Transportmittel transparenterzu machen und die Verwendung erneuerba-rer Energien zu fördern.

Im März 2005 wird noch über folgendeumweltrelevante Legislativvorschläge be-raten:10

– Richtlinie über den strafrechtlichenSchutz der Umwelt (März 2001),

– Richtlinie über die Qualität der Badege-wässer (Oktober 2002),

– Änderung der Richtlinie 1999/32/EGhinsichtlich des Schwefelgehalts vonSchiffskraftstoffen (November 2002),

– Richtlinie über die Bewirtschaftung vonAbfällen aus der mineralgewinnendenIndustrie (Juni 2003),

– Verordnung über die Verbringung vonAbfällen (Juni 2003),

– Verordnung über bestimmte fluorierteTreibhausgase (August 2003),

– Richtlinie zum Schutz des Grundwassersvor Verschmutzung (September 2003),

– Verordnung über die Anwendung derBestimmungen des Aarhus-Überein-kommens über den Zugang zu Informa-tionen, die Öffentlichkeitsbeteiligungan Entscheidungsverfahren und den Zu-gang zu Gerichten in Umweltangele-genheiten auf Organe und Einrichtun-gen der Europäischen Gemeinschaft(Oktober 2003),

– Richtlinie über den Zugang zu Gerich-ten in Umweltangelegenheiten (Okto-ber 2003),

– Verordnung zur Registrierung, Bewer-tung, Zulassung und Beschränkung che-mischer Stoffe (REACH), zur Schaffungeiner Europäischen Agentur für chemi-sche Stoffe sowie zur Änderung derRichtlinie 1999/45/EG und der Verord-nung über persistente organischeSchadstoffe (Oktober 2003),

Josef Falke

Neueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht

G E S E T Z G E B U N G

1 KOM (2005) 15 endg. v. 26.1.2005.2 Vgl. dazu schon Mitteilung der Kommission,

Entwicklung einer thematischen Strategie fürdie nachhaltige Nutzung der natürlichen Res-sourcen, KOM (2003) 572 endg. v. 1.10.2003.

3 Vgl. dazu schon Mitteilung der Kommission,Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie,KOM (2002) 179 endg. v. 16.4.2002.

4 Richtlinie 96/62/EG des Rates v. 27.9.1996 überdie Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität,ABl. L 296 v. 21.11.1996, 5 ff.

5 Richtlinie 1999/30/EG des Rates v. 30.4.1999über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoff-dioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei inder Luft, ABl. L 163 v. 29.6.1999, 41 ff.

6 Richtlinie 2000/69/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates v. 16.11.2000 über Grenz-werte für Benzol und Kohlenmonoxid in derLuft, ABl. L 313 v. 13.12.2000, 12 ff.

7 Richtlinie 2002/3/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates v. 12.2.2002 über denOzongehalt der Luft, ABl. L 67 v. 9.3.2002, 14 ff.

8 Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates v. 15.12.2004 über Arsen,Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzykli-sche aromatische Kohlenwasserstoffe in derLuft, ABl. L 23 v. 26.1.2005, 3 ff.

9 Vgl. dazu schon Mitteilung der Kommission, Ei-ne thematische Strategie für Abfallvermeidungund -recycling, KOM (2003) 301 endg. v.27.5.2003.

10 Der Klammerzusatz informiert über den Zeit-punkt des entsprechenden Vorschlags der Kom-mission.

11 Am 16.2.2005. Das Kyoto-Protokoll wurde seit sei-ner Vereinbarung im Jahr 1997 von 140 Ländernund der EG ratifiziert.

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Fa lke , Neueste Entwick lungen im Europä ischen Umwelt recht | G E S E T Z G E B U N G

im Februar 2005 ihre mittel- und langfristi-gen Strategien für einen erfolgreichenKampf gegen den Klimawandel innerhalbder EU und auf Ebene der internationalenGemeinschaft zu entwickeln.12 In großerÜbereinstimmung sehen Wissenschaftlerdie Ursachen für den im 20. Jahrhunderteingetretenen Klimawandel13 in Treibhaus-gasemissionen aus menschlichen Tätigkei-ten. Aufgrund der bekannten Verzögerun-gen bei den Klimaprozessen werden diebisherigen Emissionen erst im 21. Jahrhun-dert zu einem weiteren Temperaturanstiegführen. Global wird bis zum Jahr 2100 einAnstieg der Temperaturen um bis zu 5,8ºCgegenüber 1990 prognostiziert, wenn keineMaßnahmen zur Verringerung von Emis-sionen getroffen werden. Das hätte einenAnstieg des Meeresspiegels um bis zu 88 cmzur Folge; die Anzahl der in wassergefähr-deten Gebieten lebenden Menschen würdeinfolgedessen dramatisch ansteigen. Ohnebreiteste internationale Beteiligung wirddie Bekämpfung der Klimaänderung ohnejede Aussicht auf Erfolg sein. In den kom-menden Jahrzehnten wird der Anteil derEU-25-Emissionen an den globalen Treib-hausgasemissionen schätzungsweise von14 % im Jahr 2000 auf 8 % im Jahr 2050sinken, während der Anteil der Entwick-lungsländer auf über die Hälfte der Ge-samtmenge ansteigen dürfte.

Die EU hat im letzten Jahr mit ihrem Ak-tionsplan im Bereich Klimaänderungenund Entwicklungszusammenarbeit einwichtiges Instrument für die Unterstüt-zung der Entwicklungsländer vorgelegt14

und darin Vorschläge für eine Harmonisie-rung klimapolitischer Maßnahmen mitEntwicklungszielen gemacht. Die USA leh-nen eine Beteiligung am Kyoto-Protokollderzeit u. a. mit der Begründung ab, dasFehlen von Auflagen für Entwicklungslän-der, die inzwischen bedeutsame Verursa-cher von Treibhausgasemissionen seien,schade der Wettbewerbsfähigkeit der USA.Noch ist allerdings eine kleine Gruppe –EU, USA, Kanada, Russland, Japan, Chinaund Indien – für etwa 75 % der weltweitenTreibhausgasemissionen verantwortlich.Die Kommission schlägt vor, innerhalb die-ser relativ kleinen Gruppe großer Verursa-cher – nach dem Vorbild der G 8 – einenVorstoß zu unternehmen, um Fortschritteauf globaler Ebene im Rahmen der UN zubeschleunigen.

Intern setzt die Kommission vor allemauf Strategien zur Förderung klimaverträg-licher Technologien, auf den Emissions-handel, Ökosteuern und die Abschaffungumweltschädlicher Subventionen.15 Diesemarktorientierten Instrumente sollendurch politische Maßnahmen zur Ab-kürzung von Innovationszyklen und zur

raschen Verbreitung klimaschonenderTechnologien sowie zur Steigerung der En-ergieeffizienz und von Energieeinsparun-gen ergänzt werden. Nach Schätzung derKommission können unter wirtschaftli-chen Gesichtspunkten in der EU-15 in dennächsten zehn Jahren bis zu 15 % Energie-einsparungen erzielt werden; das techni-sche Potenzial reiche sogar bis zu 40 %. An-strengungen im Bereich ressourceneffizien-ter und klimafreundlicher Technologiensollen für Europa Wettbewerbsvorteile ineiner kohlenstoffarmen Zukunft sichern.Diese Wettbewerbsvorteile sollen sich an-geblich noch dadurch ausweiten lassen,dass die Beteiligung an einem künftigen in-ternationalen Klimaübereinkommen er-weitert und vertieft wird. Die breite Beteili-gung von Entwicklungsländern und ihr so-fortiger Einstieg in eine kohlenstoffarmewirtschaftliche Entwicklung dürften sichallerdings nur durch einen großzügigenTechnologietransfer erzielen lassen.

Zusammenfassend soll die langfristige Kli-maschutzstrategie der EU für den Zeitraumnach dem Jahr 2012, wenn die erste Phaseder Verpflichtungen nach dem Kyoto-Proto-koll endet, folgende Elemente enthalten:– Breitere Beteiligung: Mit dem Ziel, den

Temperaturanstieg auf höchstens 2ºCüber den vorindustriellen Stand zu be-grenzen, zielt die Verhandlungsstrategieder EU auf internationale Verhandlungenzur Einbindung aller großen Verursacher-länder bei der Emissionsverminderung.

– Einbeziehung weiterer Politikbereiche:Die internationalen Maßnahmen müs-sen auf alle Treibhausgase und Sektoren,insbesondere auch den Luft- und Seever-kehr, ausgeweitet werden. Der Abhol-zung der Wälder ist Einhalt zu gebieten.

– Vorantreiben der Innovation: Bei derUmstellung von Energie- und Verkehrssy-stemen müssen neue Technologien mitniedrigeren Emissionen intensiver ver-breitet werden. Weitere Forschungs- undEntwicklungsarbeiten sind erforderlich.

– Fortgesetzte Nutzung marktorientierterund flexibler Instrumente: Das von derEU eingeführte System des Emissions-handels soll auf internationaler Ebenemit den vorgesehenen projektbezoge-nen Mechanismen und strengen multi-lateralen Überwachungsregeln fortge-führt werden. Die Entwicklungsländersollen bei Investitionen in klimaverträg-liche Technologien unterstützt werden.Die Möglichkeiten eines globalen Pro-gramms für kohlenstoffarme Energieund den Technologietransfer müssenausgelotet werden.

– Einbeziehung von Anpassungsstrategi-en: Zur effektiven Anpassung an die Kli-maänderung sollen mehr Ressourcen

bereitgestellt werden. Die ärmsten undam schwersten betroffenen Länder sol-len besonders unterstützt werden.

Kurzfristig soll die Klimaschutzpolitik derEU folgende Maßnahmen enthalten:– Unmittelbare und effektive Umsetzung

der vereinbarten Politiken: Um das imKyoto-Protokoll festgelegte Ziel einerEmissionsreduzierung von 8 % im Ver-gleich zu 1990 zu erreichen, soll das bis-her schon projektierte Maßnahmenbün-del umgesetzt werden: Infrastruk-turgebühren, Überprüfung der Richtliniefür die Eurovignette, Förderung einesAusgleichs zwischen den Verkehrsträ-gern, stärkere Nutzung der Schienenwegeund Binnenwasserstraßen, Schaffung ei-nes EU-Marktes für grüne Zertifikate, zü-gige Umsetzung des Aktionsplans fürUmwelttechnologie, neue Initiative imBereich der Energieeffizienz.

– Schärfung des öffentlichen Bewusst-seins.

– Mehr und zielgerichtetere Forschungzur Verbesserung der Kenntnisse überdie Klimaänderung, einschließlich derWechselwirkungen mit ozeanischenProzessen, und zur Entwicklung kosten-wirksamer Anpassungs- und Abhilfe-strategien.

– Engere Zusammenarbeit mit Drittlän-dern: intensivierter Technologietransfer,FuE-Zusammenarbeit bei der Entwick-lung von Technologien mit niedrigemTreibhausgasausstoß für die Bereiche En-ergie, Verkehr, Industrie und Landwirt-schaft; Konzipierung klimaverträglicherEntwicklungspolitiken; Konvergenz dereuropäischen Nachbarschaftspolitik mitder Klimapolitik der EU.

– Neue Phase des europäischen Pro-gramms zur Klimaänderung 2005: auf

12 Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Eu-ropäische Parlament, an den Europäischen Wirt-schafts- und Sozialausschuss und an den Ausschussder Regionen, Strategie für eine erfolgreicheBekämpfung der globalen Klimaänderung, KOM(2005) 35 endg. v. 9.2.2005; zum Hintergrund vgl.Commission Staff Working Paper, Winning theBattle Against Global Climate Change. Backgroundpaper, 9.2.2005; siehe auch Winning the BattleAgainst Global Climate Change, MEMO/05/42,9.2.2005. Alle genannten und weitere Dokumentesind zugänglich unter <http://europa.eu.int/comm/environment/climat/future_action.htm>.

13 Seit 1861 ist die durchschnittliche Temperaturauf der Erde um ca. 0,6ºC, in Europa um mehrals 0,9ºC gestiegen.

14 Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat unddas Europäische Parlament, Klimaänderungenund Entwicklungszusammenarbeit, KOM(2003) 85 endg. v. 11.3.2003; Schlussfolgerun-gen des Rates v. 24.11.2004 zu Klimaänderun-gen und Entwicklungszusammenarbeit, Ratsdo-kument 15164/04.

15 Nach Schätzungen der Europäischen Umwelta-gentur betrugen die Energiesubventionen in derEU-15 im Jahr 2004 für feste Brennstoffe, Öl undGas über 23,9 Mrd. € und lediglich 5,3 Mrd. € fürerneuerbare Energien. Zusätzlich ist zu berück-sichtigen, dass der internationale Verkehr fastvöllig von der Besteuerung ausgenommen ist.

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G E S E T Z G E B U N G | Fa lke , Neueste Entwick lungen im Europä ischen Umwelt recht

der Grundlage einer Zwischenbewer-tung neue Maßnahmen in den Berei-chen Energieeffizienz, erneuerbare En-ergien, Verkehrssektor, Kohlenstoffbin-dung und -speicherung.

Langfristig strebt die Kommission ein mul-tilaterales Konzept für die Bekämpfung derKlimaänderung nach 2012 im Rahmen ei-ner sinnvollen Einbeziehung aller Indus-trieländer sowie von Entwicklungsländernan. Es soll die Begrenzung des globalenTemperaturanstiegs auf 2ºC über dem vor-industriellen Stand ermöglichen und einegerechte Lastenverteilung enthalten. Einspezifisches Reduktionsziel für die EU wirdzur Zeit bewusst nicht genannt. Die EU willflexibel auf die von den wichtigsten Verur-sacherländern übernommenen Verpflich-tungen reagieren können, beansprucht fürsich aber eine internationale Vorreiterrolle,vor allem im Hinblick auf die Entwicklung,den Einsatz und die Verbreitung kli-mafreundlicher Technologien.

Der Mitteilung war eine Befragung derinteressierten Verkehrskreise im Internetvorausgegangen, die zu über 160 im Netzzugänglichen Stellungnahmen führte, diein ihrer deutlichen Mehrzahl eineFührungsrolle der EU und die Obergrenzeeines Temperaturanstiegs um höchstens2ºC befürworten.16

C. Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber

Die Kommission hat im Januar 2005 eineumfassende Strategie zur Reduzierung derQuecksilberbelastung vorgeschlagen.17 Inhoher Dosierung können Quecksilber undseine Verbindungen tödlich sein und auchschon in relativ kleinen Mengen das Ner-vensystem schädigen. Quecksilber verzö-gert zudem mikrobiologische Vorgänge imBoden und wurde gemäß der Wasserrah-menrichtlinie18 als prioritärer gefährlicherStoff eingestuft. Die Verschmutzung mitQuecksilber gilt als globales, weit verbreite-tes und chronisches Problem. In Industrie-ländern ist die Einatmung von Quecksil-berdampf aus zahnmedizinischem Amal-gam mittlerweile die Hauptquelle derQuecksilberexposition. Methylquecksilber,das besonders starke toxische Wirkungenaufweist, akkumuliert sich insbesondere inaquatischen Nahrungsmitteln. Ein zentra-les Ziel der von der Kommission vorgeleg-ten Strategie ist die Verringerung derQuecksilberwerte in der Umwelt und derExposition von Menschen. Insgesamt ver-folgt die Strategie folgende Ziele:– Verringerung der Quecksilberemissio-

nen,– Verringerung von Angebot und Nach-

frage,

– Lösung des Problems der langfristigenQuecksilberüberschüsse und der vor-handenen Reservoire,

– Schutz gegen die Quecksilberexposition,– Förderung einschlägiger internationaler

Maßnahmen.Zur Annäherung an die genannten Zieleund zur Ergänzung bereits geltender Rege-lungen19/20 hat die Kommission ein Bündelvon nicht weniger als 20 aufeinander abge-stimmten Maßnahmen vorgeschlagen. Alswichtigste sind folgende zu nennen:– Die Kommission fordert die Mitglied-

staaten und die Industrie auf, mehr In-formationen über die Freisetzung vonQuecksilber sowie über Vermeidungs-und Kontrolltechniken zur Verfügung zustellen, damit in den im Sevilla-Prozesserstellten BREF, also den Dokumentenüber die bei der Zulassung genehmi-gungsbedürftiger Anlagen zu berück-sichtigenden besten Techniken, Maß-nahmen zur weiteren Emissionsvermin-derung berücksichtigt werden können.

– Die Kommission überprüft die Umset-zung gemeinschaftlicher Anforderun-gen an die Behandlung zahnmedizini-schen Amalgamabfalls.

– Der Vorschlag für eine Richtlinie überprioritäre Stoffe gemäß der Wasserrah-menrichtlinie soll Qualitätsnormen fürQuecksilber enthalten, die bis zum Jahr2015 einzuhalten sind.

– Die Sachverständigengruppe für Medi-zinprodukte soll die Verwendung vonQuecksilber in zahnmedizinischemAmalgam prüfen.

– Im Rahmen der Richtlinie 76/769/EWG21 soll das Inverkehrbringen queck-silberhaltiger nicht elektrischer / nichtelektronischer Mess- und Kontrollin-strumente für Verbraucherzwecke undfür die Gesundheitspflege beschränktwerden.

– Im Rahmen der vorgeschlagenenREACH-Verordnung22 sollen mittel- undlangfristig alle verbleibenden Verwen-dungszwecke von Quecksilber einer Ge-nehmigungspflicht und einer Verpflich-tung zur Suche nach Ersatzstoffen un-terworfen werden.

– Die Kommission wird Maßnahmen fürdie Lagerung von Quecksilber aus derChloralkaliindustrie ergreifen und dazudie Möglichkeit einer Vereinbarung mitder Industrie prüfen.

– Die Europäische Lebensmittelbehördesoll die Auswirkungen der nahrungsbe-dingten Aufnahme von Quecksilberprüfen.

– Die EG soll sich dafür einsetzen, Queck-silber dem PIC-Verfahren des Rotterda-mer Übereinkommens23 zu unterwerfen.

– Die EG wird weiterhin die Arbeiten imRahmen des Schwermetallprotokollsdes UNECE-Übereinkommens überweiträumige grenzüberschreitende Ver-schmutzung unterstützen.

– Die EG, die Mitgliedstaaten und andereBeteiligte sollen das globale Quecksil-berprogramm von UNEP24 unterstützen.

– Um das Angebot an Quecksilber auf in-ternationaler Ebene zu reduzieren wirdsich die EG für einen weltweiten Aus-stieg aus der Produktion an Primärlager-stätten einsetzen und andere Länder da-zu ermutigen, Überschüsse nicht wiederauf den Markt gelangen zu lassen.Durch eine Änderung der Verordnung(EG) Nr. 304/200325 soll dem Export von

16 Die Stellungnahmen und auswertende Dokumen-te sind unter <http://europa.eu.int/comm/envi-ronment/climat/future_act_sum.htm> zugänglich.

17 Mitteilung der Kommission an den Rat und dasEuropäische Parlament, Gemeinschaftsstrategiefür Quecksilber, KOM (2005) 20 endg. v.28.1.2005. Vgl. auch Questions and Answers onthe Mercury Strategy, MEMO/05/30 v.31.1.2005. Unter <http://europa.eu.int/comm/environment/chemicals/mercury/index.htm>sind weitere Dokumente und Studien, so auchdas Global Mercury Assessment von UNEP, dasKonsultationsdokument der Kommission zurEntwicklung einer Quecksilber-Strategie v.15.3.2004, die Ergebnisse dieser Konsultationinteressierter Verkehrskreise, die zu 55 Stellun-gnahmen geführt hat, und die ausführliche Fol-genabschätzung der Kommission, SEC (2005)101 v. 28.1.2005 zugänglich.

18 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates v. 23.10.2000 zur Schaf-fung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmender Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik,ABl. L 327 v. 22.12.2000, 1 ff.

19 Vgl. die Übersicht in European Commission, EULegislation and Policy relating to Mercury andits Compounds, Working Document, June 2004.

20 Besonders zu nennen sind Richtlinie 91/157/EWG des Rates v. 18.3.1991 über gefährliche Stof-fe enthaltende Batterien und Akkumulatoren,ABl. L 78 v. 26.3.1991, 38 ff.; Richtlinie2002/95/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates v. 27.1.2003 zur Beschränkung der Ver-wendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elek-tro- und Elektronikgeräten, ABl. L 37 v. 12.2.2003,19 ff.; Richtlinie 2004/107/EG des EuropäischenParlaments und des Rates v. 15.12.2004 über Ar-sen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzy-klische aromatische Kohlenwasserstoffe in derLuft, ABl. L 23 v. 26.1.2005, 3-16.

21 Richtlinie 76/769/EWG zur Angleichung derRechts- und Verwaltungsvorschriften der Mit-gliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehr-bringens und der Verwendung gewisser gefähr-licher Stoffe und Zubereitungen, ABl. L 262 v.27.9.1976, 201 ff.

22 Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur Registrie-rung, Bewertung, Zulassung und Beschränkungchemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einerEuropäischen Agentur für chemische Stoffe so-wie zur Änderung der Verordnung (EG) überpersistente organische Schadstoffe, KOM (2003)644 endg. v. 29.10.2003.

23 Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahrender vorherigen Zustimmung nach Inkenntnisset-zung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowiePestizide im internationalen Handel (PIC-Überein-kommen).

24 Einzelheiten (auch über die weltweit in einzelnenLändern ergriffenen Maßnahmen) finden sichunter <http://www.chem.unep.ch/mercury/>.

25 Verordnung (EG) Nr. 304/2003 des EuropäischenParlaments und des Rates v. 28.1.2003 über dieAus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien, ABl. L63 v. 6.3.2003, 1 ff.

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Quecksilber aus der Gemeinschaft abdem Jahr 2011 ein Ende gesetzt werden.

Die Gemeinschaft bringt die vorgelegteStrategie in das globale Quecksilberpro-gramm von UNEP ein. Wegen der weltwirt-schaftlichen Verflechtung und dadurch be-dingter Schädigungswege müssen die Maß-nahmen der EG in globale multilateraleMaßnahmen eingepasst werden.

D. Anreize zur Verwendung des EMAS-Zeichens

Die Kommission hat im November 2004 ei-nen Bericht über Anreize für die Verwen-dung des Umweltmanagementsystems vor-gelegt26 und hat sich dabei im Wesentlichenauf die ihr von den Mitgliedstaaten übermit-telten Berichte27 gestützt. Die EMAS-Verord-nung28 stellt im Vergleich zu anderen Um-weltmanagementsystemen die höchstenAnforderungen. Die eingetragenen Organi-sationen können auf vielerlei Weise profitie-ren: finanzielle Vorteile infolge nachhaltige-ren Ressourceneinsatzes, besseres Image inder Öffentlichkeit, geringeres Risiko von Ver-stößen gegen Anforderungen des Umwelt-rechts, bessere Beziehungen zu Aufsichts-behörden und anderen Akteuren imUmweltbereich, angemesseneres Risikoma-nagement, günstigere finanzielle Konditio-nen bei Geldgebern und Versicherern. Trotzdieser Vorteile ist die Anzahl der Neueintra-gungen in den letzten zwei Jahren zurückge-gangen, der Kosten-Nutzen-Aufwand wirdteilweise kritisch beurteilt und die meisteneingetragenen Organisationen konzentrie-ren sich auf wenige Mitgliedstaaten.

Nach Art. 10 Abs. 2 der EMAS-Verord-nung sollen die Mitgliedstaaten prüfen,wie der EMAS-Eintragung bei der Durch-führung und Durchsetzung der Umwelt-vorschriften Rechnung getragen werdenkann, damit doppelter Arbeitsaufwand so-wohl für die Organisationen als auch fürdie vollziehenden Behörden vermiedenwird. Die Kommission fasst diesen Sachver-halt in ihrer Mitteilung unter dem Stich-wort »regelungspolitische Flexibilität«zusammen. Eintragungswillige Organisa-tionen müssen sich durch einen unabhän-gigen Umweltgutachter die Einhaltung al-ler einschlägigen Umweltvorschriften be-stätigen lassen. Als Ausgleich räumeneinige Mitgliedstaaten den in das EMAS-Verzeichnis eingetragenen Organisationeneine gewisse regelungspolitische Flexibi-lität ein. Beispielhaft seien genannt:– Flexibilität bei Genehmigungsverfah-

ren, da viele Angaben, die bei Genehmi-gungsanträgen einzureichen sind,schon erfasst sind;

– geringere Auflagen für Berichterstattungund Überwachung, wenn eine eingetra-gene Organisation über einen bestimm-ten Zeitraum hinweg eine umfassendeEinhaltung der Vorschriften und über-durchschnittliche Leistungen nachwei-sen kann;

– konsolidierte Auflagen für Berichterstat-tung und Überwachung, da die überwa-chenden Behörden die in der Umwelter-klärung enthaltenen Informationennutzen können;

– weniger Inspektionen, da die Anwen-dung des EMAS-Systems die Einhaltungder Umweltvorschriften erleichtert.

Das Instrument der regelungspolitischenFlexibilität verwenden vor allem Deutsch-land und Österreich, aber auch Spanien,die Niederlande, Italien und Luxemburgsowie (in eingeschränkterer Weise) das Ver-einigte Königreich, die Slowakische Repu-blik, Portugal, Dänemark, Schweden undNorwegen.

Nach Art. 11 der EMAS-Verordnung sol-len die Mitgliedstaaten die Beteiligung vonOrganisationen, insbesondere von Klein-und Mittelunternehmen, an EMAS fördern.Anreize mit Förderungscharakter sieht die

26 Bericht der Kommission an den Rat und das Eu-ropäische Parlament über Anreize für in das EMAS-Verzeichnis eingetragene Organisationen, KOM(2004) 745 endg. v. 9.11.2004.

27 Unter den Kategorien regulatory flexibility, pu-blic procurement, support funding und techni-cal assistance / information support zusammen-gefasst in Commission Staff Working Docu-ment, Annex to the Report from theCommission to the Council and the EuropeanParliament on Incentives for EMAS RegisteredOrganisations, SEC (2004), 1375, 9.11.2004.

28 Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäi-schen Parlaments und des Rates v. 19.3.2001über die freiwillige Beteiligung von Organisatio-nen an einem Gemeinschaftssystem für dasUmweltmanagement und die Umweltbetrieb-sprüfung (EMAS), ABl. L 114 v. 24.4.2001, 1-29.

29 Ca. 16 % des Bruttoinlandsprodukts entfallen ge-meinschaftsweit auf öffentliche Beschaffungen.

30 »Buying Green«. A Handbook on Environ-mental Public Procurement, Arbeitsunterlageder Kommissionsdienststellen, SEC (2004) 1050v. 18.8.2004.

Tab. 1: Anzahl der in einzelnen Ländern gemäß ISO 14001: 1996oder nach EMAS registrierten Betriebe

Land ISO 14001 EMAS Land ISO 14001 EMAS

Großbritannien 5.460 62 Japan 15.695Spanien 4.860 573 China 5.064Deutschland 4.320 2.048 USA 3.890 (3)Italien 4.318 331 Korea 2.041Schweden 3.404 133 Brasilien 1.500Frankreich 2.344 20 Kanada 1.484Niederlande 1.162 29 Taiwan 1.417Tschech. Republik 950 21 Schweiz 1.266 (1)Finnland 888 49 Australien 1.250Ungarn 780 1 Indien 1.250Dänemark 711 263 Thailand 908Polen 555 0 Singapur 523 (2)Österreich 500 333 Mexiko 406Belgien 366 178 Argentinien 397Norwegen 350 28 Südafrika 378Portugal 313 25 Malaysia 370 (1)Slowenien 263 1 Indonesien 297Irland 218 8 Türkei 240Slowak. Republik 169 2 Philippinen 235Estland 100 0 Ägypten 195Griechenland 90 6 Israel 178Litauen 72 0 Neuseeland 155Luxemburg 39 1 Kolumbien 135Zypern 21 0 Ver. Arab. Emirate 104Lettland 20 0 Chile 99Malta 4 1 Iran 98

Sonstige 899 (3)

Quelle: ISO 14001:1996: BMU, Umwelt Nr. 3/2005, S. 136 f. (Stand: Oktober 2004); EMAS: <http://europa.eu.int/comm/environment/emas/>.

Kommission vor allem bei der öffentlichenBeschaffung, durch Unterstützungsfondssowie durch technische Hilfen und erleich-terten Zugang zu Informationen.

Die Berücksichtigung von Umweltmana-gementsystemen bei der öffentlichenAuftragsvergabe29 soll in Bezug zum Ver-tragsgegenstand stehen und in Einklangmit den allgemeinen Grundsätzen des Ge-meinschaftsrechts (bspw. Transparenzge-bot und Gleichbehandlung) erfolgen.30

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276 | ZUR 5/2005

Nach Art. 11 Abs. 2 der EMAS-Verordnunghaben gemeinschaftliche und mitglied-staatliche Stellen zu prüfen, wie der EMAS-Eintragung bei der Festlegung von Kriteri-en für die Beschaffung Rechnung getragenwerden kann. In ihrer interpretierendenMitteilung über das auf das öffentliche Auf-tragswesen anwendbare Gemeinschafts-recht31 hat die Kommission im Juli 2001 er-läutert, welche Möglichkeiten öffentlicheStellen haben, EMAS-Eintragungen beiAusschreibungsverfahren zu berücksichti-gen. Danach können Umweltmanage-mentsysteme nicht als spezifisches Aus-schreibungskriterium verlangt werden,wohl aber als Nachweis der technischenLeistungsfähigkeit einer Organisation beider Behandlung von umweltspezifischenAspekten eines Auftrags dienen. In der neu-en Richtlinie über öffentliche Beschaffungwurde ein neues technisches Auswahlkrite-rium eingeführt, nach dem die Bieter inentsprechenden Fällen und auf Verlangender auftragsvergebenden Stellen nachwei-sen müssen, dass sie bei der Durchführungbestimmter Arbeiten Umweltmanage-mentverfahren anwenden können.32 EMASoder ein anderes gleichwertiges Umwelt-managementsystem können als geeigneterNachweis für diese Befähigung dienen.

Finanzielle Unterstützungen werden nachden Berichten der Mitgliedstaaten derzeitvor allem durch Zuschüsse für neue EMAS-Eintragungen, Steuernachlässe bei Anschaf-fungen zur Verbesserung der Umweltlei-stung, Spezialfonds für technische Hilfe,Ausbildung des Personals und externe Bera-tung sowie Aushandlung von Vorzugsbedin-gungen für eingetragene Organisationen beiVersicherungen und Banken geleistet.

Als technische Hilfe werden genannt:Aus- und Fortbildungsprogramme, Ein-führungsprogramme speziell für KMU, Bil-dung von Arbeitsgruppen unter Einbezie-hung aller Akteure der Umweltmanage-mentsysteme, Leitlinien für Spezialfragen.Zusätzlich werden gezielt Informationenvermittelt, Informationskampagnen fürspezifische Zielgruppen durchgeführt so-wie Konferenzen und Workshops zur För-derung einer aktiven Beteiligung und zumAustausch von Erfahrungen und bewähr-ten Praktiken organisiert.

Mit wenigen Ausnahmen sind die ge-schilderten Anreize in den neuen Mitglied-staaten kaum vorhanden oder fehlen völlig.Mit dem Beitritt mussten sie einen enor-men Bestand an gemeinschaftlichenRechtsvorschriften im Umweltbereich um-setzen. Die Kommission regt in ihrer Mittei-lung an, die Behörden könnten EMAS alsgeeignetes Werkzeug nutzen, um trotz sehrbeschränkter Kapazitäten ihre Aufgaben beider Durchsetzung umweltrechtlicher

Deutschland, Spanien, Österreich, Italienund Dänemark. Die neuen Mitgliedstaatenweisen insgesamt nur 26 Eintragungennach dem EMAS-System, aber 2.934 nachder Norm ISO 14001:1996 auf.Tabelle 2 gibt einen quantitativen Über-blick über die in den einzelnen Mitglied-

Anforderungen gegenüber öffentlichen wieprivaten Organisationen zu bewältigen.

Tabelle 1 zeigt den Stand der für einzelneLänder registrierten Teilnehmer am EMAS-System und an dem Umweltmanagement-system nach der Norm ISO 14001:1996. Inallen EU-Mitgliedstaaten übertrifft die An-zahl der Eintragungen nach der Norm ISO14001:1996 deutlich die Eintragungennach dem EMAS-System. Knapp die Hälftealler EMAS-Eintragungen entfällt aufDeutschland; über drei Viertel aller Eintra-gungen konzentrieren sich auf die Länder

31 KOM (2001) 274 endg. v. 4.7.2001.32 Art. 48 Abs. 2 lit. f) der Richtlinie 2004/18/EG

des Europäischen Parlaments und des Rates v.31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahrenzur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferauf-träge und Dienstleistungsaufträge, ABl. L 134 v.30.4.2004, 114-240.

Tab. 2: Quantitative Bewertung der in einzelnen EU-Mitgliedstaaten getroffenenexternen Maßnahmen zur Förderung der Beteiligung am EMAS-System

Land Regulatorische Öffentliche Finanzielle Techn. Flexibilität Beschaffung Unterstützung Hilfe,

Informationen

Belgien 0 0 4 4Dänemark 1 1 2 4Deutschland 7 1 4 5Finnland 0 0 1 3Frankreich 0 0 2 2Griechenland 0 0 3 2Großbritannien 2 0 0 4Irland 0 0 0 2Italien 3 1 6 5Luxemburg 3 0 0 1Niederlande 4 0 1 1Österreich 7 1 1 3Portugal 1 0 1 1Schweden 1 0 0 1Spanien 4 2 4 3Norwegen 1 1 2 3Estland 0 0 0 1Lettland 0 0 2 0Litauen 0 0 0 0Malta 0 0 0 0Polen 0 0 0 0Slowak. Republik 2 0 1 4Slowenien 0 0 0 0Tschech. Republik 0 0 4 0Ungarn 0 0 0 0Zypern 0 0 0 0

Quelle: European Commission, Commission Staff Working Paper, Annex to the Report fromthe Commission to the Council and the European Parliament on Incentives for EMAS Registe-red Organisations, SEC (2004) 1375, 9.11.2004, p. 17 f.

PD Dr. Josef Falke Zentrum für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen; Universitätsallee, GW 1, 28359 Bre-men; [email protected]. Tätigkeitsschwerpunkte: Europarecht, Welthandelsrecht, Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherrecht, Tech-nikrecht, Rechtssoziologie. Aktuelle Veröffentlichungen: Josef Falke, Rechtliche Aspekte der technischen Normung in der Bundesrepu-blik Deutschland, Luxemburg 2000; Josef Falke, Harm Schepel (eds.), Legal Aspects of Standardisationin the Member States of the EC and the EFTA. Country Reports, Luxemburg 2000; Harm Schepel, JosefFalke, Legal Aspects of Standardisation in the Member States of the EC and the EFTA. Comparative Re-port, Luxemburg 2000; Josef Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltan-gelegenheiten, in: Falke/Schlacke, Neue Entwicklungen im Umwelt- und Verbraucherrecht, 2004, S. 99 ff.

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TA G U N G S B E R I C H T

Richtlinie 2004/107/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates v.15.12.2004 über Arsen, Kadmium,Quecksilber, Nickel und polyzyklischearomatische Kohlenwasserstoffe in derLuft, ABl. L 23 v. 26.1.2005, 3-16.

Entscheidung 2005/101/EG der Kommis-sion v. 13.1.2005 gemäß der Richtlinie92/43/EWG des Rates zur Verabschie-dung der Liste von Gebieten gemein-schaftlicher Bedeutung in der borealenbiogeografischen Region, ABl. L 40 v.11.2.2005, 1-181.

Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates v.23.2.2005 über Höchstgehalte an Pesti-zidrückständen in oder auf Lebens- undFuttermitteln pflanzlichen und tieri-schen Ursprungs und zur Änderung derRichtlinie 91/414/EWG des Rates, ABl.L 70 v. 16.3.2005, 1-16.

Entscheidung 2005/174/EG der Kommis-sion v. 28.2.2005 über die Festlegung vonLeitlinien zur Ergänzung von Anhang IIder Richtlinie 90/219/EWG des Rates

über die Anwendung genetisch veränderterMikroorganismen in geschlossenen Syste-men, ABl. L 59 v. 5.3.2005, 20-26.

Richtlinie 2005/21/EG der Kommission v.7.3.2005 zur Anpassung der Richtlinie72/306/EWG des Rates zur Angleichung derRechtsvorschriften der Mitgliedstaatenüber Maßnahmen gegen die Emission ver-unreinigender Stoffe aus Dieselmotorenzum Antrieb von Fahrzeugen, ABl. L 61 v.8.3.2005, 25-27.

Richtlinie 2005/20/EG des EuropäischenParlaments und des Rates v. 9.3.2005 zurÄnderung der Richtlinie 94/62/EG überVerpackungen und Verpackungsabfälle,ABl. L 70 v. 16.3.2005, 17 f.

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zurÜberwachung und Kontrolle der Verbrin-gung radioaktiver Abfälle und abgebrann-ter Brennelemente, KOM (2004) 716 endg.v. 12.11.2004.

Bericht der Kommission, Einhaltung derKyoto-Ziele der Gemeinschaft, KOM (2004)818 endg. v. 20.12.2004.

SONSTIGE RECHTSAKTE, PROGRAMMATISCHE PAPIERE UND MITTEILUNGEN

Bericht der Kommission an den Rat und andas Europäische Parlament, Vierter Berichtüber die statistischen Angaben zur Anzahlder in den Mitgliedstaaten der Europäi-schen Union für Versuche und andere wis-senschaftliche Zwecke verwendeten Tiere,KOM (2005) 7 endg. v. 20.1.2005.

Mitteilung der Kommission, Bericht überdie Durchführung des Aktionsplans fürUmwelttechnologie im Jahr 2004, KOM(2005) 16 endg. v. 27.1.2005.

Mitteilung der Kommission an den Rat undan das Europäische Parlament, Bericht überdie Umweltpolitik 2004, KOM (2005) 17endg. v. 27.1.2005.

Arbeitsdokument der Kommissionsdienst-stellen, Anhang: Die Überprüfung der EU-Strategie für die nachhaltige Entwicklung2005: Bestandsaufnahme und Fortschritte,SEK (2005) 225 v. 9.2.2005.

Mitteilung der Kommission an den Rat unddas Europäische Parlament, Überprüfung derEU-Strategie der nachhaltigen Entwicklung2005: Erste Bestandsaufnahme und künftigeLeitlinien, KOM (2005) 37 endg. v. 9.2.2005.

staaten ergriffenen Maßnahmen zur Förde-rung einer Beteiligung an EMAS. In allenalten Mitgliedstaaten und in Norwegen

werden in unterschiedlicher Intensität sol-che Fördermaßnahmen durchgeführt; un-ter den neuen Mitgliedstaaten geschieht

dies nur in der Tschechischen und in derSlowakischen Republik.

Beihilfe- und Vergaberecht als Rahmenbedingungen der UmweltpolitikZehnte Osnabrücker Gespräche zum deutschen und europäischen Umweltrecht am 11. und 12. November 2004

TA G U N G S B E R I C H T

Am 11. und 12.11.2004 fanden die Zehnten Osnabrücker Ge-spräche zum deutschen und europäischen Umweltrecht statt, diedem Thema »Beihilfe- und Vergaberecht als Rahmenbedingungender Umweltpolitik« gewidmet waren und unter der wissenschaftli-chen Leitung von Prof. Dr. Jens-Peter Schneider, Universität Osn-abrück, standen. Einleitend erläuterte dieser, dass die Vergabe vonSubventionen und staatlichen Aufträgen wirksame umweltpoliti-sche Steuerungsinstrumente seien, die im Rahmen eines Praxis-Theorie-Dialogs diskutiert werden sollten.

Michael Dittrich, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück,berichtete über die Arbeit der Stiftung, die das Symposium finan-ziert hatte.

Dr. Dieter Ewringmann, Universität Köln, referierte zu dem The-ma »Die europäischen Gemeinschaftsrahmen für Umweltbeihil-fen und zur KMU-Politik aus Sicht der Finanzwissenschaft«. Gene-rell werden drei Subventionsbegriffe mit Volumina zwischen 23,3Mrd. € (EU-Kommission), 35 Mrd. € (Institut für Weltwirtschaft)und 155,6 Mrd. € (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) unter-schieden. Zwischen dem Kontrollauftrag der Kommission und denMöglichkeiten der Mitgliedstaaten, den Wettbewerb zu verzerren,herrsche daher ein deutliches Missverhältnis. Unsicherheit beste-he insbesondere über den von der Kommission zugrunde gelegtenBeihilfebegriff. In dem neuen Gemeinschaftsrahmen seien die Ge-

nehmigungskriterien so ausdifferenziert, dass eine Konkretisie-rung des Begriffes weiterhin unmöglich sei. Bezüglich der Anwen-dung des Rahmens auf KMU sei die Ermittlung der umweltschutz-bedingten Mehrkosten problematisch. Um KMU nicht zu benach-teiligen, sei der Mehrkostenansatz zu reformieren. Darüber hinausbetreffe der Gemeinschaftsrahmen auch zielfremde Beihilfen, wieZahlungen im Rahmen der deutschen Ökosteuer. Der Rahmen inder von der Kommission praktizierten Form schütze den verzerr-ten Wettbewerb, nicht die aus Umweltsicht schützenswerten In-ternalisierungen, und sei insgesamt anreizunverträglich. Abhilfekönne eine neue FreistellungsVO bewirken.

In seinem Beitrag »Europarechtliche Vorgaben für europäischeund mitgliedstaatliche Umweltbeihilfeprogramme« erörterte Prof.Dr. Jürgen Kühling, LL.M., Universität Karlsruhe, inwieweit die De-fizite durch eine Neuinterpretation des Art. 87 Abs. 1 EG behobenwerden können. Die Kommission gestatte grundsätzlich Förderin-tensitäten i.H.v. 30%, in Ausnahmefällen i.H.v. 100%. Hinreichen-de Orientierungspunkte für die Festlegung der Intensität existier-ten indessen nicht. Die Kommission differenziere zudem zwischenInvestitions- und Betriebsbeihilfen, obwohl wettbewerbsrechtlicheGründe für diese Unterscheidung fehlen. Dennoch sei eine Verur-teilung der Kommission durch den EuGH unwahrscheinlich, da diegerichtliche Kontrolle auf evidente Fehler beschränkt sei und die

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Kommissionspraxis durch eine großzügige Genehmigungspolitikrelativiert werde. Eher zielführend sei eine Neuausrichtung des Bei-hilfebegriffes. Aus teleologischer Sicht seien als Gegenleistung auchrein ökologisch motivierte Investitionen berücksichtigungsfähig.Dem Begriff »staatliche Leistung« müssten auch Haftungsübernah-men und faktische Haftungsfonds im Atombereich unterfallen. Fürdie Ermittlung der staatlichen Herkunft einer Vergünstigung sei dieenge Auffassung des EuGH (Preussen-Elektra) wegen massiver Um-gehungsgefahren abzulehnen. Es sei besser auf die hoheitliche Be-einflussung des Mittelstromes abzustellen.

Prof. Dr. Christian Tietje, Universität Halle-Wittenberg, stellte»Das Welthandelsrecht als Grenze für Umweltbeihilfen und dieökologisierte Auftragsvergabe« dar. Das plurilaterale Agreementon Government Procurement (GPA) setze bei Eignungsprüfungenim Rahmen staatlicher Beschaffungsverfahren einen unmittelba-ren Zusammenhang zwischen Leistung und Eignung voraus. Da-her könne nicht allgemein auf die Umweltfreundlichkeit einesUnternehmens abgestellt werden. Für die technische Spezifikationverlange das GPA einen engen Bezug zwischen Umweltschutzkri-terien und Leistung. Herstellungsbezogene Anforderungen seiengrundsätzlich zulässig. Bei der Zuschlagserteilung auf das vorteil-hafteste Angebot könnten Umweltaspekte berücksichtigt werden,wenn diese die Wirtschaftlichkeit beeinflussen. Auch eine Recht-fertigung umweltbezogener Vergabekriterien sei möglich. In derSubventionspolitik herrsche Übereinstimmung zwischen umwelt-schutzpolitischen und welthandelsrechtlichen Anliegen, da dasWTO-Recht auf den Abbau umweltschädigender Subventionenziele. Nach dem Ende 1999 außer Kraft getretenen Art. 8.2 lit. c)des multilateralen Agreement on Subsidies and CountervailingMeasures waren Beihilfen zur Anpassung an neue Umweltschutz-vorschriften nicht angreifbar. Eine Verlängerung der Bestimmungsei an den Entwicklungsländern gescheitert. Hinsichtlich des Sub-ventionsbegriffes stelle der Appellate Body auf den Vorteil beimEmpfänger ab. Insgesamt liege dem WTO-Recht das restriktiveKonzept zugrunde, dass effektiver Umweltschutz funktionierendeMarktmechanismen voraussetze.

Prof. Dr. Gabriele Britz, Universität Gießen, analysierte die»Ökologisierte Auftragsvergabe und Umweltbeihilfen im Bereichdes öffentlichen Personennahverkehrs«. Erfolge die Leistungser-bringung im ÖPNV-Bereich in eigenwirtschaftlicher Form, werdeeine Ausschreibungspflicht durch die EuGH-Rechtsprechung (Alt-mark-Trans) nahe gelegt. Für Leistungserbringungen in gemein-wirtschaftlicher Form erforderten Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr.1191/69 und § 13 a PBefG i.V.m. der »Geringste Kosten VO« dieAusschreibung. Für den gemeinwirtschaftlich zu erbringendenSchienenpersonennahverkehr stehe den Ländern die Ausschrei-bung frei, allerdings begründeten die §§ 97 ff. GWB wahrschein-lich eine Ausschreibungspflicht. Nach dem GWB-Vergaberechtkönnten Umweltbelange im Wege der Definition von Eignungs-und Zuschlagskriterien in das Verfahren einfließen. Für das EU-Vergaberecht habe der EuGH (Concordia) den Wirtschaftlichkeits-begriff für ökologische Belange geöffnet. Eine entsprechende Öff-nung finde sich auch in der neuen Sektorenrichtlinie. Bei Aus-schreibungen für gemeinwirtschaftliche ÖPNV-Leistungen sei dieLösung mit den geringsten Kosten für die Allgemeinheit zuwählen. Umwelteigenschaften könnten als Teil der Leistungsbe-schreibung einfließen. Bei Ausschreibungspflichten aufgrund der»Altmark-Trans«-Dogmatik können ökologische Aspekte im Rah-men der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden. Daherkomme es auf die Bereitschaft der Kommunen an, Zusatzkostenfür umweltgerechte Verkehrsleistungen aufzubringen.

Schneider erläuterte, dass es nach Umsetzung der EU-Luftqualitäts-rahmengesetzgebung erforderlich werden könne, Verkehrsbeschrän-kungen nach § 40 BImSchG vorzuschreiben. Da eine der Hauptgefah-

ren insofern Feinstpartikel aus Dieselrußmotoren seien, seien die imÖPNV eingesetzten Busse eine der Hauptzielgruppen. Verkehrsbe-schränkungen könnten verhindert werden, wenn ökologische Krite-rien bereits bei der Auftragsvergabe berücksichtigt würden.

Dipl.-Ökon. Anke Brüggemann, KfW-Bankengruppe, Frankfurta.M., stellte sodann die »KMU-freundliche Gestaltung von Um-weltfinanzierungshilfen unter Berücksichtigung des Umweltbei-hilferahmens« am Beispiel des ERP-Umwelt- und Energiesparpro-gramms der KfW dar. Das Programm werde über ein 3-Komponen-ten-Modell an den neuen Beihilferahmen angepasst. Über dieerste Komponente werden Unternehmen gefördert, die der ge-meinschaftsrechtlichen KMU-Definition unterfallen. Bemes-sungsgrundlage seien die Gesamtkosten. Im Rahmen der zweitenKomponente finde eine Förderung nach der EU-»De-Minimis«-FreistellungsVO statt. Auch hier bilden die Gesamtkosten die Be-messungsgrundlage. Der neue Gemeinschaftsrahmen werde nurauf Unternehmen angewendet, die weder die KMU- noch die »De-Minimis«-FreistellungsVO nutzen können (dritte Komponente).Über eine Checkliste werden dann die relevanten Anreizeffekteund beihilfefähigen Kosten ermittelt. Bemessungsgrundlage seiendie Investitionsmehrkosten, für deren Berechnung jede objektiveund transparente Methode zulässig sei. In den ersten fünf Jahrenaufgrund der Investition erlangte wirtschaftliche Vorteile werdenabgezogen. Seien die Investitionsmehrkosten nicht von den Ge-samtkosten trennbar, werden als Bemessungsgrundlage 25% derGesamtkosten zugrunde gelegt.

Dr. Heike Brenken, Universität Hannover und Betriebsleiterineines Bioland Hofes, berichtete über »Anwendungserfahrungenmit der Finanzierung von Umweltdienstleistungen in der Land-wirtschaft am Beispiel des Vertragsnaturschutzes«. Die Finanzie-rung der Produktion aus der 1. Säule sei starken Schwankungenunterworfen. Dies führe zu Unsicherheiten, da diese Gewinne einwesentlicher Faktor für die Finanzierung der Pflegenutzung seien.Darüber hinaus seien die Flächen, auf denen historische Heide-bauernwirtschaft betrieben wird, nicht als landwirtschaftlicheNutzflächen anerkannt. Folglich werden für diese Flächen wederFlächenprämien gezahlt, noch sei Vertragsnaturschutz möglich.Im Vertragsnaturschutz seien die Vielzahl der Angebote, dieschlechte Informationspolitik und die mangelnde Beratung pro-blematisch. Die Antragsverfahren seien aufwändig und nicht bun-deseinheitlich geregelt. Brenken beklagte die scharfen Kontroll-vorschriften. Bezüglich der die Grundlage der Prämienberech-nung bildenden Flächenvermessung herrsche erheblicheUnsicherheit. Daher seien Verwaltungsverfahren und Bemes-sungsgrundlagen zu reformieren. Langfristig sei eine Neuausrich-tung hin zu einer ergebnisorientierten Honorierung wünschens-wert. Leistungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes könntenausgeschrieben werden. Darüber hinaus könnten neue Organisati-onsformen, wie Landschaftsagenturen und -pflegevereine, ge-wählt werden. Insgesamt seien mehr Angebote und mehr Marktfür landwirtschaftliche Umweltdienstleistungen erforderlich.

MR Dr. Hanns-Christoph Eiden, Bundesministerium für Verbrau-cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Bonn, stellte die »Öko-logisierung von Agrarbeihilfen durch die Agrarreform 2003« dar.Die Reform sei zwar nicht primär auf die Ökologisierung der Beihil-fen gerichtet, führe aber zu einer stärker an Nachhaltigkeitsbelan-gen orientierten Ausrichtung. So sei das wesentliche Ziel der Ent-kopplung die WTO-Kompatibilität. Die Cross-Compliance solle diegesellschaftliche Akzeptanz hoher Prämienzahlungen steigern unddie Fachkontrollen intensivieren. Als wesentliche Reformeffekteseien eine verstärkte Verknüpfung von Fach- und EU-Finanzkon-trollen, ein besserer Vollzug des Fachrechts – und damit auch desUmweltrechts – sowie dessen Weiterentwicklung zu erwarten. Diessei bereits hinsichtlich des Bodenschutzes deutlich geworden. Al-

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lerdings sei mit der Novellierung der DüngeVO auch eine gegenläu-fige Tendenz zur Ökologisierung zu beobachten. Auch mit der Mo-dulation werde nicht primär eine Ökologisierung angestrebt. Aller-dings werden Maßnahmen der ländlichen Entwicklung künftigverstärkt die nachhaltige Landwirtschaft einbeziehen.

Dr. Oskar Böttcher, Industrieverband Agrar e.V., Frankfurt a.M.,erläuterte, dass die Entkopplung die wirkliche Revolution der Re-form sei, da der Markt die Art der Flächennutzung bestimme. Ver-stehe man den Begriff »Ökologisierung« auch als optimale Res-sourcennutzung, so sei die Reform der Ökologisierung zuträglich.Landwirte werden allerdings dazu motiviert, die bewirtschaftetenFlächen zu maximieren. Böttcher kritisierte, dass die Mitgliedstaa-ten bezüglich der EU-Grundanforderungen unterschiedlichenUmsetzungsanforderungen unterliegen, was insbesondere imTierschutzbereich starke Wettbewerbsverzerrungen in der erwei-terten EU bewirke. Die Landwirte seien durch wachsende Doku-

mentationspflichten zusätzlich belastet. Dabei agieren diese be-reits jetzt gesetzeskonform. Die Landwirtschaftsverwaltung werdekünftig nur noch kontrollieren, nicht mehr beraten. Das Vertrau-ensverhältnis zwischen Behörden und Landwirten werde emp-findlich gestört. An dem wachsenden Einfluss der Umweltschutz-verbände sei zu kritisieren, dass die Verbände nicht bedürfnis- son-dern anspruchsorientiert argumentierten. Insgesamt erwarte dieIndustrie aber keine Nachteile, da die Verkleinerung der bewirt-schafteten Flächen eine intensivere Bewirtschaftung bewirke.

Abschließend resümierte Prof. Dr. Hans-Werner Rengeling, Uni-versität Osnabrück, dass die Vorträge die Bereiche Beihilfe- undVergaberecht verknüpft und die Kollision zwischen Umwelt undWettbewerb herausgearbeitet haben.

Die Beiträge werden in einem im Carl Heymanns Verlag erschei-nenden Tagungsband veröffentlicht.

Friederike Mechel, Universität Hamburg

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B U C H R E Z E N S I O N E N

Wilfried Erbguth, Sabine SchlackeUmweltrechtBaden Baden (Nomos) 2005Michael KloepferUmweltrecht3. A. München (C.H.Beck) 2004

Auch wenn sich das Umweltrecht in seinenGrundzügen verfestigt hat,1 handelt es sichdoch unverändert um ein rechtspolitischund dogmatisch sehr dynamisches Rechts-gebiet. Neu erschienene Lehrbücher des Um-weltrechts müssen daher auf das besondereInteresse von Umweltrechtlern stoßen. Beiden hier besprochenen Werken handelt essich um zwei konzeptionell ganz unter-schiedliche Bücher, die sich ideal ergänzen:Während Kloepfer das Konzept des umfas-senden Handbuches mit einer tiefgehendenDarstellung auch in Einzelfragen fort-schreibt, ermöglichen Erbguth/Schlacke ininhaltlich wie didaktisch sehr gelungenerWeise einen systematischen Einstieg in dasUmweltrecht.

Erbguth/Schlacke geben zunächst auf130 Seiten in konzentrierter Weise einenÜberblick über das Allgemeine Umwelt-recht (Begriffe, Umweltverfassungsrecht,Instrumente, Rechtsschutz und übernatio-nales Umweltrecht). Der knapp 200 Seitenumfassende Besondere Teil enthält nebender Darstellung der klassischen Bereichedes Immissionsschutz-, Naturschutz-, Was-ser-, Abfall- und Bodenschutzrechtes auchKapitel zum Gentechnikrecht und als Be-sonderheit zum Meeresumweltrecht vonNord- und Ostsee. Dabei folgt in jedem Ka-pitel nach einem Überblick über die jewei-ligen übernationalen und nationalenRechtsgrundlagen eine Darstellung des ein-zelnen Rechtsgebietes anhand des jeweilszentralen Bundesgesetzes. Eine klare undeinfache Sprache, die dabei aber zu keinen

Verkürzungen führt, wird Studierendenund Nichtjuristen den Einstieg in das Um-weltrecht erleichtern. Wer Einzelfragenvertiefen möchte, wird für die konsequen-ten Literaturhinweise auf Großlehrbücher(z.B. Kloepfer) und natürlich auch weitereLiteratur und Rechtsprechung dankbarsein. 16 Fälle mit Lösungen veranschauli-chen die Thematik und laden Studierendezum Üben ein.

Auf einem guten Drittel der insgesamtca. 1850 Textseiten handelt Kloepfer dasAllgemeine Umweltrecht ab, wobei nebenden klassischen Bereichen des Umweltver-fassungsrechts, der Grundprinzipien, In-strumente des Umweltrechtes, des Rechts-schutzes und supranationaler Fragen wie-derum auch zwei recht ausführlicheKapitel zum Umweltprivat- und Strafrechthervorzuheben sind. Insbesondere das Ka-pitel zum Umweltprivatrecht hat geradezuden Charakter eines Lehrbuches im Lehr-buch. Sehr bedauerlich ist, dass in dieserAuflage der rechtsvergleichende Überblick,der in der zweiten Auflage schon sehr ein-geschränkt worden war, nunmehr auf ei-nen sehr kursorischen Abriss verkürzt wor-den ist. Etwas ausführlicher hätte auch dieDarstellung der Umweltverträglichkeit-sprüfung ausfallen können, der in der In-haltsübersicht nicht einmal eine eigeneÜberschrift gewidmet wurde.2 Neben denklassischen Kernbereichen des Umwelt-rechts finden sich diesmal auch eingehen-de Darstellungen des Umweltenergie- undKlimaschutzrechtes. Im Rahmen des Gen-technikrechts wird die Humangenetik be-handelt und im Zusammenhang mit demNaturschutzrecht nunmehr auch das Tier-schutzrecht. Wie bisher sind auch demAtom- und Strahlenschutzrecht sowie demGefahrstoffrecht eigene Kapitel gewidmet.

Unverändert wird der Zugriff auf Einzelfra-gen durch ein jeweils umfassendes Paragra-phen- bzw. Stichwortregister sehr erleich-tert. Kloepfers Umweltrecht konnte bisherzugleich als eine Basisbibliographie in Fra-gen des Umweltrechts benutzt werden, daden einzelnen Kapiteln ein umfassenderÜberblick über das jeweilige Schrifttumvorangestellt war. Das gilt zwar grundsätz-lich immer noch; doch wurde der Schrift-tumsüberblick deutlich gekürzt und auchwichtige Beiträge zum jeweiligen Themasind nicht selbstverständlich aufgeführt.

Das Lehrbuch zum Umweltrecht vonErbguth/Schlacke kann uneingeschränktStudierenden3 wie auch Praktikern inBehörden, Unternehmen und Verbändenoder Rechtsanwälten empfohlen werden,die sich in das Umweltrecht einarbeitenoder ihre Kenntnisse im Umweltrecht um-fassend auf den neuesten Stand bringenwollen. Kloepfers Umweltrecht behauptetseine Position als Referenzwerk ersterWahl, das zur Hand genommen wird, umin einzelnen Bereichen des Umweltrechtsein vertieftes Verständnis der jeweiligenProblemlagen zu erhalten, um schnell zuLeading-Cases vorzudringen oder um sichin einem speziellen Bereich des Umwelt-rechtes einen aktuellen Überblick zu erar-beiten. Beide Lehrbücher dürfen in keinerumweltrechtlichen Abteilung juristischerBibliotheken fehlen.

Tobias Brönneke, Hochschule Pforzheim

1 Was nicht zuletzt auf die wissenschaftlichen Ar-beiten von Michael Kloepfer zurückzuführen ist.

2 Siehe aber §5 F II 5, S. 340 – 358.3 Z.B. Jurastudenten zur Vorbereitung einer ent-

sprechenden Prüfung im Schwerpunktbereich;Studenten des Wirtschaftsrechts, der Landes-pflege usw., soweit sie umweltrechtliche Veran-staltungen belegen.

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Z E I T S C H R I F T E N S C H A U

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Die nachfolgende Übersicht erfasst die umwelt-rechtliche Aufsatzliteratur des Erscheinungszeit-raumes bis zum 15. Februar 2005. Sie schließt un-mittelbar an die Zeitschriftenschau in ZUR 3/05an. Einzelne Abweichungen sind durch die Er-scheinungsweise und Erreichbarkeit der Zeitschrif-ten bedingt. (Siehe hierzu die Liste auf der letztenSeite des Heftes)In folgenden Rubriken wurden keine Veröffentli-chungen im Berichtszeitraum nachgewiesen:Verfahrens- und Verfassungsrecht, Umweltstraf-recht, Allgemeines Umweltrecht, VerkehrsrechtGefahrstoff- und Produktrecht.

EG- und Internationales Umweltrecht

Brattig, Boris: Die Zukunft des europäischen undinternationalen Emissionshandels. ZUR Sonderheft2004, S. 412-419.

Recht der UVP

Mitschang, Stephan: Erste Erfahrungen mit derUmweltprüfung in der Flächennutzungsplanung.BauR 2005, S. 334-348.

Umweltprivatrecht

Kiethe, Kurt: Persönliche Haftung von Organenvon Kapitalgesellschaften im Umweltrecht –Außenhaftung durch öffentliches Recht. DVBl.2004, S. 1516-1525.

Immissionsschutzrecht

Burgi, Martin/Müller, Philiph: Das Emissions-handelssystem in Deutschland. ZUR Sonderheft2004, S. 419-426.

Fischer, Hartmut/Tegeder, Klaus: Geräuschkon-tigentierung als Konfliktlösung in der Bauleitpla-nung. NVwZ 2005, S. 30-36.

Kunert, Oliver: Windfarm oder Ansammlung vonEinzelanlagen? – Anmerkungen zum Windfarm-Urteil des BVerwG vom 30. Juni 2004. NordÖR2004, S. 421-425.

Lehmann, Hans-Jochen: Soziale Dämme vor Fol-gen des Klimawandels – auf Treibsand gebaut.ZRP 2005, S. 22-24.

Schmidt, Marlene: Sachmängelhaftung für Her-steller- und Händlerangaben über den Kraft-stoffverbrauch und die CO

2-Emissionen neuer

Personenkraftfahrzeuge. NJW 2005, S. 329-332.

Spiegels, Thomas: Bestimmtheitsgebot bei Im-missionsdienstbarkeit. UPR 2005, S. 61-62.

Spieth, Wolf Friedrich/Hamer, Martin: Recht-sprobleme des Treibhausgas-Emissionshandels-gesetzes. ZUR Sonderheft 2004, S. 427-434.

Atom- und Energierecht

Baur, Jürgen F.: Zur zukünftigen Rolle der Kar-tellbehörde in der Energiewirtschaft. RdE 2004,S. 277-284.

Büdenbender, Ulrich: Die Ausgestaltung des Re-gulierungskonzepts für die Elektrizitäts- und Gas-wirtschaft – Überlegungen zum gegenwärtigenStand der Diskussion über die Energierechtsre-form. RdE 2004, 284-300.

Ekardt, Felix: Förderung effizienter Energiever-wendung: Europäische und deutsche Steue-rungsinstrumente. ZUR Sonderheft 2004,S. 405-411.

Jänecke, Martin/Wiesenthal, Tobias: Eckpunkteund Entwicklungslinien einer nachhaltigen Ener-giewirtschaft. ZUR Sonderheft 2004, S. 385-391.

Neveling, Stefanie/Hilmes, Uwe: Von der Kohlezum Gas: Energierechtliche und -wirtschaftlicheRahmenbedingungen für die Stromerzeugungim Vergleich. ZUR Sonderheft 2004, S. 392-400.

Röger, Ralf: Die Regulierungsbehörde für Tele-kommunikation und Post als zukünftiger Ener-giemarktregulierer – eine regulierungsrechtlicheBestandsaufnahme. DÖV 2004, S. 1025-1035.

Vesper, Michael: Energieeffizient planen und ge-stalten. AKP 2005, S. 28-30.

Gentechnikrecht

Dolde, Tobias: Gesetz zur Neuordnung des Gen-technikrechts. ZRP 2005, S. 25-29.

Scherzberg, Arno: Risikomanagement vor derWTO – Zum jüngsten Handelsstreit zwischender Europäischen Union und den VereinigtenStaaten über den Umgang von gentechnischveränderten Organismen. ZUR 2005, S. 1-8.

Schmieder, Sandra: Die Neuregelung der Folgenvon Auskreuzungen im Gentechnikrecht. UPR2005, S. 49-55.

Abfallrecht

Beckmann, Martin/Hagmann, Joachim: Stillle-gung, Rekultivierung und Nachsorge von De-ponien – Abfallrechtliche und bodenschutz-rechtliche Anforderungen. ZUR 2005, S. 9-15.

Nicolaus, Georg: Europarechts- und gesetzes-widrige Umsetzungsdefizite der Altölverord-nung. UPR 2005, S. 55-59.

Wrede, Sabine: Kontaminierter Boden als Abfall.NuR 2005, S. 28-31.

Bodenschutz- und Altlastenrecht

Christonakis, Giorgos: Drittschutz gegen denbodenschutzrechtlichen Sanierungsvertrag. UPR2005, S. 11-15.

Leitzke, Claus/Schmitt, Thomas: Das Ende des Bun-des-Bodenschutzgesetzes? UPR 2005, S. 16-19.

Wasserrecht

Breuer, Rüdiger: Pflicht und Kür bei der Umset-zung der Wasserrahmenrichtlinie. ZfW 2005,S. 1-22.

Dirkes, Mathias: Die Abwasserkonzession. ZfW2004, S. 201-228.

Koch, Hans-Joachim/Ziehm, Cornelia: Schiffs-sicherheit und Meeresumweltschutz. ZUR 2005,S. 16-21.

Schultz, Christina/Krüger, Jan-Christopf: Was-serrechtlicher Eigentümergebrauch und Roh-stoffgewinnung. NuR 2005, S. 1-8

Thieme, Hauke: Steuerliche Gleichstellung vonWasserversorgung und Abwasserbeseitigung –Fluch oder Segen? ZfW 2005, S. 23-31.

Van Rijswick , H. F. M. W.: Consequences of theNew Groundwater Directive for Infiltration forthe Purpose of the Drinking-Water Supply. EELR2004, S. 327-334.

Naturschutz- und Landschaftspflegerecht

Brunner, Gerhard/Nezadal, Werner/Welß, Wal-ter: Die Potenzielle Natürliche Vegetation als na-turschutzorientiertes Planungsinstrument im Be-reich des Forsts. Dargelegt am Beispiel desEibacher Forsts im Nürnberger Reichswald. NuL2005, S. 49-56.

Diemer, Matthias/Billeter, Regula/Hooftman,Danny A. P./Oetiker, Karin/Lienert, Judit: Dielangfristigen Auswirkungen von Nutzungsände-rungen auf häufige Pflanzenarten montaner Kalk-flachmoore in der Schweiz. NuL 2005, S. 63-69.

Gellermann, Martin: Artenschutz auf Bahnanla-gen. DVBl. 2005, S. 73-77.

Gellermann, Martin: Herzmuschelfischerei imLichte des Art. 6 FFH-Richtlinie. Anmerkungenzum Urteil des EuGH vom 7.9. 2004, NuR 2004,788. NuR 2004, S. 769-773.

Jentzsch, Matthias/Katthöver, Theo: Zum Ma-nagement von Traubeneichen-Hainbuchenwäl-dern auf potenziellen Buchenstandorten am Bei-spiel des Naturschutzgebiets »Othaler Wald« inSachsen-Anhalt. NuL 2005, S. 8-15.

Z E I T S C H R I F T E N S C H A U

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ZUR 5/2005 | I I I

Umweltrecht 139,– €, für Nichtmitglieder 198,– €. Studenten-Abo: Für Mit-glieder des Vereins für Umweltrecht 79,– €, für Nicht-Mitglieder 120,– €. (BitteStudienbescheinigung einsenden). Alle Preise verstehen sich incl. MwSt. zzgl.Versand. Preisänderungen bleiben vorbehalten. Bezahlung bitte nach Rech-nungserhalt. Bitte teilen Sie Adressänderungen mit, da die ZUR nicht von einempostalischen Nachsendeauftrag erfaßt wird. Bankverbindung: Sparkasse Baden-Baden, Konto.-Nr. 5002266, BLZ 66250030, Postbank, Konto.-Nr. 73636-751,BLZ 66010075, Volksbank Baden-Baden, Konto.-Nr. 107806, BLZ 66290000Manuskripte: Einsendungen für den Aufsatz- und Berichtsteil werden an die Schriftleitung (Prof. Dr. Wolfgang Köck, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Permoserstr. 15, 04318 Leipzig, Tel.: 0341/235-3140, Email: [email protected]) oder an die angegebene Redaktionsadresse erbeten. Für Manuskripte, die unaufgefordert eingesandt werden, wird keine Haftung über-nommen. Die Annahme zur Veröffentlichung muß schriftlich erfolgen. Copy-right: Die ZUR und die darin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlichgeschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und Leit-sätze, soweit sie vom Einsender oder von der Redaktion erarbeitet oder redigiertworden sind. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung inelektronischen Systemen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Impressum

Schriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck (Verantwortlich im Sinne des Presserechts) cDr. Moritz Reese c Dr. Sabine Schlacke

Redaktionsadresse:Zeitschrift für Umweltrecht e.V. c Große Fischerstr. 5 c 28195 Bremen cTelefon (0421) 3354143 c (0421) 3354141 c [email protected]

Verlag:Nomos-Verlagsgesellschaft c Waldseestr. 3-5 c 76520 Baden-Baden cTelefon (07221) 2104-0 c Fax: (07221) 2104-27 c [email protected]

Anzeigenverwaltung:sales friendly c Reichsstr. 45–47 c 53125 Bonn c [email protected]

Vertrieb und Aboverwaltung: Nomos Verlagsgesellschaft Abo-Service: Tel. 07221/2104-39 Fax: 07221/2104-43. Erscheinungsweise der ZUR: 11 Ausgaben pro Jahr.

Bestellungen und Bezugspreise: Bestellungen richten Sie bitte an die Nomos-Verlagsgesellschaft. Das Abo beginnt bei Bestellung. Das Abo kann bis zum 30. September eines Jahres gekündigt werden, ansonsten verlängert es sich umein Kalenderjahr. Ein ZUR-Jahresabonnement kostet für Mitglieder des Vereins für

Z E I T S C H R I F T E N S C H A U | I M P R E S S U M

Am Freitag, den 3. Juni 2005in der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa

Hiroshimastraße 24, 10785 Berlinwww.landesvertretung.bremen.de

16.00 Uhr Begrüßung RA Joachim Garbe-Emden (VUR)Dr. Moritz Reese (ZUR)

16.15 Uhr Rechtsprobleme der Umsetzung des FFH-Rechts Prof. Dr. Rainer Wolf,Technische Universität Freiberg

Diskussion

17.00 Uhr Die Erheblichkeit von Beeinträchtigungender FFH-Gebiete RA Klaus Füßer, Leipzig

Diskussion

17.40 Uhr Rechtliche Anforderungen an denKohärenzausgleichProf. Dr.Wolfgang Köck, Umweltforschungs-zentrum Leipzig-Halle GmbH/Universität Leipzig

18.15 Uhr Abschlussdiskussion

Moderation: Dr. Sabine Schlacke, Universität Rostock

Ab 19.00 Uhr Empfang mit Imbiss

Anmeldungen bitte bis zum 20.5.2005 beim Verein für Umweltrecht e.V.Große Fischerstr. 5, 28195 BremenTel.: 0421 - 33 54 142, Fax: 0421 - 33 54 141E-Mail: [email protected]

Verein für Umweltrecht / Zeitschrift für Umweltrecht

ZUR-Fachgespräch:Natura 2000 auf gutem Wege?

– Aktuelle Probleme des FFH-Rechts –

ZURZeitschrift für Umweltrecht

Das Forum für Umwelt- und

Planungsrecht

Die Teilnahme ist kostenlos.

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IV | ZUR 5/2005

26. – 27. MAI 2005

Oslo

Conference on Ecological Risks andPrecaution in the Nordic Countries

Conference Programme:• Legal Setting: Origin, Status, Effects of the

Precautionary Principle, Prof. Nicolas deSadeleer, University of Oslo

• Scientific an Political Setting: Key Conceptsof Precaution and Risk Assessment, RiskManagement, Prof. Joel Tickner, LowellUniversity

• Philosophical Setting of the PrecautionaryPrinciple, Prof. Matthias Kaiser, Universityof Tromso

• How has the Precautionary Principle beenendorsed and implemented in the NordicCountries? A Comparative Analysis, Prof.Ellen Margrethe Basse, University of Arhus,Prof. Erki Hollo, University of Helsinki withcomments by Prof. Hans Chr. Brugge, Uni-versity of Oslo and Gabriel Michanek

• The Precautionary Principle and the Law ofthe Sea (UNCLOS, OSPAR, Baltic Sea con-vention): A Nordic Perspective, HaraldGinzky, German environmental agency

The Precautionary Principle and Fisheries: ANoric Perspective, Prof. Tore Henriksen, Uni-versity of Tromso• The Precautionary Principle and Biodiversi-

ty, Prof. Dag Hessen, Oslo University• EU Law and GMOs in the light of the Pre-

cautionary principle, Teofanis Christoforou,legal adviser at the Legal Service of the Eu-ropean Commission

• Norwegian law and GMOs in the light ofthe Precautionary Principle, Prof. Ole-Kri-stian Fauchald, University of Oslo

• The Precautionary Principle and Chemi-cals: the EU REACH Regulation, Prof. GerdWinter, University of Bremen and Prof. Ni-colas de Sadeleer, University of Oslo

• Impact of the Precautionary Principle onCivil Liability in the Nordic countries, Prof.Marie-Louise Larson, Stockholm University

• The reluctance of the US authorities to en-dorse the Precautionary Principle or HowRA and CBA undermine PP, Prof. NicholasAshford, Massachusetts Institute of Tech-nology

Contacts: Prof. Dr. Nicolas de Sadeleer, EUMarie Curie Chair holder, Department ofPublic and International Law, University ofOslo, P.O.box 6706 St. Olavpl., O130 Oslo,Norway, Tel.: 00-47-22859487, Fax: 00-47-22859420, e-mail: [email protected],Internet: www.jus.uio.no/ior/ansatte/sade-leer.html.

30. MAI 2005

Duisburg

Umsetzung der Nachweisverordnung

Dokumentations- und Nachweispflichten fürAbfallerzeuger, -transporteure und -entsorger

Erzeuger, Transporteure und Entsorger vonAbfällen müssen die ordnungsgemäße Ent-sorgung gegenüber den Abfallbehörden do-kumentieren und nachweisen. Entsorgungs-nachweise und Begleit- undÜbernahmescheine sind auszufüllen undein Nachweisbuch ist zu führen. Die ent-sprechenden Vorschriften findet man imKreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz undin der dazugehörigen Nachweisverordnung.Insgesamt sind eine große Zahl von zumTeil komplizierten Regelungen zu beachten. Themen u.a.:• Klassifizierung der Abfälle• Der Entsorgungsnachweis: Formulare –

Beantragung – Verfahrensablauf• Nachweis über die durchgeführte Entsor-

gung der AbfälleTeilnahmegebühr: 395,– €, ermäßigt 355,– €Kursnummer: K036D505FAnmeldung: Bildungszentrum für die Ent-sorgungs- und Wasserwirtschaft GmbH,Dr.-Detlev-Karsten-Rohwedder-Str. 70,47228 Duisburg

3. JUNI 2005

Berlin

ZUR-Fachgespräch: Natura 2000 auf gutemWege? – Aktuelle Probleme des FFH-Rechts

Themen:• Rechtsprobleme der Umsetzung des

FFH-Rechts, Prof. Dr. Rainer Wolf, TU Freiberg

• Die Erheblichkeit von Beeinträchtigun-gen der FFH-Gebiete, RA Klaus Füßer,Leipzig

• Rechtliche Anforderungen an denKohärenzausgleich, Prof. Dr. WolfgangKöck, UFZ/Uni Leipzig

Die Teilnahme ist kostenlos.Anmeldung: Verein für Umweltrecht e.V.,Große Fischerstr. 5, 28195 Bremen, Tel.:0421/33 54 143, e-mail: [email protected].

6. JUNI 2005

Duisburg

Die Kalkulation kommunalerAbfallgebührenVerursachergerechte Gebührenerhebung imBlickwinkel der aktuellen Rechtsprechung

Themen u.a.:-Kommunalabgabenrechtliche Grundsätze

der Gebührenkalkulation- Die Gebührenkalkulation als Kostenrech-

nung- Begriff der betriebsbedingten Kosten- Abrechnung von Fremdleistungen Dritter- Aktuelle Rechtsprechung zur Bemessung

von Abfallgebühren mit Anreizen zurAbfallvermeidung und -verwertung

- Die Rechtsprechung zur Querfinanzie-rung von Abfallentsorgungsteilleistun-gen und zum Gebührenabschlag für Ei-genkompostierer

- Die Erhebung kommunaler Abfallge-bühren unter Berücksichtigung der Ge-werbeabfall-Verordnung

Teilnahmegebühr: 295,– €Kursnummer: K013D506FAnmeldung: Bildungszentrum für die Ent-sorgungs- und Wasserwirtschaft GmbH,Dr.-Detlev-Karsten-Rohwedder-Str. 70,47228 Duisburg.

T E R M I N E

T E R M I N E

Page 63: Herausgeber Aus dem Inhalt - Zeitschrift für Umweltrecht …...bestehende Vertragswerk zuletzt in der Fassung, die es durch den Vertrag über den Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten,

Die Textausgabe enthält die wichtigsten Rechtsvor-schriften zum Umweltrecht, wie • Umweltverträglich-keitsprüfungsG • EG-UmweltauditVO („EMAS II“) • UmweltauditG • EMAS-PrivilegierungsVO • Umwelt-informationsG • BundesnaturschutzG • TierschutzG • Bundes-BodenschutzG • Bundes-Bodenschutz- undAltlastenVO • WasserhaushaltsG • AbwasserabgabenG• Kreislaufwirtschafts- und AbfallG • AltfahrzeugVO • VerpackungsVO • AltölVO • BioabfallVO • Bundes-ImmissionsschutzG • GenehmigungsverfahrensVO •StörfallVO • AbfallverbrennungsVO (Neufassung) • Großfeuerungs- und GasturbinenanlagenVO(neu) • ElektrosmogVO • LösemittelVO • Geräte- undMaschinenlärmschutzVO • Ozon- und Emissions-höchstmengenVO (neu) • Treibhausgasemissions-Handelsgesetz (neu) • Zuteilungsgesetz 2007(neu) • ZuteilungsVO (neu) • AtomG • StromsteuerG• Erneuerbare-EnergienG (neu) • Kraft-Wärme-KopplungsG • ChemikalienG • ChemikalienverbotsVO • GefahrstoffVO • PflanzenschutzG • GentechnikG • UmwelthaftungsG • Umweltstraftrecht.

Die Einführung stellt Grundlagen und Grundsätze des Umweltrechts leicht verständlich dar. Der hand-liche Band hilft allen, die beruflich oder privat mitumweltrechtlichen Fragen zu tun haben.

Textausgabe mit ausführlichemSachverzeichnis und einerEinführung von Prof. Dr. Peter-Christoph Storm16., neu bearbeitete Auflage. 2004Stand: 1. September 2004XXX, 1115 Seiten. Kartoniert e 13,50(dtv-Band 5533)

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Das neue ElektrogesetzZiele und Leitlinien c Zustän-digkeiten und Verfahren cVerpflichtete c FinanzierungHerausgegeben Prof. Dr. Dr.h.c. Martin Bullinger, Univer-sität Freiburg und MinR a.D.RA Hans-Jochen Lückefett2005, 144 S., brosch., 34,– €,ISBN 3-8329-1115-4

Mit dem Gesetz zur Entsorgung von Elektro(nik)-Altge-räten setzt die Bundesregierung zwei EU-Richtlinien,diejenige über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE)und diejenige zur Verwendung bestimmter Stoffe(RoHS), in deutsches Recht um. Die Pflicht zur Registrie-rung ist bereits in Kraft getreten.Das Werk gibt genaue Hinweise für die Praxis, wie dieBetroffenen mit dem neuen Gesetz umgehen müssen.Insbesondere werden behandelt:c Die Regelungen für die durch das neue Gesetz Ver-

pflichteten (Hersteller, Vertreiber, Besitzer, öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, privatwirtschaftlicheEntsorgungsbetriebe)

c Die Stellung der Kontrolleure im System (das Umwelt-bundesamt, die Gemeinsame Stelle und das be-liehene Register der Wirtschaft ) sowie

c Fragen der Finanzierung für Hersteller und öffent-lich-rechtliche Entsorgungsträger

Herausgeber – Professor Dr. Dr. h.c. Martin Bullinger undRechtsanwalt Hans-Jochen Lückefett, Ministerialrat a.D.,Tübingen – wie Autoren – Ministerialdirigent ReinhardSchmalz, Niedersächsisches Umweltministerium, Han-nover; Rechtsanwalt Dr. Jörg Karenfort, LL.M, Berlin; Dr.Mario Tobias, Bereichsleiter Bundesverband Informa-tionswirtschaft, Telekommunikation und Neue Mediene.V., Berlin – stehen für die Praxisorientierung des Werks.

Das neueElektrogesetz

Bullinger | Lückefett (Hrsg.)

NomosPraxis

■ Ziele und Leitlinien■ Zuständigkeiten und Verfahren■ Verpflichtete ■ Finanzierung

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Mit dem Gesetz zur Entsorgung von Elektro(nik)-Altgeräten setzt dieBundesregierung zwei EU-Richtlinien, diejenige über Elektro- undElektronik-Altgeräte (WEEE) und diejenige zur Verwendung be-stimmter Stoffe (RoHS), in deutsches Recht um. Die Hersteller elektri-scher und elektronischer Produkte werden verpflichtet, ihre Altgerätegetrennt von anderem Abfall zurückzunehmen und zu entsorgen. DiePflicht zur Registrierung tritt bereits ab dem 01.05.2005 in Kraft.

Unmittelbar nach In-Kraft-Treten der Normen liegt mit dem neuenHandkommentar zum Elektrogesetz eine präzise Kommentierungder Regelungen vor. Dies ist umso notwendiger, als das Gesetz eineschwer zu handhabende Vermischung zwischen privater und öffent-lich-rechtlicher Aufgabenerfüllung vorsieht, auf die die gängigenInterpretationsmuster nur schwer passen.

Schon jetzt treten zahlreiche juristische Streitfragen auf. Diese be-treffen:

– den Kreis der Verpflichteten (Hersteller, Vertreiber, Besitzer bzw.private- oder öffentlich-rechtliche Entsorgungsbetriebe bzw.-träger)

– das Kontrollsystem (Gemeinsame Stelle, Umweltbundesamt) oder

– die Finanzierung

Herausgeber – Professor Dr. Dr. h.c. Martin Bullinger und Prof. Dr.Michael Fehling – wie Autoren – Rechtsanwalt Dr. Jörg Karenfort;Hans-Jochen Lückefett, Ministerialrat a.D., Tübingen; Ministerialdiri-gent Reinhard Schmalz, Niedersächsisches Umweltministerium,Hannover – stehen für die Praxisorientierung des Werks.

Nomos

ElektrogesetzHandkommentar

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Bullinger undProf. Dr. Michael Fehling

2005, ca. 300 S., brosch., 69,– €,ISBN 3-8329-1116-2

Erscheint Juni 2005

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