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ZUR Zeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt und Recht Aufsätze Ökologische Steuern in der Europäischen Gemeinschaft Bela Jansen Ökologische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und EG-Beihilferecht Wolfram Cremer Umsetzung der Richtlinie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt Iwan Chotjewitz Die Gentechnik und die Koexistenzfrage: Zivilrechtliche Haftungsregelungen Lorenz Stökl Rechtsprechung BVerwG Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG BVerwG Konzentrationszonen für Windkraftanlagen BVerwG Ausweisung von Natura-2000-Gebieten/fachplanerische Alternativenprüfung BVerwG Enteignung zum Bau einer internationalen Rohölleitung BGH Zur Haftung des Inhabers einer wassergefährdenden Anlage bei Missbrauch der Anlage OVG Münster Zur Abfalleigenschaft gebrauchter und aufgetrennter Bahnschwellen VGH Kassel Planerische Abwägung bei der Festlegung von Flugverfahren Gesetzgebung Neueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht Josef Falke Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht Malte Kohls / Moritz Reese / Peter Schütte Rechtsprechung in Leitsätzen, Tagungsbericht, Buchneuerscheinungen, Zeitschriftenschau, Termine NOMOS Verlagsgesellschaft Baden-Baden Immissionsschutz Gewässerschutz Kreislaufwirtschaft Naturschutz Bodenschutz Energiewirtschaft Gentechnik Chemikaliensicherheit Klimaschutz 4/ 2003 Jahrgang 14 · Seiten 257– 320 · E 10882

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ZURZeitschrift für Umweltrecht

Das Forum für Umwelt und Recht

AufsätzeÖkologische Steuern in der Europäischen GemeinschaftBela Jansen

Ökologische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträgeund EG-BeihilferechtWolfram Cremer

Umsetzung der Richtlinie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die UmweltIwan Chotjewitz

Die Gentechnik und die Koexistenzfrage: Zivilrechtliche HaftungsregelungenLorenz Stökl

RechtsprechungBVerwGKonzentrationswirkung des § 13 BImSchG

BVerwGKonzentrationszonen für Windkraftanlagen

BVerwGAusweisung von Natura-2000-Gebieten/fachplanerische Alternativenprüfung

BVerwGEnteignung zum Bau einer internationalen Rohölleitung

BGHZur Haftung des Inhabers einer wassergefährdenden Anlage bei Missbrauch der Anlage

OVG MünsterZur Abfalleigenschaft gebrauchter und aufgetrennter Bahnschwellen

VGH KasselPlanerische Abwägung bei der Festlegung von Flugverfahren

GesetzgebungNeueste Entwicklungen im Europäischen UmweltrechtJosef Falke

Neueste Entwicklungen im BundesumweltrechtMalte Kohls / Moritz Reese / Peter Schütte

Rechtsprechung in Leitsätzen, Tagungsbericht,Buchneuerscheinungen, Zeitschriftenschau, Termine

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Immissionsschutz

Gewässerschutz

Kreislaufwirtschaft

Naturschutz

Bodenschutz

Energiewirtschaft

Gentechnik

Chemikaliensicherheit

Klimaschutz

4/2003Jahrgang 14 · Seiten 257– 320 · E 10882

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ZUR 4/2003 I

SchriftleitungRA Dr. Harald GinzkyRA Dr. Niels GriemProf. Dr. Hans-Joachim Koch

Redaktion:Dr. Katja BöttgerProf. Dr. Christian CalliessPriv. Doz. Dr. Andreas FisahnCarola GlinskiDr. Ekkehard HofmannJan KarstensProf. Dr. Wolfgang KöckDr. Malte KohlsDr. Silke R. LaskowskiChristian MaaßDr. Moritz ReeseDr. Sabine SchlackeRA Dr. Peter SchütteProf. Dr. Bernhard Wegener

RedaktionsbeiratRA Dr. Martin Beckmann, MünsterProf. Dr. Monika Böhm, Phillipps-Universität-MarburgProf. Dr. Michael Bothe, Johann Wolfgang Goethe Universität,Frankfurt am MainProf. Dr. Martin Führ, Fachhochschule DarmstadtRA Dr. Reiner Geulen, BerlinDr. Werner Görtz, Umweltamt DüsseldorfProf. Dr. Günter Heine, Universität BernDr. Günther-Michael Knopp,Bayer. Staatsministerium, MünchenDr. Ludwig Krämer, Europäische KommissionDr. Hans-Heinrich Lindemann,UmweltbundesamtProf. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Universität BielefeldDr. Stefan Paetow, Bundesverwaltungsgericht, BerlinRA Ursula Philipp-Gerlach, Frankfurt am MainHelmut Röscheisen, Deutscher-Naturschutz-Ring, BonnProf. Dr. Alexander Roßnagel, Universität-Gesamthochschule KasselDr. Karsten Sach, Bundesumweltministerium Dr. Alexander Schink, Landkreistag NRW, DüsseldorfPeter Vonnahme,Bayer. VGH, MünchenBeate Weber, Oberbürgermeisterin von Heidelberg

Inhal t

Zeitschrift fürUmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

14. Jahrgang, S. 257 -320

ZUR 4/2003

AUFSÄTZEÖkologische Steuern in der Europäischen GemeinschaftBela Jansen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .257

Ökologische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und EG-Beihilferecht – Materiellrechtliche und verfahrenrechtliche AspekteWolfram Cremer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .265

Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Richtlinie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die UmweltIwan Chotjewitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270

Die Gentechnik und die Koexistenzfrage: Zivilrechtliche HaftungsregelungenLorenz Stökl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .274

RECHTSPRECHUNG

� BVerwGKonzentrationswirkung des § 13 BImSchGBeschluss vom 17. Dezember 2002 – 7 B 119.02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .280

� BVerwGKonzentrationszonen für WindkraftanlagenUrteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .280

� BVerwGAusweisung von Natura-2000-Gebieten/fachplanerische AlternativenprüfungUrteil vom 14. November 2002 – 4 A 15.02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .287

� BVerwGEnteignung zum Bau einer internationalen RohölleitungUrteil vom 24. Oktober 2002 – 4 C 7.01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .292

� BGHZur Haftung des Inhabers einer wassergefährdenden Anlage bei Missbrauch der AnlageUrteil vom 12. September 2002 – III ZR 214/01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .295

� OVG MünsterZur Abfalleigenschaft gebrauchter und aufgetrennter BahnschwellenBeschluss vom 14. Februar 2003 – 7 ME 64/02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .297

� VGH KasselPlanerische Abwägung bei der Festlegung von FlugverfahrenUrteil vom 11. Februar 2003 – 2 A 1569/01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .298

Rechtsprechung in Leitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .304

RUBRIKENBuchneuerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315Zeitschriftenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .318Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI

GESETZGEBUNGNeueste Entwicklungen im Europäischen UmweltrechtJosef Falke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .305

Neueste Entwicklungen im BundesumweltrechtMalte Kohls/Moritz Reese/Peter Schütte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .307

TAGUNGSBERICHT

Neunte Osnabrücker Gespräche zum deutschen und europäischen Umweltrecht am 27. und 28. Februar 2003Friederike Mechel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .308

»Neue Entwicklungen im Umwelt- und Verbraucherrecht – Information, Beteiligung, Rechtsschutz«Verena Brand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .314

Beilagehinweis: Dieser Ausgabe liegt je ein Prospekt der Carl Heymanns Verlag KG und der Nomos Verlagsgesellschaft mbH bei. Wir bitten freundlichst um Beachtung.

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Umweltprüfung für Pläne und Programme

Antje NäckelUmweltprüfung für Pläne undProgrammeDie Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Ratesüber die Prüfung der Umweltauswirkungenbestimmter Pläne und Programme und ihreUmsetzung in das deutsche Recht2003, 378 S., brosch., 58,– €, ISBN 3-7890-8350-X(Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht,Bd. 20)

Umweltprüfungfür Pläne und Programme

Antje Näckel

Die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und desRates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmterPläne und Programme und ihre Umsetzung in das deutsche Recht

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Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht 20Anlässlich der Verabschiedung der Richtlinie2001/42/EG des Europäischen Parlamentesund des Rates über die Prüfung der Umweltaus-wirkungen bestimmter Pläne und Programme hates sich das vorliegende Werk zum Ziel gesetzt,erste Vorschläge für deren Umsetzung in das deut-sche Umwelt- und Planungsrecht zu unterbreiten.

Die Arbeit leistet in diesem Zusammenhang drei-erlei: Zunächst beschreibt sie die gemeinschafts-rechtlichen Grundlagen jener Richtlinie. Sodannstellt sie die im Bereich der Projekt-UVP und derUmweltprüfung für Pläne und Programme im deut-schen wie im europäischen Recht vorhandene Re-gelungssituation dar und geht auf die praktischenErfahrungen mit letzterem Instrument ein. Schließ-lich zeigt sie die verschiedenen Möglichkeiten derImplementierung der Richtlinie 2001/42/EG aufund bewertet diese.

Diesbezüglich präferiert das Werk eine norma-tive Umsetzung der Richtlinie zusammen mit denRegelungen über die Projekt-UVP und damit ein-hergehend die Neustrukturierung des UVP-Ge-setzes und die Änderung der richtlinienbetroffe-nen Fachgesetze.

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Umweltprobleme des Luftverkehrs

Hans-Joachim Koch (Hrsg.)Umweltprobleme des Luftverkehrs2003, 308 S., brosch., 50,– €, ISBN 3-8329-0058-6(Forum Umweltrecht, Bd. 45)

Umweltprobleme desLuftverkehrs

Hans-Joachim Koch (Hrsg.)

Nomos VerlagsgesellschaftBaden-Baden

45Der Flugverkehr hat im vergangenen Jahrzehntein rasantes Wachstum erfahren, das mit erheb-lichen Auswirkungen für die Umwelt einhergeht. Das vorliegende Buch widmet sich um-fassend den technischen und rechtlichen Mög-lichkeiten einer umweltgerechten Gestaltungdes Luftverkehrsaufkommens. Nach einer Ana-lyse der tatsächlichen Entwicklungen und Aus-wirkungen des Luftverkehrs werden die euro-päischen und nationalen Luftverkehrskonzeptevorgestellt. Neben einer umweltschonendenFlughafenplanung, die den Schutz von Naturund Landschaft ausreichend berücksichtigt, wer-den die internationalen, europäischen und na-tionalen Instrumentarien zur Verminderung derLärm- und Luftemissionen untersucht. Im Bereichder Lärmemissionen werden die Minderungs-potenziale an der Quelle, in der Planfeststel-lung und durch Verkehrsregulierung aufgezeigt.Das Regelungsregime und der Novellierungs-bedarf des Fluglärmgesetzes ergänzen dieseAusführungen. Der Band schließt mit einem Bei-trag über die Rechtsschutzmöglichkeiten derKommunen, Verbände und Lärmbetroffenen ab.

Die Beiträge beruhen auf Vorträgen, die im Rah-men eines gemeinsamen Symposiums der For-schungsstelle Umweltrecht der Universität Ham-burg und des Umweltbundesamtes am 10./11.Juni 2002 gehalten wurden.

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Die Erfassung von Umweltstraftaten mitAuslandsbezug durch das deutsche Umweltstrafrecht gemäß §§ 324 ff. StGB

Elke Günther-NicolayDie Erfassung von Umweltstraf-taten mit Auslandsbezug durchdas deutsche Umweltstrafrechtgemäß §§ 324 ff. StGB2003, 456 S., brosch., 78,– €, ISBN 3-8329-0062-4(Saarbrücker Studien zum Internationalen Recht, Bd. 22)

Die Erfassung von Umweltstraftaten mitAuslandsbezug durch das deutscheUmweltstrafrecht gemäß §§ 324 ff. StGB

Elke Günther-Nicolay

Nomos VerlagsgesellschaftBaden-Baden

Saarbrücker Studien zum Internationalen Recht 22Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit derFrage, ob und inwieweit die §§ 324 ff. StGB desdeutschen Umweltstrafrechts solche Straftaten zuerfassen vermögen, die einen Auslandsbezugaufweisen. Entscheidend ist dafür, ob neben deut-schen auch ausländische Rechtsgüter geschütztwerden. Zur Beantwortung der Fragestellung wer-den einschlägige völkerrechtliche Bestimmungenebenso herangezogen wie rechtsstaatlicheGrundlagen. In diesem Lichte werden die Straftat-bestände des Umweltstrafrechts auf eine Gel-tungsbereichsausdehnung in das Ausland ausge-legt. Maßgeblich ist dafür der Begriff desRechtsguts. Die ermittelten Ergebnisse werden fürunmittelbar grenzüberschreitende Straftaten mit-tels des sog. Ubiquitätsprinzips überprüft.

Die Arbeit richtet sich an alle, die sich mit Fragender Geltungsbereichsausdehnung des Strafrechtsin das Ausland beschäftigen.

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Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V.in Kooperation mit:Forschungsstelle Umweltrecht, Universität Hamburg (Geschäftsführung Prof. Dr. Hans-Joachim Koch)Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht, Universität Bremen (Prof. Dr. Gerd Winter)Institut für Umweltrecht, Fakultät Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld (Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff)Institut für Umweltrecht GbR, Bremen (Dr. Hubertus Baumeister und Dr. Niels Griem)

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Der Beitrag gibt über den Status Quo der »ökologischen Steuern« in der eu-ropäischen Gemeinschaft eine Übersicht. Zunächst wird der Begriff der Öko-steuer erläutert und ein Überblick über die »Ökosteuern« in der Bundesrepublikund den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gegeben. Danachwerden die Anforderungen in der Bundesrepublik sowie die den nationalen Öko-steuern durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen aufgezeigt. Mit einerBeleuchtung der Möglichkeiten und Chancen einer gemeinschaftsweiten Steuerauch unter Berücksichtigung der Vorschläge der Kommission und einem Vor-stoß einiger Mitgliedstaaten schließt der Beitrag ab.

A. Einleitung

Die Umweltabgabenidee ist nicht neu1. Sowohl auf der Ebene derMitgliedstaaten als auch auf der Ebene der Gemeinschaft ist die Öko-logisierung des Steuer- und Abgabenrechts entdeckt worden. Der na-hezu grenzenlose Einfallsreichtum ökologisch motivierter Steuernwird durch eine Vielzahl unterschiedlicher nationaler Steuern deut-lich2. Auch die Gemeinschaft hat versucht, gemeinschaftsweite öko-logisch motivierte Steuern einzuführen, ist bisher jedoch am Wider-stand einzelner Mitgliedstaaten gescheitert.

Den unterschiedlichen Ansätzen ist gemein, dass das klassischeOrdnungsrecht durch das Abgaben- und Steuerrecht als Instrumentzum Schutz der Umwelt ergänzt werden soll. Mit Hilfe der steuerli-chen Belastung umweltstörenden Verhaltens sollen Anreize gesetztund Lenkungseffekte erzielt werden.3

B. Begriff der Ökosteuer und Überblick über die sog. ökologischenSteuern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft

I. Begriff der »Ökosteuer«

Weder in den Mitgliedstaaten noch im Gemeinschaftsrecht findetsich eine genaue Definition einer ökologisch motivierten (Öko-) Steu-er.4 Die steuerlichen Vorschriften (Art. 90 ff. EG) belassen den Mit-gliedstaaten im Steuerrecht einen erheblichen Gestaltungsspielraum,ihre steuerliche Souveränität wird grundsätzlich nicht berührt.5 Auchdas Umweltrecht des EG-Vertrags (Art. 174 ff. EG) gibt keine eindeu-tige Auskunft über eine ökologisch motivierte Steuer.

Die im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichneten »Ökosteuern«werden zumeist mit einer ökologischen Zwecksetzung verbunden. Un-ter Berücksichtigung der umweltrechtlichen Bestimmungen des EG-

ZUR 4/2003

Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V.in Kooperation mit:Forschungsstelle Umweltrecht, Universität Hamburg (Geschäftsführung Prof. Dr. Hans-Joachim Koch)Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht, Universität Bremen (Prof. Dr. Gerd Winter)Institut für Umweltrecht, Fakultät Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld (Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff)Institut für Umweltrecht GbR, Bremen (Dr. Hubertus Baumeister und Dr. Niels Griem)

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Bela Jansen

Ökologische Steuern in der Europäischen Gemeinschaft**

** Johannes Blankenheim, Benedikt Raming und Thorsten Klinkner danke ich für diefreundliche Unterstützung.

1 Dazu auch Breuer, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben imeuropäischen Binnenmarkt, in: DVBl. 1992, S. 485 ff.

2 Jatzke, Umweltbezogene Abgaben in der Europäischen Union und die Kommis-sionsvorschläge zur Besteuerung von Energieerzeugnissen, in: IStR 1999, 137 ff.

3 Spengel/Wünsche, in: Hohmeyer (Hrsg.), Ökologische Steuerreform, ZEW Wirt-schaftsanalysen Bd. 1, Baden-Baden 1995, S. 71, 72.

4 Jatzke, IStR 1999, 137 f.5 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, Schriften zum Wirt-

schaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 3, Frankfurt 1972, S. 370. Vgl. dazu auch die Zielvorgaben der Kommission in ihrer Mitteilung überSteuerpolitik in der Europäischen Union – Prioritäten für die nächsten Jahre,BR-Drs. Nr. 449/01 vom 15.6.2001, S. 7 f.

6 Auf die umweltrechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrags weist auch die Kom-mission in ihrer Mitteilung über Umweltsteuern und Gebühren im Binnen-markt, 97/C 224/04, ABl.EG 1997, Nr. C 224, S. 6, 8, bei der Charakterisierungvon Umweltabgaben hin.

7 Martinez, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform (s. Fn. 3), S. 39, 40, dazu auchBreuer, DVBl. 1992 (s. Fn. 1), S. 485, 487. Daneben kann selbstverständlich auchnoch das erzielte Mittelaufkommen für umweltfreundliche Zwecke oder zumAusgleich von Umweltschäden eingesetzt werden und damit eine ökologischeAusrichtung haben. Insofern kann die »Ökosteuer« in der Bundesrepublik, de-ren Mittel dazu verwendet werden, die Rentenversicherungsbeiträge um 0,8%zu senken (Rabe, Öko-Steuern aus der Sicht der Europäischen Gemeinschaft, in:Oldiges (Hrsg.) Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung im Umweltrecht, Lei-pziger Umweltrechtliche Dokumentationen Bd. 7, Leipzig 2000, S. 189, 190),nicht als »unökologische« Steuer bezeichnet werden. In diesem Sinne aberArndt, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung, S. 17. Dazu auch Dickert-mann, Erscheinungsformen und Wirkungen von Umweltabgaben auch ausökonomischer Sicht, in: Kirchhof (Hrsg.), Umweltschutz im Abgaben- undSteuerrecht, DStJG 15 (1992), Köln 1993, S. 33, 44 f.

8 Spengel/Wünsche, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform (s. Fn. 3), S. 71, 72.Dazu auch Beschorner/Konrad, Von Umweltabgaben über Ökosteuern zur öko-logischen Steuerreform, in: SteuerStud 1998, 439, 442.

9 Giesberts, Die CO2 -/Energiesteuer der EG, in: RIW 1995, 847. Insofern wird demim Umweltrecht verankerten Vorsorgeprinzip Rechnung getragen. DazuBalmes, Verfassungsmäßigkeit und rechtliche Systematisierung von Umwelt-steuern, Lohmar, Köln 1997, S. 18 f.

Vertrags (Art. 174 ff. EG) kann unter einer ökologischen Steuer jedeSteuer (Abgabe) verstanden werden, die zur Erhaltung und zum Schutzder Umwelt sowie zur Verbesserung ihrer Qualität dient oder beiträgtbzw. an den sonstigen in Art. 174 ff. EG formulierten Zielen orientiertist6 und fiskalische Instrumente zur Erreichung dieser Ziele einsetzt.

Ökosteuern in diesem Sinne haben daher zum einen die klassischeAufgabe zu erfüllen, über die Erzielung von Einnahmen den allge-meinen Finanzbedarf zu decken. Zum anderen sollen Lenkungseffek-te erzielt werden.7 Anders als das klassische Ordnungsrecht, das einedirekte Verhaltenslenkung mit Hilfe von Ver- und Geboten vor-nimmt, versucht das »Ökosteuerrecht« in Form von Anreizen finan-zieller Art umweltfreundliches Verhalten zu bewirken.8 Dem Markt-teilnehmer bleibt die Wahl, entweder die erhöhten Kosten in Kauf zunehmen oder sich unter Vermeidung der Kostenpflicht zu verhalten.9

4200313. Jahrgang • Seiten 257 - 320

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ZUR 4/2003258

Voraussetzung einer ökologisch motivierten Steuer ist allerdings,dass das besteuerte Gut in irgendeiner Form austauschbar ist. Ist dasbesteuerte Gut weder substituierbar noch verzichtbar, wird die ange-strebte Lenkungswirkung auch nicht durch eine Verteuerung des Gut-es erreicht. Die Steuer erzielt dann allein einen hohen Einnahmeef-fekt, nicht aber den gewünschten Lenkungserfolg. Dies bedeutetjedoch auch, dass, je wirkungsvoller die ökologischen Lenkungsan-reize, desto geringer die Einnahmen durch die erhobene Steuer sind.

Mit der Berücksichtigung ökologischer Aspekte im Steuerrechtwird gleichzeitig versucht, die Kosten der Umweltnutzung den je-weiligen Produkten zuzurechnen.10 Die Kosten der Umweltnut-zung, die zur Zeit der Allgemeinheit bzw. späteren Generationenin Form von verschmutzter Luft, Wasser, Treibhauseffekten etc.zur Last fallen, sollen sich zum Teil in den jeweiligen Produktenwiderspiegeln.11 Das soll sich in einer Verteuerung der Produkteausdrücken, die unter einer erhöhten Verwendung natürlicherRessourcen hergestellt werden.12

Im Wesentlichen können die unterschiedlichen ökologisch mo-tivierten Steuern (Abgaben) hinsichtlich ihrer Bemessungsgrund-lage in zwei Gruppen unterteilt werden. Zum einen sind dies diesog. Produkt-, zum anderen die sog. Emissionsabgaben.13 Die Pro-duktabgaben verteuern entweder die für die Herstellung von End-produkten notwendigen Rohstoffe (Input-Abgaben) oder die ferti-gen Produkte selbst (Output-Abgaben). Die Input-Abgaben zielendamit in erster Linie auf Anpassungsmaßnahmen der Unterneh-men, die Output-Abgaben auf Anpassungsmaßnahmen der Ver-braucher ab.14 Die Verbindung mit der Umweltbelastung wird alsonur mittelbar anhand des eingesetzten Rohstoffs hergestellt.15 ImGegensatz dazu knüpfen die Emissionsabgaben an die jeweiligeMenge der Schadstoffemissionen an und stellen einen unmittel-baren Bezug zu dem tatsächlich gemessenen Schadstoffaufkom-men und damit der Umweltbelastung her.16

II. Überblick

Die unterschiedlichen Abgabensysteme der Mitgliedstaaten weisenbereits jetzt eine Fülle verschiedener Steuern auf, denen eine mehroder weniger intensive umweltpolitische Zwecksetzung zugrundeliegt. Deutlich wird dabei ein starkes Nord-Süd-Gefälle – Anhängereines Einsatzes ökologisch motivierter Steuern sind insbesondere dienordeuropäischen Staaten.

1. Mineralölsteuern

Eine ökologisch motivierte Gemeinschaftssteuer gibt es nicht – ein-zig und allein die Mineralölsteuer kann als (teil-) harmonisierte Öko-steuer verstanden werden.17 Die Mineralölsteuer wird zwar nicht inerster Linie mit dem Begriff »Ökosteuer« in Verbindung gebracht, ihrkann allerdings eine gewisse umweltnützliche Funktion nicht abge-sprochen werden.18 Auch die mehrfachen Erhöhungen der Mine-ralölsteuer in den 80er Jahren und die Anhebung im Rahmen derökologischen Steuerreform im Jahr 199919 wurden unter anderemmit ökologischen Effekten begründet.20 Denn durch die damit ver-bundene Erhöhung der Benzinpreise wird eine Verringerung desAusstoßes schädlicher Emissionen durch das kostenbewusstere Ver-halten der Menschen erwartet.

Gleichwohl die Mineralölsteuer zumindest zum Teil durch mehre-re Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft21 harmonisiert wurde,stehen den Mitgliedstaaten noch erhebliche Spielräume in der Aus-gestaltung zu.22 Grundsätzlich erheben alle Mitgliedstaaten eineSteuer auf Mineralöle, die als Kraft- oder Heizstoffe verwendet wer-den, sowie auf Erdgas, das als Kraftstoff verwendet wird.23 Sie könnenaber, abgesehen von einer Mindestgrenze, den Steuersatz frei be-stimmen.24 Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten die Möglich-

keit, eine geringere Besteuerung für ausgewählte Gruppen zu erhe-ben. So sieht z.B. das Mineralölsteuerrecht der Bundesrepublik fürdas produzierende Gewerbe sowie Land- und Forstwirtschaft Ver-günstigungen vor,25 in denen jedoch anders als in der Befreiung vonKraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung und der Teilbefreiung desöffentlichen Nahverkehrs26 die ökologische Zielsetzung nicht zumAusdruck kommt.

2. Stromsteuern

Stromsteuern erfreuen sich in den letzten Jahren großer Beliebt-heit. Bereits zehn Staaten, darunter auch Deutschland, erheben Steu-ern auf Strom. Die Strombesteuerung soll dazu führen, den Ver-brauch von natürlichen Ressourcen zur Herstellung des Stroms zuverringern.27 Ein einheitliches Bild lässt sich allerdings nicht erken-nen. So werden die Stromsteuern teils als wertabhängige, teils alsmengenabhängige Steuern erhoben.28 Auch die Steuersätze variierenstark.29 In zahlreichen Mitgliedstaaten werden Befreiungen zugelas-sen. So wird in fast allen Mitgliedstaaten die gewerbliche Nutzungvon Strom (z.B. der Bahn-, Schiff- und Flugverkehr in Dänemark)30

Aufsatz

10 Hey, Rechtliche Zulässigkeit von Umweltabgaben unter dem Vorbehalt ihrerökologischen und ökonomischen Wirksamkeit, in: StuW 1998, 32, 34.

11 Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847. Vgl. zu den beiden grundlegenden Ansätzender Umweltabgaben die sog. Pigou-Steuer und den sog. Standard-Preis-Ansatz,bei Dickertmann, in: DStJG 15 (1993) (s. Fn 7), S. 33, 36 ff.

12 Breuer, DVBl. 1992 (s. Fn. 1), S. 485. Dies entspricht damit auch dem im Um-weltrecht bekannten Verursacherprinzip. Vgl. dazu auch Balmes, Umweltsteu-ern (s. Fn. 9), S. 19 f. Vgl. zu den Grundlagen der Umweltabgabenidee auch Hey,Rechtliche Zulässigkeit von Umweltabgaben unter dem Vorbehalt ihrer ökolo-gischen und ökonomischen Wirksamkeit, in: StuW 1998, 32, 34.

13 Hey, StuW 1998 (s. Fn. 10), 32, 33 f.; Börner, Umweltabgaben und Finanzver-fassung – Schwerpunkt Steuern, in: Jakob/Zugmaier (Hrsg.), Rechtliche Probe-me von Umweltabgaben, Augsburg 1996, S. 107, 120 f.; Dickertmann, in: DStJG15 (1993) (s. Fn. 7), S. 33, 42 f. Vgl. dazu auch die Mitteilung der KommissionUmweltsteuern und –gebühren im Binnenmarkt, 97/C 224/04, ABl.EG 1997 Nr.C 224, S. 6, 7 f.

14 Daneben gibt es noch die sog. Verfahrensabgaben, die bestimmte Produkti-onsverfahren steuerlich belasten. Dazu auch Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847,848; Hey, StuW 1998 (s. Fn. 10), 32, 34.

15 Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847, 848; Hey, StuW 1998 (s. Fn. 10), 32, 34.16 Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847, 848; Hey, StuW 1998 (s. Fn. 10), 32, 34.17 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 138.18 Jatzke, Gemeinschaftsrechtliche Restriktionen bei der Erhebung von nichthar-

monisierten Umweltsteuern, in: EWS 2000, 491, 492.19 Vgl. dazu Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung (s. Fn. 7), S. 189, 190;

Bongartz/Schröer-Schallenberg, Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschafts-recht und nationales Verfassungsrecht?, in: DStR 1999, 962. Vgl. »Gesetz zumEinstieg in die ökologische Steuerreform« vom 24.3.1999, BGBl. I 1999, S. 378.

20 Balmes, Umweltsteuern (s. Fn. 9), S. 234; vgl. dazu auch den »Entwurf eines Ge-setzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform« der Fraktionen der SPDund Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 14/40, S. 1 ff.

21 Richtlinie 92/12/EWG vom 25.2.1992 (System-Richtlinie), ABl.EG 1992 Nr. L76, S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/74/EG vom 22.12.1994, ABl.EG1994 Nr. L 365, S. 46; Richtlinie 92/81/EWG vom 19.10.1992 (Mineralölsteuer-Strukturrichtlinie), ABl.EG 1992 Nr. L 316, S. 12 ff., zuletzt geändert durch dieRichtlinie 94/74/EG vom 22.12.1994, ABl.EG 1994 Nr. L 365 vom 31.12.1994,S. 46; Richtlinie 92/82/EWG vom 31.10.1992 (Steuersatz-Richtlinie), ABl.EG1992 Nr. L 316, S. 12 ff., zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/74/EG vom22.12.1994, ABl.EG 1994 Nr. L 365 vom 31.12.1994, S. 46.

22 Stobbe, Die Harmonisierung der besonderen Verbrauchsteuern in der EuropäischenGemeinschaft (Teil I), in: ZfZ 1993, 170, 171 f. Auch andere Steuern, die ebenfallszu einer Belastung von Mineralöl führen, sind möglich, Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchersteuerrecht, München 2000, S. 19, Anm. B 12.

23 Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 492.24 Stobbe, ZfZ 1993 (s. Fn. 22), 170, 171 f.25 Vgl. § 25 Abs. 1 Nr. 5 MinöStG; Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteue-

rung (s. Fn. 7), S. 189 f. Nach dem Koalitionsvertrag vom 16.10.2002 sollen die-se Vergünstigungen allerdings verringert werden. Vgl. dazu die »Erläuterungenzu den steuerlichen Maßnahmen« vom Bundesfinanzministerium, S. 11,Koalitionsvertrag, S. 17.

26 Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung (s. Fn. 7), S. 189, 190.27 Vgl. dazu auch »Der deutschen Ökosteuer soll eine EU-Energiesteuer folgen«,

FAZ vom 25.9.2001, S. 19.28 Die Festsetzung erfolgt dabei in Frankreich und Italien auf kommunaler Ebene.

Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 493.29 Den höchsten Steuersatz erhebt Dänemark mit einem Preis von über 80,– EURO

je MWh, den geringsten Belgien mit unter 2,– EURO je MWh. Deutschland be-wegt sich mit einem Preis von EURO 13,– je MWh im unteren Mittelfeld. Vgl.dazu Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung (s. Fn. 7), S. 189, 191.

30 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 140.

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begünstigt. In der Bundesrepublik profitieren z.B. das produzieren-de Gewerbe, die Land- und Forstwirtschaft, aber auch der Schienen-bahnverkehr von ermäßigten Steuersätzen.31 Der Strom aus erneuer-baren Energien32 unterliegt nicht der Stromsteuer.33

3. Steuern auf Kohle, Schwefel und Kohlendioxid

Auf die Verringerung von umweltschädlichen Emissionen zielt auchdie Besteuerung von Kohle bzw. CO2-Emissionen ab.

In einigen Mitgliedstaaten wird eine (Input-) Abgabe auf Kohle er-hoben, die sich nach dem Gewicht richtet. Dabei bestehen jedocherhebliche Unterschiede. Schweden besteuert darüber hinaus denSchwefelgehalt der Brennstoffe mit einer (Input-) Abgabe.34

Demgegenüber handelt es sich bei den CO2-Steuern um Emissi-onssteuern, die sich in Dänemark, Schweden, Finnland und Italienanhand des jeweiligen CO

2-Ausstoßes bemessen. Die Steuersätze va-

riieren erheblich. Für eine Tonne CO2 müssen zwischen EURO 4,-und 17,- gezahlt werden. Von den CO2-Steuern in unterschiedlicherForm und Intensität ist in allen Mitgliedstaaten der Ausstoß vonCO2-Emmissionen bei regenerativen Energien und, entgegen dem ei-gentlichen ökologischen Ziel der Steuern, der Ausstoß energieinten-siver Unternehmen von der Besteuerung befreit.35

4. Steuerliche Belastung von Kraftfahrzeugen

Auch die unterschiedlichen kraftfahrzeugbezogenen Steuern kannman als Ökosteuern bezeichnen. Im Wesentlichen lassen sich diekraftfahrbezogenen Steuern in zwei Gruppen einteilen: Zum einenwerden Kraftfahrzeugsteuern, zum anderen Zulassungssteuern er-hoben.

Kraftfahrzeugsteuern stellen auf das Halten eines Kraftfahrzeugs abund werden wiederkehrend erhoben, wobei die Bemessungsgrund-lage in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlicher nichtsein könnte.36 Unterschiede ergeben sich auch in der Höhe des Steu-ersatzes. Anders als z.B. in dem »Niedrigsteuerland« Deutschland be-trägt die Steuer in Großbritannien einheitlich 227,- EURO und kannim »Kfz-Hochsteuerland« Irland bis zu 1080,- EURO betragen.37

Neben diesen Kraftfahrzeugsteuern wird in fast allen Mitgliedstaa-ten eine sog. Zulassungssteuer erhoben, die in der Regel nur einmalbei der Erstzulassung erhoben wird.38 Auch bei den Zulassungssteuernist die Bemessungsgrundlage nicht einheitlich. Vielfach richtet sichdie Steuer nach dem Kaufpreis des Fahrzeuges. Andere Mitgliedstaa-ten stellen auf die Motorleistung, den Hubraum, den Schadstoffaus-stoß oder eine Kombination daraus als Bemessungsgrundlage ab. Un-terschiede werden darüber hinaus auch bei der Höhe der Steuersichtbar und können sogar den Wert des Fahrzeugs selbst übersteigen.In den Niederlanden z.B. beträgt bei Gesamtzulassungskosten (Kauf-preis, MWSt und Zulassungssteuer) von rund 27.000,- EURO alleindie Zulassungssteuer mehr als 7.000,– EURO. Ein Hochsteuerlandstellt aber auch hier wiederum Dänemark dar. Hier kann die Steuer so-gar annähernd das Doppelte des Kaufpreises betragen.39

5. Sonstige »Ökosteuern«

Der Variantenreichtum der Mitgliedstaaten scheint schier unbe-grenzt. So wird in Belgien, Italien und Dänemark eine Steuer auf Ein-wegverpackungen erhoben, in Schweden werden Altbatterien mit ei-ner Abgabe belegt, und die Niederlande, Schweden und Finnlanderheben eine Abgabe auf Düngemittel bzw. auf Pestizide bei deren Er-werb. Die Niederlande, Frankreich und Portugal unterwerfen dievom Flugverkehr ausgehenden Lärmemissionen einer Steuer, Frank-reich erhebt eine Sondersteuer auf die Rodung von Waldflächen unddie Niederlande wiederum auf die Einleitung von Schadstoffen inOberflächengewässer oder Kläranlagen.40

6. Einzelne Regelungen mit einer ökologischen Zielsetzung

Ökologisch motivierte Regelungen finden sich aber auch in Steuern,die allein fiskalisch motiviert sind. Insbesondere mit Hilfe von Steue-rerleichterungen, die sich durch die Verlagerung der Steuerschuld inspätere Veranlagungszeiträume wie ein zinsloser Kredit auswirken,sollen die Steuerpflichtigen dazu bewegt werden, umweltfreundlichzu handeln.

a.) Erhöhte Abschreibung nach § 7d EStGEines der wohl geläufigsten Beispiele ist § 7 d EStG, der eine erhöhteAbschreibung bei Gütern vorsah, die dem Umweltschutz dienten.41

So konnten die Anschaffungs- und Herstellungskosten von Anla-gegütern, entgegen den sonstigen Vorschriften, mit 60 v.H im erstenJahr und in den weiteren vier Jahren mit jeweils 10 v.H. abgeschrie-ben werden. Der dadurch erzielte Zinsvorteil bzw. die Liquiditätsver-besserung führte dazu, dass Umweltschutzinvestitionen in zuneh-mendem Maße getätigt wurden.42

b.) Erhöhte Abschreibung nach § 82a EStPVIn gleicher Weise lässt auch § 82 a EStDV eine ökologische Motivati-on erkennen. So sind z.B. bei Heizungsanlagen, die mit Kraft-Wärme-Kopplung, Solaranlagen oder Windkraftanlagen verbunden sind,ebenfalls erhöhte Abschreibungen möglich.43

c.) Spendenabzug nach § 106 EStGAuch § 10 b EStG, der einen Abzug von Spenden an gemeinnützigeOrganisationen und damit auch an Organisationen, die den Um-weltschutz als Aufgabe haben, zulässt, kann als ökologisch moti-vierte Vorschrift verstanden werden.44

C. Ökologische Steuern im Lichte des nationalen (deutschen)Rechts

Ökosteuern, die sich nicht nur politischen Widerständen ausgesetztsehen, müssen auch rechtlichen Anforderungen und Bedingungenstandhalten. Eine erste Hürde für die Erhebung von Ökosteuern unddamit die Ergänzung des fiskalisch motivierten Steuerrechts durchökologische Motive stellt das nationale (Verfassungs-) Recht dar.

Jansen, Ökologische Steuern in der Europäischen Gemeinschaft

31 Vgl. dazu § 9 Abs. 2 und 3 StrStG. Auch hier sieht der Koalitionsvertrag eine Re-duzierung der Vergünstigungen vor; vgl. Koalitionsvertrag, S. 17, Erläuterungenzu den steuerlichen Maßnahmen, BMF, S. 11

32 Unter erneuerbaren Energien sind Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erd-wärme, Deponiegas, Klärgas und Biomasse zu verstehen vgl. § 2 Nr. 7 StromStG.

33 Vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG; dazu Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltens-steuerung (s. Fn. 7), S. 189, 190 ff.

34 Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 493.35 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 140.36 So stellen manche auf das Gewicht des Fahrzeuges ab, andere knüpfen an die

Motorleistung an oder kombinieren die Bemessungsgrundlage aus Motor-leistung, Alter und dem verwendeten Kraftstoff. Weitere Mitgliedstaaten wie-derum (z.B. auch die Bundesrepublik Deutschland) stellen auf den Hubraum ab.

37 Jatzke, Die Erhebung von Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern in der Eu-ropäischen Union unter Berücksichtigung den neuen Komissionsvorschlageszur Ersetzung der Richtlinien 83/182/EWG und 83/183/EWG, UVR 1998 351,353; ders., EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 494.

38 Jatzke, UVR 1998 (s. Fn. 37), 351, 352.39 Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 494.40 Dazu auch Giesberts, RIW (s. Fn. 9) 1995, 847, 848 f.; Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2),

137, 149 f.; ders., EWS 2000 (s. Fn. 18), S. 491, 494.41 Dazu auch Hansjürgens, Umweltabgaben im Steuersystem, Schriften zur öffent-

lichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft Bd. 140, Baden-Baden 1992, S.95. Die Vorschrift ist allerdings nur auf Veranlagungszeiträume bis 1991 an-wendbar.

42 Dazu Dickertmann, Maßnahmen für den Umweltschutz im Rahmen des beste-henden Steuersystems, in: Schmitz (Hrsg.), Öffentliche Finanzen und Umwelt-politik Band I, Schriften des Vereins für Socialpolitik Band 176/I, Berlin 1988,S. 91, 148 f.

43 Vgl. ausführlich dazu Dickertmann, in: Öffentliche Finanzen (s. Fn. 42), S. 91,150 ff.

44 Dabei ist allerdings zuzugestehen, dass die Bezeichnung als ökologisch moti-vierte Regelung eher fernliegend ist.

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ZUR 4/2003260

I. Der Steuerbegriff

1. Die Einnahmenerzielung

Eine ökologisch motivierte Steuer muss, um als Steuer im Sinne desVerfassungsrechts zu gelten, der Erzielung von Einnahmen zurDeckung der allgemeinen Staatsausgaben dienen. Dies bedeutet, dasseine Steuer begriffsnotwendig einen Finanzierungszweck voraus-setzt.45 Umweltabgaben zielen jedoch meist nicht in erster Linie aufdie Erzielung von Einnahmen, sondern insbesondere auf die Errei-chung eines umweltpolitischen Verhaltens ab. Die Erzielung vonEinnahmen wird zwar durchaus erwünscht, kann aber deutlich inden Hintergrund treten.46

Dass der Finanzierungszweck einer Ökosteuer zweitrangig seinkann, ist aus verfassungsrechtlichter Sicht unbedenklich. Der verfas-sungsrechtliche Begriff der Steuer gestattet die Verbindung eines Len-kungszweckes mit dem Einnahmenzweck dahingehend, dass letzte-rer nur noch Nebenzweck ist.47 Eine ökologische Zielsetzung schließtdeshalb die Qualifikation als Steuer nicht aus.48 Dies gilt allerdingsdann nicht mehr, wenn die Steuer allein auf die ökologische Len-kungswirkung ausgerichtet ist und nicht mehr auch auf eine Ein-nahmenerzielung abzielt.49

Bei der Ausgestaltung einer Ökosteuer ist deshalb ein Ausgleichzwischen den erwünschten Lenkungszwecken und der finanziellenDauerergiebigkeit zu finden. Ziel einer Ökosteuer muss immer sein,ein ökologisch nicht gewünschtes Verhalten zu reduzieren, sie darfdabei aber nicht auf einen Nullverbrauch oder eine Nullreduktiondes Besteuerungsobjektes gerichtet sein.50 Ein solcher Ausgleich zwi-schen ökologischen Lenkungseffekten und der Einnahmeerzielungwurde z.B. bei der von der Bundesrepublik neu eingeführten Strom-steuer angestrebt. Zwar zielt die Steuer darauf ab, eine Reduktion desStromverbrauches zu erreichen51 bzw. vermehrt Strom aus erneuer-baren Energieträgern zu verwenden, gleichwohl ist ein Nullauf-kommen aus der Steuer in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Dievollständige Deckung des Strombedarfes mittels Stroms aus erneuer-baren Energieträgern ist aus technischer Sicht in näherer Zukunftnicht zu leisten. Die Stromsteuer dient deshalb auch der Einnah-menerzielung. Gleiches gilt für die mit der Einführung der Strom-steuer erhöhte Mineralölsteuer. Auch hier zielt die Steuer zwar aufeine Reduktion des Mineralölverbrauchs ab, jedoch wird die Steuerauch in Zukunft eine verlässliche Einnahmequelle sein.

2. Keine Erdrosselungssteuer

Im engen Zusammenhang mit der Frage der Einnahmeerzielungsteht auch das verfassungsrechtliche Verbot der Erdrosselungs-steuer. Eine Steuer darf nicht darauf ausgerichtet sein, ein Verhal-ten völlig zu unterbinden. Obwohl bisher keiner Steuer eine sol-che Wirkung zugesprochen wurde und die Frage somit reinwissenschaftlicher Natur ist, kann die Abgrenzung zwischen einernoch drosselnden und einer erdrosselnden Steuer mit Schwierig-keiten behaftet sein. Von einer erdrosselnden Wirkung ist aberdann auszugehen, wenn die Lenkung nach Gewicht und Auswir-kung einer verbindlichen Verhaltensregelung und damit einemVerbot52 nahe kommt.

II. Das Steuerfindungsrecht

Eine weitere Voraussetzung einer ökologisch motivierten Steuer ist,dass sie den Anforderungen der Art. 105 ff. GG standhalten kann.Fügt sich eine ökologisch motivierte Steuer in die Auflistung desArt. 106 GG und damit in die bestehenden Steuerarten (Verbrauchs-und Aufwandssteuern, Verkehrssteuern etc.) ein, so bestehen keineBesonderheiten. Etwas anderes könnte aber dann gelten, wenn die

ökologisch motivierte Steuer sich nicht in der Aufzählung desArt. 106 GG wiederfindet, der Gesetzgeber sich also ein Steuerfin-dungsrecht hinsichtlich einer dem Grundgesetz bisher nicht be-kannten Steuer zubilligt. Als Beispiel dafür können die zahlreichenin den anderen Mitgliedstaaten erhobenen CO2-Steuern herangezo-gen werden, die die Höhe der zu leistenden Steuer am jeweiligenEmissionsausstoß bemessen. Diese lassen sich regelmäßig unter kei-ne der in Art. 106 GG aufgelisteten Steuerarten subsumieren.53 Die h.M. geht davon aus, dass dem einfachen Gesetzgeber kein Steuerfin-dungsrecht ohne Verfassungsänderung zusteht, da der verfassungs-gebende Gesetzgeber mit den in Art. 106 GG aufgelisteten Steuerneine abschließende Aufzählung geschaffen habe und damit die Ein-führung einer Steuer zwingend mit einer Verfassungsänderung zuverbinden sei.54 Auch wenn sich aus der in Art. 106 GG enthaltenenVerteilungsklausel keine unmittelbare Aussage über ein Steuerfin-dungsrecht des einfachen Gesetzgebers ableiten lässt und deshalbdem Ansatz der h.M. entgegenzutreten ist, ist ihr insofern zuzustim-men, dass bei der Einführung einer nicht in Art. 106 GG genanntenSteuer eine Verfassungsänderung zwingend erforderlich ist.55 DieseNotwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass auch über die Ver-teilung des Aufkommens einer nicht in Art. 106 GG genannten Steu-er zwischen Bund und Ländern eine Regelung getroffen werdenmuss. Nur so kann die sorgsam austarierte Verteilung der vorhande-nen Mittel gewährleistet und eine Aushebelung dieser Balance durcheine freie Steuerfindung des Bundes oder der Länder verhindert wer-den.56 Die Einführung etwa einer CO2-Steuer wäre deshalb unwei-gerlich mit einer Verfassungsänderung verbunden.57

Aufsatz

45 Beschorner/Konrad, SteuerStud 1998 (s. Fn. 8), 439, 443 f., Balmes, Umweltsteu-ern (s. Fn. 12), S. 112 ff.; Hey, StuW 1998 (s. Fn. 10), 32, 38.

46 Börner, in: Jakob/Zugmaier, Umweltabgaben (s. Fn. 13) , S. 106, 113.47 Rusch, Ökosteuern, in: ZRP 1999, 180; Balmes, Umweltsteuern (s. Fn. 9), S. 112

ff.; Beschorner/Konrad, SteuerStud 1998 (s. Fn. 8), 439, 443 f.48 Beschorner/Konrad, SteuerStud 1998 (s. Fn. 8), 439, 443 f.; Fischer, Einige An-

merkungen zu Klimaschutzabgaben, insbesondere zum Energie-(CO2)-Steuer-vorschlag der Europäischen Gemeinschaft, IStR 1993, 201, 202.

49 Bongartz/Schröer-Schallenberg, DStR 1999 (s. Fn. 19), 962, 966; Kirchhof, Verfas-sungsrechtliche Grenzen von Umweltabgaben, in: Kirchhof (Hrsg.), Umwelt-recht im Abgaben- und Steuerrecht, DStJG 15 (1992), Köln 1993, S. 3, 22 .

50 Börner, in: Jakob/Zugmaier, Umweltabgaben (s. Fn. 13), S. 106, 113.51 Rabe, Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung (s. Fn. 7), S. 189, 190.52 In diesem Sinne Rusch, ZRP 1999 (s. Fn 47), 180, dazu auch Börner, in: Jakob/Zug-

maier, Umweltabgaben (s. Fn. 13), S. 107, 115.53 Zwar kommt sowohl eine Qualifikation als Verkehrs- oder auch als Verbrauch-

steuer in Betracht, jedoch kann eine Emissionssteuer keiner der beiden Steuernzugeordnet werden. Eine Verkehrssteuer scheidet aus, da diese voraussetzt, dassdie Steuer an einen Vorgang der Rechtsverkehrsarten, eine Emissionssteuer aberan einen Realakt, den Ausstoß von Emissionen, anknüpft (vgl. dazu auch Bör-ner, in: Jakob/Zugmaier, Umweltabgaben (s. Fn. 13), S. 107, 121 f.; Spengel/Wün-sche, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform (s. Fn. 3), S. 71, 77 m.w.N.). Aucheine Verbrauchsteuer liegt nicht vor, da allein der Ausstoß von Emissionen nichtgleichzeitig auch einen Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehroder kurzfristigen Verbauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs beinhaltet.So auch Börner, in: Jakob/Zugmaier, Umweltabgaben (s. Fn. 13), S. 107, 122;Spengel/Wünsche, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform (s. Fn. 3), S. 71, 77.Vgl. zum Begriff der Verbrauchsteuer auch Jachmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 3, Art. 79 – 156, 4. völlig neubearbeitete Auflage, München 2001, Art. 105, Rn. 48.

54 Siekmann, in: Sachs (Hrsg)., Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage, München1996, Art. 105, Rn. 44 f.; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG (s. Fn. 53),Art. 106, Rn. 17 m.w.N.. A.A. aber z.B. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Band 3, Art. 83 – 146, Tübingen 2000, Art. 105, Rn. 33; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar Band 3,Art. 70 bis Art. 146 und Gesamtregister, 3. neubearbeitete Auflage, München1996, Art. 105, Rn. 16, Art. 106, Rn. 14a m.w.N.

55 Siekmann, in: Sachs, GG (s. Fn. 54), Art. 105, Rn. 45, spricht in diesem Zusam-menhang auch davon, dass es keine »freischwebenden« Steuererträge gebendarf. In diesem Sinne auch Balmes, Umweltsteuern (s. Fn. 9), S. 140 ff.

56 Breuer, DVBl. 1992 (s. Fn. 1), S. 485, 490.57 Jatzke, Die Stromsteuer – eine Anomalie im bundesgesetzlich geregelten Ver-

brauchssteuerrecht, in: DStZ 1999, S. 520, 523; Bongartz/Schröer-Schallenberg,DStR 1999 (s. Fn. 19), 962, 967 f.. Kritisch Arndt, FinanzverfassungsrechtlicheProbleme der Öko-Steuern, in: Oldiges (Hrsg.) Abgabenrechtliche Verhaltens-steuerung im Umweltrecht, Leipziger Umweltrechtliche DokumentationenBd. 7, Leipzig 2000, S. 17, 22 f. Anders verhält es sich allerdings mit der vomGesetzgeber neu eingeführten Stromsteuer, die sich als Verbrauchsteuer in dieAufzählung des Art. 106 GG einfügt.

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261ZUR 4/2003

III. Das Leistungsfähigkeitsprinzip

Eine weitere den Ökosteuern gesetzte Hürde ergibt sich aus dem Lei-stungsfähigkeitsprinzip. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gilt alsGrundlage einer jeden gerechten Steuerordnung und ist deshalbauch in allen »modernen« Steuersystemen als Maßstab anerkannt.58

In der Bundesrepublik findet das Prinzip seine Grundlage insbeson-dere in Art. 3 GG.59 Das Leistungsfähigkeitsprinzip besagt, dass jederSteuerpflichtige entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungs-fähigkeit zu besteuern ist. Die Leistungsfähigkeit wird anhand vonunterschiedlichen Faktoren, insbesondere aber nach dem Einkom-men, dem Verbrauch bzw. dem Vermögen bestimmt.60 Keine Kolli-sion gibt es deshalb im Hinblick auf die ökologischen Steuern, de-ren Bemessungsgrundlagen sich z.B. nach dem Verbrauch richtenund damit an einem anerkannten Faktor der Leistungsfähigkeit zurBesteuerung des umweltschädlichen Verhaltens anknüpfen. Diesgilt auch für die unterschiedlichen Kfz-Steuern.61

Schwierigkeiten treten aber dann auf, wenn der Anknüpfungs-punkt der Steuer nicht bzw. nicht eindeutig auch Ausdruck der Lei-stungsfähigkeit ist. Beispielhaft werden sog. Lärmemissions- oder son-stige Emissionsabgaben genannt.62 Dabei wird richtigerweise daraufhingewiesen, dass die Verursachung von Lärm im Grunde nicht alsAusdruck einer gesteigerten Leistungsfähigkeit verstanden werdenkann. Dennoch ist zu beachten, dass bestimmte Lärmemissionensehr wohl Ausdruck einer erhöhten Leistungsfähigkeit sein könnenund deshalb per se ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzipbei Lärmabgaben nicht anzunehmen ist. Eine Lärmabgabe, die alsAusdruck einer gesteigerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ange-sehen werden kann, ist z. B. die von den Niederlanden, Portugal undFrankreich erhobene Abgabe auf Fluglärm.63 Ebenso muss auch dieBesteuerung von sonstigen Emissionen (z.B. CO

2) nicht unweigerlich

eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips bedeuten. Auchdie Besteuerung von CO

2-Emissionen kann in Form von Warenpro-

duktionen oder Dienstleistungen Ausdruck erhöhter Leistungs-fähigkeit sein.64

Aber selbst wenn eine Besteuerung unter Durchbrechung des Prin-zips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit er-folgt, folgt daraus noch nicht, dass eine Besteuerung entgegen diesemPrinzip nicht möglich ist. Die Berücksichtigung von ökologischen Ge-sichtspunkten bei der Besteuerung ist auch entgegen dem Leistungs-fähigkeitsprinzip unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit möglich.65

Ein anschauliches Beispiel dafür bildet § 7 d EStG, der unter positiverDurchbrechung der im EStG festgelegten Grundsätze als Ausdruck derLeistungsfähigkeit eine günstige Abschreibung für umweltfreundlicheGüter zuließ. Die Berücksichtigung ökologischer Aspekte (Umwelt-schutz) wurde in diesem Fall als Rechtfertigungsgrund zur Durchbre-chung des Leistungsfähigkeitsprinzips herangezogen.66

D. Ökologische Steuern im Lichte des Gemeinschaftsrechts

Die Ökologisierung des Steuerrechts durch nationale »ökologischeSteuern« findet eine weitere Grenze in den Vorschriften des Ge-meinschaftsrechts. Gleichzeitig bietet das Gemeinschaftsrecht aberauch die Möglichkeit, mit seinen Instrumenten eine gemeinschafts-weite Ökosteuer zu initiieren.

I. Gemeinschaftsrechtliche Grenzen nationaler Ökosteuern

Kompetenzrechtlich bestehen gegen nationale »Alleingänge« keineBedenken. Die gemeinschaftsrechtlichen Steuerregelungen sowie dieumweltrechtlichen Vorschriften berühren die steuerlichen Gesetzge-bungskompetenzen der Mitgliedstaaten nicht.67 Beschränkungenund Grenzen können der inhaltlichen Ausgestaltung aber durch die

Schutzmechanismen des Gemeinsamen Marktes, insbesonderedurch das Wettbewerbsrecht, gesetzt sein.68

1. Schranken des primären Gemeinschaftsrechts

a. Das Verbot von Zöllen oder gleichartigen Abgaben, Art. 23 – 25 EGRelevant ist zunächst das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein-und Ausfuhrzölle bzw. zollgleiche Abgaben zu erheben. Verbotensind danach alle Abgaben, die eine Belastung vorsehen, weil WarenGrenzen innerhalb des Binnenmarktes überqueren.69 Erscheint aufden ersten Blick die Relevanz dieses Verbotes für Ökosteuern geringzu sein, so ist zu bedenken, dass die Umweltschutz- und Produkti-onsstandards in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten erheblichvoneinander abweichen. Die Einführung von herkunftsbezogenenAbgaben, die sich nach den unterschiedlichen Umweltstandards desjeweiligen Herkunftslandes richten, liegt daher aus ökologischerSicht nahe, ist allerdings durch das Verbot des Art. 25 EG untersagt.70

Ebenso sind von dem Verbot des Art. 25 EG auch solche Steuernerfasst, die eine vollständige Rückvergütung nur hinsichtlich der Wa-ren vorsehen, die aus dem Inland herrühren, denn auch dann un-terliegen nur die Waren aus den anderen Mitgliedstaaten einer »zoll-gleichen« Abgabe.71

b. Das Diskriminierungsverbot, Art. 90 EGIn ähnlicher Form wie Art. 25 EG unterbindet auch das Diskriminie-rungsverbot des Art. 90 EG eine Benachteiligung von Waren aus an-deren Mitgliedstaaten gegenüber inländischen Waren.72 Eine Verlet-zung liegt dann vor, wenn Waren aus anderen Mitgliedstaatenstärker belastet werden als inländische Waren. In Abgrenzung zuArt. 90 EG findet Art. 25 EG Anwendung, wenn die Belastung durchein Abgabensystem eines Mitgliedstaates anhand von objektiven Kri-terien erfolgt und gleichzeitig die inländischen Waren von der Ab-gabe durch eine Rückvergütung vollständig befreit werden.

Umweltabgaben dürfen daher nicht nur nicht zollgleich sein undan dem Merkmal der Überquerung der Grenzen anknüpfen, sondernauch nicht im Rahmen eines Belastungssystems eines Mitgliedstaa-tes ausländische Waren indirekt schlechter stellen.73 Aus diesem

Jansen, Ökologische Steuern in der Europäischen Gemeinschaft

58 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, Köln 1998, § 4, Rn. 81 ff. m.w.N.59 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, Köln 1983,

S. 161 ff.; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steu-errecht, in: Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, Festschrift für Klaus Tip-ke, Köln 1995 , S. 125 ff. Vgl. dazu aber auch die Beschlüsse des BVerfG vom26.1.1994, BStBl. II 1994, S. 307, 309 f., vom 25.9.1992, BStBl. II 1993, S. 413,418, und vom 10.11.1998, BStBl. II 1999, S. 174, 179 ff.

60 Dazu auch Lang, in: Tipke/Lang (s. Fn. 58), § 4, Rn. 95 ff.61 Dazu auch Breuer, DVBl. 1992 (s. Fn. 1), S. 485, 489. Auch Börner, in: Jakob/Zug-

maier, Umweltabgaben (s. Fn. 13), S. 107, 116, weist im Hinblick auf die Aus-gestaltung einer Ökosteuer als Verbrauchsteuer daraufhin, dass Ökosteuern kei-neswegs grundsätzlich unvereinbar mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip seien.

62 Beschorner/Konrad, SteuerStud 1998 (s. Fn. 8), 439, 444.63 Dazu auch Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847, 848 f.; Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2),

137, 149 f.; ders., EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 494.64 Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch die Inanspruchnahme von Allgemein-

gütern, wie der Luft oder des Wassers unter Berücksichtigung der dadurch für spä-tere Generationen entstehenden Gemeinkosten, sehr wohl ebenfalls Ausdruckeiner sich »angeeigneten« Leistungsfähigkeit ist. A. A. jedoch Beschorner/Konrad,SteuerStud 1998 (s. Fn. 8), 439, 444; Breuer, DVBl. 1992 (s. Fn. 1), S. 485, 490.

65 In diesem Sinne auch Spengel/Wünsche, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerre-form (s. Fn. 3), S. 71, 81.

66 Ausführlich zu § 7 d EStG auch Dickertmann, in: Öffentliche Finanzen (s. Fn.42), S. 91, 141 ff.

67 Rusch, ZRP 1999 (s. Fn. 47), 180, 181; Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltens-steuerung (s. Fn. 7), S. 189, 192.

68 Bongartz/Schröer-Schallenberg, DStR 1999 (s. Fn. 19), 962, 963.69 Bongartz/Schröer-Schallenberg, IStR 1999 (s. Fn. 19), 962, 963; Rusch, ZRP 1999

(s. Fn. 47), 180, 181.70 Rusch, ZRP 1999 (s. Fn. 47), 180, 181.71 Waldhoff, in; Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, Neu-

wied, Kriftel 1999, Art. 25, Rn. 11. Vgl. dazu auch unter bb. Dazu auch Spengel/Wünsche, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform (s. Fn. 3), S. 71, 87 f.

72 Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung (s. Fn. 7), S. 189, 190.73 Seeger, Umweltabgaben im nationalen Alleingang – EU-rechtliche Grenzen und

Spielräume für nationale Umweltabgaben, in: Jakob/Zugmaier (Hrsg.), Rechtli-che Probleme von Umweltabgaben, Augsburg 1996, S. 165, 174.

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Grund erklärte der EuGH Pauschalbesteuerungen von gebrauchtenKfz in Dänemark und Portugal für unzulässig, da im Gegensatz zuden inländischen Fahrzeugen der Wertverzehr auf maximal 10%(Portugal) begrenzt war, bzw. der Steuerwert nie unter 90% (Däne-mark) bei der Kfz-Steuer sank.74

Eine Pauschalbesteuerung ist selbst dann unzulässig bzw. mussden geringsten inländischen Steuersatz vorsehen, wenn die Besteue-rung in anderer Form nicht möglich ist und erhebungstechnischeGründe dies verlangen.75 Mit diesem Hinweis erklärte der EuGH dieStrombesteuerung in Finnland für unvereinbar mit Art. 90 EG.76

c. Das Beihilfeverbot, Art. 87 ff. EGBei der Gestaltung ökologischer Steuern sind auch die Vorgaben desBeihilferechtes, Art. 87 ff. EG, zu beachten.77 Die beihilferechtlichenVorschriften untersagen in Art. 87 Abs. 1 EG die Begünstigung vonbestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen durch staatli-che Mittel. Die Abs. 2 und 3 des Art. 87 EG sehen allerdings obliga-torische bzw. fakultative Ausnahmen von diesem Verbot – auch zu-gunsten des Umweltschutzes – vor. In Bezug auf umweltrechtlichrelevante Beihilfen aller Art (direkte oder indirekte) wurde die An-wendung des der Kommission nach Abs. 3 zustehenden Ermessensin einem sog. Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfenkonkretisiert und Grundsätze festgelegt.78

Bei der Gestaltung von Ökosteuern geraten insbesondere Befrei-ungstatbestände in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ein Beispieldafür bildet die der Kommission von der Bundesrepublik zur Geneh-migung vorgelegte sog. Ökosteuer.79 In Anwendung der Art. 87 ff. EGkam die Kommission deshalb auch zu dem Schluss, dass es sich z.B.bei den Ausnahmen für das produzierende Gewerbe, die Land- undForstwirtschaft80 oder bei den Sonderregelungen für die sog. KWK-An-lagen81 um Beihilfen handelt, da nur diese Produktionszweige eineBegünstigung erhalten. Gleichwohl genehmigte sie diese mit demHinweis auf den Umweltrahmen und dass sie aus Gründen des Wett-bewerbs notwendig bzw. genehmigungsfähig seien.82

2. Schranken des sekundären Gemeinschaftsrechts

Neben den Schranken des primären Gemeinschaftsrechts könnenim Einzelfall auch Vorgaben des sekundären Gemeinschaftsrechts zubeachten sein.83

So sieht z.B. die Systemrichtlinie (Art. 3 Abs. 3)84 vor, dass bei dennicht harmonisierten Verbrauchsteuern mit dem Grenzübertritt vonWaren keine Formalitäten verbunden sein dürfen. Die Richtlinie92/81/EWG85 sieht die Steuerbefreiung von Flugbenzin vor, so dassauch eine aus ökologischen Gründen motivierte Belastung nichtmöglich ist. Und Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie86 untersagtdie Erhebung von Abgaben, die den Charakter einer Mehrwertsteu-er haben.87

II. Ansätze gemeinschaftsweiter Steuern

1. Grundlagen gemeinschaftsweiter Ökosteuern

Immer wieder versuchten die Kommission und einzelne Mitglied-staaten, gemeinschaftsweite Ökosteuern zu installieren. Daher stelltsich zunächst die Frage, auf welcher Grundlage eine solche Steuer be-schlossen werden kann. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischender Harmonisierung schon bestehender und der Neueinführung inden Mitgliedstaaten noch nicht erhobener Ökosteuern.

a. Die Harmonisierung von ÖkosteuernBei einer Harmonisierung schon bestehender nationaler Ökosteuernist zwischen direkten und indirekten Steuern zu unterscheiden.88

Ermächtigungsgrundlage zur Harmonisierung von indirekten

»Ökosteuern« können die Art. 93 und 175 EG sein. Welche der Re-gelungen als Grundlage einer Harmonisierung dienen kann ist um-stritten.89 Daraus erklärt sich auch, warum die Kommission ihre Vor-schläge für eine gemeinsame CO

2-/Energiesteuer auf beide

Vorschriften gestützt hat.90 Die mittlerweile wohl überwiegende Mei-nung91 sieht die Vorschriften nicht in einem Ausschlussverhältnis,sondern stellt entscheidend darauf ab, welchen Schwerpunkt dievon der Gemeinschaft angestrebte Maßnahme hat. Liegt der Schwer-punkt auf der Finanzierung der allgemeinen Ausgaben, dann istArt. 93 EG heranzuziehen, überwiegen die umweltrechtlichenAspekte, findet Art. 175 Abs. 2 EG Anwendung.92 Unabhängig da-von, welche Vorschrift Grundlage einer Harmonisierung sein kann,verläuft das Verfahren zum Erlass der gewünschten Maßnahme na-hezu identisch.93 In beiden Fällen ist eine einstimmige Entsch-ließung des Rates nötig. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass

Aufsatz

74 Dazu auch Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 495; Urteile des EuGH vom11.12.1990, Rs. C-47/88, Kommission/Dänemark, Slg. 1990, S. I-4509 ff. undvom 9.3.1995, Rs. C-345/93, Nunes Tadeu, Slg. 1995, S. I-490 ff.

75 Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 495; Bongartz/Schröer-Schallenberg, IStR 1999(s. Fn. 19), 962, 964.

76 Urteil des EuGH vom 2.4.1998, Rs. C-213/96, Outokumpu Oy, Slg. 1998, S. I-1801 ff.

77 Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 23), 491, 495, Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltens-steuerung (s. Fn. 7), S. 189 ff.; Bongartz/Schröer-Schallenberg, IStR 1999 (s. Fn. 19),962, 965.

78 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen vom 3.2.2001,2001/C 37/03, ABl.EG 2001, Nr. C 37, S. 3 ff.

79 Vgl. dazu das Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom24.3.1999, BGBl. I 1999, S. 378 ff. und das Gesetz zur Fortführung der ökologi-schen Steuerreform vom 16.12.1999, BGBl. I 1999, S. 2432 ff.

80 Vgl. dazu § 9 StromStG bzw. § 25 Abs. 4 MinöStG.81 Vgl. dazu § 25 Abs. 3 MinöStG.82 Entscheidung der Kommission vom 3.5.1999, SG (99) D/3289 und die Entschei-

dung der Kommission vom 2.3.2000, SG (2000) D/102165. Vgl. dazu ausführlichauch Rabe, in: Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung (s. Fn. 7), S. 189 ff.

83 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 138.84 Richtlinie 92/12/EWG vom 25.2.1992, ABl.EG 1992, Nr. C 76, S. 1 ff., ber.

ABl.EG 1995, Nr. C 17, S. 20, zuletzt geändert durch die Richtlinie 96/99/EGvom 30.12.1996, ABl.EG 1996, Nr. L 8, S., 12.

85 Richtlinie vom 19.10.1992, ABl.EG 1992, Nr. L 316, S. 12, 13, zuletzt geändertdurch die Richtlinie 94/74/EG vom 22.12.1994, ABl.EG 1994, Nr. L 365, S. 46.Dazu auch Selling, Steuerharmonisierung im europäischen Binnenmarkt, IStR2000, 417, 421.

86 Richtlinie 77/388/EWG vom 17.5.1977, ABl.EG 1977, Nr. L 145, S. 1 ff.87 Allerdings wird es bei Umweltabgaben in Form von Verbrauchssteuern an ei-

nem solchen Charakter regelmäßig fehlen, da diese zumeist gezielt in Form vonbesonderen Steuern erfolgten, um einzelne Produkte zu belasten und es ihnendeshalb am für eine Mehrwertsteuer erforderlichen Merkmal der Allgemeinheitfehlen wird. Dazu auch Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 496.

88 Der EG-Vertrag unterscheidet zwischen indirekten und direkten Steuern. Un-ter direkten Steuern sind Steuern zu verstehen, die den Vermögenszuwachs unddie Vermögensbestände natürlicher Personen und von Institutionen unterBerücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners belasten. DerSteuerschuldner ist gleichzeitig auch der wirtschaftliche Träger der Steuerlast.Indirekte Steuern hingegen knüpfen nur mittelbar an die Leistungsfähigkeit desSteuerbürgers an. Sie haben einen starken Produkt- und Konsumausgabenbe-zug. Mittels Preisgestaltung der Steuergegenstände wird die Steuerlast überge-wälzt. Der Steuerschuldner ist nicht der wirtschaftliche Träger der Steuerlast.

89 Dazu u.a. Breier/Vygen, in: Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag Kommentar, 2. Auflage,Basel, Genf, München, Wien 1999, Art. 175, Rn. 8; Nowack, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU/EG-Vertrag, Band 2/II, Art.88 – 102 EG, Fünfte neubearbeitete Auflage, Baden-Baden 1999, Art. 99, Rn. 102f.; Scherer/Heselhaus, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Bd.2, München 2001, O. Umweltrecht, Rn. 91; Martinez, Das ökologische Steuer-recht in der Europäischen Union, in: Hohmeyer (Hrsg.), Ökologische Steuerre-form, ZEW Wirtschaftsanalysen Bd. 1, Baden-Baden 1995, S. 39, 42; Schröder,Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht auf dem Ge-biet der Umweltabgaben in: Kirchhof (Hrsg.), Umweltschutz im Abgaben- undSteuerrecht, DStJG 15 (1992), Köln 1993, S. 87, 93 f.; Schröer, Aktuelle Problemeder Einführung einer gemeinschaftlichen Klimasteuer, RIW 1993, 914, 916 f.;Kirchhof, in: DStJG 15 (s. Fn. 49), S. 2, 26 f.

90 Vgl. dazu den geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Einführungeiner Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie vom 10.5.1995, KOM(95) 172 endg.

91 Vgl. dazu Fn. 8992 Dazu auch Scherer/Heselhaus, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR (s. Fn. 89), O.

Umweltrecht, Rn. 91; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV (s. Fn. 71), Art. 175,Rn. 17 m.w.N.

93 Schröer, RIW 1993 (s. Fn. 89), 914, 917, weist zu Recht darauf hin, dass der ein-zige maßgebliche Unterschied darin liegt, dass es den Mitgliedstaaten im Rah-men des Art. 175 EG gestattet ist, strengere Normen zu erlassen.

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die bisherigen Entwürfe der Kommission94 gescheitert sind.95 DieChance, einen der Harmonisierungsvorschläge96 tatsächlich zu ver-wirklichen, ist deshalb auch als gering einzustufen.

Hinsichtlich der direkten Steuern sehen die steuerlichen Vorschrif-ten des EG-Vertrags keine ausdrückliche Kompetenz zur Harmonisie-rung vor. Grundlage einer Harmonisierung kann daher nur die allge-meine Harmonisierungs-Kompetenz nach Art. 94 EG bzw. dieumweltrechtliche Grundlage nach Art. 175 Abs. 2 EG sein.97 Auchhier bestehen die gleichen Probleme hinsichtlich Grundlage bzw. Ein-stimmigkeit im Beschlussverfahren. Darüber hinaus ist zu berück-sichtigen, dass die praktische Relevanz der Harmonisierung direkterSteuern aus ökologischen Gesichtspunkten noch geringer ist, da sichdirekte Steuern für eine Ökologisierung nur bedingt anbieten.

b. Die Einführung gemeinschaftsweiter ÖkosteuernGrundlage der Neueinführung einer gemeinschaftsweiten Ökosteuerkönnen wiederum nur die Art. 93, 94 bzw. 175 Abs. 2 EG sein. Pro-blematisch am Wortlaut der Art. 93 und 94 EG ist jedoch, dass – an-ders als Art. 175 Abs. 2 EG – beide Vorschriften ausdrücklich nur dieHarmonisierung von nationalen Steuern vorsehen. Für den Ansatz,die Regelungen auch als Grundlage einer Neueinführung zuzulassen,spricht jedoch der Umstand, dass allein schon dann eine Harmoni-sierung erfolgen kann, wenn nur ein Mitgliedstaat eine Regelung mitdem Ziel einführt, eine danach folgende Harmonisierung zu ermög-lichen. Es ist nicht zu erklären, warum ein Mitgliedstaat erst eine Re-gelung einführen sollte, um dann eine Harmonisierung in Gang zusetzen, wenn alle Mitgliedstaaten sich über die Einführung einig sind.Auch werden den Mitgliedstaaten durch eine Neueinführung aufGrundlage der genannten Vorschriften nicht unzulässigerweise Kom-petenzen entzogen, da einstimmig eine solche Maßnahme zu be-schließen ist.98 Daraus folgt aber gleichzeitig auch die geringe prakti-sche Relevanz der vollständigen Neueinführung gemeinschaftsweiterÖkosteuern. Aus diesem Grund wird die Neueinführung einer Öko-steuer in erster Linie tatsächlichen Hindernissen ausgesetzt sein.

2. Die Kommissionsvorschläge zur Besteuerung von Energieerzeugnissen

a. Gemeinschaftsweite CO2

-/ Energiesteuer – der Kommissionsvorschlagvon 1992 und der geänderte Vorschlag von 1995Mit einem Richtlinienvorschlag im Jahre 1992 versuchte die Kommis-sion die Mitgliedstaaten zu einer gemeinschaftsweiten CO

2-Steuer zu

bewegen.99 Nach der Vorstellung der Kommission sollte auf der Dop-pelgrundlage der Art. 93 EG (ex. Art. 99 EG-Vertrag) und Art. 175 EG(ex. Art. 130 s EG-Vertrag) eine als Verbrauchssteuer ausgestaltete CO

2-

/Energiesteuer zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes und einer effek-

tiveren Nutzung der Energieressourcen führen.100 Die Steuer sollte denEndverbrauch von Energieträgern mit Ausnahme der erneuerbarenEnergien belasten, sofern diese als Energieträger eingesetzt werden.101

Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte der Vorschlag jeweils zurHälfte den Energiegehalt der Brennstoffe und die potentiellen Emis-sionen.102 Die vorgegebenen, nach den Energieträgern differenzieren-den Steuersätze waren als Mindeststeuersätze ausgestaltet und be-ließen damit den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, höhere Steuersätzeeinzuführen.103 Gleichwohl sollte die Steuer nicht zu einer Mehrbela-stung führen, sondern durch eine Entlastung bei anderen nationalenSteuern aufkommensneutral bleiben.104 Um zu hohe Belastungen bzw.Wettbewerbsverfälschungen gegenüber Unternehmen aus Drittstaa-ten zu vermeiden, stand den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offen,energieintensive Unternehmen von der Steuer zu befreien,105 und In-vestitionen der Unternehmen zum Energiesparen wurden zum Abzugbei der Steuerschuld zugelassen. Die Einführung der Steuer scheitertejedoch insbesondere am Widerstand der sog. Kohäsionsländer106 undGroßbritanniens, die Wettbewerbsnachteile befürchteten.107

Im Jahr 1995 unternahm die Kommission auf der Grundlage des

Vorschlages von 1992 einen weiteren Anlauf.108 Im Gegensatz zu demersten Entwurf von 1992 sah der neue Vorschlag in einer Übergangs-zeit bis zum 31.12.1999 nicht die verpflichtende, sondern nur eine fa-kultative Einführung der Steuer vor.109 Darüber hinaus waren keineMindeststeuersätze, sondern nur die Einführung nicht bindender sog.Zielsteuersätze vorgesehen. Im Ergebnis war damit den Mitgliedstaa-ten die Einführung der CO

2-Steuer bis zum Jahre 1999 völlig freige-

stellt. Der Entwurf schrieb daneben nicht mehr den Grundsatz derAufkommensneutralität fest, so dass die Einführung der Steuer auchmit einer zusätzlichen Belastung hätte verbunden werden können.Mehr Spielraum sollte den Mitgliedstaaten darüber hinaus bei den Be-freiungen zugunsten der Wirtschaft und Investitionen in den Um-weltschutz gewährt werden.110 Trotz der zahlreichen Lockerungenkonnte auch über diesen Vorschlag keine Einigung erzielt werden.111

b. Der Vorschlag von 1997Der Entwurf der Kommission aus dem Jahr 1997 unterschied sich er-heblich von den vorherigen Vorstellungen.112 Der Richtlinienvor-schlag enthielt nun nicht mehr die eigentliche Idee einer »neuarti-gen« CO

2-/Energiesteuer, sondern setzte an einer Ausweitung der

bestehenden Mineralölbesteuerung unter Einbeziehung anderer En-ergieträger an.113 Die Bemessungsgrundlage sollte dabei, im Unter-schied zu den vorherigen Vorschlägen, nicht mehr am Energiegehaltbzw. an Emissionen anknüpfen, sondern an der jeweiligen Mengedes verwendeten Energieträgers. Bei der neuerlichen Steuer bzw. demSteuersatz sollten darüber hinaus alle Steuern, die auf die jeweiligenEnergieträger schon erhoben werden, berücksichtigt und auf dieSteuerschuld angerechnet werden, so dass die verschiedenen in denMitgliedstaaten schon erhobenen Steuern beibehalten werden könn-ten.114 Obwohl mit diesem Vorschlag der Änderungsbedarf der na-tionalen Steuern gering war, signalisierten die Mitgliedstaaten eineablehnende Haltung und konnten sich bis heute nicht auf einen ge-meinschaftlichen Richtlinienentwurf einigen.

Jansen, Ökologische Steuern in der Europäischen Gemeinschaft

94 Vgl. dazu auch unter D.II.2. 95 Dazu auch Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137 ff.96 Vgl. dazu auch unter D.II.2.97 Hilf, Umweltabgaben als Gegenstand von Gemeinschaftsrecht und -politik, in:

Breuer/Kloepfes/Marburger/Schröder (Hrsg.), Umweltschutz durch Abgabenund Steuern, Umwelt- und Technikrecht Bd. 17, Heidelberg 1992, S. 121, 130.

98 Vgl. dazu auch Schröder, in: DStJG 15 (s. Fn. 89), S. 87, 94.99 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Einführung einer Steuer auf Koh-

lendioxidemissionen und Energie, KOM (92) 226 endg., vom 2.6.1992, ABl.EG1992, Nr. C 196, S. 1 ff.

100 Schröder, in: DStJG 15 (s. Fn. 89), S. 87, 94; Fischer, IStR 1993 (s. Fn. 48), 201,204; Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847, Vorschlag für eine Richtlinie des Rateszur Einführung einer Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie, KOM(92) 226 endg., vom 2.6.1992, ABl.EG 1992, Nr. C 196, S. 1, 2 ff.

101 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 141; Fischer, IStR 1993 (s. Fn. 48), 201, 204.102 Schröer, in: RIW 1993 (s. Fn. 89), S. 914.103 Fischer, IStR 1993 (s. Fn. 48), 201, 204; Nowack, in: von der Groeben/Thie-

sing/Ehlermann (Hrsg.), EUV/EGV (s. Fn. 89), Art. 99, Rn. 100.104 Grundsatz der Steuerneutralität. Dazu auch Nowack, in: von der Groeben/Thie-

sing/Ehlermann (Hrsg.), EUV/EGV (s. Fn. 89), Art. 99, Rn. 100.105 Vgl. dazu Fischer, IStR 1993 (s. Fn. 48), 201, 204; Nowack, in: von der Gro-

eben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EUV/EGV (s. Fn. 89), Art. 99, Rn. 100. DieseBefreiungsmöglichkeit stand damit natürlich im Gegensatz zu dem eigentlichangestrebten Ziel, eine Verringerung des CO

2-Ausstoßes zu erreichen.

106 Die sog. Kohäsionsländer sind Irland, Griechenland, Portugal und Spanien. DerBegriff bezieht sich darauf, dass diese Staaten Gelder aus dem 1993 eingerich-teten Kohäsionsfond erhalten. 2003 wird darüber entschieden werden, ob die-se Länder weiterhin förderungswürdig sind.

107 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 141.108 Richtlinienentwurf vom 10.5.1995, KOM (95) endg. Vgl. dazu ausführlich No-

wack, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EUV/EGV (s. Fn. 89),Art. 99, Rn. 100.

109 Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847, 849, Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137.110 Giesberts, RIW 1995 (s. Fn. 9), 847, 851.111 Nowack, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EUV/EGV (s. Fn. 89),

Art. 99, Rn. 100.112 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaft-

lichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen vom17.3.1997, KOM (97) 30 endg., ABl.EG 1997, Nr. C 139, S. 14 ff.

113 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 142.114 Jatzke, IStR 1999 (s. Fn. 2), 137, 143

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c. Neueste Entwicklungen im Jahre 2002Auch weiterhin schwebt der Kommission eine ökologisch motivier-te Harmonisierung der nationalen Steuern vor. Aktuellster Ansatz-punkt ist dabei eine komplette Neuregelung der Kraftfahrzeugbe-steuerung in Europa.115 Insbesondere die Unterschiede bei denZulassungsgebühren verursachen Schwierigkeiten, die den Binnen-markt behindern. Die in zehn Mitgliedsstaaten erhobenen Zulas-sungsgebühren schwanken und bestimmen die Nettopreise vonKraftfahrzeugen vor Steuern.116 Da es in Einzelfällen bei Umzügen in-nerhalb der Gemeinschaft sogar zu Doppelbesteuerungen kommenkann, plant die Kommission die Zulassungsgebühr schrittweise ganzabzuschaffen. Auch der Ausstoß von CO

2 bei Neuwagen soll zukünf-

tig bei der Fahrzeugbesteuerung berücksichtigt werden. Bisher istdies lediglich in Großbritannien ein Kriterium bei der Bemessung derKfz-Steuer. Bei der Besteuerung von Firmenfahrzeugen sollen künftigebenfalls Kraftstoffverbrauch und CO

2-Ausstoß eine größere Rolle

spielen. Auch die Mineralölsteuer für Diesel soll progressiv angeho-ben werden sowie die Mineralölsteuersätze für bleifreies Benzin ein-ander angeglichen werden. Inwieweit sich diese Überlegungen aller-dings durchsetzen lassen, bleibt abzuwarten.

3. Vorstöße einzelner Mitgliedstaaten – das Instrument der »verstärktenZusammenarbeit«

Unter dem Eindruck der Erfahrungen, die die Kommission mit demVersuch einer gemeinschaftlichen Ökosteuer gemacht hat, und derÜberlegung, für die Einführung neuer Steuern »die Schelte nichtmehr einstecken zu wollen«, versuchten einige Mitgliedstaaten imJahre 2001 gemeinsam eine Ökosteuer unter Ausschluss nicht be-reitwilliger Mitgliedstaaten einzuführen. Nach dem bewährten Mu-ster, unpopuläre Vorhaben auf die Gemeinschaft abzuwälzen, sollteauf der Grundlage des Richtlinienentwurfes von 1992 eine CO

2-/En-

ergiesteuer mit Hilfe des Instruments der »verstärkten Zusammenar-beit« installiert werden. Neben der Bundesrepublik Deutschland hat-ten sieben weitere Mitgliedstaaten ihre Bereitschaft zu diesemVorhaben erklärt.117

Das Instrument der »verstärkten Zusammenarbeit« nach Art. 11 EGermöglicht es den Mitgliedstaaten, die Gemeinschaft bzw. ihre Orga-ne und Verfahren zu dem Erlass von Regelungen zu nutzen, die nurin den Mitgliedstaaten Geltung erlangen, die ihre Bereitschaft dazuerklärt haben.118 Damit ist das Instrument der »verstärkten Zusam-menarbeit« Ausdruck oder Einfallstor für ein Europa der unterschied-lichen Geschwindigkeiten.119 Um allerdings das hohe gemeinsameMaß der (angestrebten) Integration nicht zu gefährden, werden ei-nerseits hohe Voraussetzungen an eine verstärkte Zusammenarbeitgestellt und andererseits geringe Voraussetzungen für einen späterenBeitritt von zunächst nicht teilnehmenden Ländern verlangt.120

Eine »verstärkte Zusammenarbeit« ist nur in Bereichen möglich, (i)die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fal-len, (ii) wenn eine Beeinträchtigung der Gemeinschaftspolitiken aus-geschlossen ist, (iii) die der Gemeinschaft durch den EG-Vertrag zu-gewiesenen Kompetenzen nicht überschritten werden, (iv) derHandel nicht beeinträchtigt wird und (v) die Wettbewerbsbedin-gungen nicht verzerrt werden.121 Verfahrenstechnisch setzt die »ver-stärkte Zusammenarbeit« zwar keine einstimmige Entschließung derMitgliedstaaten voraus, sondern lässt den Beschluss des Rates mit ei-ner qualifizierten Mehrheit genügen. Allerdings muss die Kommis-sion die angestrebte Maßnahme vorschlagen, und jeder Mitglied-staat kann aus wichtigen Gründen der nationalen Politik dieEinführung der Maßnahme verhindern.122

Auch die Einführung einer gemeinsamen Ökosteuer mittels des In-struments der »verstärkten Zusammenarbeit« ist daher praktischenSchwierigkeiten ausgesetzt. Zum einen ist die Einführung im Ergebnisvon der Bereitschaft aller Mitgliedstaaten abhängig, da zwar nur wich-

tige Gründe ein Vorhaben verhindern können, aber allein der Wi-derspruch eines Mitgliedstaates aus politischen Gründen faktisch zueiner Sperrwirkung führt. Zum anderen wird das Instrument insbe-sondere beim Einsatz in der Steuerpolitik nationalen Vorbehalten ausGründen der unterschiedlichen Integrationsstufen ausgesetzt sein.

E. Zusammenfassung und Ausblick

Unter Berücksichtigung der Art. 174 ff. EG können Ökosteuern alsSteuern verstanden werden, die zur Erhaltung und zum Schutz derUmwelt oder der Verbesserung ihrer Qualität und der Einnahmeer-zielung dienen. In den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gibt es eineVielzahl ökologisch motivierter Abgaben. Im Gegensatz dazu konn-te eine gemeinschaftsweite einheitliche Ökosteuer trotz zahlreicherVersuche der Kommission bisher nicht ins Leben gerufen werden.Die Einführung gemeinschaftsweit »einheitlicher Ökosteuern« istzwar möglich, aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. – Die Harmonisierung schon bestehender nationaler Umwelt-

steuern kann bei indirekten Steuern auf Grundlage derArt. 93, 175 Abs. 2 EG und bei direkten Steuern auf Grundlage derArt. 94, 175 Abs. 2 EG erfolgen. Maßgeblich dabei ist der Schwer-punkt der jeweiligen Maßnahme. Art. 175 Abs. 2 EG findet daherdann Anwendung, wenn die Maßnahme im Wesentlichen um-weltrechtlich motiviert ist, Art. 92, 93 EG, wenn der Schwerpunktauf steuerrechtlichen Gesichtspunkten liegt.

– Auch die Neueinführung einer in allen Mitgliedstaaten einheitli-chen Ökosteuer ist aufgrund der Art. 93, 94, 175 Abs. 2 EG möglich.

– Sowohl die Harmonisierung als auch die Neueinführung könnenallerdings nur einstimmig durch alle Mitgliedstaaten beschlossenwerden, gleichgültig auf welcher Rechtsgrundlage (Art. 93, 94,175 EG) dies erfolgt. Eine gemeinschaftliche Lösung wird jedochinsbesondere politischen und praktischen Schwierigkeiten ausge-setzt sein, was sich auch in der Ablehnung der von der Kom-mission vorgelegten Vorschläge dokumentiert.

Die Einführung einer gemeinschaftsweiten Ökosteuer ist, trotz desVorstoßes einiger Mitgliedstaaten im Wege der »verstärkten Zusam-menarbeit« sehr unwahrscheinlich. Die Angst vor Wettbewerbs-nachteilen, insbesondere der südlichen europäischen Länder, ist zugroß. Es bleibt daher zu befürchten, dass die unterschiedlichen inden Mitgliedstaaten bestehenden Ökosteuern anstatt vereinheitlichtzu werden vielmehr eine weitere Differenzierung erfahren.

Aufsatz

115 Vgl. dazu »EU will Autosteuer ökologisch umgestalten«, Financial TimesDeutschland vom 28.8.2002.

116 Vgl. oben B.II.4.117 Vgl. dazu »Der deutschen Ökosteuer soll eine EU-Energiesteuer folgen«, FAZ

vom 25.9.2001, S. 19, Wirtschaftsteil.118 Jatzke, EWS 2000 (s. Fn. 18), 491, 499. 119 Vgl. zu den Hintergründen dieses Instrumentes Lenz, in: Lenz, EGV (s. Fn. 89),

Art. 11, Rn. 1 ff., 12, Ehlermann, Engere Zusammenarbeit nach dem Amsterda-mer Vertrag: Ein neues Verfassungsprinzip?, in: EuR 1997, 362 ff.

120 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV/EUV (s. Fn. 71), Art. 11, Rn. 1.121 Dazu im Einzelnen Lenz, in: Lenz, EGV (s. Fn. 89), Art. 11, Rn. 13 ff.; Ruffert, in:

Calliess/Ruffert (s. Fn. 71), Art. 11, Rn. 2 ff.122 Lenz, in: Lenz, EGV (s. Fn. 89), Art. 11, Rn. 16.

Dr. Bela JansenRechtsanwalt bei Clifford Chance Pünder, Rechtsanwälte, Steuerberater,Wirtschaftsprüfer, Solicitors, Mainzer Landstrasse 46, 60325 Frankfurtam Main, email: [email protected]ätigkeitsschwerpunkte: Nationales und internationales Steuerrecht, steu-erliche Strukturberatung, Kapitalmarktprodukte, Private Equity und Ven-ture Capital Fonds, Arbeitnehmerbeteiligungsmodelle.

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265ZUR 4/2003

Die Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Auf-träge wirft in gemeinschaftsrechtlicher Perspektive neben vergaberechtlichenauch beihilferechtliche Fragen auf. Letzteren widmet sich der vorliegende Bei-trag. Dabei wird zunächst gezeigt, dass die Berücksichtigung ökologischerAspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht schon deshalb den Ver-botstatbestand des Art. 87 I EG erfüllt, weil der Auftrag ohne ökologischeAspekte zu einem niedrigeren Preis hätte vergeben werden können. Im zwei-ten Teil des Beitrags wird erläutert, welche verfahrensrechtlichen Anforde-rungen das EG-Beihilfenrecht und die verschiedenen gemeinschaftsrechtli-chen Diskriminierungsverbote aus Gründen der Staatsangehörigkeit an dieVergabe öffentlicher Aufträge mit und ohne ökologische Aspekten stellen.

A. Einführung

Spätestens seit dem Urteil Concordia Bus Finland vom September2002 steht fest, dass der EuGH die Berücksichtigung ökologischerKriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für grundsätzlichzulässig erachtet.1 Über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeitsolcher Aufträge ist damit nach überwiegender Auffassung freilichkeineswegs entschieden. Vielmehr soll in der Einbeziehung öko-logischer – und sonstiger vergabefremder – Kriterien2 bei der Aus-schreibung bzw. Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichenAuftrags ein Beihilfeelement liegen. Ein entsprechender Vertrags-schluss sei mithin als Beihilfe i.S.v. Art. 87 I EG (ex Art. 92 I EGV)zu qualifizieren.3 Im Hinblick auf das insoweit vor allem proble-matische Tatbestandsmerkmal »Begünstigung« i.S.v. Art. 87 I EGwird unter implizitem oder explizitem Rekurs auf den private-in-vestor-test4 argumentiert, dass ein ausschließlich Rentabilitätsin-teressen verfolgender Privater – ein »normaler« Marktteilnehmer –,(jenseits von Marketingstrategien) um der Verfolgung ökologi-scher Ziele willen keine Mehrkosten akzeptieren würde. Die Ver-gütung dieser Mehrkosten sei mithin eine Beihilfe.5 Soweit man-gels Notifizierung bzw. Rechtfertigungsfähigkeit eine formell odermateriell rechtswidrige Beihilfenvergabe vorliege, ergäben sich füreine dann gebotene Rückforderung folgende Konsequenzen. InBetracht komme – soweit eine der Vergaberichtlinien anwendbarist und ein Vergabeverfahren stattgefunden hat – die Wiederho-lung des bereits abgeschlossenen Vergabeverfahrens oder die Zah-lung des Unterschiedsbetrages zwischen dem vereinbarten unddem marktangemessenen Preis. Zur Ermittlung des marktange-messenen Preises und mithin des Unterschiedsbetrages kommeaber nur ein erneutes Vergabeverfahren in Betracht.6

Im Folgenden wird zunächst der materiell-rechtlichen Fragenachgegangen, ob die Berücksichtigung und Vergütung ökologi-scher Aspekte eines öffentlichen Auftrags tatsächlich als Beihilfezu qualifizieren ist (B.).7 Daran anschließend wird untersucht, wel-che prozeduralen Anforderungen das EG-Beihilferecht – sowie dasin den Grundfreiheiten respektive Art. 12 EG verankerte Verbotder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit – an dieVergabe öffentlicher Aufträge stellt (C.).

Cremer, Ökologische Kr i ter ien be i der Vergabe öf fent l i cher Auf t räge

Wolfram Cremer

Ökologische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Auf-träge und EG-Beihilferecht – Materiellrechtliche undverfahrensrechtliche Aspekte

1 EuGH, Rs. C-513/99, Urt. v. 17.9.2002, Rn. 53 ff. (Concordia Bus Finland/StadtHelsinki) = ZUR 2003, 32 ff. = NVwZ 2002, 1356 ff. Zu sozialen Belangen EuGH,Rs. C-225/98, Slg. 2000, I-7445, Rn. 49 ff. (Kommission/Frankreich) – Französi-sche Schulgebäude; Rs. 31/87, Slg. 1988, 4635, Rn. 28 ff. (Beentjes/Niederlan-de). Zur Rechtsprechung des EuGH und insbesondere zum Urteil in der Rechts-sache Concordia Bus Finland M. Bungenberg/C. Nowak, ZUR 2003, 10 ff., dieumweltbezogenen Aspekten innerhalb der Gruppe der vergabefremden Krite-rien eine Sonderstellung einräumen wollen und auch in der Judikatur des EuGHAnhaltspunkte für eine solche Position erkennen. Zum Concordia Bus Finlandauch A. Egger, NZBau 2002, 601 ff.; H. Kaelble, VergabeR 2002, S. 604 ff.; P. Stein-berg, EuZW 2002, 634 f. Vgl. auch die »Mitteilung der Kommission über die Aus-legung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zurBerücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge«,ABl.EG 2001 Nr. C 333, S. 27 ff., dazu E. Pache/C. Rüger, EuZW 2002, 169 ff.

2 Neben umweltbezogenen werden soziale, kulturelle und »sonstige »politische«Aspekte einer Leistung genannt. Näher zu diesen Kriterien M. Bungenberg, in: P. Behrens/E. Braun/C. Nowak (Hrsg.), Das »neue« Europäische Wettbewerbs-recht: Chancen und Risiken für Unternehmen, im Erscheinen.

3 M. Dreher/G. Haas/G. von Rintelen, Vergabefremde Regelungen und Beihilferecht,2002, passim; A. Bartosch, EuZW 2001, 229 (230 ff.); ders., WuW 2001, 673 (683ff.); ders., CMLR 2002, 551 (573 f.); J. Sedemund, in: von Danwitz (Hrsg.), Rechts-fragen der europäischen Beihilfenaufsicht, 2000, S. 31 (40); M. Knipper, WuW1999, 677 (684); A. Martin-Ehlers, WuW 1999, 685 (687 ff.); F. Rittner, EuZW1999, 677 (679); T. Lübbig, EuZW 1999, 671 (672); C. Riese, Vergaberecht, 1998,S. 28 f.; A. Boesen, Vergaberecht, 2000, Einl. Rn. 29 und § 97 Rn. 130; S. Huel-mann, Öffentliche Beschaffungen nach EG-Recht, WTO und dem Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsvertrag, 2000, S. 85 f.; N. Götzke, Die Berück-sichtigung des Umweltschutzes bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, 2000,S. 94; J. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (467), bezogen auf die Einräumung einesprozentualen Bonus für Angebote, welche den vergabefremden (ökologischen)Kriterien entsprechen. Ohne Abstellen auf vergabefremde (ökologische) Krite-rien eine Begünstigung i.S.v. Art. 87 I EG durch die Vergabe eines öffentlichenAuftrags bejahend, soweit ein ökonomisch nicht gerechtfertigtes Entgelt be-zahlt wird, P-C. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (419 f.).

4 Näher dazu unten C.I.5 Vgl. vor allem Dreher/Haas/von Rintelen (Fn. 3), insbesondere S. 22 ff.; A. Bartosch,

EuZW 2001, 229 (230 ff.); ders., WuW 2001, 673 (683 ff.); ferner Knipper (Fn. 3),S. 684; Martin-Ehlers (Fn. 3), S. 687 ff.; Rittner (Fn. 3), S. 679. Bartosch, a.a.O., siehtdiese Position durch das BAI-Urteil des EuG, Rs. T-14/96, Slg. 1999, II-139(BAI/Kommission), bestätigt. M.E. legen die Ausführungen des EuG indes nahe,dass dieses den beihilferechtlichen Charakter des in Rede stehenden Vertrags-schlusses aus anderen Gründen bejaht und abschließend lediglich daraufhinweist, dass sich an dem (mithin bereits festgestellten) Beihilfecharakter derVertragsschlusses nicht deshalb etwas ändere, weil die Maßnahme soziale undkulturelle Ziele verfolge; näher dazu W. Cremer, in: P. Behrens/E. Braun/C. No-wak (Hrsg.) (Fn.2).

6 Bartosch, EuZW 2001, 229 (232); ders., WuW 2001, 673 (685), vgl. auch Martin-Ehlers (Fn. 3), S. 689, nach dem durch die Rückforderung des Differenzbetragesder Zuschlag insgesamt hinfällig wird.

7 Dass das Beihilferecht – ggfs. neben dem EG-Vergaberecht – auf die Vergabeöffentlicher Aufträge überhaupt anwendbar ist, ist weitgehend unbestritten, vgl.nur C. Koenig/J. Kühling/N. Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2002, S. 69; Lübbig (Fn. 3),S. 672; J. Schwarze, EuZW 2000, 133 (134); Dreher/Haas/von Rintelen (Fn. 3), S. 8.Der EuGH hat stets betont, dass die Gemeinschaftsrechtmäßigkeit der Vergabeöffentlicher Aufträge nicht allein von deren Vereinbarkeit mit dem EG-Verga-berecht, sondern mit »alle(n) einschlägigen Vorschriften des Gemeinschafts-rechts« [EuGH, Rs. 31/87, Slg. 1988, 4635, Rn. 29 (Beentjes/Niederlande)] bzw.»alle(n) wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts« [EuGH, Rs. C-513/99, Urt. v. 17.9.2002, Rn. 64 (Concordia Bus Finland/Stadt Helsinki) = ZUR2003, 32 ff. = NVwZ 2002, 1356 ff.; Rs. C-225/98, Slg. 2000, I-7445, Rn. 50 (Fran-zösische Schulgebäude)] abhängt. Das Beihilferecht nach den Art. 87 ff. EG istnicht nur Teil des Gemeinschaftsrechts, sondern zählt auch zu den wesentlichenGrundsätzen desselben. Daran sollten schon deshalb keine Zweifel bestehen,weil die Art. 87 bis 89 EG als Teil des Wettbewerbskapitels des Vertrages (Art. 81bis 89 EG) zu dem gem. Art. 3 lit. g) EG zu errichtenden System beitragen,welches den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungenschützen soll, vgl. auch EuGH, Rs. 171/83 R, Slg. 1983, 2621, Rn. 9 (Kommission/Frankreich). Ohne meine in EuR 1996, S. 225 ff. entwickelte Position im Übri-gen aufzugeben [vgl. auch H. Kube, Competence Conflicts and Solutions:National Tax Exemptions and Transnational Controls, The Columbia Journalof European Law 9 (2002), 79 (88 f.)], gilt für das Verhältnis des Beihilferechtszu den Grundfreiheiten des EGV im Kontext der Vergabe öffentlicher Aufträgewegen der unten darzulegenden verfahrensrechtlichen Vorwirkungen dergrundfreiheitlichen Diskriminierungsverbote kein Vorrang des Beihilferechts,dazu auch Martin-Ehlers (Fn. 3), S. 688 f.; C. Benedict, Sekundärzwecke und Ver-gabeverfahren, 2000, S. 250 ff.

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ZUR 4/2003266

B. Ökologische Kriterien als Beihilfeelement i.S.v. Art. 87 I EG

Eines gewisses Vorbild findet die These von der Vergütung ökolo-gischer Aspekte eines öffentlichen Auftrags als Beihilfe in der imKontext der »Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichemInteresse« verbreitet vertretenen Rechtfertigungslösung.8 Danachliegt in der Ausgleichsgewährung auch dann eine Begünstigungund eine Beihilfe i.S.v. Art. 87 I EG, wenn die Zahlung lediglich be-sondere Lasten aus der Betrauung mit »Diensten von allgemeinemwirtschaftlichem Interesse« kompensiere. Mithin bedürften auchsolche Ausgleichszahlungen einer Rechtfertigung gem. Art. 86 IIEG oder Art. 87 II, III EG.9 Daran anknüpfend mag man auch die(anteilige) Vergütung der ökologischen Elemente eines öffent-lichen Auftrags als Beihilfe qualifizieren, welche rechtfertigungs-bedürftig ist, wobei zur Rechtfertigung insbesondere Art. 87 III EGin Betracht käme.10

Jedenfalls im Kontext der Berücksichtigung ökologischer Krite-rien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vermag eine Rechtferti-gungslösung, also eine Trennung zwischen vergabefremdenAspekten der Leistung des Auftragnehmers und der (anteiligen)staatlichen Gegenleistung, aber nicht zu überzeugen. Das Entgeltund die Leistung des Auftragnehmers stehen vollumfänglich in ei-ner synallagmatischen Beziehung zueinander. Bei einem solchenZusammenhang nach Maßgabe eines »do ut des« wirkt ein Mo-dell, welches die ökologischen Aspekte der Leistung erst auf derRechtfertigungsebene berücksichtigen will, konstruiert und ent-spricht auch kaum der Konzeption des gemeinschaftlichen Wett-bewerbsrechts. Bei konsequenter Anwendung der Rechtferti-gungslösung fiele nämlich jede staatliche Beschaffung zu einemmarktangemessenen Preis und sogar eine Beschaffung unterMarktpreis unter Art. 87 I EG und bedürfte der Rechtfertigung. Dabei »normalen« Kauf-, Dienst- oder Werkverträgen eine Anwen-dung des Art. 86 II EG ausscheidet, bliebe nur der Rekurs auf dieArt. 87 II, III EG, die aber zu einem Rechtfertigungsgrund »markt-gerechte Gegenleistung« nicht so recht passen und darauf zwei-felsfrei nicht zugeschnitten sind. Demgemäss sind die Kosten der»ökologischen Leistungsanteile« schon auf der Tatbestandsebenedes Art. 87 I EG, namentlich bei der Subsumtion unter das Merk-mal »Begünstigung«, einzustellen (so genannte Tatbestands-lösung). Auf zwei weitere im Kontext der »Dienstleistungen vonallgemeinem wirtschaftlichem Interesse« gegen die Tatbestands-lösung vorgebrachte Einwände sei hier noch in aller Kürze einge-gangen, weil sie mutatis mutandis auch gegen eine Tatbestands-lösung im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträgeunter Berücksichtigung ökologischer Aspekte vorgebracht werdenkönnten. Soweit verschiedentlich kritisiert wird, dass die Tatbe-standslösung zu einer Suspendierung der Notifizierungspflicht desArt. 88 III 1 EG führe,11 ist dies de lege lata ohne Bedeutung. Einebeihilferechtliche Kontrollkompetenz der Kommission bestehtnach den Art. 87 f. EG nämlich nur, wenn der Tatbestand des Art.87 I EG erfüllt ist.12 Soweit argumentiert wird, die Tatbestands-lösung verkenne, dass der Beihilfencharakter einer staatlichenMaßnahme anerkanntermaßen – und zutreffend – nur nach ihrenWirkungen, nicht aber auch nach ihren Gründen oder Zielen zubeurteilen sei,13 und diese mithin mit der Objektivität des Bei-hilfenbegriffs konfligiere,14 ist dem zu erwidern, dass die Prüfung,ob eine staatliche Vergütung nur einen Nachteil ausgleicht bzw.eine angemessene Gegenleistung für eine Leistung mit ökologi-schen Elementen ist, lediglich nach den Wirkungen der Mittelzu-weisung fragt.15

Nach allem ist die Vergabeentscheidung zu Gunsten eines An-gebots, welches ökologische Aspekte enthält, nicht bereits deshalbeine Beihilfe, weil die gleiche Leistung ohne die ökologischenAspekte am Markt billiger angeboten wird.16 Eine Beihilfe liegt nur

dann vor, wenn die Leistung mit den ökologischen Elementen amMarkt zu einem niedrigeren Preis angeboten wird. Es kommt alsobeihilferechtlich darauf an, ob die Vergütung für die konkret ver-einbarte Leistung marktangemessen ist.

Um dem Missverständnis bzw. Einwand vorzubeugen, dass dieseKonzeption eine bereichsspezifische Sonderbehandlung von Um-weltbelangen im Rahmen des Beihilfetatbestandes reklamiert, seiabschließend angemerkt, dass der skizzierte Maßstab gleicher-maßen für öffentliche Aufträge mit ökologischen (oder anderenvergabefremden) Elementen wie für öffentliche Aufträge ohnesolche Elemente gilt.

C. Verfahrensrechtliche Aspekte

Nachdem nunmehr feststeht, dass in der Berücksichtigung ökolo-gischer Kriterien nur dann eine Beihilfe i.S.v. Art. 87 I EG liegt,wenn die staatliche Gegenleistung über dem Marktpreis für diekonkrete mit ökologischen Aspekten »belastete« Leistung des Auf-tragnehmers liegt, bleibt zu erörtern, wie festgestellt werden kann,ob eine »Überkompensation« vorliegt. Damit ist die verfahrens-rechtliche Seite der Problematik angesprochen. Ausgangspunktder verfahrensrechtlichen Problematik ist der soeben geführteNachweis, dass es beihilferechtlich nicht darauf ankommt, ob eineLeistung ohne ökologische Aspekte günstiger zu beschaffen gewe-sen wäre, sondern darauf, ob die Vergütung für die konkret ver-einbarte Leistung marktangemessen ist. An diesen materiell-recht-lichen Vorgaben müssen sich ob ihrer dienenden Funktion auchdie verfahrensrechtlichen Instrumente, welche Aufschluss darübergeben sollen, ob eine Beihilfe vorliegt, orientieren.

Aufsatz

8 Vgl. zur Diskussion über Rechtfertigungs- oder Tatbestandslösung M. Nettes-heim, EWS 2002, 253 ff.; J. Gundel, RIW 2002, 222 ff.; C. Koenig, EuZW 2001,741 (744 f.); R. Ruge, EuZW 2002, 50; C. Koenig/J. Kühling, ZHR 166 (2002), 656ff.; Cremer (Fn. 5). Vgl. zu den unterschiedlichen Positionen verschiedener Ge-neralanwälte sowie zu ihrer eigenen Position GA Stix-Hackl, Rs. C-34/01 bis C-38/01, Schlussantr. v. 7.11.2002, n.n.i.Slg., Ziff. 138 ff. (Enirisorse)

9 Kommission, Entscheidung 1999/133/EG vom 10.6.1998 (CELF), ABl. EG1999 Nr. L 44, S. 37; EuG, Rs. T-106/95, Slg. 1997, II-229, Rn. 167 ff. und 199(FFSA/Kommission) sowie die Nachweise bei Gundel (Fn. 8), S. 226 f.; Koenig(Fn. 8), S. 744 f.

10 Der EuGH, dessen CELF-Urteil vom Juni 2000 (Rs. C-332/98, Slg. 2000, I-4833,Rn. 31 f.) zunächst Übereinstimmung mit dem EuG signalisierte, ist dem im Fer-ring-Urteil vom November 2001 (Rs. C-53/00, Slg. 2001, I-9067) entgegenge-treten. Danach soll der staatliche Ausgleich von Lasten aus der Erfüllung vongemeinwirtschaftlichen Pflichten nicht unter den Beihilfetatbestand fallen,wenn der Ausgleich die tatsächlich entstehenden Kosten nicht übersteigt, weiles dann an einem wirtschaftlichen Vorteil fehle.

11 Vgl. nur GA Léger, Rs. C-280/00, Schlussantr. v. 19.3.2002, n.n.i.Slg., Ziff. 93 ff.(Altmark Trans).

12 Demgemäss ist es nicht nur zu begrüßen, sondern gemeinschaftsrechtlich ge-boten, dass die Kommission wohl wieder von der Forderung abgerückt ist, dassauch solche Maßnahmen angemeldet werden müssen, deren Beihilfecharakterzweifelhaft ist, vgl. dazu A. Sinnaeve, EuZW 1998, 268 (269); P. J. Slot, in: Koe-nig/Roth/Schön (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Beihilfenrechts, 2001, S. 43 (51 ff.);Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2002, S. 179 mit Fn. 722.

13 EuGH, Rs. C-404/97, Slg. 2000, I-4897, Rn. 44 (Kommission/Italien); Rs. C-75/97, Slg. 1999, I-3671, Rn. 23 (Belgien/Kommission); Rs. 310/85, Slg. 1987,901, Rn. 8 (Deufil/Kommission); Rs. 173/73, Slg. 1974, 709, Rn. 26/28 (Italien/Kommission); W. Mederer, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.),EU-/EGV, 5. Aufl., 1999, Band II, Vorbem. Art. 92-94, Rn. 10; Kube (Fn. 7) S. 89. Daraus wird zutreffend gefolgert, dass keine Bereichsausnahmen vomBeihilfenverbot anzuerkennen sind, EuGH, Rs. C-342, Slg. 1999, I-2459,Rn. 23 (Spanien/Kommission); EuG, Rs. T-14/96, Slg. 1999, II-139, Rn. 81(BAI/Kommission).

14 Vgl. nur GA Léger, Rs. C-280/00, Schlussantr. v. 19.3.2002, n.n.i.Slg., Ziff. 77 f.m.w.N. (Altmark Trans) sowie seine Schlussantr. v. 14.1.2003 in derselbenRechtssache – Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung -, n.n.i.Slg., Ziff.79 ff. (Altmark Trans).

15 So auch GA Stix-Hackl, Rs. C-34/01 bis C-38/01, Schlussantr. v. 7.11.2002,n.n.i.Slg., Ziff. 158 (Enirisorse).

16 -So aber Dreher/Haas/von Rintelen (Fn. 3), insbesondere S. 22 ff.

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267ZUR 4/2003

I. Vergabefremde Kriterien bei Durchführung eines vergaberecht-lichen Verfahrens

Die geforderte Orientierung an den materiell-rechtlichen Vor-gaben gilt auch und insbesondere für die Anwendung des private-investor-tests. Nach dem private-investor-test wird staatlichesVerhalten mit dem hypothetischen Verhalten eines nach Rentabi-litätsgesichtspunkten agierenden privaten Investors verglichen.Wenn ein hypothetischer privater Investor den in Rede stehendenwirtschaftlichen Vorteil dem Unternehmen nicht oder allenfallszu anderen, ungünstigeren Konditionen gewähren würde, liegtdarin eine Begünstigung im Sinne von Art. 87 I EG17. In Anwen-dung des private-investor-tests ist vorliegend zu fragen, ob einmarktwirtschaftlich handelnder Marktteilnehmer die Leistung mitden ökologischen Aspekten »belastet« zu dem vereinbarten Preisgekauft hätte. Einen so verstandenen private-investor-test wirdeine Auftragsvergabe regelmäßig18 bestehen, wenn ein Auswahl-verfahren nach dem EG-Vergaberecht angewandt wird. Dieses ge-währleistet nämlich einen Abschluss mit demjenigen Anbieter,welcher das unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte wirt-schaftlichste Angebot (vgl. auch Art. 97 V GWB) abgegeben hat.Soweit die ökologischen Kriterien in den Verdingungsunterlagenoder der Bekanntmachung genannt und mithin transparent sind,weiß jeder potentielle Anbieter, dass die ökologischen KriterienTeil der Leistungsbeschreibung, Eignungs- oder Zuschlagskriteri-um sind. Demgemäß kann jeder Bewerber sein Angebot unter Ein-stellung dieser Kriterien kalkulieren und abgeben. Die öffentlicheAusschreibung gewährleistet mithin einen Angebotswettbewerbunter Berücksichtigung der ökologischen Aspekte der Leistung.Die abgegebenen Angebote mögen höher liegen als solche, welcheabgegeben worden wären, wenn die ökologischen Kriterien keinElement der Leistungsbeschreibung bzw. Eignungs- oder Zu-schlagskriterium gewesen wären – bzw. soweit ökologischen Kri-terien »nur« Zuschlagskriterium sind, mag ein Angebot ohne Be-achtung der ökologische Kriterien niedriger liegen als dasgünstigste Angebot unter Beachtung der ökologischen Kriterien –;daraus kann aber nach den obigen Ausführungen nicht geschluss-folgert werden, dass in der Annahme des unter Berücksichtigungökologischer Aspekte wirtschaftlichsten Angebots durch denöffentlichen Auftraggeber eine nicht marktangemessene Ver-gütung liegt.

Für die Annahme einer Beihilfe ist bei Anwendung des vergabe-rechtlichen Verfahrens nur in Ausnahmekonstellationen Raum –nämlich wenn der betreffende Markt wirtschaftlich de facto nichtumkämpft ist, soll heißen, dass es keine anderen Unternehmengibt, die in der Lage sind, ein ernst zu nehmendes Angebot abzu-geben. Jedenfalls soweit der »Monopolist« um diese Marktsituati-on weiß, besteht die Gefahr, dass er ein Angebot abgibt, dessenPreis ihn eine (weit) oberhalb des (markt)üblichen liegende Ren-dite erzielen lässt. In dieser, aber nur in dieser (seltenen) Konstel-lation muss an Stelle oder besser nach Abschluss des Bietverfah-rens – insbesondere, wenn nur ein Angebot angegeben wurde oderneben dem günstigsten Angebot nur (offensichtliche) Scheinan-gebote zur Verdeckung der (gravierenden) Überrentabilität desgünstigsten Angebots vorliegen – eine hier nicht näher darzu-legende Kosten- und Rentabilitätsprüfung erfolgen.19 Als groberMaßstab gilt, dass die staatliche Vergütung die durch die Erfüllungdes Auftrags entstehenden Kosten unter Einbeziehung der in dembetreffenden Sektor und ggfs. von dem konkreten Unternehmenüblicherweise einkalkulierten Rendite nicht überschreitet.20

Als Fazit ist festzuhalten, dass im Anwendungsbereich des EG-Vergaberechts – und soweit dieses beachtet wird – lediglich in derletztgenannten Ausnahmekonstellation Raum für die Anwend-barkeit des Art. 87 I EG ist. Das gilt unabhängig davon, ob die aus-

geschriebene Leistung ökologische (oder sonstige vergabefremde)Aspekte enthält oder nicht bzw. ob solche im Rahmen der Eig-nungsprüfung oder der Zuschlagserteilung Bedeutung erlangenoder nicht. Auch verfahrensrechtlich wird hier mithin keine pri-vilegierende Bereichsspezifik für Umweltbelange proklamiert.

II. Ökologische Kriterien bei einer öffentlichen Ausschreibung mitBietverfahren

Soweit die Vergaberechtsrichtlinien auf einen Vorgang der öffent-lichen Beschaffung keine Anwendung finden, insbesondere weildie Schwellenwerte nicht erreicht werden oder weil die Beschaf-fung außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Vergabe-richtlinien liegt, ist für die Annahme einer Beihilfe trotzdem keinRaum, wenn dennoch eine öffentliche Ausschreibung mit einemtransparenten, offenen und diskriminierungsfreien Bietverfahren(oder dennoch nach Maßgabe der Vergaberichtlinien) stattge-funden hat – soweit nicht der seltene Ausnahmefall eines wirt-schaftlich de facto nicht umkämpften Auftrags vorliegt. Ein trans-parentes, offenes und diskriminierungsfreies Bietverfahrengewährleistet wie die Durchführung eines Verfahrens nach Maß-gabe des EG-Vergaberechts einen Angebotswettbewerb um denZuschlag für eine Leistung mit ökologischen Aspekten und mithineinen marktangemessenen Preis. Demgemäss ist das Vorliegeneiner Beihilfe – vorbehaltlich der genannten Ausnahmekonstella-tion – ausgeschlossen. Zur Untermauerung dieser Position sei dar-auf hingewiesen, dass die Durchführung eines solchen Bietverfah-rens aus anderen beihilferechtlichen Zusammenhängen geläufigist und dort gerade sicherstellen soll, dass das Verhalten der öf-fentlichen Hand nicht den Tatbestand des Art. 87 I EG, nament-lich das Tatbestandsmerkmal der Begünstigung, verwirklicht.21 Zunennen ist zunächst der Verkauf von Vermögenswerten deröffentlichen Hand. So nimmt die Kommission etwa in ihrer so ge-

Cremer, Ökologische Kr i ter ien be i der Vergabe öf fent l i cher Auf t räge

17 Vgl. EuGH, Rs. C-303/88, Slg. 1991, I-1433, Rn. 21 f. (Italien/Kommission); Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547, Rn. 60 f. (SFEI/La Poste); EuG, Rs. T-358/94, Slg. 1996,II-2109, Rn. 70 f. (Air France/Kommission). Der private-investor-test dient Kom-mission und Gemeinschaftsgerichtsbarkeit zur Abgrenzung von marktgerechtemstaatlichem Verhalten und Zuwendungen mit Beihilfecharakter insbesonderebei Zuwendungen an öffentliche Unternehmen und staatlichen Kapitalbeteili-gungen an privaten Unternehmen, aber auch bei staatlichen Bürgschaften. Frei-lich ist der Hoheitsträger nicht dem Börsenkurs oder kurzfristigen Renditen alsGradmesser unternehmerischen Handelns verpflichtet; er darf vielmehr länger-fristige strategische Überlegungen und Rentabilitätsrechnungen zur Grundlageseiner Entscheidung machen («long-term-investor-Maßstab«), vgl. zum Ganzenmit Nachweisen W. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., 2002, Art.87 Rn. 7.

18 Zu den Ausnahmekonstellationen sogleich.19 Im deutschen Recht gilt in diesen Fällen das öffentliche Preisrecht mit der Ver-

einbarung von so genannten Selbstkostenerstattungspreisen.20 Vgl. zu diesem Maßstab und zu dessen Konkretisierung im Kontext der »Dien-

ste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse« Kommission, Dienste von all-gemeinem wirtschaftlichem Interesse und staatliche Beihilfen, Non-Paper v.12.11.2002, S. 34 ff. Soweit ein Auftraggeber durch eine gezielt auf nur ein Un-ternehmen zugeschnittene Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung »echten«Wettbewerb verhindert, ist dies bereits vergaberechtlich unzulässig. Wird einVergabeverfahren dessen ungeachtet unter solchen Bedingungen durchgeführt,greifen bereits die vergaberechtlichen Korrekturmechanismen.

21 Hier ist nicht der Ort, um die an ein Bietverfahren zu stellenden Mindestbe-dingungen zu konkretisieren; sie hängen im Übrigen maßgeblich von der Artdes wirtschaftlichen Verhaltens des Staates ab. Verallgemeinerungsfähige An-haltspunkte lassen sich bei aller Zurückhaltung im Detail der Grundstückmit-teilung der Kommission (Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staat-licher Beihilfen bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch dieöffentliche Hand, ABl. EG 1997 Nr. C 209, S. 3) sowie den von der Kommis-sion aufgestellten Anforderungen an Privatisierungen für öffentliche Unter-nehmen (vgl. Kommission, XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1993, Tz.402; dies., Entscheidung v. 11.4.2000, Abl.EG 2000 Nr. L 265, S. 15, Centrale delLatte di Roma) entnehmen. Geringere Anforderungen als beim Verkauf öffent-lichen Vermögens sind regelmäßig etwa bei der Vergabe öffentlicher Lieferauf-träge etwa insoweit zu stellen, als die Bieter in erstgenannten Konstellationenüber mehr – genügend – Zeit verfügen müssen, um eine angemessene Bewer-tung der Vermögenswerte vornehmen zu können, auf die sich ihr Angebot be-zieht, vgl. zu Letzterem nur Bartosch, WuW 2001, 673 (675).

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ZUR 4/2003268

nannten Grundstücksmitteilung von 199722 für den Verkauf vonöffentlichen Bauten oder Grundstücken die Position ein, dass dieDurchführung eines offenen, transparenten und diskriminie-rungsfreien (sowie bedingungsfreien)23 Bietverfahrens – alternativein Bewertungsgutachten unabhängiger Sachverständiger – dieMarktangemessenheit der unternehmerischen Gegenleistung ge-währleistet und mithin das Vorliegen einer Begünstigung i.S.v.Art. 87 I EG ausgeschlossen ist.24 Analog zur Grundstücksmittei-lung lehnt die Kommission das Vorliegen einer Beihilfe auch inanderen Bereichen staatlichen Handelns ab, wenn die Verein-barung im Anschluss an ein offenes, transparentes und diskrimi-nierungsfreies Bietverfahren erfolgt. Das gilt etwa für den Verkauföffentlicher Unternehmen sowie den Ankauf und die Nutzungs-überlassung von Grundstücken und Gebäuden.25 Des Weiteren istauf die Bietverfahren im Zusammenhang mit staatlichen Aus-gleichszahlungen für »Dienstleistungen von allgemeinem wirt-schaftlichem Interesse«26 zu verweisen.27

Nach allem ist die Durchführung eines Bietverfahrens ein ge-eignetes – und auch das bestgeeigneteste – Instrument um denNachweis einer marktangemessenen Gegenleistung zu führen.

III. Ökologische Kriterien als Beihilfeelement ohne vorgängigeöffentliche Ausschreibung/Vergabe im innergemeinschaftlichenWettbewerb

Bleibt zu untersuchen, ob und ggfs. wann im Abschluss eines Be-schaffungsvertrages durch die öffentliche Hand, welcher ökologi-sche Aspekte enthält, ein Beihilfeelement liegt, wenn vorher we-der ein vergaberechtliches Verfahren noch ein transparentes,offenes und diskriminierungsfreies Bietverfahren stattfand. Diepraktische Relevanz dieser Frage im sachlichen Anwendungs-bereich des EG-Vergaberechts wird zwar dadurch relativiert, dassZuwendungen in der Gestalt öffentlicher Aufträge oberhalb derDe-minimis-Schwelle des Beihilferechts28 aber unterhalb derSchwellenwerte der Vergaberechtsrichtlinien jedenfalls außerhalbder Baukoordinierungsrichtlinie eher selten vorkommen werden.Indes stellt die De-minimis-Regelung nicht auf das einzelne Vor-haben, sondern auf alle einem Unternehmen zukommendenBeihilfen innerhalb eines Dreijahreszeitraums ab. Zudem gibt eswirtschaftlich bedeutende Bereiche des öffentlichen Beschaffungs-wesens, welche außerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Ver-gaberechtsrichtlinien liegen bzw. für welche die Richtlinien nureingeschränkt gelten.29 Demgemäss ist die Fragestellung durchausvon nicht zu unterschätzender praktischer und wirtschaftlicherBedeutung.

Dem Beihilferecht geht es »nur« darum, dass ausgewählte Un-ternehmen durch eine Auftragsvergabe keine Überkompensationerhalten. Eine öffentliche Ausschreibung wird deshalb vom Bei-hilferecht selbst nicht vorgeschrieben, kann der öffentliche Auf-traggeber die Marktangemessenheit eines vereinbarten Preisesdoch auch mittels eines Bewertungsgutachtens unabhängigerSachverständiger oder – soweit ein solcher existiert – sogarschlicht unter Hinweis auf den transparenten Marktpreis dartun.Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss aber auch den Vorgabendes Binnenmarktrechts genügen, welches darauf gerichtet ist, Un-ternehmen aus anderen Mitgliedstaaten den Marktzutritt zu eröff-nen.30 Daran anknüpfend hat der Gerichtshof judiziert, dass dieVergabe öffentlicher Aufträge auch außerhalb des EG-Vergabe-rechts ohne (echten) innergemeinschaftlichen Wettbewerb regel-mäßig nicht gemeinschaftsrechtskonform ist. In Zusammenhangmit der Vergabe von so genannten Dienstleistungskonzessionenhat der Gerichtshof ausgeführt, dass öffentliche Auftraggeber, ob-wohl das EG-Vergaberecht auf Dienstleistungskonzessionen nichtanwendbar sei, dennoch die Grundregeln des Vertrages im Allge-

meinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen derStaatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten hätten. DiesesVerbot schließe insbesondere die Verpflichtung zur Transparenzein, um die Überprüfung des Verbots gewährleisten zu können.Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz müsse der Auftraggeberzu Gunsten potentieller Bieter einen »angemessenen Grad an Öf-fentlichkeit sicherstellen, der den Wettbewerb öffnet und dieNachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiischdurchgeführt wurden«.31 Man mag darüber streiten, welche ge-nauen Anforderungen aus dieser Rechtsprechung abzuleiten sindund insbesondere, ob eine Verpflichtung zur Vergabe im innerge-meinschaftlichen Wettbewerb und gar in einem offenen, transpa-renten und diskriminierungsfreien Verfahren tatsächlich bei jederAuftragsvergabe besteht. Der EuGH hat seine einschlägigen Aus-führungen in den Rs. Teleaustria und Unitron Scandinavia nichtunter den Vorbehalt eines gewissen Mindestvolumens des Auf-trags gestellt. Allerdings waren die EG-Vergaberichtlinien in denzu entscheidenden Sachverhalten nicht deshalb unanwendbar,

Aufsatz

22 Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfen bei Ver-käufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand, ABl. EG1997 Nr. C 209, S. 3.

23 Dem bereichs- oder gar einzelfallspezifisch zu bestimmenden Kriterium der Be-dingungsfreiheit wird hier nicht weiter nachgegangen. K. Bauer, EuZW 2001,748 (752), weist zu Recht darauf hin, dass jedenfalls bei Unternehmenskauf-verträgen besser von einem Bietverfahren frei von marktunüblichen Bedin-gungen oder zu Marktbedingungen gesprochen werden sollte.

24 Vgl. dazu auch Koenig (Fn. 8) S. 741 f., 742 f.25 Vgl. dazu die Nachweise bei Koenig (Fn. 8) S. 743, Fn. 12-14.26 In jüngerer Zeit wird – angestoßen durch eine Kommissionsentscheidung – zu-

dem diskutiert, ob ein Bietverfahren in beihilferechtlicher Perspektive erfor-derlich ist, wenn Aktiva eines beihilfebegünstigten Unternehmens in der Rück-abwicklungsphase (durch einen Insolvenzverwalter) veräußert werden, um dieVerwirklichung des Beihilfetatbestandes bzw. eine Erstreckung der Rückzah-lungsschuld auf den Erwerber auszuschließen, zur Diskussion K. Bauer, EuZW2001, 748 ff. Ohne hier zu diesem äußerst komplexen Sachverhalt abschließendStellung zu beziehen, gilt auch diesbezüglich, dass jedenfalls die Durchführungeines transparenten, offenen und diskriminierungsfreien Bietverfahrens – vor-behaltlich eines Ausschlusses von bereits vorher ob eigenen Vorverhaltens »ver-brannten« Bietern, etwa verbundene Unternehmen und Insider, dazu und zuweiteren möglichen Fallgruppen Bauer a.a.O., S. 753 –, die Gewähr einer mark-tangemessenen Gegenleistung bietet.

27 Die Daseinsvorsorgemitteilung vom 20.9.2000 sieht in Rz. 17 f. vor, dass eineAusschreibung derjenigen Gemeinwohlaufgaben erfolgen soll, die mit der Ge-währung besonderer Rechte oder ausschließlicher Rechte verbunden sind odermit der Übertragung staatlicher Mittel einhergehen, ABl. EG 2001 Nr. C 17, S. 4. Weiter heißt es, dass davon ausgegangen werden könne, dass in Fällen, indenen der Ausgleich im Anschluss an ein transparentes, offenes und diskrimi-nierungsfreies Verfahren erfolge, die staatliche Hilfe mit den beihilferechtlichenBestimmungen des Vertrages im Einklang stehe (ebenda, Rz. 26). Ob eine solche Vereinbarkeit mangels Tatbestandserfüllung von Art. 87 I EG oder gem.Art. 86 II EG zu bejahen ist, bleibt freilich offen.

28 Vgl. die von der Kommission auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 994/98 desRates vom 7. 5. 1998 über die Anwendung der Art. 92 und 93 EGV auf be-stimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl.EG 1998 Nr. L 142/1) am12.1.2001 verabschiedete Gruppenfreistellungsverordnung für De-minimis-Beihilfen, Verordnung (EG) Nr. 69/2001 über die Anwendung der Art. 87 und88 EG-Vertrag auf »De-minimis«-Beihilfen, ABl.EG 2001 Nr. L 10/30. Gem. Art.2 Abs. 1, 2 dieser Gruppenfreistellungsverordnung erfüllen Beihilfen den Tat-bestand des Art. 87 Abs. 1 nicht («Gruppennegativattest«), wenn die Gesamt-summe der einem Unternehmen innerhalb von drei Jahren gewährten Beihil-fen 100.000 EUR nicht übersteigt. Die Verordnung (EG) Nr. 69/2001 gilt nichtfür den Verkehrssektor, für Tätigkeiten, die sich auf die Herstellung, Verarbei-tung oder Vermarktung von in Anhang I des Vertrages aufgeführten Waren be-ziehen, für Ausfuhrbeihilfen sowie Beihilfen, deren Gewährung von der Ver-wendung heimischer Erzeugnisse zu Lasten von Importwaren anhängiggemacht wird.

29 Als Beispiel mag EuG, Rs. T-14/96, Slg. 1999, II-139, Rn. 81 (BAI/Kommission)dienen. Das Gesamtauftragsvolumen für vier Jahre betrug 985.500.000 PTA, waszum damaligen Zeitpunkt (7. 3. 1995) etwas mehr als ca. 6 Mio. ECU (1 Pesete= 0,00615411 ECU) waren.

30 Vgl. dazu auch H. Drabbe (DG Wettbewerb, Direktor H) in einem am 7.11.2002gehaltenen Vortrag zum Thema »Wettbewerbspolitik: Kontrolle staatlicher Bei-hilfen und Daseinsvorsorge«, S. 8 f., http://europa.eu.int/comm/competition/speeches/text/sp2002_033_de.pdf. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen Bei-hilferecht und Grundfreiheiten bereits oben Fn. 7.

31 EuGH, Rs. C-324/98, Slg. 2000, I-10745 Rn. 60-62 (Teleaustria); ähnlich schonRs. C-275/98, Slg. 1999, I-8291, Rn. 31 (Unitron Scandinavia).

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269ZUR 4/2003

weil die Schwellenwerte der jeweils in Betracht kommenden Ver-gaberichtlinien (Lieterkoordinierungsrichtlinie 32 bzw. Sektoren-koordinierungsrichtlinie und Dienstleistungskoordinierungsricht-linie33) nicht erreicht waren, sondern weil die Sachverhalte ausanderen Gründen außerhalb des Anwendungsbereichs der Verga-berichtlinien lagen. Daraus wird man freilich nicht schließen kön-nen, dass die Pflicht zur Vergabe im innergemeinschaftlichenWettbewerb oder gar zur öffentlichen Ausschreibung nur dann be-steht, wenn auf einen öffentlicher Auftrag das EG-Vergaberechtnicht anwendbar ist, obwohl er oberhalb der Schwellenwerte liegt.Erstens stellte sich die Frage, welche Schwellenwerte welcher EG-Vergaberichtlinie maßgeblich wären. Zweitens erlaubt der primär-rechtliche Anknüpfungspunkt des Diskriminierungsverbots ausGründen der Staatsangehörigkeit – sei es in Anknüpfung an dieGrundfreiheiten oder an Art. 12 EG – zumindest keinen unmittel-baren Rückgriff auf gemeinschaftliches Sekundärrecht. Hier kannnicht abschließend bestimmt werden, unter welchen (Gesamt)-umständen, eine Pflicht zur Vergabe im innergemeinschaftlichenWettbewerb oder gar zur öffentlichen Ausschreibung besteht. An-gesichts des Anliegens des Binnenmarktrechts wird aber bei Auf-trägen mit größerem Finanzvolumen regelmäßig nur eine öffent-liche Ausschreibung mit einem offenen, transparenten unddiskriminierungsfreien Bietverfahren genügen – welches sich frei-lich nicht an den einzelnen Vorgaben der EG-Vergaberichtlinienorientieren muss –, um (allen) Unternehmen aus anderen Mit-gliedstaaten den Marktzutritt zu eröffnen.34 Anderes sollte nur gel-ten, wenn es offensichtlich an potentiellen Bietern außerhalb desMitgliedstaats des Auftraggebers fehlt.35 Nur in letztgenannterKonstellation scheidet eine Diskriminierung aus Gründen derStaatsangehörigkeit nämlich von vorneherein aus. Bei Aufträgenvon geringerem finanziellen Volumen wird man den Mitglied-staaten dagegen unter Berücksichtigung von Art und Größe desAuftrags und Markts einen gewissen Spielraum einräumenkönnen, das dem Einzelfall angemessene Maß an Transparenz undOffenheit zu bestimmen. Bei vergleichbaren Aufträgen sind aller-dings die gleichen Anforderungen an die Publizität zu stellen.36

Nur in Ausnahmefällen, namentlich wenn das Auftragsvolumeneine Pflicht zur Ausschreibung und gar zur Vergabe im innerge-meinschaftlichen Wettbewerb unverhältnismäßig erscheinen lässt,wird man indes eine Direktvergabe ohne jegliche Offenheit recht-fertigen können.37 In allen anderen Fällen verletzt eine Direktver-gabe den prozeduralen Gehalt der in den Grundfreiheiten bzw. inArt. 12 EG verbürgten Diskriminierungsverbote.38 Diese Grundsät-ze gelten wiederum unabhängig davon, ob der in Rede stehendeöffentliche Auftrag ökologische (oder sonstige vergabefremde)Aspekte enthält oder nicht. Eine bereichsspezifische Sonderbe-handlung von Umweltbelangen ist auch insoweit abzulehnen.

Jenseits der Einschlägigkeit der primärrechtlichen Diskriminie-rungsverbote aus Gründen der Staatsangehörigkeit fordert das Bei-hilferecht auch bei Aufträgen, bei denen es an potentiellen Bieternaus anderen Mitgliedstaats fehlt, eine marktangemessene Vergü-tung, soweit trotz Fehlens eines potentiellen Wettbewerbers umden konkreten Auftrag eine Wettbewerbsbeziehung zwischen demAuftragnehmer und Unternehmen aus anderen Mitgliedstaatenauf dem betroffenen oder einem anderen Markt existiert. Um einebeihilferechtlich relevante Begünstigung in solchen Konstellatio-nen auszuschließen, kommen freilich neben einer Vergabe imWettbewerb auch andere geeignete Instrumente, insbesondere einBewertungsgutachten unabhängiger Sachverständiger oder der an-derweitig erbrachte Nachweis eines transparenten Marktpreises, inBetracht.39 Nach den obigen Ausführungen zum materiellen Bei-hilferecht gelten auch diese beihilfespezifischen verfahrensrecht-lichen Anforderungen gleichermaßen für Aufträge mit oder ohneökologische (oder sonstige vergabefremde) Aspekte.

D. Resümee

Die Berücksichtigung ökologischer Aspekte bei der Vergabe öffent-licher Aufträge erfüllt als solche nicht das Tatbestandsmerkmal derBegünstigung i.S.v. Art. 87 I EG. Eine Beihilfe liegt nur dann vor,wenn die Leistung mit den ökologischen Elementen am Markt zueinem niedrigeren Preis angeboten wird. Dass eine im Übrigenidentische Leistung ohne ökologische Aspekte günstiger zu be-schaffen gewesen wäre, ist beihilferechtlich irrelevant. Verfah-rensrechtlich gilt für öffentliche Aufträge mit und ohne ökologi-sche Aspekte, dass die Durchführung eines Verfahrens nachMaßgabe der EG-Vergaberechtsrichtlinien ebenso wie die Durch-führung anderer offener, transparenter und diskriminierungsfreierBietverfahren – vorbehaltlich der skizzierten seltenen Ausnahme-konstellationen – materiell-rechtlich das Vorliegen einer Beihilfeausschließt. Umgekehrt verletzt eine Vergabe ohne Wettbewerb-seröffnung regelmäßig Grundfreiheiten des EGV (oder Art. 12 EG).Eine Vergabe im innergemeinschaftlichen Wettbewerb, und beiAufträgen größeren Volumens eine öffentliche Ausschreibung miteinem transparenten, offenen und diskriminierungsfreien Biet-verfahren, ist aus binnenmarktrechtlicher Perspektive nur dannnicht geboten, wenn es offensichtlich an potentiellen Bieternaußerhalb des Mitgliedstaats des Auftraggebers fehlt oder wenndas Auftragsvolumen eine Pflicht zur Vergabe im innergemein-schaftlichen Wettbewerb unverhältnismäßig erscheinen lässt. Jen-seits dessen fordert das Beihilferecht auch bei Aufträgen, bei de-nen es an potentiellen Bietern aus anderen Mitgliedstaats fehlt,eine marktangemessene Vergütung, soweit eine Wettbewerbsbe-ziehung zwischen dem Auftragnehmer und Unternehmen aus an-deren Mitgliedstaaten auf dem betroffenen oder einem anderenMarkt existiert. Zum Nachweis der Marktangemessenheit kom-men in solchen Konstellationen neben einer Vergabe im Wettbe-werb auch andere geeignete Instrumente in Betracht. Diese ver-fahrensrechtlichen Vorgaben haben öffentliche Aufträge mit oderohne ökologische Aspekte gleichermaßen zu beachten.

Cremer, Ökologische Kr i ter ien be i der Vergabe öf fent l i cher Auf t räge

32 So in der Rs. Unitron Scandinavia.33 So in der Rs. Teleaustria, wobei der Gerichtshof die Sektorenkoordinierungs-

richtlinie als einschlägig ansah.34 Vgl. im Hinblick auf »Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse«

auch Kommission, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse undstaatliche Beihilfen, Non-Paper v. 12.11.2002, S. 27 f.

35 Vgl. auch GA Fennely, Rs. C-324/98, Slg. 2000, I-10745, Ziff. 43 (Teleaustria).36 Vgl. im Hinblick auf »Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse«

auch Kommission (Fn. 34), S. 28.37 Ähnlich Drabbe (Fn. 30), S. 9.38 Nach dem in Fn. 34 zitierten Non-Paper, S. 28, obliegt es im Kontext der

»Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse« den Mitgliedstaaten, imFalle eines Rechtsstreit das von ihnen für die Vergabe eines bestimmten Auf-trags gewählte Verfahren zu rechtfertigen.

39 Vgl. auch oben Fn. 19 zum deutschen öffentlichen Preisrecht.

Privatdozent Dr. Wolfram CremerOberassistent an der Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut fürÖffentliches Recht, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg.Aktuelle Veröffentlichungen: Individualrechtsschutz gegen Richtlinien, EuZW2001, S. 453 ff.; Kommentierung der Art. 87-89, 226-233, 235, 238-239,241 EGV, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Auflage, 2002; Entschädigungsklagen wegenschwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationalerZivilgerichtsbarkeit, in: AVR 41 (2003), S. 137 ff.

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ZUR 4/2003270

Die Gentechnik stellt den Gesetzgeber weiterhin vor Herausforderungen.Über die aus den intensiven Forschungsarbeiten und Diskursen sowie dar-aus zu ziehenden Schlussfolgerungen, dass Risiken weder mit letzter Sicher-heit auszuschließen sind, noch klar zutage treten, besteht weiterhin keinKonsens. Ebenso wie für die Risiken gilt letzteres auch für den Nutzen, zu-mal Art und Umfang des wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nutzensnur schwer prognostizierbar und stark vom Vorverständnis des jeweiligen Be-trachters geprägt sind. Die europäische Gemeinschaft bemüht sich, durcheine Neufassung der Rahmenbedingungen einen Ausgleich der gegenläufigenInteressen zu bewerkstelligen. Einen Ansatz hierfür liefert die Freisetzungs-richtlinie 2001/18/EG, deren Umsetzungsfrist am 17. 10. 2002 abgelaufenist2, ohne dass bislang auf Bundesebene die Einleitung eines konkreten Ge-setzgebungsverfahrens erkennbar wäre.

A. Das Gentechnikgesetz seit 1990

Das Gentechnikgesetz fasst seit seiner Verabschiedung im Jahr19903 im Gegensatz zu seinen europarechtlichen Vorgaben4 die Be-stimmungen über die Durchführung gentechnischer Arbeiten in ge-schlossenen Systemen und über Freisetzung und Inverkehrbringengentechnisch veränderter Organismen in einem Gesetz zusammen.Die bisherigen Novellierungen hatten die gentechnischen Arbeitenzum Gegenstand. Schwerpunkt der Novellierung von 19935 war dieErleichterung der Durchführung von gentechnischen Arbeitenniedriger Sicherheitsstufe. Eine weitere Novellierung6 erfolgte nun-mehr im Zuge der Umsetzung der geänderten Systemrichtlinie7.Demgegenüber blieben die Regelungen des Gentechnikgesetzes zurFreisetzung gentechnisch veränderter Organismen und zum Inver-kehrbringen seit 1990 weitgehend unverändert.

B. Die Diskussion über das Inverkehrbringen

Während die Regelungen über gentechnische Arbeiten in ge-schlossenen Systemen systematisch in die klassischen umwelt-rechtlichen Instrumentarien eingeordnet wurden und mit diesenauch ohne größere Akzeptanzschwierigkeiten bewältigt werdenkonnten, hat sich bei den Regelungen zur Freisetzung und zum In-verkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen bereitsfrühzeitig erheblicher Konfliktstoff gezeigt. Viele der bei der Gen-technik hervorgetretenen Differenzen waren auf das spätere »Ent-lassen« des gentechnisch veränderten Organismus (GVO) in dieUmwelt hin angelegt. Bereits die Entscheidung des Verwaltungs-gerichtshof Kassel aus dem Jahr 19898, die – methodisch umstrit-ten9 – aus der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates ein Ver-bot mit Erlaubnisvorbehalt herleitete und damit neben deneuroparechtlichen Umsetzungserfordernissen ein Wegbereiter desGentechnikgesetzes in seiner heutigen Gestalt ist, leitete die Risi-ken, die der gesetzgeberischen Bewältigung zugeführt werden soll-ten, vor allem aus dem beabsichtigten Inverkehrbringen her10.

Trotz des abgestuften Kontrollsystems der Freisetzungsrichtlinie(„step by step«)11 und des Gentechnikgesetzes, wonach Freiset-zungen grundsätzlich standortbezogen und auf die Rückholbar-keit des GVO hin angelegt sind, erfolgte die europarechtliche Ein-

ordnung zusammen mit dem Inverkehrbringen und damit alsMaßnahme – vorrangig – der Sicherstellung des freien Warenver-kehrs12, sodass Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zu weitergehen-den Regelungen beschränkt sind13.

Während außerhalb Europas der Verkehr mit gentechnisch ver-änderten Erzeugnissen teilweise sehr liberal gehandhabt wird, ent-wickelte sich nach Erteilung der ersten Zulassungen für das Inver-kehrbringen in vielen Ländern Europas eine allgemein ablehnendeHaltung. Auffällig hierbei ist, dass anders als bei anderen Auseinan-dersetzungen über zivilisatorische Risiken es sich um eine in ande-ren Mitgliedstaaten der EG stärker als in Deutschland auftretendeHaltung handelt. Hinzu kommt die skeptische bis ablehnende Hal-tung der Verbraucher in Bezug auf die neuen Produkte. Die meistengroßen Einzelhandelsketten waren auch nicht bereit, sich offensivder Diskussion über Vorteile und Risiken ihrer neuen Produkte zustellen, weil sie einen Imageverlust befürchteten14. Statt dessen ver-suchten sie durch ihre Außendarstellung oder durch Werbung mit

Aufsatz

1 Der Aufsatz gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder, der seinemFachkollegen Dr. Peter Rudolph für vielfältige Hinweise sowie für Anregungenund Unterstützung dankt. Stand: 10. 3. 2003; spätere Änderungen wurdenbis 10.6.2003 in den Fußnoten berücksichtigt.

2 Im April 2003 hat die EU-Kommission Deutschland neben elf weiteren Mit-gliedstaaten zum Erlass und zur Mitteilung der Umsetzungsregelungen aufge-fordert, vgl. Pressemitteilung der Kommission IP/03/528 vom 10. April 2003;gleichfalls abgelaufen ist die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 98/44/EGvom 6.7.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen(ABl. EG Nr. L 213 vom 30.7.1998, S. 13). Ablauf der Umsetzungsfrist war am30.7.2000. Der entsprechende Gesetzentwurf (BT-Drs. 14/5642 vom23.3.2001=BR-Drs. 655/00 vom 20.10.2000) wurde in der 14. Legislaturperi-ode nicht verabschiedet und bislang nicht erneut eingebracht. Bislang ha-ben nur sechs Mitgliedstaaten die Richtlinien umgesetzt (Bericht der Kom-mission an das Europäische Parlament und den Rat über Entwicklung undAuswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der Gen-technik vom 10.11.2002, Kom (2002) 545 endg., S. 6 f; zu der durch die Nie-derlande erhobenen Nichtigkeitsklage vgl. Epiney, Neuere Rechtsprechungdes EuGH zum allgemeinen Verwaltungsrecht, NVwZ 12/2002, 1429 (1430).

3 Gesetz zur Regelung der Gentechnik vom 20. 6. 1990, BGBl. I 1080, zuletztgeändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes(2.GenTGÄndG) vom 16. 8.2002 (BGBl. I S. 3220).

4 Richtlinie 90/219/EWG vom 23. 4. 1990 über die Anwendung genetisch ver-änderter Organismen in geschlossenen Systemen (ABl. EG Nr. L 117 vom 8.5. 1990, S. 1), zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/81/EG vom 26. 10.1998 (ABl. EG Nr. L 330 vom 5. 12. 1998, S. 13) und Richtlinie 2001/18/EGvom 12. 3. 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Or-ganismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG,ABl. EG Nr. L 106 vom 17. 4. 2001, S. 1.

5 Erstes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes vom 16. 12. 1993, BGBl.I S. 2059.

6 Zweites Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes vom 16. 8. 2002, BGBl.I S. 3220.

7 Oben Fn. 4.8 VGH Kassel, Beschl. vom 6.11.1989, – 8 TH 685/89, JZ 1990, 88 m. Anm.

Rupp, S. 91=NVwZ 3/1990, S. 276=NJW 1990, 336 und Anm. Hirsch, NJW1990, 1445.

9 Sendler, Gesetzes- und Richtervorbehalt im Gentechnikrecht, NVwZ 3/1990,231 und Anm. Hirsch zum Beschluss des VGH Kassel vom 6.11.1989 (Fn. 8).

10 VGH Kassel (Fn. 8), NVwZ 1990, 278. 11 Erwägungsgrund 11 und Art. 5 Nr. 2 i.V.m. Anh. IIa Punkt V B der Richtlinie

90/220/EWG sowie Erwägungsgrund 24 und Art. 6 Abs. 9 der Richtlinie2001/18/EG.

12 Sowohl die Freisetzungsrichtlinie von 1990 als auch die Freisetzungsrichtli-nie von 2001 sind auf die Binnenmarktkompetenz (Art. 100a EGV i.d.F. von1990 sowie Art. 95 EG i.d.F. des Vertrages von Amsterdam) gestützt, obwohlihre vorrangige Zweckbestimmung im Umwelt- und Gesundheitsschutzliegt, Schweizer/Calame, Das Gentechnikrecht der Europäischen Gemein-schaft, RIW 1/1997, 34 (40, 45).

Iwan Chotjewitz 1

Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Richtlinie überdie absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt

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271ZUR 4/2003

dem Verzicht auf die Gentechnik, den Verbrauchern gegenüber diebesondere Natürlichkeit zu betonen.

Hinzu kommen die – u.a. durch die Wahl der Rechtsgrundlagebedingte und stark auf die Liberalisierung ausgerichtete – restrik-tive Haltung der Gemeinschaftsorgane zu abweichenden nationa-len Maßnahmen sowie fragwürdige und im Verhältnis zu den Län-dern nicht abgestimmte Handhabungen beim Vollzug dereuroparechtlichen Vorgaben auf Ebene der EG-Organe und der be-teiligten Bundesbehörden15.

Da die Mitgliedstaaten der EG ihr Vetorecht im Rahmen des EG-Beteiligungsverfahrens nach § 16 Abs. 3 GenTG und Art. 12 undArt. 13 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG nutzten, und dieKommission auch von der Möglichkeit, nach Art. 13 Abs. 4 in Ver-bindung mit Art. 21 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EG im Aus-schussverfahren bzw. durch den Rat eine Mehrheitsentscheidungzu treffen, keinen Gebrauch mehr machte, wurden seit Herbst1998 keine weiteren Inverkehrbringensgenehmigungen erteilt(»Moratorium«). Derzeit stehen über ein Dutzend unbeschiedeneInverkehrbringensanträge bei den europäischen Gremien zur Ent-scheidung an16.

Dies führte dazu, dass die Regelungen des Gentechnikgesetzesund der Freisetzungsrichtlinie – soweit sie einen Anspruch auf Er-teilung einer Genehmigung eröffnen – praktisch nicht mehr voll-zogen wurden. Besondere Konflikte ergaben sich durch die unter-schiedliche Bewertung erforderlicher Sicherheitsabstände zurVermeidung von Auskreuzungen17, sowie bei unbeabsichtigtenEinträgen gentechnisch veränderter Saatgutbestandteile18. Als Ur-sache hierfür kommen etwa Spuren aufgrund des Handels mit an-deren Ländern oder aus Freisetzungen in Betracht. Auch bei Be-achtung aller Vorgaben sind solche Einträge nicht mit letzterSicherheit vermeidbar19.

Zugleich besteht sowohl aus forschungs- als auch aus wirt-schaftspolitischer Perspektive ein erhebliches Interesse, den Fort-gang der Entwicklung auf dem Gebiet der Gentechnik auch in Be-zug auf das Inverkehrbringen nicht auf Dauer zu verhindern.

Die hervorgetretenen Defizite der Freisetzungsrichtlinie von1990 sollten daher in einer novellierten Freisetzungsrichtlinie aus-geräumt werden. Kernpunkte der Überlegungen waren das ver-bindliche Monitoring nach Erteilung der Inverkehrbringensge-nehmigung, eine Verankerung von Grundsätzen für dieRisikobewertung und die Effektivierung des Zulassungsverfah-rens20. Besonders umstritten war dabei die weitere Anwendung derauf Grundlage der Richtlinie 90/220/EG ergangenen Entschei-dung 94/730/EG21 zum vereinfachten Verfahren bei der Nachmel-dung von Standorten22.

Ende 1999 kam es schließlich zur Verabschiedung des gemein-samen Standpunktes23 und am 12. 3. 2001 zur Verabschiedung dernovellierten Freisetzungsrichtlinie24.

C. Inhalt der neuen Freisetzungsrichtlinie

Entsprechend ihrem Ziel, dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis,aber auch der Forderung nach mehr Transparenz sowie Informa-tions- und Beteiligungsmöglichkeiten an Entscheidungsprozesseninsgesamt Rechnung zu tragen, sieht die Freisetzungsrichtlinie ge-genüber dem bisherigen Rechtszustand folgende wesentliche Än-derungen vor25:– Stärkung des Vorsorgegedankens auf Grundlage der Annahme

eines spezifisch gentechnischen Gefährdungspotentials,– Generelle Befristung von Freisetzungsgenehmigungen auf zehn

Jahre,– Fallspezifisches und allgemeines Monitoring,– Verstärkte Information durch öffentliche Register und Einbezie-

hung der Öffentlichkeit sowie wissenschaftlicher Ausschüsse beiZulassungsentscheidungen,

– Maßnahmen bei unvorhergesehenen Auswirkungen,– Befristung der Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen,26

– Verschärfung der Bestimmungen zu Kennzeichnung und Ver-packung sowie zur Rückverfolgbarkeit.Ziel ist insbesondere, den jetzigen Schwebezustand durch einen

den widerstreitenden Belangen Rechnung tragenden Ausgleich zubeenden. Allerdings ergeben sich noch zahlreiche weitere, nichtabschließend oder unklar geregelte Punkte. Diese Defizite beruhenz.T. auf dem kompromisshaften Charakter der Richtlinie, teilwei-se aber auch auf den begrenzten Kompetenzen des europäischenGesetzgebers.

Zu nennen sind hier insbesondere– Regelungen zu Schwellenwerten bei nicht zugelassenen GVO,

vor allem beim Saatgut,27

– Weitergehende Regelungen über die Rückverfolgbarkeit,– Haftungsfragen und Deckungsvorsorge,28

– Konkretisierung der Anforderungen an das Monitoring und– Fortgeltung der Entscheidung 94/730/EG29.

Zur Ermittlung und Bewertung der Umweltauswirkungen (Art.6 Abs. 2 Buchst. b und Art. 13 Abs. 2 Buchst. b sowie Anh. II der

Chot jewitz , Umsetzung der Fre i setzungsr icht l in ie

13 Zur Einordnung in das umweltrechtliche Spektrum Kniesel/Müllensiefen, DieEntwicklung des Gentechnikrechts seit der Novellierung 1993, NJW 5/1999,2564 f.

14 Kloepfer, Rechtliche Gestalt und Grundfragen des Gentechnikrechts, in: J.Lege (Hrsg.), Gentechnik im nicht-menschlichen Bereich – was kann undwas sollte das Recht regeln?, 2001, S. 11 (21).

15 Kniesel/Müllensiefen (Fn. 13), S. 2566; zur »unmittelbaren Anwendung« derEntscheidung 94/730/EG vom 4.11.1994 und dem Verzicht auf eine weitereAnhörung im Rahmen der »Nachmeldung« vgl. OVG Berlin, Beschl. vom9.7.1998, – 2 S 9.97, NVwZ 1/1999, 96=ZUR 1/1999, 37 mit im Ergebnis zu-stimmender Anmerkung von Appel, S. 41; Schweizer/Calame (Fn. 12), RIW1/1997, 34 (35); zum Erfordernis einer bundesdeutschen RechtsverordnungSchlacke, Die Entwicklung des Gentechnikrechts von 1989 bis 2001 – einRechtsprechungsüberblick, ZUR 6/2001, S. 393 (395).

16 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Antwort von Frau Wallström im Na-men der Kommission vom 20.12.2000 auf die schriftliche Anfrage E-2746/00von Erik Meijer (GUE/NGL) an die Kommission vom 1.9.2000, ABl. EG Nr. C163 E vom 6.6.2001, S. 7.

17 VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 27.7.2000, – 8 L 1577/00 und – mit gegentei-ligem Ergebnis – OVG Münster, Beschl. vom 31.8.2000, – 21 B 1125/00,NVwZ 2001, 110 = Agrarrecht 2/2002, 66 = UPR 1/01, 36. Hauptsachever-fahren: VG Gelsenkirchen, Urt. vom 14. 11. 2002, – 8 K 6854/00, zur Proble-matik Schmidt-Eriksen, Von Irrungen und Wirrungen im Gentechnikrecht,NuR 9/2001, 492 (497 f.).

18 Vgl. hierzu den im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlussdes VG Schleswig vom 3.7.2001, – 1 B 35/01, ZUR 2001, 409, bestätigt durchBeschluss des OVG Schleswig vom 16. 7. 2001, – 3 M 2532/01 sowie – ersatz-instanzlich – im Hauptsacheverfahren.

19 Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass nicht sämtliche bislangaufgetretenen Spuren nicht zugelassener GVO »unvermeidbar« waren. Dennim Gefolge der eingeleiteten behördlichen Maßnahmen haben sich dienachgewiesenen GVO-Spuren etwa beim Saatgut merklich verringert, vgl.etwa Pressemitteilung von »agrar.de aktuell« vom 15.3.2002.

20 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zurÄnderung der Richtlinie 90/220/EWG über die absichtliche Freisetzung ge-netisch veränderter Organismen in die Umwelt, KOM (98) 85 endg.; Ratsdok.6378/98, BR.-Drs. 229/98 vom 10.3.1998, S. 7.

21 TOP 49 der 25. ACK der Umweltministerkonferenz am 23./24. 3. 2000 in Berlin22 Vgl. hierzu die wenig ergiebigen Ausführungen auf S. 42 des Gemeinsamen

Standpunktes EG Nr. 12/2000 vom 9.12.1999, ABl. EG Nr. C 64 vom6.3.2000, S. 1 wonach diese Entscheidung »auf der Grundlage von Art. 6durch eine Entscheidung mit entsprechendem Inhalt« ersetzt werden soll.

23 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 12/2000, s. vorherige Fußnote. 24 Fn. 4.25 Vgl. i.E. etwa Presseerklärung der Kommission »Fragen und Antworten zur

GVO-Regelung in der EU« vom 29. 10.2001.26 Näher zu Antibiotikaresistenzgenen Schauzu, Risiken und Chancen der Gen-

technik für die Lebensmittelherstellung, ZUR 1/1999, 3 (5 f.). 27 Diese Regelungen sind zu unterscheiden von der in Art. 21 Abs. 2 der Richt-

linie 2001/18/EG vorgesehenen Festlegung von Schwellenwerten für dieKennzeichnungspflicht bei zufälligen oder technisch unvermeidbaren Spu-ren zugelassener GVO im Ausschussverfahren.

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ZUR 4/2003272

Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG) hat die Kommission zwi-schenzeitlich eine Entscheidung getroffen30, der im Hinblick aufErmittlung und Bewertung der in den meisten Fällen bestehendenErkenntnisdefizite31 eine besondere Bedeutung zukommt.

Weitere Entscheidungen des Rates sind zwischenzeitlich zumMonitoring32 sowie zu den bei der Anmeldung von Freisetzungenund des Inverkehrbringens vorzulegenden Unterlagen33 ergangen.Durch die dargestellten Rechtsakte wird u.a. Vorbehalten einzel-ner am Gesetzgebungsverfahren Beteiligter bei der Verabschie-dung der Richtlinie Rechnung getragen34.

D. Stand und offene Fragestellungen bei der Umsetzung

Trotz Ablaufs der Umsetzungsfrist am 17. 10. 2002 sind bislang inDeutschland noch keine Umsetzungsschritte erkennbar. Entgegenihrer ursprünglichen Absicht hat die Bundesregierung die Gesetz-gebungsverfahren zur Umsetzung der Systemrichtlinie35 und derFreisetzungsrichtlinie auch nicht zusammengefasst36. Die feder-führende Zuständigkeit für das Gentechnikrecht ist zwischenzeit-lich vom Bundesministerium für Gesundheit auf das Bundesmi-nisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaftübergegangen37.

Verzögerungen bei der Umsetzung der novellierten Freiset-zungsrichtlinie sind auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäi-schen Gemeinschaft zu verzeichnen38.

Einige ausgewählte Fragestellungen bei der Umsetzung sollennachfolgend kurz dargestellt werden: das Monitoring (1.), dieRückverfolgbarkeit (2.), das Verhältnis zum (Landes-) Natur-schutzrecht (3.) und die Problematik unbeabsichtigter Spuren gen-technisch veränderter Organismen (4.).

1. Soweit bislang gesetzliche Regelungen zum Umweltmonitoringbestehen, wird meist der Staat in Wahrnehmung seiner Schutz-funktion, nicht aber der (öffentliche oder private) Anwender ver-pflichtet. Der Gesetzgeber betritt daher in diesem Punkt gesetzge-berisches Neuland. Zur fachlichen und gesetzgeberischenAusgestaltung des fallspezifischen ebenso wie des allgemeinenMonitoring bestehen noch zahlreiche offene Fragen, u.a.39

– die Definition und Konkretisierung von Begriffen und Zielstel-lungen40,

– Fragen der Aufgabenverteilung und der Verantwortungsteilungsowohl zwischen der staatlichen Seite und den Anwendern alsauch zwischen Bund und Ländern sowie damit im Zusammen-hang stehende Fragen der Kostentragung41,

– Information und Beteiligung der Öffentlichkeit am Monitoring,– Festlegung der Schnittstelle zwischen Monitoring nach und Si-

cherheitsforschung/Risikobewertung vor dem Inverkehrbrin-gen42 sowie zwischen allgemeinem und fallspezifischem Moni-toring43 und

– Entwicklung von Schlussfolgerungen und Umsetzung von Er-gebnissen für bereits in Verkehr oder in der Umwelt befindlicheGVO44.

2. Klärungsbedürftig ist weiterhin die konkrete Ausgestaltung dervorgesehenen Rückverfolgbarkeit45 und die teilweise auch beimInverkehrbringen geforderte Rückholbarkeit bei unvorhergesehe-nen Auswirkungen. Die weltweite, jedenfalls aber europaweite Ar-beitsteilung in den betroffenen Wirtschaftszweigen und die großeVerarbeitungstiefe vieler Produkte stellt die mit der Rückverfolg-barkeit beabsichtigte Identifizierung der einzelnen gentechni-schen Veränderungen vor fachlich schwer lösbare Probleme.

3. Im Gesetzgebungsverfahren wird auch das Verhältnis zwischen denbundesrechtlichen Vorgaben des Gentechnikrechts mit seinem ab-schließenden Regelungsanspruch für gentechnikspezifische Risi-ken46 und landes(naturschutz-)rechtlichen Regelungen über beson-dere Schutzziele bei der Ausweisung von Schutzgebieten zudiskutieren sein. Auch die Ausweisung von Gebieten ohne Nutzunggentechnisch veränderter Organismen u.a. als Referenzflächen fürdas Monitoring wird zu erörtern sein47.

Aufsatz

28 Im Rahmen der Novellierung des Umwelthaftungsrechts auf europäischerEbene, vgl. hierzu den Vorschlag für eine Richtlinie über Umwelthaftungvom 23.1.2002, KOM (2002) 17 endg., 2002/0021 (COD), insb. Art. 16 undArt. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang I (dort die letzten beiden Anstriche) und Godt,Rückabwicklung von Inverkehrbringensgenehmigungen und Haftung fürgentechnische Produkte, NJW 16/2001, 1167 (1172 f.).

29 Entscheidung der Kommision (94/730/EG) vom 4.11.1994 zur Festlegungvon vereinfachten Verfahren für die absichtliche Freisetzung genetisch ver-änderter Pflanzen nach Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 90/220/EWG des Rates,ABl. Nr. L 292 vom 12.11.1994, S. 31 (oben Fn. 15).

30 Entscheidung der Kommission vom 24.6.2002 über Leitlinien zur Ergänzung desAnhangs II der Richtlinie 2001/18/EG, ABl. EG Nr. L 200 vom 30.7.2002, S. 22.

31 Jörgensen/Winter, Rechtliche Probleme bei der Freisetzung von gentechnischveränderten Organismen, ZUR 6/1996, 293 (296-298).

32 Entscheidung 2002/811/EG des Rates vom 3.10.2002 über Leitlinien zur Er-gänzung des Anhangs VII der Richtlinie 2001/18/EG, ABl. EG Nr. L 280 vom18.10.2002, S. 27

33 Entscheidungen 2002/812/EG und 2002/813/EG vom 3.10.2002 zur Festle-gung des Schemas für die Zusammenfassung der Anmeldeinformationenzum Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen als Produkte oderin Produkten sowie für die Zusammenfassung der Informationen zur An-meldung einer absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismenin die Umwelt zu einem anderen Zweck als zum Inverkehrbringen, ABl. EGNr. L 280 vom 18.10.2002, S. 37 und S. 62.

34 Interinstitutionelles Dossier 98/0072 (COD) vom 7.2.2001 zur Annahme derRichtlinie. Die Kommission verwahrte sich demgegenüber gegen die Präjudizie-rung ihres Initiativrechts (Art. 251 Abs. 2 EG i.d.F. des Amsterdamer Vertrages).

35 Oben Fn. 4.36 Stellungnahme der Bundesregierung (zu dem Gesetzentwurf des Bundesra-

tes) vom 26.4.2001, BT-Drs. 14/5928, Anlage 2 (S. 13) sowie Gegenäußerungder Bundesregierung zu Punkt 1 der Stellungnahme des Bundesrates im »1.Durchgang« vom 13.2.2002, BT-Drs.14/8767 vom 11.4.2002, S. 1, S. 23.

37 Punkt III. des Organisationserlasses des Bundeskanzlers vom 22. 10. 2002,BGBl. I S. 4206; zur Anpassung der Behördenbezeichnungen sowie zur Über-tragung bisheriger Zuständigkeiten des Robert-Koch-Instituts auf das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und vom Umwelt-bundesamt auf das Bundesamt für Naturschutz hat die Bundesregierungzwischenzeitlich einen Gesetzentwurf vorgelegt (BR-Drs. 315/03 vom9.5.2003 = BT. Drs. 15/996 vom 20.5.2003).

38 Zur verbesserten Umsetzung gemeinschaftlicher Richtlinien hat die EG-Kommission die »Mitteilung zur besseren Kontrolle der Anwendung des Ge-meinschaftsrechts« vom 11.12.2002 (Kom (2002) 725 endg.) verabschiedet.Darin (S. 8) ist vorgesehen, über ein online-Portal getrennt nach Sachberei-chen und Mitgliedstaaten Fälligkeitsdaten, Umsetzungsquoten und natio-nale Umsetzungsmaßnahmen zu veröffentlichen. Vgl. nunmehr http://eu-ropa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/index_en.htm .

39 I.E. Sauter, Risikomanagement transgener Pflanzen: Nachzulassungsmonitoringals Lösung?, Beitrag aus: TAB-Brief Nr. 20, Juni 2001, S. 12-15, in: Stand der Ent-wicklung des Monitoring von gentechnisch veränderten Organismen (GVO),UBA-Materialiensammlung Stand August 2001, (UBA-Texte 60/01), S. 5-11.

40 Vgl. Rudolph, Zum Monitoring gentechnisch veränderter Organismen – Aus-wertung des Status Quo mit weiterführenden Vorschlägen, in: UBA-Mate-rialiensammlung (Fn. 39), S. 144 (147 f.).

41 Eckpunkte für ein Monitoring der Umweltwirkungen von gentechnisch ver-änderten Pflanzen (GVP), Arbeitsergebnis der Bund/Länder AG »Monitoringder Umweltwirkungen von GVP (September 2000), in: UBA-Materialien-sammlung (Fn. 39), S. 17-32 und Sauter/Meyer, Monitoring nach dem Inver-kehrbringen, Auszug aus TAB-Arbeitsbericht Nr. 68 (2000) »Risikoabschätzungund Nachzulassungsmonitoring transgener Pflanzen-Sachstandsbericht«,UBA-Materialiensammlung (a.a.O.), S. 174 (195).

42 Sauter/ Meyer, Monitoring nach dem Inverkehrbringen, Auszug aus TAB-Ar-beitsbericht Nr. 68(2000) »Risikoabschätzung und Nachzulassungsmonito-ring transgener Pflanzen – Sachstandsbericht, in: UBA-Materialiensammlung(Fn. 39), S. 174 (192).

43 Zu den Begrifflichkeiten Züghart/Breckling, Konzeptionelle Entwicklung einesLangzeitmonitoring von Umweltwirkungen transgener Kulturpflanzen, in:UBA-Materialiensammlung (Fn. 39), S. 64 (65 f.). Während das allgemeineMonitoring der Ermittlung von bislang unerkannten Risiken dient, dient dasfallspezifische Monitoring der weiteren Verfolgung von erkannten, bei Er-teilung der Genehmigung aber als vertretbar eingeschätzten Risiken auf-grund der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des »step-by-step«-Systems.

44 Sauter/Meyer, Monitoring nach dem Inverkehrbringen, Auszug aus TAB-Ar-beitsbericht Nr. 68(2000) »Risikoabschätzung und Nachzulassungsmonito-ring transgener Pflanzen-Sachstandsbericht«, in: UBA-Materialiensammlung(Fn. 39), S. 174 (197); Godt, Rückabwicklung von Inverkehrbringensgeneh-migungen (Fn. 28), S. 1167 (1170).

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273ZUR 4/2003

4. Eine weitere Schwierigkeit bei der Umsetzung ist, dass die – be-sonders umstrittenen – Regelungen der Freisetzungsrichtlinie überSchwellenwerte und über die Vermeidung von unbeabsichtigtenVerunreinigungen, über die Kennzeichnung bei zugelassenenGVO und über die Zulässigkeit des Inverkehrbringens bei Spurennicht zugelassener GVO derzeit auf EU-Ebene überarbeitet wer-den48, wobei zu der Frage der Behandlung von Spuren nicht zuge-lassener GVO bislang keine Einigung abzusehen ist. Während derVorschlag der Kommission hierfür einen Schwellenwert von ei-nem Prozent vorsah49, forderte das Europäische Parlament für die-se Fälle eine Orientierung an der Nachweisgrenze, was die Kom-mission ablehnte50. Zwischenzeitlich wurde auf Ratsebene einepolitische Einigung erzielt, den Schwellenwert für diese Verunrei-nigungen auf 0,5 % herabzusetzen und nur noch für einen Über-gangszeitraum zu dulden. Ob somit künftig -wie von der Kom-mission vorgeschlagen und weiterverfolgt – zwischen den»zugelassenen GVO«, solchen GVO, die in anderen Staaten einerSicherheitsbewertung im Hinblick auf das Inverkehrbringen er-halten haben, und von denen daher51 keine Gefährdung ausgeht,und solchen GVO zu unterscheiden sein wird, für die eine solcheBewertung nicht vorliegt, kann derzeit nicht abgeschätzt werden.

E. Ausblick

Es kann zusammenfassend davon ausgegangen werden, dass sei-tens des europäischen Gesetzgebers zwar eine Frist für die Umset-zung der Freisetzungsrichtlinie vorgegeben52, zugleich aber auchnoch Veranlassung für zusätzliche und flankierende Regelungensowie z.T. auch für Änderungen gesehen wird. In dieser Situationist es für den Mitgliedstaat schwierig, den konkreten Regelungs-auftrag zu erkennen und Richtlinien fristgerecht umzusetzen. Eineunmittelbare Anwendung der Freisetzungsrichtlinie kommt inAnbetracht der sich aus der Richtlinie für Private ergebenden Be-lastungen53 sowie der fehlenden Unbedingtheit, der Ausfüllungs-bedürftigkeit und der Unbestimmtheit ihrer Regelungen nur beiden an staatliche Stellen gerichteten Verpflichtungen (insoweit al-lerdings mit unklarem Handlungsauftrag) in Betracht. Die ver-tragsrechtliche Umsetzungsverpflichtung und damit der Gel-tungsanspruch des Gemeinschaftsrechts54 droht hierdurch infragegestellt zu werden.

Die Verzögerungen bei der Umsetzung der novellierten Freiset-zungsrichtlinie können somit nur zu einem geringen Teil demBundesgesetzgeber angelastet werden. Die hohe Meßlatte, die sichder europäische Gesetzgeber mit seinem Konzept zur verbessertenUmsetzung gemeinschaftlicher Richtlinien55 gesetzt hat, dürfte ge-rade bei gemeinschaftlichen Rechtsakten zur Gentechnik in An-betracht der Vielstimmigkeit der auf EG-Ebene zusammenwirken-den Mitgliedstaaten, die ihrerseits die unterschiedlicheninnerstaatlichen Positionen widerspiegelt, nur schwer zu er-reichen sein.

Für den Fortgang der Umsetzung der Freisetzungsrichtliniekommt es nunmehr darauf an, an die Stelle des Austauschs vonGrundsatzpositionen die Diskussion über die Ausgestaltung derkünftigen Rahmenbedingungen zu setzen. Hierbei dürfte der deut-sche Gesetzgeber in der nächsten Zeit einige Hindernisse zu be-wältigen haben.

Stök l , D ie Gentechnik und d ie Koex is tenzfrage: Z iv i l recht l i che Haftungsrege lungen

45 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates überdie Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung genetisch veränderter Organismenund über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen her-gestellten Lebensmitteln und Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie2001/18/EG vom 25.7.2001, ABl. EG Nr. CE 304 vom 30.10.2001, S. 327; vgl.hierzu nunmehr den gem. Art. 250 Abs. 2 EG geänderten Vorschlag der Kom-mission, vorgelegt am 13.9.2002, ABl. EG Nr. CE 331 vom 31.12.2002, S. 308 so-wie den Gemeinsamen Standpunkt, unter Fn. 50.

46 Kloepfer, Rechtliche Gestalt und Grundfragen des Gentechnikrechts (Fn. 14),S. 16 und Umweltrecht, § 16 Rdnr. 12.

47 Nöh, Maßstäbe und Erfahrungen des Umweltbundesamtes hinsichtlich derBewertung von Umweltwirkungen gentechnisch veränderter Organismen(GVO), in: UBA-Materialsammlung (Fn. 39), S. 76 (84 f.); Lemke/Winter, Gen-technik und Naturschutz. Naturschutzbezogene Anforderungen in der gen-technikrechtlichen Vermarktungsgenehmigung, Abschlussbericht FuE-Vor-haben des UBA FKZ-20067413, 2001.

48 Zur Gesamtproblematik vgl. Schmidt-Eriksen, Von Irrungen und Wirrungenim Gentechnikrecht, NuR 9/2001, 492 (497 f.); Heublein, Nulltoleranz oderSchwellenwerte, NuR 12/2002, 719 (720). Die Festlegung von Schwellen-werten für in der EG nicht zugelassene GVO wirft schwierige Rechtsfragensowohl hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit (zu den Rahmenbedin-gungen der internationalen Agrarmärkte vgl. etwa die Schlussfolgerungenauf S. 14 des Hintergrundpapiers des durch das Bundesministerium für Ver-braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft initiierten »Gesprächskrei-ses Grüne Gentechnik«), als auch in Bezug auf die welthandelsrechtlichenRahmenbedingungen auf (vgl. hierzu etwa Burchardi, Labelling of Geneti-cally Modified Organisms: A Possible Conflict with the WTO?, ZLR 1/2001,83 (101)). Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlamentsund des Rates über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel vom30.7.2001 (ABl. EG Nr. CE 304 vom 30.10.2001, S. 221) sieht in Art. 42 durchÄnderung der Freisetzungsrichtlinie eine Regelung über die Zulässigkeit vonGVO-Spuren vor, wenn diese zufällig oder technisch unvermeidbar sind unddie Ungefährlichkeit für die Umwelt sowie die menschliche Gesundheitdurch den wissenschaftlichen Ausschuss und die Europäische Behörde fürLebensmittelsicherheit festgestellt ist; vgl. hierzu nunmehr den Gemeinsa-men Standpunkt, unten Fn. 50.

49 Art. 42 des Vorschlages für eine Verordnung des Europäischen Parlamentsund des Rates über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel vom30.7.2001 (ABl. EG Nr. CE 304 vom 30.10.2001, S. 221).

50 Von der Kommission gemäß Art. 250 Abs. 2 EG vorgelegter geänderter Vor-schlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates übergenetisch veränderte Lebens- und Futtermittel vom 8.10.2002, Kom (2002)559 endg; am 17.3.2003 wurden vom Rat zu beiden Verordnungsvorschlä-gen gemeinsame Standpunkte (Nr. 21/2003 und 22/2003) verabschiedet(ABi. EG Nr. CE 113 vom 13.5.2003, S. 21 (Rückverfolgbarkeit) und S. 31 (Ge-netisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel), die die Ergebnisse der po-litischen Einigung wiedergeben.

51 Nach Feststellung durch den zuständigen wissenschaftlichen Ausschuss unddie europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (ELB), oben Fn. 49.

52 Art. 34 der Richtlinie 2001/18/EG (Fn. 4). 53 Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 1997, 5. Kap. D II, S. 140;

EuGH, Urt. vom 26.2.1986, – Rs. 152/84, NJW 35/1986, 2178 (2180); BVer-wG, Urt. vom 19.5.1998, – 4 A 9.97, NuR 1998, 544 (549); Jarras, Die Vorga-ben des Europäischen Gentechnikrechts für das deutsche Recht, NuR 1991,49 (51).

54 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2.10.1997 zu den Bezie-hungen zwischen dem Völkerrecht, dem Gemeinschaftsrecht und dem Ver-fassungsrecht der Mitgliedstaaten, BR-Drs. 829/97 vom 21.10.1997.

55 Oben Fn. 38.

Dr. Iwan Chotjewitzseit 1993 im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung desLandes Brandenburg, bis 2001 als Referent für Immissionsschutzrecht undAtomrecht; seit der Umstrukturierung des Ministeriums für Landwirtschaft,Umweltschutz und Raumordnung Referent für Rechtsangelegenheiten desgesundheitlichen Verbraucherschutzes in der neugebildeten Abteilung Ver-braucherschutzAnschrift: Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnungdes Landes Brandenburg, Abteilung 3 (Verbraucherschutz), Postfach 60 1150, 14411 Potsdam, e-mail: [email protected]ätigkeitsschwerpunkte: Gentechnik, Lebens- und Futtermittelrecht, Rechts-angelegenheiten des Veterinärwesens, Atomrecht, Chemikalienrecht.Bisherige Veröffentlichungen u.a. zum Immissionsschutzrecht mit Schwer-punkt Lärmschutz und zum Rückbau kerntechnischer Anlagen.

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ZUR 4/2003274

Gegenwärtig wird in verschiedenen Foren auf nationaler, EG- und interna-tionaler Ebene diskutiert, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen für dieKoexistenz des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen und nichtgentechnisch veränderten Pflanzen auszugestalten sind. Die diskutiertenMaßnahmen reichen von der Empfehlung bestimmter technischer Maß-nahmen (wie etwa der Einhaltung von Mindestabständen) bis hin zur Fest-legung von Gebieten, in denen keine gentechnisch veränderten Pflanzen an-gebaut werden dürfen1. Eine entscheidende rechtliche Rahmenbedingung fürdie Koexistenz ist die zivilrechtliche Haftung. Fraglich ist insoweit, ob undinwieweit ein Landwirt, der auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflan-zen verzichtet, bei möglichen Beeinträchtigungen durch den Anbau gen-technisch veränderter Pflanzen in der Nachbarschaft Abwehr- bzw. Scha-densersatzansprüche hat. Gegenstand dieses Beitrags ist eine Erörterungdieser mit der Koexistenzproblematik verknüpften Haftungsfragen. Nach ei-ner Darstellung der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts undder Handlungsmöglichkeiten der EG steht im Mittelpunkt die Frage, inwie-weit Ansprüche de lege lata bestehen und inwieweit der deutsche Gesetzge-ber europa-, verfassungs- und WTO-rechtlich Spielraum für eine Verände-rung der bestehenden Vorschriften hätte.

A. Ausgangssituation und Fragestellung

Bislang werden in der EG gentechnisch veränderte Pflanzen nur ingeringem Maße angebaut. Seit 1998 sind aufgrund des sogenanntende facto-Moratoriums keine weiteren Genehmigungen für das In-verkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen (GVO) mehrerteilt worden. Nach Äußerungen der Europäischen Kommission istaber damit zu rechnen, dass ab Herbst 2003 wieder Genehmigungenerteilt werden könnten. Durch den vermehrten Anbau gentechnischveränderter Pflanzen wird es wegen Auskreuzung und Vermischungbei Erzeugung und Transport technisch noch schwieriger als bislangsein, Produkte zu erzeugen, die kein gentechnisch verändertes Ma-terial enthalten2.

Das bloße Vorhandensein gentechnisch veränderten Materialsin Erzeugnissen kann, selbst wenn keine schädlichen Auswirkun-gen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit zu befürch-ten sind, mit wirtschaftlichen Verlusten korrespondieren: Die EG-Öko-VO untersagt grundsätzlich die Verwendung von GVO undGVO-Derivaten3. Der ausdrückliche Grund hierfür sind verbrau-cherschutzpolitische Erwägungen4. Damit besteht das Risiko, dassein Landwirt sein Erntegut nach einer Einkreuzung5 von GVOnicht mehr als aus ökologischem Landbau stammend kennzeich-nen darf und einen geringeren Erlös erzielt. Das Ausmaß diesesProblems hängt auch von der Auslegung des gemeinschaftsrecht-lich nicht definierten Begriffes der »Verwendung« ab. Vor allem istbislang nicht hinreichend geklärt, inwieweit eine »Verwendung«ein intentionales Handeln voraussetzt. Gegen eine Auslegung, wo-nach eine Verwendung nur vorliegt, soweit ein Eintrag von GVOmit dem Willen des betroffenen Landwirtes erfolgt ist6, spricht ne-ben der Verbrauchererwartung an Erzeugnisse aus ökologischemLandbau7 auch, dass eine solche Auslegung erhebliche Beweispro-bleme zur Folge hätte. Ohne dass diese Frage hier abschließend ge-klärt werden kann, besteht angesichts der ungeklärten Situationjedenfalls das Risiko, dass auch nach einer unbeabsichtigten Aus-kreuzung von GVO die Anforderungen der Öko-VO nicht mehr

eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die EuropäischeKommission zwar ermächtigt, unter Beteiligung der Mitgliedstaa-ten im Ausschussverfahren Schwellenwerte für das unvermeidba-re Vorhandensein gentechnisch veränderter Bestandteile festzule-gen. Sie hat jedoch von dieser Ermächtigung bisher noch keinenGebrauch gemacht.

Die Problematik beschränkt sich nicht auf den Ökolandbau,sondern betrifft auch die konventionelle Landwirtschaft. Das OVGMünster hat in einer Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz-verfahren ein rechtswidriges, da nicht genehmigtes Inverkehr-bringen von GVO darin gesehen, dass ein Landwirt Rapserntegutveräußert, das GVO enthält, die sich nach der Bestäubung seinernicht gentechnisch veränderten Pflanzen mit Pollen von gen-technisch veränderten Rapspflanzen aus einem Freilandversuchauf einem Nachbarfeld gebildet haben8. Diese Entscheidung wur-de in der juristischen Literatur sehr unterschiedlich bewertet9. BeiZugrundelegung der Entscheidung des OVG Münster kann einwirtschaftlicher Nachteil darin liegen, dass ein von einer Auskreu-zung betroffener Landwirt sein Erntegut nur dann in Verkehr brin-gen darf, wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen desGVO vorliegt. In der Hauptsache hat jetzt das VG Gelsenkirchen10

Aufsatz

* Der Autor ist Referent im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft, BMVEL. Die Thesen und Argumente dieses Beitrags stellendie persönliche Rechtsauffassung des Autoren dar und müssen nicht denen desBMVEL entsprechen.

1 Vgl. insbesondere Stelzer/Bernert/Gotsbacher, Moratorium der Gentechnik? Ver-fassungs- und europarechtliche Vorgaben der Errichtung gentechnikfreier Be-wirtschaftungsgebiete; Kerschner/Wagner, Mögliche legistische Maßnahmen zumSchutz der biologischen und gentechnikfreien konventionellen Landwirtschaftin Österreich vor Kontaminationen und Verunreinigungen mit GVO unterBerücksichtigung des EU-Rechts und der WTO-Verträge, Hermanowski/Tappeseret al., Grüne Gentechnik und ökologische Landwirtschaft; vgl. auch die Mittei-lung von EU-Kommissar Fischler an die Kommission, Co-existence of GeneticallyModified, Conventional and Organic Crops (im Internet unter http://www.bio-sicherheit.de/pdf/aktuell/Fischler_02_2003.pdf).

2 Das Joint Research Centre der Europäischen Kommission hat in einer modellhaftenStudie untersucht, welche Kosten dadurch entstehen könnten. Der Studie zufolgedürfte es wirtschaftlich kaum möglich sein, in einer Region, in der gentechnischveränderte Pflanzen angebaut werden, für gentechnisch veränderte Bestandteilein ansonsten nicht gentechnisch veränderten Pflanzen die derzeitige technischeNachweisgrenze von 0,1% zu unterschreiten. Scenarios for co-existence of geneticallymodified, conventional and organic crops in European Agriculture (im Internet unterhttp://www.jrc.cec.eu.int/download/GMCrops_coexistence.pdf).

3 Vgl. Art. 1 Nr. 6, 10, 11, 13, 14 der Verordnung (EG) Nr. 1804/1999 des Rates vom19. 7. 1999 zur Einbeziehung der tierischen Erzeugung in den Geltungsbereichder (EWG) Nr. 2092/91 über den ökologischen Landbau und die entsprechendeKennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EGNr. L 222 vom 24.8.1999).

4 Erwägungsgrund 10 der VO 1804/99: »Genetisch veränderte Organismen (GVO)und deren Derivate sind mit der ökologischen Wirtschaftsweise unvereinbar. Umdas Vertrauen der Verbraucher zur ökologischen Erzeugung nicht zu erschüttern,sollten genetisch veränderte Organismen, Teile davon oder auf deren Grundla-ge hergestellte Erzeugnisse nicht in Erzeugnissen, die als Erzeugnisse aus ökolo-gischem Landbau gekennzeichnet sind, verwendet werden.«

5 Die folgenden Ausführungen sind modellhaft an dem Beispiel der Auskreuzungvon GVO ausgerichtet. Entsprechendes gilt für unbeabsichtigte Vermischungenmit gentechnisch veränderten Bestandteilen und Durchwuchs gentechnisch ver-änderter Pflanzen.

6 In diese Richtung etwa Stelzer/Bernert/Gotsbacher (siehe oben Fn. 1), S. 38 f.7 Kerschner/Wagner (siehe oben Fn. 1), S. 55 f.8 OVG Münster, Beschluss vom 31.8.2000, – 21 B 1125/00.9 Vgl. Dederer, GVO-Spuren unter Genehmigungsvorbehalt? NuR 2001, 64 ff.;

Müller-Terpitz, »Genraps-Bauer wider Willen«, NVwZ 2001, 46 ff.; Friedrich, DieMarkteinführung gentechnisch veränderter Lebensmittel durch Pollenflug,NVwZ 2001, 1129 f.; Groß, Tücken des Gentechnikrechts bei der Auskreuzungvon Gen-Raps, ZLR 2001, 243 ff.; Ronellenfitsch, Die Entwicklung des Gentech-nikrechts Teil II, VerwArch 2002, S. ff. (451 ff.).

10 VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14.11.2002, – 8 K 6854/00.

Lorenz Stökl

Die Gentechnik und die Koexistenzfrage: Zivilrechtliche Haftungsregelungen*

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275ZUR 4/2003

anders als das OVG Münster (und das VG Schleswig in einer ande-ren Entscheidung11) bei unbeabsichtigter Auskreuzung schon dasVorliegen eines GVO verneint. Die Berufungsentscheidung desOVG Münster in der Hauptsache bleibt abzuwarten.

Schließlich können – auch außerhalb des Ökolandbaus – Ver-mögensnachteile dadurch ausgelöst werden, dass nach einer un-beabsichtigten Auskreuzung Erntegut als gentechnisch verändertgekennzeichnet werden muss12 und damit möglicherweise nur zugeringeren Preisen vermarktet werden kann. Die Kennzeich-nungsvorschriften sollen gerade auch dem Verbraucherschutz die-nen13. Für die Kennzeichnungspflicht ist entscheidend, inwieweitim Einzelfall eine Kennzeichnung unterhalb von Schwellenwertenentbehrlich ist14.

B. Haftungsregeln auf EG-Ebene

I. Bestehende Regelungen und Regelungsvorschläge

Das EG-Recht enthält bislang keine Regelung der zivilrechtlichenHaftung im Hinblick auf die Auskreuzung von GVO und darausresultierende wirtschaftliche Schäden für andere Landwirte.

Die Freisetzungs-RL15 regelt die Zulassung von Freisetzung undInverkehrbringen von GVO, enthält aber keine Vorschriften überdie zivilrechtliche Haftung. Im Übrigen sind auch die Zulassungs-kriterien der Freisetzungs-RL nicht auf eine Klärung der Koexi-stenzproblematik ausgelegt: Die Zulassung hängt im Wesentli-chen16 davon ab, welche Auswirkungen ein GVO auf die Umweltund die menschliche Gesundheit hat17. Die Möglichkeit des Aus-kreuzens eines GVO ist daher nur insoweit Zulassungskriterium,als mit der Auskreuzung Auswirkungen auf die Umwelt odermenschliche Gesundheit zusammenhängen. Die Freisetzungs-RLschützt insofern nicht allgemein vor wirtschaftlichen Verlustendurch unbeabsichtigtes Auskreuzen von GVO.

Die Produkthaftungs-RL18, die die mitgliedstaatlichen Normenfür die zivilrechtliche Haftung des Herstellers für durch fehlerhaf-te Sachen verursachte Schäden harmonisieren soll, erfasst Sach-schäden nur, wenn die betreffende Sache ihrer Art nach gewöhn-lich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzuvon dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist19.Außerdem setzt eine Haftung nach der Produkthaftungs-RL vor-aus, dass ein Produkt fehlerhaft ist. Fehlerhaft i.S.v. Art. 6 der Pro-dukthaftungs-RL ist ein Produkt jedoch nur dann, »wenn es nichtdie Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Um-stände [...] zu erwarten berechtigt ist«. Dass gentechnisch verän-derte Pflanzen ähnlich wie konventionelle Pflanzen auskreuzen,widerspricht aber gerade keiner berechtigten Erwartung, so dass inden Auskreuzungsfällen ein Produktfehler regelmäßig zu vernei-nen ist.

Auch der Vorschlag der Kommission für eine Umwelthaftungs-RL20 enthält keine Regelung der Koexistenzfrage. Der Vorschlag er-fasst auch Tätigkeiten mit GVO, insbesondere auch die absichtli-che Freisetzung und das Inverkehrbringen von GVO21. DemRegelungskonzept der Umwelthaftungs-RL entsprechend geht esaber in diesem Rahmen nicht um eine zivilrechtliche, sondern umeine ordnungsrechtliche Haftung wegen Schäden an Rechts-gütern, die wie etwa die biologische Vielfalt nicht Privatrechts-subjekten zugeordnet sind.

II. Regelungsbefugnis der EG

Da bislang keine gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften bestehen,die die zivilrechtliche Komponente des Nebeneinanders der un-terschiedlichen Produktionsmethoden hinreichend regeln, stellt

sich die Frage, ob und inwieweit die EG zur Regelung dieses Berei-ches befugt wäre.

Aus der Produkthaftungs-RL lassen sich Erkenntnisse hierfürund, damit zusammenhängend, für die Frage nach der Ermächti-gungsgrundlage der EG herleiten. Die Unterschiede der bestehen-den nationalen Vorschriften und die dadurch bewirkte Gefahr er-heblicher Wettbewerbsverzerrungen, die Beeinträchtigung desWarenverkehrs und der Verbraucherschutz waren Grund für denErlass der Produkthaftungs-RL zur EG-weiten Harmonisierung22.Nach heutiger Rechtslage wäre Art. 95 EG die Ermächtigungs-grundlage für die 1985, also vor Einführung von Art. 95 EG (bzw.Art. 100a EGV a.F.) erlassene Produkthaftungs-RL23. Dies lässt sichauf eine europarechtliche Grundregelung zivilrechtlicher Scha-densersatzpflichten im Hinblick auf das unerwünschte Vorhan-densein von GVO übertragen. Auch hier besteht die Gefahr er-heblicher Wettbewerbsverzerrungen, denn zum einen divergierendie mitgliedstaatlichen Vorschriften über die zivilrechtliche Haf-tung bei GVO24. Zum anderen sind diese Regelungen von wesent-licher Wettbewerbsrelevanz, insbesondere wenn man sie mit denharmonisierten Detailvorschriften der auf Art. 95 EG gestütztenFreisetzungs-RL etwa über die im Zulassungsverfahren vorzule-genden Unterlagen vergleicht25. Ein weiteres Argument für eineHarmonisierung ergibt sich daraus, dass Auskreuzungen von GVOund Beimischungen grenzüberschreitend geschehen können. Fer-ner kann eine Harmonisierung der zivilrechtlichen Haftungsre-

Stök l , D ie Gentechnik und d ie Koex is tenzfrage: Z iv i l recht l i che Haftungsrege lungen

11 VG Schleswig, Beschluss vom 3.7.2001, – 1 B 35/01.12 Vgl. von den geltenden Vorschriften insbesondere Art. 8 Verordnung (EG) Nr.

258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über neuar-tige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. EG Nr. L 043 vom14.2.1997) und deren Ergänzungen insbesondere durch die Verordnung (EG) Nr.1139/98 des Rates vom 26.5.1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in derRichtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmteraus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrie-ben sind (ABl. EG Nr. L 159 vom 3.6.1998), und die Verordnung (EG) Nr. 49/2000der Kommission vom 10.1.2000 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1139/98des Rates über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG auf-geführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch verändertenOrganismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind (ABl. EG Nr. L 006vom 11.1.2000).

13 Erwägungsgrund 8 der VO 258/97/EG: »Unbeschadet der übrigen Anforderun-gen in gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften an die Etikettierung von Lebens-mitteln sind zusätzliche spezifische Etikettierungsanforderungen festzulegen.Diese Anforderungen müssen in präzis formulierten Vorschriften geregelt wer-den, damit sichergestellt ist, daß dem Verbraucher die notwendigen Informa-tionen zur Verfügung stehen. [...]«

14 Für bestimmte Erzeugnisse legt die VO 49/2000/EG einen Schwellenwert von 1%für das zufällige oder unbeabsichtigte Vorhandensein gentechnisch veränderterBestandteile fest.

15 Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom12.3.2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismenin die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl.EG Nr. L 106 vom 17.04.2001).

16 Nach Erwägungsgrund 9 können die Mitgliedstaaten auch ethische Aspekte beiFreisetzung und Inverkehrbringen von GVO berücksichtigen, vgl. dazu insbe-sondere Stelzer/Bernert/Gotsbacher (siehe oben Fn. 1), S. 21 ff.

17 Vgl. insbesondere Art. 4 Abs. 1 der Freisetzungs-RL.18 Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25.7.1985 zur Angleichung der Rechts-

und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehler-hafte Produkte (ABl. EG Nr. Nr. L 210 vom 7.8.1985).

19 Art. 9 b) der Produkthaftungs-RL.20 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über

Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sa-nierung der Umwelt (KOM (2002) 17 endg., ABl. EG Nr. C 151 E vom 25.6.2002).

21 Vgl. Anhang I des Vorschlages.22 Vgl. Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlini-

en, Einf., Rn. 170; Staudinger/Oechsler, Einl. zum ProdHaftG, Rn. 10 ff.23 Vgl. Staudinger/Oechsler, Einl. zum ProdHaftG, Rn. 12.24 Im britischen Common Law etwa ist eine Haftung in dem Auskreuzungsszenario

insbesondere nach den Nuisance-Grundsätzen u.U. möglich, während das däni-sche Recht einem Ökolandwirt bei bloßer Auskreuzung grundsätzlich keine Aus-gleichsansprüche gewährt, vgl. dazu ein Gutachten des dänischen Kronanwaltsvom Januar 2003 (Notat om de erstatningsretlige konsekvenser af GM-pollen-spredning til GMO-frie afgrøder); vgl. zur Rechtslage in Frankreich Verdier/Scho-onejans, Du risque potentiel des OGM aux responsabilités envisageables, Bulle-tin du Droit de l’Environnement Industriel 2001, 31 ff.; siehe unter C. zumdeutschen Recht.

25 Vgl. Anhang III der Freisetzungs-RL.

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ZUR 4/2003276

geln für die Auskreuzungsproblematik nicht nur den betroffenenLandwirten, sondern mittelbar auch dem Verbraucherschutz die-nen. Im Hinblick auf die Öko-VO ergibt sich dies daraus, dassdurch harmonisierte effiziente Haftungsregeln die Einhaltung desmit Verbraucherschutzerwägungen begründeten Verwendungs-verbotes gewährleistet wird. Was die konventionelle Landwirt-schaft betrifft, dienen wirksame Vorschriften über die zivilrechtli-che Haftung dem Verbraucherschutz, indem sie durch ihrePräventivwirkung prinzipiell jedem unbeabsichtigten Vorhanden-sein gentechnisch veränderter Bestandteile entgegenwirken, alsoauch unterhalb von Schwellenwerten, die die Kennzeichnungs-pflicht aus Praktikabilitätsgründen einschränken26.

Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Koexistenzproble-matik nach den obigen Feststellungen nicht zuletzt gemein-schaftsrechtlichen Ursprunges ist: Einerseits dürfen GVO nachdem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt der Freisetzungs-RL in Verkehrgebracht werden, wenn sie die Voraussetzungen der Freisetzungs-RL erfüllen und insbesondere keine schädlichen Auswirkungenauf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben. Ande-rerseits untersagt die Öko-VO ihre Verwendung unabhängig vonetwaigen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit, und insbe-sondere die EG-Regelungen für gentechnisch veränderte Lebens-mittel verlangen oberhalb von Schwellenwerten eine gentech-nikspezifische Kennzeichnung.

Daher wäre eine sekundärrechtliche Regelung der Auskreu-zungsproblematik prinzipiell zulässig. Bei ihrer Ausgestaltungmüsste im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip und den Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz, die gerade bei der Anwendung von Art.95 EG zu berücksichtigen sind27, den Mitgliedstaaten hinreichendSpielraum zur Berücksichtigung nationaler Besonderheiten gelas-sen werden. Eine gemeinschaftsrechtliche Grundregelung, die dieMitgliedstaaten verpflichtet, überhaupt wirksame Regelungenüber die zivilrechtliche Haftung bei GVO im Hinblick auf die Aus-kreuzungsproblematik zu treffen, wäre zulässig.

C. Haftungsregeln in Deutschland

I. Bestehende Vorschriften

Im deutschen Recht können sich Schadensersatz- und Abwehran-sprüche bei Tätigkeiten mit GVO insbesondere aus den §§ 32 ff.Gentechnikgesetz (GenTG), dem Produkthaftungsgesetz (Prod-HaftG) und den §§ 823 ff., 1004 BGB ergeben. Daneben kommtdem Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB eine be-sondere Bedeutung zu. Vertragliche Gewährleistungs- und Scha-densersatzansprüche, wie sie z.B. im Rahmen von Lieferverträgenzwischen unterschiedlichen Erzeugungs-, Verarbeitungs- oderHandelsstufen durch nicht erfüllte Anforderungen über die Pro-duktqualität entstehen können, bleiben im Rahmen dieser Unter-suchung außer Betracht, da im zugrunde gelegten Modellfall zwi-schen dem Ökolandwirt oder dem konventionellen Landwirt aufder einen Seite und dem GVO anbauenden Nachbarn bzw. demje-nigen, der für den betreffenden GVO eine Genehmigung für dieFreisetzung oder das Inverkehrbringen hat, auf der anderen Seiteregelmäßig keine vertraglichen Beziehungen bestehen.

1. Anwendungsbereich der bestehenden Regelungen

Die §§ 32 ff. GenTG regeln Personen- und Sachschäden beim Um-gang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen in ge-schlossenen Systemen und bei Freilandversuchen mit GVO. Fürmit Genehmigung in Verkehr gebrachte GVO sind die §§ 32 ff.GenTG nach der Ausnahmeregelung in § 37 Abs. 2 S. 1 GenTG

nicht anwendbar, sondern nur das ProdHaftG. Die genanntenVorschriften des BGB sind auf alle drei Komplexe anwendbar.

2. Rechtsprechung

Bislang gibt es nur wenig Rechtsprechung zu diesen Haftungsrege-lungen. Häufig wird eine Entscheidung des OLG Stuttgart28 zitiert,in der einem Ökolandwirt Abwehr- bzw. Schadensersatzansprüchegegenüber einem Nachbarn, der in einem Freilandversuch gentech-nisch veränderte Zuckerrüben anbaute, nicht zugesprochen wur-den. Der Ökolandwirt konnte nicht nachweisen, dass im konkretenFall eine Übertragung von gentechnisch verändertem Erbgut auf sei-ne nicht gentechnisch veränderten Pflanzen einer anderen Art dro-he. Das Gericht ging davon aus, dass in äußerst geringem Ausmaßein Transfer gentechnisch veränderter DNA beispielsweise durch imZuge der Verrottung der gentechnisch veränderten Pflanzen frei-werdende, an Bodenpartikel absorbierte DNA, die durch Wind über-tragen werde, möglich sei. Es sah darin allerdings keine wesentlicheBeeinträchtigung, da nach dem Stand der Forschung »kein wissen-schaftlich verifizierter Anhalt für negative Auswirkungen auf die Bo-denfruchtbarkeit« vorliege. Das theoretische Restrisiko unterschei-de sich »bei wertender Betrachtung nicht von dem auch ohne denEintrag gentechnisch veränderter DNA im biologisch aktiven Bodenvorhandenen Risiko, dass es durch Transformation von DNA ver-einzelt zu Neukombinationen mit unbekannten Entwicklungenkommen kann«.

Neben diesem Urteil sind Entscheidungen zu berücksichtigen,die mittelbare Auswirkungen auf die Haftungsproblematik haben.Oben wurde bereits die Auffassung des OVG Münster dargestellt,wonach Pflanzen, in die aus einem Freilandversuch stammendeGVO eingekreuzt waren, nicht in Verkehr gebracht werden dür-fen. Indirekte Auswirkungen auf die Haftungsfrage haben auchmehrere Entscheidungen des VG Berlin29 und des OVG Berlin30, dieunmittelbar das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren be-treffen. Eine von Drittbetroffenen im Genehmigungsverfahren zurügende Gefahr einer Sachbeschädigung liege nur bei spezifischsachbezogenen Einwirkungen vor, was nicht schon bei einembloßen Umsatzrückgang wegen des Vorhandenseins einer »frem-den« Nukleinsäuresequenz gegeben sei. Erforderlich sei vielmehr,dass die betreffenden Sachgüter ganz oder teilweise zerstört oderungenießbar würden oder bei ihrem Verzehr gesundheitliche Be-einträchtigungen einträten. Dies schließe allerdings nicht gänz-lich aus, dass die Betroffenen privatrechtliche Abwehransprüchegegen den Anbauer von GVO geltend machten. Insofern könnemöglicherweise bereits die Anwesenheit »fremder« Gene eineEigentumsverletzung sein.

3. Auslegung der bestehenden Regelungen im Lichte der Rechtsprechung

Was die Anwendung der bestehenden nationalen Haftungsrege-lungen auf das oben beschriebene Koexistenz-Szenario betrifft,lässt sich insbesondere für zum Inverkehrbringen zugelasseneGVO wegen der bestehenden Auslegungsmöglichkeiten nicht ein-deutig sagen, inwieweit die Rechtsprechung im Falle des Auskreu-zens von GVO Abwehr-, Schadensersatz- oder Ausgleichsan-sprüche zubilligen würde.

Aufsatz

26 Vgl. zu diesen Schwellenwerten oben Fn. 14.27 Vgl. Schwarze/Herrnfeld, EU-Kommentar, Art. 95, Rn. 25 f.28 OLG Stuttgart, Urteil vom 24.8.1999, – 14 U 57/97.29 VG Berlin, Beschluss vom 19.4.1994, – 14 A 156.94; Beschluss vom 12.9.1995, –

14 A 255.95; Beschluss vom 12.9.1995, – 14 A 216.95; Beschluss vom 30.5.1997,– 14 A 200.96.

30 OVG Berlin, Beschluss vom 9.3.1995, – 1 S 62.94; Beschluss vom 29.4.1997, – G1 S 87.96; Beschluss vom 9.7.1998, – 2 S 9.97.

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277ZUR 4/2003

Die §§ 32 ff. GenTG werden vom überwiegenden Teil des juri-stischen Schrifttums31 dahingehend ausgelegt, ein von Auskreu-zung aus Freilandversuchen betroffener Ökolandwirt könne einenSchadensersatzanspruch gegenüber dem Betreiber des Freiland-versuches geltend machen. Prinzipiell überzeugt diese Auffassung:Eine Sachbeschädigung lässt sich im Rahmen von § 32 GenTGauch dann annehmen, wenn keine Substanzverletzung vorliegt,sondern eine bloße Beeinträchtigung der Nutzbarkeit durch eineEinwirkung auf die Sache32. Der ersatzfähige Schaden bestehtdann in der Marktwertbeeinträchtigung, die dadurch entsteht,dass Erzeugnisse nicht mehr als aus ökologischer Produktion stam-mend gekennzeichnet werden können oder als gentechnisch ver-ändert gekennzeichnet werden müssen und dadurch ein geringe-rer Ertrag erzielt wird. Allerdings gibt es, soweit bekannt, bislangkeine Gerichtsentscheidung, die ausdrücklich die Anwendung der§§ 32 ff. GenTG auf die Koexistenzproblematik erörtert. Außerdemist im Hinblick auf die praktische Relevanz der §§ 32 ff. GenTG zuberücksichtigen, dass sich de lege lata ihr Anwendungsbereich aufLaboranwendungen, Freilandversuche und das ungenehmigte In-verkehrbringen beschränkt.

Das auf in Verkehr gebrachte Produkte und insoweit auch aufGVO anwendbare ProdHaftG spricht aus unterschiedlichen Grün-den keinen Anspruch zu: Insbesondere besteht nach dem oben zurProdukthaftungs-RL Gesagten ein Anspruch nach dem ProdHaftGnur, wenn die betreffende Sache »ihrer Art nach gewöhnlich fürden privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von demGeschädigten hauptsächlich verwendet worden ist« (§ 1 Abs. 1 S.2 ProdHaftG). Außerdem dürfte es regelmäßig an einem fehler-haften Produkt i.S.v. § 3 ProdHaftG fehlen. Weder nach den §§ 32ff. GenTG noch nach dem ProdHaftG besteht daher ein Anspruch,wenn mit Genehmigung in Verkehr gebrachte GVO in Pflanzeneines Landwirtes einkreuzen, die gerade nicht für den privaten Ge-oder Verbrauch bestimmt sind.

Was die allgemeinen Regelungen der §§ 823, 906, 1004 BGB be-trifft, die auch auf in Verkehr gebrachte GVO anwendbar sind,nimmt ein Teil des Schrifttums mit dem Hinweis auf eine Markt-wertbeeinträchtigung hier einen Schadensersatz- oder Aus-gleichsanspruch für den Ökolandwirt an33. Grundsätzlich erscheintdiese Auffassung plausibel, wenn man die in der Rechtsprechungdes BGH entwickelten Kriterien für eine Eigentumsverletzungdurch Nutzungsbeeinträchtigung zugrunde legt34. Allerdings ist zuberücksichtigen, dass die Tatbestandsmerkmale sowohl des Ab-wehranspruches nach § 1004 als auch des Schadensersatzanspru-ches nach § 823 und des Ausgleichsanspruches nach § 906 Abs. 2S. 2 BGB unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, insbesondere dieKriterien der Wesentlichkeit, der Ortsüblichkeit und der Zumut-barkeit. Diese Kriterien bieten einerseits Gelegenheit zu einer Aus-legung, die den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles Rech-nung trägt, so dass § 906 Abs. 2 S. 2 BGB prinzipiell als ausreichendangesehen werden könnte, um dem Koexistenzproblem Rechungzu tragen. In diesem Sinne ließe sich im Ergebnis rechtfertigen,dass das OLG Stuttgart in seiner o.a. Entscheidung dem Ökoland-wirt keinen Anspruch zuerkannt hat, da in casu nur in äußerst ge-ringem Maße ein Gentransfer angenommen wurde und eine Über-tragung der gentechnischen Veränderung auf die eigenen Pflanzenwegen der Artengrenze ausschied. Andererseits ist nicht mit Si-cherheit zu prognostizieren, wie die unbestimmten Voraussetzun-gen der nicht gentechnikspezifischen Normen des BGB von derRechtsprechung in Auskreuzungsfällen mit GVO ausgelegt werden.So wurde oben dargestellt, dass das OLG Stuttgart auch maßgeblichdarauf abstellt, es gebe im konkreten Fall keine negativen Auswir-kungen auf die Bodenfruchtbarkeit durch den geringen Gen-transfer. Dieser Teil der Begründung des OLG wird den Besonder-heiten der Koexistenzproblematik nicht gerecht, weil es dort nicht

in erster Linie um negative Auswirkungen im Sinne naturwissen-schaftlicher Gefahren geht, sondern davon unabhängig um wirt-schaftliche Konsequenzen insbesondere für den Ökolandbau, beidem die Verwendung von GVO grundsätzlich untersagt ist35. Auchwenn die Argumentation des OLG insoweit nicht gänzlich über-zeugt, ist nicht ausgeschlossen, dass auch andere Gerichte maß-geblich auf das Fehlen naturwissenschaftlicher Gefahren abstellen,ohne den Besonderheiten der Koexistenzproblematik Rechnung zutragen. Weitere Entscheidungen zu den §§ 823, 906, 1004 BGB blei-ben abzuwarten.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nur gegenüber einem GVO anbauendenNachbarn möglich ist, während die §§ 32 ff. GenTG eine Haftungdes Betreibers36 vorsehen. Abgesehen von der in diesem Beitragnicht zu beantwortenden rechtspolitischen Frage, ob es wün-schenswert ist, die Koexistenzproblematik auf diese Weise alleinedem nachbarschaftlichen Verhältnis zu überlassen, kann sich ge-rade beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ein häufigesProblem des Immissionsschutzrechts zeigen: Wenn mehrereNachbarn gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, denen das-selbe gentechnische Konstrukt zugrunde liegt, kann der von GVO-Auskreuzungen betroffene Landwirt erhebliche Beweisschwierig-keiten haben, denen auch durch Anwendung von §§ 830 Abs. 1 S.2 BGB, 287 ZPO nur eingeschränkt abgeholfen werden kann37.Angesichts dieser Beweisschwierigkeiten stellt sich auch EU-Land-wirtschaftskommissar Fischler in seinen Überlegungen zur zivil-rechtlichen Seite der Koexistenz die Frage, ob eine Beweiserleich-terung oder die Einrichtung eines Haftungsfonds eine sinnvolleMaßnahme zur Abhilfe sein könnten38.

II. Rechtliche Grenzen einer Gesetzesänderung

Ob und inwieweit die in Deutschland bestehenden Vorschriftenüber die zivilrechtliche Haftung für Auskreuzungen von GVOgeändert werden, ist eine politische Frage und nicht Gegenstanddieses Beitrags. Im Folgenden ist darzustellen, welche rechtlichenGrenzen aus europarechtlicher, verfassungsrechtlicher und welt-handelsrechtlicher Perspektive für ein Tätigwerden des nationalenGesetzgebers bestehen.

Europarechtlich ist es nur eingeschränkt möglich, die Regelun-gen in den Mitgliedstaaten strenger auszugestalten, als dies in einer

Stök l , D ie Gentechnik und d ie Koex is tenzfrage: Z iv i l recht l i che Haftungsrege lungen

31 In diese Richtung argumentieren etwa Lülling, in: Eberbach/Lange/Ronellen-fitsch, § 32 GenTG, Rn. 13; Wollenteit, Sicherheit und Haftung (im Internet unterhttp://www.transgen.de/dgg/Doku_runde3/Wollenteit_manuskript.pdf), S. 3 f.;wohl enger, aber unklar Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 32 GenTG, Rn. 25.

32 Dies entspricht der Rechtsprechung zu § 823 BGB in Fällen ohne Bezug zur Gen-technik. Vgl. hierzu Palandt/Thomas, § 823 BGB, Rn. 7 ff.

33 So etwa Wellkamp, Haftung in der Gentechnologie, NuR 2001, 188 ff. (190); imGrundsatz ähnlich Axer, Biotechnologie und Landwirtschaft (bisher unveröf-fentlichtes Manuskript); eine differenzierte Darstellung der Anwendung von §906 Abs. 2 S. 2 BGB findet sich bei Schmidt, Die heutigen rechtlichen Rahmen-bedingungen für die Koexistenz der biologischen Landwirtschaft mit benach-barten transgenen Kulturen in Deutschland (im Internet unter http://www.trans-gen.de/dgg/Doku_runde2/Schmidt_vortrag.pdf).

34 Vgl. hierzu Palandt/Thomas, § 823 BGB, Rn. 7 ff.35 Zurecht kritisieren die Begründung des OLG Stuttgart daher Axer (siehe oben Fn.

33), S. 21; Abel-Lorenz in seiner Anmerkung zur Entscheidung des OLG, ZUR2000, 30 ff.

36 Nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 7 GenTG umfasst dies für den Bereich derFreisetzung jeden, der eine Freisetzung durchführt. Im Hinblick auf das Inver-kehrbringen (auf das nach dem oben Gesagten bei einer Genehmigung die §§32 ff. GenTG de lege lata nicht anwendbar sind) ist nur derjenige ein Betreiber,der GVO erstmalig in Verkehr bringt, soweit noch keine Genehmigung zum In-verkehrbringen der Nachkommen oder des Vermehrungsmaterials erteilt wor-den ist. Demnach fällt unter die Bestimmung des Betreiberbegriffes nur der Ge-nehmigungsinhaber bzw. Genehmigungspflichtige.

37 Vgl. Palandt/Bassenge, § 906, Rn. 35 f.; Hermanowski/Tappeser et al. (siehe oben Fn.1), S. 88 ff.; Wildhaber, Produkthaftung im Gentechnikrecht, S. 194; grundlegendzu § 830 Abs. 1 S. 2 BGB Mehring, Beteiligung und Rechtswidrigkeit bei § 830 Abs.1 S. 2 BGB.

38 Vgl. die Mitteilung von Kommissar Fischler (siehe oben Fn. 1), S. 7.

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ZUR 4/2003278

auf Art. 95 EG gestützten Harmonisierungs-RL wie der Freiset-zungs-RL vorgesehen ist. Art. 22 der Freisetzungs-RL untersagt denMitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von GVO, die den Anforde-rungen der Richtlinie entsprechen, zu verbieten, einzuschränkenoder zu behindern. Wie oben dargestellt, enthält die Freisetzungs-RL keine Bestimmungen über die zivilrechtliche Haftung, wasdafür spricht, dass derartige Vorschriften nicht in den harmoni-sierten Bereich gehören und daher auch nicht von Art. 22 der Frei-setzungs-RL erfasst sind. Zivilrechtliche Vorschriften zum Schutzedes Eigentums über den Schutz der Umwelt hinaus können außer-dem deshalb nicht von Art. 22 der Freisetzungs-RL verboten sein,weil sich die Freisetzungs-RL auf den Schutz der menschlichen Ge-sundheit und der Umwelt beschränkt und das Eigentum nicht inspezifischer Weise schützt39. Das Eigentum von Ökolandwirten istaber durch das Verwendungsverbot von GVO nach der Öko-VO inbesonderer Weise auch sekundärrechtlich geschützt, was bei derAuslegung von Art. 22 der Freisetzungs-RL zu berücksichtigen ist.Das Gleiche gilt für den Eigentumsschutz derjenigen Landwirte,die außerhalb des Ökolandbaus nicht gentechnisch veränderte Er-zeugnisse produzieren wollen, insbesondere im Hinblick auf die ge-meinschaftsrechtliche Kennzeichnungspflicht und dadurch mögli-che Ertragsverluste. Auch insoweit spricht eine Gesamtschau deseinschlägigen Sekundärrechts dafür, dass Art. 22 der Freisetzungs-RL zivilrechtliche Haftungsregelungen der Koexistenzproblematikdurch die Mitgliedstaaten nicht untersagt40.

Mit ähnlichen Erwägungen lässt sich begründen, warum Art. 95Abs. 4 bis 10 EG, wonach bei auf Art. 95 EG gestützten Sekundär-rechtsnormen wie der Freisetzungs-RL die Beibehaltung bzw. Neu-einführung strengerer mitgliedstaatlicher Vorschriften nur sehreingeschränkt und nur mit vorheriger konstitutiver Zustimmungder Kommission möglich ist, mitgliedstaatliche Haftungsregelun-gen der Koexistenzfrage nicht untersagen: Die Freisetzungs-RLharmonisiert von vornherein nicht den Bereich der zivilrechtli-chen Haftung.

Ebenfalls zu berücksichtigen sind die durch die Produkthaf-tungs-RL gezogenen Grenzen41. Nach Art. 13 der Produkthaftungs-RL werden Ansprüche des Geschädigten aufgrund von Vorschrif-ten über die vertragliche oder außervertragliche Haftung oderaufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie be-stehenden besonderen Haftungsregelung von der Produkthaf-tungs-RL nicht berührt. Dies scheint das argumentum e contrarionahezulegen, wonach seit Bekanntgabe der Richtlinie keine pro-duktspezifischen Haftungsregeln von den Mitgliedstaaten mehrerlassen werden dürfen. Hiergegen spricht jedoch erstens, dassauch für die Auslegung von Art 13 der Produkthaftungs-RL maß-geblich ist, welcher Bereich von der Richtlinie überhaupt harmo-nisiert wird. Schon nach ihrer Überschrift harmonisiert die Richt-linie nur die Haftung für »fehlerhafte« Produkte. Auch ihr ersterErwägungsgrund42 deutet darauf hin. Wie aufgezeigt, geht es beider Koexistenzproblematik aber im Regelfall nicht um eine »Feh-lerhaftigkeit« auskreuzender GVO, und zwar auch unabhängigvom Fehlerbegriff der Produkthaftungs-RL. Die Besonderheit derKoexistenzproblematik ist gerade im Nebeneinander mehrererRechtsnormen begründet, die teilweise nicht miteinander kompa-tibel sind. Dies gilt insbesondere für die sekundärrechtliche Zulas-sungsmöglichkeit von GVO einerseits und das Verbot der Ver-wendung von GVO und GVO-Derivaten nach der Öko-VOandererseits. Zweitens ließe sich die Vereinbarkeit einer neuen ko-existenzspezifischen Haftungsnorm auf eine systematische und te-leologische Interpretation von Art. 13 der Produkthaftungs-RLstützen: Es ist zu berücksichtigen, dass die Produkthaftungs-RL diemitgliedstaatlichen Regelungen der Haftung für fehlerhafte Pro-dukte gerade auch aus Gründen des Verbraucherschutzes harmo-nisieren soll43. Dies geht bereits aus dem erwähnten ersten Erwä-

gungsgrund der Richtlinie hervor44, spiegelt sich aber auch inmehreren anderen Erwägungsgründen wider45. Deshalb ist es imÜbrigen konsequent, wenn nur Gegenstände des privaten Ge-oder Verbrauchs von der Richtlinie geschützt werden46. Die Pro-dukthaftungs-RL ist daher im Zusammenhang mit den übrigenverbraucherschutzorientierten Vorschriften wie insbesondere demGVO-Verwendungsverbot für den Ökolandbau und der durchSchwellenwerte eingeschränkten Kennzeichnungspflicht auch fürkonventionelle Erzeugnisse zu sehen. Soweit der Verbraucher-schutz und die darauf gestützten gemeinschaftsrechtlichen Vor-schriften zusätzliche mitgliedstaatliche Regelungen der zivilrecht-lichen Haftung verlangen, kann die Produkthaftungs-RL demnicht entgegenstehen47.

An den primärrechtlichen Vorschriften über die Warenver-kehrsfreiheit (Art. 28 ff. EG) gemessen, ist festzustellen, dass Rege-lungen zur zivilrechtlichen Haftung prinzipiell i.S.d. Dassonville-Formel des EuGH geeignet sind, zumindest mittelbar deninnergemeinschaftlichen Handel zu beschränken. Eine Beschrän-kung der Warenverkehrsfreiheit ließe sich im Hinblick auf GVO-Auskreuzungen auch nicht generell durch den Schutz der Ge-sundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen (Art. 30 S. 1 EG)oder sonstige Belange des Umweltschutzes rechtfertigen, da eshauptsächlich um Auskreuzungen solcher GVO geht, für die alsVoraussetzung ihrer Zulassung eine positive Sicherheitsbewertungvorliegt. Die bloße Verfolgung wirtschaftlicher Ziele wie etwa ei-ner Privilegierung des Ökolandbaus aus wirtschaftslenkender Sichtist ebenfalls kein Rechtfertigungsgrund48. Der Schutz des Eigen-tums der von der Auskreuzung betroffenen Landwirte und derVerbraucherschutz, dem effiziente Haftungsregeln sowohl für denÖkolandbau als auch für die konventionelle Landwirtschaft mit-telbar dienen, sind dagegen grundsätzlich als zwingendes Erfor-dernis für eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit anzuer-kennen49.

Als Grenze für eine auf diese Weise begründete Beschränkungder Warenverkehrsfreiheit ist jedoch das Gebot der Verhältnis-mäßigkeit zu beachten, d.h. eine Abwägung der Beeinträchtigungder Warenverkehrsfreiheit mit dem Interesse an der Gewährlei-

Aufsatz

39 Vgl. auch die in dieser Allgemeinheit fragliche Aussage von Stelzer/Bernert/Gots-bacher (siehe oben Fn. 1), S. 22 ff., nach denen nur die von einer EG-Vorschriftgeschützten Rechtsgüter in den Harmonisierungsbereich fallen, so dass derSchutz vor Risiken für andere Rechtsgüter nicht an den sekundärrechtlichen Har-monisierungsnormen, sondern an den primärrechtlichen Vorgaben des EG-Rechts zu messen ist.

40 Vgl. zu dem Gedanken einer Zusammenschau von Freisetzungs-RL und Öko-VOauch Hermanowski/Tappeser et al. (siehe oben Fn. 1), S. 37 ff.; Stelzer/Bernert/Gots-bacher (siehe oben Fn. 1), S. 40 ff.

41 Vgl. hierzu auch die Ausführungen über eine angebliche Unvereinbarkeit desdeutschen Gentechnikgesetzes durch die Kommission (das Schreiben der Kom-mission und die Antwort der Bundesregierung sind abgedruckt in einemSonderheft der Zeitschrift »Die Pharmazeutische Industrie«); vgl. hierzu auchWerner, Gentechnikhaftung – Zur Haftung im Gentechnikrecht, S. 132 ff.

42 „Eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung desHerstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursachtworden sind, ist erforderlich, weil deren Unterschiedlichkeit den Wettbewerbverfälschen, den freien Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes be-einträchtigen und zu einem unterschiedlichen Schutz des Verbrauchers vorSchädigungen seiner Gesundheit und seines Eigentums durch ein fehlerhaftesProdukt führen kann.« [Hervorhebungen vom Verfasser].

43 Vgl. die Hinweise oben unter Fn. 22.44 Siehe oben Fn. 42 zum Wortlaut des ersten Erwägungsgrundes.45 Dies wird aus Formulierungen wie »Der Schutz des Verbrauchers erfordert es […]«

deutlich. 46 Vgl. hierzu Staudinger/Oechsler, § 1 ProdHaftG, Rn. 21.47 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Deutschland die Haftungsbestimmun-

gen des Arzneimittelrechts auch noch nach Bekanntgabe der Produkthaftungs-RL geändert hat, vgl. hierzu Staudinger/Oechsler, § 15 ProdHaftG, Rn. 3, Kullmann,Produkthaftungsgesetz, S. 189 f.

48 Vgl. Calliess/Ruffert, Kommentar des Vertrages über die Europäische Union unddes Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 30, Rn. 14.

49 Vgl. zum Verbraucherschutz als Rechtfertigungsgrund insbesondere im Hinblickauf Etikettierungsvorschriften die Hinweise auf die EuGH-Rechtsprechung etwabei Schwarze/Becker, Art. 30, Rn. 44 ff.

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279ZUR 4/2003

stung des Ökolandbaus muss zugunsten des Ökolandbaus aus-fallen. Dies wäre angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Zu-lassungsmöglichkeit von GVO nicht mehr der Fall bei einerHaftungsregelung, die so weit ginge, dass bei jeder noch so ge-ringfügigen Auskreuzung von GVO Schadensersatz für sämtlichebetroffenen Erzeugnisse zu gewähren wäre. Sofern der Schaden da-durch begründet wird, dass konventionelle Erzeugnisse als gen-technisch verändert gekennzeichnet werden müssen und dadurchnur zu geringeren Erlösen abzusetzen sind, bedeutet wegen der be-stehenden Kennzeichnungsschwellenwerte nicht schon jede Aus-kreuzung einen wirtschaftlichen Schaden, so dass das Verhältnis-mäßigkeitsgebot insoweit gewahrt ist. Für den Bereich desÖkolandbaus hat die Kommission allerdings bislang nicht von ih-rer Möglichkeit Gebrauch gemacht, für das Verbot der Verwen-dung von GVO Schwellenwerte festzulegen. Vor dem Hintergrunddes Verhältnismäßigkeitsgebotes und ihren Auswirkungen aufzivilrechtliche Haftungsregelungen erscheinen derartige auf EG-Ebene festgelegte Schwellenwerte erforderlich.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ergeben sich ähnliche Erwä-gungen. Zwischen den verschiedenen betroffenen Grundrechten(zu denken ist sowohl für den von der Auskreuzung betroffenenLandwirt als auch für den GVO anbauenden Landwirt insbeson-dere an die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG unddie Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG, außerdem an denGleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG) ist ein ausgewogenes Ver-hältnis im Sinne einer praktischen Konkordanz herzustellen. DasErgebnis der europarechtlichen Erwägungen (Zulässigkeit einerHaftung für GVO-Auskreuzung bei Schwellenwerten für geringfü-gige Spuren gentechnisch veränderter Bestandteile) lässt sich in-soweit auf die verfassungsrechtliche Ebene übertragen.

Schließlich ist auch die internationale Dimension von zivil-rechtlichen Haftungsregelungen zu berücksichtigen: Das Bio-sicherheitsprotokoll (Cartagena Protocol on Biosafety) aus demJahre 2000, das das grenzüberschreitende Verbringen von GVO re-gelt und mit dessen Inkrafttreten im Laufe des Jahres 2003 zurechnen ist, verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Ausarbeitung ei-nes Haftungsregimes für den grenzüberschreitenden Handel mitGVO. Bei den bisherigen Verhandlungen zählte zu den Streit-punkten auch die Frage, ob wirtschaftliche Schäden, z.B. für Öko-landwirte, von künftigen Haftungsregelungen erfasst sein sollen50.

Unabhängig von der Frage, inwieweit etwaige Haftungsregelun-gen nach dem Biosicherheitsprotokoll Auswirkungen auf WTO-Recht haben könnten51, ist ein Blick darauf zu werfen, inwieweitWTO-rechtliche Vorschriften gentechnikspezifischen Haftungsre-gelungen der Koexistenzproblematik entgegenstehen könnten.Insbesondere Art. III des GATT 1947, der die Schlechterbehandlungeingeführter Waren gegenüber gleichartigen inländischen Warenverbietet, könnte neuen Haftungsregeln entgegenstehen, die GVOeinem im Vergleich zu anderen Erzeugnissen besonderen Haf-tungsrisiko unterwerfen. Erfasst sind grundsätzlich auch faktischeDiskriminierungen52. Kriterien für die Frage einer Gleichartigkeitvon Produkten sind insbesondere die naturwissenschaftlichenEigenschaften, die Benutzungsmöglichkeiten und Verbraucheran-sichten53. Ohne dass die Frage einer Gleichartigkeit gentechnischveränderter und herkömmlicher Pflanzen in diesem Rahmenabschließend beantwortet werden könnte, spricht gegen eineGleichartigkeit, dass jedenfalls die meisten bislang vermarktetengentechnisch veränderten Organismen durch herkömmliche Kreu-zungsverfahren nicht erzeugt werden könnten. Ein Beispiel dafürsind durch gentechnische Veränderung herbizidresistentePflanzen. Mit diesen unterschiedlichen Eigenschaften können un-terschiedliche Verwendungsmöglichkeiten zusammenhängen.Schließlich liegt die Annahme nahe, dass auch aus Verbraucher-perspektive gentechnisch veränderte Pflanzen etwas Besonderes

darstellen. Dies manifestiert sich auf internationaler54 Ebene etwadadurch, dass die Guidelines des Codex Alimentarius als inter-nationaler Bezugspunkt für nationale Vorschriften ähnlich wie dieÖko-VO die Verwendung von GVO für den Ökolandbau unter-sagen55.

D. Fazit

Die bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften regeln dasNebeneinander des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen undnicht gentechnisch veränderter Pflanzen nicht in ausreichendemMaße, obwohl der europäische Gesetzgeber hierzu befugt wäre. DieKoexistenzfrage ist insoweit nicht nur auf das Nebeneinanderunterschiedlicher landwirtschaftlicher Produktionsmethoden be-schränkt, sondern betrifft auch die teilweise unzureichende Kom-patibilität sekundärrechtlicher Normen. In Deutschland gibt es bis-lang keine Vorschrift, die die Auskreuzung in Verkehr gebrachterGVO in spezifischer Weise regelt. Der gemeinschaftsrechtliche Rah-men belässt insoweit einen gewissen Spielraum, der insbesonderedurch das Verhältnismäßigkeitsgebot beschränkt ist.

Stök l , D ie Gentechnik und d ie Koex is tenzfrage: Z iv i l recht l i che Haftungsrege lungen

50 Vgl. Report of the Workshop on Liability and Redress in the Context of the Car-tagena Protocol on Biosafety (im Internet unter http://www.biodiv.org/doc/meetings/bs/bswslr-01/official/bswslr-01-03-en.pdf), Rn. 45.

51 Vgl. zum Verhältnis des Biosicherheitsprotokolls zum WTO-Recht Stökl, Das Ver-hältnis multilateraler Umweltschutzabkommen zum WTO-Recht, dargestelltam Beispiel des Biosafety Protocol, Aussenwirtschaft 2001, 327 ff., m.w.N.

52 Vgl. statt aller Zedalis, Labeling of Genetically Modified Foods, The Limits ofGATT Rules, JWT 2001, S. 301 ff. (316 ff.).

53 Vgl. Report of the Working Party, BISD 18S/97, 2.12.1970. Hudec, »Like Product«:The Differences in Meaning in GATT Articles I and III, in: Cottier/Mavroidis(Hrsg.), Regulatory Barriers and the Principle of Non-Discrimination in WorldTrade Law, S. 101 ff. (113).

54 Vgl. für die EG etwa die Untersuchung Eurobarometer 52.1, The Europeans andBiotechnology (im Internet unter http://europa.eu.int/comm/research/pdf/eu-robarometer-en.pdf).

55 Vgl. Section 1.5 der Guidelines for the Production, Processing, Marketing andLabelling of Organically Produced Food (im Internet unter http://www.ifo-am.org/fao/codex_content.html): »All materials and/or the products producedfrom genetically engineered/modified organisms (GEO/GMO) are not compa-tible with the principles of organic production (either the growing, manufactu-ring, or processing) and therefore are not accepted under these guidelines.«

Dr. Lorenz StöklMaître en droit international; Referent im Bundesministerium für Verbrau-cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, BMVEL, e-mail: [email protected]öffentlichungen zum Gentechnikrecht.

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BVerwGKonzentrationswirkung des § 13 BImSchGBeschluss vom 17. Dezember 2002 – 7 B 119.02

Leitsatz:Die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfasst auch Mit-wirkungsrechte, die Vereinen nach den Vorschriften des Naturschutz-rechts eingeräumt sind.Vorinstanz: OVG Greifswald vom 8.5.2002 – 5 K 17/01

Aus den Gründen:(1) Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband im Sinne des § 29Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes alter Fassung (BNatSchG a.F.)(jetzt § 59 Abs. 1 BNatSchG), wendet sich gegen einen Vorbescheidnach § 9 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BimSchG) sowie dieerste immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung für ein Gas- undDampfkraftwerk. Er hält die Bescheide unter anderem deswegen fürrechtswidrig, weil die ihm nach dem Landesnaturschutzgesetz Meck-lenburg-Vorpommern eingeräumten Beteiligungsrechte verletzt wor-den seien. Das OVG hat seine Klage abgewiesen. Es hat sich auf denStandpunkt gestellt, dass diese landesrechtlichen Verfahrensbestim-mungen wegen der in § 13 BImSchG angeordneten Konzentrations-wirkung nicht anwendbar seien und der Kläger daher auf die in § 10BImSchG eingeräumten Beteiligungsrechte verwiesen sei.(2) Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision indiesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die gel-tend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2Nr. 1 VwGO auf (1.), noch ist der vom Kläger nach § 132 Abs. 2 Nr. 3VwGO gerügte Verfahrensmangel erkennbar (2.).(3) 1. Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob durch dieKonzentrationswirkung des immissionsschutzrechtlichen Genehmi-gungsverfahrens die landesrechtlichen Beteiligungsrechte der aner-kannten Umweltverbände verdrängt würden. Diese Frage rechtfertigtnicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dasergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass es sich wie die Beige-ladene meint um eine Frage nicht revisiblen Rechts handelt. Zwarrügt der Kläger in der Tat eine Nichtbeachtung landesrechtlicher Nor-men. Diese beruht jedoch darauf, dass das OVG die landesrechtlichenVorschriften als durch eine bundesrechtliche Norm verdrängt ange-sehen hat. Ob diese Auslegung der maßgeblichen bundesrechtlichenVorschrift des § 13 BImSchG zutreffend ist, will der Kläger geklärt wis-sen. Er stellt damit eine Frage, die eine Rechtsvorschrift betrifft, aufderen Verletzung nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine Revision gestütztwerden könnte.(4) Die begehrte Zulassung der Revision kommt ungeachtet dessen nichtin Betracht, weil die Frage sich ohne weiteres aus dem Gesetz beant-worten lässt und nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrensbedarf.(5) Nach § 13 BImSchG schließt die immissionsschutzrechtliche Ge-nehmigung die anderen für die Anlage notwendigen behördlichenEntscheidungen abgesehen von im Einzelnen aufgeführten Ausnah-men ein. Diese Konzentrationswirkung entfalten auch Teilgenehmi-gungen nach § 8 BImSchG, bei denen es sich ungeachtet ihres be-schränkten Inhalts um echte Genehmigungen handelt, sowie nacheinhelliger Auffassung Vorbescheide nach § 9 BImSchG (vgl. Reben-tisch, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band I, Teil I, Rn.41 zu § 13 BImSchG; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., Rn. 2 zu § 13, jeweilsm.w.N.). Zwar sind Vorbescheide keine Genehmigungen im Rechts-sinne, weil sie dem Antragsteller nichts gestatten, sondern nur Fest-

Rechtsprechung

ZUR 4/2003

stellungen über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen treffen. In-soweit binden sie jedoch die Genehmigungsbehörde, so dass sie imUmfang ihres Regelungsgehalts notwendigerweise an der Konzen-trationswirkung des § 13 BImSchG teilnehmen. Von dieser Vorstel-lung hat sich auch der Verordnungsgeber leiten lassen; er hat in § 23Abs. 3 Nr. 3 der Verordnung über das Genehmigungsverfahren 9.BImSchV geregelt, der Vorbescheid solle den Hinweis enthalten, dasser unbeschadet der behördlichen Entscheidungen ergehe, die nach §13 BImSchG nicht von der Genehmigung eingeschlossen würden.Dies kann nur so verstanden werden, dass auch der Verordnungsge-ber die Anwendbarkeit des § 13 BImSchG auf Vorbescheide voraus-setzt (so zu Recht Rebentisch a.a.O., m.w.N.).(6) Die immissionsschutzrechtliche Konzentrationswirkung erstreckt sichnicht nur auf die von ihr erfassten behördlichen Entscheidungen alssolche, sondern erfasst selbstverständlich auch das den Entscheidun-gen zu Grunde liegende Verwaltungsverfahren; denn nur durch eineumfassende Vereinheitlichung lässt sich das angestrebte Ziel der Ver-fahrensvereinfachung erreichen. Das Genehmigungsverfahren ist so-mit ausschließlich nach der für die immissionsschutzrechtliche Ge-nehmigung geltenden Verfahrensbestimmung des § 10 BImSchG undder auf der Grundlage des Abs. 10 dieser Vorschrift erlassenen 9.BImSchV durchzuführen. Das bedeutet, dass daneben auch natur-schutzrechtliche Verfahrensvorschriften unanwendbar sind, und zwarentgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Jarass a.a.O.,Rn. 18; Hofmann, in: Koch/Scheuing, GK-BImSchG, Rn. 61 zu § 13) un-abhängig davon, ob die immissionsschutzrechtlichen Verfahrensvor-schriften den verdrängten Regelungen funktionell entsprechen; denndie bezweckte Verfahrensvereinheitlichung würde verfehlt, bliebe esder Einschätzung der jeweiligen Genehmigungsbehörde überlassen,an sich verdrängte Verfahrensregelungen dennoch wenn auch mög-licherweise nur entsprechend anzuwenden. Zulässig dürfte es nursein, solche Vorschriften als Auslegungshilfe für die immissions-schutzrechtlichen Verfahrensregeln heranzuziehen (insoweit zutref-fend Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Rn. 42 zu§ 13 BImSchG, unter Hinweis auf Fluck, in: Ule/Laubinger/Fluck, BIm-SchG, Rn. C 12 zu § 13). Rebentisch (a.a.O., Rn. 21) weist allerdings mitRecht darauf hin, dass diese Kontroverse wenig praktische Bedeutunghat, weil angesichts der detaillierten immissionsschutzrechtlichenVerfahrensvorschriften Regelungsdefizite, welche durch die Heranzie-hung sekundären, gemeint ist: verdrängten, Verfahrensrechts ausge-glichen werden müssten, nicht erkennbar sind.(7) Zu Unrecht sieht der Kläger schließlich einen Normwiderspruch zwi-schen § 13 BImSchG und der Bestimmung des § 29 Abs. 1 S. 1 BNat-SchG a.F., wonach in anderen Rechtsvorschriften eine inhaltsgleicheoder weitergehende Form der Mitwirkung von Verbänden vorgese-hen sein kann, als sie im Bundesnaturschutzgesetz angeordnet ist.Der Umstand, dass § 29 Abs. 1 S. 1 BNatSchG a.F. nur einen Min-deststandard von Beteiligungsrechten gewährt, den die Landesge-setzgeber zu Gunsten der anerkannten Verbände überschreiten dür-fen, steht nicht der Annahme entgegen, dass auch solcheweitergehenden Beteiligungsrechte von der Konzentrationswirkungdes § 13 BImSchG erfasst werden. (…)

BVerwGKonzentrationszonen für WindkraftanlagenUrteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01

Leitsätze:1. Eröffnet eine Gemeinde im Wege der Bauleitplanung auf Flächen, die

im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung einem na-

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281ZUR 4/2003

turschutzrechtlichen Bauverbot unterliegen, die Möglichkeit einerbaulichen Nutzung, so scheitert die Planung weder an § 1 Abs. 3BauGB noch an § 6 Abs. 2 BauGB, wenn eine Befreiung von dem Bau-verbot in Betracht kommt.

2. Der Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ermöglicht es der Ge-meinde, die in § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB genannten Vorhaben(hier: Windkraftanlage) durch Darstellung im Flächennutzungsplanauf bestimmte Standorte zu konzentrieren. Er erlaubt es ihr abernicht, das gesamte Gemeindegebiet für diese Vorhaben zu sperren.

3. Der Gemeinde ist es verwehrt, durch die Darstellung von Flächen, diefür die vorgesehene Nutzung objektiv ungeeignet sind oder sich in ei-ner Alibifunktion erschöpfen, Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nrn.2 bis 6 BauGB (hier: Windkraftanlagen) unter dem Deckmantel derSteuerung in Wahrheit zu verhindern.

4. Die Gemeinde muss nicht sämtliche Flächen, die sich für Vorhabennach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB (hier: Windkraftanlagen) eignen,gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in ihrem Flächennutzungsplan dar-stellen. Bei der Gebietsauswahl und dem Gebietszuschnitt braucht siedie durch § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB geschützten Interessen (hier:Windenergienutzung) in der Konkurrenz mit gegenläufigen Belangennicht vorrangig zu fördern. Sie darf diese Interessen nach den zum Ab-wägungsgebot entwickelten Grundsätzen zurückstellen, wenn hin-reichend gewichtige städtebauliche Gründe dies rechtfertigen.

5. Außerhalb der Konzentrationsflächen können Abweichungen von derRegel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nur zugelassen werden, wenn siedie planerische Konzeption der Gemeinde nicht in Frage stellen.

Vorinstanzen:OVG Münster vom 30.11.2001 – 7 A 4857/00VG Arnsberg vom 15.8.2000 – 4 K 1713/99

Aus den Gründen: I. Der Kläger beantragte im November 1996 einen Bauvorbescheid fürdie Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 67m, einem Rotordurchmesser von 66 m und einer Leistung von 1,5MW an einem zum Teil von Wald umgebenen Grünlandstandortrund 750 m westlich des Stadtgebiets der beigeladenen Gemeinde.Kurz zuvor hatte der Rat der Beigeladenen zur Steuerung der ab1.1.1997 gesetzlich privilegierten Windenergieanlagen ein Flächen-nutzungsplanänderungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, geeigne-tes Gelände für diese Anlagen auszuweisen. Östlich des Stadtgebietsim Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung »Homert«vom 4.12.1984, durch die weite Teile des Gemeindegebiets der Bei-geladenen erfasst werden, wurden fünf Flächen auf ihre Eignung hinuntersucht. Vier dieser Flächen erwiesen sich als problematisch, weildie Untere Naturschutzbehörde erklärte, eine Befreiung von dem na-turschutzrechtlichen Bauverbot nicht in Aussicht stellen zu können,bzw. weil das Staatliche Umweltamt Hagen aus Gründen des Immis-sionsschutzes Einwände erhob. Der Rat der Beigeladenen fasste in sei-ner Sitzung vom 7.10.1998 einen neuen Aufstellungsbeschluss, dersich nur mehr auf die Fläche erstreckte, gegen die im Rahmen der An-hörung keine Bedenken angemeldet worden waren. Er beschloss dieOffenlegung des Änderungsentwurfs und machte dies in der Westfä-lischen Rundschau und dem Südländer Volksfreund vom 30.11.1998bekannt. Mit Beschluss vom 12.4.1999 wies er die von ihm ausge-wählte rund 80 ha große Fläche als »Vorrangzone für Windkraftan-lagen« aus. Die Genehmigung dieser 9. Änderung des Flächennut-zungsplanes wurde am 17.9.1999 bekannt gemacht.

Der Kläger bat den Beklagten unter Hinweis auf den Abschluss desÄnderungsverfahrens, seine Bauvoranfrage weiter zu bearbeiten.

Er hat am 4.5.1999 Untätigkeitsklage erhoben, die in der ersten In-stanz erfolglos geblieben ist. Mit Urteil vom 30.11.2001 hat das Be-rufungsgericht auf einen Hilfsantrag festgestellt, dass der Beklagte vordem 17.9.1999 verpflichtet gewesen sei, den beantragten Bauvorbe-

BVerwG, Konzentrat ionszonen für Windkraf tanlagen

scheid zu erteilen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Vor dem In-Kraft-Treten derFlächennutzungsplanänderung am 17.9.1999 hätte die Bauvoranfra-ge des Klägers positiv beschieden werden müssen. Seit diesem Zeit-punkt dagegen stehe der Erteilung eines Bauvorbescheides für die be-absichtigte Errichtung einer Windkraftanlage die Ausweisung ananderer Stelle durch Darstellungen im Flächennutzungsplan der Bei-geladenen entgegen. Die Beschränkung auf eine einzige Vorrangzo-ne sei unbedenklich. Der Gesetzgeber verlange nicht die Ausweisungmehrerer Konzentrationszonen, um die Ausschlusswirkung für dieübrigen Bereiche zu erreichen. Das Konzept der Beigeladenen weisenicht die Merkmale einer unzulässigen Negativplanung auf. Der Ge-setzgeber erkenne der Nutzung der Windenergie im Rahmen der Ab-wägung keinen Gewichtungsvorrang zu. Er eröffne vielmehr dieMöglichkeit, die Zulassung von Windkraftanlagen aus städtebauli-chen Gründen restriktiv zu steuern. Die Beigeladene habe von der ihrinsoweit eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit fehlerfreienGebrauch gemacht. Sie habe tragfähige Gründe dafür genannt, wes-halb sie die Ausschlusswirkungen ihrer Planung auf alle Flächenaußerhalb der ausgewiesenen Konzentrationszone erstreckt habe. In-soweit habe sie nicht den Nachweis zu erbringen brauchen, dass dasübrige Gemeindegebiet für die Errichtung von Windenergieanlagenungeeignet sei. Eine parzellenscharfe Prüfung habe sich demgemäßerübrigt. Die Beigeladene habe aus Gründen des Immissionsschutzesund der künftigen Siedlungsentwicklung eine Reihe von Tabu-Flächen aus der weiteren Betrachtung aussondern dürfen. Auch un-ter dem Blickwinkel des Naturschutzes und der Landschaftspflegeeinschließlich der Erholungsfunktion der Landschaft hätten be-stimmte Landschaftsteile, zu denen auch der Standort für das vomKläger beabsichtigte Vorhaben gehöre, bei der Eignungsprüfungaußer Betracht bleiben können. Die als Vorrangzone dargestellteFläche eigne sich für den ihr zugedachten Zweck. Sie sei windhöffiggenug und erfülle auch die sonstigen Voraussetzungen, um Winden-ergieanlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Die Untere Land-schaftsbehörde habe ihre Bedenken zurückgestellt, weil dieses Arealim Gegensatz zu den anderen untersuchten Flächen weniger expo-niert sei und mit kürzeren Leitungen an das Stromnetz angebundenwerden könne. Der Kläger könne keine besonderen Umstände insFeld führen, die eine Ausnahme von der regelhaften Ausschlusswir-kung rechtfertigten.

Alle Beteiligten haben Revision eingelegt. Der Beklagte und die Bei-geladene haben ihr Rechtsmittel zurückgenommen.

II. Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger wird nicht da-durch in seinen Rechten verletzt, dass der Beklagte es unterlassen hat,seine Bauvoranfrage positiv zu bescheiden. Die Windkraftanlage, dieer zu errichten beabsichtigt, ist an dem vorgesehenen Standort un-zulässig. Ihr stehen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB öffentlicheBelange entgegen, da hierfür durch Darstellungen im Flächennut-zungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Der Flächen-nutzungsplan der Beigeladenen ist in der seit dem 17.9.1999 maß-geblichen Fassung gültig. Der Standort, an dem der Kläger seinVorhaben verwirklichen möchte, liegt außerhalb der Zone, in der dieErrichtung von Windkraftanlagen konzentriert werden soll. Um-stände, die eine Ausnahme von der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGBbegründen und deshalb eine Zulassung der streitigen Anlage an die-sem Standort ermöglichen könnten, liegen nicht vor. 1. Der Flächennutzungsplanänderung haftet kein formeller Mangel an.(…)2. Auch materiellrechtlich begegnet die Ausweisung der Beigeladenenkeinen Bedenken.

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ZUR 4/2003282

2.1. Der Flächennutzungsplan ist in der vom Kläger bekämpften geän-derten Fassung erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB. Der Ge-setzgeber richtet mit dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeitu.a. eine Planungsschranke für den Fall auf, dass sich eine Planungals nicht vollzugsfähig erweist, weil ihr auf unabsehbare Zeit unü-berwindbare rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege ste-hen (vgl. Urteile vom 12.8.1999 – 4 CN 4.98, BVerwGE 109, 246 undvom 21. 3.2002 – 4 CN 14.00, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 110 =DVBl. 2002, 1469; Beschlüsse vom 24. 10.1990 – 4 NB 29.90, Buch-holz 406.11 § 10 BauGB Nr. 23, vom 25.8.1997 – 4 NB 12.97, Buch-holz 406.11 § 6 BauGB Nr. 7 und vom 11.5.1999 – 4 BN 15.99, Buch-holz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27). § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB setzt eineDarstellung voraus, bei der eine positive Standortzuweisung mit ei-ner Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet verknüpftwird. Das mit dieser Regelung verfolgte Ziel wird von vornherein ver-fehlt, wenn die Fläche, die für die vorgesehene Nutzung zur Verfü-gung stehen soll, für diesen Zweck schlechthin ungeeignet ist. Nachden Feststellungen der Vorinstanz sind indes keine Anhaltspunktedafür vorhanden, dass sich das von der Beigeladenen ausgewieseneGebiet aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für eine Wind-energienutzung nicht eignet. 2.1.1.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts reicht es unter dem Blick-winkel des § 1 Abs. 3 BauGB aus, dass die Windverhältnisse einen An-lagenbetrieb zulassen und die Netzanbindungskosten jedenfalls beieiner Verteilung auf mehrere Betreiber tragbar erscheinen. Dies lässtsich rechtlich nicht beanstanden. Die Fläche, die der Errichtung vonWindkraftanlagen vorbehalten ist, muss nicht so beschaffen sein,dass sie eine bestmögliche Ausnutzung gewährleistet. Es reicht aus,wenn an dem Standort die Voraussetzungen für eine dem Zweck an-gemessene Nutzung gegeben sind. Das Berufungsgericht hat der ei-gens beim Deutschen Wetterdienst in Auftrag gegebenen Wetterkar-te entnommen, dass in der ausgewiesenen Vorrangzone ausreichendeWindgeschwindigkeiten zu erwarten sind. Seine Annahme, dass auchdie hohen Netzanschlusskosten kein unüberwindbares tatsächlichesHindernis darstellen, wird dadurch erhärtet, dass nach den überein-stimmenden Mitteilungen des Beklagten und der Beigeladenen fürdie Errichtung einer Mehrzahl von Windenergieanlagen inzwischendas Zulassungsverfahren eingeleitet worden ist. Der Kläger lässt es indiesem Punkt damit bewenden, die tatsächlichen Annahmen und dieWertungen des Berufungsgerichts anzuzweifeln. Einen Rechtsfehlerzeigt er nicht auf. 2.1.2. Auch für ein unüberwindbares rechtliches Hindernis bieten die Fest-stellungen des Berufungsgerichts keine greifbaren Anhaltspunkte.

Allerdings liegt die von der Beigeladenen ausgewiesene »Vorrang-zone für Windkraftanlagen« im Geltungsbereich der Landschafts-schutzverordnung »Homert«, die es untersagt, in dem Landschafts-schutzgebiet bauliche Anlagen jeder Art zu errichten. Ein solchesBauverbot kann nach § 1 Abs. 3 BauGB der Verwirklichung eines Bau-leitplans auf unübersehbare Zeit als Hindernis im Wege stehen, wennes sich als unüberwindbar erweist. Daran fehlt es, wenn der Gesetz-geber davon absieht, einer von ihm getroffenen Verbotsregelung ab-solute Geltung beizulegen. Schafft er zwar einen Verbotstatbestand,eröffnet aber gleichzeitig eine Abweichungsmöglichkeit, so schränkter die Verbotswirkungen insoweit selbst von vornherein ein. Sind dieVoraussetzungen, an die er den Ausnahmevorbehalt knüpft, objek-tiv erfüllt, so kann von einem unüberwindbaren rechtlichen Hin-dernis im Sinne der zu § 1 Abs. 3 BauGB ergangenen Senatsrecht-sprechung keine Rede sein. Von den Verbotsvorschriften, die sich innaturschutzrechtlichen Regelungen finden, kann unter Beachtungbestimmter gesetzlicher Vorgaben eine Befreiung gewährt werden. §62 BNatSchG ist hierfür ein Beleg. Auch das nordrhein-westfälische

Rechtsprechung

Naturschutzrecht lässt unter den in § 69 LG genannten Vorausset-zungen eine Befreiung von den in einer Schutzverordnung enthalte-nen Verboten ausdrücklich zu. Zeichnet sich die Erteilung einer Be-freiung für die Zukunft ab, weil eine Befreiungslage objektiv gegebenist und einer Überwindung der Verbotsregelung auch sonst nichts imWege steht, so darf die Gemeinde dies im Rahmen der Prognose, diesie bei der nach § 1 Abs. 3 BauGB gebotenen Erforderlichkeitsprüfunganzustellen hat, berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom25.8.1997 – 4 NB 12.97, a.a.O.). Hierbei bildet die Stellungnahme derzuständigen Naturschutzbehörde ein gewichtiges Indiz.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen erkennen, dasssich die Beigeladene bei ihrer Beschlussfassung in einer solchen Si-tuation befand. Die Erklärungen der zuständigen Naturschutzbehör-de ließen auf die Bereitschaft schließen, die Bedenken, die bei denübrigen, in die Eignungsuntersuchung einbezogenen Flächen gegeneine Befreiung erhoben wurden, bei dem als »Vorrangzone für Wind-kraftanlagen« ausgewiesenen Gebiet zurückzustellen. Diesem Um-stand durfte die Beigeladene ausschlaggebende Bedeutung beimes-sen, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass dieVoraussetzungen, von denen der Gesetzgeber die Gewährung einerBefreiung abhängig macht, hier nicht erfüllt sind. Auch das Vorbrin-gen des Klägers bietet in dieser Richtung keinen Anlass zu Zweifeln.

Kommt nach diesen Grundsätzen eine Befreiung von einem land-schaftsschutzrechtlichen Bauverbot in Betracht, besteht auch kein in-haltlicher Widerspruch zwischen der Landschaftsschutzverordnungund den Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinne von § 6Abs. 2 BauGB. Ein derartiger Widerspruch mit den sich aus § 6 Abs. 2BauGB ergebenden Rechtsfolgen bestünde nur dann, wenn sich diewiderstreitenden Inhalte nur durch eine Aufhebung des landschafts-schutzrechtlichen Verbots beseitigen ließen. So verhielt es sich indem Fall, der dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. 10. 1999 –4 C 1.99, (BVerwGE 109, 371) zugrunde lag. Dort sollte die Änderungdes Flächennutzungsplans für eine im Geltungsbereich einer Land-schaftsschutzverordnung liegende Teilfläche die Schaffung vonWohnbebauung ermöglichen – eine Fallgestaltung, bei der eine Be-freiung von dem landschaftsschutzrechtlichen Bauverbot von vorn-herein ausschied. 2.2. Die Abwägungsentscheidung der Beigeladenen lässt sich anhand derFeststellungen der Vorinstanz rechtlich ebenfalls nicht beanstanden. 2.2.1.

Kläger wertet die Regelungen, die der Gesetzgeber im Baugesetz-buch und in anderen rechtlichen Zusammenhängen zu Gunsten derWindenergie getroffen hat, als normative Gewichtungsvorgabe, derder Planungsträger im Sinne einer Förderung der Windenergienut-zung bestmöglich Rechnung zu tragen habe. Er stellt hierbei daraufab, dass Anlagen, die der Nutzung der Windenergie dienen, nicht nurin § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB (bis zum 1.1.1998: § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB)privilegiert, sondern auch anderweitig erkennbar begünstigt werden(vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG sowie die §§ 3 und 7 des Gesetzes fürden Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29.3.2000, BGBl. I S. 305).Diesem rechtlichen Ansatz ist nicht zu folgen.

Allein im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ge-nießen privilegierte Vorhaben in dem Spannungsverhältnis mit denin § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgezählten öffentlichen Be-langen eine besondere Vorzugsstellung. Unzulässig ist ein privile-giertes Vorhaben, das den Darstellungen des Flächennutzungsplanswiderspricht, nur, wenn ihm der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB be-zeichnete öffentliche Belang im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB »entge-gensteht«. Ob diese Sperre greift, ist nach der Rechtsprechung des Se-nats im Wege einer nachvollziehenden Abwägung zu ermitteln, in diedas gesteigerte Durchsetzungsvermögen des privaten Interesses mitdem erheblichen Gewicht einzustellen ist, das ihm nach der in derPrivilegierung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wer-

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283ZUR 4/2003

tung gebührt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.1.1984 – 4 C 43.81, BVer-wGE 68, 311 und vom 19.7. 2001 – 4 C 4.00, BVerwGE 115, 17).

§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB liegt demgegenüber ein anderes Modellzugrunde. Der Gesetzgeber versteht diese Vorschrift als ein die Privi-legierung flankierendes Instrument, durch das die Gemeinde in dieLage versetzt wird, die bauliche Entwicklung im Außenbereich pla-nerisch zu steuern. Es trifft zwar zu, dass es das erklärte Ziel des Ge-setzgebers ist, den Ausbau der Windenergienutzung »aus klima-schutz-, energie- und umweltpolitischen Gründen« zu fördern und»den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung zu stei-gern« (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Raumordnung,Bauwesen und Städtebau vom 19.6.1996, BT-Drucks. 13/4978). DerKläger übersieht jedoch, dass die Novelle vom 30.7.1996 (BGBl. I S.1189) nicht ausschließlich dazu diente, die Rolle der Windenergie-nutzung zu stärken. Der Gesetzgeber schuf bei dieser Gelegenheitauch § 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB (jetzt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB), dernicht allein Windkraftanlagen, sondern auch andere Privilegierung-statbestände, wie etwa die ortsgebundene gewerbliche Nutzung, inseinen Regelungsbereich einbezog. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in derseit 1.1.1998 maßgeblichen Fassung erstreckt sich auf nahezu alle pri-vilegierten Vorhaben. Ausgenommen sind lediglich solche, die imSinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem land- oder forstwirtschaftli-chen Betrieb dienen.

Diese Systematik verbietet es, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einseitig un-ter dem Aspekt der Förderung der Windenergienutzung zu betrach-ten. Für die Vorhaben, deren Privilegierung sich aus Abs. 1 Nrn. 2 bis5 ergibt, müssen vielmehr dieselben Grundsätze gelten. § 35 Abs. 3Satz 3 BauGB hat Kompromisscharakter. Der Gesetzgeber bringtdurch die Privilegierung einerseits zum Ausdruck, dass es sich umNutzungen handelt, die dem Außenbereich adäquat sind. Er ver-schließt sich andererseits aber nicht der Einsicht, dass er sich vielfachmit Massenphänomenen konfrontiert sieht, die ohne Planung nichtzu bewältigen sind. Dies gilt nicht nur für die Windenergienutzung,bei der sich allein anhand der Kriterien des § 35 Abs. 1 BauGB eine»Verspargelung« der Landschaft nicht verhindern ließe, sondern z.B.auch für den Abbau von Bodenschätzen, der in manchen Gegendeneine »Verkraterung« der Landschaft zur Folge haben würde, sowie fürdie Massentierhaltung, die mit ihren Großstallungen mancherortsden Außenbereich beherrscht. Die Missstände, die weithin drohen,haben den Gesetzgeber veranlasst, die Privilegierung in den Fällen des§ 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB unter einen »Planvorbehalt« zu stel-len. Die von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erfassten Vorhaben sind nichtnur dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange im Sinne des§ 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen, sondern auch dann, wenn für siedurch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele derRaumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Die ge-setzgeberische Privilegierungsentscheidung kommt zwar weiterhin,aber nur mehr nach Maßgabe der gemeindlichen Planungsvorstel-lungen zum Tragen. Durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erhalten be-stimmte Darstellungen des Flächennutzungsplans über die in Abs. 3Satz 1 Nr. 1 getroffene Regelung hinaus bauplanerische Bedeutung.Die Gemeinde bekommt ein Instrument an die Hand, das es ihr er-möglicht, durch eine Kanalisierung der in § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6BauGB aufgeführten Vorhaben, die städtebauliche Entwicklung inihrem Gemeindegebiet in geordnete Bahnen zu lenken. Dieses ge-setzgeberische Modell trägt sowohl dem gebotenen Außenbereichs-schutz als auch der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Pla-nungshoheit Rechnung. Es entspricht damit der Grundkonzeptiondes § 1 BauGB, wonach es zu den Aufgaben der Gemeinde gehört,nach Maßgabe ihrer städtebaulichen Vorstellungen die bauliche unddie sonstige Nutzung der Grundstücke im Gemeindegebiet vorzube-reiten und zu leiten (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.12.1988 – 4 C40.86, BVerwGE 81, 95 und vom 14.4. 2000 – 4 C 5.99, Buchholz406.11 § 35 BauGB Nr. 342).

BVerwG, Konzentrat ionszonen für Windkraf tanlagen

2.2.2.1. Bedient sich die Gemeinde der ihr in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auf-gezeigten Planungsmöglichkeiten, so kommt dies einer planerischenKontingentierung gleich. Wie aus der Entstehungsgeschichte derNorm erhellt (vgl. den Ausschussbericht vom 19.6.1996, BT-Drucks.13/4978 S. 7), orientiert sich der Gesetzgeber mit dem in dieser Vor-schrift verankerten Darstellungsprivileg an der Rechtsprechung desSenats zu Konzentrationsflächen für den Kiesabbau (vgl. BVerwG, Ur-teil vom 22.5.1987 – 4 C 57.84, BVerwGE 77, 300). Danach ist eineGemeinde befugt, im Flächennutzungsplan Abgrabungsflächen mitdem Ziel darzustellen, den Abbau am ausgewiesenen Standort zukonzentrieren und im übrigen Außenbereich zu unterbinden. In § 35Abs. 3 Satz 3 BauGB greift der Gesetzgeber das Konzept, eine positiveAusweisung an einer bestimmten Stelle mit einer Ausschlusswirkungfür den übrigen Planungsraum zu kombinieren, ausdrücklich auf(vgl. den Ausschussbericht vom 19.6.1996, BT-Drucks. 13/4978 S. 7).Die negative und die positive Komponente der Darstellung bedingeneinander. Das Zurücktreten der Privilegierung in Teilen des Plange-biets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur dann recht-fertigen, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass sich die betroffenenVorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungendurchsetzen. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bietet ihr die Möglichkeit, Win-denergieanlagen ebenso wie die in § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB ge-nannten sonstigen Vorhaben auf bestimmte Standorte zu konzen-trieren. Dagegen lässt er es nicht zu, das gesamte Gemeindegebiet mitdem Instrument des Flächennutzungsplans zu sperren. Ein solchergenereller Ausschluss mag der Regionalplanung oder der Regelungdurch gemeinsame Flächennutzungspläne benachbarter Gemeindenauf der Grundlage des § 204 Abs. 1 BauGB vorbehalten sein.

Der Gemeinde ist es daher verwehrt, den Flächennutzungsplan alsMittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel derSteuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Mit einerbloßen »Feigenblatt«-Planung, die auf eine verkappte Verhinde-rungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Viel-mehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des GesetzgebersRechnung tragen und für die Windenergienutzung in substantiellerWeise Raum schaffen. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bietet keine Hand-habe dafür, die Zulassung von Windkraftanlagen in der Weise re-striktiv zu steuern, dass die Gemeinde sich einseitig von dem Ziel lei-ten lässt, die Entfaltungsmöglichkeiten dieser Nutzungsart auf dasrechtlich unabdingbare Minimum zu beschränken. Der Gesetzgebergestattet es, das durch § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB rechtlich geschützteNutzungsinteresse in der Konkurrenz mit anderen Abwägungsbelan-gen ggf. zurückzustellen. Ein solches »Wegwägen« ist indes rechtfer-tigungsbedürftig. Ist die Planung nicht durch Abwägungsoffenheitgekennzeichnet, sondern in einer bestimmten Richtung vorgeprägt,so sind Abwägungsdefizite vorprogrammiert. Wo die Grenze zur Ver-hinderungsplanung verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Be-schränkt sich die Gemeinde darauf, eine einzige Konzentrationszoneauszuweisen, so ist dies, für sich genommen, noch kein Indiz für ei-nen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung. AuchGrößenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet.Die ausgewiesene Fläche ist nicht nur in Relation zu setzen zur Ge-meindegröße, sondern auch zur Größe der Gemeindegebietsteile, diefür eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht inBetracht kommen. Dazu gehören nicht zuletzt die besiedelten Berei-che, zusammenhängende Waldflächen sowie Flächen, die aufgrundder topographischen Verhältnisse im Windschatten liegen. Eignetsich nur ein geringer Teil des Gemeindegebiets für eine Windener-gienutzung, so lässt sich eine im Vergleich zur Gesamtgröße kleineKonzentrationszone schon aus diesem Grunde nicht als Indikator füreine missbilligenswerte Verhinderungstendenz werten.

Umgekehrt ist die Gemeinde nicht verpflichtet, von dem Planvor-behalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Gebrauch zu machen, wenn ge-

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ZUR 4/2003284

eignete Flächen vorhanden sind. Die Zulässigkeit von Windkraftan-lagen würde sich in diesem Fall allein nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGBrichten. Die Gemeinde wäre dann darauf beschränkt, im Rahmen des§ 36 BauGB geltend zu machen, dass einem bestimmten Vorhabenöffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BauGB ent-gegenstehen. Ist hingegen im gesamten Gemeindegebiet keine ge-eignete Fläche zu finden, darf die Gemeinde keine Konzentrations-zonen im Flächennutzungsplan vorsehen, weil mit der Darstellungvon für die Windenergienutzung ungeeigneten Flächen der Geset-zeszweck des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verfehlt würde. Auch in die-sem Fall bleibt es beim allgemeinen Zulässigkeitstatbestand des § 35Abs. 1 Nr. 6 BauGB. 2.2.2.2. Das Berufungsurteil bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die vomKläger bekämpfte Änderung des Flächennutzungsplans zu Lasten derWindenergienutzung die Merkmale einer verschleierten Verhinde-rungsplanung aufweist. (…) Die Beschränkung auf eine einzige Kon-zentrationszone war nicht von Anfang an geplant, sondern das Er-gebnis der von Seiten verschiedener Fachbehörden gegen andereStandorte erhobenen Einwände. Diesen nicht ausgeräumten Beden-ken Rechnung getragen zu haben, braucht die Beigeladene sich nichtals Fehlgewichtung zu Lasten der Windenergienutzung entgegen-halten zu lassen. 2.2.3.1. Auch der Umstand, dass es nach der Darstellung des Klägers im Ge-meindegebiet der Beigeladenen weitere Flächen gibt, die sich vonihren Standortbedingungen her im Vergleich mit der ausgewiesenenKonzentrationszone für die Errichtung von Windkraftanlagen eben-so gut oder noch besser eignen, deutet nicht schon als solcher auf einebeanstandenswerte restriktive Tendenz hin. Macht die Gemeindevon der Möglichkeit des Planungsvorbehalts Gebrauch, so ist sienicht gehalten, die Wertungen, die sich in den Privilegierungstatbe-ständen des § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB widerspiegeln, schlichtnachzuvollziehen. Die Feststellung, dass sich diese oder jene Flächefür Zwecke der Windenergienutzung eignet, ist ein Gesichtspunkt,der bei der planerischen Abwägung gebührend zu berücksichtigen ist,bei der Standortwahl aber nicht zwangsläufig den Ausschlag gebenmuss. Eine andere Beurteilung ist allenfalls dann geboten, wenn dieGröße der Konzentrationsfläche durch verbindliche Bedarfsprogno-sen oder sonstige rechtliche Vorgaben, etwa der Landesplanung, mit-bestimmt wird, an denen sich die gemeindliche Planung auszurich-ten hat. Ansonsten hat sich die Gemeinde an den allgemeinenAnforderungen zu orientieren, die sich aus dem Abwägungsgebot er-geben. Dem Belang der Förderung der Windenergienutzung muss sienur insoweit den Vorrang einräumen, als ihm keine gegenläufigen Be-lange gegenüberstehen, die sie als gewichtiger einstufen darf. In die-sem Zusammenhang ist die Eignungsfrage nur einer der für die Ab-wägungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte. Auch Standorte,die im Vergleich mit der Wahllösung besser geeignet erscheinen, dür-fen unberücksichtigt bleiben, wenn das Gewicht der entgegenste-henden Belange das an dieser Stelle rechtfertigt. (…)2.2.4.1. Der Kläger hält der Beigeladenen vor, nicht hinreichend dargelegt zuhaben, welche Gründe es rechtfertigen, nur eine rund 80 ha großeFläche der Windenergienutzung vorzubehalten und das übrige Ge-meindegebiet für diese Art von Nutzung zu sperren. Auch dieser Ar-gumentation ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt.

Richtig ist, dass die Darstellung einer Konzentrationszone die ihrzugedachte Negativwirkung in Anlehnung an das Senatsurteil vom22.5.1987 – 4 C 57.84, (a.a.O.) nur dann besitzt, wenn ihr ein schlüs-siges Plankonzept zugrunde liegt, das sich auf den gesamten Außen-bereich erstreckt (vgl. den Ausschussbericht vom 19.6.1996, BT-Drucks. 13/4978 S. 7). Die gemeindliche Entscheidung muss nichtnur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive

Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen,welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum vonWindkraftanlagen freizuhalten. Das folgt schon daraus, dass es dieAufgabe des Flächenutzungsplans ist, ein gesamträumliches Ent-wicklungskonzept für das Gemeindegebiet zu erarbeiten. Die Aus-weisung an bestimmter Stelle muss Hand in Hand mit der Prüfunggehen, ob und inwieweit die übrigen Gemeindegebietsteile als Stan-dort ausscheiden. Die öffentlichen Belange, die für die negative Wir-kung der planerischen Darstellung ins Feld geführt werden, sind mitdem Anliegen, der Windenergienutzung »an geeigneten Standorteneine Chance« zu geben, die ihrer Privilegierung gerecht wird (vgl. denAusschussbericht vom 19.6.1996, BT-Drucks. 13/4978 S. 6), nachMaßgabe des § 1 Abs. 6 BauGB abzuwägen. Ebenso wie die positiveAussage müssen sie sich aus den konkreten örtlichen Gegebenheitennachvollziehbar herleiten lassen.

Aus dem Regelungszusammenhang, in den § 35 Abs. 3 Satz 3BauGB hineingestellt ist, ergibt sich, dass nicht beliebige Gründe ei-nen Ausschluss rechtfertigen. Die mit der positiven Standortzuwei-sung verbundene Ausschlusswirkung muss durch städtebaulicheGründe legitimiert sein. Die Gemeinde darf nicht im Gewande derBauleitplanung eine Windkraftpolitik betreiben, die den Wertungendes Baugesetzbuches zuwiderläuft und darauf abzielt, die Windener-gienutzung aus anderweitigen Erwägungen zu reglementieren odergar gänzlich zu unterbinden. Auskunft darüber, welche Gesichts-punkte aus städtebaulicher Sicht einen Ausschluss rechtfertigen, gibt§ 1 Abs. 5 BauGB. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB bietet weitere Anhalts-punkte dafür, welche Belange bei der Ausführung von Vorhaben imAußenbereich städtebaulich relevant sind. Denn § 35 Abs. 3 Satz 3BauGB ändert nichts an der Außenbereichsqualität des überplantenBereichs. Im Ausschussbericht vom 19. Juni 1996 werden als Belan-ge, die der Windenergienutzung vorgehen können, beispielhaft derFremdenverkehr, der Naturschutz und der Landschaftsschutz ge-nannt (vgl. BTDrucks 13/4978 S. 6). Windenergieanlagen werfenauch immissionsschutzrechtliche Probleme auf. Je nach der konkre-ten Situation können die verschiedensten sonstigen Schutzgüter, wieetwa der Schutz von Rohstoffvorkommen und militärischen Ein-richtungen oder anderen technischen Systemen, Einschränkungengebieten. »Welchen Belangen der Vorrang gebührt, kann« nach derAussage des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebauvom 19.6.1996 (BT-Drucks. 13/4978 S. 6) »nicht pauschal ..., sondernnur im Einzelfall und vor Ort abgewogen und entschieden werden«.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ohneVerstoß gegen revisibles Recht die 9. Änderung des Flächennut-zungsplans als abwägungsfehlerfrei angesehen. 2.2.4.2.1. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass die Beigeladene bei ihren pla-nerischen Überlegungen bestimmte Gemeindegebietsteile als so ge-nannte »Tabu-Zonen« von vornherein außer Betracht lassen durfte.Er räumt ein, dass geschlossene Siedlungsgebiete und Waldbereicheals Vorrangfläche für die Windenergienutzung schlechthin ungeeig-net sind. Er verwahrt sich auch nicht dagegen, dass zwischen be-stimmten schützenswerten Bereichen und Flächen, auf denen eineMehrzahl von Windkraftanlagen errichtet werden darf, Abständeeinzuhalten sind. Rechtliche Vorgaben ergeben sich insoweit nichtzuletzt aus dem Immissionsschutzrecht. Bereits bei der Darstellungvon Konzentrationszonen für die Windenergienutzung muss sicher-gestellt werden, dass durch die dort zulässigen Windkraftanlagen kei-ne schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können(vgl. BVerwG, Urteil vom 12.8.1999 – 4 CN 4.98, a.a.O.).

Von dieser Erwägung hat sich auch die Beigeladene bei ihrer Stan-dortsuche leiten lassen. Bei der Bezeichnung der Flächen, die nach ih-rer Konzeption aus Gründen des Immissionsschutzes von Winden-ergieanlagen freizuhalten sind, hat sie sich nach den Feststellungendes Berufungsgerichts aber nur vom Ansatz her an den Richtwerten

Rechtsprechung

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der TA Lärm ausgerichtet. Sie hat nicht für jeden Bereich gesondertMessungen durchgeführt oder Berechnungen angestellt und nachMaßgabe der jeweiligen Ergebnisse die Abstände ermittelt. Vielmehrhat sie sich in Anlehnung an den nordrhein-westfälischen Winden-ergie-Erlass in der Fassung des Jahres 1996 für eine Betrachtungswei-se entschieden, die den maßgeblichen Parametern, wie etwa derWindrichtung und -geschwindigkeit, der Leistungsfähigkeit der An-lage oder der Tonhaltigkeit der Rotorgeräusche, anhand von Erfah-rungswerten in mehr oder weniger pauschaler Weise Rechnung trägt.Sie hat im Hinblick auf die unterschiedliche Schutzwürdigkeit zwi-schen Einzelgebäuden und Gehöften sowie Wohnbebauung inner-halb und außerhalb des Ortszusammenhangs differenziert und jenach der Himmelsrichtung Abstände festgelegt, die zwischen 300 mund 750 m schwanken.

Der Kläger hält diese Vorgehensweise unter Hinweis auf die Recht-sprechung des OVG Lüneburg (vgl. Urteil vom 21.7.1999, NVwZ1999, 1358) für beanstandenswert. Nach seiner Ansicht darf sich eineGemeinde, die von dem Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGBGebrauch macht, nicht nach Belieben von der Systematik der TALärm lösen. Diese Sichtweise hat sich das Berufungsgericht zu Rechtnicht zu Eigen gemacht.

Richtig an der Argumentation des Klägers ist zwar, dass den im-missionsschutzrechtlichen Anforderungen, denen an sich erst auf derStufe der Anlagenzulassung Rechnung zu tragen ist, schon auf derEbene der Bauleitplanung mittelbar rechtliche Bedeutung zukommt.Das bedeutet aber nicht, dass die planerischen Aussagen unbesehenan der TA Lärm zu messen sind. Der Kläger missversteht das Zusam-menspiel von Städtebaurecht und Immissionsschutzrecht bei derAufstellung von Bauleitplänen. Über Grenzwertregelungen, durch diedie Erheblichkeitsschwelle im Sinne des Schutzstandards des § 5 Abs.1 Nr. 1 BImSchG zu Gunsten der Nachbarschaft auch mit Wirkungfür das Städtebaurecht konkretisiert wird, darf die Gemeinde sichnicht sehenden Auges hinwegsetzen. Ist vorhersehbar, dass sich imFalle der Umsetzung der planerischen Regelungen die immissions-schutzrechtlich maßgeblichen Grenzwerte nicht werden einhaltenlassen, so ist der Bauleitplan nichtig. Daraus kann aber nicht gefol-gert werden, dass die Gemeinde umgekehrt im Interesse von Bauin-teressenten von ihren planerischen Befugnissen keinen anderen Ge-brauch machen darf, als Nutzungen bis an die Grenze dessen zuermöglichen, was anhand der Maßstäbe des Immissionsschutzrechtsgerade noch zulässig ist, ohne als schädliche Umwelteinwirkungenim Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG qualifiziert werden zu können. Wieder Senat wiederholt ausgeführt hat, ist es ihr vielmehr bereits im Vor-feld der Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen gestattet, durchihre Bauleitplanung eigenständig gebietsbezogen das Maß des Hin-nehmbaren zu steuern (vgl. BVerwG, Urteile vom 14.4.1989 – 4 C52.87, Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 36 und vom 28.2.2002– 4 CN 5.01, Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 25; Beschluss vom16.12.1988 – 4 NB 1.88, Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 33).Abwägungsfehlerhaft ist eine solche am Vorsorgegrundsatz des § 5Abs. 1 Nr. 2 BImSchG orientierte Planung im Rahmen des Darstel-lungsprivilegs des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erst dann, wenn sie auchunter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, den der Gesetz-geber der Gemeinde zubilligt, städtebaulich nicht mehr begründbarist.

Davon kann hier nach den vom Berufungsgericht getroffenen Fest-stellungen keine Rede sein. Das Tabu-Flächen-Konzept der Beigela-denen hat keinen prohibitiven Charakter. Es ist nicht darauf angelegt,aus Gründen, die dem Städtebaurecht fremd sind, Windkraftanlagenvon möglichst weiten Teilen des Gemeindegebiets von vornhereinfernzuhalten. Nach der Darstellung des Berufungsgerichts ist das Ab-standsflächenkonzept mit dem Staatlichen Umweltamt Hagen abge-stimmt worden. Diese Vorgehensweise lässt die Annahme, die Beige-ladene habe sich von übertriebenen Vorsorgeerwägungen leiten

lassen, von vornherein als fernliegende Möglichkeit erscheinen. Zur Kritik bietet die Abwägungsentscheidung entgegen der Ansicht

des Klägers nicht deshalb Anlass, weil die Beigeladene bei der Ab-grenzung der Tabu-Zonen in die Betrachtung nicht bloß die Bereicheeinbezogen hat, die als Wohnbaufläche dargestellt sind, sondernauch die Flächen, die für Wohngebietserweiterungen vorgesehensind. Überplant die Gemeinde Teile ihres Gemeindegebiets, so darfsie dabei so vorgehen, dass sie sich etwaige von ihr ins Auge gefassteEntwicklungsmöglichkeiten in der Nachbarschaft nicht von vorn-herein abschneidet. Wie der Senat im Urteil vom 28.2.2002 – 4 CN5.01, (a.a.O.) dargelegt hat, kann das zulässigerweise verfolgbare Ziel,einen vorhandenen Ortsteil fortzuentwickeln (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2Nr. 4 BauGB), es rechtfertigen, sich bei der Planung nicht am über-kommenen, sondern an dem Baubestand auszurichten, der sich fürdie Zukunft abzeichnet. Eine Grenze ist einer derartigen Zukunft-sprojektion durch das Verbot des »Etikettenschwindels« gezogen.Veränderungen der baulichen Struktur, die nicht ernsthaft beabsich-tigt, sondern nur vorgeschoben sind, dürfen nicht als entgegenste-hende Belange dafür herhalten, die Abwägungsmaßstäbe zu ver-schieben. Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die 9.Änderung des Flächennutzungsplans auch in diesem Punkt keinenrechtlichen Bedenken. Nach den Angaben des Berufungsgerichtshandelt es sich bei den vom Kläger beanstandeten »Wohngebietser-weiterungsflächen« um Bereiche, deren Entwicklung hin zu einerWohnbebauung insofern vorgezeichnet ist, als für sie bereits eineÜberarbeitung des Gebietsentwicklungsplans beantragt ist. Von einerüberzogenen Vorratsplanung kann bei dieser Sachlage keine Redesein. 2.2.4.2.2. Die Entscheidung der Beigeladenen, die mit der 9. Änderung desFlächennutzungsplans bezweckte Ausschlusswirkung aus Gründendes Natur- und des Landschaftsschutzes einschließlich der Erho-lungsfunktion der Landschaft auf den gesamten Bereich westlich derOrtslage N. zu erstrecken, lässt sich rechtlich ebenfalls nicht bean-standen.

Der Kläger bestreitet nicht, dass gerade diese Belange bei derSchaffung des Planvorbehalts in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eine ent-scheidende Rolle gespielt haben. Der Bereich westlich der Ortsla-ge N. steht nach den Angaben des Berufungsgerichts zwar nichtunter förmlichem Landschaftsschutz, er zählt jedoch zu den be-vorzugtesten Naherholungsgebieten der Beigeladenen. Wie im Be-rufungsurteil dargelegt wird, scheiden weite Teile dieses Land-schaftsraumes als Standort für Windkraftanlagen schon deshalbaus, weil sie zusammenhängend bewaldet sind. Eingestreut sindzwar einzelne Freiflächen, zu denen auch das Areal gehört, auf demder Kläger die Windenergieanlage errichten möchte, die den Ge-genstand seiner Bauvoranfrage bildet. Gerade dieser Bereich weistaber nach den Feststellungen der Vorinstanz aufgrund der natürli-chen Gegebenheiten und der Ausstattung mit Freizeiteinrichtun-gen ein hohes Maß an Erholungseignung auf. Vor dem Hinter-grund dieser vom Kläger nicht in Abrede gestellten tatsächlichenVerhältnisse ist die Entscheidung der Beigeladenen, diesen Teil desGemeindegebiets von Windkraftanlagen freizuhalten, nicht das Er-gebnis einer »restriktiven Steuerung«, sondern Ausdruck einerohne weiteres zulässigen Gewichtung innerhalb der Schranken, diebei Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB durch das Abwä-gungsgebot aufgerichtet werden. 3. Zu Recht hat sich das Berufungsgericht nicht der Auffassung des Klä-gers angeschlossen, dass der Beklagte den beantragten Bauvorbe-scheid unabhängig von der Gültigkeit der 9. Änderung des Flächen-nutzungsplans jedenfalls deshalb hätte erteilen müssen, weil dieRegelvermutung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB im konkreten Fall nichtgreife.

BVerwG, Konzentrat ionszonen für Windkraf tanlagen

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ZUR 4/2003286

§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB richtet kein absolutes Zulassungshinder-nis auf. Die Ausschlusswirkung tritt »in der Regel« ein. In Ausnah-mefällen kommt eine Zulassung auch im sonstigen Außenbereich inBetracht. Mit diesem Regelungsmechanismus lehnt sich der Gesetz-geber an die Senatsrechtsprechung zu Konzentrationsflächen für denKiesabbau an. Unter Hinweis darauf, dass die negative Seite der Aus-weisung wegen ihres typischerweise globaleren Charakters im Allge-meinen geringere Durchsetzungskraft besitzt als die positive Stan-dortdarstellung, hebt der Senat insoweit im Urteil vom 22.5.1987 – 4C 57.84, (a.a.O.) hervor, dass die besonderen Umstände des Einzel-falls in diesen Gemeindegebietsteilen eher eine Chance haben sichzu behaupten. Die »Regel«-Formulierung ermöglicht die Feindiffe-renzierung, für die das Abwägungsmodell auf der Stufe der Flächen-nutzungsplanung naturgemäß keinen Raum lässt. Sie verlangt, dassunter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten das private In-teresse an der Errichtung einer Windkraftanlage den öffentlichen Be-langen der Nutzungskonzentration an anderer Stelle gegenüberge-stellt wird. Dies läuft, in ähnlicher Weise wie bei § 35 Abs. 1 BauGB,auf eine nachvollziehende Abwägung hinaus, freilich unter umge-kehrten Vorzeichen. Während der Gesetzgeber mit dem Tatbe-standsmerkmal »entgegenstehen« die besondere Bedeutung der Pri-vilegierung hervorhebt, die tendenziell zu Gunsten des Vorhabens zuBuche schlägt, bringt er mit der Regel-Ausnahme-Formel in § 35 Abs.3 Satz 3 BauGB zum Ausdruck, dass außerhalb der Konzentrations-flächen dem Freihalteinteresse grundsätzlich der Vorrang gebührt.Diese Wertung darf nicht im Zulassungsverfahren konterkariert wer-den. Eine Abweichung im Einzelfall ist zwar möglich, sie steht aberunter dem Vorbehalt, dass die Konzeption, die der Planung zugrun-de liegt, als solche nicht in Frage gestellt wird. Das mit der Auswei-sung an anderer Stelle verfolgte Steuerungsziel darf nicht unterlaufenwerden.

Was die vom planerisch erfassten Regelfall abweichende Sonder-konstellation ausmacht, lässt sich nicht in eine allgemeine Formelkleiden. Die Atypik kann sich daraus ergeben, dass die Windkraftan-lage wegen ihrer Größe oder wegen ihrer Funktion z.B. als einem an-deren privilegierten Vorhaben zugeordnete Nebenanlage besondereMerkmale aufweist, die sie aus dem Kreis der Anlagen herausheben,deren Zulassung der Planungsträger hat steuern wollen. Auch Be-standsschutzgesichtspunkte können von Bedeutung sein. Ist in derNähe des vorgesehen Standorts bereits eine zulässigerweise errichte-te Windenergieanlage vorhanden, so kann dies bei der Interessenbe-wertung ebenfalls zum Vorteil des Antragstellers ausschlagen. Auchdie kleinräumlichen Verhältnisse können es rechtfertigen, von derauf den gesamten Planungsraum bezogenen Beurteilung des Pla-nungsträgers abzuweichen. Ist aufgrund topographischer oder son-stiger Besonderheiten eine Beeinträchtigung der als störempfindlichund schutzwürdig eingestuften Funktionen des betreffenden Land-schaftsraums nicht zu besorgen, so widerspricht es der Zielrichtungdes Planvorbehalts nicht, das Vorhaben zuzulassen.

Das Berufungsgericht hat weder in sachlicher noch in räumlicherHinsicht Umstände festgestellt, die entgegen der Regelaussage des §35 Abs. 3 Satz 3 BauGB geeignet sind, dem Kläger den Weg zur Ertei-lung des von ihm beantragten Bauvorbescheids zu ebnen. Nach sei-ner Darstellung erfüllt der vorgesehene Standort die Kriterien, dienach dem Plankonzept der Beigeladenen eine Nutzung der Winden-ergie außerhalb der Vorrangzone ausschließen. Der Kläger stellt selbstnicht in Abrede, dass der fragliche Bereich der Naherholung dient. Erbestreitet auch nicht, dass zwischen der Windenergienutzung undder Befriedigung von Erholungsbedürfnissen ein gewisses Span-nungsverhältnis besteht. Wenn er gleichwohl meint, eine positiveEntscheidung beanspruchen zu können, dann beruht dies auf seinerAnnahme, dass jedenfalls im Rahmen der Einzelfallbetrachtunggroßzügige Korrekturmöglichkeiten zu Gunsten der Zulassung vonWindkraftanlagen geboten seien. Mit dieser Sichtweise unterlegt er §

35 Abs. 3 Satz 3 BauGB indes einen Regelungsgehalt, der dieser Vor-schrift nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht zukommt. Durchdas Darstellungsprivileg soll die Zulassung von Vorhaben außerhalbder hierfür vorgesehenen Flächen auf Fälle beschränkt bleiben, die ge-messen an den Zielvorstellungen der Gemeinde Ausnahmecharakterhaben. Der Kläger zeigt keine Gesichtspunkte auf, die den Schlussrechtfertigen, dass die Windenergieanlage, die er zu errichten beab-sichtigt, trotz einer Nabenhöhe von 67 m und einem Rotordurch-messer von 66 m keinen Anlass zu der Befürchtung bietet, der Erho-lungsfunktion des Gebiets abträglich zu sein. 4. Das Verständnis des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, das dem Berufungsur-teil zugrunde liegt, hält einer Überprüfung anhand der Maßstäbe desArt. 14 GG stand.

Soweit die Gemeinde von dem Darstellungsprivileg Gebrauchmacht, dient der Flächennutzungsplan nicht mehr nur der Steue-rung nachfolgender Planungen. Er erlangt über die mittelbaren Wir-kungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB hinaus unmittelbare Außen-wirkungen. Insoweit weist er, ähnlich wie § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz1 BauGB (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19.7. 2001 – 4 C 4.00,a.a.O.), die Merkmale einer Inhalts- und Schrankenbestimmung imSinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf, die den Gewährleistungsge-halt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu wahren sowie dem Gleichheits-satz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu genügen hat. § 35 Abs.3 Satz 3 BauGB hält sich innerhalb der Schranken, die durch das Ver-fassungsrecht gezogen werden. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG lässt sichnicht das Recht herleiten, alle nur irgend erdenklichen Nutzungs-möglichkeiten auszuschöpfen, zu denen ein Grundstück Gelegen-heit bietet. Die Baufreiheit als das Recht, ein Grundstück baulichoder in sonstiger Weise zu nutzen, wird zwar vom Schutzbereich desEigentumsgrundrechts umfasst, sie ist aber nur nach Maßgabe deseinfachen Rechts gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom19.6.1973 – 1 BvL 39/69 u.a., BVerfGE 35, 263 <276>; BVerwG, Ur-teil vom 12.3.1998 – 4 C 10.97, BVerwGE 106, 228). Der Gesetzge-ber hat in den §§ 30, 34 und 35 BauGB ein differenziertes System ge-schaffen. Für § 35 BauGB ist der Leitgedanke der größtmöglichenSchonung des Außenbereichs charakteristisch, der einer Bebaubar-keit enge Grenzen setzt. Dieser Vorbehalt gilt nicht nur für sonstigeVorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, sondern gleichermaßenfür privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB (vgl. BVer-wG, Urteil vom 19. Juni 1991 – BVerwG 4 C 11.89 – Buchholz 406.11§ 35 BauGB Nr. 273). Das äußert sich darin, dass auch diese Vorha-ben trotz der ihnen vom Gesetzgeber bescheinigten grundsätzli-chen Außenbereichsadäquanz nicht an jedem beliebigen Standortzulässig sind. Sie dürfen nach § 35 Abs. 1 BauGB nur dort zugelassenwerden, wo ihnen als das Ergebnis einer Bilanzierung öffentliche Be-lange nicht entgegenstehen.

Bei § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hält der Gesetzgeber an der Privile-gierung fest, gibt der Gemeinde aber ein Mittel an die Hand, das esihr ermöglicht, die Ausführung der in § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGBbezeichneten Bauvorhaben im Interesse einer geordneten Entwick-lung zu kanalisieren und an bestimmten Stellen im Plangebiet zukonzentrieren. Die damit verbundenen Beschränkungen sind vomgeregelten Sachbereich her geboten, um einem »Wildwuchs« vorzu-beugen. Sie gehen nicht weiter, als der Schutzzweck reicht, dem siedienen. Auch beim Modell des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hängt die Zu-lassungsfähigkeit von dem Gewicht der Interessen und Belange ab,die einander gegenüberstehen. Im Vergleich mit § 35 Abs. 1 BauGBverschiebt sich nur die Perspektive. Welches Interesse überwiegt, istnicht allein standortbezogen, sondern in erster Linie gemeindege-bietsbezogen zu beurteilen. Bei dieser Sichtweise können öffentlicheBelange einen höheren Stellenwert als im Rahmen des § 35 Abs. 1BauGB erlangen. Das läuft indes nicht auf eine Aufhebung der Privi-legierung hinaus. Auch bei Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB

Rechtsprechung

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287ZUR 4/2003

müssen die öffentlichen Belange, aus denen die Ausschlusswirkunghergeleitet wird, so gewichtig sein, dass sie – objektiv nachvollzieh-bar – geeignet sind, die gesetzgeberische Wertung, die in den Privile-gierungstatbeständen zum Ausdruck kommen, zu überwinden. Un-zumutbaren Belastungen beugt der Gesetzgeber dadurch vor, dass inAusnahmefällen der Planvorbehalt nicht greift.

BVerwGAusweisung von Natura-2000-Gebieten / fachplanerische Alternativen-prüfungUrteil vom 14. November 2002 – 4 A 15.02

Leitsätze:1. Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutz-Richtlinie eröffnet den Bundes-

ländern bei der Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete ei-nen naturschutzfachlichen (ornithologischen) Beurteilungsspielraum,der nur einer eingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungs-gerichte unterliegt.

2. Ein Bundesland kann das Bestehen eines »faktischen« Vogelschutz-gebiets in seinem Bereich nicht dadurch ausschließen, dass es sein Ge-bietsauswahlverfahren für das europäische Netz »Natura 2000« fürbeendet erklärt.

3. Die Planung eines Straßenbauvorhabens in einem Gebiet, das maß-geblich aus wirtschafts- und verkehrspolitischen Gründen nicht in dieLandesliste für das Netz »Natura 2000« aufgenommen wurde, istrechtswidrig, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Gebiet aus or-nithologischer Sicht zu den geeignetsten Schutzgebieten in dem Bun-desland gehört.

4. Die Planung einer Straße, die einen wertvollen und schutzwürdigenNaturraum durchschneidet, leidet an einem fachplanungsrechtlichenAbwägungsfehler, wenn Trassenalternativen, die diesen Raum um-fahren, nicht ausreichend untersucht worden sind. Als Alternativekann auch eine ortsnahe Trassenführung in Verbindung mit Maß-nahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes in Betracht kommen.

Aus den Gründen:

I. Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich mit sei-ner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung vonOberfranken vom 13.7.2000 in der Fassung des ergänzenden Plan-feststellungsbeschlusses vom 16.5.2002, der den Plan für denzweibahnigen (vierstreifigen) Ausbau und die Verlegung der Bundes-straße 173 »Lichtenfels-Kronach« in dem etwa 5 km langen 3. Bau-abschnitt zwischen Michelau und Zettlitz feststellt. Der Bedarfsplan1993 für die Bundesfernstraßen weist dieses Vorhaben als vordring-lichen Bedarf aus.

Die Plantrasse verläuft zwischen Michelau und Hochstadt in denAuen des Maintals südlich und im Wesentlichen parallel zu der be-stehenden Eisenbahntrasse (ICE-Trasse Berlin – München). Südlichangrenzend liegt das Gebiet des Nassanger Weihers und anderer Was-serflächen (ehemalige Kiesgruben) mit Vorkommen des Blaukehl-chens und der Rohrweihe. Zwischen den Beteiligten ist umstritten,ob dieses Gebiet als Europäisches Vogelschutzgebiet einzustufen ist.Nordwestlich von Hochstadt im Zuge der Mainquerung führt dieTrasse durch einen Lebensraumtyp (Magere Flachland-Mähwiesen)nach Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebendenTiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie – FFH-RL – ABl. EG Nr. L 206). Derbeklagte Freistaat hat in dem von der Trasse berührten Bereich keineFlächen zum Vogelschutzgebiet erklärt oder als FFH-Gebiet gemeldet.

Der Kläger ist nach Abschluss eines Kaufvertrages im Jahr 1980 Ei-gentümer einer etwa 75 871 qm großen Feucht- und Wasserflächezwischen Michelau und Hochstadt am Nassanger südlich der Bahn-linie geworden, von der 21 430 qm für die planfestgestellte Trasse inAnspruch genommen werden. (…)

II. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Planfeststel-lungsbeschluss ist rechtswidrig und verletzt den Kläger als enteig-nungsbetroffenen Grundeigentümer in seinen Rechten. Da der Plan-feststellungsbeschluss an erheblichen Mängeln bei der Abwägungleidet, die in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können,darf er nicht vollzogen werden (§ 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG).

Die Klage ist statthaft. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5Abs. 1 VerkPBG im ersten und letzten Rechtszug zuständig. Das hatder Senat bereits mit Beschluss vom 21.11.2001 ( – 4 VR 13.00, Buch-holz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 5 = NuR 2002, 153) im Verfahren desvorläufigen Rechtsschutzes entschieden. Darauf wird verwiesen.

1. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den vom Kläger gel-tend gemachten Verfahrensfehlern. 1.1 Der Kläger beanstandet, dass nach Auslegung der Planunterlagennoch weitere »nachgereichte Unterlagen zur Variantenprüfung« vomJuni 1996, das Gutachten Kaule vom 15.7.1998 sowie eine erneuteVariantenuntersuchung des Straßenbauamts Bamberg vom28.4.2000 nicht öffentlich ausgelegt worden seien. Der Einwandgreift nicht durch. Ob vom Planungsträger eingeholte Gutachtenoder behördliche Stellungnahmen zu dem unverzichtbaren Infor-mationsmaterial gehören, das nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG auszu-legen ist, hängt davon ab, ob die mit der Auslegung bezweckte An-stoßwirkung ohne die Auslegung dieser Unterlagen in einemwesentlichen Punkt verfehlt würde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom5.12.1986 – 4 C 13.85, BVerwGE 75, 214 <224>). Es ist nicht ersicht-lich, dass die Anstoßfunktion der öffentlichen Auslegung hier durchdas vom Kläger gerügte Verfahren beeinträchtigt oder gar verfehltworden sein könnte. 1.2 Der Kläger rügt, dass das Straßenbauamt im Rahmen einer nichtöf-fentlichen Anhörung (September 1999) die im April 2000 vorgelegteVariantenuntersuchung den Naturschutzverbänden zwar mündlichvorgestellt, dem Kläger jedoch vor Erlass des Planfeststellungsbe-schlusses am 13.7.2000 nicht in schriftlicher Ausfertigung zugänglichgemacht habe. Das Straßenbauamt habe dem Kläger erst am30.6.2000 mitgeteilt, dass die umfangreichen Planunterlagen nichtübersandt werden, aber eingesehen werden könnten. Die Zeit habenicht ausgereicht, vor Erlass des Beschlusses die Untersuchung ein-zusehen. Der Kläger sieht darin eine Verletzung seiner Rechte alsGrundeigentümer und als Naturschutzverband.

Es kann offen bleiben, ob dieses Vorgehen des Straßenbauamtseinen Verfahrensmangel darstellt. Der Rechtsverstoß wäre jedenfallsunbeachtlich. Es ist nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht vor-getragen, dass die etwaige Verletzung eines ihm als Verband ein-geräumten Mitwirkungsrechts die Entscheidung der Planfest-stellungsbehörde in der Sache beeinflusst haben könnte. Ist einNaturschutzverband nicht darauf beschränkt, die ihm durch § 29BNatSchG a.F. gewährte Verfahrensposition zu verteidigen, sondernwie hier als mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffenerGrundeigentümer in der Lage, einen Planfeststellungsbeschluss einerumfassenden gerichtlichen Prüfung anhand der Kriterien des mate-riellen Rechts unterziehen zu lassen, findet § 46 VwVfG Anwendung.Bei dieser Fallkonstellation gibt es keinen Rechtfertigungsgrund, ei-nem bei Anwendung des § 29 BNatSchG a.F. unterlaufenen Beteili-

BVerwG, Ausweisung von Natura-2000-Gebieten / fachplaner i sche A l ternat ivenprüfung

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ZUR 4/2003288

gungsfehler ein stärkeres Gewicht zuzuerkennen als sonstigen Ver-fahrensmängeln, die nur unter den in Art. 46 BayVwVfG (= § 46VwVfG) genannten Voraussetzungen die in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGObzw. in § 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG bezeichneten Rechtsfolgen nach sichziehen (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 31.1.2002 – 4 A 15.01, NVwZ2002, 1103 <1105> – A 20, Wakenitzquerung). 1.3 Der Kläger rügt schließlich, der ergänzende Planfeststellungsbe-schluss vom 16.5.2002 sei verfahrensfehlerhaft ergangen, weil wederein ordnungsgemäßes Auslegungsverfahren noch ein Erörterungs-termin mit Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Der Ein-wand ist unbegründet.

Die Planfeststellungsbehörde ist auf der Grundlage des Senatsbe-schlusses vom 21.11.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechts-schutzes davon ausgegangen, dass der Planfeststellungsbeschlussvom 13.7.2000 hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Abwägung (§8 Abs. 3 BNatSchG a.F.) fehlerhaft war. Mit dem Ergänzungsbeschlussverfolgt sie das Ziel, diesen Abwägungsmangel nur im Verhältniszum Kläger zu beseitigen, ohne am Vorhaben selbst etwas zu ändern.Hält die Behörde einen noch nicht bestandskräftigen Planfeststel-lungsbeschluss für fehlerhaft und nimmt sie daher das Verfahren wie-der auf und führt es (erneut) zu Ende, so liegt nach der Rechtspre-chung des Senats ein einheitliches Planfeststellungsverfahren vor(Urteil vom 12.12.1996 – 4 C 19.95, BVerwGE 102, 358 <360 f.> – A7 Füssen). Das hier durchgeführte »ergänzende« Verfahren ist danachnur ein unselbständiger Abschnitt eines einheitlichen Verfahrens, dasmit einer erneuten Entscheidung allein gegenüber dem Kläger endet.Dieses Verfahren unterliegt nicht den Anforderungen des § 73VwVfG; denn gegenüber allen anderen (privaten) Betroffenen bleibtder Planfeststellungsbeschluss vom 13.7.2000 in seiner ursprüngli-chen Fassung weiterhin unverändert wirksam. Private Dritte werdendurch die Regelungen des Ergänzungsbeschlusses nicht erstmaligoder stärker in ihren Rechten berührt. Ein erneutes Auslegungsver-fahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung war daher nicht erforderlich.

2. Nach § 1 Abs. 2 FStrAbG entspricht das Straßenbauvorhaben den Ziel-setzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die B 173 zwischen Lichtenfels undKronach ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der nach § 1Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes – FStrAbG – in der Fas-sung der Bekanntmachung vom 15.11.1993 (BGBl. I S. 1878) dem Ge-setz als Anlage beigefügt ist, als vordringlicher Bedarf ausgewiesen.Die gesetzliche Bedarfsfeststellung erstreckt sich auch auf den vier-streifigen Ausbau. Das Verkehrsgutachten Kurzak kommt in seinerPrognose für das Jahr 2010 für den Nullfall (ohne Ausbau der B 173)auf eine durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) von 18 800Fahrzeugen zwischen Michelau und Trieb (18 200 Fahrzeuge zwi-schen Trieb und Hochstadt); für die B 173 in diesem Abschnitt wirdeine DTV von 18 500 Fahrzeugen prognostiziert. Das rechtfertigt ei-nen vierstreifigen Ausbau.

Zu Unrecht meint der Kläger, die gesetzliche Bedarfsfeststellung fürden Bau der B 173 sei inzwischen obsolet geworden, weil die in § 4Satz 1 FStrAbG nach Ablauf von 5 Jahren vorgesehene Überprüfungdes Bedarfsplans (Bundesverkehrswegeplan 1992) noch ausstehe. DieFortschreibung ist zwar noch nicht erfolgt. Aus den vom Beklagtenvorgelegten Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass das Bauvorhabender B 173 in dem hier umstrittenen Abschnitt zwischen Michelau undZettlitz als hochprioritäre oder als prioritäre Maßnahme in das Inve-stitionsprogramm des Bundesverkehrsministeriums für die Jahre1999 bis 2002 aufgenommen worden ist. Der Kläger übersieht jedoch,dass der Bedarfsplan selbst dann nicht automatisch gegenstandsloswird, wenn die Prüfung, ob ein Anpassungsbedarf besteht, nicht in-nerhalb des Zeitrahmens des § 4 Satz 1 FStrAbG stattfindet. Nach § 4Satz 2 FStrAbG ist die Anpassungsentscheidung dem Gesetzgeber

vorbehalten. Diese Regelung schließt es, solange der Gesetzgeber aneiner von ihm getroffenen Bedarfsfeststellung festhält, im Regelfallaus, sich über einen Bedarfsplan allein deshalb hinwegzusetzen, weilder Gesetzgebungsakt, der ihm zugrunde liegt, deutlich mehr als fünfJahre zurückliegt. Zweifel daran, ob die gesetzliche Regelung weiter-hin Geltung beansprucht, sind allenfalls dann angebracht, wennsich die Verhältnisse in der Zwischenzeit so grundlegend gewandelthaben, dass sich die ursprüngliche Bedarfsentscheidung nicht mehrrechtfertigen lässt (BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 – 4 A 18.99, BVer-wGE 112, 140 <148 f.>). Von einem solchen Wandel der Verhältnis-se geht der Kläger selbst nicht aus. Er ist nach den Angaben des Be-klagten zur Verkehrsentwicklung zwischen Michelau und Zettlitzauch nicht erkennbar (PFB S. 43 – 47). 3. Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, weil er die Richtlinie79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979 über die Erhaltung der wild le-benden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie – VRL – ABl. EG Nr. L 103mit späteren Änderungen) verletzt. Der Beklagte ist den Anforderun-gen des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL an die Identifizierung eines Europäi-schen Vogelschutzgebiets nicht gerecht geworden. Seiner Auffassung,der von der Plantrasse betroffene Bereich des Nassangers sei nicht alsVogelschutzgebiet einzustufen, liegen unzulässige Bewertungskrite-rien zugrunde. 3.1 Die Frage, ob der Nassanger und seine Umgebung den Rechtsstatuseines Vogelschutzgebiets verdienen, ist entscheidungserheblich.Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL sind Beeinträchtigungen und Störun-gen der Lebensräume und Vogelarten in den geschützten Gebietenzu vermeiden. In den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallenauch Straßenbauvorhaben. Nur überragende Gemeinwohlbelangewie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschenoder der Schutz der öffentlichen Sicherheit sind geeignet, das Beein-trächtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL zuüberwinden (EuGH, Urteil vom 28.2.1991 – Rs. C 57/89, Slg. I S. 883Rn. 22). Diese hohen Anforderungen dürften hier nicht erfüllt sein.Gebiete, die nicht zu Schutzgebieten im Sinne der Vogelschutz-Richt-linie erklärt worden sind, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, un-terliegen weiterhin dem strengen Schutzregime dieser Richtlinie undnicht dem milderen Rechtsregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL,a.a.O., S. 7; vgl. EuGH, Urteil vom 7.12.2000 – Rs. C 374/98, NuR2001, 210 – Basses Corbières). 3.2 Die Vogelschutz-Richtlinie setzt der straßenrechtlichen Fachplanungrechtliche Schranken, die im Wege der fachplanerischen Abwägungnicht überwunden werden können. Im Einzelnen ist von folgenderRechtslage auszugehen: 3.2.1 Die Richtlinie bezweckt den Schutz, die Pflege und Wiederherstellungeiner ausreichenden Vielfalt und einer ausreichenden Flächengröße(Lebensräume) für die Erhaltung aller im europäischen Gebiet derMitgliedstaaten wild lebenden Vogelarten (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1VRL). Für die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Arten sind be-sondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Insbesondere haben dieMitgliedstaaten die für die Erhaltung dieser Arten »zahlen- undflächenmäßig geeignetsten Gebiete« zu Schutzgebieten zu erklären(Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und 4 VRL). Nach Art. 3 Abs. 1 der FFH-Richtli-nie errichten die Mitgliedstaaten ein europäisches ökologisches Netz»Natura 2000«, das neben den FFH-Gebieten auch die nach Art. 4 Abs.1 VRL erklärten (ausgewiesenen) Vogelschutzgebiete umfasst. DieBundesländer erfüllen die sich hieraus ergebenden Verpflichtungennunmehr nach Maßgabe der §§ 33 ff. BNatSchG i.d.F. des BNatSch-GNeuregG vom 25.3. 2002 (BGBl. I S. 1193), die auch der Umsetzungder Vogelschutz-Richtlinie in das deutsche Naturschutzrecht dienen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs findet die

Rechtsprechung

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289ZUR 4/2003

Vogelschutz-Richtlinie auch in Gebieten, die der Mitgliedstaat n i c ht nach Art. 4 Abs. 1 VRL zum Vogelschutzgebiet erklärt hat, die jedochdie besonderen Anforderungen an ein Schutzgebiet im Sinne von Art.4 Abs. 1 Satz 4 VRL erfüllen, unmittelbar Anwendung (EuGH, Urteilvom 2.8.1993 – Rs. C 355/90, NuR 1994, 521 <522> – Santona). Eskann daher auch nicht erklärte Gebiete geben, die den Rechtsstatuseines »faktischen« Vogelschutzgebiets besitzen und dem Rechtsregi-me des Art. 4 Abs. 4 VRL unterliegen. Das Bundesverwaltungsgerichthat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. Urteile vom19.5.1998 – 4 C 11.96, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 – B 15 Re-gensburg, vom 19.5.1998 – 4 A 9.97, BVerwGE 107, 1 <18 f.> – A 20Südumfahrung Lübeck – und vom 31.1.2002, a.a.O., S. 1105 – A 20Wakenitzquerung). 3.2.2 Der Beklagte wendet hiergegen ein, die Rechtsfigur des »faktischen«Vogelschutzgebiets setze ein richtlinienwidriges Verhalten des Mit-gliedstaates voraus. Art. 4 Abs. 1 VRL werde verletzt, wenn ein Mit-gliedstaat keine oder nur solche Gebiete zu besonderen Schutzgebie-ten erklärt habe, deren Zahl und Gesamtfläche offensichtlich unterder Zahl und Gesamtfläche der objektiv geeigneten Gebiete liege. Einsolcher rechtswidriger Zustand bestehe hinsichtlich der Auswahl derSchutzgebiete in Bayern nicht. Die Auswahl der »Natura-2000-Ge-biete« sei abgeschlossen, die ausgewählten Gebiete seien über dasBundesumweltministerium der Europäischen Kommission gemeldetworden. Bayern habe 57 Gebiete mit insgesamt ca. 364 000 ha Fläche(5,2 v.H. der Landesfläche) zu Vogelschutzgebieten erklärt. Da ein of-fensichtlich richtlinienwidriger Zustand nicht (mehr) vorliege, be-stehe kein Raum (mehr) für eine unmittelbare Anwendung der Vo-gelschutz-Richtlinie und eine von der Gebietsauswahl derzuständigen Landesbehörden abweichende »faktische« Auswahldurch die Gerichte.

Dieser Einwand steht der rechtlichen Existenz »faktischer« Vogel-schutzgebiete nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet,alle Landschaftsräume zu besonderen Schutzgebieten zu erklären,die für die Erhaltung der betreffenden Vogelarten am geeignetstenerscheinen (EuGH, Urteil vom 19.5.1998 – Rs. C 3/96, NuR 1998, 538<541>). Ob die Ausweisungspflichten nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRLsowie die Meldepflichten nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL und § 33 Abs. 1BNatSchG im Zuge der Errichtung des Gebietsnetzes »Natura 2000«erfüllt worden sind, unterliegt grundsätzlich der verwaltungsge-richtlichen Überprüfung. Auch Meldelisten, die ein Bundesland alsabschließend betrachtet, sind nicht von vornherein einer gerichtli-chen Vollständigkeitskontrolle entzogen. Dabei ist insbesondere zuberücksichtigen, dass die Gebietsmeldungen und Vorschlagslistender Länder nach den übereinstimmenden Angaben beider Beteilig-ter in der mündlichen Verhandlung gegenwärtig auf sog. »konti-nentalen Bewertungstreffen« fachwissenschaftlich überprüft wer-den und möglicherweise Anlass zu Nachmeldungen an dieEuropäische Kommission geben. Der Beklagte kann die Diskussionum die Existenz »faktischer« Vogelschutzgebiete im Land Bayernnicht dadurch beenden, dass er das Gebietsauswahlverfahren selbstfür abgeschlossen erklärt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.1.2002,a.a.O., S. 1107 – A 20 Wakenitzquerung – zur Meldung von FFH-Ge-bieten). Damit ist indes über die richterliche Kontrolldichte im Ein-zelfall noch nichts gesagt. 3.2.3 Die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete in den Bundes-ländern unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch dieVerwaltungsgerichte.

Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL eröffnet den Mitgliedstaaten einen fachli-chen Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Gebiete nach or-nithologischen Kriterien für die Erhaltung der in Anhang I der Richt-linie aufgeführten Vogelarten »zahlen- und flächenmäßig« amgeeignetsten sind (EuGH, Urteile vom 28.2.1991, a.a.O., vom

2.8.1993, a.a.O., – Santona – und vom 11.7.1996 – Rs. C 44/95, NuR1997, 36 – Lappel-Bank). Zu den Bewertungskriterien gehören nebenSeltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart u.a. diePopulationsdichte und Artendiversität eines Gebiets, sein Entwick-lungspotential und seine Netzverknüpfung (Kohärenz) sowie die Er-haltungsperspektiven der bedrohten Art.

Die Eignungsfaktoren mehrerer Gebiete sind vergleichend zu be-werten. Gehört ein Gebiet nach dem naturschutzfachlichen Ver-gleich zu den für den Vogelschutz »geeignetsten« Gebieten, ist es zumVogelschutzgebiet zu erklären. Unterschiedliche fachliche Wertun-gen sind möglich. Die Nichtmeldung eines Gebiets ist nicht zu be-anstanden, wenn sie fachwissenschaftlich vertretbar ist. Die Vertret-barkeitskontrolle umfasst auch die Netzbildung in den einzelnenBundesländern, hat aber auch insoweit den Beurteilungsrahmen derLänder zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschlä-ge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sichdie richterliche Kontrolldichte. Mit dem Fortschreiten des mitglied-staatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualenDarlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht-er-klärtes) »faktisches« Vogelschutzgebiet, das eine »Lücke im Netz«schließen solle.

Die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete hat sich aus-schließlich an ornithologischen Kriterien zu orientieren. Eine Abwä-gung mit anderen Belangen findet nicht statt. Die in Art. 2 VRL er-wähnten Gründe wirtschaftlicher oder freizeitbedingter Art sind beider Auswahl eines Vogelschutzgebiets außer Betracht zu lassen; dennArt. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL ist das Ergebnis einer bereits vom europäi-schen Richtliniengeber getroffenen Abwägungsentscheidung, die kei-ner weiteren Relativierung zugänglich ist (EuGH, Urteile vom2.8.1993, a.a.O. – Santona, vom 11.7.1996 a.a.O. – Lappel-Bank – undvom 19.5.1998, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 31.1.2002, a.a.O., S. 1106– A 20 Wakenitzquerung). 3.3 Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, weil für die Entschei-dung des beklagten Freistaats, das Gebiet um den Nassanger nichtzum Europäischen Vogelschutzgebiet zu erklären und nicht in diebayerische Meldeliste für das Netz »Natura 2000« aufzunehmen, na-turschutzfremde Erwägungen wirtschaftlicher Art mitbestimmendwaren. 3.3.1 Während des Planfeststellungsverfahrens ist der Status des Nas-sanger-Gebiets zwischen Michelau und Hochstadt als EuropäischesVogelschutzgebiet mehrfach erörtert und bejaht worden. DasBayerische Landesamt für Umweltschutz (LfU) hatte dieses Gebietals »das ornithologisch bedeutsamste Feuchtgebietssystem« inOberfranken 1998 in sein Konzept zur Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie in Bayern eingestellt (vgl. Anlage 1 zum Gutachten BIO-CONSULT November 2002). In einer Besprechung bei der OberstenBaubehörde am 8.101999 bestand Übereinstimmung darüber, dass»für das von der Planung betroffene Gebiet eine künftige Auswei-sung als EU-Vogelschutzgebiet angenommen werden muss« (Er-gebnisvermerk vom 15.10.1999, Verfahrensakte der Regierung vonOberfranken, Bl. 371).

Im Planfeststellungsbeschluss vom 13.7.2000 (S. 100 – 101) heißtes hierzu: Das Gebiet um den Nassanger sei zwar ursprünglich in denPrüflisten als Vogelschutzgebiet aufgeführt, im (seinerzeit noch lau-fenden) Dialogverfahren zur endgültigen Erstellung einer bayeri-schen Vorschlagsliste für das Netzwerk »Natura 2000« sei es jedochnicht mehr enthalten. Die landesweite Gesamtbeurteilung habe zurNichtaufnahme des Gebiets in die Vorschlagsliste geführt. In der Be-kanntmachung der an die Europäische Union gemeldeten FFH-Ge-biete und der Europäischen Vogelschutzgebiete Bayerns vom15.10.2001 (AllMBl. Nr. 11/2001) ist das Nassanger-Gebiet nicht auf-geführt.

BVerwG, Ausweisung von Natura-2000-Gebieten / fachplaner i sche A l ternat ivenprüfung

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ZUR 4/2003290

3.3.2 Der erkennende Senat hat auf der Grundlage der Verfahrensakten derRegierung von Oberfranken und des Prozessvorbringens des Klägerssowie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die Über-zeugung gewonnen, dass die Nichtmeldung des Nassanger-Gebietsmaßgeblich auf wirtschafts- und verkehrspolitische Gründe zurück-zuführen ist. Der Kläger hat in seiner dem Senat vorgelegten Stellun-gnahme zur bayerischen Gebietsauswahl von FFH- und Vogel-schutzgebieten (Schreiben an das Bayerische Staatsministerium fürLandesentwicklung und Umweltfragen vom 26.5.2000) substantiiertunter Heranziehung von Veröffentlichungen und Pressemitteilungender Staatsregierung dargelegt, dass Gebiete aus der ursprünglichen»Prüfliste« des LfU u.a. deshalb gestrichen wurden, weil sie Flächenfür Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßenenthielten. Zitiert wird eine an alle bayerischen Kommunen über-sandte Publikation »Umwelt & Entwicklung in Bayern 1/2000, StM-LU« (S. 5), in der es heißt, die bei der Gebietsauswahl beachtetenGrundsätze sollten gewährleisten, »dass auch den wesentlichen An-forderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, Land-, Forst-und Fischereiwirtschaft sowie den regionalen und örtlichen Beson-derheiten Rechnung getragen wird« (a.a.O., S. 8 und 10). Auf Vorhaltdes Senats in der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter desBeklagten die hieraus zu ziehende Schlussfolgerung einer natur-schutzexternen Einflussnahme auf die Nichtmeldung des Nassanger-Gebiets nicht entkräften können. Der Einwand des Beklagten, eineEinstufung des Nassangers und seiner Umgebung als Vogelschutzge-biet scheide ungeachtet wirtschaftlicher Erwägungen schon aus or-nithologischen Gründen aus, ist nicht geeignet, die Ursächlichkeitnaturschutzexterner Gesichtspunkte bei der Gebietsauswahl zu wi-derlegen (s. unten 3.3.3).

Der Beurteilungsfehler schlägt auf die Planfeststellung durch. Sicherobliegt es der Bayerischen Staatsregierung und nicht der Regierungvon Oberfranken als Planfeststellungsbehörde, die abschließende Ent-scheidung über die Gebietsauswahl für das Netz »Natura 2000« zu tref-fen. Die Planfeststellungsbehörde ist daher im Innenverhältnis an dieauf der Ministerialebene gefällten Auswahlentscheidungen gebun-den. Nach außen hat sie jedoch für deren Rechtmäßigkeit einzuste-hen, wenn der Schutzstatus eines Gebiets für die Zulassung eines dortgeplanten Straßenbauvorhabens entscheidungserheblich ist. Dennder Ausschluss des Gebiets aus dem Netz »Natura 2000« geht inhalt-lich in die sich anschließende Planfeststellung ein und steht mit die-ser zur gerichtlichen Überprüfung (zur insoweit vergleichbarenRechtslage bei der fernstraßenrechtlichen Linienbestimmung vgl. Se-natsurteil vom 10.4.1997 – 4 C 5.96, BVerwGE 104, 236 <252>). 3.3.3 Der festgestellte Richtlinienverstoß nötigt nicht zur Aufhebung derangefochtenen Planungsentscheidung. Er ist im Sinne von § 17 Abs.6 c Satz 1 FStrG offensichtlich und auch auf das Abwägungsergebnisvon Einfluss gewesen; er kann ferner durch ein ergänzendes Verfah-ren behoben werden (§ 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG). Der Planfeststel-lungsbeschluss ist daher für rechtswidrig und bis zur Behebung desFehlers für nicht vollziehbar zu erklären.

Der Gesetzgeber hat mit § 17 Abs. 6 c FStrG eine spezifische Feh-lerfolgenregelung für fernstraßenrechtliche Planungsentscheidun-gen getroffen, die sich auch auf Fehler erstreckt, die darauf beruhen,dass die planende Behörde Schranken nicht beachtet hat, die »bei derAbwägung« unüberwindbar sind. Zu diesen Schranken des striktenRechts gehören auch die Anforderungen an die Identifizierung Eu-ropäischer Vogelschutzgebiete in Art. 4 Abs. 1 VRL (vgl. auch BVer-wG, Urteil vom 27.10.2000, a.a.O., S. 165 f. – zu § 8 Abs. 3 BNatSchGa.F. und Urteil vom 17.5.2002 – 4 A 28.01, NVwZ 2002, 1243 <1247>– zu Art. 6 Abs. 4 FFH-RL).

Entgegen der Ansicht des Beklagten kann der Senat nicht aussch-ließen, dass eine erneute ornithologische Beurteilung des Nassanger-

Gebiets unter Ausklammerung wirtschafts- und verkehrspolitischerErwägungen zu einer Nachmeldung als Europäisches Vogelschutzge-biet führt. Die Gutachtenlage bietet konkrete Anhaltspunkte dafür,dass der Bereich des Nassangers nach dem als wissenschaftliches Er-kenntnismittel geeigneten IBA-Verzeichnis 2000 (C 6-Kriterium, vgl.Heath/Evans (Hrsg.), Important Bird Areas in Europe, Priority sites forconservation, 2000, S. 11) zu den zahlen- und flächenmäßig bedeu-tendsten Gebieten in Bayern gehört. Das gilt vor allem im Hinblickauf die Population der Blaukehlchen. Da der Verbreitungsschwer-punkt dieser Vogelart in Bayern liegt, trägt dieses Bundesland für dieErhaltung dieser Art eine besondere Verantwortung. Das Gutachtenvon Prof. Kaule (Teil II, August 1998) spricht von einem »landeswei-ten Schwerpunktvorkommen« am Obermain, das »überregional be-deutsam« sei (a.a.O., S. 11, 16). Das Gutachten BIO-CONSULT 2000hebt das »gute Habitatangebot« und die »konstant hohe Dichte« her-vor (S. 23).

Der Planfeststellungsbeschluss zieht die hohe naturschutzfachlicheBedeutung des Gebiets für die Blaukehlchenvorkommen und dieRohrweihe auch nicht in Zweifel und bezeichnet den Gebietsstatusals »kritisch« (PFB S. 100 – 101). Der Beklagte rechtfertigt die Nicht-meldung des Nassanger-Gebiets zwar mit dem Hinweis auf sechs an-dere zum Schutz dieser Vogelarten gemeldete Gebiete, die in Ober-und Mittelfranken, in den Donauniederungen sowie im Bereich vonIsar und Inn liegen (PFB S. 101). Dabei beschränkt er sich im We-sentlichen auf einen zahlenmäßigen Vergleich der Brutpaare, der imKlageverfahren noch konkretisiert worden ist. Die für den Bereich desNassangers gutachterlich ermittelte Anzahl der Brutpaare, die der Be-klagte nicht bezweifelt, halten sich jedoch noch im (unteren) Rah-men der Zahlenangaben für die gemeldeten Gebiete. Zum Vergleichder flächenmäßigen Geeignetheit (artgerechtes Habitat, größere Bio-topzusammenhänge, Entwicklungspotenzial und Erhaltungsper-spektiven) werden keine Angaben gemacht.

4. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt hingegen nicht das aus demEuropäischen Gemeinschaftsrecht folgende Verbot, die Ziele der FFH-Richtlinie zu unterlaufen und vollendete Tatsachen zu schaffen, dieim Hinblick auf potenzielle FFH-Gebiete geeignet sind, die Erfüllungder vertraglichen Pflichten bei der Errichtung des Netzes »Natura2000« unmöglich zu machen.

In dem planfestgestellten 3. Bauabschnitt der B 173 zwischen Mi-chelau und Zettlitz, der hier allein im Streit ist, liegen nach den An-gaben der Planungsbehörde und den damit übereinstimmenden Gut-achten keine Gebiete mit prioritären natürlichen Lebensräumen oderprioritären Tier- und Pflanzenarten im Sinne der Anhänge I und II derFFH-Richtlinie. Der hier umstrittene Bauabschnitt ist somit nicht anden Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL zu messen (vgl.dazu BVerwG, Urteil vom 17.5.2002, a.a.O., S. 1244 – A 44).

Der geplante Anbau einer zweiten südlichen Fahrbahn an die vor-handene einbahnige B 173 im westlich angrenzenden 2. Bauab-schnitt (AS Lichtenfels Ost – Michelau) würde zwar Restbestände ei-nes (nicht in der bayerischen Meldeliste enthaltenen) prioritärenAuwaldes (Lebensraumtyp 91 EO – Gaabsweiher) »anschneiden«, derals potenzielles FFH-Gebiet in Betracht zu ziehen ist (Gutachten Kau-le, Teil II, August 1998, S. 8, 18, 19). Daraus lässt sich jedoch für denhier zu beurteilenden 3. Bauabschnitt kein unüberwindbares rechtli-ches Planungshindernis herleiten. Die Netzfunktion der B 173 im 3.Bauabschnitt steht und fällt nicht mit dem zweibahnigen Ausbau im2. Bauabschnitt (keine »Torsobildung«).

Das Bauvorhaben in dem hier umstrittenen 3. Planungsabschnittverletzt auch nicht das für potenzielle nicht-prioritäre FFH-Gebietegeltende Beeinträchtigungsverbot (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom17. 5.2002, a.a.O. sowie vom 27.10.2000, a.a.O., S. 155 f. – A 71). DiePlantrasse durchquert zwar nördlich von Hochstadt den nicht-prio-

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291ZUR 4/2003

ritären Lebensraumtyp »Magere Flachland-Mähwiesen« (Nr. 6510des Anhangs I der FFH-RL), in dem mehrere der in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten (nicht-prioritären) Tagfalterarten (Heller undSchwarz-Blauer Wiesenknopf-Ameisenbläuling) heimisch sind. DerSenat kann unterstellen, dass hier ein potenzielles FFH-Gebiet be-steht. Das gemeinschaftsrechtliche Beeinträchtigungsverbot giltnicht ausnahmslos. Nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL kann ein Planoder Projekt in einem Schutzgebiet, das weder einen prioritären Le-bensraumtyp noch prioritäre Tier- und Pflanzenarten beherbergt, auszwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesseseinschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art zugelassenwerden, wenn eine Alternativlösung nicht vorhanden ist.

Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands wären hier er-füllt. Die Hochstadt weiträumig südlich umfahrenden Varianten Süd1, 2 und 3 scheiden aus den im Planfeststellungsbeschluss (S. 69 f.)und der Variantenuntersuchung 2000 des Straßenbauamts Bamberggenannten Gründen mangelnder Umweltverträglichkeit als Alterna-tivlösung aus. Die verbleibenden Südvarianten durchschneiden imZuge der Mainquerung ebenfalls den Lebensraumtyp 6510 nördlichvon Hochstadt. Die Unfallbilanz der B 173 auf den engen Orts-durchfahrten von Trieb und Hochstadt sowie deren für das Jahr 2010prognostizierte durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke von etwa18 000 Kfz/24 h (vgl. PFB S. 45 – 47) zwingen nach Ansicht aller Be-teiligten zu einer erheblichen Verbesserung der überörtlichen Ver-kehrsabwicklung und der innerörtlichen Verkehrsverhältnisse undbegründen ein überwiegendes öffentliches Interesse wirtschaftlicherund sozialer Art im Sinne von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL am Aus-bau und der Verlegung der B 173 in diesem Bereich.

5. Der angefochtene Beschluss leidet ferner an einem fachplanerischenAbwägungsmangel bei der Prüfung von Trassenalternativen, derebenfalls zu seiner Rechtswidrigkeit führt. 5.1 Das Abwägungsgebot in § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG erstreckt sich auchauf planerische Trassenalternativen. Sie müssen untersucht und imVerhältnis zueinander gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom22.3.1985 – 4 C 15.83, BVerwGE 71, 166 <171 ff.> – B 16, Urteil vom5.12.1986, a.a.O., S. 253 ff. – Flughafen München II; vgl. ferner Urteilvom 22.3.1974 – 4 C 42.73, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 6; Be-schluss vom 20.12.1988 – 7 NB 2.88, BVerwGE 81, 128 <136 f.>).

Ernsthaft in Betracht kommende Alternativtrassen müssen soweituntersucht werden, bis erkennbar wird, dass sie nicht eindeutig vor-zugswürdig sind. Eine gleichermaßen tiefgehende Prüfung aller in Be-tracht kommenden Alternativen ist nicht geboten. Die jeweilige Un-tersuchungstiefe hängt vor allem vom Grad der Beeinträchtigungöffentlicher und privater Belange ab; je schwerwiegender die Beein-trächtigung anderer Belange ist, umso weitgehender sind die Anfor-derungen an die Alternativenprüfung. Das gilt auch für Alternativen,die sich nicht »auf den ersten Blick« anbieten oder aufdrängen. Wirdeine unter Umständen vorzugswürdige, weil öffentliche und/oderprivate Belange weniger stark beeinträchtigende Alternative nicht er-kannt oder vorzeitig ausgeschieden, liegt ein Abwägungsmangel vor(vgl. Senatsurteil vom 25.1.1996 – 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 <250>– A 60; Urteil vom 26.3.1998 – 4 A 7.97, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.137 – A 241/ Schwerin = UPR 1998, 382; Beschluss vom 26.6.1992 –4 B 1 – 11.92, DVBl. 1992, 1435 = NVwZ 1993, 572).

Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (»Inte-gritätsinteresse«) sind mit dem Gewicht in die Abwägung einzustel-len, das ihnen aus ökologischer Sicht objektiv zukommt. Sie gehörenzum Abwägungsmaterial unabhängig davon, ob dem von einemStraßenbauvorhaben betroffenen Gebiet der Status eines Europäi-schen Schutzgebiets nach der Vogelschutz- oder der FFH-Richtliniezukommt. Auch ein Gebiet, das nicht in den Anwendungsbereich der

europarechtlichen Regelungen fällt, kann sich als so schützenswerterweisen, dass es einer »Tabuzone« gleich- oder doch nahe kommt.In diesem Fall ist auf der Stufe der fachplanerischen Abwägung zu er-mitteln, ob das Vorhaben an anderer Stelle mit geringeren Eingriffenin Natur und Landschaft zu verwirklichen ist. Erst die naturschutz-rechtliche Eingriffsregelung (§§ 18 ff. BNatSchG n.F.), die an die fach-planerische Trassenwahl anknüpft, nimmt den Ort des Eingriffs alsunvermeidbar hin. 5.2 Gemessen hieran ist der Planfeststellungsbeschluss abwägungsfeh-lerhaft, weil er die Belange des Naturschutzes im trassennahen Raumzutreffend als sehr hoch und die trassenbedingten Beeinträchtigun-gen dieses Naturraums als »außerordentlich stark« einschätzt, vomKläger aufgezeigte und nicht fern liegende Alternativen einer Sü-dumgehung des Nassanger-Gebiets aber nicht ausreichend unter-sucht hat. 5.2.1 Im Planfeststellungsverfahren sind die Bedeutung der Tierwelt im Tal-raum des Mains zwischen Michelau und Zettlitz und die Auswirkun-gen der planfestgestellten Trasse eingehend gewürdigt worden. DiePlanfeststellungsbehörde stützt sich im Wesentlichen auf die Ergeb-nisse der landschaftspflegerischen Begleitplanung, insbesondere aufden Bestands- und Konfliktplan (Planunterlage 12.2). Danach würdedie Plantrasse zu einem weitgehenden »Totalverlust überregional be-deutender Lebensräume«, der Zerschneidung des Gesamtlebensrau-mes Main- und Rodachtal und zu Funktionsverlusten im »überregio-nalen Verbund« führen.

Der Planfeststellungsbeschluss umschreibt die Betroffenheit derTierwelt durch die Plantrasse im Grundsätzlichen wie folgt (PFB S. 58):

»Die Tierwelt im Talraum ist durch die Ergebnislinie hier außerordentlichstark betroffen. Die Trasse zerschneidet den Talraum des Mains. Der Ge-samtkomplex der Auelebensräume zwischen Lichtenfels und Hochstadthat gesamtstaatliche Bedeutung für den Naturschutz, sowohl hinsichtlichdes vorhandenen Artenbestandes als auch bezüglich des vorhandenen ho-hen Entwicklungspotentials. Er zeichnet sich aus durch seine Größe, dieArtenvorkommen, spezielle Lebensräume, die enge räumliche Vernetzungder zahlreichen verschiedenen Biotope und einer speziellen Lebensraum-dynamik. Im Talraum verläuft die Trasse durchgehend durch besonderswertvolle Kernbereiche des Biotopmosaiks innerhalb der Mainaue.«

Zusammenfassend heißt es ferner (PFB S. 63):

»Durch den Trassenverlauf werden wertvolle Kernbereiche des Biotop-mosaiks innerhalb des Lebensraumkomplexes ‘Maintal zwischen Lich-tenfels und Hochstadt’, der bundes- und landesweite Bedeutung hat, zer-stört und vom Gesamtraum abgeschnitten. Die Funktion als großerzusammenhängender Lebensraum gerade für bedrohte Tierarten mitgroßen Arealansprüchen wird somit unwirksam. Die verbleibenden Bio-topflächen sind großen Störungen durch das Bauwerk und den Ver-kehrsbetrieb ausgesetzt ...«

Diese Einschätzung der Planfeststellungsbehörde wird von denvorliegenden Gutachten (Universität Stuttgart 1994, Kaule 1998, BIO-CONSULT) geteilt. Nach den Angaben von BIO-CONSULT (Septem-ber 2000) brüten im trassennahen Bereich am Nassanger neben einer»extrem hohen Vielfalt« von Arten nach Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie (nach Angaben des LfU 1998 10 – 12 nachgewiesene Brut-vogelarten) mindestens 40 Arten der bayerischen Roten Liste gefähr-deter Vögel und 19 Arten der deutschen Roten Liste (a.a.O., S. 25 mitTabelle 2). 5.2.2. Angesichts dieser außerordentlich starken Betroffenheit der Schutz-güter Natur und Landschaft rücken die Trassenalternativen einer süd-lichen Umfahrung des Nassanger-Gebiets in das Blickfeld.

Die Planungsbehörde hat die Varianten 5 und Süd 4, die zwischenTrieb und dem Nassanger-Gebiet (etwa 50 m vom Südende des Nas-sanger-Weihers entfernt) deckungsgleich verlaufen, eingehend un-tersucht und verworfen, weil die Plantrasse (Ergebnislinie) im Hin-blick auf die Belange verkehrlicher Art (u.a. kürzeste Streckenlänge),

BVerwG, Ausweisung von Natura-2000-Gebieten / fachplaner i sche A l ternat ivenprüfung

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ZUR 4/2003292

der Raumordnung (Bündelung mit der Bahntrasse), der Landwirt-schaft (keine Zerschneidung hochwertiger, bereits flurbereinigter undhofnaher Grundstücke bei Trieb und Hochstadt), der Siedlungsent-wicklung bei Trieb (Verkehrsimmissionen in unbelastetem Gebiet,neues »Störungsband«) und der Wirtschaftlichkeit vorzugswürdig sei.Die Varianten 5 und Süd 4 wirkten sich ebenfalls noch negativ (wennauch geringer als die Plantrasse) auf Vegetation und Tierwelt am Nas-sanger aus; sie seien außerdem wegen der Durchschneidung desTrinkwasserschutzgebiets bei Hochstadt »nur äußerst schwer« zu rea-lisieren (PFB S. 69 – 70). 5.2.3 Dieser Trassenvergleich wird dem hohen Stellenwert des Naturraumsam Nassanger aus mehreren Gründen nicht gerecht:

Zunächst treffen die herausgestellten Nachteile der Südvariantenfür die Varianten Süd 1, 2 und 3 in deutlich stärkerem Umfang zu alsfür die Variante Süd 4. Die Ergebnislinie hat zwischen Lichtenfels undZettlitz (AS Lichtenfels Ost – AS Redwitz) eine Baulänge von 9,25 km,die Variante Süd 4 eine Baulänge von 9,75 km. Die Investitionskosten(Bau- und Grunderwerbskosten) betragen bei der Ergebnislinie 217,7Millionen Deutsche Mark, bei der Variante Süd 4 nur 210,1 Millio-nen Deutsche Mark. Der Flächenbedarf der Ergebnislinie liegt bei134,7 ha (31,8 ha landwirtschaftliche Nutzfläche), bei der VarianteSüd 4 beträgt er 106,5 ha (32,6 ha landwirtschaftliche Nutzfläche); derAnteil hoch bonitierter Ackerflächen ist bei der Variante Süd 4 aller-dings höher (vgl. hierzu insgesamt die Variantenuntersuchung desStraßenbauamts Bamberg vom 28.4.2000, Unterlage 2, S. 1, 2 und 7).Der für die Plantrasse angeführte Belang der Raumordnung wird ananderer Stelle abgeschwächt. Im Planfeststellungsbeschluss vom13.7.2000 (S. 84) heißt es, die Vorteile der Bündelung der Verkehrs-wege (Bahntrasse, B 173) kämen hier weitgehend nicht zum Tragen,weil die geplante Trasse in diesem Bereich wegen der straßenver-kehrsbedingten Lärmdauerbelastung lärmempfindlicher Vogelarten»einer (Erst-) Durchschneidung des betroffenen Gebiets nahe- bzw.gleichkommt«.

Bei dieser Sachlage war es abwägungsfehlerhaft, den Alternativen-vergleich in dem Korridor zwischen dem Nassanger-Gebiet und derOrtschaft Trieb auf die Varianten 5 und Süd 4 zu beschränken. DieseVarianten wurden so gewählt (»trassiert«), dass sie ohne Maßnahmendes aktiven und passiven Lärmschutzes die Immissionsgrenzwerte fürdie weiter südlich liegenden Misch- und Wohngebiete von Triebmöglichst nicht überschreiten. Das zeigt ein Blick auf die Isophonen-Linien der Variante Süd 4 (Straßenbauamt Bamberg 2000, UnterlageNr. 6, Bl. Nr. 7) deutlich. Der Immissionsgrenzwert von 49 dB(A), derfür reine und allgemeine Wohngebiete (nachts) gilt, berührt die Orts-lage nur am äußersten nördlichen Rand, an dem ein Mischgebietliegt; damit wird der nächtliche Grenzwert von 54 dB(A) für Dorf- undMischgebiete erheblich unterschritten (vgl. § 2 Abs. 1 der 16.BImSchV). Das ersichtliche Bestreben, die Lärmgrenzwerte nicht nureinzuhalten, sondern aus Vorsorgegründen deutlich zu unterschrei-ten, hat dazu geführt, dass die Varianten 5 und Süd 4 an den südli-chen Rand des Nassanger Weihers gelegt werden. Zum Schutz diesesNaturraums hätte der Beklagte jedoch eine deutliche Südverschie-bung der Varianten 5 und Süd 4 zum Ortsrand von Trieb hin ins Augefassen und die Vor- und Nachteile einer derartigen Variante unter Ein-satz von Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes zu-gunsten der Bevölkerung von Trieb untersuchen und vergleichendgewichten müssen.

Der im Klageverfahren vorgebrachte Einwand des Beklagten, Na-tur und Landschaft würden durch die im Detail untersuchte Varian-te Süd 4 und eine nach Süden verschobene Trasse Süd 4, wie sie derKläger befürworte, »fast identisch« betroffen, eine Südverschiebungstelle für den Bereich des Nassangers nur eine »minimale« Verbesse-rung dar, erfordere jedoch vermehrte Lärmschutzmaßnahmen, greiftnicht durch. Bei einem Abrücken der Trasse um etwa 200 bis 250 m

vom Südrand des Nassanger Weihers würden die verkehrsbedingtenLärmbelastungen für die Tierwelt im Gebiet des Nassangers deutlichreduziert; die 49 dB(A) Isophonen-Linie berührte nur den südlichenRandbereich des Weihers (vgl. die vom Kläger vorgelegte nach Südenverschobene Variante der Trasse Süd 4 vom 7.9.2000; zur Abnahmedes »Raumwiderstands« s. auch Planunterlage 13.2, Bl. 2.6).

Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass es nach § 50 BImSchGzu den Grundsätzen des Planungsrechts gehört, Flächen für unter-schiedliche Nutzungen einander so zuzuordnen, dass schädlicheUmwelteinwirkungen wie Lärmbeeinträchtigungen und Luftverun-reinigungen soweit wie möglich vermieden werden. Dass für zu-sätzliche Lärmschutzmaßnahmen oder sonstige Vorkehrungen zumSchutz von Natur und Landschaft höhere Kosten entstehen, recht-fertigt es jedoch nicht, eine in der Gesamtbetrachtung möglicher-weise vorzugswürdige Alternative frühzeitig auszuscheiden. Derwirksame Schutz »naturschutzfachlich äußerst wertvoller« und»außerordentlich stark« betroffener Lebensräume (PFB S. 58, 109)kostet naturgemäß Geld. Das Aufbringen dieser Kosten kann sich je-doch im Rahmen einer Gesamtabwägung als verhältnismäßig und»vernünftigerweise« geboten erweisen (vgl. etwa BVerwG, Urteilevom 27.10.2000, a.a.O. – Sicherungsmaßnahmen für ein Trinkwas-serschutzgebiet, A 71 – und vom 23.11. 2001 – 4 A 46.99, NVwZ2002, 1125 = UPR 2002, 192 – »Grünbrücken«, A 113). Der Beklag-te macht auch nicht geltend, dass Mehrkosten für den Lärmschutzvon Trieb (sowie etwaige Folgekosten für die Verlegung von Be-triebseinrichtungen eines Kieswerks westlich von Trieb) außer Ver-hältnis zu dem mit der Planung verfolgten Zweck stehen. 5.2.4 Der Abwägungsfehler bei der Alternativenprüfung ist erheblich undkann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden (§ 17 Abs. 6c Satz 1 und 2 FStrG). Er ist insbesondere auf das Abwägungsergebnisvon Einfluss gewesen.

Rechtliche oder tatsächliche Hindernisse, die den Ausschluss wei-terer Südvarianten aus einem überwiegenden Grund offensichtlichrechtfertigen oder ihrer Realisierung jede konkrete Aussicht auf Ver-wirklichung nehmen könnten, bestehen nicht.

Die Durchschneidung der weiteren Schutzzone III des Trinkwas-serschutzgebiets westlich von Hochstadt in einem Korridor zwischenden engeren Schutzzonen II bildet entgegen der Ansicht des Beklag-ten kein derartiges Hindernis. (…)

6. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die vom Klägergegen die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§8 Abs. 1 bis 3 BNatSchG a.F.) im ergänzenden Planfeststellungsbe-schluss vom 16.5.2002 erhobenen Einwendungen begründet sind.

BVerwGEnteignung zum Bau einer internationalen RohölleitungUrteil vom 24. Oktober 2002 – 4 C 7.01

Leitsätze:Das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsan-lage zwischen Vohburg an der Donau und Waidhaus vom 28.4.1994(BayGVBl. S. 294), das die Enteignung für eine Transitpipeline zurVersorgung der Tschechischen Republik mit Rohöl zulässt und die Ver-pflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Ausbau der grenz-überschreitenden Rohrleitungsverbindungen aus dem Deutsch-Tsche-chischen Freundschaftsabkommen vom 27.2.1992 konkretisiert, ist mitArt. 14 Abs. 3 GG vereinbar. Die Erfüllung des Freundschaftsvertragesdient dem Wohl der Allgemeinheit in der Bundesrepublik Deutschland,

Rechtsprechung

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293ZUR 4/2003

weil der Vertrag die gute Nachbarschaft beider Staaten und die Einbin-dung der Tschechischen Republik in die Europäische Union fördert. Vorinstanzen:VG Regensburg vom 5.8.1996 – VG RO 13 K 96.1212VGH München vom 23.10.2000 – VGH 22 B 96.3396

Aus den Gründen:I. Der Kläger wendet sich gegen die zwangsweise Belastung seines Grun-deigentums mit einem Leitungsrecht zugunsten der Beigeladenen.

Die Beigeladene ist ein Unternehmen, das den Bau und Betrieb vonMineralöl-Transportleitungen zum Gegenstand hat und sich in derHand der Tschechischen Republik befindet. Diese beschloss im Jahr1990, sich durch eine Anbindung an das westeuropäische Versor-gungsnetz aus ihrer einseitigen Abhängigkeit von Mineralöllieferun-gen aus den GUS-Staaten zu lösen. Als günstigste Lösung favorisiertesie einen Anschluss an die von Triest nach Ingolstadt führende Trans-alpine Ölleitung (TAL) mittels einer Stichleitung, der Mitteleuropäi-schen Rohölleitung (MERO), zwischen Vohburg an der Donau unddem nördlich von Prag gelegenen Tanklager Nelahozeves, die bisWaidhaus über bayerisches Staatsgebiet verlaufen sollte. Als Ergebniseines Raumordnungsverfahrens billigte die Regierung der Oberpfalzam 30.12.1992 die Trassenvariante C 4 (Vohburg-Münchsmünster-Neustadt a.d.D.-Falkenstein-Roding-Rötz-Winklarn-Oberviechtach-Eslarn-Waidhaus/Landesgrenze). Mit Bescheid vom 30.11.1994 er-teilte das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung,Familie, Frauen und Gesundheit der Beigeladenen die gewerberecht-liche Erlaubnis und wasserrechtliche Genehmigung zur Errichtungund zum Betrieb der Ölleitung. Bestandteil des Bescheides ist u.a. einlandschaftspflegerischer Begleitplan mit einem Trassenkorridor.

Die Leitung wurde nach Durchführung eines Verfahrens zur vor-zeitigen Besitzeinweisung im Jahr 1995 gebaut und im März 1996 inDienst gestellt. Sie verläuft u.a. durch das dem Kläger gehörende,landwirtschaftlich genutzte Grundstück Flur-Nr. 531 in der Gemar-kung W. Nachdem Bemühungen der Beigeladenen um einen freihän-digen Erwerb eines Leitungsrechts gescheitert waren, belastete dasLandratsamt Regensburg mit Enteignungsbeschluss vom 8.5.1996das Grundeigentum des Klägers mit einer beschränkt persönlichenDienstbarkeit des Inhalts, dass die Beigeladene berechtigt ist, in einemGrundstücksstreifen von 10 m Breite eine Rohölfernleitung einsch-ließlich Zubehör zu verlegen, zu betreiben und das Grundstück zumZwecke des Baus, des Betriebes und der Unterhaltung der Anlage je-derzeit zu benutzen.

Das VG Regensburg hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen,der Bayer. VGH die Berufung zurückgewiesen. (...)

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger – wieschon in den Vorinstanzen – die Verfassungswidrigkeit des MERO-Ge-setzes geltend. Der Beklagte und die Beigeladene treten der Revisionentgegen und beantragen deren Zurückweisung. II.Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Be-schluss verletzt Bundesrecht nicht. Das Berufungsgericht hat im Er-gebnis zutreffend entschieden, dass das MERO-Gesetz als Rechts-grundlage für den Enteignungsbeschluss mit Art. 14 GG vereinbar ist.Seine Rechtsauffassung, der Kläger werde durch den konkreten Zu-griff auf sein Grundeigentum nicht in seinen Rechten verletzt, ist re-visionsrechtlich nicht zu beanstanden. 1. Bei der zwangsweisen Belastung des Eigentums an einem Grundstückmit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit handelt es sich umeine Enteignung (BVerfG, Urteil vom 10.3.1981 – 1 BvR 92, 96/71,BVerfGE 56, 249 <260>). Sie ist nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nur zumWohle der Allgemeinheit zulässig und bedarf gemäß Art. 14 Abs. 3Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Das Wohl der Allgemeinheit

ist durch eine Abwägung nach Verhältnismäßigkeitskriterien zwi-schen dem öffentlichen Interesse an der Enteignung und dem Inter-esse des Eigentümers an der Erhaltung seiner Eigentumssubstanz zubestimmen. Ein öffentliches Interesse an der Enteignung besteht sei-nerseits nur, wenn es die gegen das Enteignungsvorhaben sprechen-den öffentlichen Interessen überwiegt. Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG ver-pflichtet den Gesetzgeber, die eine Enteignung legitimierendenGemeinwohlaufgaben selbst festzulegen (BVerfG, Urteil vom10.3.1981, a.a.O. S. 261). Seine Wertungen und Erwägungen hat dasGericht zu respektieren, es sei denn, sie sind eindeutig widerlegbaroder offensichtlich fehlsam oder widersprechen der Wertordnung desGrundgesetzes (BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 – 1 BvR 638, 673/64und 200, 238, 249/65, BVerfGE 24, 367 <406>).

a) Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des MERO-Gesetzes kann zur Errich-tung und zum Betrieb der Rohrleitungsanlage enteignet werden. Inseinem Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 legt das Gesetz fest, dass die Errich-tung und der Betrieb einer Rohrleitungsanlage zur Beförderung vonRohöl zwischen der Stadt Vohburg an der Donau und dem MarktWaidhaus insbesondere deshalb dem Wohl der Allgemeinheit dient,weil mit der Verwirklichung des Vorhabens die in Art. 18 des Vertragsüber gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwi-schen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen undSlowakischen Republik vom 27.2.1992 (BGBl. II S. 462) getroffenenVereinbarungen erfüllt werden. Nach Absatz 1 der genannten Ver-tragsbestimmung streben die Vertragsparteien eine Erweiterung dergegenseitigen Transportverbindungen im Luft-, Eisenbahn-, See-, Bin-nenschifffahrts- und Straßenverkehr sowie der Rohrleitungsverbin-dungen unter Nutzung modernster Technologien an. Diese völker-vertraglich vereinbarte und mit dem MERO-Gesetz umgesetzteUnterstützung der Tschechischen Republik bei der Verlegung derMERO reicht entgegen der Auffassung der Revision aus, um die Ein-räumung einer Enteignungsbefugnis zu rechtfertigen. Inwieweit hier-für die anderen in Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes angeführten Gründe trag-fähig wären, kann offen bleiben.

Der notwendige Gemeinwohlbezug lässt sich allerdings nichtschon mit der Erwägung begründen, das durchzuleitende Rohöl tra-ge zur Deckung des Primärenergiebedarfs der Tschechischen Republikbei. Zwar ist die Sicherstellung der Energieversorgung eines Staateseine öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung, weil die Energie-versorgung als Bestandteil der Daseinsvorsorge eine Leistung ist, de-rer der Einzelne zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz un-umgänglich bedarf (BVerfG, Beschluss vom 20.3.1984 – 1 BvL 28/82,BVerfGE 66, 248 <258>). Der Senat folgt den Verfahrensbeteiligten je-doch darin, dass die Bewohner der Tschechischen Republik nicht zuden Destinatären des Gemeinwohls im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz1 GG zählen. Da der Geltungsbereich des Grundgesetzes auf dasStaatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und dieStaatsgewalt, die stets am Wohl aller Bürger ausgerichtet zu sein hat(BVerfG, Urteil vom 2.3.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 <141 f.>),auf der Souveränität der Gewaltunterworfenen aufbaut (Art. 20 Abs.2 Satz 1 GG), erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass die im Rah-men des Grundgesetzes in Frage kommenden öffentlichen Interessenin erster Linie solche der Bevölkerung der im hiesigen Staatsverbandlebenden Menschen sind (Stern, Das Staatsrecht der BundesrepublikDeutschland, Bd. III/2, § 79 IV 4 e, S. 357; Link, VVDStRL 48, 7 <22>).Auf Besonderheiten, die sich in Bezug auf die Mitgliedstaaten der Eu-ropäischen Union ergeben könnten, kommt es vorliegend nicht an.

Trotz des primären Nutzens der MERO für die Tschechische Repu-blik ist die Erfüllung des Art. 18 Abs. 1 des Freundschaftsvertrages je-doch am Wohl der bundesdeutschen Allgemeinheit orientiert. Dabeikann offen bleiben, ob das deshalb der Fall ist, weil der Ausbau desgrenzüberschreitenden Rohrleitungssystems auf Gegenseitigkeit an-gelegt ist und damit gerechnet werden darf, dass die Tschechische Re-publik die ihr zuteil gewordene Unterstützung bei der Sicherung ih-

BVerwG, Ente ignung zum Bau e iner internat ionalen Rohöl le i tung

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ZUR 4/2003294

rer Energieversorgung im Bedarfsfall mit einer reziproken Begünsti-gung der bundesdeutschen Bevölkerung honoriert. Entscheidend istjedenfalls, dass der Freundschaftsvertrag um der guten Nachbarschaftmit der Tschechischen Republik willen geschlossen worden ist, an de-ren Entwicklung die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bevölke-rung ein gesteigertes außen- und europapolitisches Interesse haben.Der Vertrag soll nämlich zur Bewältigung der durch Gewaltherrschaft,Krieg und Vertreibung belasteten Vergangenheit zwischen beidenStaaten beitragen, den Frieden in Europa festigen und der Tschechi-schen Republik den Weg in ein durch ein gemeinsames Erbe und ge-meinsame Werte vereintes Europa ebnen (Präambel, Art. 10 Abs. 2).Dass das von der Bundesrepublik Deutschland praktizierte Bekennt-nis zu guter Nachbarschaft mit anderen Staaten dem Wohl der eige-nen Bevölkerung dienen kann, hat auch das Bundesverfassungsge-richt bewogen, das gesetzgeberische Motiv, die Beziehungen zu einemNachbarstaat nicht zu gefährden und auf internationale InteressenRücksicht zu nehmen, als legitimen Zweck einer ebenfalls am Ge-meinwohl zu orientierenden Inhalts- und Schrankenbestimmungnach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzuerkennen (Beschluss vom12.3.1986 – 1 BvL 81/79, BVerfGE 72, 66 <79>).

Dem Kläger ist zuzugeben, dass eine Enteignung nicht für jedes be-liebige Vorhaben verfügt werden darf, an dessen Verwirklichung imBundesgebiet ein ausländischer Rechtsträger ein Interesse hat unddem die Bundesrepublik Deutschland um des Aufbaus oder der Auf-rechterhaltung guter nachbarschaftlicher Beziehungen willen zuzu-stimmen bereit ist (so auch Schönfeld, BayVBl. 1996, 440 <441>). Wodie Grenzen des Zulässigen liegen, bedarf vorliegend keinergrundsätzlichen Klärung. Insbesondere braucht nicht entschieden zuwerden, ob das Prinzip der guten Nachbarschaft eine Enteignung fürein Vorhaben mit Auslandsbezug nur zu rechtfertigen vermag, wenndas Vorhaben zugleich das Wohl der ausländischen Allgemeinheitzum Ziel hat. Denn diese Voraussetzung ist vorliegend wegen der exi-stenziellen Bedeutung einer gesicherten staatlichen Energieversor-gung erfüllt. Des Weiteren kann dahinstehen, ob das Prinzip der gut-en Nachbarschaft in einem zwischenstaatlichen Vertrag konkretisiertsein muss. Ein solcher Vertrag liegt hier vor. Sein Art. 18 Abs. 1 stehtim Einklang mit den Artikeln 124 und 125 des Seerechtsüberein-kommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGBl. 1994 II S.1799), in dem das Bedürfnis von Binnenstaaten, d.h. von Staatenohne Meeresküste, an der Nutzung von Rohr- und Gasleitungen inTransitstaaten als legitimer Anlass für völkervertragliche Vereinba-rungen anerkannt worden ist.

b) Das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an gutnachbar-schaftlichen Beziehungen mit der Tschechischen Republik und derenStreben nach einer gesicherten Versorgung mit Rohöl zur Deckungdes Primärenergiebedarfs sind öffentliche Interessen, die hinreichendgewichtig sind, um für die Rohrleitungsanlage zu streiten. Öffentli-che Interessen, die sich gegen das Vorhaben anführen ließen, sindnicht erkennbar. Namentlich musste dem MERO-Gesetz keine bilan-zierende und abwägende Gesamtschau der von der Trassierungberührten Belange, z.B. des Natur- und Landschaftsschutzes, voraus-gehen. Das Berufungsgericht hat das Gesetz so ausgelegt, dass es nurden Anfangs- und Endpunkt der Ölleitung, nicht jedoch einen Tras-senkorridor festlegt. Hieran ist der Senat nach § 173 VwGO i.V.m. den§§ 560, 545 ZPO gebunden, weil es sich bei dem MERO-Gesetz umLandesrecht handelt.

Das öffentliche Interesse an der Verlegung und dem Betrieb derMERO ist gewichtiger als das entgegenstehende Interesse Betroffeneran der Integrität ihres Grundeigentums. Dies gilt umso mehr, als derVerwaltung mit der in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 MERO-Gesetz enthaltenenErmächtigung, die Enteignung im Wege der Belastung des Eigentumsmit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit auszusprechen, einrechtliches Instrument zur Verfügung gestellt worden ist, dessen An-wendung den Eigentümer so weit wie möglich schont.

c) Der Freundschaftsvertrag vom 27. Februar 1992 und seine Um-setzung durch das MERO-Gesetz sind darauf angelegt, das gutnach-barschaftliche Verhältnis zur Tschechischen Republik und deren Si-cherheit bei der Versorgung mit Primärenergieträgern zu fördern. Dasmit den Maßnahmen ermöglichte Vorhaben dient daher dem Wohlsowohl der bundesdeutschen als auch der tschechischen Allgemein-heit. Das genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.5.1977 – 1 BvR514/68, 323/69, NJW 1977, 2349 <2350>; Urteil vom 10.3. 1981,a.a.O. S. 264; Beschluss vom 18.11.1998 – 1 BvR 21/97, NVwZ 1999,522 nur LS <juris>; Beschluss vom 18.2.1999 – 1 BvR 1367/88, 146/91und 147/91, NJW 1999, 2659; BVerwG, Urteil vom 14.5.1992 – 4 C9/89, NVwZ 1993, 477 <478>). Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG verlangt nicht,dass das Vorhaben auch vom Wohl der Allgemeinheit gefordert seinmuss (a.A. Sondervotum des Richters Böhmer, BVerfGE 56, 266<279>). Die Revision kann daher schon aus Rechtsgründen nicht mitihrem Einwand durchdringen, eine Rohölversorgung der Tschechi-schen Republik über die Bundesrepublik Deutschland sei nicht not-wendig, weil die Gefahr für die Tschechische Republik, durch einÖlembargo oder eine Liefersperre von der Versorgung aus dem Ostenabgeschnitten zu werden, wegen der wirtschaftlichen Verflechtungenmit den GUS-Staaten zunehmend geringer geworden sei. Der Ein-wand dürfte aber auch vom Tatsächlichen her fehlgehen. DemMERO-Gesetz liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Länder ohne eige-ne Rohstoffquellen bei der Einfuhr von Primärenergieträgern stets aufdie Unterstützung von Nachbarstaaten angewiesen sind (BayLT-Drucks. 12/13627 zu Art. 1). Der Gesetzgeber ist mithin von der Er-forderlichkeit der Leitung ausgegangen. Diese Einschätzung ist nichtfehlerhaft. Bei der Frage des Bedarfs für die MERO stand dem Gesetz-geber ein Prognosespielraum zu, den er nicht verlassen hat. Die Tsche-chische Republik hatte sich für die MERO entschieden, weil sachver-ständige Prognosen ergeben hatten, dass bis 1995 ein solcherRückgang der russischen Erdölversorgung zu erwarten sei, dass die ge-förderten Mengen kaum noch zur Deckung des Eigenbedarfs derGUS-Staaten ausreichen würden, es wegen des schlechten techni-schen Zustandes und des überholten Standards der Leitungsverbin-dung mit Russland immer wieder zu Verzögerungen und Unterbre-chung der Mineralölversorgung der CSFR gekommen war und dierussischen Lieferungen in erster Linie aus schweren, schwefelhaltigenÖlsorten bestanden und nicht die Vielfalt der in der westlichen Weltzur Verfügung stehenden Ölsorten boten. Diese Beweggründe warenseinerzeit schlüssig und werden nicht dadurch entwertet, dass sich dieVerhältnisse nachträglich in der von der Revision behaupteten Rich-tung entwickelt haben sollen.

d) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Zulässigkeit der Ent-eignung zu Gunsten eines privatrechtlich organisierten Unterneh-mens davon abhängig, dass dem Unternehmen die Erfüllung der demGemeinwohl dienenden Aufgabe durch Gesetz oder aufgrund einesGesetzes zugewiesen und zudem gesetzlich sichergestellt ist, dass eszum Nutzen der Allgemeinheit geführt wird (Beschluss vom 20. März1984, a.a.O.; Urteil vom 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264ff.). Die Vorinstanz sieht die Sicherung der fortdauernden Gem-einnützigkeit in der Rückenteignungsklausel des Art. 4 MERO-Gesetz.Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil die Vorschrift nur denFall betrifft, dass der Betrieb der MERO eingestellt wird. Das Ge-meinwohl kann aber auch dadurch beeinträchtigt werden, dass dasdurchgeleitete Rohöl für Zwecke eingesetzt wird, die dem Geist derguten Nachbarschaft und den Interessen der tschechischen Bevölke-rung widersprechen. Diesen Fall erfasst die Klausel nicht.

Der Senat lässt offen, ob eine Sicherung der Gemeinwohlbindungüberhaupt zu verlangen ist, wenn – wie hier – hinter dem von der Ent-eignung begünstigten Privatunternehmen ein fremder Staat steht. Je-denfalls besteht im vorliegenden Fall kein Anlass zu der Annahme,die Tschechische Republik werde das mit der MERO transportierte Er-döl anders als gemeinwohldienlich nutzen. Denn sie hat sich im

Rechtsprechung

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295ZUR 4/2003

Freundschaftsvertrag vom 27.2.1992 dazu bekannt, eine umfassendefriedliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Bundes-republik Deutschland und die Schaffung eines Europas anzustreben,in dem die Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie dieGrundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit geachtet wer-den und in dem die Grenzen ihren trennenden Charakter durch ge-genseitiges Verständnis verlieren und auch durch den Abbau wirt-schaftlicher und sozialer Unterschiede überwunden werden.

f) Das MERO-Gesetz steht auch im Übrigen mit der Verfassung imEinklang.

aa) Das Gesetz ist formell verfassungsmäßig. (...)bb) Das MERO-Gesetz ist auch nicht deshalb (materiell) verfas-

sungswidrig, weil es die Enteignung für zulässig erklärt, ohne dementeignenden Zugriff auf das Privateigentum generell ein fachplane-risches Planfeststellungsverfahren mit enteignender Vorwirkung vor-angestellt zu haben. Dem Gesetzgeber steht es ungeachtet der ver-fahrensrechtlichen Garantiefunktion des Eigentumsgrundrechts unddes Gemeinwohlerfordernisses jeder Enteignung frei, zur planeri-schen Bewältigung komplexer raumgreifender und konfliktträchtigerInfrastrukturvorhaben »Systeme vorausliegender Planungsstufenund mehrstufiger Entscheidungsverfahren« einzuführen und die Be-teiligungs- und Klagerechte betroffener Dritter (insbesondere derGrundeigentümer) auf die letzte zur außenverbindlichen Entschei-dung führende Verfahrensstufe zu begrenzen, soweit von den vor-ausliegenden Ebenen keine irreversiblen nachteiligen Rechtswirkun-gen ausgehen (BVerwG, Urteil vom 11.7.2002 – 4 C 9.00, <juris> zurVeröffentlichung vorgesehen). So liegt es hier, weil weder der Ent-scheidung der Raumordnungsbehörde vom 30.12.1992 zur Zulässig-keit der Trassenvariante C 4 noch dem landespflegerischen Begleit-plan im Bescheid vom 30.11.1994, in dem ein Trassenkorridorfestgeschrieben worden ist, eine enteignungsrechtliche Vorwirkungzukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.9.1988 – 4 B 37.88 ,BVerw-GE 80, 201 <207>).

2. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass dieEnteignungsbehörde Einzelheiten der Trassenführung und möglicheVarianten sowie alle für und gegen das Vorhaben in seiner konkretenGestalt sprechenden Belange abzuwägen hat. (...)

BGH Zur Haftung des Inhabers einer wassergefährdenden Anlage bei Mis-sbrauch der Anlage Urteil vom 12. September 2002 – III ZR 214/01

Leitsatz:Der Inhaber eines Waschplatzes zur Reinigung landwirtschaftlicherGeräte haftet grundsätzlich nicht nach § 22 WHG, wenn die Anlage vonDritten zur Beseitigung von Pflanzenschutzmitteln missbraucht wird.Vorinstanzen:OLG Jena, Entsch. vom 18.7.2001 – 2 U 1176/00LG Erfurt, Entsch. vom 25.7.2000 – 6 O 3556/98

Tatbestand:Der Kläger, Pächter des Fischereirechts an einem Flussabschnitt, indem es 1998 infolge Einleitens einer größeren Menge von Pflanzen-schutzmitteln (insb. DDT und Endosulfan) zu einem ausgedehntenFischsterben kam, hat die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Scha-densersatz in Höhe von 72.321, 78 DM sowie auf Feststellung ihrerErsatzpflicht für alle weiteren Schäden in Anspruch genommen. Ersieht als Ausgangspunkt der Einleitungen das Entwässerungsrohr aufdem Grundstück der Beklagten an, das von zweien der Beklagten fürderen landwirtschaftlichen Betrieb genutzt wird. Auf dem Grund-

stück befinden sich eine Halle und ein frei zugänglicher betonierterVorplatz mit einer Frischwasserzuleitung. Über einen Gully und einekurze Rohrleitung entwässert diese Fläche in den M.bach, der in denvom Kläger angepachteten Flussabschnitt mündet. Der Kläger hatvorgetragen, der Vorplatz habe den Beklagten und Dritten zur Befül-lung von Tankwagen sowie zur Reinigung landwirtschaftlicher Gerä-te gedient. Dabei seien die Pestizide in den M.bach gelangt. Die Be-klagten haben sich u. a. damit verteidigt, die festgestellte hoheKonzentration von Endosulfan könne nur durch eine vorsätzliche Be-seitigung größerer Mengen von Pflanzenschutzmitteln seitens Drit-ter erklärt werden. LG und OLG hielten den Klageanspruch demGrunde nach für gerechtfertigt. Die Revision führt zur Aufhebung desangefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an dasBerufungsgericht.

Aus den Gründen:(...)

Das Berufungsurteil kann insgesamt auch aus materiellrechtlichenGründen nicht bestehenbleiben.

II. 1. Das Berufungsgericht (OLG Jena OLG-Report 2001, 543) hält die Be-klagten verschuldensunabhängig als Inhaber einer wassergefährden-den Anlage gemäß § 22 Abs. 2 WHG für einstandspflichtig. Es führtdazu aus:

Bei dem der Entwässerung des betonierten Vorplatzes dienendenRohr handele es sich um eine Anlage, die dazu bestimmt sei, wasser-gefährdende Stoffe in ein Gewässer zu leiten. Aufgrund der vomLandgericht durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass derPlatz von den Beklagten zur Reinigung landwirtschaftlicher Gerätegenutzt worden sei. Somit habe die Rohrleitung auch dazu gedient,beim Waschen anfallende Rückstände von Öl und Pflanzenschutz-mitteln wegzuleiten. Dass es sich dabei um andere Stoffe als das hierschadensursächliche Endosulfan gehandelt habe, sei ohne Belang.Ebenso sei erwiesen, dass das giftige Endosulfan über die Rohrleitungder Beklagten in den M.bach und von da in die llm gelangt sei. In-haber der Anlage seien alle Beklagten als Miteigentümer des Grund-stücks, auch wenn der Beklagte zu 1 bereits vor dem Schadenszeit-punkt aus der den landwirtschaftlichen Betrieb führendenGesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschieden sei. Auf höhere Ge-walt wegen eines vorsätzlichen Eingriffs Dritter könnten sich die Be-klagten nicht berufen. Sie hätten nämlich den Waschplatz einsch-ließlich seiner Entwässerungsanlage ungesichert gelassen unddadurch einem möglichen schadenstiftenden Verhalten Dritter denBoden bereitet.2. Mit diesen Erwägungen überdehnt das Berufungsgericht auf derGrundlage des für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen-den Sachverhalts die Anlagenhaftung nach § 22 Abs. 2 WHG.

a) Bei dem der Entwässerung des Hallenvorplatzes dienenden Ka-naleinlauf und der sich anschließenden, in den M.bach mündendenRohrleitung, handelt es sich zwar um eine der Wegleitung von Stof-fen dienende Anlage. Es sind jedoch im Falle des von den Beklagtenbehaupteten Missbrauchs nicht »derartige« Stoffe in das Gewässer ge-langt.

b) Diese weitere Voraussetzung wäre, wie auch das Berufungsge-richt nicht verkennt, mindestens dann zu verneinen, wenn die Ver-rohrung lediglich der Ableitung von Regenwasser und außerdem desbei der Füllung von Tankwagen abfließenden unkontaminierten Fri-schwassers gedient hätte. Zu Recht hat sich das Berufungsgericht fürdiese Auslegung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 3.7.1975( – III ZR 61/73, VersR 1976, 43, 44) bezogen, in dem es um den Mis-sbrauch einer gemeindlichen Regenwasserkanalisation zur Beseiti-gung häuslicher Abwässer ging. In einer solchen Fallgestaltung ist die

BGH, Zur Haftung des Inhabers e iner wassergefährdenden Anlage

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ZUR 4/2003296

Anlage nicht dazu bestimmt, das in sie eingeleitete Abwasser und diedarin enthaltenen Schadstoffe wegzuleiten. Allein die Möglichkeit ei-nes Missbrauchs vermag eine Haftung des Anlagenbetreibers nach §22 Abs. 2 WHG nicht zu begründen.

c) Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Beklagten zu1 und 2 den Vorplatz außerdem als Waschgelegenheit für Traktorenund Geräte genutzt hätten und der Schadensfall bei einer derartigenbestimmungsgemäßen Verwendung eingetreten wäre. Eine dahinge-hende Nutzung stellt das Berufungsgericht unter Würdigung der er-stinstanzlichen Beweisaufnahme tatrichterlich fest; die Revision er-hebt hiergegen Verfahrensrügen. Ob diese berechtigt wären, kannoffen bleiben. Die Revision dringt nämlich jedenfalls mit ihrem wei-teren Einwand durch, es liege selbst dann ein – vom Berufungsgerichtnicht ausgeschlossener – Fall eklatanten Missbrauchs der Anlagedurch Dritte vor, der den Beklagten nicht zuzurechnen sei.

aa) Die Haftung nach § 22 Abs. 2 WHG stellt einen Fall der Ge-fährdungshaftung für die besonderen Gefahren der Gewässerverun-reinigung dar, die das Betreiben der beschriebenen Anlagen typi-scherweise mit sich bringt (Senatsurteil BGHZ 76, 35, 42; Breuer,Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl., Rn. 815). Diese Be-gründung und ihre inhaltliche Begrenzung auf typische Gefahrenla-gen beschränkt zugleich die Haftung des Betreibers normativ; dennnur aus der Schaffung einer solchen typischen Gefahrenlage recht-fertigt sich die Haftung des Anlageninhabers (Senatsurteil vom2.12.1982 – III ZR 121/81, NJW 1983, 2029, 2030; Czychowski, WHG,7. Aufl., § 22 Rn. 4). Eine spezifische Gefährdung dieser Art hat derSenat auch in einem Fall verneint, in dem in einer Halle Kunststoff-teile lagerten und erst durch deren Verbrennung wasserbeeinträchti-gende Stoffe entstanden waren (Urteil vom 2.12.1982 a.a.O.).

bb) Im Streitfall geht es auf dem Boden der tatsächlichen Feststel-lungen des Berufungsgerichts um das Gefahrenpotential, das aus derEinleitung von Abwässern eines landwirtschaftlichen Waschplatzesin oberirdische Gewässer typischerweise erwächst. Hätte sich dieseGefahr hier verwirklicht, wären – von den genannten Verfahrensrü-gen der Revision abgesehen – Bedenken gegen eine Haftung der An-lageninhaber nicht zu erheben. Die Beklagten haben indessen unterBeweisantritt behauptet, nach der im Ermittlungsverfahren erfolgtenfachtechnischen Stellungnahme des Staatlichen Umweltamts E. vom3.8.1998 sei mindestens eine Menge von 1,7 bis 4,9 kg reines Endo-sulfan in die IIm gelangt. Diese hohe Konzentration könne wederdurch das Reinigen von Geräten noch durch sonstiges Hantieren indie Rohrleitung gelangt sein, sondern sei allein dadurch zu erklären,dass sich jemand vorsätzlich der Pestizide habe entledigen wollen.Legt man dies, wie revisionsrechtlich geboten, als richtig zugrunde,handelt es sich nicht mehr um die derartigen Waschvorgängen in-newohnende Gefährdung. Bei diesen geht es um abgeschwemmteRückstände von Öl und Pflanzenschutzmitteln, allenfalls noch nachdem Vortrag des Klägers um kleinere Mengen unverdünnter Schad-stoffe wie beim Umkippen eines Kanisters, falls die Beklagten – wasdas Berufungsgericht allerdings nicht feststellt – den Vorplatz auchzur Befüllung ihrer Spritzfahrzeuge mit Pflanzenschutzmitteln be-nutzt haben sollten. Mit dieser zwar nicht zu vernachlässigenden,aber dennoch verhältnismäßig geringen Gewässergefährdung ist dasvorsätzliche Einleiten großer Mengen unverdünnter Pflanzenschutz-mittel weder quantitativ noch qualitativ vergleichbar. Diese Formrechtswidriger Abfallbeseitigung bedeutet vielmehr einen Missbrauchder Waschanlage, der, ähnlich wie in dem vom Senat bereits ent-schiedenen Fall eines gemeindlichen Regenwasserkanals (Senatsurteilvom 3.7.1975 a.a.O.), außerhalb ihrer Zweckbestimmung steht undnur eine lose und eher zufällige Verknüpfung mit der Anlage aufweist.Demnach hat sich, wie der Revision zuzugeben ist, vorliegend nichtdas mit dem Betrieb eines Waschplatzes verbundene spezifische Risi-ko verwirklicht, sondern ein allgemeines Lebensrisiko, nicht anders,als wenn der bislang nicht festgestellte Täter die Giftstoffe unmittel-

bar in den Bach oder die llm geschüttet hätte. Dieses Risiko ist auchunter Berücksichtigung des mit dem Wasserhaushaltsgesetz verfolg-ten umfassenden Gewässerschutzes nicht Teil des vom Inhaber derAnlage übernommenen Wagnisses. Auf die vom Berufungsgerichterörterte – nachrangige – Frage, ob andernfalls dessen Haftung wegenhöherer Gewalt ausgeschlossen wäre, kommt es nicht an.

Mit der gegebenen Begründung kann das angefochtene Urteil da-her nicht bestehen bleiben.

III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen alsrichtig dar (§ 563 ZPO a.F.). Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsge-richt eine Verhaltenshaftung der Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 WHGabgelehnt. Auf andere Rechtsgrundlagen lässt sich die Klage ebensowenig stützen.1. Die Beklagten sind nicht ohne weiteres im Sinne des § 22 Abs. 1 WHGEinleiter sämtlicher über ihre Rohrleitung in den M.bach gelangen-der Flüssigkeiten. Einleiten setzt ein auf die Gewässerbenutzungzweckgerichtetes Verhalten voraus. Ein haftungsbegründendes Han-deln im Sinne der Vorschrift liegt erst bei einem Tun oder Unterlas-sen vor, das nach seiner objektiven Eignung darauf abzielt, dass Stof-fe in ein Gewässer gelangen, wobei ein funktioneller Zusammenhangmit einer Gewässerbenutzung vorliegen muss (Senatsurteil BGHZ194, 394, 396). Derartiges hat der Senat zwar für die Abwasserkanali-sation einer Gemeinde angenommen und ihr insoweit zugleich dasRisiko eines Missbrauchs ihres Kanalsystems zugewiesen (vgl. BGHZ55, 180, 183 ff.; 57, 170, 174 f.; 62, 351, 355 ff.; Urteil vom 20.11.1975– III ZR 38/73, NJW 1976, 804 f.; s. auch BGHZ 103, 129, 134 f.; Czy-chowski, § 22 Rn. 11). (...)

Im Streitfall fehlt es – ausgehend von dem oben angenommenenMissbrauch – an dem in jedem Fall notwendigen funktionellen Zu-sammenhang zwischen der Zweckbestimmung der Anlage und dertatsächlich erfolgten Schadstoffeinleitung. Für die Beklagten haf-tungsbegründend könnte darum allenfalls eine konkrete Beteiligungan dem zweckfremden Eingriff sein.2. Nach der Überzeugung des Berufungsgerichts ist der Nachweis eineseigenen wassergefährdenden Verhaltens der Beklagten nicht geführtund auf der Grundlage des Klagevortrags auch nicht zu führen. Daszieht auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel. Sie macht je-doch geltend, die Beklagten hätten ihnen mögliche und zumutbareVorkehrungen gegen Eingriffe Außenstehender unterlassen und da-durch die Einleitung von Pflanzenschutzmitteln durch Dritte in ei-ner eigenem positiven Tun gleichstellenden Weise geduldet.Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Richtig ist, dass der Tatbestanddes Einleitens auch durch Unterlassen verwirklicht werden kann (Se-natsurteile BGHZ 65, 221, 223 ff.; 124, 394, 396; Urteil vom17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW 1986, 2312, 2314; Czychowski, § 22Rn. 8). Das setzt zunächst eine Rechtspflicht zum Handeln voraus, dieunter anderem aus der Verantwortung für Gefahrenquellen und so-mit aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGBfolgen kann (BGHZ 65, 221, 224 f.; Senatsurteil vom 17.10.1985a.a.O.; Staudinger/Kohler, BGB, Neubearbeitung 2002, § 22 WHG Rn.38 f.). Bereits hierfür fehlt es im Streitfall an einer Grundlage. Das Be-rufungsgericht hat keinerlei Feststellungen dahin getroffen – und dieParteien haben insoweit auch nichts Konkretes vorgetragen -, dasssich den Beklagten vor dem Schadensfall das Risiko eines derartigenMissbrauchs ihrer Waschanlage hätte aufdrängen müssen. Unter die-sen Umständen waren die Beklagten jedenfalls seinerzeit nicht ge-halten, entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Damitscheidet zugleich eine Ersatzpflicht der Kläger auf der Grundlage von§ 823 BGB aus. Die Anlagenhaftung nach § 2 Abs. 1 HPfIG schließ-lich erfasst ihrer Zweckbestimmung zufolge nicht den Fall, dass der

Rechtsprechung

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297ZUR 4/2003

Schaden aus der Beschaffenheit der in der Anlage transportierten Flüs-sigkeit entsteht (Senatsurteil vom 17.10.1985 – III ZR 99/84, NJW1986, 2312, 2314 f.; Filthaut, HPFIG, 5. Aufl., § 2 Rn. 25).

OVG MünsterZur Abfalleigenschaft gebrauchter und aufgetrennter BahnschwellenBeschluss vom 14. Februar 2003 – 7 ME 64/02

Leitsatz:Zur Abfalleigenschaft gebrauchter und aufgetrennter Bahnschwellen

Aus den Gründen:Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die auf-schiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort voll-ziehbar erklärte Anordnung des Antragsgegners, (...) die auf seinemGrundstück in B., Ortsteil C., zur Einzäunung einer Pferdekoppel ver-wendeten gebrauchten und aufgetrennten Bahnschwellen zu entfer-nen und einer geordneten Entsorgung zuzuführen. (...)

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, bei den als Weidepfähleneingebauten halbierten Bahnschwellen handele es sich nicht um Ab-fall im Sinne des § 3 Abs. 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgeset-zes (KrW-/AbfG), sondern um ein Produkt. (...) Dieser Ansicht vermagder Senat – unabhängig davon, ob dieser Erlass nach dem Inkrafttre-ten der Vierten Verordnung zur Änderung chemikalienrechtlicherVerordnungen vom 13.8.2002 (BGBl. I S. 3185) unverändertgilt – nicht zu folgen. (...) Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dieBahnschwellen einer zugelassenen Verwendung zugeführt werden(können) und eine abfallspezifische Behandlung nicht erforderlich ist(vgl. auch BVerwG, Urt. v. 24.6.1993 – 7 C 11.92, BVerwGE 92, 353).So verhält es sich hier nicht. Die Verwendung der Bahnschwellensteht nicht im Einklang mit dem Gefahrstoff- und Chemikalienrechtund erfordert eine umweltunschädliche Entsorgung.

Der objektive Abfallbegriff, den das Verwaltungsgericht vorliegendals erfüllt angesehen hat, ist in § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG geregelt. Danachmuss sich der Besitzer beweglicher Sachen im Sinne des Absatzes 1entledigen, wenn diese entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbe-stimmung nicht mehr verwendet werden, aufgrund ihres konkretenZustandes geeignet sind, gegenwärtig oder zukünftig das Wohl derAllgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden und deren Ge-fährdungspotential nur durch eine ordnungsgemäße und schadloseVerwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den ab-fallrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen werden kann. Diese Vor-aussetzungen sind nach der im Verfahren des vorläufigen Recht-schutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischenPrüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich gegeben.

Die ursprüngliche Zweckbestimmung der gebrauchten Bahn-schwellen ist entfallen, denn sie werden nunmehr als Weidepfähleverwendet.

Weitere Voraussetzung des objektiven Abfallbegriffs ist, dass diefraglichen Gegenstände in ihrem konkreten Zustand geeignet sind,das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden. Das bedeutet jedoch nicht,dass eine konkrete Gefahr vorliegen muss. Vielmehr genügt es, wenndie gegenwärtige Verwendung der Gegenstände aufgrund allgemei-ner Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse typischerwei-se zu einer Gemeinwohlgefährdung führen wird. Das Merkmal »kon-kret« bezieht sich nur auf den aktuellen Zustand der Sache in ihrer»Situationsgebundenheit«. Aufgrund dieses Zustandes ist das sichdaraus ergebende Gefährdungspotential abzuschätzen (vgl. Beck-mann/Kersting, in: Landmann-Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Rn. 60zu § 3 KrW-/AbfG; Frenz, KrW-/AbfG, 3. Aufl., Rn. 39 f. zu § 3; Ku-nig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Rn. 48 zu § 3). Dabei sind an den Grad

der Gefährdung von Schutzgütern umso geringere Anforderungen zustellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintreten-de Schaden ist. Wenn es genügt, dass von der Sache typischerweiseGefahren ausgehen, darf der Eintritt eines Schadens sich nicht ledig-lich als theoretische und fernliegende Möglichkeit darstellen (vgl. Ku-nig/Paetow/ Versteyl, a.a.O., Rn. 49 m.w.N.). Sieht der Gesetz- und Ver-ordnungsgeber das Inverkehrbringen und Verwenden bestimmterErzeugnisse als unvereinbar mit dem Schutzzweck spezieller Rechts-vorschriften, etwa des Chemikalien- und Gefahrstoffrechts, an, so be-steht eine Vermutung dafür, dass diese Gegenstände einer schadlo-sen Beseitigung nach den abfallrechtlichen Vorschriften zugeführtwerden müssen. So liegt es hier.

Bezüglich der Verwendung der Bahnschwellen ist maßgeblicheRechtsgrundlage die Gefahrstoffverordnung in der Fassung des Art. 2der Vierten Verordnung zur Änderung chemikalienrechtlicher Ver-ordnungen vom 13.8.2002 (BGBl. S. 3185). Da die Sach- und Rechts-lage nach den sich im Zeitpunkt der – noch nicht ergangenen – Wi-derspruchsentscheidung ergebenden Umständen zu beurteilen ist,kommt es auch für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechts-behelfs in der Hauptsache im Rahmen des einstweiligen Rechts-schutzes auf bis zu diesem Zeitpunkt eintretende erhebliche Ände-rungen an. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eineBerücksichtigung der aktuellen Rechtslage verbieten, sind hier wedervorgetragen noch sonst ersichtlich.

Nach Anhang IV Nr. 13.3 Abs. 1 Nr. 2 der Gefahrstoffverordnunggilt das Verwendungsverbot nach Nr. 13.1 Abs. 2 nicht für gebrauch-te Erzeugnisse, die vor der Anwendung dieser Verordnung mit Holz-schutzmitteln nach Nr. 13.1 Abs. 1 behandelt wurden, die nicht denAnforderungen der Nr. 13.2 entsprechen, sofern diese ausschließlicherneut als Eisenbahnschwellen oder Strom- und Telegrafenmastenoder für gewerbliche oder industrielle Zwecke anderer Art gemäß demursprünglichen Herstellungszweck wiederverwendet werden. Mit die-ser Regelung ist die hier streitige Verwendung durch den Antragstel-ler nicht vereinbar. Dieser meint allerdings, Anhang IV Nr. 13.3 in derFassung der Vierten Verordnung zur Änderung chemikalienrechtli-cher Vorschriften sei nicht anwendbar, weil die Vorschrift des An-hangs IV Nr. 13.3 von der übergeordneten Richtlinie 2001/90/EG, dersogenannten Kreosot-Richtlinie, abweiche und die strengere inner-staatliche Regelung nicht gemäß Art. 95 Abs. 5 des EG-Vertrages vonder EG-Kommission genehmigt worden sei. Diese Auffassung über-zeugt nicht.

Nach Art. 95 Abs. 5 EG-Vertrag teilt ein Mitgliedstaat, der es nachdem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder dieKommission für erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Er-kenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz derUmwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Pro-blems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmo-nisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht genom-menen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung derKommission mit. Es ist nicht ersichtlich, dass die tatbestandlichenVoraussetzungen dieser Norm hier gegeben sind. Den von dem An-tragsteller selbst vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass sichdie europarechtlichen Anforderungen an mit Kreosot behandeltesHolz durch die Richtlinie 2001/90/EG im Vergleich zur Richtlinie94/60/EG nicht geändert haben, soweit sie mit Kreosot behandeltesHolz, das Benzo(a)pyren in einer Massenkonzentration von über0,05 % enthält, betreffen. Die sich daraus zum innerstaatlichen Rechtergebenden Unterschiede waren bereits Gegenstand eines Notifizie-rungsverfahrens, welches mit der Entscheidung der Kommission vom26.10.1999 (ABl. EG L 329, S. 43) abgeschlossen worden ist. In die-sem Verfahren war der Kommission durchaus bewusst, dass die sein-erzeit zur Beurteilung anstehenden deutschen Bestimmungen überdie Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendungvon Kreosot weitere Einschränkungen im Vergleich zu den zuvor gel-

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ZUR 4/2003298

tenden Bestimmungen enthielten und insbesondere behandelteBahnschwellen nur »als solche« erneut in Verkehr gebracht werdendurften (vgl. ferner Senat, Beschl. v. 16. 2. 2000 – 7 M 3703/99; v. 5.5. 1997 – 7 M 6317/96, Nds. Rpfl. 1997, 181 = GewArch 1998, 80).Wenn die Bundesregierung unter diesen Umständen davon abgese-hen hat, die erneuten Änderungen der chemikalienrechtlichen Ver-ordnungen im vergangenen Jahr der Kommission zur Billigung vor-zulegen, so mag dies auch darauf beruhen, dass der Verordnungsgeberden Regelungen der Vierten Änderungsverordnung lediglich klar-stellenden Charakter beigemessen und die erneute Billigung einer be-reits gebilligten Regelung nicht für erforderlich gehalten hat. DieseBeurteilung kann – jedenfalls was das Inverkehrbringen und die Ver-wendung von gebrauchten Bahnschwellen angeht – nicht als er-sichtlich fehlsam bezeichnet werden. Vielmehr fehlt es an hinrei-chenden Anhaltspunkten dafür, dass die VierteÄnderungsverordnung insoweit Regelungen enthält, die von einerHarmonisierungsmaßnahme abweichen und hinsichtlich derer dieKommission eine billigende Entscheidung noch nicht getroffen hat.Selbst wenn ein Notifizierungsverfahren aus anderen Gründen an-gezeigt gewesen sein sollte, könnte der Antragsteller daraus im Hin-blick auf die hier beanstandete Verwendung der gebrauchten Bahn-schwellen zu seinen Gunsten nichts herleiten.

Da somit hier die Verwendung der Bahnschwellen mit dem gel-tenden Gefahrstoffrecht nicht vereinbar ist, kann nicht angenom-men werden, dass die mit der Verwendung verbundenen Risikendurch Regelungen dieses speziellen Stoffrechts hinreichend kontrol-liert werden können. Vielmehr ist mit der Verwendung der Bahn-schwellen ein Besorgnispotential verbunden, dass es rechtfertigt, sieals umweltgefährdend anzusehen und eine gemeinwohlverträglicheBeseitigung für geboten zu halten.

Bei den zur Imprägnierung von Bahnschwellen früher verwende-ten Holzschutzmitteln handelt es sich um Teeröle (insbesondereKreosot) und damit um komplexe Stoffgemische mit einer Fülle vonEinzelkomponenten, zumeist polycyclische aromatische Kohlen-wasserstoffe (PAK), die erhebliche Anteile an krebserzeugenden Stof-fen, wie das vielfach als Leitsubstanz gewählte Benzo(a)pyren, ent-halten. Bei älteren Bahnschwellen – wie hier – ist regelmäßig einhöheres Gefahrenpotential anzunehmen, weil die zur Imprägnie-rung verwendeten Teeröle hohe Gehalte dieser krebserzeugendenStoffe aufwiesen. Wie groß das Krebsrisiko für den Menschen ist,hängt von zahlreichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab undlässt sich nicht allgemein einschätzen. Jedenfalls verfolgt der Gesetz-und Verordnungsgeber seit langem das Ziel, die Wahrscheinlichkeiteines Kontakts mit Teerölen und teerölbehandeltem Holz so weit wiemöglich zu reduzieren.

Die Verwendung aufgetrennter Bahnschwellen als Weidepfähle be-gründet hier die Gefahr gesundheitsschädlicher Hautkontakte. DerSenat vermag dem Antragsteller nicht in seiner Einschätzung zu fol-gen, dass die Pfähle – soweit nicht bereits ausgetauscht – nur in ei-nem Gebiet eingebaut worden seien, das von Menschen nicht betre-ten werde. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar vorgetragen unddurch fotografische Aufnahmen verdeutlicht, dass der Zustand dervormaligen Bahnschwellen in der Örtlichkeit durchaus die Gefahr ei-nes solchen Kontakts, sogar durch besonders gefährdete Kinder, be-gründet und diese sich nicht lediglich als eine bloß theoretische undfernliegende Möglichkeit darstellt. In diesem Zusammenhangkommt es nicht entscheidend darauf an, ob die vom Antragsteller ver-wendeten Weidepfähle an den Schnittflächen mit Klarlack versiegeltworden sind und ob die Versiegelung dazu führt, dass die PAK-Emis-sionen an der Oberfläche geringer sind als an den unveränderten »al-ten« Oberflächen.

Was die Frage der Bodenbelastung angeht, teilt der Senat die Auf-fassung des Antragstellers, die PAK-Werte im entnommenen Boden-material seien unproblematisch, nicht. (...)

Eine nähere Begründung dieser Feststellung unter konkreter Her-anziehung einschlägiger Regelwerke fehlt. Wenn der Antragstellerselbst insoweit auf Prüfwerte nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) in Verbindung mit Anhang 2Nr. 1.4 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung(BBodSchV) verweist, so ist zwar richtig, dass die Untersuchung derBodenproben auf Benzo(a)pyren einen Wert ergeben hat, der unterdem Prüfwert der Verordnung für Kinderspielflächen liegt. DieserUmstand erlaubt aber nicht den Schluss auf das Nichtvorhandenseineiner schädlichen Bodenveränderung.

Der Antragsteller vernachlässigt zum einen, dass der Benzo(a)py-ren-Gehalt noch kein ausreichendes Indiz für den PAK-Gesamtgehaltdarstellt, der – wie der Untersuchung ebenfalls zu entnehmen ist – einVielfaches dieses Einzelwertes beträgt. Der Heranziehung des PAK-Ge-samtgehalts kann nicht entgegengehalten werden, dass in der Tabel-le zu Anhang 2 Nr. 1.4 nur auf den Stoff Benzo(a)pyren abgestelltwird. Die Werte dieser Tabelle beziehen sich allein auf den Wir-kungspfad Boden-Mensch im Sinne eines direkten Kontakts. Dem-gegenüber kommt es z.B. bezogen auf den Wirkungspfad Boden-Grundwasser nach Anhang 2 Nr. 3.1 auf die Summe der PAK an. (...)

VGH KasselPlanerische Abwägung bei der Festlegung von FlugverfahrenUrteil vom 11. Februar 2003 – 2 A 1569/01

Leitsätze:1. Zur Neuordnung der An- und Abflugverfahren zum und vom Flugha-

fen Frankfurt am Main mit Wirkung vom 19.4.2001 (hier: Taunus-Rou-ten).

2. Der Organisationserlass des (damaligen) Bundesministeriums für Ver-kehr vom 13.11.1992 in der Fassung der Änderung vom 7.7.1993 istrechtswidrig, soweit er die Verantwortung für den fachlichen Inhaltvon Rechtsverordnungen über die Festlegung von Flugverfahren al-lein der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH überträgt und dem Luft-fahrt-Bundesamt die Prüfung der Rechtsförmlichkeit vorbehält.

3. Bei der Festlegung von Flugverfahren durch Rechtsverordnung sindauch Lärmschutzbelange in die planerische Abwägung einzustellen,die unterhalb der (fachplanerischen) Zumutbarkeits- bzw. Erheblich-keitsschwelle liegen.

4. Die besonderen topographischen Bedingungen in einem Untersu-chungsraum sind in die Abwägung einzustellen, wenn die mit zu-nehmender Flughöhe sonst eintretende Lärmminderung durch einenerheblichen Anstieg des Geländes neutralisiert oder zumindest deut-lich relativiert wird.

5. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit und rechtsverletzenden Wir-kung eines durch Rechtsverordnung festgesetzten Flugverfahrenskann mit der Maßgabe ausgesprochen werden, dass es die Kläger füreinen Übergangszeitraum zu dulden haben, wenn sonst die Gefahrbesteht, dass eine spontane Umverteilung der Flüge zu einer Mehr-belastung von Gebieten führt, die schon jetzt bis an die Grenze derUnzumutbarkeit betroffen sind, oder gar die Sicherheit des Flugver-kehrs beeinträchtigen wird.

6. Die Praxis der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, für Flüge oberhalb5.000 ft (GND) Flugverkehrskontrollfreigaben zu erteilen, die einenDirektflug zu dem Zielpunkt neben den vorgesehenen Flugrouten zu-lassen, unterliegt zumindest dann erheblichen rechtlichen Bedenken,wenn diese »Directs« nach Häufigkeit und Bündelung ein »faktischesFlugverfahren« entstehen lassen.

Aus dem Tatbestand:Die Kläger wenden sich gegen die Festlegung von Abflugrouten imNordwesten des Flughafens Frankfurt am Main.

Rechtsprechung

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299ZUR 4/2003

Sie sind Eigentümer von Grundstücken, die in (...) liegen. DieGrundstücke sind mit Wohnhäusern bebaut.

Die von den Klägern angegriffenen Flugrouten sind durch die13. Änderungsverordnung – ÄndVO – vom 13. März 2001 zu der177. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung vom28.2.1997 – DVO-LuftVO – (Festlegung von Flugverfahren für An- undAbflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Frank-furt am Main) ausgewiesen worden. Die Verordnung ist von dem Di-rektor des Luftfahrt-Bundesamtes – Verwaltungsstelle FlugsicherungOffenbach – (LBA) erlassen worden. In § 1 Abs. 3 und 4 der Verord-nung werden signifikante Punkte – u. a. die Wegpunkte ETARU undTABUM – nach Koordinaten im geodätischen Bezugssystem WGS 84definiert. In § 2 Abs. 1 Nr. 1.2 sind die Anflugverfahren für die Be-triebsrichtung 07 (Landebetrieb bei östlichen Winden) sowie in § 3Abs. 2 Nrn. 1 und 3 die Flugrouten für den Abflug von den Startbah-nen 25 R und 25 L (Westbetrieb) sowie der Startbahn 18 beschrieben.

Aus den Entscheidungsgründen:Die Klage hat teilweise Erfolg.

Sie ist insgesamt zulässig. (wird ausgeführt)Die Kläger rügen einen Anhörungsmangel. (...) Eine Anhörung der einzelnen Kläger war nicht geboten. Eine An-

hörung einzelner Betroffener bei dem Erlass einer Rechtsverordnungist nicht in Art. 80 GG vorgesehen und lässt sich auch nicht aus an-deren Vorschriften oder Rechtsgrundsätzen ableiten. Angesichts dertypischen und – bei gleicher Lage zur Route – auch gleichmäßigenLärmbetroffenheit durch eine Flugroute ist es weder geboten nochsinnvoll durchführbar, alle potentiell lärmbetroffenen Bürger vor Er-lass der Rechtsverordnung anzuhören. Auf Besonderheiten hinsicht-lich der Situation der einzelnen Grundstücke kommt es, wie noch imEinzelnen darzulegen ist, hier nicht an. Die für die Abwägung maß-geblichen Parameter (wie z. B. Flugbewegungszahl, Flughöhe, Flug-zeugmix und Besiedlungsstruktur) lassen sich auch ohne Anhörungaller Betroffenen hinreichend sicher und vollständig ermitteln (vgl.OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4.3.2002, a.a.O., S. 14 f.).

Materieller Maßstab für die Überprüfung der Flugrouten ist das Ab-wägungsgebot. Die Geltung des Abwägungsgebots hängt weder voneiner fachgesetzlichen Normierung noch von einer bestimmtenHandlungs- oder Verfahrensform ab. Es folgt vielmehr aus dem We-sen einer rechtsstaatlichen Planung und gilt dementsprechend allge-mein. Es begrenzt die planerische Gestaltungsfreiheit, die einerseitsunerlässlich ist, um widerstreitende private und öffentliche Belangeauszugleichen, andererseits im Rechtsstaat nicht schrankenlos gilt,sondern rechtlich gebunden und gerichtlich kontrollierbar sein muss(BVerwG, Urteil vom 28.6.2000, NJW 2000, S. 3585). Die Belange, diebei der Festlegung von An- und Abflugverfahren in die planerischeAbwägung einzustellen sind, lassen sich unmittelbar aus den gesetz-lichen Bestimmungen ableiten. Auf der einen Seite zu berücksichti-gen ist das Interesse an einer sicheren, geordneten und flüssigen Ab-wicklung des Luftverkehrs (§ 27c Abs. 1 LuftVG). Auf der anderenSeite haben die Luftfahrtbehörden, also auch das LBA, und die für dieFlugsicherung zuständigen Stellen nach § 29b Abs. 2 LuftVG auf denSchutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.Während die Sicherheit des Luftverkehrs vordringlichstes Ziel derFlugsicherung ist, besteht zwischen den Bezugpunkten Flüssigkeit desLuftverkehrs einerseits und Lärmschutz der Bevölkerung andererseitsein Spannungsverhältnis, in dem die Ermächtigung, aber auch dieVerpflichtung des LBA, eine abwägende Entscheidung über die Rou-tenführung zu treffen, besonderes Gewicht erlangt.

Das Abwägungsgebot gilt für die Ausweisung von Flugrouten zwargrundsätzlich, aber nicht mit allen inhaltlichen Anforderungen, diein der Dogmatik des Fachplanungsrechts entwickelt worden sind. Dasfolgt aus der besonderen sachlichen Eigenart der zur Überprüfung ste-henden Entscheidung. Eine erste Beschränkung ergibt sich daraus,

dass das LBA aus kompetenzrechtlichen Gründen darauf beschränktist, den vorhandenen Fluglärm zu verteilen, ohne die eigentlicheStörquelle beseitigen oder einschränken zu können. Aufgrund der Ge-nehmigung oder Planfeststellung (oder ggf. der Fiktion des § 71 Abs. 2LuftVG) des betreffenden Flughafens besteht als Vorgabe ein be-stimmtes »Lärmpotenzial«, das – im Rahmen der ebenfalls vorgege-benen Lage der Start- und Landebahnen – verteilt, aber nicht in sei-ner Gesamtheit verändert werden kann. Deshalb ist es rechtlich nichtausgeschlossen, dass die Ausweisung einer Flugroute den Anforde-rungen des Abwägungsgebots genügt, obwohl die betroffene Bevöl-kerung einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt wird. Dieserechtliche Konsequenz unterliegt im Hinblick auf die Rechtsschutz-möglichkeiten gegenüber der Planfeststellungsbehörde keinendurchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerwG, Urteilvom 28.6.2000, a.a.O., S. 3586).

Allerdings eröffnet der planerische Gestaltungsspielraum dem LBAdie Möglichkeit und bei Vorliegen der entsprechenden Vorausset-zungen auch die Verpflichtung, sich für ein lärmminderndes Verfah-ren zu entscheiden, auch wenn darunter die Flüssigkeit der Abwick-lung des Flugverkehrs leidet und sich dieses Phänomen mittelbar aufdie Kapazität eines Flughafens auswirkt. Die Beklagte trägt zwar zuRecht vor, dass die Flugsicherung keinen Einfluss auf die aktuell zubewältigende Flugmenge hat, langfristig aber spielt das Argument derFlüssigkeit der Verkehrsabwicklung bei der Festsetzung der Koordi-nierungseckwerte (Slots), die die abstrakte Kapazität eines Flughafensbestimmen, eine erhebliche Rolle (vgl. § 27a Abs. 2 LuftVG). Insoweitbedarf die oben getroffene Aussage, die Flugroutenbestimmung er-fülle in Bezug auf den Fluglärm eine reine Verteilungsfunktion, einerErgänzung. Unter engen Voraussetzungen, die hier nicht erörtertwerden müssen, kann über lärmmindernde Ab- und vor allem An-flugverfahren eine Reduzierung des Lärms insgesamt erreicht werden,wenn auch mit Einbußen bei der Flüssigkeit der Verkehrsabwicklungund damit letztlich bei der Kapazität des Flughafens.

Eine zweite Abweichung von dem fachplanerischen Abwägungs-gebot besteht bei der Festlegung von Flugrouten darin, dass keine»parzellenscharfe« Ermittlung und Bewertung der Belange der Be-troffenen geboten, sondern eine generalisierende Betrachtung aus-reichend ist. Das BVerwG (Urteil vom 28.6.2000, a.a.O., S. 3586) lei-tet diesen Aspekt aus dem Umstand her, dass Flugrouten imGegensatz zu Verkehrswegen am Boden nur eine »Ideallinie« be-schreiben würden, denen ein »Flugerwartungsgebiet« zuzuordnensei. Demgegenüber ist die Flugsicherung aufgrund der neueren Ent-wicklung der Navigationstechnik in der Lage, die Fluglinien, wenn eserwünscht ist, auf einen relativ engen Raum zu bündeln, wie insbe-sondere die Flugspuraufzeichnungen von Flugrouten belegen, dievon dem Flughafen Frankfurt am Main in südlicher Richtung führen(Minimal Noise Routes).

Die generalisierende Betrachtung rechtfertigt sich aber auch aus derDimension des durch die Flugroutenbestimmung betroffenenRaumes. Der Überflug eines Strahlflugzeugs wird auch bei relativgroßer Entfernung als störendes Schallereignis empfunden. Wegender großen Streuwirkung des Fluglärms und dem Fehlen natürlicherSchallhindernisse werden zwar einerseits Lebensräume von erhebli-cher Ausdehnung betroffen, andererseits trifft die Belastung dieWohnbevölkerung, die sich in annähernd gleicher Lage zur Flugrou-te befindet, auch in annähernd gleicher und typischer Weise. Fernerkommt es, wie oben dargelegt, für die Überprüfung der Flugrouten-bestimmung grundsätzlich nicht auf die absolute Belastung (gemes-sen in bestimmten Mittelungs- oder Maximalpegeln), sondern die re-lative Belastung im Verhältnis zu anderen Gebieten und anderenRoutenführungen an. Aus diesen Erwägungen heraus ist es gerecht-fertigt, wenn sich der Verordnungsgeber auf eine generalisierende Be-trachtung beschränkt. Das gilt um so mehr, als die Rahmenbedin-gungen für die Lärmbelastung, z. B. die Zahl der Flugbewegungen und

VGH Kasse l , P laner i sche Abwägung be i der Fest legung von F lugver fahren

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die meteorologischen Verhältnisse, einem ständigen Wechsel unter-worfen sind.

Der Einschränkung auf eine generalisierende Betrachtung ent-spricht ein relativ weiter – normativer – Gestaltungsspielraum desVerordnungsgebers. Der erkennende Senat teilt die Auffassung desOVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 4.3.2002, a.a.O., S. 23 ff.), dasses in dem planerischen Ermessen des Verordnungsgebers liegt, dieGrundentscheidungen über die Lärmverteilungsprinzipien zu treffen,insbesondere die Fragen zu beantworten, ob Flugbewegungen ehergebündelt oder gestreut werden sollen, ob die Lärmbelastung nachArt eines großräumigen Lastenausgleichs aufgeteilt oder weniger be-lastete Gebiete möglichst geschont werden sollen, und ob bei der Be-wertung der Belange mehr Gewicht auf das Ausmaß der Betroffenheitoder mehr auf die Zahl der betroffenen Bewohner gelegt werden soll.Es gehört zum Wesensgehalt der planerischen Gestaltungsfreiheit,dass in diesem Geflecht der für- und gegeneinander streitenden In-teresse keinem Belang von vornherein ein Übergewicht oder Vorranggegenüber anderen Belangen einzuräumen ist.

Hier sehen die Kläger einen Fehler im Abwägungsvorgang schondarin, dass die planerische Entscheidung über die Festsetzung der Flu-grouten nicht von dem dafür zuständigen LBA – VerwaltungsstelleFlugsicherung -, sondern in Wirklichkeit von der DFS getroffen wor-den sei. Dem vermag sich der Senat im Ergebnis nicht anzuschließen;allerdings würde die 13. ÄndVO – für sich betrachtet – unter diesemAspekt der rechtlichen Überprüfung nicht Stand halten. Nach demUrteil des BVerwG vom 28.6.2000 (a.a.O., S. 3586) ist die Festlegungder Flugrouten nicht schon deshalb als willkürlich anzusehen, weildas LBA die Abwägungsentscheidung »im Wesentlichen« der DFSüberlasse. Das gelte jedenfalls dann, wenn das LBA– erstens für die Entscheidung verantwortlich bleibe,– zweitens für die Einhaltung des Abwägungsgebots Sorge trage und– drittens die Nachprüfbarkeit der Einhaltung der durch dieses Ge-

bot vorgegebenen Maßstäbe sicherstelle.Die erste Voraussetzung ist erfüllt, weil das LBA durch die Unter-

schrift des zuständigen Beamten die Verantwortung für den Inhaltder Rechtsverordnung übernimmt. Ob das LBA bei Erlass der 13. Änd-VO auch für die Einhaltung des Abwägungsgebots Sorge getragen hat,ist für den Senat nicht feststellbar, weil jedenfalls die dritte der o. g.Voraussetzungen fehlt. Denn es lässt sich weder aus den im Zusam-menhang mit der 13. ÄndVO vorgelegten Unterlagen noch aus son-stigen Umständen ableiten, dass das LBA bei Erlass der 13. ÄndVOSorge für die Einhaltung der Maßstäbe des Abwägungsgebots (imoben dargelegten Sinne) getragen hat.

Die im Zusammenhang mit dieser Rechtsverordnung bei dem LBAentstandenen Verwaltungsvorgänge beschränken sich auf den Ent-wurf der Verordnung und den Entwurf der Fassung der Verordnungfür die Veröffentlichung in dem Handbuch für Luftfahrer. Aus diesenUnterlagen lässt sich nicht nachvollziehen, dass das LBA überhaupteine abwägende Entscheidung getroffen hat und welche Belange denAusschlag für diese Entscheidung gegeben haben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.3.2002, a.a.O., S. 25 f.).

Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass sich das LBA of-fensichtlich selbst als ein Organ begreift bzw. begriffen hat, das dievon der DFS erarbeiteten Rechtsverordnungen erlässt und veröffent-licht, wozu die DFS seit ihrer Privatisierung im Gegensatz zum frühe-ren Rechtszustand nicht mehr befugt ist (vgl. z. B. die Formulierung»... hat die DFS ... nachvollziehbare Abwägungen vorgenommen ...«auf S. 18 des Schriftsatzes der Beklagten vom 25.7.2001 – Bl. 60 derAkten). Auch die DFS formuliert in ihrer Broschüre »Vergleich der An-und Abflugverfahren Frankfurt vor/nach dem 19. April 2001« auf Sei-te 2 (Bl. 370 R der Akten):

»Abflüge erfolgen auf sogenannten Instrumentenabflugstrecken, die durchdie DFS Deutsche Flugsicherung GmbH geplant werden. Die Kommissionzur Abwehr des Fluglärms (Fluglärmkommission) hat hierbei beratende

Funktion. Das Luftfahrtbundesamt (LBA) veröffentlicht die Verfahren perRechtsverordnung.«

Ähnlich führt die Beigeladene in ihrem »Fluglärmreport«, Ausga-be 2/2002, auf Seite 3 (Bl. 1012 der Akten 2 A 1062/01) aus:

»Die für die Planung von An- und Abflugrouten zuständige DFS wird Än-derungswünsche der Kommission letztlich nur dann dauerhaft umsetzen,wenn ...«

Diese Auffassungen der Beklagten und der Beigeladenen findeneine Grundlage in dem Organisationserlass des (damaligen) Bundes-ministeriums für Verkehr vom 13.11.1992 (Bl. 489 der Akten) in derFassung der Änderung vom 7.7.1993 – Z 14/02.04.25/74 Vmz 93 –(Bl. 496 ff. der Akten). Darin wird bestimmt:

»Aus arbeitsökonomischen Gründen und um den Sachverstand der dieFlugsicherung ausführenden Stelle einzubeziehen, ist eine Arbeitsteilungzwischen LBA (Abteilung V) und der DFS vorzusehen, bei der die DFS denfachlichen Inhalt der Rechtsverordnungen erstellt, während das LBA (Ab-teilung V) die Rechtsförmlichkeit überprüft, die Rechtsverordnungen er-lässt und im Bundesanzeiger und in den Nachrichten für Luftfahrer be-kannt macht. Für den fachlichen Inhalt der Rechtsverordnungen trägtallein die DFS die Verantwortung.«

Dieser Teil des Erlasses ist jedoch nicht mit § 32 Abs. 1 Nr. 1 undAbs. 3 Satz 3 LuftVG i. V. m. § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO zu vereinba-ren. Nach diesen Bestimmungen hat eindeutig das LBA die Flugver-fahren festzusetzen. Durch diese Zuständigkeitsregelung wird dasLBA ermächtigt, aber auch verpflichtet, die mit der Festsetzung ver-bundene Abwägung selbst vorzunehmen. Für eine Beschränkung desLBA auf die Prüfung der Rechtsförmlichkeit der Verordnung, wie sieder Erlass vom 7.7.1993 vorsieht, bieten die gesetzlichen Bestim-mungen keinen Ansatz.

Der Senat verkennt nicht, dass es auch aus der Sicht des Gesetz- undVerordnungsgebers sinnvoll ist, die Sachkunde sowie die personelleund technische Ausstattung der DFS bei der Planung und Festsetzungder Flugverfahren nutzbar zu machen (vgl. OVG Nordrhein-Westfa-len, Urteil vom 4.3.2002, a. a. O., S. 16 f.). Dieser Aspekt rechtfertigtjedoch keine Abweichung von der gesetzlichen Kompetenzordnungund ihm kann auch im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzord-nung Rechnung getragen werden. Denn es ist rechtlich nicht zu be-anstanden, wenn die Rechtsverordnungen über die Ausweisung vonFlugverfahren weitgehend – bis hin zur Unterschriftsreife – von derDFS vorbereitet werden. Lediglich die abschließende verantwortlicheEntscheidung über die Festsetzung der Flugverfahren und die damitverbundene – nachvollziehbare – Entscheidung über die Einhaltungder Anforderungen des Abwägungsgebots muss dem LBA vorbehal-ten bleiben.

Welche Anforderungen sich hieraus an das Rechtssetzungsverfah-ren im Einzelnen ergeben, hängt von dem jeweiligen Flugverfahrenund insbesondere dem Maß der Lärmbetroffenheit der Bevölkerungab. Soweit sich Rechtsverordnungen über die Ausweisung von Flug-verfahren nicht auf rein flugsicherungstechnische Veränderungen be-schränken, muss die Einhaltung der Anforderungen des Abwägungs-gebots aus einer Begründung oder einem Erläuterungsbericht oderaus den im Zusammenhang mit der Planung einer Flugroute ent-standenen Vorgängen ersichtlich sein. In Ausnahmefällen kann sichdie abwägende Entscheidung aus sonstigen Umständen, insbeson-dere auch – worauf später zurückzukommen ist – aus der Routen-führung selbst ergeben.

Das hiernach erforderliche Eigengewicht der Entscheidung des LBAdient nicht nur kompetenzrechtlichen Anforderungen, sondern er-füllt auch zwei wesentliche materiell-rechtliche Funktionen: Zum ei-nen bietet die Zuständigkeit des LBA für die abschließende Entschei-dung über ein Flugverfahren die organisationsrechtliche Gewähr, dassden eigentlichen Belangen der Flugsicherung im Sinne des § 27c Abs. 1LuftVG, insbesondere dem Interesse an der flüssigen Abwicklung desLuftverkehrs, die Lärmschutzbelange der betroffenen Wohnbevölke-rung mit dem gebotenen Nachdruck entgegengehalten werden. Zum

Rechtsprechung

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anderen kommt den Stellungnahmen und Wünschen der Kommissi-on zum Schutz gegen Fluglärm bei dem Flughafen Frankfurt am Mainnach der Einschätzung des Senats ein erhebliches Gewicht zu. Da dieWillensbildung in der Kommission auf dem Mehrheitsprinzip beruht,obliegt dem LBA die Aufgabe, den Schutz der Minderheiten nach Maß-gabe des Abwägungsgebots zu gewährleisten.

Gemessen an diesen Maßstäben ist für den Senat nicht erkennbarund nachvollziehbar, dass das LBA bei Erlass der 13. ÄndVO zur177. DVO-LuftVO hinsichtlich der auf kurzem Weg via TABUMführenden Abflugverfahren (F-, G- und J-Routen) eine eigene und dieEinhaltung der Anforderungen des Abwägungsgebots garantierendeEntscheidung getroffen hat. Der darin liegende Abwägungsfehlerkann der Klage aber nicht zum Erfolg verhelfen, weil er durch den Er-lass der 212. DVO-LuftVO geheilt worden ist. Die Kläger hattenwährend des gerichtlichen Verfahrens Gelegenheit und sie haben da-von auch ausführlich Gebrauch gemacht, ihre Einwendungen undBedenken gegen die am 19.4.2001 in Kraft getretenen Flugverfahrenvorzutragen. Die Beklagte hat in ihren Schriftsätzen deutlich zumAusdruck gebracht, dass und aus welchen Gründen sie diese Ein-wendungen nicht für begründet ansieht. Wenn also das LBA die strei-tigen Flugverfahren in Kenntnis der Einwendungen der Kläger ohneinhaltliche Veränderung am 13.11.2002 durch Erlass der 212. DVO-LuftVO neu in Kraft gesetzt hat, kommt darin nach der Überzeugungdes Senats hinreichend deutlich eine abwägende Entscheidung desLBA mit dem Inhalt zum Ausdruck, dass es den von ihm schriftsätz-lich dargelegten Belangen den Vorrang vor den ebenfalls schriftsätz-lich vorgetragenen Lärmschutzbelangen der Kläger einräumt. Auf dieStichhaltigkeit der einzelnen Argumente kommt es in diesem Zu-sammenhang nicht an. Denn der Mangel im Abwägungsvorgang,dass das LBA nicht nachvollziehbar eine eigene abwägende Ent-scheidung getroffen hat, ist durch den Erlass der 212. DVO-LuftVOin Verbindung mit dem prozessualen Vorbringen der Beklagten aus-geräumt worden. Eine isolierte Beanstandung der 13. ÄndVO schei-tert an dem fehlenden Rechtsschutzinteresse. Durch eine Feststellungder Rechtswidrigkeit nur der 13. ÄndVO würde die Rechtsstellung derKläger nicht verbessert, weil sie die sie belastenden Flugverfahren auf-grund der 212. DVO-LuftVO zu dulden hätten.

Die streitigen Rechtsverordnungen (13. ÄndVO in der Gestalt der212. DVO-LuftVO) sind aber insoweit abwägungsfehlerhaft zustan-de gekommen und deshalb rechtswidrig, als sie die auf kurzem Wegvia TABUM führenden Flugverfahren (F-, G- und J-Routen) betreffen.Hinsichtlich dieser Verfahren sind die Lärmschutzbelange der Klägerund der anderen Betroffenen nicht in dem gebotenen Umfang er-mittelt und in die planerische Abwägung – insbesondere im Vergleichzu anderen Planungsalternativen – eingestellt worden. Im Rahmender abwägenden Entscheidung über die Festsetzung der kurzen Ab-flugverfahren hätte das LBA mehr als geschehen die besonderen to-pographischen Bedingungen berücksichtigen müssen. Denn dieLärmminderung, die sich sonst mit zunehmender Flughöhe regel-mäßig einstellt, wird hier aufgrund des beachtlichen Anstiegs desGeländes neutralisiert oder zumindest wesentlich relativiert. Dazu istim Einzelnen auszuführen:

Die Anwesen der Kläger sind infolge der Einführung der neuen Flu-grouten einer abwägungserheblichen Lärmbelastung ausgesetzt.Nach den Gutachten des Dipl.-Physikers Dr. Krämer von dem TÜVSüddeutschland für die Stadt Kelkheim vom 5.6.2001 sowie des Dipl.-Ing. Dr. Knauß von der Gesellschaft deBAKOM vom 14.12.2001 fürdie Gemeinde Glashütten und vom 17.12.2001 für die GemeindeSchmitten sind die klägerischen Anwesen Mittelungspegeln – alsäquivalente Dauerschallpegel bei einem Halbierungsquotienten3 – Leq (3) – von aufgerundet 44 bis 49 dB (A) am Tag und 36 bis 41dB (A) in der Nacht ausgesetzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob undggf. in welchem Umfang die für Schmitten und Glashütten ermittel-ten Werte im Hinblick darauf nach oben zu korrigieren sind, dass die

Messungen relativ kurz nach dem 11.9.2001 durchgeführt wordensind und deshalb ein möglicherweise nicht ganz realistisches Bild wi-derspiegeln. Denn selbst wenn hier Korrekturen in einer Größenord-nung von maximal 2 dB (A) geboten wären, würden sich im vorlie-genden Rechtsstreit daraus keine rechtlichen Konsequenzen ergeben.

Diese Lärmbelastung liegt deutlich unterhalb der sog. fachplaneri-schen Erheblichkeits- oder Zumutbarkeitsschwelle. Das ist die Gren-ze, ab der bei dem Neubau oder der wesentlichen Änderung von Ver-kehrsanlagen Lärmschutzmaßnahmen notwendig sind, oder bei derder Schritt von der bloßen Belästigung hin zu einer schädlichen Um-welteinwirkung im Sinne des § 3 BImSchG vollzogen wird. Das vor-liegende Verfahren gibt dem Senat keine Veranlassung, diese Grenz-werte für den Bereich des Fluglärms zu definieren. Selbst wenn manhierfür einen relativ niedrigen Ansatzpunkt wählen und z. B. mit demRat der Sachverständigen für Umweltfragen (Umweltgutachten 2002– BT-Drucksache 14/8792) eine Erheblichkeitsschwelle von 55 dB (A)am Tag und 45 dB (A) in der Nacht annehmen würde, lägen die Be-lastungen der klägerischen Anwesen noch deutlich unter diesen Wer-ten. Es besteht für den Senat Anlass hervorzuheben, dass mit diesenBemerkungen keine Aussage zu der fachplanerischen Zumutbar-keitsschwelle für Fluglärm getroffen wird.

Auch wenn die Lärmbelastungen der Kläger nicht die fachplaneri-sche Erheblichkeitsschwelle erreichen, sind sie doch im Rahmen derplanerischen Abwägung zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz ist imFachplanungs- und Bauplanungsrecht anerkannt (vgl. z. B. BVerwG,Urteil vom 27.10.1998, BVerwGE 107, 313 <322 f.>) und muss auch fürdie Planung von Flugverfahren gelten, obwohl diese, wie oben darge-legt, nicht allen Regeln unterworfen sind, die die Dogmatik des Fach-planungsrechts erarbeitet hat. Denn zum einen gehört es zu dem Kern-bereich oder Wesensgehalt des Abwägungsgebots, dass alle Belange, dienach Lage der Dinge von einigem Gewicht sind und für oder gegen einegerechte Planung sprechen, auch tatsächlich mit dem ihnen objektivzukommenden Gewicht in die planerische Abwägung eingestellt wer-den. Zum anderen soll das Abwägungsgebot bei der Ausweisung vonFlugverfahren willkürliche Entscheidungen vermeiden. Die Wahl einerFlugroute, von der zwar keine erhebliche Lärmbelastung, aber gleich-wohl eine nicht von vornherein zu vernachlässigende Störung ausgeht,wäre aber durch sachliche Kriterien nicht zu rechtfertigen, wenn einePlanungsalternative zur Verfügung steht, die derartige Beeinträchti-gungen vermeidet oder insgesamt schonender ist.

Die Einschätzung der somit abwägungserheblichen Lärmschutz-belange der Kläger setzt angesichts der spezifischen topographischenVerhältnisse in dem hier betroffenen Raum voraus, dass die Höhen-lage der betroffenen Orts- oder Stadtteile in zumindest generalisie-render Form in die Entscheidung über die Ausweisung von Flugrou-ten einbezogen wird. Vorab klarzustellen ist allerdings, dass damitnicht alle topographischen Besonderheiten gemeint sind, die sichschalltechnisch auswirken können (wie z. B. das genaue Geländere-lief oder das Vorliegen einer Tal-, Hang- oder Kessellage). Auch ge-wöhnliche Höhenunterschiede dürften im Rahmen der hier gebote-nen generalisierenden Betrachtung zu vernachlässigen sein. Denn dieBestimmung von Flugrouten erfordert, wie oben dargelegt, geradekeine parzellenscharfe Ermittlung der abwägungserheblichen Belan-ge. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass das Gebiet in Richtungdes Punktes TABUM erheblich ansteigt, nämlich von dem Flugha-fenniveau (ca. 110 m NN) über den Stadtteil Eppenhain (ca. 420 m)und Glashütten (ca. 450 m) bis hin zu einer Höhenlage von ca. 640 m(Oberreifenberg). Vergleicht man den tatsächlichen Verlauf desGeländes mit der Steiggradiente bei einem Steigwinkel von 3,3 %, derzwar häufig übertroffen wird, aber der Planung zu Grunde liegt (vgl.Bl. 64 des von der DFS vorgelegten Ordners), wird die Lärmminde-rung infolge des Zuwachses an Flughöhe durch den Anstieg desGeländes neutralisiert oder zumindest erheblich relativiert. Die ef-fektive Flughöhe über Grund darf hier nicht unberücksichtigt blei-

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ben. Denn im Gegensatz zu anderen Parametern, die die Lärmwerteweniger stark beeinflussen (z. B. die Zahl der Flugbewegungen), wirktsich die Entfernung zwischen der Lärmquelle und dem Immissions-ort unmittelbar und erheblich auf das Maß der Betroffenheit aus.Selbst bei einer Flughöhe von ca. 1.500 m über Grund macht eineHöhendifferenz von bis zu 500 m einen nicht zu vernachlässigendenFaktor aus. Das gilt umso mehr, als die Flughöhe nach der eigenenEinschätzung der Beklagten ein für die Festlegung der Flugroute be-deutsames Kriterium darstellt (vgl. S. 7 f. des Schriftsatzes vom25.7.2001, Bl. 49 der Akten).

Die grundsätzliche Abwägungserheblichkeit derartiger topogra-phischer Bedingungen hat die Beklagte auch zwischenzeitlich selbstanerkannt, indem sie ihr Bewertungssystem NIROS um diesen Aspekterweitert hat. Bei Erlass der 13. ÄndVO und der 212. DVO-LuftVO istdieser Aspekt nicht für den Senat erkennbar berücksichtigt worden.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten sind die topographischenVerhältnisse im Untersuchungsraum auch nicht im Zusammenhangmit der Prüfung der zulässigen Mindestflughöhe in ausreichendemUmfang in den Entscheidungsprozess eingeflossen. Es ist zwar rich-tig, dass mit der Einhaltung der Mindestflughöhe über und nebenden Geländeerhebungen und sonstigen Hindernissen im Luftraumauch Lärmschutzbelange berücksichtigt werden (vgl. §§ 6 Abs. 1 i. V.m. 36 LuftVO). Damit wird aber noch nicht den Anforderungen desAbwägungsgebots ausreichend Rechnung getragen. Denn diesesRechts- und Gerechtigkeitsprinzip ist nicht nur auf die Einhaltungvon Mindeststandards gerichtet, sondern zielt auf eine Optimierungdieser Belange, was eine intensivere Auseinandersetzung als im Rah-men der Prüfung der zulässigen Mindestflughöhe voraussetzt. Gera-de durch die Festlegung der Flugverfahren unter Berücksichtigung derLärmschutzbelange werden die einzelnen Luftfahrzeugführer in dieLage versetzt, dem Lärmminimierungsgebot des § 6 Abs. 1 LuftVO ge-recht zu werden.

Der somit festzustellende Abwägungsfehler ist auch kausal für dasAbwägungsergebnis. Es besteht die konkrete Möglichkeit einer Rou-tenführung, die sich als insgesamt schonendere Alternative darstel-len könnte. In Betracht kommen insoweit die von den Klägern dar-gelegten Alternativen, die unter Beibehaltung oder jedenfalls untergrundsätzlicher Beibehaltung des Anflugpunktes ETARU eine leichteVerschiebung des Abflugpunktes TABUM in westlicher Richtung er-fordern. Dass ein solcher Spielraum, wenn auch in geringem Umfang,besteht, haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Ver-handlung eingeräumt. Hinzu kommt, dass die Routenführung biszum Wegpunkt TABUM schon jetzt variabel ist und insoweit ein wei-terer Spielraum für die Festlegung des Hauptverkehrsstroms (F-Rou-te) zur Verfügung steht. Diese Alternativen sind von den Klägerinnendes Parallelverfahrens 2 A 1062/01 schon frühzeitig und ausführlichdargelegt worden.

Der Senat verkennt nicht, dass eine derartige Routenverschiebungauf den ersten Blick keine Verbesserung der Lärmsituation insgesamtverspricht, weil dieser Bereich wohl dichter besiedelt ist als der jetztbetroffene. Auf der anderen Seite könnte hier die Intensität der Be-troffenheit infolge größerer Flughöhen deutlich reduziert werdenund unter Umständen zu einer anderen Gesamtbilanz führen. Des-halb lässt sich diese Alternative nach derzeitigem Erkenntnisstand desSenats nicht ohne nähere Prüfung aus dem Kreis der potentiell vor-zugswürdigen Varianten ausklammern. Die Anforderungen des Ab-wägungsgebots gebieten es daher, dass die Beklagte die Festsetzungder auf kurzem Weg via TABUM führenden Abflugverfahren unterBerücksichtigung der tatsächlichen Flughöhen über Grund und imHinblick auf die dargelegten und eventuellen weiteren Planungsal-ternativen, soweit sie nicht aus sachlichen Gründen von vornhereinausscheiden, überprüft.

Eine solche Überprüfung liegt bisher nicht vor. Das LBA hat auchim Zusammenhang mit der Bestätigung der Routen durch Erlass der

212. DVO-LuftVO keine für den Senat erkennbare neue Abwägungunter Berücksichtigung der spezifischen topographischen Bedingun-gen vorgenommen. Die Beklagte trägt zwar vor, ein Vergleich der TA-BUM-Routen mit der früheren TAU-Route habe auch in Bezug auf dieFlughöhe über Grund keine signifikanten Unterschiede erbracht. Ab-gesehen davon, dass eine solche Untersuchung dem Gericht nichtnachvollziehbar vorliegt, klärt sie auch nicht die Fragen, die nach denoben dargelegten Grundsätzen hier durch das Abwägungsgebot auf-geworfen werden.

Somit sind die im Tenor bezeichneten Flugverfahren wegen Ver-stoßes gegen das Abwägungsgebot rechtswidrig. Sie verletzen die Klä-ger auch in ihren Rechten, nämlich in ihrem subjektiven Recht aufgerechte Abwägung ihrer Lärmschutzbelange. Diese Feststellung hatzwar grundsätzlich die rechtliche Konsequenz, dass die Flugverfah-ren nach Rechtskraft des Urteils nicht mehr verwendet werden dür-fen. Da hier die gerichtliche Entscheidung zumindest teilweise aufeine Normenkontrolle hinaus läuft und in ihren Auswirkungen weitüber die Bereiche der klägerischen Anwesen hinaus reicht, hat der Se-nat mögliche Eingriffe in andere Rechtsgüter zu beachten. Um zu ver-hindern, dass infolge einer spontanen Umverteilung der Flugbewe-gungen andere Bereiche, die schon jetzt bis an die Grenze derZumutbarkeit betroffen sind, einer Mehrbelastung durch Verkehrs-lärm ausgesetzt werden oder gar die Sicherheit des Flugverkehrs be-einträchtigt wird, kann der Senat dem Feststellungsbegehren der Klä-ger, soweit sich daraus die Konsequenz der Nichtanwendbarkeit derFlugverfahren ergibt, nur mit der Maßgabe stattgeben, dass die Klä-ger die Lärmbelastung trotz eines Planungsfehlers für einen Über-gangszeitraum von drei Monaten hinzunehmen haben. Bei der Be-messung der Übergangsfrist hat sich der Senat an der Regelung des§ 27a Abs. 2 Satz 2 LuftVO orientiert.

Die weitergehenden Anträge der Kläger sind nicht begründet. (...) Bei der nach allem gebotenen Überprüfung der beanstandeten Flu-

grouten ist Folgendes zu beachten:Gründe, die einer Ausweisung von Abflugverfahren über den hier

streitigen Bereichen grundsätzlich oder dauerhaft entgegenstehen,sind weder von den Klägern vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ent-gegen der Auffassung der Kläger kennt die Rechtsordnung keinenGrundsatz des Vertrauens- oder Bestandsschutzes oder einen sonsti-gen Planungsgrundsatz, der es verbietet oder auch nur von be-stimmten, strikten Voraussetzungen abhängig macht, dass ein durchVerkehrslärm nicht oder kaum belastetes Gebiet keinen Immissionendurch neue Verkehrsanlagen, Flugverfahren oder ähnlichen Bela-stungen ausgesetzt werden darf. Insbesondere der Aspekt einer feh-lenden Vorbelastung kann und wird in aller Regel im Rahmen einerplanerischen Abwägung ein gewichtiger Belang sein, aber er ist nurein Aspekt unter vielen für und gegen den Plan streitender Interes-sen. Der wesentliche Inhalt der Planungsermächtigung besteht gera-de darin, einzelne Belange je nach dem Gewicht der gegenläufigenInteressen überwinden zu können. Eine dem Planungsermessen vor-greifende strikte Bindung an bestimmte Regeln müsste gesetzlichvorgeschrieben sein. Ein derartiger Rechtsgrundsatz lässt sich wederden Vorschriften des Luftverkehrsrechts noch sonstigen Rechtsnor-men entnehmen. (...)

Ähnliche Erwägungen gelten für den Aspekt des Wertverlustes. DerSenat verkennt nicht, dass die Festlegung neuer Flugrouten spürbareAuswirkungen auf den Wert der betroffenen Immobilien nach sichziehen kann. Dieser Aspekt steht der Ausweisung einer Flugroutenicht grundsätzlich entgegen. Er ist zum einen mit jeder neuen oderstärkeren Belastung einer Flugroute verbunden. Zum anderen sindWertschwankungen, wie sie auch durch viele andere Veränderungenausgelöst werden können, stets mit dem Eigentum verbunden. Wirt-schaftliche Nachteile infolge einer im Übrigen rechtmäßigen Abwä-gung sind von den Betroffenen hinzunehmen. Es gibt keinen Rechts-satz des Inhalts, dass staatliche Maßnahmen, die auf der Seite privater

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303ZUR 4/2003

Betroffener mit Grundstückswertminderungen verbunden sind, un-terbleiben oder entschädigt werden müssen (BVerwG, Beschluss vom5.3.1999, NVwZ-RR 99, 556 <557>). Erst recht können sich die Klä-ger nicht mit Erfolg auf wirtschaftliche Nachteile Dritter, nämlich derFluggesellschaften berufen.

Die Grundkonzeption, die den streitigen Flugverfahren zu Grundeliegt, ist entgegen dem klägerischen Vorbringen planungsrechtlichnicht zu beanstanden. Insoweit besteht Veranlassung, vorab klarzu-stellen, dass planerische Schritte nicht zwingend erforderlich seinmüssen. Eine Um- oder Neugestaltung der Luftverkehrswege genügtplanungsrechtlichen Anforderungen, wenn sie vernünftigerweise ge-boten oder plausibel begründet ist. Unter diesen Voraussetzungen istfür den Senat angesichts der Zuwachsraten im Luftverkehr ohne wei-teres nachvollziehbar, in dem »unteren« Luftraum über dem Flugha-fen Frankfurt am Main eine zweite Nord-Süd-Strecke einzurichten undzwischen beiden Hauptstrecken mit Einbahnverkehr in Richtung Sü-den (L 603 und Z 738) eine ebenfalls nur in südlicher Richtung nutz-bare Zubringerstrecke zu dem Flughafen Frankfurt am Main (T 150)auszuweisen, zumal dadurch die Anflugrouten über die bisherigen dreianderen Einflugpunkte entlastet werden. Ebenfalls plausibel dargelegthat die Beklagte, dass hinsichtlich der genauen Lage des neuen Ein-flugpunktes ETARU kein erheblicher Gestaltungsspielraum besteht,weil in westlicher Richtung der militärisch genutzte Bereich ED-R 204(über der Eifel) angrenzt, in östlicher Richtung weitere Haupt- und Zu-bringerstrecken ausgewiesen sind sowie für einfliegende Flugzeuge einWarteraum vorgehalten werden muss. Daraus folgt – ebenfalls nach-vollziehbar – die Notwendigkeit der Verlegung der bisherigen Abflu-grouten. Eine Beibehaltung der alten Abflugroute in Richtung TAU beigleichzeitigem Anflug über ETARU (bei einer bloßen Höhenstaffelungzwischen ein- und ausfliegenden Luftfahrzeugen) lehnt die Beklagtezu Recht aus Sicherheitserwägungen ab.

Aufgrund dieser planungsrechtlichen Grundkonzeption er-scheint es nicht als abwägungsfehlerhaft, den Flugverkehr von derbisherigen Abflugroute in Richtung TAU zum größten Teil auf einneues Abflugverfahren in nordöstlicher Richtung zu verlagern.Entgegen dem Vorbringen der Kläger erweist es sich nicht als Pla-nungsfehler, dass sich bei dieser Variante zwei Verkehrsströmekreuzen. Es mag sein, dass An- und Abflugrouten möglichst so auf-geteilt werden sollten, dass in einem Sektor entweder nur Ein- odernur Ausflüge stattfinden. Hierbei handelt es sich aber nicht umeine zwingende gesetzliche Planvorgabe, sondern um ein Pla-nungsziel im Sinne eines Planungsgrundsatzes, Planungsleitsatzesoder Optimierungsgebots. Das bedeutet, dass diese Konzeptionnach Möglichkeit verwirklicht werden soll, aber nicht um jedenPreis durchgesetzt werden muss. Angesichts der Belegung des Luf-traums über dem Flughafen Frankfurt am Main besteht für den Se-nat kein Anlass, an den Angaben der Beklagten zu zweifeln, dasseine derartige Kreuzung von Verkehrsströmen nicht sinnvoll ver-mieden werden kann. (...)

Die Kläger machen schließlich geltend, die angefochtenen Flug-verfahren seien auch deshalb zu beanstanden, weil eine erheblicheZahl der Flugzeuge den Punkt TABUM nicht auf dem vorgesehenenVerlauf der Routen, also in einer großen Rechtskurve, sondern – inder Regel aufgrund von einzelnen Flugverkehrskontrollfreiga-ben – auf direktem Weg erreiche (sog. »Directs«). Dadurch trete einezusätzliche Lärmbelastung auf, die das LBA bei der Festsetzung derFlugrouten nicht hinreichend berücksichtigt habe.

Dieser Vortrag ist nicht schlüssig. Gegenstand der gerichtlichenKontrolle im vorliegenden Rechtsstreit sind die vom LBA durchRechtsverordnung festgesetzten Flugverfahren, nicht aber dietatsächlichen Flugverhaltensweisen der Flugzeugführer und auchnicht die Flugverkehrskontrollfreigaben der Fluglotsen, soweit sievon den veröffentlichten Flugverfahren abweichen. (...)

Nach dem Vorbringen der Kläger insbesondere in der mündlichen

Verhandlung betrifft ihr Einwand jedoch in erster Linie diejenigenFlugbewegungen, die aufgrund von Einzelfreigaben östlich desRaumes stattfinden, der durch die zugelassenen Flugverfahren(einschließlich deren Korridore) abgedeckt wird. Diese Flugbewe-gungen berühren, wie oben dargelegt, nicht die Rechtmäßigkeit derFlugverfahren; sie sind allerdings von den Fluglärmmessungen erfas-st und deshalb in die Beurteilung der Lärmschutzbelange der Klägereingeflossen. Obwohl diese »Directs« nicht Gegenstand der gericht-lichen Prüfung im vorliegenden Verfahren sind, weist der Senat zurVermeidung weiterer Streitigkeiten auf Folgendes hin: Die DFS er-mächtigt nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ihreFluglotsen, Flugverkehrskontrollfreigaben außerhalb der »veröffent-lichten« Verfahren zu erteilen, wenn die Flugbewegungen oberhalbdes »lärmrelevanten Höhenbereichs« stattfinden; diese Grenze ziehtsie bei 5.000 ft am Tag und 8.000 ft in der Nacht (jeweils über Grund).Diese Verwaltungspraxis – die Fluglotsen nehmen hoheitliche Funk-tionen war – deckt sich im Wesentlichen mit der von der Geschäfts-leitung der DFS herausgegebenen Dienstanweisung an ihre Fluglot-sen (vgl. Ziffern 3.2.1 und 3.2.2 der »Richtlinie Fluglärmminderung”).Wenn sich, wofür hier einige Flugspuraufzeichnungen sprechen,Flugbewegungen aufgrund von Einzelfreigaben derart häufen odergar bündeln, dass neben den durch Rechtsverordnung zugelassenenFlugverfahren weitere Flugrouten – faktische Flugrouten – entstehen,wirft das Rechtsfragen in zweifacher Hinsicht auf: Zunächst kann sichdaraus ein Handlungsbedarf für das LBA ergeben. Die Existenz einerfaktischen Flugroute indiziert ein Verkehrsbedürfnis. Die Einzelfrei-gabe versetzt den Flugzeugführer in die Lage, den Wegpunkt TABUMmöglichst schnell zu erreichen. Neben dem Vorteil für das Luftfahrt-unternehmen durch Zeitgewinn und Einsparung von Kraftstoff wirktsich das auch für die DFS vorteilhaft aus, weil sich die Zeitspanne dereinzelnen Flugverkehrskontrolle verkürzt. Stehen diesen flug- undflugsicherungstechnischen Interessen keine Lärmschutzbelange ent-gegen, kann die faktische Flugroute für das LBA Anlass sein, ein ent-sprechendes Flugverfahren durch Rechtsverordnung auszuweisen,d. h. mit anderen Worten die faktische Flugroute zu legalisieren.

Wenn dagegen eine Erweiterung der zugelassenen Flugrouten inRichtung Osten aus der Sicht des LBA nicht interessengerecht ist, un-terliegt die Praxis der DFS nicht unerheblichen rechtlichen Bedenken.Diese resultieren in formeller Hinsicht daraus, dass die Fluglotsen beider Vergabe der einzelnen Flugverkehrskontrollfreigaben an die ge-setzlichen Bestimmungen, also auch an die durch Rechtsverordnungfestgesetzten Flugverfahren gebunden sind. Der Senat verkennt nicht,dass die Ausweisung von Flugrouten als ein standardisiertes Verfah-ren an übliche Bedingungen anknüpft, so dass die Fluglotsen bei be-sonderen – z. B. meteorologischen – Situationen oder gar bei Gefah-ren für die Sicherheit des Luftverkehrs in der Lage sein müssen,individuelle Flugwege zu bestimmen. Eine davon unabhängige ge-nerelle Ermächtigung, von zugelassenen Flugverfahren abzuweichen,lässt sich auch nicht aus der Erwägung herleiten, dass der gesamteLuftraum grundsätzlich allen Luftfahrzeugen offen steht. Denn wenndas LBA aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung bestimmte Flu-grouten für den Weg von dem Flughafen bis zu dem Punkt TABUMfestlegt, kommt darin auch der Wille zum Ausdruck, dass – soweit kei-ne Ausnahmen vorgesehen sind – in diesem Bereich keine anderenals die zugelassenen Flugverfahren genutzt werden sollen.

In materieller Hinsicht bestehen Bedenken, den Höhenbereichüber 5.000 ft GND am Tag generell als nicht lärmrelevant zu be-trachten. Gerade im vorliegenden Verfahren hat sich gezeigt, dassauch von dem Flugverkehr oberhalb dieser Schwelle Lärmbeein-trächtigungen ausgehen können, die zwar nicht als unzumutbar (imSinne einer erheblichen Störung), wohl aber als abwägungsrelevantanzusehen sind und möglichst vermieden werden sollen (vgl. die Kri-tik von Berkemann, ZUR 2002, 202 <205>).

(...)

VGH Kasse l , P laner i sche Abwägung be i der Fest legung von F lugver fahren

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ZUR 4/2003304

VGH MünchenGrenzwerte für nächtlichen FluglärmUrteil vom 3. Dezember 2002 – 10 A 01.40019 u.a.

Leitsätze:1. Die Festlegung einer Grenze von 6 Lärmereignissen mit einem Außen-

pegel von 70 dB(A) in Verbindung mit einem Dauerschallpegel vonhöchstens 50 dB(A) als Zumutbarkeitsschwelle für nächtlichenFluglärm ist nicht zu beanstanden.

2. Grundsätze der Raumordnung in Regionalplänen jedenfalls aus derZeit vor Inkrafttreten des neuen Raumordnungsgesetzes von 1997entfalten keine Schutzwirkung zu Gunsten Dritter.

VGH MünchenBerücksichtigung der Ziele der Raumordnung im FlächennutzungsplanUrteil vom 25. November 2002 – 14 B 00.2137

Leitsatz:Die Darstellung eines Baugebiets im Flächennutzungsplan, das aufeinem Höhenrücken von landschaftlich herausragender Bedeutung ge-plant ist und sich bis auf die halbe Höhe des Hanges erstrecken soll, kanngegen die Anpassungspflicht an die Ziele der Raumordnung gem. § 1Abs. 4 BauGB verstoßen und das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGBverletzen.Vorinstanz: VG Regensburg, Entscheidung vom 13.6.2000 – RN 6 K 98.2391

VG FreiburgLegalisierungswirkung von bergrechtlichen BetriebsplänenUrteil vom 16. Oktober 2002 – 1 K 836/00

Leitsätze der Redaktion:1. Zur Rechtmäßigkeit der Anordnung der Vorlage eines Sachverständi-

gengutachtens für die Sanierung einer 1974 stillgelegten Kali-Ab-raurnhalde auf der Grundlage des BbodSchG.

2. Die für gewerbe- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungenentwickelten Grundsätze der Legalisierungswirkung sind auf berg-rechtliche Zulassungen von Betriebsplänen nicht anwendbar.

3. Der frühere Betreiber eines Bergwerks kann einer Anordnung zur Ge-fahrenbeseitigung die Legalisierungswirkung der Genehmigung je-denfalls in dem Umfang nicht entgegensetzen, als er auch währenddes Betriebs mit nachträglichen Anordnungen rechnen musste.

4. Einer Mitteilung der Entlassung aus der Bergaufsicht kommt keineigener feststellender Regelungsgehalt mit der Folge zu, dass der soaus der Bergaufsicht Entlassene später eine legalisierende Wirkunggeltend machen könnte.

VG Düsseldorf„Besonders überlassungspflichtige« AbfälleUrteil vom 4. Februar 2003 – 17 K 316/03

Leitsätze der Redaktion1. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis über die Einstufung von

Abfällen als »besonders überlassungspflichtig« besteht lediglichzwischen dem Träger der zuständigen Abfallbehörde und dem Ab-fallerzeuger/-besitzer.

2. Abfallbesitzer wird nicht, wer zur Vermittlung der Entsorgungs-leistung den Abfall durch ein beauftragtes Entsorgungsunternehmenvom Erzeuger abholen und beim Entsorger anliefern lässt und zwarauch dann nicht, wenn zwischen dem Abfallerzeuger und dem Ent-sorger kein unmittelbares Vertragsverhältnis besteht.

3. Der bloße Vermittler einer Entsorgungsleistung (Makler) hat auch un-

ter dem Gesichtspunkt des Drittschutzes keine schutzwürdiges Inter-esse an der Feststellung dessen, dass der von ihm zur Entsorgung ver-mittelte Abfall nicht einer bestimmten behördlich getroffenen Ein-stufung z.B. als besonders überwachungsbedürftig unterfällt.

VG DüsseldorfUmweltinformationUrteil vom 25. Juni 2002 – 3 K 5795/01

Leitsätze der Redaktion:1. Auch die Ergebnisse einer behördlicherseits angeordneten werksin-

ternen Probenahme können Informationen über die Umwelt im Sin-ne von § 3 Abs. 2 UIG sein. Dies gilt auch dann, wenn die entspre-chenden Abwässer vor ihrer Freisetzung in die Umwelt noch einerweiteren Behandlung zugeführt werden.

2. Ein Anlagenbetreiber hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Relati-vierungen oder sonstige Erläuterungen der an Dritte zu übermitteln-den Informationen über die Überwachung der Anlage.

VG DüsseldorfBImSchG-Genehmigung und BauplanungsrechtUrteil vom 7. Mai 2002 – 3 K 6192/01

Leitsätze der Redaktion:1. Soweit die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit

eines Anlagentypes ein anlagentypisches Gefährdungspotenzialkennzeichnet, darf und muss bauplanungsrechtlich in aller Regel einkonkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotenzial un-terstellt werden.

2. Dies führt dazu, dass immissionsschutzrechtlich genehmigungsbe-dürftige Bauschuttrecyclinganlagen regelmäßig nur in Industriege-bieten, nicht aber in Gewerbegebieten zulässig sind.

VG DüsseldorfLärmschutzUrteil vom 15. Januar 2002 – 3 K 3905/01

Leitsätze der Redaktion:1. Soweit für die Bewertung des von Volksfesten ausgehenden Lärms in

Nordrhein-Westfalen auf die Freizeitlärm-Richtlinie (vom 11.10.1997,MBl.NRW S. 1352) zurückzugreifen ist, stellen die dort genannten ge-nerellen Richtwerte keine abschließende Grenze dar, weil § 10 Abs. 4und § 9 Abs. 2 LImSchG NRW gerade voraussetzen, dass bestimmteBetätigungen stattfinden sollen, die die Nachtruhe zu stören geeig-net sind.

2. Die Bedingungen und Auflagen, die § 10 Abs. 4 und § 9 Abs. 2 LIm-SchG NRW ermöglichen, sollen gerade dazu dienen, auch dann nochin einem Mindestumfang den berechtigten Interessen betroffenerDritter Rechnung zu tragen, wenn die tatbestandlichen Voraus-setzungen für eine Durchbrechung der Vorschriften zum Schutz derNachtruhe erfüllt sind.

3. Die behördliche Vorgabe, Musikdarbietungen und Lautsprecher-durchsagen seien in ihrer Lautstärke so zu wählen, dass unbeteiligtePersonen nicht in unzumutbarer Weise belästigt werden, ist nicht hin-reichend bestimmt genug, um eine Begrenzung der Belastung derNachbarschaft zur Nachtzeit zu gewährleisten.

4. Die Behörde kann zur Gewährleistung der Rechte Unbeteiligter ge-halten sein, die Schutzauflagen zu konkretisieren und einen Ab-strahlpegel festzusetzen sowie die Verwendung eines Schallpegelbe-grenzers vorzuschreiben und zu kontrollieren.

Rechtsprechung in Le i t sätzen

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Gesetzgebung

A. Aktionsplan für Umwelttechnologie

Die Kommission hat im März 2002 heraus-gestellt, dass die Umwelttechnologie einenBeitrag zur nachhaltigen Entwicklung lei-sten kann, indem sie den Umweltschutzvoranbringt und gleichzeitig das Wirt-schaftswachstum stimuliert.1 Ein Jahr späterhat sie als Grundlage für die Konsultationder betroffenen Akteure eine Mitteilung zurAusarbeitung eines Aktionsplans für Um-welttechnologie vorgelegt.2 Den Schwer-punkt bilden die Bereiche Klimawandel, Bo-denschutz, nachhaltige Produktions- undVerbrauchsstrukturen sowie Wasser. Hierzumacht die Kommission über eine Internet-seite3 weitere Hintergrundmaterialien zu-gänglich und bietet den interessierten Krei-sen die Mitarbeit in Facharbeitskreisen an.Ziel ist es, vielversprechende Technologien,Hemmfaktoren für deren Entwicklung undgeeignete Maßnahmen zur Beseitigung die-ser Hindernisse zu ermitteln und bis Endedes Jahres einen Aktionsplan auszuarbeiten.

Die Ökoindustrie der EG erwirtschaftetfür Güter und Dienstleistungen einen Jah-resumsatz von ca. 183 Mrd. Euro (rund 500Euro pro Einwohner). Davon entfallen 127Mrd. Euro auf die Verschmutzungskontrol-le und saubere Technologien, rund 56 Mrd.auf das Ressourcen-Management (incl. An-lagen für erneuerbare Technologien). DieGesamtinvestitionen in die Verschmut-zungsbekämpfung und saubere Technolo-gien sind seit 1994 jährlich um ca. 5 % ge-stiegen. Der Anteil des privaten Sektors anden Investitionen ist bis zum Jahr 1999 auf59 % gestiegen. Die Ökoindustrie in der EGbeschäftigt direkt über 2 Mio. Menschen.In den Bereichen Verschmutzungsbekämp-fung und saubere Technologien wurdenseit 1994 insgesamt 500.000 neue Arbeits-plätze geschaffen. In den Beitrittsländernhat die Ökoindustrie einen Jahresumsatzvon 10,3 Mrd. Euro, das entspricht 1,9 %des dortigen BIP.4

Für die genannten Sektoren wurden je-weils technische, wirtschaftliche, gesell-schaftliche und rechtliche Hindernisse be-nannt; nur auf letztere sei hier kurzeingegangen. Im Bereich des Klimaschutzesmüssen Vorschriften geändert werden, umdie Durchsetzung neuer Technologien zufördern, bspw. die Einführung von Wasser-stoff, Biokraftstoffen oder Erdgas als neuenKraftstoffen. Technische Vorschriften sollenauf grundlegende Anforderungen be-schränkt bleiben und durch technische Nor-

men ergänzt werden, denen zugeschriebenwird, sich leichter an den technischen Fort-schritt anpassen zu lassen. Einheitliche Min-destvorschriften für Abfallverwertungsanla-gen sollen verhindern, dass Abfall billigenAnlagen zugeführt wird, die in umwelttech-nischer Hinsicht weniger leistungsfähigsind. Rechtliche Hemmnisse für die Wieder-verwendung rezyklierter Komponenten sol-len beseitigt werden. Die gemeinschaftli-chen Vorschriften zum Wasserschutz sehenverbindliche Umwelt- und/oder Gesund-heitsanforderungen vor, schreiben jedochnicht vor, wie diese Ziele zu erreichen sind;damit ermöglichen sie umwelttechnischeFortschritte. Wegen der Höhe und der Lang-fristigkeit der Infrastrukturinvestitionenwerden im Bereich der Wasserversorgung, -verteilung, Abwasserentsorgung und -be-handlung allerdings überwiegend konven-tionelle und wohl bekannte Technologienverwendet.

Die Facharbeitskreise aus höchstens 20 bis30 Fachleuten/Betroffenen aus Industrie,Forschungskreisen, Nichtregierungsorgani-sationen und Behörden sollen ergründen,warum auf den Märkten oft Vorurteile ge-gen Umwelttechnologien anzutreffen sind,welche rechtlichen Hindernisse für derenEinführung vorhanden sind und wie Unter-nehmen zu ihrer Übernahme ermuntertwerden können. Sie sollen im Herbst 2003erste Empfehlungen vorlegen. Die Kommis-sion hat für Ende des Jahres 2003 ihren Ent-wurf für einen Aktionsplan angekündigt.

B. Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemi-kalien

Die im Januar 2003 angenommene Ver-ordnung über Aus- und Einfuhr gefähr-licher Chemikalien5 hat mit Wirkung vom7.3.2003 die entsprechende Verordnungaus dem Jahr 19926 abgelöst und verleihtden Bestimmungen des am 11.9.1998 vonder Gemeinschaft unterzeichneten und imDezember 2002 ratifizierten RotterdamerÜbereinkommens über das Verfahren dervorherigen Zustimmung nach Inkennt-nissetzung für bestimmte gefährlicheChemikalien sowie Pflanzenschutz- undSchädlingsbekämpfungsmittel im interna-tionalen Handel (PIC-Übereinkommen)7

innerhalb der Gemeinschaft Rechtskraft.Sie weist gegenüber dem Vorschlag vomJanuar 20028 keine nennenswerten Ände-rungen auf.

C. Weitere Maßnahmen nach der Prestige-Katastrophe

Die Kommission hat dem Europäischen Ratim März 2003 einen Bericht über die ange-sichts der Folgen des Untergangs des Ölt-ankers Prestige zu treffenden Maßnahmenvorgelegt.9 Hier werden nur die Aspekte an-gesprochen, die gegenüber dem Stand vomDezember 2002 neu sind.10 Unberücksich-tigt bleibt hier auch die Bereitstellungfinanzieller und technischer Mittel der Ge-meinschaft für die unmittelbare Schadens-behebung und die Wiederherstellung derWirtschaftskraft.– Die Kommission will im Einzelfall prüfen,

ob staatliche Beihilfen zur vorzeitigenAußerdienststellung vor allem der älte-sten Einhüllen-Schiffe genehmigt werdenkönnen.

– Verhandlungen mit den europäischen Öl-gesellschaften über die Aufstellung einesVerhaltenskodexes mit dem Ziel, dass mitEinhüllen-Tankschiffen kein Schwerölmehr transportiert wird, sind bishererfolglos geblieben, weil die beteiligteneuropäischen Wirtschaftskreise eine ge-setzliche Regelung vorziehen, die ihnendie gleiche Behandlung wie den konkur-rierenden Ölgesellschaften aus Drittlän-dern garantiert.

305ZUR 4/2003

Josef Falke

Neueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht

1 Bericht der Kommission, Umwelttechnologie füreine nachhaltige Entwicklung, KOM (2002) 122endg. v. 13.3.2002.

2 Mitteilung der Kommission, Ausarbeitung eines Ak-tionsplans für Umwelttechnologie, KOM (2003) 131endg. v. 25.3.2003.

3 http://www.europa.eu.int/comm/environment/etap.4 Die Zahlen sind der von Ecotec im Jahr 2002 vor-

gelegten Studie »Analysis of the EU eco-industries,their employment and export potential« entnom-men; sie steht unter http://europa.eu.int/comm/environment/enveco/studies2.htm#industry-em-ployment zur Verfügung.

5 Verordnung (EG) Nr. 304/2003 des EuropäischenParlaments und des Rates v. 28.1.2003 über dieAus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien, ABl. L31 v. 6.3.2003, 1-25.

6 Verordnung (EWG) Nr. 2455/92 des Rates v.23.7.1992 betreffend die Ausfuhr und Einfuhr be-stimmter gefährlicher Chemikalien, ABl. L 251 v.29.8.1992, 13-22, zuletzt geändert durch die Ver-ordnung (EG) Nr. 1147/98 der Kommission, ABl. L282 v. 20.10.98, 12-54.

7 Beschluss 2003/106/EG des Rates v. 19.12.2002über die Genehmigung – im Namen der Europäi-schen Gemeinschaft – des Rotterdamer Überein-kommens über das Verfahren der vorherigen Zu-stimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmtegefährliche Chemikalien sowie Pestizide im inter-nationalen Handel, ABl. L 63 v. 6.3.2003, 27-47.

8 Vgl. dazu ZUR 2002, 364 f.9 Mitteilung der Kommission, Bericht an den Eu-

ropäischen Rat über die angesichts der Folgen derPrestige-Katastrophe zu ergreifenden Maßnahmen,KOM (2003) 105 endg. v. 5.3.2003.

10 Ausführlich zu diesem Stand in ZUR 2003, 119-121.

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ZUR 4/2003306

Europäisches Umwelt recht

– Ende Dezember hat die Kommission in ei-nem Verordnungsentwurf die Verban-nung von Einhüllen-Öltankschiffen mitSchwerölladungen aus den Häfen, Vorhä-fen und Ankergebieten der EU unabhän-gig von ihrer Flagge und einen geändertenZeitplan zur rascheren Ausmusterung vonEinhüllen-Öltankschiffen vorgeschlagen.11

– Im Januar 2003 hat die Kommission eineRichtlinie vorgeschlagen, um ein Min-destausbildungsniveau von Seeleuten zugewährleisten.

– Im März 2003 hat die Kommission denVorschlag für eine Richtlinie über dieMeeresverschmutzung durch Schiffe unddie Einführung von Sanktionen, ein-schließlich strafrechtlicher Sanktionen,für Verschmutzungsdelikte vorgelegt.12

Sie soll auch für rechtswidrige Einleitun-gen und größere Ölverschmutzungen gel-ten und die gesamte Verantwortungskette(Reeder, Charterer, Klassifikationsgesell-schaften usw.) betreffen.

– Die Kommission hat die angrenzendenLänder, insbesondere Russland und diePartnerländer im Mittelmeerraum, imRahmen der mit ihnen getroffenen Ver-einbarungen gebeten, nach dem Beispielder EU den Transport von Schweröl zuverbieten und Einhüllen-Öltankschiffevorzeitig außer Dienst zu stellen.

– Die EU will eine Überarbeitung des UN-Seerechtsübereinkommens vorschlagen,damit sich die Küstenstaaten auch in der200 Meilen breiten ausschließlichen Wirt-

schaftszone besser gegen die Gefahrendurch vorbeifahrende Schiffe, die nichtden Sicherheitsnormen entsprechen undeine Gefahr für die Umwelt darstellen,schützen können.

– Im Rahmen der IMO soll die Entschädi-gungsobergrenze von 185 Mio. auf 1 Mrd.Euro angehoben werden. Im Falle desScheiterns soll bis Ende 2003 ein mit 1Mrd. Euro ausgestatteter europäischerFonds eingerichtet werden.

– Die Kommission drängt darauf, die inter-nationalen Entschädigungs- und Haf-tungsregeln im Rahmen der IMO zu än-dern, damit die Verantwortlichen im Falleeiner Verschmutzung finanziell zur Ver-antwortung gezogen werden können. ImFalle des Scheiterns will die Kommissioneine Entschädigungs- und Haftungsrege-lung für die EU vorschlagen.

D. Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden

Bereits im Dezember 2002 wurde eine Richt-linie über die Gesamtenergieeffizienz (GEE)von Gebäuden verabschiedet,13 die bis zumJanuar 2006 in den Mitgliedstaaten umzu-setzen ist. Sie soll die Verbesserung der GEEvon Gebäuden14 in der Gemeinschaft unterBerücksichtigung der jeweiligen äußeren kli-matischen und lokalen Bedingungen sowieder Anforderungen an das Innenraumklimaund der Kostenwirksamkeit unterstützen.Die Richtlinie enthält Anforderungen hin-

sichtlich des allgemeinen Rahmens für eineMethode zur Berechnung der integriertenGEE von Gebäuden, der Anwendung vonMindestanforderungen an die GEE neuerGebäude, der Anwendung von Mindestan-forderungen an die GEE bestehender großerGebäude, die einer größeren Renovierungunterzogen werden sollen, die Erstellungvon Energieausweisen für Gebäude und re-gelmäßige Inspektionen von Heizkesselnund Klimaanlagen in Gebäuden und einerÜberprüfung der gesamten Heizungsanlage,wenn deren Kessel älter als 15 Jahre sind. Beineuen Gebäuden mit einer Gesamtnutz-fläche von mehr als 1.000 m2 haben die Mit-gliedstaaten zu gewährleisten, dass die tech-nische, ökologische und wirtschaftlicheEinsetzbarkeit alternativer Systeme wie de-

Beschluss 2003/168/EG der Kommis-sion v. 11.3.2003 zur Errichtung des Ener-gy-Star-Büros der Europäischen Gemein-schaft, ABl. L 67 v. 12.3.2003, 22-24.

Entscheidung 2003/241/EG der Kom-mission v. 26.3.2003 zur Änderung derEntscheidung 1999/391/EG der Kom-mission vom 31. Mai 1999 über denFragebogen zur Richtlinie 96/61/EG desRates über die integrierte Vermeidungund Verminderung der Umweltver-schmutzung (IPPC), ABl. L 89 v. 5.4.2003,17-23.

Richtlinie 2003/26/EG der Kommissionv. 3.4.2003 zur Anpassung der Richtlinie2000/30/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates an den technischenFortschritt in Bezug auf Geschwindig-keitsbegrenzer und Abgasemissionen,ABl. L 90 v. 8.4.2003, 37-40.

Richtlinie 2003/27/EG der Kommissionv. 3.4.2003 zur Anpassung der Richtlinie96/96/EG des Rates an den technischenFortschritt in Bezug auf die Prüfung derAbgasemissionen von Kraftfahrzeugen,ABl. L 90 v. 8.4. 2003, 41-44.

Beschluss 2003/269/EG des Rates v.8.4.2003 über den Abschluss, im Namender Gemeinschaft, des Abkommens zwis-chen der Regierung der VereinigtenStaaten von Amerika und der Europäis-chen Gemeinschaft über die Koor-dinierung von Kennzeichnungsprogram-men für Strom sparende Bürogeräte, ABl.L 99 v. 17.4.2003, 47 f.

Entscheidung 2003/287/EG der Kom-mission v. 14.4.2003 zur Festlegung derUmweltkriterien für die Vergabe des EG-Umweltzeichens an Beherbergungsbe-triebe, ABl. L 102 v. 24.4.2003, 82-97.

Vorschlag für eine Richtlinie des Eu-

ropäischen Parlaments und des Rates überdie Meeresverschmutzung durch Schiffeund die Einführung von Sanktionen, ein-schließlich strafrechtlicher Sanktionen, fürVerschmutzungsdelikte, KOM (2003) 92endg. v. 5.3.2003.

Vorschlag für eine Verordnung des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates überHöchstwerte für Pestizidrückstände inErzeugnissen pflanzlichen und tierischenUrsprungs, KOM (2003) 117 v. 14.3.2003.

Mitteilung der Kommission an den Ratund das Europäische Parlament, Klimaän-derungen und Entwicklungszusammenar-beit, KOM (2003) 85 endg. v. 11.3.2003.

Mitteilung der Kommission an den Ratüber die Teilnahme der EuropäischenGemeinschaft an der vierten Ministerkon-ferenz zum Schutz der Wälder in Europa(Wien, 28.-30. April 2003), KOM (2003)166 endg. v. 3.4.2003.

SONSTIGE RECHTSAKTE, PROGRAMMATISCHE PAPIERE UND MITTEILUNGEN

11 Vorschlag für eine Verordnung des EuropäischenParlaments und des Rates zur Änderung der Ver-ordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigtenEinführung von Doppelhüllen oder gleichwertigenKonstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öl-tankschiffe und zur Aufhebung der Verordnung(EG) Nr. 2978/94 des Rates, KOM (2002) 780 endg.v. 20.12.2002.

12 KOM (2003) 92 endg. v. 5.3.2003.13 Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parla-

ments und des Rates v. 16.12.2002 über die Ge-samtenergieeffizienz von Gebäuden, ABl. L 1 v.4.1.2003, 65-71.

14 Das ist die Energiemenge, die tatsächlich ver-braucht oder veranschlagt wird, um den unter-schiedlichen Erfordernissen im Rahmen der Stan-dardnutzung des Gebäudes (u. a. etwa Heizung,Warmwasserbereitung, Kühlung, Lüftung und Be-leuchtung) gerecht zu werden.

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Bundesumwelt recht

zentraler Energieversorgungssysteme auf derGrundlage erneuerbarer Energieträger, Kraft-Wärme-Kopplung, Fern-/Blockheizung oderWärmepumpen vor Baubeginn berücksich-tigt wird. Bestehende Gebäude müssen andie Mindestanforderungen angepasst wer-den, sofern dies technisch, funktionell undwirtschaftlich realisierbar ist. Die Mitglied-staaten haben sicherstellen., dass dem Ei-gentümer bzw. dem potentiellen Käuferoder Mieter beim Bau, beim Verkauf oderbei der Vermietung von Gebäuden ein Aus-

weis über die GEE vorgelegt wird. Die Gül-tigkeitsdauer dieses Energieausweises darfzehn Jahre nicht überschreiten. In Gebäu-den mit einer Gesamtnutzfläche von über1.000 m2, die von Behörden und von Ein-richtungen genutzt werden, die für einegroße Anzahl von Menschen öffentlicheDienstleistungen erbringen und die deshalbvon diesen Menschen häufig aufgesuchtwerden, ist ein höchstens zehn Jahre alterAusweis über die GEE an einer für die Öf-fentlichkeit gut sichtbaren Stelle anzubrin-

gen. Zur Senkung des Energieverbrauchsund zur Begrenzung der CO

2-Emissionen

haben die Mitgliedstaaten für die regel-mäßige Inspektion von Heizkesseln und Kli-maanlagen zu sorgen.

307ZUR 4/2003

PD Dr. Josef Falke,Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum fürEuropäische Rechtspolitik an der UniversitätBremen; Anschrift: Universitätsallee, GW 1, 28359 Bremen; [email protected].

BUNDESUMWELTRECHT

Malte Kohls / Moritz Reese / Peter Schütte

Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht

Im Berichtszeitraum (2.3. bis 5.5.2003) hatsich im Bereich der Umweltbundesgesetzge-bung wenig getan. Die Bundesregierung be-reitet zur Zeit eine große Novelle des Erneu-erbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor. Auf demWeg dahin hat zwischenzeitlich das Bundes-kabinett am 9.4.2003 den Entwurf einer Ge-setzesänderung zur Einführung einer Härte-fallregelung für besonders stromintensiveUnternehmen beschlossen.1 Daneben sindRechtsverordnungen im Bereich des Immis-sionsschutzes in Vorbereitung (A.). Als einenersten Schritt zur Umsetzung der seit Februar2003 in Kraft getretenen EU-Elektroaltgeräte-Richtlinie und der Stoffverbotsrichtlinie hatdas Bundesumweltministerium ein Eck-punkte-Papier für künftige Rechtsvorschrif-ten veröffentlicht (B.).

A. Änderungen im Immissionsschutz-recht

Das Bundesumweltministerium hat am20.1.2003 den Entwurf einer »Verordnungzur Verminderung von Sommersmog,Versauerung und Nährstoffeinträgen« zurUmsetzung der sog. »Ozon-Richtlinie«2002/3/EG2 und der »NEC-Richtline«2001/81/EG3 vorgelegt, der innerhalb derBundesressorts zur Anhörung der Länderund der beteiligten Kreise vorabgestimmtwurde.4 Der Entwurf, der erstmals konkreteZielwerte und langfristige Ziele für die Sen-kung der Ozonbelastung sowie Emissions-höchstwerte für bestimmte Ozon-Vorläu-fersubstanzen vorsieht, bedarf allerdingsnoch der abschließenden Ressortabstim-

ten. Den Verpflichtungen der Elektro-schrottrichtlinie soll durch Regelungen nachdem Grundsatz der »geteilten Produktver-antwortung« mit einem »Mindestmaß anzusätzlicher Bürokratie« entsprochen wer-den: Die separate Sammlung des Elek-troschrotts aus privaten Haushalten sowiedie finanzielle Verantwortung für diesen Ent-sorgungsschritt wird den öffentlich-rechtli-

mung, weshalb über ihn im Einzelnen zueinem späteren Zeitpunkt näher berichtetwerden soll.

Dasselbe gilt für die noch im Entwurfssta-dium befindliche Novelle der 13. BImSchV(Verordnung über Großfeuerungsanlagen),5

welche vornehmlich der Umsetzung derRichtlinie 2001/80/EG vom 23. 10. 2001 zurBegrenzung von Schadstoffemissionen vonGroßfeuerungsanlagen in die Luft6, dient.

Weiter fortgeschritten ist die Novellierungder 17. BImSchV zur Umsetzung der EU-Abfallverbrennungsrichtlinie 2000/76/EG7.Aufgrund einheitlich geltender Emissions-grenzwerte sollen ungerechtfertigte Wettbe-werbsvorteile, die Mitverbrennungsanlagenbislang gegenüber Monoverbrennungsanla-gen genossen, beseitigt werden. Derzeit exi-stiert ein entsprechender Kabinettsbeschlussvom 27.9.2002.8

B. Eckpunktepapier zu Elektro- und Elek-tronik-Altgeräten

Als einen ersten Schritt zur Umsetzung derElektroschrottrichtlinie und der Stoffver-botsrichtlinie9 hat das Bundesumweltmini-sterium im April 2003 »Eckpunkte künftigerRechtsvorschriften zu Elektro- und Elektro-nik-Altgeräten in Deutschland« veröffent-licht.10 Die europäischen Vorgaben sollen ineiner »Elektro- und Elektronik-Altgeräte-Ver-ordnung (ElektroV)« umgesetzt werden. ZurImplementierung der Stoffverbotsrichtliniesoll die ElektroV ein Verkehrsverbot für be-stimmte gefährliche Stoffe mit Ausnahmenfür bestimmte Verwendungszwecke enthal-

1 Der Entwurf ist im Internet abrufbar unterhttp://www.bmu.de/download/dateien/eeg_haer-tefall.pdf.

2 Richtlinie 2002/3/EG über den Ozongehalt in derLuft (Ozon-Richtlinie) vom 12.2.2002, ABl. EG2002 L 67, S. 14.

3 Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissions-höchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe(sog. NEC-Richtlinie) vom 23.10.2001, ABl. EG2001 L 309, S. 22; vgl. hierzu Falke, ZUR 2002,100 f.

4 Art. 1 des Entwurfs einer »Verordnung zur Umset-zung EG-rechtlicher Vorschriften, zur Novellie-rung der 22. BImSchV und zur Aufhebung der23. BImSchV«, im Internet abrufbar unterhttp://www.bmu.de/download/dateien/vo.pdf.

5 Entwurf vom 5.11.2002, im Internet abrufbar un-ter http://www.bmu.de/download/dateien/ im-mission_dreizehn.pdf.

6 ABl. EG 2001 L 309, S. 1. Die Richtlinie ersetzt dieursprüngliche Großfeuerungsanlagen-Richtlinie88/609/EWG v. 24. 11. 1988, ABl. EG 1988 L 336,S. 1.

7 Richtlinie 2000/76/EG des Europ. Parlaments unddes Rates v. 4. 12. 2000 über die Verbrennung vonAbfällen, ABl. EG 2000 L 332, S. 91.

8 Im Internet abrufbar unter http://www.bmu.de/do-wnload/dateien/bimsch.pdf.

9 „WEEE-directive“: Richtlinie 2002/96/EG des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates vom27.1.2003 über Elektro- und Elktronik-Altgeräte,EG ABl. L 37/24; »RoHS-directive“: Richtlinie2002/95/EG des Euroopäsichen Parlaments unddes Rates vom 27.1.2003 zur Beschränkung derVerwendung bestimmter gefährlicher Stoffe inElektro- und Elektronikgeräten, EG Abl. L 37/19;vgl. Schütte/ Siebel-Huffmann, ZUR 2003, S. 211.

10 Im Internet abrufbar unter http://www.bmu.de –Themen A-F – Abfallwirtschaft.

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Neunte Osnabrücker Gespräche zum deutschen und europäischen Umweltrecht am27. und 28. Februar 2003Am 27. und 28. Februar 2003 fanden die von der Abteilung Um-weltrecht des Instituts für Europarecht der Universität Osnabrückveranstalteten »Neunten Osnabrücker Gespräche zum deutschenund europäischen Umweltrecht« statt. Die Tagung, die von der Deut-schen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, war dem Thema»Umgestaltung des deutschen Chemikalienrechts durch europäischeChemikalienpolitik« gewidmet. In neun Vorträgen, die von ausge-wiesenen Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft ge-halten wurden, und den anschließenden Diskussionen wurden dierechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Aspekte des von derEuropäischen Kommission zur Reform des EU-Chemikalienrechtsvorgeschlagenen Systems der Registrierung, Evaluierung und Auto-risierung von Chemikalien (REACH) beleuchtet.

In seiner Eröffnungsrede begrüßte Prof. Dr. Hans-Werner Rengeling(Direktor des Instituts für Europarecht, Abteilung Umweltrecht, Uni-versität Osnabrück) die mehr als 100 Tagungsteilnehmer aus Wis-senschaft, Verwaltung, Rechtsanwaltschaft und Industrie. Rengelingerläuterte die Kernpunkte der gemeinsamen Position von Bundesre-gierung und dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) zu demWeißbuch der EU-Kommission. In der gemeinsamen Position wür-den die politischen Ziele der vorgeschlagenen neuen europäischenStrategie grundsätzlich unterstützt, es werde aber eine bessereBerücksichtigung der bestehenden Wettbewerbsbedingungen, dieinsbesondere durch die harte Konkurrenz mit den USA gekenn-zeichnet sei, gefordert. Insgesamt werde eine Optimierung der ge-gensätzlichen Interessen verlangt. Die künftige EU-Strategie müsselaut der gemeinsamen Position einen hohen Umwelt- und Gesund-heitsschutz anstreben und gleichzeitig auf das Funktionieren desBinnenmarktes, auf WTO-Kompatibilität sowie auf Kostenoptimie-rung abstellen. Gegen die in dem Weißbuch vorgeschlagene Strate-gie werde von anderer Seite vorgebracht, dass sie die deutsche che-mische Industrie wegen ihrer guten Strukturen und ihres hohenMittelstandsanteils besonders hart treffen werde. Das Weißbuch stel-le überzogene Anforderungen. Rengeling erläuterte, dass es das Zielder Tagung sei, zu einer Konkretisierung der im Weißbuch offenge-lassenen Fragen beizutragen. Möglicherweise könne durch die Er-gebnisse der Tagung Einfluss auf den europäischen Rechtsetzungs-prozess im Chemikalienbereich genommen werden.

Der erste Vortragsblock diente der inhaltlichen Vorstellung desREACH-Konzeptes. Dr. Reinhard Schulte-Braucks (EU-Kommission,

GD-Unternehmen, Leiter der Abteilung Chemische Stoffe) stellte»Die Regelungsvorschläge der Europäischen Kommission« vor. DieNeugestaltung des gemeinschaftlichen Chemikalienrechts sei imHinblick auf das Versagen des bisherigen Chemikalienregimes erfor-derlich. Die neue Chemikalienpolitik müsse Alt- und Neustoffe ein-heitlich behandeln und den Erfordernissen der nachhaltigen Ent-wicklung entsprechen. Zu den Kernpunkten des neuen Konzeptesgehöre die Entlastung mitgliedstaatlicher Behörden durch die Über-tragung der Verantwortung für die Stoffsicherheit auf die Industrie,die unter dem künftigen System für die Durchführung von Tests undRisikobeurteilungen verantwortlich sein werde. Für besonders ge-fährliche Stoffe werde ein Zulassungsverfahren eingeführt. Die übri-gen Stoffe unterlägen einem Verfahren des beschleunigten Risi-komanagements. Zur Stimulierung der Innovation und zurAngleichung der weltweiten Wettbewerbsbedingungen sei es erfor-derlich, in Bezug auf die Erforschung und Entwicklung von StoffenErleichterungen vorzusehen. Zur Entlastung mitgliedstaatlicherBehörden und der zu gründenden Agentur sowie zur Kostenmini-mierung seien Einschränkungen der Anwendbarkeit des künftigenSystems für Polymere und Zwischenprodukte vorgesehen. Große Po-lymere seien von dem System auszunehmen, kleine Polymere seiendem Registrierungserfordernis in einem gestaffelten Zeitraum zu un-terwerfen. Um die Testkosten für Zwischenprodukte zu reduzieren,würden diese in vier Klassen unterteilt, die abhängig von ihrer Ge-fährlichkeit unterschiedlich zu behandeln seien. Das künftige Zulas-sungsverfahren müsse auf Stoffe begrenzt werden, die Anlass zugroßer Besorgnis geben. Innerhalb der Kommission sei nunmehr einKonsens erzielt worden, dem Zulassungserfordernis neben Stoffenmit CMR-Eigenschaften auch PBT- sowie vPvB-Stoffe zu unterstellen.Mangels einer sachdienlichen Definition sei die Behandlung endo-kriner Substanzen unter dem neuen System weiterhin problema-tisch. Die Kommission empfehle, für das Stellen der Zulassungsan-träge Konsortien zu bilden, außerdem seien Gruppenanträgegestattet. Wurden Zulassungsanträge gestellt, die nicht fristgerechtbeschieden wurden, ergebe sich daraus kein Verbot der betreffendenStoffe. Zu der Bedeutung der Substitutionsmöglichkeit gefährlicherStoffe im Zulassungsverfahren erläuterte Schulte-Braucks, dass dieSubstitution primär vom Markt gesteuert werden solle. Im Rahmendes Zulassungsverfahrens werde die Agentur die von dem Unter-nehmen vorgelegte Risikobewertung untersuchen und als Novumgegenüber der bestehenden Rechtslage auch die relevanten sozio-ökonomischen Aspekte berücksichtigen. Am Ende des Verfahrensspreche die Agentur eine Empfehlung aus. Die endgültige Zulassungeiner Substanz oder die Versagung der Zulassung erfolge durch eine

Tagungsber icht

chen Entsorgungsträgern auferlegt. Die Ver-antwortung der Hersteller umfasst die Abho-lung von den kommunalen Sammelstellensowie die umweltgerechte Entsorgung allerAltgeräte aus privaten Haushalten. Die Regi-strierung auf dem Markt befindlicher Elek-trogeräte sowie die Kontrolle der Rücknah-meverpflichtung soll durch eine auf derGrundlage einer neuen gesetzlichen Er-mächtigung im KrW-/AbfG beliehenen»Clearingstelle« erfolgen, die privatrechtlichorganisiert und von der Industrie zu finan-

zierenden sein wird. Eine ebenfalls von denHerstellern zu errichtende »Koordinierungs-stelle« soll als zentrale Ansprechstelle für dieKommunen Meldungen über abholbereiteBehälter von den Kommunen entgegenneh-men und Hersteller bzw. von diesen beauf-tragte Entsorgungsunternehmen zur Abho-lung auffordern. Ausgenommen von diesenRegelungen ist der gewerbliche Bereich (»Bu-siness-to-Business«), in dem Art und Ort derRücknahme sowie Kostentragungsregelun-gen frei vereinbart werden können.

Änderung der Verordnung über dieGrundsätze der guten fachlichen Praxisbeim Düngen (Düngeverordnung) vom14.2.2003, BGBl. I S. 235.

SONSTIGE RECHTSAKTE (STAND 5.5.2003)

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Kommissionsentscheidung. Im Gegensatz zu dem derzeitigen Sy-stem sehe das von der Kommission vorgesehene neue System auchdie Verantwortung nachgeschalteter Anwender vor.

Im Anschluss an diese Darstellung des aktuellen Entwicklungs-standes unternahm Dr. Gerd Romanowski (Verband der ChemischenIndustrie, VCI, Frankfurt am Main) eine »Bewertung der Vorschlägeder EU-Kommission aus Sicht der chemischen Industrie«. Einleitendstellte er fest, dass noch nie ein Thema die deutsche chemische In-dustrie in einem vergleichbaren Ausmaße beschäftigt habe, wie dieNovellierung des EU-Chemikalienregimes. Zwar teile und unterstüt-ze die deutsche chemische Industrie die in dem Weißbuch dargeleg-ten grundsätzlichen politischen Ziele. Insbesondere das Ziel derSchaffung eines einheitlichen Systems für Alt- und Neustoffe und dieStärkung der Eigenverantwortung der Industrie seien zu begrüßen.Es sei jedoch zu befürchten, dass die Kommissionsvorschläge zu ei-ner erheblichen Schwächung der deutschen Chemieindustrie, derbedeutendsten in Europa, führen werden. Die unter dem REACH-Sy-stem erforderlichen Stoffregistrierungen könnten zu Kosten in Höhevon 50.000 € bis 695.000 € pro Stoff führen. Da diese insbesonderevon kleinen und mittleren Unternehmen nicht getragen werdenkönnten, sei ein Wegfall von 20 bis 40 % der Chemikalien mit einerJahresproduktionsmenge unter 100 t zu befürchten. Dadurch werdewiederum u. a. die Innovationstätigkeit gemindert, da zahlreicheChemikalien nicht mehr verfügbar seien. Die umfangreichen Offen-legungs- und Informationspflichten ließen zudem den Verlust vongeschütztem Know-how und von Betriebs- und Geschäftsgeheim-nissen befürchten. Der VCI fordere daher eine möglichst einfache,praktikable, unbürokratische und kosteneffiziente Ausgestaltung desneuen Chemikalienkontrollsystems, die Wettbewerbsnachteile für inder EU hergestellte chemische Produkte vermeidet. Dazu sei es ins-besondere notwendig, die Erforderlichkeit von Stoffprüfungen undDatenanforderungen nicht an den Produktionsmengen auszurich-ten, sondern an den tatsächlichen Expositionen und Risiken. Da die-se in Bezug auf Zwischenprodukte und Polymere gering seien, be-grüße der VCI die in dem Vortrag von Schulte-Braucks insofernangekündigten erleichterten Kontrollerfordernisse. Es sei auf die Ge-währ eines wirksamen und durchsetzbaren Schutzes von Eigen-tumsrechten an Daten und Informationen sowie auf den Schutz vonBetriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu dringen. Der VCI forderedie Kommission auf, im Zuge des Gesetzgebungsprozesses auf eineVereinfachung und Entbürokratisierung des Verfahrens hinzuwir-ken, sowie die Einspruchsmöglichkeiten und Rechtsmittel gegenBehördenentscheidungen im REACH-System zu verbessern. Schließ-lich seien die in dem Weißbuch dargestellten Regelungen hinsicht-lich der Produktkette und der Pflichten für weiterverarbeitende Un-ternehmen zu anspruchsvoll und in Bezug auf den Informationsflussund die Verantwortungsteilung nicht praktikabel.

Prof. Dr. Wolfgang Köck (Universität Leipzig/UFZ-Umweltfor-schungszentrum Leipzig – Halle GmbH) analysierte »Das System ‚Re-gistration, Evaluation and Authorisation of Chemicals’ REACH« inrechtlicher Hinsicht. Angesichts der Defizite der derzeitigen gemein-schaftsrechtlichen Chemikalienkontrolle müsse der Gemeinschafts-gesetzgeber diese effektivieren, um den ihm obliegenden Schutz-pflichten dauerhaft entsprechen zu können. Für die rechtlicheEinordnung der in dem Weißbuch dazu in Aussicht gestellten Maß-nahmen sei maßgebend, dass sich die Chemikaliengesetzgebung ineinem Spannungsfeld zwischen den gemeinschaftlichen Schutz-pflichten für Leben, Gesundheit und Umwelt einerseits sowie denFreiheitsrechten der Marktbürger andererseits bewege. Anforderungenan das durch den Gesetzgeber einzuhaltende Schutzniveau folgtenbereits aus den Ermächtigungsgrundlagen der Art. 95 bzw. 174 EG.Zur rechtlichen Zulässigkeit der einzelnen im Weißbuch angekün-digten Maßnahmen führte Köck aus, dass die Einführung einer Stoff-anmelde-, Stoffprüfungs- und vorläufigen Risikobewertungspflicht

ein Eingriff in die Berufsfreiheit sei. Eingriffe in wesentliche Freiheits-grundrechte, die auf Gemeinschaftsebene als allgemeine Rechts-grundsätze anerkannt seien, seien gerechtfertigt, wenn sie den We-sensgehalt eines Grundrechtes nicht verletzten, ein legitimes Zielverfolgten und verhältnismäßig seien. Hier sei insbesondere eine Ver-hältnismäßigkeitsprüfung erforderlich, in die möglicherweise auchdie Produktverantwortung einzustellen sei. Die für die Auslösung derStoffprüfungs- und Risikobewertungspflicht vorgesehenen Mengen-schwellen seien im Hinblick auf die gebotene Abstufung der Prü-fungspflichten zulässig. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dassGefahren nicht allein vom toxischen Potential eines Stoffes abhän-gen, sei die Etablierung einer mengenunabhängigen Prüfpflicht in be-sonderen Verdachtsfällen, wie vom REACH-System vorgesehen, not-wendig. Das in dem Weißbuch vorgesehene präventive Verbot mitErlaubnisvorbehalt für Stoffe, die zu besonderer Besorgnis Anlass ge-ben, sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit. Dieses könne nicht für allein den Verkehr gebrachten Stoffe gelten, sondern müsse der Gefahrangepasst werden, der es begegnen solle. Es sei daher angemessen, daspräventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, wie im Weißbuch vorge-sehen, nur auf die Stoffe anzuwenden, die in besonderem Maße An-lass zur Besorgnis geben. Dabei könne sich die besondere Qualität desGefahrenverdachts bereits aus dem stoffimmanenten Gefährdungs-potential ergeben. Eine auswirkungsbezogene Risikoabschätzung seifür die Annahme eines gesteigerten Gefahrenverdachts nicht erfor-derlich. Die zur Umsetzung des REACH-Systems zu erlassendenDurchführungsgesetze müssten den Begriff »unakzeptables Risiko«definieren. Da das REACH-System keine Risikofreiheit verlange, rei-che es für den vom Antragsteller zu führenden Nachweis des Vorlie-gens eines zu vernachlässigenden Risikos aus, mit hinreichenderWahrscheinlichkeit die Unmöglichkeit des Eintrittes eines erhebli-chen Schadens darzulegen, wobei ein Restrisiko zu akzeptieren sei. Esmüsse weiter untersucht werden, ob für die Beurteilung der Vertret-barkeit ein Ermessensspielraum anzuerkennen sei. Es sei zweckmäßig,diejenigen Stoffe, die einem Zulassungsverfahren unterliegen sollen,in einer EU-Verordnung nach dem Listenprinzip zu regeln.

Der zweite Vortragsblock, der sich mit dem nationalen Anpas-sungsbedarf an die vorgesehene Neuregulierung und den unterneh-mensbezogenen Aspekten des REACH-Systems befasste, begann mitdem Vortag von Regierungsdirektor Dr. Christian Meineke (Bundes-ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn),der die »Auswirkungen der Reform auf das deutsche Chemikalien-recht« erläuterte. Eingangs stellte er dar, in welche Bereiche des der-zeitigen deutschen Chemikalienrechts, dessen Systematik durch dasZusammenspiel unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts, har-monisierter nationaler Vorschriften und eigenständigen nationalenRegelungen gekennzeichnet ist, die EU-Verordnungen zur Umset-zung des REACH-Systems eingreifen werden. Der Bestand unmittel-bar geltenden Gemeinschaftsrechts werde erheblich zunehmen. ImZuge des Erlasses der deutschen Anpassungsrechtsetzung seien dreiSchwerpunktfragen entscheidend: die Zuständigkeitsregelung zwi-schen Bund und Ländern, die Straf- und Bußgeldbewehrung und diemöglicherweise erforderliche Schaffung ergänzenden Verwaltungs-verfahrensrechts. In der deutschen Anpassungsrechtsetzung sei eineklare Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern festzuschrei-ben. Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung seien imPrinzip die Länder zuständig. Indessen werde die Stoffbewertung be-reits jetzt von Bundesoberbehörden in bundeseigener Verwaltungdurchgeführt. Auch unter dem REACH-System sollte diese Zustän-digkeit der Bundesoberbehörden gewahrt bleiben, daneben solltendie Aufgaben der Länder klar festgelegt werden. Es sei angebracht, ei-nen Katalog der im Zuständigkeitsbereich der Bundesoberbehördenliegenden Aufgaben festzuschreiben. Für den Bereich der Straf- undBußgeldbewehrung gebe es keine Gemeinschaftskompetenz. Dahermüssten sich die EU-Verordnungen zur Umsetzung des REACH-Sy-

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stems auf die Erteilung von Handlungsbefehlen an die Mitgliedstaa-ten beschränken. Insoweit hätten die Verordnungen Richtlinien-charakter. Die künftigen EU-Chemikalien-Verordnungen müsstendie Adressaten und den Inhalt der sanktionsbedürftigen Verbots-und Verpflichtungsnormen eindeutig bestimmen. Da die deutschenBehörden die unmittelbar geltenden EU-Verordnungen anzuwendenhätten, komme es zu einem Zusammenspiel zwischen Gemein-schaftsrecht und deutschem Verwaltungsverfahrensrecht. Aus derPerspektive des nationalen Gesetzgebers sei es wünschenswert, daszur effektiven Durchführung des REACH-Systems gegebenenfalls er-forderliche zusätzliche Verwaltungsverfahrensrecht in den Verord-nungen festzuschreiben, da es dann unmittelbar anwendbar sei, undes keiner ergänzenden nationalen Gesetzgebung mehr bedürfe. Ent-sprechende Regelungen in den EU-Verordnungen seien insbesonde-re im Hinblick auf die Selbstvollziehbarkeit trans- und supranatio-naler Verwaltungsakte erforderlich. Darüber hinaus erläuterteMeineke, dass die den nationalen Gesetzgebern verbleibenden Hand-lungsspielräume entscheidend durch die primärrechtliche Grundla-ge beeinflusst würden. Es sei erforderlich, den verbleibenden natio-nalen Handlungsspielraum bewußt und transparent zu bestimmen.

„Die Aufgaben der Industrie« wurden von Dr. Manfred Marsmann(Bayer AG, Leverkusen) erläutert. Die Novelle des Chemikalienregi-mes sei ein Experiment von erheblicher industriepolitischer Bedeu-tung, da es in beträchtlichem Umfang in Unternehmensabläufe ein-greife. Zu einer effektiven Ausgestaltung des Systems sei ein Dialogzwischen Recht, Politik und Wissenschaft erforderlich. Die Wirtschaftbewerte insbesondere die Einführung von Zwangsmechanismen kri-tisch. Das REACH-System sei im Kern zu begrüßen; um die unter-nehmerischen Bewegungsmöglichkeiten zu erhalten und einen Ver-lust der Stoffvielfalt zu verhindern, sei jedoch eine auf einer Analyseder prinzipiellen Auswirkungen des Systems beruhende Verschlan-kung des Systems erforderlich. Dieses Erfordernis beziehe sich insbe-sondere auf die Regelung der für die Unternehmen besonders rele-vanten Aufgaben der Forschung und Entwicklung, der Produktionund der Vermarktung von Stoffen. Marsmann kritisierte Eingriffe undReglementierungen in den Bereich der Erforschung und Entwicklungvon Stoffen als kontraproduktiv. Als Konsequenz entsprechenderMaßnahmen sei eine in vielen Fällen irreversible Verlagerung vonForschung und Entwicklung in das Ausland zu erwarten. Die Kom-mission schlage vor, die Menge der für die wissenschaftliche Erfor-schung und Entwicklung von der Regulierung freigestellten Stoffevon derzeit 100 t auf 1.000 t zu erhöhen und die zeitlichen Begren-zungen zu verlängern. An diesen Vorschlägen sei zu kritisieren, dassdie unternehmensinterne Forschung grundsätzlich vom REACH-Sy-stem erfasst sei. Dadurch werde die Flexibilität eingeschränkt und dieInnovation behindert. Die unter dem REACH-System vorgeseheneRegistrierpflicht sei ein neues Instrument, das nicht mit den beste-henden Arbeitsplatz- und Umweltschutzregeln harmonisiert sei.Durch die Einbeziehung von Zwischenprodukten in das neue Systemwerde die Schlagkraft der chemischen Industrie deutlich geschwächt.Es sei dringend erforderlich, die bisherigen Ergebnisse der Altstoff-programme in das neue System einfließen zu lassen.

Rechtsanwalt Dr. Jürgen Fluck (BASF, Ludwigshafen) referierte zumThema »Transparenz, Schutz von Unternehmensdaten und Zwangs-konsortien im geplanten REACH-System«. Das europäische Stoffrechtgewährleiste insbesondere durch die in Art. 9 der RL 67/548/EWGniedergelegte 10-Jahres-Regel und die in Art. 15 statuierten Ver-fahrensregeln einen bewährten und weitgehend einheitlichen Erst-anmelderschutz. In Bezug auf die Parallelanmeldung mehrerer Ver-pflichteter sei das gemeinschaftliche System indessen nicht ganzeinheitlich. Das Gemeinschaftsrecht verbiete eine Kooperation meh-rerer Hersteller zwar nicht, insbesondere lasse Art. 12 Abs. 3 derAltstoffVO offen, ob die Beteiligten untereinander zivilrechtliche Aus-gleichsansprüche geltend machen können, wenn Prüfungsunterla-

gen gemeinsam genutzt werden. Fluck erläuterte, dass das deutscheRecht, insbesondere § 20 a ChemG, unter gewissen Modifikationenals Vorbild für eine europarechtliche Neuregelung der Nutzung Prüf-daten Dritter im Rahmen des REACH-Systems sein könne. Die unter-schiedliche Behandlung von Erst- und Zweitanmeldungen sei sach-gerecht und sollte auch bei der Europäischen Neuregelung beachtetwerden. Indessen sei die in § 20 a ChemG vorgesehene 50 %-igeKostenteilung nicht sachgerecht, es müsse ein Ausgleichsanspruchzwischen allen Beteiligten statuiert werden. In einer Regelung ent-sprechend § 20 a Abs. 5 ChemG sei klarzustellen, dass die Behörde beiParallelanmeldungen im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nichtnur einen Unternehmer mit der Vorlage von Prüfnachweisen beauf-tragen kann, sondern die bereits bei verschiedenen Beteiligten vor-handenen Unterlagen berücksichtigen muss. Sollten im gemein-schaftlichen Chemikalienrecht Regelungen zum Erstanmelderschutzund zur Parallelanmeldung festgeschrieben werden, müssten diesedie verfassungsrechtlichen Grundlagen berücksichtigen. Schutzmaß-stäbe ergäben sich insbesondere aus den auch gemeinschaftsrechtlichgewährleisteten Grundrechten auf Eigentums- und Berufsfreiheit so-wie dem Gleichheitsschutz. In eigentumsrechtlicher Hinsicht sei ins-besondere der Schutz geistigen Eigentums an den Prüfdaten relevant.Dieser folge auch aus einer Übertragung der Grundsätze des nationa-len Verfassungsrechts auf die europäische Ebene. Art. 17 Abs. 2 der EUGrundrechtscharta sowie Art. 39 Abs. 3 Satz 1 des TRIPS-Überein-kommens bestätigten dieses Argument. Danach sei die Rechtmäßig-keit einer gemeinschaftlichen Regelung, die die zwangsweise Ver-wertung von Erstanmelderunterlagen vorsieht, zu bezweifeln. Es seidaher eine Regelung zu fordern, die auf Freiwilligkeit und Koopera-tion beruht.

Die Vorträge des zweiten Tages begannen mit der Darstellung des»Chemikalienrechts in den USA« durch Dr. Indra Spiecker genanntDöhmann, LL.M. (Max-Planck Projektgruppe der Gemeinschaftsgüter,Bonn). Grundlegend sei der Toxic Substances Control Act (TSCA) von1976. Die Kompetenz zur Durchführung des TSCA sowie der übrigenfür die Chemikalienregulierung einschlägigen Bestimmung liege beider Environmental Protection Agency (EPA). Hauptziel des TSCA seies, übermäßige Gesundheits- und Umweltrisiken zu verhindern, diedurch die Herstellung, Verarbeitung, Verbreitung oder Verwendungvon chemischen Stoffen verursacht werden. Die Verhinderung einesunmäßigen Risikos sei auch der Maßstab behördlichen Handelns. Da-durch entspreche der TSCA indessen nur scheinbar dem Vorsorge-prinzip. Tatsächlich basiere das Chemikalienregime – im Gegensatzzum US-amerikanischen Pestizidregime – auf der Vermutung der Un-gefährlichkeit chemischer Stoffe, die Beweislast für die Gefährlichkeittrage die EPA. Das US-amerikanische Chemikalienregime unterschei-de zwischen Alt- und Neustoffen. Vor der Produktion von Neustoffensei der Hersteller grundsätzlich verpflichtet, Informationen über denStoff in einer »Pre-Manufacture Notice« zu erteilen. Obwohl der EPAEingriffsmöglichkeiten eingeräumt seien, die bis zur Erteilung einesStoffverbotes reichten, habe die Rechtsprechung die Rechte der Her-steller in einer Weise gestärkt, die die Erteilung von Totalverboten so-wie weitreichende Restriktionen so gut wie unmöglich gemacht habe.Das Potential der formellen Eingriffsmöglichkeiten werde jedoch vonder EPA genutzt, um informelle Abkommen und Selbstregulierungs-Vereinbarungen mit den Herstellern zu treffen. Reagiere die EPA nichtauf die in einer PMN mitgeteilten Informationen, reiche dieseUntätigkeit für die Zulässigkeit der Vermarktung aus. Im Bereich derAltstoffe sei eine Beschränkung der Hersteller durch die EPA kaummöglich, da die für mögliche Beschränkungen erforderlichen Infor-mationen nicht vorhanden seien. Die Hersteller seien die Herrscherüber das Regulierungsverfahren, da sie der EPA die für eventuelleStoffverbote erforderlichen Informationen selbst zu liefern hätten.Insgesamt werde das Ziel des TSCA, das staatliche Informationsdefizitin Bezug auf chemische Stoffe durch die Auferlegung von Testpflich-

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ten innerhalb der Unternehmen zu beheben, verfehlt. Dies habe sei-ne Ursache u. a. in der Behandlung von Informationen als Gemein-schaftsgüter, da dadurch den Herstellern keine Anreize zur Informa-tionserteilung gegeben würden. Es gebe keine Anreize zur Produktionneuer und alternativer Stoffe. Es fehle auch eine einheitliche Kenn-zeichnung für Stoffe, daher sei die Identifizierung problematisch. EineKorrektur der Defizite durch schlagkräftige Haftungsregeln erfolgenicht. Zudem sei der zur Erteilung von Informationen verpflichteteKreis zu eng gefasst, da er nur Hersteller, Verarbeiter und Importeure,nicht aber Anwender und Verkäufer umfasse. Das seit 1976 existie-rende Chemical Registry System sei nicht jedermann und nicht um-fassend zugänglich.

Die »Auswirkungen der EU-Stoffpolitik auf die deutsche Wirt-schaft« wurden von Dr. Klaus Mittelbach (Bundesverband der Deut-schen Industrie e.V., BDI, Berlin) erläutert. Die Darstellung stütztesich auf die Ergebnisse eines vom BDI in Auftrag gegebenen Gut-achtens, dessen Ziel es war, die Folgen der EU-Stoffpolitik für dieWirtschaft zu quantifizieren, sowie die industriepolitische Dimen-sion der Stoffpolitik aufzuzeigen und damit auch einen Beitrag zurGesetzesfolgenabschätzung zu leisten. Die sozialen und die ökologi-schen Folgen der EU-Stoffpolitik wurden in der Studie nicht analy-siert, da diese schwerer abzuschätzen seien als die wirtschaftlichen.Mittelbach erläuterte, dass die Studie auf einem empirischen Ansatzberuhe, in dem zunächst die Schlüsselerfolgsfaktoren für drei Indus-triebranchen (Automobil-, Elektronik- und Textilindustrie) ermitteltwurden und analysiert wurde, welche Bedeutung Stoffe für dieseSchlüsselerfolgsfaktoren haben. Es habe sich ergeben, dass die Para-meter Kosten, Zeit, hochkritische Stoffe und Transparenz die größtenEffekte auf die Schlüsselerfolgsfaktoren der einzelnen Branchen hät-ten. In drei unterschiedlichen Szenarien sei sodann ermittelt wor-den, bei welcher Ausprägung der Parameter welche wirtschaftlichenFolgen eintreten. Diese Ergebnisse seien anhand von Analogie- undRelevanzschlüssen auf das verarbeitende Gewerbe und anhand dermonetären input-output-Tabelle des Statistischen Bundesamtes 1995auf die gesamte Wirtschaft hochgerechnet worden. Sodann sei mit-tels linearer Extrapolation vom Bruttowertschöpfungsverlust auf denArbeitsplatzverlust geschlossen worden. Bei Zugrundelegung desSzenarios »clouds«, das von einer aus Sicht der chemischen Industrieoptimalen Ausgestaltung der künftigen Chemikalienpolitik ausgeht,ergebe sich danach ein voraussichtlicher Verlust von 150.000 Ar-beitsplätzen. Das Szenario »storm«, bei dem eine an den Darstellun-gen des Weißbuches orientierte Ausgestaltung der Parameter ange-nommen wurde, lasse den Verlust von 900.000 Arbeitsplätzenbefürchten. Das erfahrungsorientierte Szenario »hurricane« führezum Verlust von 2.350.000 Arbeitsplätzen. Um die negativen wirt-schaftlichen Auswirkungen der EU-Stoffpolitik bei gleichzeitiger Ver-wirklichung des angestrebten Zieles eines hohen Schutzes von Um-welt und Gesundheit gering zu halten, empfehle der BDI einemöglichst wettbewerbs- und innovationsfreundliche Ausgestaltungder künftigen EU-Stoffpolitik. Dazu müsse im Rahmen der weiterenAusgestaltung der Chemikalienpolitik insbesondere auf die Mini-mierung der Registrierungskosten durch Festlegung risikobezogenerTestanforderungen, die Vermeidung von Zeitverzögerungen durchdie Schaffung schlanker Verfahren, die Vereinfachung der Kommu-nikation innerhalb der Lieferkette, den optimalen Schutz von Pro-zess- und Produktwissen der Unternehmen und die Erteilung ab-strakt-genereller Stoffzulassungen hingewirkt werden.

Abschließend erläuterte Prof. Dr. Gerd Winter (Forschungsstelle fürEuropäisches Umweltrecht, Universität Bremen) die »Ansätze globa-ler Chemikalienregelung«. Umweltprobleme dürften nicht mehr aufder Grundlage des traditionellen Ansatzes betrachtet werden, viel-mehr sei ein nach ganzheitlichen Lösungen auf allen Ebenen stre-bender Erdsystemansatz zu fordern. Zu den Erdsystemproblemenzählten auch Chemikalien, für die zunehmend eine Globalität der

Regulierungsanreize entstehe; dies sei insbesondere in Kapitel 19 derAgenda 21 manifestiert. Die globale Steuerung der Chemikalienpro-blematik erfolge durch völkerrechtliche Verträge, internationale Or-ganisationen, informelle Normen, Netzwerke der Fachbürokratienund durch multinationale Konzerne. Zu den Hauptakteuren zählten,neben anderen, die ILO (Arbeitsschutz), die WHO (Lebensmittelsi-cherheit, insbes. Trinkwasserqualität), die FAO (Pflanzenschutzmit-tel; PIC-Prinzip), UNEP (Umweltchemikalien; »International Registerof Potentially Toxic Chemicals«) sowie die OECD (Normierung vonTestverfahren). Übergreifende Gremien seien das »International Fo-rum on Chemical Safety« (Grundsatzebene) und das »Inter-Organi-sation Program for the Sound Management of Chemicals« (IOMC,Arbeitsebene). Derzeit gebe es drei transnationale Handlungssystemezur Datenbeschaffung und Risikoabschätzung: das »InternationalProgram on Chemical Safety« (IPCS) – ein Kooperationsprogrammvon WHO, ILO und UNEP -, einschlägige OECD-Maßnahmen sowieMaßnahmen des internationalen Verbandes der nationalen Che-mieverbände. Zur Vermeidung von Doppelarbeit erfolge eine gewis-se Koordinierung der Initiativen durch das IOMC. Internationale Ak-tivitäten zur globalen Risikoevaluierung durch Normierung derGefahrenklassen und Kennzeichnung erfolgten durch die Erarbei-tung des »Global Harmonised System for the Classification and La-belling of Chemicals« (GHS) durch die OECD und die ILO. Das GHSenthalte durch die Definition von Gefahrenklassen implizite politi-sche Entscheidungen. Neue Gefahrendimensionen würden indessennur unzureichend berücksichtigt. Die globale Riskoregulierung er-folge auf drei Ebenen. Auf formeller Ebene gebe es bisher nur parti-elle Ansätze in Bezug auf Arbeitsschutz, Transportsicherheit und In-formation beim internationalen Handel mit gefährlichen Stoffen.Eine »Positivintegration« bezüglich der Herstellung und Vermark-tung gebe es bisher nur im Montreal- und im Kyoto-Protokoll sowieim POP-Übereinkommen. Bestimmte Konventionen, insbesondereILO-Konventionen und das PIC-Abkommen, seien auf informellerEbene durch transnationale governance-Strukturen vorbereitet wor-den. Auf staatlicher und regionaler Ebene resultierten Initiativennicht aus transnationalen Netzwerken, sondern aus den jeweiligenStaaten. Insgesamt beurteilte Winter die globale Risikobewertung alszerklüftet, repetitiv und langsam. Es sei jedoch eine Tendenz in Rich-tung Harmonisierung, Arbeitsteilung und Beschleunigung zu beob-achten. Die internationale Risikoregulierung sei unterentwickelt undkonzentriere sich auf Beobachtung und Bewertung. Ein Übergangzum Handeln erfolge nur selten und in Bezug auf Randfragen. Esgebe kaum verbindliches internationales Chemikalienrecht. Vor-handene internationale Lösungsansätze seien auf die informellenStrukturen der transnationalen öffentlichen und privaten Steuerungzurückzuführen. Es sei über eine grundsätzliche, bereits an die stoff-immanenten Eigenschaften anknüpfende, Alternative zu dem vor-handenen System nachzudenken.

Die einzelnen Vorträge sowie Zusammenfassungen der im An-schluss an die Vorträge geführten Diskussionen werden als Tagungs-band in der »Schriftenreihe zum deutschen und europäischen Um-weltrecht« veröffentlicht.

Friederike Mechel

Tagungsber icht

Friederike Mechel, LL.M.Wissenschaftliche Referentin an der Forschungsstelle Umweltrecht der UniversitätHamburg, Anschrift: Universität Hamburg, Forschungsstelle Umweltrecht, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West, 20146 Hamburg,[email protected]ätigkeitsschwerpunkte: EU und nationales Umweltrecht, Wirtschaftsrechtund Umweltschutz, Meeresumweltschutz

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ZUR 4/2003312

»Neue Entwicklungen im Umwelt- und Ver-braucherrecht – Information, Beteiligung,Rechtsschutz« Tagungsbericht

Am 27. und 28. März 2003 fanden sich in Bremen zu der vom Zentrumfür Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen (ZERP) unddem Verein für Umweltrecht, e.V. (VUR) ausgerichteten Tagung »NeueEntwicklungen im Umwelt- und Verbraucherrecht« rund 85 Teilneh-mer aus Wissenschaft, Verwaltung, Verbänden und Anwaltschaft ein.Die Veranstaltung wurde finanziell von der Freien Hansestadt Bremenunterstützt.

Grußworte und eine Vorstellung der Veranstalter durch Prof. Dr.Gert Brüggemeier, Geschäftsführender Direktor des ZERP, Rechtsan-walt Joachim Garbe, Vorstandssprecher des VUR und Senatsrat Ge-org Musiol, Senator für Bau und Umwelt der Freien HansestadtBremen, leiteten den ersten Tag ein.

Prof. Dr. Astrid Epiney, Universität Fribourg i.Ü., führte miteinem Grundsatzreferat zur »Aarhus-Konvention und ihre Konse-quenzen für das Gemeinschaftsrecht« in die Thematik ein. ImMittelpunkt ihres Vortrags stand das »Übereinkommen über denZugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Ent-scheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltan-gelegenheiten« vom 25.6.19981. Die sog. »Aarhus-Konvention«setze eine neue Etappe in der Entwicklung des Umweltvölker-rechts in Gang. Sie entfalte eine direkte innerstaatliche Wirkung,indem sie Einzelnen bestimmte Rechte gewährleiste. Das sei in-sofern eine Neuerung, als Umweltvölkerrecht konventionell anVölkerrechtssubjekte adressiert sei, zu denen Individuen nichtgehören.

Epiney stellte die drei Bereiche »Zugang zu Umweltinformatio-nen« (zentrale Norm: Art. 4), »Beteiligung der Öffentlichkeit anverschiedenen Entscheidungsverfahren« (zentral: Art. 6-8) und»Zugang zu Überprüfungsverfahren (Art. 9), auch drei »Pfeiler« desÜbereinkommens von Aarhus genannt, vor. Im Hinblick auf dieUmsetzung dieser Vorgaben auf europarechtlicher Ebene sei dieEU im Bereich des Zugangs der Öffentlichkeit zu Umweltinforma-tionen (“Erster Pfeiler« der Aarhus-Konvention) durch die Ände-rung der Richtlinie 90/313/EWG2 in der konsolidierten Fassungder Richtlinie 2003/4/EG3 bereits tätig geworden. Als wesentlicheNeuerungen könne eine Definition der Umweltinformationen, dieAusweitung des Kreises der Verpflichteten und die Konkretisierungder Möglichkeiten für den Informationssuchenden angesehenwerden.

Zur Durchführung des »zweiten Pfeilers« des Übereinkommensauf europäischer Ebene sei im Vorschlag einer »Richtlinie des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Öf-fentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogenerPläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien85/377/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlich-keitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten«4 vor allen Dingendarauf abgestellt worden, verschiedene Richtlinien neu zu fassenund den Öffentlichkeitsbegriff des Übereinkommens dort zu ver-ankern.

Der Zugang zu Überprüfungsverfahren (»3. Säule«) solle ver-wirklicht werden, indem ausdrückliche Anforderungen an denRechtsschutz in den Mitgliedstaaten gestellt werden, die »norma-tive Interessentenklage« gem. Art. 2 Nr. 5 und Art. 3 Nr. 4 Aarhus-Konvention im Ansatz verankert werde und somit auch eine um-weltrechtliche Verbandsklage ermöglicht werden müsse.

Dr. Fritz Kroiss, Ökobüro – Koordinationsstelle österreichischerUmweltagenturen, Wien, nahm aus Sicht der Umweltverbändezur Umsetzung der Aarhus-Konvention Stellung. Seiner Beobach-tung nach leite die Aarhus-Konvention einen Paradigmenwechsel

für die Rolle der Umweltorganisationen ein, indem sie deren Ein-flussmöglichkeiten vehement stärke. Allerdings müssten sie ange-sichts knapper Mittel auch darauf achten, dass sie nicht in die vielbeschworene »Partizipationsfalle« gerieten. Letztendlich würdendie Erfolgschancen darüber entscheiden, ob Umweltverbände dieInstrumente der Aarhus-Konvention nutzen werden. Einen mög-lichen Konflikt bei der Umsetzung sah er aufgrund der Ausgestal-tung des österreichischen UVPG5. Das Verfahren der Umweltver-träglichkeitsprüfung ist dort als Konzentrationspunkt für alleVerfahren ausgestaltet. Besonders lokale Bürgerinitiativen würdenin dieses Verfahren nach UVPG einbezogen. Es müsse darauf ge-achtet werden, dass sich diese lokalen Bürgerinitiativen auch nochnach Umsetzung der Aarhus-Konvention einbringen können.Kroiss plädierte für die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierungder Umsetzung der Aarhus-Konvention, der angesichts der knappenMittel der Umweltorganisationen und zur Wahrung der Rechtealler Beteiligten dringend notwendig sei.

Haitze Siemers, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher-schutz der Europäischen Kommission, Brüssel, stellte zur Über-leitung auf die verbraucherrechtliche Perspektive die verbraucher-politische Strategie der Kommission vor. Der Ansatz derKommission ziele auf die (Wieder-)Herstellung eines grenzüber-schreitenden und durchgreifenden Verbrauchervertrauens. DieStrategie der Kommission verfolge drei Ziele: ein gleichmäßighohes Verbraucherschutzniveau in der gesamten EU, eine wirk-same Durchsetzung der Rechtsvorschriften zum Schutz der Ver-braucher und eine angemessene Beteiligung der Verbraucherorga-nisationen an der Gestaltung der EU-Politik. Die Verwirklichungdes ersten Ziels sieht Siemers durch eine Rahmenrichtlinie zu lau-teren/unlauteren Geschäftspraktiken6 gewährleistet. Eine Richtli-nie für Verhaltenskodizes der Unternehmen würde bereits vonden Verbraucherschutzinitiativen entwickelt und werde dem-nächst von der Kommission als Empfehlung vorgelegt. Für diewirksame Durchsetzung von Verbraucherschutz haben sich auf in-formeller Ebene Netzwerke der europäischen Verbraucherzentrenund der Beratungsstellen zur alternativen Streitbeilegung gebildet.Des weiteren solle ein Vorschlag der Kommission zur Zusammen-arbeit bei der Rechtsdurchsetzung erarbeitet werden. Das dritteZiel der angemessenen Beteiligung von Verbraucherorganisatio-nen erfordere eine Verbrauchervertretung auf EU-Ebene, Kapa-zitätenbildung der Verbraucherschutzorganisationen zur Informa-tion und Weiterbildung der Verbraucher sowie die Erarbeitungeiner Richtlinie zur Konsultation der Öffentlichkeit.

Im Anschluss nahm Prof. Dr. Edda Müller, Bundesverband Ver-braucherzentrale, Berlin, zu »Information, Beteiligung und Rechts-schutz im Verbraucherrecht aus der Sicht von Verbraucherverbän-den« Stellung. Sie verdeutlichte, dass aus den ElementenInformation, Beteiligung und Rechtsschutz die »Grundrechte derVerbraucher« bestünden, wobei gerade der Rechtsschutz mit demVorhandensein von Klagerechten gleichgesetzt werden könne. ImHintergrund des ganzen Prozesses stehe allerdings ein Machtun-gleichgewicht zwischen Verbraucher und Unternehmer im politi-schen Prozess und im Marktgeschehen, das aus der unzureichen-den Organisationsfähigkeit von Allgemeininteressen resultiere.Die Verbandsklage erhöhe in diesem Zusammenhang den Einflussder Verbraucher auf das Marktgeschehen ebenso wie Informati-onsrechte ihre Konfliktfähigkeit verbesserten. In einer Verhand-

Tagungsber icht

1 www. unece.org/eur/pp/documents/cep43g.pdf.2 ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 56.3 ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26.4 Öffentliches Register der Ratsdokumente, Dokument Nr. 3676/02,

2000/0331(COD).5 Siehe: http://bgbl.wzo.at/pdf/2000a089.pdf6 Vgl. auch: Folgemaßnahmen zum Grünbuch über Verbraucherschutz in der

EU, KOM (2002), 289 endg., S. 5.

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313ZUR 4/2003

lungsdemokratie müsse die Politik die Verbraucherverbände mit»künstlicher Macht« ausstatten. Müller forderte ein Informations-freiheitsgesetz, einen Abbau von Vollzugsdefiziten, Auskunfts-rechte gegenüber Unternehmen, eine Reform der Kennzeichnungs-regelungen, konsequente Umsetzung europäischer Vorgaben, eineumfassende Neufassung des Gesetzes über den unlauteren Wett-bewerb (UWG)7, eine Stärkung der Rechte der Verbraucherver-bände sowie ein neues Konzept für Klagerechte, eventuell erwei-tert durch die Möglichkeit, Klagerechte abzutreten.

Einen weiteren Aspekt beleuchtete der Vortrag von Prof. Dr.Michael Kloepfer, Humboldt-Universität zu Berlin, zu »Perspektiveneines Informationsfreiheitsgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-land«. Er stellte die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes undeinen ersten Entwurf vor8. Einführend erwähnte er die Tatsache,dass Deutschland eines der wenigen Länder sei, das kein Informa-tionsfreiheitsgesetz auf Bundesebene besitze. Eine informierte Ge-sellschaft sei jedoch die Voraussetzung für Demokratie und das In-formationsfreiheitsgesetz ein Mittel zu ihrer Stärkung. Kloepferhob hervor, dass der Informationszugang auch kommerziellen In-teressen dienen könne und staatliche Informationen als Güter mithohem wirtschaftlichen Wert angesehen werden sollten, wobeieine Partizipation des Staates an diesem Gut durch Gebührenstattfinden könne. Die Informationsgerechtigkeit stelle sich auchals Verteilungsgerechtigkeit dar. Im Folgenden beschrieb Kloepferden Stand der Dinge nach geltendem Recht in Sachen Informati-onsfreiheit. Nach seiner Auffassung bestehe ein Bedarf für ein In-formationsfreiheitsgesetz. Ein von ihm zusammen mit Schoch er-arbeiteter Professorenentwurf sehe einen Zugang für jedermannzu Informationen jeglicher Beschaffenheit, soweit sie amtlichenZwecken dienten, vor. Der Anspruch solle gegenüber öffentlichenStellen des Bundes und der Länder, es sei denn, diese verfügtenüber ein entsprechendes Landesgesetz, geltend gemacht werdenkönnen. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, dieunter Aufsicht des Bundes bzw. der Länder stehen, sowie Private,derer sich die Behörden zur Wahrnehmung ihrer Pflichten be-dienten, sollen diesen Anspruch erfüllen müssen. An eine Infor-mationsgewinnungspflicht der Behörden sei allerdings nicht zudenken. Einschränkungen des Informationszuganges solle es le-diglich zum Schutz öffentlicher Interessen und der Rechtsdurch-setzung, der behördlichen Entscheidungsprozesse, personenbezo-gener Daten, von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowieUrheberrecht geben. Informationsverzeichnisse müssten zur bes-seren Dokumentation des Vorhandenen angelegt werden. Ebensosolle zur Wahrung der Informationszugangsfreiheit ein Beauftrag-ter bestellt werden.

Peter Knitsch, Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Land-wirtschaft des Landes Schleswig-Holstein, brachte mit seinem Re-ferat über »Information und Beteiligung von Bürgern und Verbän-den in Verbraucher- und Umweltangelegenheiten durchBehörden« die Sichtweise der behördlichen Praxis ein. Obwohl imUmwelt- und Verbraucherrecht vielfach Parallelen auszumachenseien, brauche im verbraucherrechtlichen Bereich eine Entwick-lung hin zu Transparenz der Verwaltungstätigkeit und Partizipati-on in Verfahren wesentlich länger als im Umweltrecht. Dies seinicht nur auf behördliche Praxis sondern auch auf die aktuell un-sichere Rechtslage zurückzuführen. So ließe sich immer noch kei-ne klare Grenze ziehen, anhand derer man festlegen könne, wanndie Behörde rechtmäßig informieren darf und wann Unternehmeneventuell Haftungsansprüche wegen Verletzung ihrer Rechte gel-tend machen können. Das Haftungsrisiko stelle ein erheblichesProblem dar und könne Vollzugsdefizite, z.B. bezüglich des Um-weltinformationsgesetzes, erklären. Knitsch sah die Lösung im Er-lass eines Verbraucherinformationsgesetzes, in dem ein Informati-onsanspruch einzelner Verbraucher gegenüber der Behörde, ebenso

ein Anspruch auf verbraucherrelevante Informationen gegenüberden Unternehmen sowie eine Berichtspflicht öffentlicher Stellenüber ihre Arbeit und über den Zustand, die Sicherheit und Qualitätvon Produkten und Dienstleistungen festgelegt sein müsse.

Der zweite Tag, moderiert von Prof. Dr. Tobias Brönneke, Fach-hochschule Pforzheim, vertiefte in zwei Referaten das Thema desZugangs zu den Gerichten in Umwelt- und Verbraucherangele-genheiten. Außerdem wurden drei Arbeitskreise zu Information,Beteiligung und Rechtsschutz durchgeführt.

Den einleitenden Vortrag hielt Privatdozent Dr. Josef Falke, Uni-versität Bremen, über die »Aarhus-Konvention und den Zugang zuGerichten in Umweltangelegenheiten«. Nach einer Darstellungder historischen Entwicklung der Aarhus-Konvention ging Falkeauf den Zugang zu Gerichten gem. Art. 9 und auf weitere Rechts-mittel gegen administrative Maßnahmen in den einzelnen Mit-gliedstaaten ein. Er wies darauf hin, dass auf europäischer Ebenebereits verschiedene Richtlinien9 der Aarhus-Konvention bezüg-lich des Zugangs zu Gerichten angepasst worden seien, in anderenBereichen sei dies allerdings noch nicht der Fall9. Wolle die EU dieAarhus-Konvention in allen ihren Anforderungen berücksichtigenund nicht durch vielfache Einzelvorschriften umsetzen, solle siebestimmte Horizontalaspekte in einem allgemeinen Teil eines All-gemeinen Europäischen Umweltgesetzbuches regeln.

Die Kommission sei zur Zeit mit der Ausarbeitung einer Richtli-nie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten be-schäftigt, um das Übereinkommen europarechtlich zu implemen-tieren.

In diesem Zusammenhang stellte Falke einen Entwurf für dieRegelung der Klageberechtigung, eine Voraussetzung, die in deneinzelnen Mitgliedstaaten äußerst unterschiedlich geregelt sei, inseinen Tatbestandsmerkmalen »betroffene Öffentlichkeit«, »quali-fizierte Stelle« und »in Sachen Umweltvorschriften« vor. DieserEntwurf geht auf eine Arbeitsunterlage des Referates A. 3 der Ge-neraldirektion Umwelt der Europäischen Kommission zur Ent-wicklung einer Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Um-weltangelegenheiten zurück10. Er stellte fest, dass die vorgeseheneAusnahmeregelung für das Merkmal »Umweltvorschriften« zuKompetenzproblemen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaatenführen werde, wenn die Mitgliedstaaten solche Vorschriften vomAnwendungsbereich ausschließen können, die rein innerstaatli-chen Ursprung haben. Als Fazit schloss Falke, dass die Zukunft zei-gen werde, ob die Aarhus-Konvention dieselbe Bedeutung für dieWeiterentwicklung des Umweltrechts übernehmen könne, wie siedie Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH bisher inne ge-habt haben.

Dr. Sabine Schlacke, Universität Rostock, behandelte im An-schluss »Die Verbandsklagerechte in Umwelt- und Verbrau-cherangelegenheiten in Deutschland«. Nach einer einführendenDarstellung der Typologie verwaltungsprozessualer Verbandskla-gen ging sie näher auf § 61 BNatSchG n.F.11, der die Vereinsklage

Tagungsber icht

7 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl. Teil I/2000, S. 13748 Vgl. auch: Kloepfer/Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (IFG-ProfE): Entwurf

eines Informationsfreiheitsgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Ber-lin 2002.

8 Vgl. Fn. 4. Hier sei besonders auf Art. 10a der UVP-RL 85/337/EWG, geän-dert durch RL 97/11/EG (ABl. L 73, S. 5 aus 1997) und auf Art. 15a der IVU-RL 96/61/EWG (ABl. L 257, S. 26 aus 1996) hingewiesen.

9 Die Umsetzung der Aarhus-Konvention mit Hilfe der RL 2001/42/EG überdie Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme,ABl. L 197, S. 30, 2001 wurde versäumt. Ebenso die Umsetzung in der Was-serrahmenRL 2000/60/EG, ABl. L 327, S. 1, 2000 und der RL zur Reinhaltungder Luft, RL 2001/27/EG, ABl. L 107, S. 10, 2001.

10 Vgl. Zweite Arbeitsunterlage über den Zugang zu Gerichten in Umweltan-gelegenheiten vom 22.7.2002, http://www.europa.eu.int/comm/environ-ment/aarhus/020722consultation_de.pdf, S. 4.

11 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege vom 25.2.2002, BGBl. I S. 1193.

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auf Bundesebene regelt, ein, indem sie Voraussetzungen und Kon-sequenzen für den gerichtlichen Kontrollumfang vorstellte.Schlacke bedauerte, dass erste Umsetzungen in Landesrecht sichdem bundesrechtlichen Mindeststandard selbst dann anpassten,wenn die landesrechtliche Verbandsklageregelung über den Kata-log der Kontrollgegenstände hinaus gegangen sei. Eine Beschrän-kung des Anwendungsbereichs auf Großprojekte könne sich inder Praxis außerdem negativ auf die sich zwischen Verwaltungund Verbänden entwickelten Kooperationsstrukturen auswirken.

Als verbandsspezifische Rechtsbehelfe im Verbraucherrechterörterte Schlacke – wiederum nach einer Typisierung der einzel-nen Verbandsklagearten – die Voraussetzungen der Klagemöglich-keiten gem. § 13 UWG, § 1 UKlaG12 und § 2 Abs. 1 und 2 UKlaG.Als Zweck der Verbraucherverbandsklagen könne der Institutio-nenschutz, präventiver Verbraucherschutz und präventive Markt-kontrolle genannt werden.

Ein Vergleich der Verbandsklagerechte beider Bereiche kommezu dem Ergebnis, dass sich Parallelen bezüglich ihrer altruistisch-überindividuellen Natur, ihres Klageziels (Aufhebungs- und Un-terlassungsklagen), ihres Kontrollmaßstabes und -umfanges undder Frage nach der Klageberechtigung ergäben. Unterschiede be-stünden allerdings in der prozessualen Stellung der Verbände, wassich auf die unterschiedlichen Prozessrechtsordnungen für Um-welt- und Verbraucherschutzangelegenheiten zurückführen liesse.

Die europäische Rechtsentwicklung tendiere dazu, sekundär-rechtliche Verbandsklagebefugnisse zu erweitern. Der EuGH hin-gegen weigere sich bislang, einen direkten Zugang der Verbändezur Durchsetzung öffentlicher Interessen zu eröffnen.

Im Fazit machte Schlacke einen Paradigmenwechsel aus: Öffent-liche Güter, gemeinhin von der damit beauftragten Exekutive ge-schützt, bekämen durch die Verbandsklagerechte nunmehr weite-re Hüter aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich zur Seite gestellt.Für eine effektive Ausgestaltung solcher Rechte müsse noch eineSynchronisierung zwischen öffentlichem und privatem Recht er-folgen sowie über eine Revision von Klagezielen, -gegenständenund des gerichtlichen Kontrollumfanges nachgedacht werden.

Der zweite Block des zweiten Tages war der Diskussion in Arbeits-gruppen zu den drei großen Themenbereichen »Informations- undBeteiligungsrechte im deutschen Umweltrecht« (Arbeitskreis 1, Mo-deration: Prof. Dr. Wolfgang Köck, Leipzig), »Informationsrechte fürVerbraucher im Lebensmittelsektor« (Arbeitskreis 2, Moderation:Prof. Dr. Hans-W. Micklitz, Bamberg) und »Kollektive Rechtsdurch-setzung in Umwelt- und Verbraucherangelegenheiten« (Arbeitskreis3, Moderation: Prof. Dr. Tobias Brönneke, Pforzheim) gewidmet. Dieersten beiden Arbeitskreise wurden durch zwei Kurzreferate aus demjeweiligen Themenbereich bereichert.

Im ersten Arbeitskreis13 kam man zu dem Schluss, dass die Not-wendigkeit einer verfassungsrechtlichen Fundierung des Informa-tionszugangsrechts bestehe. Nur dadurch könne die Möglichkeitgewährleistet werden, die letztendlich gegeneinander abzuwägen-den Rechte der Informationsfreiheit und des Datenschutzesgleichberechtigt zu wahren.

Die wachsende Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung in ei-nem sich wandelnden Staat, welcher nicht mehr alleiniger Trägerdes Allgemeinwohls sei, werde durch Berichte aus der Praxis be-stätigt. Als Folge dieser Entwicklung komme dem Bürger eineebenso wachsende Kontrollfunktion zu, die durch Sanktionsme-chanismen, wie sie z.B. Art. 9 III Aarhus-Konvention vorsieht, ab-gesichert werden müsse.

Weil auch heute schon mit Abwehrmechanismen in der Ver-waltung, die auf eine lange Tradition der Geheimhaltung zurück-blicken könne, gerechnet werden müsse, sollen dem Einzelnen eineffektiver Rechtsschutz bei Verweigerung von Information sowieklare Fristen zur Erfüllung des Informationsanspruches zur Seite

gestellt werden. Auch über Informationszugangsrechte gegenüberPrivaten sei in einem mehr und mehr deregulierten Staat nachzu-denken.

Der zweite Arbeitskreis14 konnte sich bei seinen Überlegungenauf eine Studie des ZERP zur Akteneinsicht von Verbrauchern imeuropäischen Bereich stützen15. Ebenso lieferten eine Studie überInformationsverhalten von Lebensmittelherstellern16 und der Be-richt über ein Gutachten zum Entwurf eines Verbraucherinforma-tionsgesetzes17 wertvolle Anregungen. Die Erziehungsfunktionvon Verbraucherinformation sowie die Frage nach dem Manage-ment von Information wurden vor diesem Hintergrund erörtert.

Prägend für die Diskussion sei auch der Begriff der »passivenVerlässlichkeitsstruktur« gewesen. Darunter sei im Bereich der Ver-braucherinformation im Lebensmittelsektor die Beobachtung,dass sich die drei Gruppen »Verbraucher«, »Anbieter« und »Ver-waltung« auf die Ratio der jeweils anderen beiden Gruppen ver-lassen, zu verstehen.

Letztendlich wurde noch über eine Informationsgewinnungs-pflicht des Staates debattiert, die vielfach dazu beitragen könne,staatliches Handeln rationaler zu gestalten.

Dem Bericht des dritten Arbeitskreises, der sich mit der Rechts-durchsetzung beschäftigte, konnte man entnehmen, dass eineKlagewelle nach Einführung der Verbandsklagerechte in landes-rechtlichen Naturschutzgesetzen ausgeblieben ist. Die Inan-spruchnahme von Klagerechten sei für den Einzelnen und für Ver-bände mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden, der nureingesetzt werde, wenn ein entsprechender Erfolg in Aussichtstünde. Es habe sich gezeigt, dass die Existenz von Klagerechtenpräventiv wirke, indem sie die Verwaltung veranlasse, schonwährend des Verfahrens umweltrechtliche Belange gemeinsammit den Verbänden stärker einzubeziehen.

Für den umweltrechtlichen Bereich wurde gefordert, die Kla-gemöglichkeit für Einzelne und Verbände auszubauen und sichsomit ein Beispiel an den Regelungen des Verbraucherrechts zunehmen.

Auf verbraucherrechtlichem Gebiet solle die Präventivwirkungvon Klagerechten stärker ausgebaut werden.

Zusammenfassend wurde festgestellt, dass eine umfassende Ver-einheitlichung der Klagemöglichkeiten im umweltrechtlichenund verbraucherrechtlichen Bereich jedoch aufgrund der unter-schiedlichen Ausgangspunkte der beiden Gebiete verfrüht er-scheint.

Die Referate und Ergebnisse der Arbeitskreise werden – wie ge-wohnt – als Tagungsband in der Schriftenreihe des Vereins fürUmweltrecht veröffentlicht.

Verena Brand

Tagungsber icht

12 Unterlassungsklagegesetz, BGBl. Teil I/2001, S. 3173.13 Unterstützt durch Referate von Privatdozent Dr. Andreas Fisahn, Universität

Bremen, und Prof. Dr. Bernhard Wegener, Universität Münster.14 Unterstützt durch Referate von Dr. Michael Schroeter, Berlin, und Kathrin

Klaffke, Hannover.15 Burmeister/Cardona/Gurlit/Winter, Akteneinsichtsrecht für Verbraucher im in-

ternationalen Vergleich, Typoskript Bremen 1989.16 IMUG, Potenziale für eine verbesserte Verbraucherinformation, Gutachten

im Auftrag des Deutschen Bundestages, Hannover 2002, unveröffentlicht.17 Falke/Salmen/Schroeter/Winter, Souveräne Konsumentenentscheidung und

nachhaltige Marktfunktionalität, Entwurf eines Verbraucherinformations-gesetzes, Baden-Baden 2003.

Verena BrandWissenschaftliche MitarbeiterinForschungsstelle für Europäisches Umweltrecht, Universität Bremen, Univer-sitätsallee GW I, 28359 Bremen, Tel.: 0421/218 – 7781, E-mail: [email protected]ätigkeitsschwerpunkt: Gentechnikrecht.

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Buchneuersche inungen

scheidungen, Verordnungen und Richtlinienzum EG-Umweltrecht in die Sammlung ein-gearbeitet.

ALLGEMEINES UMWELTRECHT

Bohne, Eberhard:Perspektiven für ein UmweltgesetzbuchBeiträge zum 1. Speyerer UGB-Forum vom 21. und 22. Oktober 1999 und zum 2. SpeyererUGB-Forum vom 19. und 20. März 2001 ander Deutschen Hochschule für Verwaltungs-wissenschaften Speyer2002, 400 S., 76,– €, Duncker & Humblot,ISBN 3-428-11005-6

Während die Bundesregierung Mitte desJahres 1999 auf die im Regierungsprogrammvon 1998 angekündigte Kodifikation desdeutschen Umweltrechts in einem Umwelt-gesetzbuch bis auf weiteres verzichtete, warim gleichen Zeitraum unter den EU-Mit-gliedsstaaten eine gegenläufige Entwicklungerkennbar. Anfang 1999 trat in Schweden einUmweltgesetzbuch in Kraft, im darauffolgen-den Jahr fasste Frankreich das Umweltrechtin einem Umweltgesetzbuch zusammen, undauch Dänemark, die Niederlande und Groß-britannien verfügen über kodifikationsähnli-che Gesetzeswerke im Umweltschutz.Dass jedoch auch in Deutschland die Diskus-sion um die Kodifikation des zersplittertenUmweltrechts noch nicht beendet ist, zeigendie in diesem Tagungsband zusammenge-fassten Beiträge und Diskussionen zu denKodifizierungstendenzen in den europäischenNachbarstaaten. Beiträge zur Selbstregulierung,zu wirtschaftlichen Anreizinstrumenten undzur Ökosteuer zeigen neue Perspektiven fürein Umweltgesetzbuch in Deutschland auf.Die neue Bundesregierung, die Bundesländerund alle am Umweltschutz interessierten ge-sellschaftlichen Kräfte werden in dem Werkvielfältige umwelt- und rechtspolitische An-regungen für die Fortentwicklung des Um-weltrechts finden.

Stober, Rolf:Wichtige Umweltgesetze für die Wirtschaft2002, Stand: 15.10.2002, 884 S., 11,80 €, Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, ISBN 3-482-42867-0

Die NWB-Textausgabe enthält die wichtigstenUmweltgesetze. Sie wendet sich an den Unter-nehmer, der in der täglichen Betriebspraxis diezahlreichen umweltrechtlichen Vorschriftenbeachten muss. Gleichzeitig ist sie als Studien-ausgabe gedacht. Die Neuauflage der »Wichti-

gen Umweltgesetze« erscheint bereits in der 7. Auflage. Sie bringt zahlreiche Änderungenaufgrund europarechtlicher Vorgaben. Neuaufgenommen wurde das Bundes-Boden-schutzgesetz sowie mehrere ergänzende Ver-ordnungen. Für die Praxis besonders wichtigist der Abdruck der Technischen AnleitungenLuft, Lärm und Abfall.

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Feldhaus, Gerhard:Bundesimmissionsschutzrecht EntscheidungenLoseblattwerk in 6 Ordnern, 42. Ergänzungs-lieferung, Stand: März 2003, 5.906 S., 148,– €,Hüthig Fachverlage,ISBN 3-8114-4370-4

Die 42. Ergänzungslieferung enthält eine Er-gänzung mit aktuellen Entscheidungen.

Feldhaus, Gerhard:BundesimmissionsschutzrechtKommentarLoseblattwerk in 8 Ordnern, 110. Lieferung,7.858 S., 203,50 €, Hüthig Fachverlage,ISBN 3-8114-4270-8

Die 110. Lieferung umfasst – eine Ergänzung des BImSchG-Kommen-

tars: Entstehungsgeschichte zu §§ 40 ff.; – 22. BImSchV mit Begründung; – Änderungen zu ChemikalienG, GefahrstoffV,

ChemikalienverbotsV;– GewAbf u.v.a.m.

Hansmann, Klaus:Bundes-Immissionsschutzgesetz und ergänzende VorschriftenTextausgabe mit Einführung und Anmerkungen2002, 21. Aufl., 843 S., 24,– €, Nomos Verlag,ISBN 3-7890-8204-X

Die Sammlung stellt in handlicher Form dasBImSchG und die dazu ergangenen Durch-führungsverordnungen zusammen. Mitabge-druckt sind die TA Luft und die TA Lärm. Diewichtigsten Bestimmungen sind mit erläu-ternden Anmerkungen versehen. In der um-fangreichen Einführung werden zunächst dieEntstehungsgeschichte des Gesetzes, seinGeltungsbereich, seine Konzeption und dieGrundbegriffe des Gesetzes erläutert. Der In-halt des Gesetzes wird unter Hervorhebungder Sachzusammenhänge dargestellt. Im Ein-zelnen wird auf die Vorschriften für geneh-migungsbedürftige und nicht genehmigungs-

315ZUR 4/2003

Die nachfolgende Übersicht erfasst, soweit ver-fügbar, die umweltrechtliche Literatur des Er-scheinungszeitraums vom 16.2.2003 bis zum15.4.2003.

EG- UND INTERNATIONALES UMWELT-RECHT

Elgeti, Till: Völkerrechtliche Standards für Umwelt-verträglichkeitsprüfungen, Offenlegung und deren Durchsetzung im Investitionsver-sicherungsgeschäftDargestellt am neuen Verfahren der MIGA2002, 382 S., 82,80 €, Duncker & Humblot, ISBN 3-428-10925-2

Der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht,die bestehenden Regelungen im Völker-recht zu Umweltverträglichkeitsprüfungen,Offenlegung von Daten und die Möglich-keiten der Durchsetzung zu analysieren.Grundlage war die Einführung derartigerVerfahren bei der Multilateralen Investiti-ons-Garantie-Agentur im Frühjahr 1999.Dabei wurde zusammen mit weiterenDokumenten (wie Weltbank-Richtlinien,UN-Konventionen, Urteilen des IGH) einVölkergewohnheitsrecht zu diesem Kom-plex herausgearbeitet, das weitergehend alsbisher die UVP zu einem notwendigen Be-standteil grenzüberschreitender Tätig-keiten eines Staates macht. Für multilateraleEntwicklungsorganisationen ergeben sichnoch weitere gewohnheitsrechtlicheGrundsätze. Um praxisrelevante Gesichts-punkte einzubeziehen, endet die Arbeit mitVorschlägen zur beabsichtigten Überprü-fung der Verfahren durch die MIGA und ei-nem Neuentwurf des Umweltleitfadens fürdie Investitionsgarantien (»Hermesbürg-schaften«) des Bundes.

Storm, Peter-Christoph/ Lohse, Siegbert: EG-Umweltrecht (EGUR)Systematische und ergänzbare Sammlung derVerordnungen, Richtlinien und sonstigenRechtsakte der Europäischen Union zumSchutz der UmweltLoseblattwerk in 5 Ordnern, Ergänzungs-lieferungen 9/02 – 11/02 und 1/03, 8.368 S.,186,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-03497-8

Mit den vier im Zeitraum Oktober 2002 bisJanuar 2003 erschienenen Ergänzungsliefe-rungen 9/02 bis 11/02 sowie der Folgeliefe-rung 1/03 werden wieder zahlreiche Ent-

BUCHNEUERSCHEINUNGEN

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Buchneuersche inungen

bedürftige Anlagen, auf die Ermittlung vonEmissionen und Immissionen, auf Bestim-mungen für den Verkehrsbereich sowie aufdie Regelungen zur Überwachung der gesetz-lichen Anforderungen und der Luftverunrei-nigung im Bundesgebiet eingegangen. Die21. Auflage berücksichtigt die bis 4.10.2002ergangenen Änderungen, wie z.B. die Neufas-sung des BImSchG und die neue TA Luft. Neuaufgenommen wurde die 32. BImSchV. DieEinführung und die erläuternden Anmerkun-gen wurden gründlich überarbeitet.

Schendel, Frank-Andreas/ Brennecke, Detlef: TA Luft 2002 in der betrieblichen UmsetzungText mit einführenden Erläuterungen, Grenzwerttabellen, Materialien2003, 390 S., 25,– €, Carl Heymanns Verlag, ISBN 3-452-25333-3

Am 1. Oktober 2002 ist eine neue TA Luft inKraft getreten. Gegenüber den bisherigen Vor-schriften sind sowohl die Regelungen zur Be-urteilung der Immissionen als auch die tech-nischen Anforderungen an die einzelnenAnlagenarten wesentlich geändert worden.Die neuen Vorschriften sind nicht nur beiNeuplanungen zu beachten; sie fordern in vie-len Fällen auch Änderungen an bestehendenAnlagen. Dieses Werk bietet neben dem Textder neuen TA Luft eine fundierte Einführungin die neuen Regelungen. Ausführlich darge-stellt werden der Anwendungsbereich, dieSchutz- und Vorsorgeanforderungen, Sanie-rungsfristen sowie die Auswirkungen aufVerwaltung und Industrie. Checklisten,Grenzwerttabellen und ein umfangreichesSachregister machen das Buch zu einempraxisbezogenen Arbeitsmittel.

ATOM- UND ENERGIERECHT

Ziegler, Eberhard: Atomgesetz mit Verordnungen2002, 562 S., 20,– €, Nomos Verlag,ISBN 3-7890-8169-8

Die in der 24. Auflage erscheinende Textaus-gabe dokumentiert eine entscheidende Wen-de in der Energiepolitik der BundesrepublikDeutschland. Durch die Neufassung des AtGhat der Gesetzgeber die Beendigung der Kern-energienutzung geregelt. Damit wurde derAusstieg aus der Kerntechnologie verfügt. DieSammlung ist auf dem Stand vom August2002 und berücksichtigt bereits die umfas-sende Novellierung der Röntgenverordnung(RöV). Darüber hinaus werden u.a. auch Än-derungen der atomrechtlichen Deckungszu-sage-Verordnung, der Kostenverordnungzum Atomgesetz sowie der Strahlenschutz-verordnung dokumentiert. Wieder in die

Sammlung aufgenommen wurden die Zu-ständigkeitsregelungen der Länder.

GENTECHNIKRECHT

Nöthlichs, Michael:Bio- und Gentechnikrecht (BGt)Kommentar zur Biostoffverordnung und zumGentechnikgesetzLoseblattkommentar, 8. Ergänzungslieferung,1.090 S., 68,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-05093-0

Diese Lieferung enthält u.a. die Änderungendes Gentechnikgesetzes, der Gentechnik-Sicherheitsverordnung, der ZKBS-Verordnung,der Gentechnik-Verfahrensordnung und derGentechnik-Aufzeichnungsverordnung so-wie die Anpassung der §§ 3 und 11 an dasgeänderte Gentechnikgesetz.

ABFALLRECHT

Kropp, Olaf: Die behördliche Lenkung von Abfallströmenim Binnenmarkt am Beispiel der Umsetzungund Anwendung des EG-Abfallverbrin-gungsrechts in Deutschland2003, 420 S., 86,– €, Erich Schmidt Verlag, ISBN 3-503-07074-5

Die vom europäischen Recht in hohem Maßegeprägte Problematik der Abfallverbringunghat in den vergangenen Jahren an Bedeutunggewonnen und ist Gegenstand eines hochdifferenzierten und in seiner Komplexitätkaum überschaubaren Regelwerks geworden.Daraus resultieren zahlreiche Fragestellungenvon hoher Praxisrelevanz, mit denen zuneh-mend auch der Europäische Gerichtshof be-fasst ist.Auf der Grundlage der einschlägigen Recht-sprechung und Literatur sowie unter Berück-sichtigung aktueller abfallpolitischer Erwä-gungen und Bestrebungen werden in diesemBand anhand von Beispielen die Möglichkei-ten und Grenzen einer behördlichen Lenkunggewerblicher Abfälle erörtert. Ein Schwerpunktder Untersuchung liegt bei der Erhebungbehördlicher Einwände gegen Abfallverbrin-gungen zwischen den EG-Mitgliedstaaten undder Abgrenzung zwischen Abfallverwertungund Abfallbeseitigung, die als zentrales Pro-blem des Abfallrechts seit Jahren Gegenstandder rechtswissenschaftlichen und umwelt-politischen Diskussion ist. Als Sonderfall derAbfallverbringung im Binnenmarkt wirdschließlich die Verbringung innerhalb einesMitgliedstaates am Beispiel der Bundesrepu-blik Deutschland behandelt.

WASSERRECHT

Freiherr von Lersner, Heinrich/ Berendes, Konrad: Handbuch des Deutschen Wasserrechts(HDW)Neues Recht des Bundes und der LänderLoseblattwerk in 7 Ordnern, Ergänzungslieferungen9/02 bis 2/03, 12.718 S., 248,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-00011-9

Mit den im Zeitraum November 2002 bis Fe-bruar 2003 erschienenen vier Lieferungen9/02, 10/02 sowie 1/03 und 2/03 wird dasWerk weiter ausgebaut und aktualisiert.

SONSTIGES

Bull, Hans Peter: Umweltverwaltung in den Ostsee-Anrainer-staaten 2002, 115 S., 19,– €, Nomos Verlag,ISBN 3-7890-8220-1

Der Ostseeraum besteht aus Staaten mit sehrunterschiedlichen politischen und admini-strativen Traditionen. Deutschland, die skan-dinavischen Länder und die osteuropäischenTransformationsländer weisen je eigene, aberauch gemeinsame Probleme auf. An den Um-weltverwaltungen besteht schon wegen desverbindenden und miteinander zu schützen-den Meeres ein gemeinsames Interesse. Da-rüber hinaus stellen sich für die Transforma-tionsländer Fragen der Kompatibilität mitden Anforderungen der EU. Neben den recht-lichen und organisatorischen Rahmenbedin-gungen ist dabei insbesondere die Frage derVerwaltungskultur von Bedeutung. Der Banddokumentiert die Jahrestagung der Deut-schen Sektion des Internationalen Institutsfür Verwaltungswissenschaften im September2001 in Hamburg. Auf diese Weise entstehtein Gesamtbild, in dem die Vielzahl der Pro-bleme, aber auch die Chancen der Kooperati-on herausgearbeitet werden. Die Referentensind überwiegend wissenschaftlich ausgewie-sene Praktiker aus den verschiedenen Ostsee-anrainerstaaten.

Jarass, Hans D.: Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutzin der Raumordnung Symposium des Zentralinstituts für Raum-planung am 5. September 2002 in Münster2003, 150 S., 9,50 €, Zentralinstitut für Raum-planung an der Universität Münster, ISBN 3-88497-185-9

Die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Landes-planung und der nicht nur inzidente Rechts-schutz Privater gegen Festlegungen in Raum-

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Buchneuersche inungen

ordnungsplänen geraten immer mehr in dasjuristische Blickfeld. Das Dogma der fehlen-den unmittelbaren Außenwirkung von Zielender Raumordnung gegenüber Privaten wankt.Darüber hinaus nehmen mit der Plan-UVP-Richtlinie, der Aarhus-Konvention und derEspoo-Konvention internationale Rechtsaktewesentlichen Einfluss auf die deutscheRechtsordnung. Der Band widmet sich derFrage, inwieweit die Rechtsschutzmöglich-keiten Privater unmittelbar gegen Raumord-nungspläne eröffnet sind. Er ist aus einergrundlegenden Untersuchung im Zentralin-stitut für Raumplanung hervorgegangen.

Lagemann, Bernhard/ Löbbe Klaus/ Schrumpf, Heinz: Wirtschaftlicher Strukturwandel und Wirtschaftspolitik auf dem Wege in die wissensbasierte ÖkonomieFestschrift für Paul Klemmer2002, 396 S., 58,– €, Duncker & Humblot,ISBN 3-42811077-3

Der in drei Abteilungen gegliederte Band be-handelt raumwirtschaftliche und regionalpo-litische Fragestellungen sowie solche der Um-weltökonomie. Die erste Abteilung betrifftFragen der Innovation, des Mittelstandes unddes wirtschaftlichen Strukturwandels ausökonomischer, sozial- und politikwissen-schaftlicher Perspektive. Ein zweiter Teil istder Regionalpolitik und räumlichem Wirt-schaften gewidmet. Den Abschluss bildenBeiträge zur Umweltpolitik und zum nach-haltigen Wirtschaften. Dokumentiert sindAufsätze zur ökologischen Steuerreform, zurBewertung von Schäden mit Hilfe der kon-tingenten Evaluierungsmethode sowie zumEnergieverbrauch und CO2-Emissionen in derVR-China.

Libbe, Jens/ Tomerius, Stephan/ Trapp, Jan Hendrik:Liberalisierung und Privatisierung kommunaler AufgabenerfüllungSoziale und umweltpolitische Perspektiven im Zeichen des Wettbewerbs2002, 260 S., 28,– €, Deutsches Institut für Urbanistik, ISBN 3-88118-333-7

Mit den Liberalisierungs- und Privatisierungs-bestrebungen in der Politik der EU und desBundes werden Aufgaben, die traditionell inder Verantwortung der öffentlichen Handlagen, zusehends dem Wettbewerb geöffnet.Ein wesentlicher Schlüssel hierzu ist daseuropäische Vergaberecht; es verpflichtet dieöffentlichen Auftraggeber bei bestimmtenAuftragswerten zur europaweiten Ausschrei-bung. Jedoch verändern nicht nur die euro-päischen Rahmensetzungen dauerhaft dieBedingungen bisher öffentlicher Leistungser-

bringung. Auch die angespannte Haushaltsla-ge der Kommunen stellt die Art und Weise deröffentlichen Aufgabenerfüllung mehr undmehr zur Disposition. In der Folge gehenKommunen zunehmend dazu über, Anteilekommunaler Betriebe an Private zu veräußern. Sowohl die Bestrebungen der allgemeinenMarktöffnung als auch die Debatte um dieZukunft der Kommunalwirtschaft folgeneiner überwiegend ökonomisch begründetenRationalität. Soziale und umweltpolitischeBelange werden regelmäßig ausgeblendet – inder politischen Debatte wie im wissenschaft-lichen Diskurs. In dem Sammelband wird die Diskussion umBefunde und Thesen zu den sozialen undökologischen Auswirkungen erweitert: Zumeinen sektorbezogen (etwa Wasserwirtschaft,ÖPNV), zum anderen sektorübergreifend un-ter wirtschafts-, finanz- und politikwissen-schaftlichen Blickwinkeln. Im Mittelpunktstehen die Fragen: Wie lassen sich unter demveränderten institutionellen Arrangementvon Kommunen, Privatwirtschaft und Bür-gerschaft Gemeinwohlbelange wie der Um-weltschutz durchsetzen? Welche Steuerungs-instrumente und –potenziale sollten demStaat und gerade der kommunalen Ebene ver-bleiben?

Schwertner, Inga: Umweltschäden durch anlagengebundeneErholungsartenRechtliche Steuerungsmöglichkeiten von Massensportarten in der freien Natur amBeispiel des pistenunabhängigen Skisports2003, 253 S., 68,– €, Erich Schmidt Verlag,ISBN 3-503-07014-1

Die Arbeit widmet sich dem ThemenkomplexSport und Umwelt. Sie konzentriert sich aufUmweltschäden verursacht durch Massen-sportarten. Am Beispiel des Skifahrens abseitsder Pisten versucht die Autorin, das Konflikt-verhältnis zwischen der Erholung und demSchutz der Umwelt auszuleuchten, und wirftdie Frage nach einer rechtlichen Steuerungauf. Sie erörtert insbesondere das Problem, ob undwie der Einzelne zur Verantwortung für Schä-den herangezogen werden kann, die erst durchdas Zusammentreffen vieler Skifahrer relevantwerden. Die Prüfung vollzieht sich sowohl aufverfassungsrechtlicher als auch auf einfachge-setzlicher Ebene. Eingebunden ist die Frage, obund inwieweit das neue Bundesnaturschutzge-setz zur Konfliktbewältigung beiträgt.

Stein, Tine:Interessenvertretung der Natur in den USAMit vergleichendem Blick auf die deutscheRechtslage2002, 135 S., 23,– €, Nomos Verlag, ISBN 3-7890-8232-5

Im Unterschied zum deutschen Recht kenntdas US-amerikanische Umweltrecht eine ge-wichtige Modifikation des Individualrechts-schutzsystems. In den USA können ökologi-sche Belange auf dem Klageweg durchgesetztwerden. Die für Politik- wie Rechtswissen-schaftler gleichermaßen interessante Studieuntersucht hierbei, welche Bedeutung Verfas-sung und Verfassungsrechtsprechung in öko-logischen Auseinandersetzungen haben. Eszeigt sich nicht nur, dass die Verfassungsge-richtsbarkeit über die Definitionsmacht ver-fügt, wie weit der gerichtliche Zugang von Ver-tretern ökologischer Interessen reicht, sondernauch wie das Eigentumsrecht als Bollwerk vorumweltpolitischen Regulierungen erfolgreichin Stellung gebracht werden kann. Die Studiebietet daneben einige vergleichende Einblickein die entsprechende deutsche Situation undrekonstruiert damit einen transatlantischenrechtspolitischen Dialog zwischen den USAund der Bundesrepublik. An die Ausführungenschließt sich eine umfangreiche Dokumentati-on an mit den entscheidenden Rechtstexten,ausgewählten und erläuterten Supreme Court-Urteilen und den Vorschlägen für ein Umwelt-Amendment in der Bundesverfassung.

317ZUR 4/2003

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Zei t schr i f tenschau

Die nachfolgende Übersicht erfasst die um-weltrechtliche Aufsatzliteratur des Erschei-nungszeitraumes bis zum 15. April 2003. Sieschließt unmittelbar an die Zeitschriftenschauin ZUR 3/03 an. Einzelne Abweichungen sinddurch die Erscheinungsweise und Erreichbar-keit der Zeitschriften bedingt. (Siehe hierzu dieListe auf der letzten Seite des Heftes)In folgenden Rubriken wurden keine Veröffent-lichungen im Berichtszeitraum nachgewiesen:Umweltstrafrecht, Umweltprivatrecht.

Verfahrens- und Verfassungsrecht

Mayr, Christoph: Das Flurbereinigungsge-setz und die Verwaltungsgerichtsordnung.BayVBl. 2003, S. 106-109.

Recht der UVP

Dolde, Klaus-Peter: Umweltprüfung in derBauleitplanung – Novellierung des Bauge-setzbuches. NVwZ 2003, S. 297-304.

Hendler, Reinhard: Zum Begriff der Pläneund Programme in der EG-Richtlinie zurstrategischen Umweltprüfung. DVBl. 2003,S. 227-234.

Schmidt, Guido: Die Umweltverträglichkeit-sprüfung im Zulassungsverfahren durchmehrere Behörden. NVwZ 2003, S. 292-297.

Stüer, Bernhard: Strategische Umweltprü-fung in der Verkehrswege- , Landes- und Re-gionalplanung. UPR 2003, S. 97-103.

EG- und Internationales Umweltrecht

Fischer, Kristian: Verstößt die deutsche Alt-fahrzeug-Verordnung gegen EuropäischesGemeinschaftsrecht? NVwZ 2003, S. 321-323.

Jasper, Jörg/Serger, Henning: China alsGastgeberland für Maßnahmen im Rahmendes Clean Development Mechanism. ZfU2003, S. 61-84.

Wolff, Nina: Die Ergebnisse des Weltgipfelsüber nachhaltige Entwicklung in Johannes-burg: Zusammenfassung und Wertung mitBlick auf die Entwicklung des Umweltvölker-rechts. NuR 2003, S. 137-143.

Allgemeines Umweltrecht

Bungenberg, Marc: Die Berücksichtigungdes Umweltschutzes bei der Vergabe öffent-licher Aufträge. NVwZ 2003, S. 314-317.

Evers, Christian: Schutz der Umwelt durchund vor Biotechnologie: 18. Trierer Kollo-quium zum Umwelt- und Technikrecht.NVwZ 2003, S. 328-329.

Freiherr v.u.z. Franckenstein, Georg:Zukünftige Anforderungen an die baulicheNutzung landwirtschaftlicher Flächen – Ten-denzen in Gesetzgebung und Rechtspre-chung. AgrarR 2003, S. 73-76.

Mundhenke, R./Baaden, A./Müller, J./Schwedes, J.: Einfluss des Wassergehaltesauf das Zerkleinerungs- und Abbauverhaltenvon feuchten organischen Substraten.Müll&Abf 2003, S. 134-137.

Nies, Volkmar: Neue Gesetzgebung undRechtsprechung im Agrarumweltrecht.AgrarR 2003, S. 2-14.

Schwarz, Hans-Günter: Senkung des Um-weltsteuersatzes für umweltfreundliche Gü-ter. ZfU 2003, S. 45-59.

Stich, Rudolf: Bauplanungs- und umwelt-rechtliche Probleme der Errichtung und desBetriebs von Windkraftanlagen sowie derAufstellung von Bebauungsplänen für Wind-farmen. GewArch 2003, S. 8-18.

Zimmermann, Andreas: Rechtliche Proble-me bei der Errichtung seegestützter Wind-energieanlagen. DÖV 2003, S. 133-140.

Immissionsschutzrecht

Franz, Walter: Emissionszertifikathandel undImmissionsschutzrecht. RdE 2003, S. 32-35.

Gerhold, Thomas: Anwendungsfragen derneuen TA-Luft. UPR 2003, S. 44-50.

Halama, Günter/Stüer, Bernhard: Lärm-schutz in der Planung. NVwZ 2003, S. 137-144.

Hansmann, Klaus: Die neue TA-Luft. NVwZ2003, S. 266-274.

Jarass, Hans D.: Luftqualitätsrichtlinien derEU und die Novellierung des Immissions-schutzrechts. NVwZ 2003, S. 257-266.

Koch, Hans-Joachim: Flughafenplanung undStädtebau: Die Zukunft des Fluglärmgeset-zes. NuR 2003, S. 72-80.

Schulze-Fielitz, Helmut: Die neuere Verwal-tungsrechtsprechung zum Lärmschutz alstechnische und fiskalische Gratwanderung.Verw 2002, S. 525-551.

Stüer, Bernhard/Middelbeck, Jens: Sport-lärm bei Planung und Vorhabenzulassung.BauR 2003, S. 38-48.

Wiesner, Helmut: Kampf um den Lärm – EU-Umgebungslärmrichtlinie und ihre Folgenvor Ort. StuG 2003, S. 100-102.

Atom- und Energierecht

Ehricke, Ulrich: Staatliche Maßnahmen zurFörderung umweltfreundlicher Energienund europäisches Wettbewerbsrecht. RdE2003, S. 57-65.

Hennicke, Peter: Nachhaltige Zukunftsmärkte– Energieeffizienz als Geschäftsfeld. ZfU2003, S. 1-24.

Kühne, Gunther: Die sogenannte Verrecht-lichung der Verbändevereinbarungen undihre Bedeutung für das Verhältnis zwischenEnergie- und Kartellrecht. BB 2003, S. 383-386.

Peters, Heinz-Joachim: Planfeststellung undPlangenehmigung bei Energieleitungsan-lagen. VR 2003, S. 73-77.

Sendler, Horst: Nochmals zu Fragen der Sicherheit und Sicherung von Kernkraft-werken. DVBl. 2003, S. 380-381.

Sötebier, Jan: Die Richtlinie zur Förderungder Stromerzeugung aus erneuerbarenEnergiequellen. ZUR 2003, S. 65-73.

Gentechnikrecht

Linke, Tobias: Nochmals: Zufallkreuzungenund Gentechnikgesetz (GenTG). NuR 2003,S. 154-160.

Verkehrsrecht

Holm, Bernhard: Die Bedeutung des EU-Umgebungslärmrichtlinie für die Bundes-fernstraßen. NuR 2003, S. 144-149.

Sellmann, Klaus-Albrecht/Sellmann, Elke:Öffentliches Verkehrswesen im Spiegel derRechtsprechung. DVBl. 2003, S. 358-370.

ZUR 4/2003318

ZEITSCHRIFTENSCHAU

Page 68: Zeitschrift für Umweltrecht Immissionsschutz AufsätzeZeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt und Recht Der Beitrag gibt über den Status Quo der »ökologischen Steuern«

Zei t schr i f tenschau

Gefahrstoff- und Produktrecht

Franz, Walter: Produktverantwortung undWarenverkehrsfreiheit. EWS 2003, S. 67-72.

Mathieu, Petra/Karmann, Marion: Nach-haltige Produkte durch Ökologischen Finger-abdruck und Ökologischen Rucksack? ZfU2003, S. 85-94.

Abfallrecht

Assenmacher, Stefan: Abfallwirtschaft imBundesstaat. NVwZ 2003, S. 327-328.

Dietlein, Johannes: Gebietsübergreifendekommunale Anfallentsorgung und Vergabe-recht. NZBau 2003, S. 141-143.

Féaux de Lacroix, Sibylle: EuroparechtlicheMöglichkeiten kommunaler Abfallwirtschaft.NuR 2003, S. 86-89.

Gellermann, Rainer: Abfälle mit natürlicherRadioaktivität (Teil 1). Müll&Abf 2003, S. 138-143.

Hüvel, Bernd/Kaiser, Barbara/Kaiser,Wulf/Kutzmutz, Stefan/Marushima,H./Stahlberg: THERMOSELECT-Hochtemperaturrecyclingvon Abfällen im Einsatz. Müll&Abf 2003, S. 108-119.

Jahn, Ralf: Rechtsfragen des Dosenpfandes –Ein Überblick über den aktuellen Stand derRechtsprechung. GewArch 2003, S. 103-108.

Jarass, Hans D.: EMAS-Privilegierungen imAbfallrecht. DVBl. 2003, S. 298-305.

Klein, Ralf/Baumann, Thomas/Nestle, Nikolaus/ Niessner, Reinhard: Numerische Simulation der Temperaturent-wicklung in Monodeponien aus Rückstän-den der Hausmüllverbrennung. Müll&Abf2003, S. 120-127.

Pschera, Thomas/Enderle, Bettina: NeuesRecht für Altes Holz – Die Altholzverord-nung vor ihrer Bewährungsprobe. Müll&Abf2003, S. 128-133.

Steinmetz, Christiane: Verwertung oder Be-seitigung? EuGH-Rechtsprechung zu Abfall-fragen. StuG 2003, S. 40-41.

Bodenschutz- und Altlastenrecht

Däumling, Thomas/Tiedemann, Heike:»Stühm Süd« – ein bodensaurer Waldparkim Hamburger Stadtgebiet mit Kalkungsge-schichte. BodSch 2003, S. 16-20.

Hartmann, Rainer: Die Bedeutung der Bio-turbation für die Übererdung kontaminier-ter Standorte. BodSch 2003, S. 21-24.

Miehlich, Günther: Ohne Boden – boden-los. BodSch 2003, S. 1.

Rech, Burghard: Grundlegende Anforderun-gen des Rechtsverkehrs an ein Altlastenkata-ster. SächsVBl. 2003, S. 77-81.

Schlabach, Erhard/Landel, Christoph/Not-ter, Harald: Schädliche Bodenveränderung –eine Annäherung an einen unbestimmtenRechtsbegriff. ZUR 2003, S. 73-80.

Schlabach, Erhard: Der Begriff der schäd-lichen Bodenveränderung. BodSch 2003, S. 25.

Seiffert, Stefan/Kohl, Raimund/Delschen,Thomas/Dinkelberg, Wolfgang: LABO Voll-zugshilfe zu den Anforderungen an das Auf-bringen von Materialien auf und in denBoden gemäß § 12 BBodSchV. BodSch2003, S. 4-9.

v. Heyl, Arnulf: Bodenbelastungen –Konfliktbewältigung bei der Bebauungs-planung. BauR 2003, S. 333-337.

Wasserrecht

Bernhart, Hans Helmut: NaturverträglicherHochwasserschutz – Wasserbauliche Aspekte.NuL 2003, S. 138-143.

Dören, Béla: Hochwasserschutz in Köln –Vorbeugen ist billiger als Schadensbeseiti-gung. Städtetag 2003, S. 23-28.

Fischer, Martin/Zwetkow, Katrin: Systemati-sierung der derzeitigen Privilegierungsmög-lichkeiten auf dem deutschen Wassermarkt– Trennung von Netz und Betrieb als zusätz-liche Option? NVwZ 2003, S. 281-291.

Henrichfreise, Alfons: Dienen Polder demnaturverträglichen Hochwasserschutz? NuL 2003, S. 150-154.

Henrichfreise, Alfons: Wie zeitgemäß sindMittelwerte für Planungen an Flüssen und inAuen? NuL 2003, S. 160-163.

Müller, Bernhard/Schanze, Jochen/Janssen,Gerold: 7-Punkte-Programm zum Hochwas-serschutz – Flutvorsorge darf an Grenzennicht Halt machen. Städtetag 2003, S. 28-31.

Knopp, Günther-Michael: Umsetzung derWasserrahmenrichtlinie – Neue Verwal-tungsstrukturen und Planungsinstrumenteim Gewässerschutzrecht. NVwZ 2003, S. 275-281.

Niemeyer, Eva Maria: Anforderungen an Re-gional- und Bauleitplanung – Beim Hoch-

wasserschutz gibt es keine Alternative zurVorsorge. Städtetag 2003, S. 20-33.

Nutzenberger, Klaus M.: Zwischen Umwelt-schutz und Wettbewerb – Wasserwirt-schaftspolitik der Europäischen Union. StuG2003, S. 37-40.

Platzeck, Matthias: Nach der Flut: Wie derHochwasserschutz verstärkt werden kann.Städtetag 2003, S. 6-8.

Puhlmann, Guido/Jährling, Karl-Heinz: Er-fahrungen mit »nachhaltigem Auenmana-gement« im »Biosphärenreservat Flussland-schaft Mittlere Elbe«. NuL 2003, S. 143-149.

Ringler, Alfred/Layritz, Markus: Pfingsthoch-wasser 1999 in Südbayern – Eine ökologi-sche Bilanz nach drei Jahren. NuL 2003, S. 154-159.

Schaidinger, Hans: Hochwasserschutz in Re-gensburg und die Frage: »Was gehört derStadt, was gehört dem Fluss?« Städtetag2003, S. 15-19.

Schlacke, Sabine: Rostocker Umweltrechts-tag 2002: »Änderungsbedarf im Wasser-recht – Zur Umsetzung europarechtlicherVorgaben«. NVwZ 2003, S. 329-330.

Steehoff, Holger: Rechtliche Instrumentedes Hochwasserschutzes. UPR 2003, S. 50-56.

Stüer, Bernhard/Hermanns, David: Gewäs-serunterhaltung für Restseen im Braunkohle-tagebau. NWVBl. 2003, S. 41-44.

Weiger, Hubert/Christine Margraf, Christine:Hochwasserschutz an der bayerischen Do-nau – Eine Chance für den Auenschutz? NuL 2003, S. 130-137.

Naturschutz- und Landschaftspflege-recht

Anger, Christoph: Die neue naturschutz-rechtliche Eingriffsregelung gemäß §§ 18 ff.BNatSchG 2002. NVwZ 2003, S. 319-321.

Herbert, Matthias/Wilke, Torsten: Stand undPerspektiven der Landschaftsplanung inDeutschland. NuL 2003, S. 64-72.

Jax, Kurt: Wozu braucht der Naturschutz diewissenschaftliche Ökologie? Die Kontrover-sen um den Hudson River als Testfall. NuL2003, S. 93-100.

Kreienmeier, Ute: Weniger könnte mehr sein– Gemeinsamer Forstausschuss »DeutscherKommunalwald«. StuG 2003, S. 28-33.

319ZUR 4/2003

Page 69: Zeitschrift für Umweltrecht Immissionsschutz AufsätzeZeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt und Recht Der Beitrag gibt über den Status Quo der »ökologischen Steuern«

Zei t schr i f tenschau

Mitschang, Stephan: Die Kompensation vonEingriffen in Natur und Landschaft durchstädtebauliche Verträge. BauR 2003, S. 183-194.

Mitschang, Stephan: Eingriffsbewältigungdurch städtebaulichen Vertrag. BauR 2003,S 337-341.

Rojahn, Ondolf: Planfeststellung vonStraßen und europäisches Naturschutzrechtin der neuesten Rechtsprechung des Bun-desverwaltungsgerichts. NordÖR 2003, S.1-6.

Schrader, Christian: Das Naturschutzrechtder Länder in der Anpassung an das neueBundes-Naturschutzgesetz. NuR 2003, S.80-86.

Schrödter, Wolfgang: Städtebaurecht unddas Recht des gesetzlichen Biotop- und Ar-tenschutzes. NdsVBl. 2003, S 33-43.

Stüßer, Ulla/Sturm, Ursula/Manns,Klaus/Limbach, Manfred: Praxisorientierte

Konzeption einer umfassenden Abwägungs-grundlage für die Flächennutzungsplanungunter besonderer Berücksichtigung der Be-lange von Natur und Landschaft. NuL 2003,S. 49-56.

Vischer, Mareike/Binot-Hafke, Margret:Artenhilfsprogramme der Bundesländer:Fauna. NuL 2003, S. 56-63.

Wirths, Volker: Defizite bei der Umsetzungder FFH-Verträglichkeitsprüfung im neuenBNatSchG und ihre Konsequenten. NuR2003, S. 150-154.

Fachplanungsrecht

Erbguth, Wilfried: Luftverkehr undRaumordnung am Beispiel der Flughafen-planung. NVwZ 2003, S. 144-148.

Vallendar, Willi: Rechtsschutz der Gemein-den gegen Fachplanung. UPR 2003, S. 41-44.

Sonstiges

Anders, Dieter R./Jankowski, Klaus: Konzen-trationszonen als Ziele der Raumordnung –Detailabwägung contra Globalabwägung.ZUR 2003, S. 81-89.

Drücker, Ansgar: Austragungsort für Kinder-gipfel gesucht – Aufruf der Naturfreundeju-gend Deutschlands. StuG 2003, S. 95-96.

Götze, Roman: Stadterneuerungsrecht undStadtumbau. DVBl. 2003, S. 242-245.

Müller, David: Finanzierung von Umweltin-novationen als doppelter Engpass in kleinenund mittelständischen Unternehmen. ZfU2003, S. 95-119.

Sieben, Günter/Maltry, Helmut: Kostenba-sierte Kalkulation von Nutzungsentgeltenam Beispiel der Stromindustrie. DB 2003, S. 729-735.

Stüer, Bernhard: Eisenbahnrechtstagung2002. DVBl. 2003, S. 381-385.

ZUR 4/2003320

www.jura.uni-sb.de/rechtspflege: unter »Gerichte« Auflistungaller deutscher Gerichte mit Link auf die jeweiligen SeitenEuGH: www.curia.eu.int

Verfassungsgerichte:BVerfG: www.bundesverfassungsgericht.deVGH Berlin: www.berlin.deStaatsgerichtshof Hessen: www.uni-giessen.de/staatsgerichtshofNiedersächsischer Staatsgerichtshof: www.staatsgerichtshof.niedersachsen.de

VGH Nordrhein-Westfalen: www.jura.uni-muenster.deVGH Rheinland-Pfalz: www.justiz.rlp.de

Verwaltungsgerichte:OVG Hamburg: www.hamburg.deVG Frankfurt: www.verwaltungsgericht-frankfurt.deVG Hamburg: www.verwaltungsgericht.hamburg.deVG Oldenburg: www.verwaltungsgericht-oldenburg.niedersachsen.de

INTERNETADRESSEN

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VZUR 4/2003

ImpressumHerausgeber und Redaktion: Verein für Umweltrecht e.V. c Große Fischerstr. 5 c 28195 Bremen c

Tel. 0421/33 54 143 c Fax: 0421/33 54 141 c E-Mail: [email protected]

Schriftleitung: RA Dr. Harald Ginzky c RA Dr. Niels Griem (ViSdP) c Prof. Dr. Hans-Joachim Koch

Redaktion: Dr. Katja Böttger: Internationales Umweltrecht, Umweltstrafrecht, Klima-schutz, – Prof. Dr. Christian Calliess: Europäisches Umweltrecht – Priv. Doz.Dr. Andreas Fisahn: Fachplanungsrecht, Naturschutzrecht, AllgemeinesUmweltrecht – Dr. Harald Ginzky: Bodenschutz- und Altlastenrecht, Gen-technikrecht – Carola Glinski: Rechtsvergleichendes Umweltrecht, Natur-schutzrecht – Dr. Ekkehard Hofmann: Umwelt und Verkehr – Jan Karstens:Abfallrecht – Prof. Dr. Wolfgang Köck: Immissionsschutzrecht, Allgemei-nes Umweltrecht, Gefahrstoff- und Produktrecht – Dr. Malte Kohls: Bo-denschutz- und Altlastenrecht – Dr. Silke R. Laskowski: Atomrecht, Priva-tisierung, Gewässerschutzrecht – Christian Maaß: Immissionsschutzrecht,Baurecht – Dr. Moritz Reese: Abfallrecht – Dr. Sabine Schlacke: Fach-planungsrecht, Gentechnikrecht, Rezensionen – RA Dr. Peter Schütte:Energierecht – Prof. Dr. Bernhard Wegener: Internationales Umweltrecht,Umweltinformationsrecht, Rechtsprechung.

Verlag:Nomos-Verlagsgesellschaft c Waldseestr. 3-5 c 76520 Baden-Baden c

Telefon (07221) 2104-0 c Fax: (07221) 2104-27

Satz und Layout: Nomos Verlagsgesellschaft Vertrieb und Aboverwaltung: Nomos Verlagsgesellschaft Abo-Service: Tel. 07221/2104-39 Fax: 07221/2104-43. Erscheinungsweise der ZUR: 6 Ausgaben und 1 Sonderheft pro Jahr.Bestellungen und Bezugspreise: Bestellungen richten Sie bitte an die Nomos-Verlagsgesellschaft. Das Abo beginnt bei Bestellung. Das Abo kann bis zum 30. September eines Jahres gekündigt werden, ansonsten verlängert es sich umein Kalenderjahr. Ein ZUR-Jahresabonnement kostet für Mitglieder des Vereins fürUmweltrecht 89,– €, für Nichtmitglieder 119,– €. Studenten-Abo: Für Mit-glieder des Vereins für Umweltrecht 45,– €, für Nicht-Mitglieder 79,– €. (BitteStudienbescheinigung einsenden). Alle Preise verstehen sich incl. MwSt. zzgl.Versand. Preisänderungen bleiben vorbehalten. Bezahlung bitte nach Rech-nungserhalt. Bitte teilen Sie Adressänderungen mit, da die ZUR nicht von einempostalischen Nachsendeauftrag erfaßt wird. Bankverbindung: Sparkasse Baden-Baden, Konto.-Nr. 5002266, BLZ 66250030, Postbank, Konto.-Nr.73636-751, BLZ 66010075, Volksbank Baden-Baden, Konto.-Nr. 107806, BLZ 66290000 Manuskripte: Die Redaktion der ZUR freut sich über eingesandteBeiträge. Aus technischen Gründen bitten wir um Übersendung auf Disketteoder via e-mail.Ein Abdruck erfolgt nach der Annahme durch die Redaktion. Fürunverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Haftung übernommen werden.Die Kürzung aus technischen Gründen bleibt – nach Absprache mit den Auto-ren – vorbehalten. Copyright: Die ZUR und die darin enthaltenen Beiträge sindurheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsent-scheidungen und Leitsätze, soweit sie vom Einsender oder von der Redaktion er-arbeitet oder redigiert worden sind. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen desUrheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Dasgilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen. Namentlich gekennzeichneteBeiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

AcP = Archiv für die civilistische Praxis 1/03 – AfK = Archiv für Kom-munalwissenschaften 2/02 – AgrarR = Agrarrecht 3/03 – AKP = Alter-native Kommunalpolitik 2/03 – altlasten-spektrum 2/03 – AnwBl =Anwaltsblatt 3/03 – AöR = Archiv des öffentlichen Rechts 1/03 – ARSP= Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 1/03 – AVR = Archiv desVölkerrechts 4/03 – BauR = Baurecht 3/03 – BayVBl. = Bayerische Ver-waltungsblätter 6/03 – BB = Betriebs-Berater 14/03 – BodSch =Bodenschutz 1/03 – CMLR = Common Market Law Review 2/03 – DB= Der Betrieb 14/03 – DÖV = Die öffentliche Verwaltung 6/03 – DVBl.= Deutsches Verwaltungsblatt 6/03 – DVP = Deutsche Verwaltung-spraxis 4/03 – DZWiR = Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 3/03– EELR = European Environmental Law Review 2/03 – EJIL = EuropeanJournal of International Law 1/03 – ELNI = ELNI-Newsletter 1/03 – ELR= European Law Review 1/03 – et = Energiewirtschaftliche Tagesfragen4/03 – EuGRZ = Europäische Grundrechte-Zeitschrift 3/03 – EuR = Eu-roparecht 1/03 – EuZW = Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht4/03 – EWS = Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht 3/03 – GewArch= Gewerbearchiv 3/03 – ImmSch = Immissionsschutz 1/03 – JA =Juristische Arbeitsblätter 3/03 – JEL = Journal of European Law — Win-ter 02 – JEPP = Journal of European Public Policy 1/03 – JR = JuristischeRundschau 3/03 – Jura = Juristische Ausbildung 3/03 – JuS = JuristischeSchulung 4/03 – JZ = Juristenzeitung 7/03 – KA = KA-Wasserwirtschaft,Abwasser, Abfall 4/03 – KGVR = KGV-Rundbrief 4/02 – KJ = KritischeJustiz 4/02 – KritV = Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung undRechtswissenschaft 4/02 – LKV = Landes- und Kommunalverwaltung3/03 – MDR = Monatsschrift für Deutsches Recht 7/03 – MM = Müll-magazin 1/03 – Müll&Abf = Müll und Abfall 3/03 – NdsVBl. = Nieder-sächsische Verwaltungsblätter 3/03 – NJ = Neue Justiz 3/03 – NJW =Neue Juristische Wochenschrift 15/03 – NordÖR = Zeitschrift für nord-deutsches öffentliches Recht 2/03 – NStZ = Neue Zeitschrift fürStrafrecht 3/03 – NuL = Natur und Landschaft 4/03 – NuR = Natur undRecht 3/03 – NVwZ = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 3/03 –

Ausgewertete Zeitschriften

NWVBl. = Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 3/03 – NZBau = Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht 4/03 – NZS= Neue Zeitschrift für Sozialrecht 3/03 – NZV = Neue Zeitschrift fürVerkehrsrecht 3/03 – osteuR = osteuropa-Recht 1/03 – RdE = Recht derEnergiewirtschaft 3/03 – Rechtstheorie = Zeitschrift für Logik, Metho-denlehre, Normentheorie und Soziologie des Rechts 4/02 – RIW =Recht der internationalen Wirtschaft 2/03 – RJE = Revue Juridique de l’environnement 1/03 – Sächs.VBl. = Sächsische Verwaltungsblätter4/03 – Staat = Der Staat 3/03 – Städtetag = Der Städtetag 3/03 – StuG= Stadt und Gemeinde 3/03 – StV = Strafverteidiger 3/03 – ThürVBl.= Thüringische Verwaltungsblätter 3/03 – TransportR = Transportrecht2/03 – UPR = Umwelt- und Planungsrecht 3/03 – UVP-Report = UVP-report 3/03 – VBlBW = Verwaltungsblätter Baden-Württemberg 3/03– VersR = Versicherungsrecht 11/03 – Verw = Die Verwaltung 1/03 –VerwArch. = Verwaltungs-Archiv 1/03 – VR = Verwaltungsrundschau3/03 – WiRO = Wirtschaft und Recht in Osteuropa 1/03 – wistra =Zeitschrift für Wirtschaft Steuer Strafrecht 3/03 – WiVerw = Wirtschaftund Verwaltung 1/03 – ZaöRV = Zeitschrift für ausländischesöffentliches Recht und Völkerrecht 4/02 – ZAU = Zeitschrift für Ange-wandte Umweltforschung 1/03 – ZEuP = Zeitschrift für EuropäischesPrivatrecht 4/02 – ZEuS = Zeitschrift für Europarechtliche Studien 4/02– ZfB = Zeitschrift für Bergrecht 4/02 – ZfBR = Zeitschrift für deutschesund internationales Baurecht 3/03 – ZfRS = Zeitschrift für Rechtssozi-ologie 4/02 – ZfU = Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht 1/03– ZfW = Zeitschrift für Wasserrecht 1/03 – ZG = Zeitschrift für Geset-zgebung 4/02 – ZIP = Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 14/03 – ZLR =Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht 2/03 – ZLW = Zeitschriftfür Luft- und Weltraumrecht 1/03 – ZNER = Zeitschrift für NeuesEnergierecht 4/02 – ZRP = Zeitschrift für Rechtspolitik 3/03 – ZStW =Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1/03 – ZUR =Zeitschrift für Umweltrecht 2/03

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ZUR 4/2003VI

16. UND 17. SEPTEMBER 2003

Köln

12. Kölner Abfalltage - Wie verändert der Eu-ropäische Gerichtshof die Abfallwirtschaft inDeutschland?

Der Europäische Gerichtshof hat zwei grund-legende Entscheidungen in Sachen belgischeZementwerke und MVA Straßburg getroffen.Beide Urteile sind für die Abfallwirtschaft vonherausragender Bedeutung. Die 12. KölnerAbfalltage behandeln diese Entscheidungenumfassend. Sie geben Antworten auf die Fra-ge, welche Konsequenzen sich für Abfaller-zeuger, Anlagenbetreiber, Vollzugsbehördenund das deutsche sowie europäische Abfall-recht ergeben werden.

Teilnahmepreis: 700,- Euro zzgl. 16 % MwSt.,für Behördenmitarbeiter 450,- Euro zzgl. 16 %MwSt.

Anmeldung: K. Gutke Verlag Köln, Postfach25 02 53, 50678 Köln, Tel.: 0221/9320720,Fax: 0221/313637, e-mail: [email protected].

Termine:

26. SEPTEMBER 2003

Münster

Interkommunale Abstimmung der Bauleitplanung

Zur Thematik referieren:

Ulrich Kuschnerus, Richter am Oberverwal-tungsgericht Münster: „Das interkommunaleAbstimmungsgebot in der Rechtsprechung“

Prof. Dr. Ulrich Battis, Humboldt-Universitätzu Berlin: Das Erfordernis einer förmlichenPlanung als Ausprägung des interkommuna-len Abstimmungsgebots“

Prof. Dr. Gerd Schmidt-Eichstaedt, Techni-sche Universität Berlin: „Der regionaleFlächennutzungsplan“

Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Uechtritz,Rechtsanwälte Gleiss, Lutz, Stuttgart:„Großflächiger Einzelhandel und interkom-munales Abstimmungsgebot“

Rechtsanwalt Dr. Hans Vietmeier, Rechtsan-wälte Baumeister und Partner, Münster: „In-terkommunale Gewerbeparks“

Die Diskussionen leiten:

Prof. Dr. Ondolf Rojahn, Richter am Bundes-verwaltungsgericht Leipzig

Dr. Gerd Willamowski, Direktor des Kommu-nalverbands Ruhrgebiet

Rechtsanwalt Prof. Dr. Werner Hoppe, Mün-ster, Berlin, Stuttgart

Kostenbeitrag: 50,00 Euro

Auskünfte und Anmeldungen: Zentralinstitutfür Raumplanung an der Universität Münster,Wilmergasse 12-13, 48143 Münster, Tel.:(0251) 83-29781, Fax: (0251) 83-29790, e-mail: [email protected], www.uni-muen-ster.de/jura.zir.

NOMOS Aktuell

NOMOS Verlagsgesellschaft

Principles of Environmental Law

Jonathan Verschuuren

The Ideal of Sustainable Development and the Role of Principles of International, European, and National Environmental Law

Nomos VerlagsgesellschaftBaden-Baden

30Umweltrechtliche StudienStudies on Environmental Law

Principles of Environmental LawSince the 1992 Rio Conference on Environment and Development (UNCED), prin-ciples of environmental law, such as the precautionary principle and the polluterpays-principle, play an ever-increasing role in international and national environ-mental law and policy, as does the concept of sustainable development. The Rioprinciples are applied in many international environmental treaties and are codi-fied in national legislation. With all these rapid developments in international andnational environmental law, it becomes increasingly necessary to determine moreprecisely what the legal function is of principles of environmental law. However, asubstantive discussion on the purpose the codification of principles in internationaltreaties, EC-Directives and national environmental legislation is mostly avoided. Le-gal principles are considered to be binding standards of a high moral characterfor decision-makers and judges. This book offers the answer to the question whatis the role of environmental legal principles in international, European, and natio-nal environmental law. The role of environmental legal principles has been studiedfrom the perspective of legal theory and international and European law, and froma comparative legal perspective. This book thus provides insight in the futuredevelopment of environmental law.

Jonathan VerschuurenPrinciples of Environmental LawThe Ideal of Sustainable Development and the Role of Principles of International, European, andNational Environmental Law2003, 165 S., brosch., 32,– €, ISBN 3-8329-0017-9(Umweltrechtliche Studien – Studies on Environmental Law,Bd. 30)