Herbert Werle vereint Kalaschnikow mit Pistole 08 ... · Sowohl das Sturmgewehr AK-47 von Michael...

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D em Schöpfer seiner großen Leiden- schaft ist Büchsenmacher Herbert Werle nie persönlich begegnet. Wie denn auch? Georg Luger (1849- 1923), der Konstrukteur der legendären deutschen Ordonnanzpistole P 08, war bereits über drei Jahrzehnte tot, als Werle zur Welt kam. Dennoch zog ihn die auch als Luger- oder Parabellum-Pistole bekannte Faustfeuerwaffe in ihren Bann und ließ den mittlerweile 62-jährigen Büchsenmacher mit Sitz im pfälzischen Dudenhofen bis heute nicht mehr los. Das belegen etliche Werle-Protopypen von Waffen auf Basis der „Null-Acht“, wie etwa seine aus P08 und Walther GSP kreierte Doubel Barrel Luger sowie die in VISIER Special 48 gezeigten Modelle 08-Karabiner und Mini-Luger, aber ganz besonders auch die folgende Geschichte zu seinem jüngsten Werk. Folgenreiche Zusammenkunft: Als im Dezember 2013 Michael Kalasch- nikow, der Konstrukteur der bekanntes- ten und verbreitetsten Handfeuerwaffe der Welt, verstarb, keimte in Werle eine Idee auf: Zu Ehren des Designers der AK-47 wollte er eine Luger 08 mit die- sem Sturmgewehrmodell verbinden. Um den Beweggrund für dieses Ansinnen zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Auf einem von VISIER im Februar 1997 veranstalteten Symposium in Speyer hielt Michael Kalaschnikow auch die be- reits genannte Double Barrel Luger in sei- nen Händen – zweifellos eine große Ehre für den emsigen Null-Acht-Fan Werle. Hochzeit der Legenden Herbert Werle vereint Kalaschnikow mit Pistole 08: 30 | VISIER. de Juli 2016 TEST & TECHNIK | AK-47-Luger von Werle

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Dem Schöpfer seiner großen Leiden- schaft ist Büchsenmacher Herbert Werle nie persönlich begegnet.

Wie denn auch? Georg Luger (1849-1923), der Konstrukteur der legendären deutschen Ordonnanzpistole P 08, war bereits über drei Jahrzehnte tot, als Werle zur Welt kam. Dennoch zog ihn die auch als Luger- oder Parabellum-Pistole bekannte Faustfeuerwaffe in ihren Bann und ließ den mittlerweile 62-jährigen Büchsenmacher mit Sitz im pfälzischen Dudenhofen bis heute nicht mehr los. Das belegen etliche Werle-Protopypen von Waffen auf Basis der „Null-Acht“, wie etwa seine aus P08 und Walther GSP kreierte Doubel Barrel Luger sowie die in VISIER Special 48 gezeigten Modelle 08-Karabiner und Mini-Luger, aber ganz besonders auch die folgende Geschichte zu seinem jüngsten Werk.

Folgenreiche Zusammenkunft:Als im Dezember 2013 Michael Kalasch-nikow, der Konstrukteur der bekanntes-ten und verbreitetsten Handfeuerwaffe der Welt, verstarb, keimte in Werle eine Idee auf: Zu Ehren des Designers der AK-47 wollte er eine Luger 08 mit die-sem Sturmgewehrmodell verbinden. Um den Beweggrund für dieses Ansinnen zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Auf einem von VISIER im Februar 1997 veranstalteten Symposium in Speyer hielt Michael Kalaschnikow auch die be-reits genannte Double Barrel Luger in sei-nen Händen – zweifellos eine große Ehre für den emsigen Null-Acht-Fan Werle.

Hochzeit der Legenden

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Sowohl das Sturmgewehr AK-47 von Michael Timofejewitsch Kalaschnikow als auch die Pistole „Null-Acht“ von Georg Johann Luger gehören zu den bekanntesten Vertretern ihrer Art. Aber was kommt dabei heraus, wenn ein kreativer Waffenbauer aus beiden Modellen eine neue Waffe macht?

Hochzeit der Legenden

Von vorn betrachtet sieht die Werle AK-47-Luger fast aus wie ein eigenwilliger Bergstutzen. Dabei handelt es sich hier keineswegs um eine Bock-büchse mit zwei unterschiedlichen Laufkalibern.

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Die Herausforderung: Bei der angestrebten Fusion von AK und Null-Acht sollte das Gesamtbild der Ka-laschnikow möglichst erhalten bleiben. Lange Zeit spielte Werle mit dem Gedan-ken, sich für seine Konstruktion eines kompletten AK-47-Systemgehäuses zu bedienen, verwarf den Gedanken dann aber wieder und entschied sich dazu, das Gehäuse so aufzutrennen, dass die Pisto-le möglichst unverändert daran anzubrin-gen war. Der technische und zeitliche Auf-wand hätte ansonsten in keiner Relation mehr zum gewünschten Ziel gestanden, einem schussfähigen Mix aus beiden Mo-dellen. Außerdem bot sich Werle so die Möglichkeit, an seinem ehernen Grund-satz festzuhalten, nach Möglichkeit keine Luger-Pistole irreversibel abzuändern.

Überhaupt greift Werle bei seinen Null-Acht-Konstrukten nur auf nicht nummer-gleiche Modelle mit geringem Sammler-wert zurück. „Schließlich will ich ja auch keine einzigartigen Pistolen entwerten“, betont Werle. Ihm geht es vielmehr darum zu zeigen, was man aus respektive mit der aus militärischer Sicht ohnehin veralte-ten Pistole noch alles machen kann. So auch bei dem Modell zu Ehren der russi-schen Waffenbau-Legende. Also blieb die Pistole weitgehend erhalten und bekam lediglich einen längeren Lauf und Vor-richtungen zum Anbringen des modi�-zierten AK-Hinterschaftes und zur Ver-bindung mit dem erheblich gekürzten AK-Gehäuse samt Vorderschaft. Apropos Lauf: Hier nutzt Werle einen 32 Zentime-ter langen 9-mm-Luger-Lauf aus eigener

Fertigung, dem dann das Gasrohr der AK als Führung dient. Dabei ragt der Lauf dann vorne allerdings rund eine Hand-breit über das Gasrohr hinaus. Zwecks An-mutung bleibt der originale Kalaschni-kow-Lauf samt Kornträger aber auch am Systemkasten erhalten. Kein Problem, da er eh aufgrund zahlreicher mehr als kali-bergroßer Bohrungen unter dem Hand-schutz und innen an mehreren Stellen zugeschweißt nicht mehr nutzbar ist. Das stillgelegte Rohr dient demnach nur noch als Stütze für das Gasrohr und den Korn-träger des AKs. Dieser stand nun aber dem Schießen aus dem Pistolenlauf im wahrs-ten Sinne des Wortes im Wege. Auch hier fand Werle eine Lösung. Er besann sich darauf, dass sich bei vielen Waffen vor der Mündung auch noch andere Gerätschaf-

Modell: Werle AK-47-Luger

Preis: auf Anfrage

Kaliber: 9 mm Luger

Kapazität: 10 + 1 Patronen (MecGar HiCap- Magazin); 32 + 1 Patronen (Trommelmagazin)

Lau�änge: 320 mm

Visierlänge: 384 mm

Abzugsgewicht: 2950 g

Gesamtlänge: 742 mm

Ausführung: Luger P08 mit Kniehebel- verschluss, nicht nummerngleich, mit deaktivierten AK-47-Gehäuseteilen, -Lauf und AK-Schichtholzschaft verbunden.

Zum Zielen nutzt Werles Umbau die originale AK-47-Visierung. Dabei wird die auf das 7,62er AK-Kaliber abgestimmte Skalenbeschriftung allerdings obsolet.

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ten wie etwa Schalldämpfer, Mündungs-bremsen oder Feuerdämpfer be�nden. Bei all diesen �iegt das Geschoss, nach dem Passieren des eigentlichen Laufendes, noch durch eine überkalibrige Bohrung. Wenn das funktioniert, warum nicht auch der Flug durch eine entsprechende Öff-nung im Kornträger, nach einer kurzen freien Strecke. Also lautet Werles Lösung: Nur mal eben dieses Teil auftrennen, dann ein mittels Lehre exakt mit der Mündung ausgerichtetes Stück Rohr per Hartlöten dazwischen �xieren und fertig. Allerdings galt es dabei auch zu beachten, dass das im oberen Teil des Trägers untergebrachte Korn auch weiterhin mit dem auf einem Überstand des Gehäuses verbliebenen Schiebevisier der AK-47 harmoniert.

Was bringt das Ganze?In erster Linie liefert Werles gelungene Hommage an Michael Kalaschnikow den Beweis dafür, dass zwei so grundverschie-dene Waffentypen eine schießende Ver-bindung eingehen können. Und in zweiter Linie bereitet dieses Schießeisen natür-lich jede Menge Spaß und das nicht nur beim Angucken. Sogar den schießver-wöhnten VISIER-Testern zauberte Werles AK47-Luger beim Funktionstest ein brei-tes Grinsen ins Gesicht. Mangels empfoh-lenen Magtech-Patronen mit 115 Grains schwerem Hohlspitzgeschoss fütterten sie, nach Rücksprache mit dem Erbauer, die Waffe zunächst ausgiebig mit der GECO-Sorte mit 124-Grains-Vollmantel-Projektil. Diese und die auch noch pro-bierte PPU-Laborieung mit 115 Grains schwerem Vollmantel-Geschoss verdaute die AK-47-Luger ohne zu murren. Obwohl Werle den Hinterschaft am Übergang zur Pistole bereits stark abgeschrägt hat, scheint der Platz zwischen Kolbenhals der AK und Pistolengriff der Luger für Schüt-zen mit großen Händen recht eng. Beim Schießen bemerkt man den sich unge-wohnt dicht vor dem Auge aufbäumenden Verschluss eigentlich erst nach dem letz-ten Schuss, wenn er im Fang stehen bleibt und die Visierlinie verdeckt. Das wäre beim Schießen mit einer Standard-08 mit Anschlagschaft aber auch nicht anders.

Text: Andreas WilhelmusFotos: Michael Schippers

Testwaffe: Herbert Werle, www.waffen-werle.de – vielen Dank!

Nach dem letzten Schuss bleibt der Kniehebelverschluss der Pistole Null-Acht geöffnet im Fang stehen. Dabei verdeckt er den Blick auf die Visierung.

Beim Repetieren läuft der Lauf der Null-Acht vorm Entriegeln einen Teil des Verschlussweges mit nach hinten. Werle führt ihn dabei durch das Gasrohr der AK-47.

Nach dem Verriegeln nimmt der Verschluss das Rohr wieder mit in seine vorderste Position. Die Distanz zwischen Mündung und Kornträger ist dann am geringsten.

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