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Kommentare zu Arbeitsblatt M1: Widerstand gegen das NS-Regime – Begriffsdefinition Bis heute ist eine genaue Definition dessen, was unter Widerstand zu verstehen sei, in der historischen Fach- wissenschaft umstritten. Viele Historiker haben sich daran versucht, Widerstand gegen das NS-Regime zu definieren. Die Modelle dazu sind vielfältig; sie sind auch immer aus der Zeit ihrer Entstehung heraus zu be- urteilen. Hierzu der Historiker WOLFGANG BENZ: „Auch die Historiker haben Probleme mit der Definition von Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In der Bundesrepublik herrschte lange Zeit die Vorstellung, es sei ein Widerstand ohne Volk gewesen, den nur wenige Angehörige traditioneller Eliten geleistet hätten, wäh- rend „das Volk“ in Begeisterung zum Regime verharrte. In der DDR wurden hingegen die Aktionen der Kommu- nisten als alleingültiger Antifaschismus glorifiziert. Um die Verweigerung, die sich im Kampf um Kruzifixe in den Schulen, in der Vermeidung des ‚Heil-Hitler- Grußes’ oder durch das Hören ausländischer Rund- funksender ausdrückte, um schließlich alle Haltungen von Opposition in den Widerstand einzubeziehen, wurde der Begriff ‚Resistenz’ eingeführt. Ihm waren fol- gende Merkmale zugeordnet: ‚Wirksame Abwehr, Be- grenzung, Eindämmung der NS-Herrschaft oder ihres Anspruchs, gleichgültig von welchen Motiven, Gründen und Kräften her’ (MARTIN BROSZAT). Diese Begriffsbe- stimmung aus den frühen 80er Jahren hat sich nicht durchgesetzt. Der schwerwiegendste Einwand dagegen lautet, dass fast jedes nicht regimekonforme Alltags- verhalten, ohne Rücksicht auf die Motive, unter diesen ‚erweiterten Widerstandsbegriff’ falle, dass somit jeder, der dem NS-Regime nicht ständig Beifall spendete, schon Widerstand geleistet hätte (ANDREAS HILLGRU- BER). Um der damaligen Wirklichkeit zu entsprechen und um den verschiedenen Formen von Opposition gerecht zu werden, ist Widerstand im eigentlichen Sinne nicht nur als Haltung zu definieren, sondern als Handeln, das auf grundsätzlicher Ablehnung des Nationalsozialismus be- ruhte, das aus ethischen, politischen, religiösen, sozia- len oder individuellen Motiven darauf abzielte, zum Ende des Regimes beizutragen. Voraussetzung und An- lass war eine Haltung von ‚Dissens zum NS-Regime’ (IAN KERSHAW) oder von ‚weltanschaulicher Dissidenz’ (RICHARD LÖWENTHAL). Widerstand wurde daraus, wenn diese Haltung sich zur Absicht verdichtete, eine Änderung der Verhältnisse herbeizuführen. Widerstand im eigentlichen Sinne war dann jeder ‚bewusste Ver- such, dem NS-Regime entgegenzutreten’ (CHRISTOPH KLEßMANN) und die damit verbundenen Gefahren auf sich zu nehmen.“ Es gibt also zahlreiche Varianten eines engeren oder weiteren Widerstandsbegriffes, die sich z. T. auch in der fachdidaktischen Diskussion und in der praktischen Umsetzung z. B. auf der Ebene der Schulbücher und Un- terrichtsmaterialien widerspiegeln. Es wird daher hier auch auf die Favorisierung eines Modells verzichtet. Materialien und Aufgabenstellungen des Arbeitsblat- tes bieten den Schüler/innen stattdessen die Möglich- keit, die Bandbreite widerständigen Verhaltens und seiner Interpretationen kennenzulernen, einzuordnen und kritisch zu reflektieren. Das Arbeitsblatt kann so- wohl zu Beginn einer Unterrichtseinheit zum Wider- stand als auch zu einem späteren Zeitpunkt (nachdem bereits konkrete Beispiele des Widerstands behandelt wurden) eingesetzt werden. Auch wenn immer die Ge- fahr einer unangemessenen Hierarchisierung des Widerstands besteht, so wurde hier bei den abgedruck- ten Materialien doch auf eines der existierenden Stufenmodelle (nach D. PEUKERT) zurückgegriffen, weil es die unterschiedliche Qualität und Intensität von widerständigem Verhalten und auch Entwicklungs- schritte widerständiger Personen verdeutlichen kann. Aufgrund des u. a. durch die vielen Fachbegriffe und Abstraktionen allein schon sprachlich anspruchsvolle- ren Textmaterials wird die Behandlung in leistungs- stärkeren Gruppen der Abschlussklassen der Sekun- darstufe I und Kursen der gymnasialen Oberstufe emp- fohlen; gleichwohl wird die Lehrkraft bei der Klärung der Begriffe eine Hilfestellung anbieten müssen. 248 Hinweise und Kommentare zu den Unterrichtsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer

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Kommentare zu Arbeitsblatt M1:

Widerstand gegen das NS-Regime –Begriffsdefinition

Bis heute ist eine genaue Definition dessen, was unterWiderstand zu verstehen sei, in der historischen Fach-wissenschaft umstritten. Viele Historiker haben sichdaran versucht, Widerstand gegen das NS-Regime zudefinieren. Die Modelle dazu sind vielfältig; sie sindauch immer aus der Zeit ihrer Entstehung heraus zu be-urteilen. Hierzu der Historiker WOLFGANG BENZ:

„Auch die Historiker haben Probleme mit der Definitionvon Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In derBundesrepublik herrschte lange Zeit die Vorstellung, essei ein Widerstand ohne Volk gewesen, den nur wenigeAngehörige traditioneller Eliten geleistet hätten, wäh-rend „das Volk“ in Begeisterung zum Regime verharrte.In der DDR wurden hingegen die Aktionen der Kommu-nisten als alleingültiger Antifaschismus glorifiziert. Umdie Verweigerung, die sich im Kampf um Kruzifixe inden Schulen, in der Vermeidung des ‚Heil-Hitler-Grußes’ oder durch das Hören ausländischer Rund-funksender ausdrückte, um schließlich alle Haltungenvon Opposition in den Widerstand einzubeziehen,wurde der Begriff ‚Resistenz’ eingeführt. Ihm waren fol-gende Merkmale zugeordnet: ‚Wirksame Abwehr, Be-grenzung, Eindämmung der NS-Herrschaft oder ihresAnspruchs, gleichgültig von welchen Motiven, Gründenund Kräften her’ (MARTIN BROSZAT). Diese Begriffsbe-stimmung aus den frühen 80er Jahren hat sich nichtdurchgesetzt. Der schwerwiegendste Einwand dagegenlautet, dass fast jedes nicht regimekonforme Alltags-verhalten, ohne Rücksicht auf die Motive, unter diesen‚erweiterten Widerstandsbegriff’ falle, dass somit jeder,der dem NS-Regime nicht ständig Beifall spendete,schon Widerstand geleistet hätte (ANDREAS HILLGRU-BER).Um der damaligen Wirklichkeit zu entsprechen und umden verschiedenen Formen von Opposition gerecht zuwerden, ist Widerstand im eigentlichen Sinne nicht nurals Haltung zu definieren, sondern als Handeln, das auf

grundsätzlicher Ablehnung des Nationalsozialismus be-ruhte, das aus ethischen, politischen, religiösen, sozia-len oder individuellen Motiven darauf abzielte, zumEnde des Regimes beizutragen. Voraussetzung und An-lass war eine Haltung von ‚Dissens zum NS-Regime’(IAN KERSHAW) oder von ‚weltanschaulicher Dissidenz’(RICHARD LÖWENTHAL). Widerstand wurde daraus,wenn diese Haltung sich zur Absicht verdichtete, eineÄnderung der Verhältnisse herbeizuführen. Widerstandim eigentlichen Sinne war dann jeder ‚bewusste Ver-such, dem NS-Regime entgegenzutreten’ (CHRISTOPHKLEßMANN) und die damit verbundenen Gefahren aufsich zu nehmen.“

Es gibt also zahlreiche Varianten eines engeren oderweiteren Widerstandsbegriffes, die sich z. T. auch in derfachdidaktischen Diskussion und in der praktischenUmsetzung z. B. auf der Ebene der Schulbücher und Un-terrichtsmaterialien widerspiegeln. Es wird daher hierauch auf die Favorisierung eines Modells verzichtet.Materialien und Aufgabenstellungen des Arbeitsblat-tes bieten den Schüler/innen stattdessen die Möglich-keit, die Bandbreite widerständigen Verhaltens undseiner Interpretationen kennenzulernen, einzuordnenund kritisch zu reflektieren. Das Arbeitsblatt kann so-wohl zu Beginn einer Unterrichtseinheit zum Wider-stand als auch zu einem späteren Zeitpunkt (nachdembereits konkrete Beispiele des Widerstands behandeltwurden) eingesetzt werden. Auch wenn immer die Ge-fahr einer unangemessenen Hierarchisierung desWiderstands besteht, so wurde hier bei den abgedruck-ten Materialien doch auf eines der existierendenStufenmodelle (nach D. PEUKERT) zurückgegriffen, weiles die unterschiedliche Qualität und Intensität vonwiderständigem Verhalten und auch Entwicklungs-schritte widerständiger Personen verdeutlichen kann.Aufgrund des u. a. durch die vielen Fachbegriffe undAbstraktionen allein schon sprachlich anspruchsvolle-ren Textmaterials wird die Behandlung in leistungs-stärkeren Gruppen der Abschlussklassen der Sekun-darstufe I und Kursen der gymnasialen Oberstufe emp-fohlen; gleichwohl wird die Lehrkraft bei der Klärungder Begriffe eine Hilfestellung anbieten müssen.

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Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Diese Aufgabe dient der zusammenfassendenAuswertung des Einführungstextes und des grundle-genden Textes von A. ULRICH, zunächst einmal imSinne einer Sammlung der verschiedenen Formen wi-derständigen Verhaltens (z. B. in einer Tabelle) und derErläuterung ihrer Charakteristika.

Zu 2) Anders als in der Tabelle von Aufgabe 1 sollen dieSchüler/innen hier Strukturen erkennen und Zusam-menhänge herstellen und sie verschiedenen Stufenwiderständigen Verhaltens zuordnen. Zugleich soll ineinem Gruppengespräch die Problematik solcher not-wendigerweise vereinfachender Visualisierungen dis-kutiert und damit ein Problembewusstsein zur Defi-nition von Widerstand entwickelt werden.

Zu 3) Dieses Foto wird in vielen Publikationen zumWiderstand gegen den Nationalsozialismus als Illustra-tion verwendet. Entscheidend bei dieser Aufgabe istnicht, dass die Schüler/innen das „Nicht-Grüßen“ desMannes „richtig“ einordnen, sondern die Begründung,die sie für Ihre Wahl abgeben. Diese Aufgabe soll zumNachdenken darüber anregen, dass neben grundsätzli-chen oder punktuellen Abweichungen von den Zielendes Nationalsozialismus bis hin zu entschiedenemWiderspruch und massiver Ablehnung des Regimes vorallem auch die Lebenswirklichkeit des Einzelnen das je-weilige Verhalten immer bestimmte. Effektive Wider-standshandlungen setzten neben der grundsätzlichenBereitschaft hierzu nicht nur Mut und Risikobereit-schaft voraus, sondern auch das Vorhandensein realerMöglichkeiten.

Zu 4) Diese anspruchsvollere Aufgabe, die etwa in Kur-sen der gymnasialen Oberstufe behandelt werdenkönnte, soll einerseits die Fähigkeit zur Differenzierungschulen, andererseits verdeutlichen, dass unterschied-liche Handlungen unter je unterschiedlichen Rahmen-bedingungen vom NS-Regime oder von den Akteurenwiderständigen Verhaltens unterschiedlich bewertetwerden können.

Zu 5) Der jüdische Sozialdemokrat Fritz Bauer, der dieNS-Zeit in KZ und Emigration verbrachte, war ab 1956hessischer Generalstaatsanwalt in Frankfurt am Main,einer der wenigen Juristen ohne Karriere im DrittenReich. Die meisten ehemaligen NS-Beamten, darunterdie des Justizapparats, zeigten nach dem Krieg keiner-lei Schuldbewusstsein gegenüber den NS-Verbrechen,da man als Beamter dem NS-Staat, d. h. Hitler, ver-pflichtet gewesen sei. Ehemalige SS-Beamte pochten

in der jungen Bundesrepublik mit größter Selbstver-ständlichkeit auf Wiedereinstellung oder ihre Beam-tenrente.Fritz Bauer kämpfte dagegen für ein allgemeines Rechtauf Widerstand bei Verbrechen des Staats. Für ihn galtnicht allein der in der Bundesrepublik gefeierte konser-vative Widerstand der Männer des 20. Juli 1944 alsanerkennenswert, sondern er bezog auch den kommu-nistischen Widerstand mit ein. Dessen teilweise Aner-kennung blieb später der 68er Bewegung vorbehalten.Fritz Bauer brachte den berühmten Frankfurter Ausch-witz-Prozess in Gang (1963-1965) und bereitete geradeeinen Prozess gegen die juristischen Schreibtischtäterder sogenannten „Euthanasie“ vor, als er 1968 unterungeklärten Umständen starb.Fritz Bauer glaubte daran, dass sich Gegenwart und Zu-kunft im Sinne von Recht und Gerechtigkeit gestaltenließen, weil letztendlich alle Menschen das richtige, daswahre Recht suchen. Man kann dies als seine Lebens-maxime bezeichnen, jedenfalls aber war es Bauers Um-schreibung für seinen unermüdlichen Kampf umFreiheit und Menschenrechte. Nur die Menschenrechteboten ihm die Gewähr, dass sich Auschwitz nicht mehrwiederhole. Es ging ihm um die Zukunft.Mittels der Auseinandersetzung mit der Figur von FritzBauer und seiner Aussage sollen die Schüler/innen dieFrage diskutieren, inwieweit die Beschäftigung mit demNationalsozialismus bzw. dem Widerstand gegen dasNS-Regime für unsere Gegenwart noch von Bedeutungist. Die Auseinandersetzung mit dem gegen das NS-Regime geleisteten Widerstand als Kampf für dieMenschenrechte soll den Blick auch auf aktuelle Men-schenrechtsverletzungen und die Erziehung und Bil-dung zu Demokratie und Toleranz lenken.

Literaturhinweise

WOLFGANG BENZ, Geschichte des Dritten Reiches.München ³2005

MICHAEL KIßENER, Das Dritte Reich (Kontroversen umdie Geschichte), Darmstadt: Wissenschaftliche Buch-gesellschaft 2005

DETLEV PEUKERT, Volksgenossen und Gemeinschafts-fremde: Anpassung, Ausmerze und Aufbegehrenunter dem Nationalsozialismus. Köln 1982 (Schau-bild, S. 97)

AXEL ULRICH, Widerstand auf dem Gebiet des heuti-gen Rheinland-Pfalz – ein Überblick (im Textteil die-ser Publikation)

Quellennachweis

Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin

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Kommentare zu Arbeitsblatt M2:

Kommunistischer Widerstand –ein Überblick

Die Entscheidung den Widerstand aus Kreisen der Kom-munisten hier chronologisch an die erste Stelle zusetzen folgt dem überwiegenden Teil der wissen-schaftlichen Veröffentlichungen und didaktischenMaterialien. Sie entspricht im Übrigen auch der Tatsa-che, dass die Kommunisten nicht nur zeitlich die Erstenwaren, die Widerstand leisteten, sondern auch auf-grund der Rahmenbedingungen die höchste Zahl anOpfern zu beklagen hatten. Damit ist natürlich keine –und schon gar keine moralisch-ethische Bewertungdieser oder anderer Widerstandsgruppen verbunden.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Hier wird erwartet, dass die Schüler/innen die be-sonderen Gefahren des frühen Widerstands nach derMachtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 unddie daraus und aus den offenen Formen des Wider-stands resultierenden hohen Verhaftungsquoten nen-nen und erläutern können. Wichtig sind schon an dieserStelle Hinweise auf die Organisation des Widerstandsaus dem Exil, insbesondere durch die grenznahen Stütz-punkte und Abschnittsleitungen. Es sollten der regio-nale Schwerpunkt der widerständigen Kommunisten inSüdwestdeutschland und die wichtigsten Städte wieLudwigshafen, Worms, Speyer usw. genannt werden.

Zu 2) Der zugrunde liegende Auszug des wissenschaft-lichen Beitrags von Axel Ulrich macht deutlich, dass esaufgrund der hohen Risikobereitschaft der kommuni-stischen Widerstandskämpfer und der hierarchischenStruktur der illegalen Parteiorganisation der Gestaposchon früh gelang, in diese Strukturen einzudringenund die regionalen Parteiorganisationen auszuschalten.

Zu 3) Die relativ hohen Auflagenzahlen der illegalenZeitungen und Druckschriften und ihre überregionaleVerbreitung spielten am Anfang der kommunistischenWiderstandstätigkeit eine wichtige Rolle, einmal umdie Existenz des Widerstands zu belegen und seinenpotenziellen Anhängern Hoffnung zu machen, zum An-deren aber auch, um Gegenpositionen zum NS-Regimein der (arbeitenden) Bevölkerung zu verbreiten. AbMitte der 1930er Jahre spielte diese Propaganda mitHilfe von Printmedien aufgrund der Zerschlagung derillegalen Parteiorganisationen praktisch keine Rollemehr, wiewohl der Zusammenhalt zwischen den kom-munistischen Anhängern bei entsprechenden Anlässen

immer wieder demonstriert wurde, wie die zeitlich spä-teren Lageberichte der Gestapo belegen.

Zu 4) Die Schüler/innen (in leistungsstarken Gruppender SI oder in Kursen der SII) können zunächst eineweitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der Be-schreibung und Bewertung der Widerstandstätigkeitzwischen Primärquelle (Gestapo-Berichte) und Sekun-därquelle (wiss. Text) feststellen. Der Auszug aus denGestapo-Lageberichten bietet darüber hinaus weitereDetails und Informationen zu den späteren 1930er Jah-ren.

Zu 5) Die Schüler/innen sollten den charakteristischenZeitungskopf erkennen, der schon auf den ersten Blickdas Bemühen um Kontinuität i. S. einer Fortführung desZentralorgans der KPD auch vom Ausland aus sichtbarmacht. Typisch erscheint auch die Hauptschlagzeile, dieeinerseits die Kriegspolitik Hitlers (entgegen seinen öf-fentlichen Verlautbarungen) zu entlarven versucht, an-dererseits deutlich die Hauptzielgruppe der Arbeiter(„Werktätige“) anspricht. Das einfache Layout und diefehlenden Abbildungen verweisen auf die schwierigenProduktionsbedingungen in Zeiten des Exils.

Zu 6) Die Hausaufgabe ermöglicht einen Blick auf dieunterschiedlichen Zeitungen und Druckschriften derKPD nicht nur während der illegalen Widerstandstätig-keit aus dem Exil, sondern auch auf ihre Entwicklungseit den Zeiten der Weimarer Republik. Die hierzu not-wendigen Informationen sind mit Hilfe einschlägigerLexika und entsprechender Websites im Internet leichtund schnell zu recherchieren.

Literaturhinweise

KLAUS J. BECKER, Die KPD in Rheinland-Pfalz 1946 –1956. Mainz 2001 (darin Kapitel: Die KPD in derIllegalität zwischen 1933 und 1945, S. 56 – 77)

KLAUS-MICHAEL MALLMANN, KommunistischerWiderstand 1933 – 1945. Anmerkungen zu For-schungsstand und Forschungsdefiziten, in: PETERSTEINBACH/JOHANNES TUCHEL (HRSG.), Widerstandgegen den Nationalsozialismus. Bonn 1994, S. 113 -125

JÜRGEN STROECH, Die illegale Presse. Eine Waffe imKampf gegen den deutschen Faschismus. Ein Beitragzur Geschichte und Bibliographie der illegalen anti-faschistischen Presse 1933 bis 1939. Frankfurt/M.1979

AXEL ULRICH, Widerstand auf dem Gebiet des heuti-gen Rheinland-Pfalz – ein Überblick (im Textteildieser Publikation)

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HERMANN WEBER, Die KPD in der Illegalität, in:RICHARD LÖWENTHAL/PATRIK VON ZUR MÜHLEN(HRSG.), Widerstand und Verweigerung in Deutsch-land 1933 bis 1945. Berlin, Bonn 1984, S. 83 - 101

Quellennachweise

Abb.1- Karl-Liebknecht-Haus: Gedenkstätte DeutscherWiderstand, Berlin; Abb. 2 – Herbert Wehner: Archivder sozialen Demokratie (AdsD); Abb. 3 – Jakob Newin-ger: privat; Abb. 4 – Titelseite „Rote Fahne“: Gedenk-stätte Deutscher Widerstand

Kommentare zu Arbeitsblatt M3:

Kommunistischer Widerstand –Philipp Wahl (Rheinhessen)

Ergänzend zu diesem beschäftigt sich ein weiteresArbeitsblatt (M 19) mit dem Einheitsverband der See-leute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer sowie dessenVerbandsorgan „Die Schiffahrt“. Hier findet man wei-tere Informationen zur Organisationsstruktur desVerbandes, in dem Philipp Wahl Mitglied war. Für dieBearbeitung des Arbeitsauftrages 2 ist es erforderlichauch die Karte von Seite 275 für die Schüler/innen zukopieren.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die erste Aufgabe dient der Strukturierung, umden Schüler/innen die Möglichkeit zu geben, sich einenÜberblick über die Lebensstationen Wahls zu geben. Einmögliches Auswertungsresultat:- 15.1.1913 Wahl wird in Stuttgart geboren- Lehre in einem Bauhüttenbetrieb- 1931 Wahl heuert als Schiffsjunge auf einem

Rheinschiff an- 1932 Eintritt in die KPD und in die kommunistische

Gewerkschaft, Beginn seiner illegalen Tätigkeitals Kurier

- März 1933 Verhaftung in Worms, brutales Verhör,Krankenhausaufenthalt

- März 1933 bis Ende 1933 „Schutzhaft“ im KZ Osthofen- 1934 bis Ende 1938 wiederum Tätigkeit als

konspirativer Kurier- 1938 Zwangsrekrutierung, Arbeit als Stuckateur

in Berlin- 1939 Einberufung in die Wehrmacht- 1944 Schwere Verwundung an der Ostfront- Nach dem Krieg bis zu seinem Tod 2009 lebt Wahl in

Worms

Zu 2) und 3) Philipp Wahl war in eine Gruppe von fünfPersonen eingebunden. Alle kannten verschiedene Ver-bindungsmänner und – frauen an mehreren Ortenentlang des Rheins. Genannt werden folgende Orte:Mannheim, Karlsruhe, Nierstein und Kaub. Am Beispieldes Verbindungsmanns in Kaub erkennen dieSchüler/innen den weiteren Fortgang: Die Materialienwerden dort angenommen und dann weiter ins Lan-desinnere geschleust, – in diesem Fall in den Hunsrückund den Westerwald. Die Zentrale der Gewerkschaftbefand sich in Rotterdam (und somit im zunächst nochvergleichsweise sicheren Ausland, das Schiff, auf demWahl angeheuert hatte, gehörte einer belgischen Ree-derei). Die Widerstandstätigkeit war trotzdem gefähr-lich, wie sich an Wahls eigenem Schicksal deutlichzeigt. Entsprechend der Aufgabenstellung sollten vierunterschiedliche Farben bzw. Unterstreichungen ge-wählt werden. Zu unterscheiden sind die verschiede-nen Lebensstationen, Kontaktpersonen, die Zentrale derGewerkschaft sowie die Gebiete, in die das illegaleMaterial geschleust wurde.Die Vorteile für die antinazistische Widerstandstätig-keit sollten den Schüler/innen beim Betrachten derKarte (S. 276) klar werden: Die Rheinschiffer durchfah-ren von den Niederlanden aus Deutschland in seinergesamten Länge. Die Rheinschiffe waren recht groß,was die Schmuggeltätigkeit erleichterte. Den Schiffernwar es somit möglich, eine Fülle illegalen Materialsquer durch Deutschland unerkannt abzusetzen.Ergänzend zu dem, was Wahl hier als „Material“ be-zeichnet, hat er CHRISTINE HARTWIG-THÜRMER ge-nauer berichtet, welche Materialien entlang des Rheinsan die Verbindungsmänner weitergegeben wurden:

„Wir hatten auch die Aufgabe, Materialien nachDeutschland zu schleusen. Von dem Tag der Macht-übergabe an die Nazis an begann die Verteilung vonFlugschriften, die informierten und zum Widerstandaufriefen. Ich kann mich noch schön erinnern, da gab’sPapier, feinstes Reispapier, das konnte man sogar essen,wenn es notwendig war. Aber da gab es auch so schöneReclamhefte. Da stand vorne drauf „Don Carlos“ undinnen hat man zwei Seiten Don Carlos gelesen, unddann (einen Bericht) über den Reichstagsbrand. Späterhatte ich (auf dem Schiff) eine große Kiste, in der ichdie Materialien in verschiedene Städte geschleusthabe.“

Zu 4) Die Aufgabe beinhaltet ein zusätzliches Angebotund soll an zuvor Gelerntes anknüpfen, indem das Wis-sen über die Endphase der Weimarer Republik aufge-frischt wird.

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Literaturhinweise

CHRISTINE HARTWIG-THÜRMER, Philipp Wahl – einehemaliger Häftling des KZ Osthofen berichtet. In:Mainzer Geschichtsblätter 13 (2004), S. 24 - 35

HOMEPAGE DER LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHEBILDUNG RHEINLAND-PFALZ – Nachruf PhilippWahl. www.politische-bildung-rlp.de/525.html.

Quellenachweise

Foto Philipp Wahl: NS-Dokumentationszentrum Rhein-land-PfalzAuszug aus einem Brief von Philipp Wahl an AngelikaArenz-Morch aus dem Jahre 1997 (o. genaues Datum):NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz

Kommentare zu Arbeitsblatt M4:

Kommunistischer Widerstand –Luise Ott (Rheinhessen)

1950 stellte Luise Ott einen Wiedergutmachungsantragwegen Freiheitsentzugs und Schäden an Körper undGesundheit. Dieser wurde mit der Begründung abge-lehnt, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischennationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen undihren erlittenen Gesundheitsschäden festzustellen sei.Ergebnis nach 23 Jahre währenden Auseinanderset-zungen war eine sogenannte Härteausgleichsleistungin Höhe von 1.000,- DM. Außerdem war ihr 1958 einekleine Rente in Höhe von 100,- DM monatlich wegenSchadens im beruflichen Fortkommen bewilligt wor-den.In dem Beitrag von ANGELIKA ARENZ-MORCH, „Politi-scher Widerstand gegen den Nationalsozialismus inRheinhessen“, werden die Lebensläufe von Luise Ottund Elisabeth Groß dargestellt. Vor dem Hintergrunddieser Informationen wäre folgende zusätzliche Aufga-bengabenstellung möglich:

Vergleiche die Lebensläufe von Elisabeth Groß undLuise Ott. Worin bestand deren politisches Engage-ment? Was resultierte daraus für ihr privates Leben?

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Luise Ott organisierte maßgeblich das Informati-ons- und Agitationsnetz der KJVD im Rhein-Main-Gebiet: Sie war Kontaktperson für Mitglieder, warbneue Mitstreiter an, verkaufte und verteilte antinazi-stische Flugschriften und stellte deren Weiterverbrei-

tung sicher. Hierzu verpflichtete sie Personen fürSchreibarbeiten usw. und stellte Verbindungen zuUnterverteilern her, organisierte konspirative Treffenund knüpfte Kontakte zu Informanten in den umlie-genden Großbetrieben.

Zu 3) Luise Ott widmete sich vollends ihrer politischenÜberzeugung. Familienangehörige halfen ihr durch Ge-währung von Unterkunft wiederholte Male, wodurchdiese aber auch selbst in Gefahr gebracht wurden. Dieauf ihrer Flucht erlittenen Verletzungen, ihre Internie-rung und das Leben im Untergrund haben ihreGesundheit schwerstens beeinträchtigt.

Literaturhinweise

ANGELIKA ARENZ-MORCH, Politischer Widerstandgegen den Nationalsozialismus in Rheinhessen (imTextteil dieser Publikation)

ARNOLD BUSCH, Widerstand gegen den Faschismus inder Mainspitze. In: CHRISTINE HARTWIG-THÜRMER,Ginsheim - Gustavsburg - Bischofsheim 1933 -1945. Die Mainspitze unterm Hakenkreuz. Frankfurta. Main, 1989, S. 83 ff.

ARNOLD BUSCH, Mit Flugblättern gegen den braunenTerror. Widerstand gegen den Faschismus in derMainspitze. In: Mainzer Geschichtsblätter 5 (1989),S. 73 - 82

BARBARA STEPHAN, Verfolgung nach der Verfolgung.Die Entschädigungssache Luise Ott. Fakten aus demLeben einer Illegalen. In: informationen, StudienkreisDeutscher Widerstand 1933 - 1945, Heft 52, Frank-furt a. Main, 2000, S. 27 - 31

Quellenachweise

Foto Luise Ott: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz; Abb. 2 – KPD-Flugblatt: Studienkreis DeutscherWiderstand 1933-1945, Frankfurt a. Main, AN 886

Kommentare zu Arbeitsblatt M5:

Antinazistische Flugschriften

Diese Aufgaben eignen sich zur Projektarbeit oder alslängerfristige Hausaufgabe. Erlass und Inhalt der „Not-verordnung“ sollten vor Beginn der Bearbeitung be-handelt worden sein. Über die inhaltliche Analyse vonFlugblättern hinaus soll den Schüler/innen die Einsichtvermittelt werden, wie schwierig es ohne modernetechnische Hilfsmittel war, im Verborgenen Flugblätterherzustellen und zu verbreiten.

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Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Der Tenor des Flugblatts ist dem Aufruf Karl Lieb-knechts: „Generalsturm auf Spartakus. Nieder mit denSpartakisten“, abgedruckt in der „Roten Fahne“ vom 15.Januar 1915, entlehnt. Damit stellt sich die Gruppe be-wusst in die Tradition der linken marxistischen Arbei-terbewegung um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.

Literaturhinweise

ANGELIKA ARENZ-MORCH, Politischer Widerstandgegen den Nationalsozialismus in Rheinhessen – einÜberblick (Beitrag in diesem Band)

ARNOLD BUSCH, Widerstand gegen den Faschismus inder Mainspitze. In: CHRISTINE HARTWIG-THÜMER,Ginsheim - Gustavsburg - Bischofsheim 1933 -1945. Die Mainspitze unterm Hakenkreuz. Frank-furt/M., o. J., S. 83 ff.

ARNOLD BUSCH, Mit Flugblättern gegen den braunenTerror. Widerstand gegen den Faschismus in derMainspitze. In: Mainzer Geschichtsblätter 5 (1989),S.73 ff.

Quellennachweis:

Flugblatt: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt G12,Nr. 21

Kommentare zu Arbeitsblatt M6:

Kommunistischer Widerstand –die Speyerer Kameradschaft (Pfalz)

Thälmanns Rolle als KPD-Führer während der Weima-rer Republik sowie dann als Verfolgter des NS-Regimeswar durchaus zwiespältig: Einerseits war er natürlichein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus undwurde von diesem auch entsprechend behandelt: Soblieb er elf Jahre in Haft, bis er am 18. August 1944 imKZ Buchenwald liquidiert wurde. Die NS-Propagandabehauptete jedoch später, er sei bei einem Bombenan-griff ums Leben gekommen. Andererseits war Thälmannstets ein treuer Gefolgsmann Stalins gewesen und hattedie KPD auf einen politischen Kurs gebracht, der vonunbedingter Treue Moskau gegenüber geprägt war.Unter Thälmanns Leitung hatte sich die KPD vor allemauf die politische Bekämpfung der SPD konzentriert,deren Mitglieder von ihr in Übereinstimmung mit Sta-lin als „Sozialfaschisten“ diffamiert worden sind. In derDDR, wo Thälmann zum Inbegriff des kommunistischenWiderstands stilisiert worden ist, hatte man dieJugendorganisation „Junge Pioniere“ in „Pionierorga-

nisation Ernst Thälmann“ umbenannt. Deren Mitglie-der hatten sich mit dem Thälmann-Gruß „Seid bereit -immer bereit“ zu grüßen.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 2) Das Radio war eines der wichtigsten Propagan-dainstrumente im Dritten Reich. Mit dem preiswerten„Volksempfänger“ sollte es jeder Familie ermöglichtwerden, Rundfunk zu hören – „ganz Deutschland hörtden Führer mit dem Volksempfänger“, lautete die Pa-role. Technisch war es jedoch möglich, mit diesem Gerätauch ausländische Sender zu empfangen. Daher wurdemit Beginn des Polenfeldzugs das Abhören von „Feind-sendern“ unter Strafe gestellt. Das Radio war das ein-zige Medium, mit dem relativ problemlos unabhängigeNachrichten zu empfangen waren, die nicht unter diestaatliche Zensur fielen und damit vergleichsweise ob-jektive Informationen z. B. über das Kriegsgeschehenversprachen. Beliebt war etwa der „German Service“ derBBC. Auch kulturell stellten Feindsender aus Sicht derNazis eine Gefahr dar, galt doch besonders die ameri-kanische Jazzmusik als degeneriert.

Literaturhinweis

JAN STORRE, Zwangsarbeiter in Speyer. In: Zwangsar-beit in Rheinland-Pfalz während des Zweiten Welt-kriegs. Hrsg. v. Hedwig Brüchert, Michael Matheus.Mainz 2002, S. 103 - 112

Quellennachweis

Foto Jakob Schultheis: privat

Kommentare zu Arbeitsblatt M7:

Kommunistischer Widerstand –Georg Lechleiter (Pfalz)

Seit Mitte der 1930er Jahre war der organisierteWiderstand der KPD durch zahlreiche Verhaftungen undMassenprozesse erheblich geschwächt. Georg Lechlei-ter gelang es, trotz der massiven Verluste, die Verbin-dungen zwischen den einzelnen kleinen Wider-standszellen erneut zu knüpfen. Dadurch bestand zuBeginn des Krieges im Raum Mannheim eine relativstarke kommunistische Organisation mit zahlreichenKontakten in der Pfalz und in Baden. Zur illegalenArbeit gehörte u. a. das Sammeln von Spenden zur Un-terstützung der Familien Inhaftierter, das Auswertender Nachrichten, die man beim Hören ausländischer

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Sender erhielt, das Sammeln von Informationen zurLage und Stimmung in den Betrieben und die Herstel-lung von Kontakten zu französischen Kriegsgefange-nen.Im September 1941 konnten die Mannheimer Kommu-nisten dazu übergehen, eine eigene, im Untergrund ge-druckte Zeitung „Der Vorbote“ herauszugeben, für dieLechleiter fast alle Artikel schrieb. Das Geld für den Kaufdes Papiers, der Matrizen und der Farbe wurde in denMannheimer Betrieben gesammelt. Zum Teil wurde dieZeitung im Raum Mannheim-Heidelberg-Ludwigs-hafen in den Betrieben verteilt, zum Teil auch an zu-verlässige Adressen in der Pfalz und in Südbaden mitder Post verschickt.Am 26. Februar 1942 kam es zu ersten Verhaftungen.Alle Festgenommenen wurden in den Verhören schwermisshandelt. Dem ersten Prozess, aus dessen Urteil hierzitiert wird, folgte noch ein weiterer. Insgesamt wur-den 19 Personen hingerichtet, drei weitere überlebtendie Ermittlungsphase nicht. Obwohl Lechleiters Helferdurchaus unterschiedlich stark in den Herstellungspro-zess eingebunden waren, war der Volksgerichtshofdarum bemüht, für alle Angeklagten unterschiedsloshohe Strafen zu verhängen.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Hier geht es zunächst darum, dass dieSchüler/innen das Strafmaß zur „Straftat“ in Bezug set-zen können. Die nötigen Informationen finden sie imAutorentext sowie im ersten Quellentext.

Zu 2) Die Zeilen 39 bis 46 sprechen deutliche Worte:Der Zusammenschluss zu einer Organisation, die plante,die „durch den Krieg geschaffene Notlage des deut-schen Volkes auszunutzen“, um Hitler zu stürzen undeine kommunistische Ordnung zu etablieren. Weitergeben die Richter in den Zeilen 84 bis 88 an, dass der„stärkste verbrecherische Wille“ der Angeklagten sie zueinem harten Strafmaß bewogen hätten. Konkreterwird in den Zeilen 91 bis 93 auf die „Lähmung des Sie-geswillens“ und die „Schwächung der Wehrkraft“ hin-gewiesen, die besonders hart bestraft werden müsse.Zu betonen ist hierbei, dass die Richter zwischen dem„Volk“, welches es zu schützen gilt, und den „Volks-schädlingen“, die durch diesen Prozess unschädlich ge-macht werden sollen, unterschieden.

Zu 3) Der Arbeitsauftrag zielt auf den Unterschied zwi-schen Legalität und Legitimität. Das Volksgerichtsurteilmag sich zwar auf geltendes Recht berufen, ist aberdennoch Unrecht. Zunächst handelt es sich hierbei umeinen massiven Eingriff in freiheitliche Grundrechte wie

beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerungsowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wasallerdings die angegebene Textstelle den Schüler/innenverdeutlichen soll, ist der Umstand, dass der NS-Volks-gerichtshof gar kein Interesse daran hatte, juristischausdifferenziert und fair zu urteilen. Hier sollte nichtRecht gesprochen, sondern ein Exempel statuiert wer-den. Jeder Widerstand gegen das NS-Regime, und sei ernoch so gering, sollte mit dem Tode bestraft werden.Die Angeklagten sind im Sinne der NS-Ideologie keineMenschen mehr, sondern „Volksschädlinge“: Sie hattendamit das Recht auf ein Leben in der Volksgemeinschaftverwirkt.

Zu 4) Die Schüler/innen sollen hier an ihr Vorwissen an-knüpfen bzw. im Internet oder im Schulbuch recher-chieren. Die „Dolchstoß“-Legende wurde 1918 von derObersten Heeresleitung (OHL) geschaffen und gilt alsbewusst geschaffene Geschichtsfälschung, um die mi-litärische Niederlage zu verschleiern. Die Niederlage imErsten Weltkrieg wurde von der OHL auf die Sozialde-mokraten geschoben: Durch die Novemberrevolution1918 hätten die „Roten“ den Dolch in den Rücken derkämpfenden Soldaten an der Westfront gestoßen. Sokonnte das Militär weiterhin behaupten, es sei „imFelde unbesiegt“ geblieben. Diese Verdrehung der Tat-sachen wurde besonders von konservativen und rech-ten Kreisen dankbar aufgenommen. Die NS-Richtersahen in der Agitation der Gruppe um Georg LechleiterParallelen hinsichtlich der Gesinnung und der Situation:Es handele sich bei den Angeklagten um Kommunisten,die während eines Krieges im Rücken der Front die„Kampfkraft“ durch Aufruf zu Streik und Umsturzschwächen wollten.

Literaturhinweise

AXEL ULRICH, Widerstand auf dem Gebiet des heuti-gen Rheinland-Pfalz – ein Überblick. Im Textteil die-ser Publikation

DANIELA WEBER, Heimatgeschichtlicher Wegweiser zuden Stätten des Widerstandes und der Verfolgung1933 – 1945. Gemeinde Ludwigshafen. Manuskriptim NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz,Osthofen. Slg. Ludwigshafen

MAX OPPENHEIMER, Der Fall Vorbote. Zeugnisse desMannheimer Widerstandes. Frankfurt/M. 1969

Quellennachweise

Bericht von Ernst Hahner: Studienkreis Deutscher Wi-derstand Frankfurt am Main; Urteil des Volksgerichts-hofes vom 15.5.1942 gegen Lechleiter und Flugschrift

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„Der Vorbote“: BA Berlin, NJ 1635, Bd. 1, S. 38 - 40;Foto Lechleiter: Stadtarchiv Ludwigshafen

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Kommunistischer Widerstand –Annelise und Andreas Hoevel(Raum Koblenz)

Das Beispiel der Eheleute Hoevel belegt noch einmal,mit welcher Brutalität das NS-Regime – insbesonderenach Kriegsbeginn - die politischen Gegner, die an ihrer„Gesinnung“ festhielten, aburteilte, wenn sich dazueine Gelegenheit bot. Dass dabei schon das Abhörensogenannter „Feindsender“ und die Aufrechterhaltungvon Beziehungen zu früheren Parteigenossen aus-reichte, um die Betroffenen zum Tode zu verurteilen,spricht für sich. Die Biografie der beiden Hoevels machtzugleich deutlich, mit welcher Ausdauer und welchemMut einzelne Regimegegner trotz aller Repressalien,mehrfacher Verhaftungen und KZ-Aufenthalte an ihrerÜberzeugung festhielten und für ein „anderes Deutsch-land“ arbeiteten. Dies hat auch die Stadtverordneten-versammlung der Stadt Koblenz mit ihrem Beschlussvom 22. April 1948 zu würdigen gewusst, mit dem siedie nach einem Kampfflieger des Ersten Weltkriegsbenannte „Boelcke-Straße“ in „Hoevel-Straße“ umbe-nannte. Spätere Versuche interessierter Kreise, die Stra-ßeumbenennung u. a. wegen der nahe gelegenen„Boelke-Kaserne“ wieder rückgängig zu machen, schei-terten (vgl. http://www.koblenz.de/stadtleben_kultur/stadtarchiv_hoevelstrasse.html).Der hier zu findende Hinweis darauf, dass Andreas Hoe-vel Vorbild für einen der Protagonisten des KZ-Romansvon Bruno Apitz „Nackt unter Wölfen“ (1958) gewesensei, könnte zu entsprechenden Recherchen Anstoßgeben; Auszüge aus dem Roman könnten ggf. [z. B.auch im Vergleich zu Erich Maria Remarques Buchen-wald-Roman „Der Funke Leben“ (1952)] im Unterrichtheran gezogen werden.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

zu 1) Die Schüler/innen werden sicherlich zunächst ver-wundert sein über die Schärfe des im Einleitungstextvorgestellten Urteils wegen eines sogenannten „Rund-funkvergehens“, d. h. des illegalen Abhörens sogenann-ter Feindsender. Lediglich der Hinweis in der Meldungdes RSHA deutet auf frühere Vergehen und Verurtei-lungen Hoevels durch das NS-Regime hin.

Zu 2) Anhand des Auszugs aus der Urteilsschrift desOLG Kassel lassen sich dann weitere Präzisierungen der

Aktivitäten der Hoevels vornehmen. Aus dem Urteillässt sich entnehmen, dass neben den Vorstrafen unddem unveränderten Bekenntnis zur „kommunistischenGesinnung“ insbesondere die mit dem gemeinsamenAbhören verbundene Diskussion und der soziale Zu-sammenhalt der Gruppe („kommunistische Zellenbil-dung“) eine besondere Rolle bei der Bemessung desStrafmaßes spielten.

Zu 3) Mit der mit dem Krieg verbundenen Radikalisie-rung wird der bisher überwiegend ideologisch begrün-dete Antagonismus zwischen der „Volksgemeinschaft“der Mehrheitsgesellschaft auf der einen und den „Ge-meinschaftsfremden“ oder „-feinden“ der rassistischdefinierten Minderheiten auf der anderen Seite ver-schärft und auf die politischen Gegner ausgeweitet. Mitdem Begriff „ausgemerzt“ (Z. 70) wird nicht nur dieUnversöhnlichkeit der Gegnerschaft, sondern auch dieZielrichtung der endgültigen Vernichtung deutlich.

Zu 4) und 5) Bei dieser Aufgabenstellung, die man ehermit stärkeren Lerngruppen der SI und Kursen der gym-nasialen Oberstufe behandeln sollte, geht es darum dieDiskrepanz zwischen „Vergehen“ und Strafmaß (Todes-strafe!) herauszuarbeiten. Gleichzeitig müsste denSchüler/innen auch die rechtsstaatlich bedenkliche Ver-mischung von Handlungen und Einstellungen deutlichwerden. Mit der Ausweitung der Kampfhandlungennach dem Überfall auf die UdSSR lässt sich insgesamteine Verschärfung der Maßnahmen bei Verstößengegen die Rundfunkverordnung feststellen, die das Ab-hören ausländischer Sender verbot.

Literaturhinweise

JOACHIM HENNIG, Widerstand gegen den Nationalso-zialismus im Raum Koblenz. In: Jahrbuch für west-deutsche Landesgeschichte 31 (2005), S. 381 - 423

CLAUS ZANDER, Andreas Hoevel (1900 - 1942), einGegner des NS-Regimes. Kurzbiographie des Na-mensträgers einer Straße in Trier-West. In: NeuesTrierisches Jahrbuch 9 (1969), S. 84 – 85

MAHNMAL-KOBLENZ.DE/dauerausstellung/personen-verzeichnis/203-anneliese hoevel

Quellennachweise

Fotos André und Anneliese Hoevel: privat; Hinweiszet-tel gegen das Abhören von „Feindsendern“:www.kommunicare.de

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Kommunistischer Widerstand –Helmuth Preußer (Westerwald)

Am Beispiel dieses frühen Widerstandes aus den Rei-hen der Kommunisten lässt sich zeigen, dass auchaußerhalb der großen industriellen Ballungsgebiete dieKommunisten gut organisiert waren und mit Hilfe vonregional verbreiteten Flugschriften zum Widerstandgegen das NS-Regime aufriefen. Der weitere Verlaufder Biografie Helmuth Preußers zeigt ihn als konse-quenten Widerstandskämpfer, der mit Glück einemTodesurteil wegen Hoch- und Landesverrats entging,dann aber in der berüchtigten Bewährungstruppe 999ums Leben kam.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Neben den wichtigsten Stationen seines Lebenssollte vor allem die sich steigernde Widerstandsaktivi-tät Preußers aufgezeigt werden: Mitglied und Kassiererder KPD in Wirges, Herstellung und Verbreitung der Un-tergrundzeitschrift „Die Bombe“, Flucht ins Saarlandund Engagement in der Einheitsfront, Verurteilungwegen Landes- und Hochverrats.

Zu 2) Die NSDAP sah in der KPD die größte Gefahr fürdie Etablierung ihrer Gewaltherrschaft. Daher ging derUnterdrückungsapparat des NS-Staates von Anfang anmit aller Härte und Brutalität gegen die Mitgliederjener Partei vor, um jegliche kommunistische Wider-standsorganisation im Keim zu ersticken. Mit großan-gelegten Razzien, öffentlichen Anprangerungen undmassenhaften Verhaftungen sollten die Kommunistenzur Flucht gedrängt oder dazu bewegt werden, ihrenKampf gegen den Nationalsozialismus aufzugeben.

Zu 3) Durch die immensen Verluste der Wehrmacht ander Ostfront sah sich das Regime offensichtlich ge-zwungen, auch auf die „Wehrunwürdigen“ zurückzu-greifen.

Zu 4) Etwa ein Drittel der für die Bewährungstruppe999 rekrutierten Männer war vorher aus politischenGründen verurteilt worden, die Mehrheit der Truppe be-stand aus ganz gewöhnlichen „Kriminellen“. Der ersteAufstellungsort des Verbands war der Truppenübungs-platz Heuberg in Baden-Württemberg. Ab dem 17. De-zember 1943 wurden die Bewährungstruppen nur nochauf dem Truppenübungsplatz Baumholder im heutigenRheinland-Pfalz aufgestellt. Den ersten Einsatz solltedie Truppe in Afrika haben, weshalb sie zunächst als

„Afrika-Brigade 999“ bezeichnet wurde. Allerdingswurde sie am 1. Januar 1943 zuerst nach Belgien ge-schickt und von dort am 12. Februar 1943 nach Süd-frankreich verlegt. Erst ab dem 9. März 1943 begannman damit, die 999er nach Tunis zu überführen. Nachder Niederlage des Afrika-Korps im Mai 1943 wurde dieTruppe neu formiert und nach Griechenland und aufden Balkan verlegt. Dort wurde sie als Besatzungs-truppe und bei der Partisanenbekämpfung eingesetzt.

Bekannte Persönlichkeiten, die zur Bewährungstruppe999 eingezogen worden waren:Prof. Dr. Wolfgang Abendroth, Politologe an der Uni-versität Marburg,Willi Birkelbach, Chef der hessischen Staatskanzlei,Egon Franke, Bundesminister für innerdeutsche Bezie-hungen,Ludwig Gehm, stellvertretender Vorsitzender der Arbeits-gemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten.Von 14 Männern, die 1933/34 aus politischen Gründenim KZ Osthofen eingesperrt waren, ist bekannt, dass sienach 1942 in diese Strafeinheit eingezogen wurden;einige haben dabei ihr Leben verloren.

Es bietet sich noch an, den Truppenübungsplatz Baum-holder zum Unterrichtsthema zu machen. Auch hierzukönnten die Schüler/innen mit der Anfertigung vonReferaten oder Hausarbeiten beauftragt werden.

Literaturhinweise

ULI JUNGBLUTH, Die „Nazifizierung“ einer ländlichenRegion am Beispiel des Westerwaldes, in: HANS-GEORG MEYER UND HANS BERKESSEL (HRSG.): DieZeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz,Band 1, Mainz 2000, S.102 - 105

HANS-PETER KLAUSCH, Der TruppenübungsplatzBaumholder – Aufstellungsort der Bewährungs-truppe 999, in: HANS-GEORG MEYER UND HANSBERKESSEL (HRSG.): Die Zeit des Nationalsozialis-mus in Rheinland-Pfalz, Band 3, Mainz 2001, S.112- 122

Quellennachweis

Foto - am Pranger in Wirges: Archiv der Geschichts-und Kulturwerkstatt Westerwald; Auszug aus der Er-mittlungsakte: Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden,Abt. 302415 Nr. 66, Handakte VG 1941

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Kommunistischer Widerstand –Hans Eiden (Raum Trier)

Mit Hans Eiden wird hier die Biografie eines der pro-minentesten (kommunistischen) Widerstandskämpferaus Rheinland-Pfalz vorgestellt. Hans Eiden, ein akti-ver Widerständler der ersten Stunde, hat sich in seinerFunktion als „Lagerältester I“ und Mitglied der illegalenLagerleitung der Häftlinge im KZ Buchenwald durchsein mutiges Verhalten ein besonders hohes Ansehen(auch unter nichtkommunistischen Buchenwald-Häft-lingen) erworben. Der Förderverein Synagoge Könene. V. hat ihm auf dem Mahnmal für die Opfer des NS-Regimes in Trier und Umgebung einen Platz gegeben[weitere Hinweise unter: www.mahnmal-trier.de].

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die Schüler/innen sollen das NS-Strafverfahrenkritisch analysieren und die aufgeführten „Vergehen“in einem Perspektivenwechsel aus der Sicht der NS-Gegner formulieren.

Zu 2) Die Schüler/innen sollen die zuvor analysiertenAktivitäten des gegen das NS-Regime geleistetenWiderstandes und die juristische Verfolgung durch denNS-Staat vor dem Hintergrund unseres Grundgesetzesund der Verfassung bewerten. Diese Aufgabe wird fürdie leistungsstärkeren Lerngruppen in der Sekundar-stufe I und die Kurse der gymnasialen Oberstufe emp-fohlen.

Zu 3) Die politischen Häftlinge versuchten wichtigePositionen in der Lagerverwaltung mit zuverlässigenHäftlingen aus den eigenen Reihen zu besetzen. Diesesogenannten Funktionshäftlinge unterstanden zwar inallen Bereichen der Lager-SS, sie konnten jedoch durchgeschicktes Taktieren in einigen Fällen die Lebens- undArbeitsbedingungen der Gefangenen etwas erträglichergestalten und, wie dies am Beispiel der Brandwache fürdas KZ Buchenwald belegt ist, den Handlungsraum fürdie internationale Widerstandsorganisation im Lagererweitern.

Zu 4) Hans Eiden war dank seiner Persönlichkeit, sei-nes Verhandlungsgeschicks und der Anerkennung, dieer unter den Mitgefangenen genoss, für die Verwaltungdes KZ Buchenwald wichtig und nur schwer zu erset-zen. Mitgefangene berichteten später, dass es Eidendurch sein selbstbewusstes Auftreten und sein rhetori-sches Geschick immer wieder gelungen war, Zuge-

ständnisse für die Gefangenen auszuhandeln. Sein cou-ragiertes Auftreten gegenüber dem Rapportführer istauch dadurch zu erklären, dass sich die Wachmann-schaft durch Fliegeralarme und die heranrückende 3.US-amerikanische Armee in Auflösung befand. Bereitseinige Tage zuvor hatte die SS versucht die jüdischenHäftlinge des Lagers zu evakuieren. Der BuchenwalderWiderstand konnte jedoch einen großen Teil der Juden(ca. 4.600) verstecken. Diese erfolgreiche Aktion dürfteEidens Willen zum offenen Widerstand noch verstärkthaben. Am 11. April erschienen die ersten amerikani-schen Panzer, und die illegale Lagerleitung griff zu denWaffen. Eiden verkündete über die Lager-Lautsprecherdie Befreiung des Lagers und verhinderte, dass die ge-fangen genommenen SS-Truppen getötet wurden.

Zu 5) Die späte Ehrung Hans Eidens dürfte auf denschwierigen Umgang der Bundesrepublik Deutschlandin den Zeiten des Kalten Krieges mit kommunistischenWiderstandskämpfern zurückzuführen sein. Dies könnteauch die knappe Aufschrift auf dem Denkmal erklären:

Hans Eiden1901-1950

Lagerältester im KZ BuchenwaldKommunistischer Widerstandskämpfer

wurde hier geboren

Literaturhinweise

BEATE DORFEY, Hans Eiden – Porträt eines kommuni-stischen Widerstandskämpfers, in: HANS-GEORGMEYER UND HANS BERKESSEL, (HRSG.): Die Zeit desNationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, Band 1:„Eine nationalsozialistische Revolution ist einegründliche Angelegenheit.“, Mainz, 2000, S. 382 -388

BEATE DORFEY, Wissenschaftliches Gutachten überLeben und Wirken Hans Eidens (1901 - 1950), Trier1994

EDGAR CHRISTOFFEL, Der Weg durch die Nacht. Ver-folgung und Widerstand im Trierer Land während derZeit des Nationalsozialismus. Verfolgte aus Trier unddem Trierer Land durchleben die Konzentrationsla-ger des Dritten Reiches, Trier 1983 S. 121 f.

HORST GOBRECHT, Eh’ die Sonne lacht. Hans EidenKommunist und Lagerältester im KZ Buchenwald,Bonn 1995

Quellennachweise

Foto von Hans Eiden: Stadtarchiv Trier, Bildersammlung 1Auszüge aus Anklageschrift und Urteil aus dem Ver-

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fahren gegen Faldey, Anton und andere wegen Vorbe-reitung zum Hochverrat des Oberlandesgerichts Hamm(Westfalen) vom August bzw. Dezember 1936: Bundes-archiv, Sign. 3001 RJM, 104100Hans Eiden: Gefangenen – Nr. 6222. Das war Buchen-wald, ein Tatsachenbericht, veröffentl. in: HorstGobrecht: Eh’ die Sonne lacht. Hans Eiden Kommunistund Lagerältester im KZ Buchenwald, Bonn 1995, S.207 ff.Bericht Jiri Zak: Die letzten zehn Tage – Buchenwald,1945, in: Buchenwald-Archiv, Sign. 31/370. Zit. Nach:Beate Dorfey: Hans Eiden – Porträt eines kommunisti-schen Widerstandskämpfers, in: Hans-Georg Meyer undHans Berkessel, (Hrsg.): Die Zeit des Nationalsozialis-mus in Rheinland-Pfalz, Band 1: „Eine nationalsoziali-stische Revolution ist eine gründliche Angelegenheit.“,Mainz, 2000, S. 385.

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Sozialdemokratischer Widerstand –eine Einführung

Die Einführung soll den Schüler/innen eine Orientie-rung zum sozialdemokratischen Widerstand auf demGebiet des heutigen Rheinland-Pfalz bieten und ihnenso als „roter Faden“ dienen. Diese allgemeinen Ausfüh-rungen Axel Ulrichs (Auszug aus dem wissenschafttli-chen Beitrag in diesem Band) können mit den Fallbei-spielen der einzelnen Arbeitsblätter verknüpft werden.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die Exil-SPD versuchte, über Grenzsekretariateweiterhin politischen Einfluss auf ihre Anhänger aus-zuüben. Sie verschickte illegale Flugschriften, auch an-deres Propagandamaterial sowie Parteizeitungen.Weiterhin sammelte sie Informationen aus dem „Reich“,um diese an die Auslandspresse weiterzugeben. Siewollte dadurch ein informelles Gegengewicht zur„gleichgeschalteten“ NS-Presse bilden. Des Weiterenwurden von den Widerstandsgruppen Fluchtwege insAusland organisiert.

Zu 2) Die Aufgabe dient sowohl der Veranschaulichungals auch der vertiefenden Textarbeit. Folgende Funktio-nen lassen sich verschiedenen Standorten zuordnenund in einer entsprechenden Legende dokumentieren:Sitz der Exil-SPD: Tschechoslowakei (Prag); Grenzse-kretariate: Straßburg, Mühlhausen, Luxemburg, (For-bach, Basel; nicht auf der Karte); zentrale Anlaufstelleim Reich: Mannheim. Sitz von Widerstandsgruppen:

Mainz, Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim, Worms, Oppau,Ludwigshafen, Speyer, Neustadt, Kaiserslautern,Landau, Pirmasens, Zweibrücken, Annweiler, Albers-weiler. Fluchtwege ins Ausland: Trier, Idar-Oberstein,Kaiserslautern (Karte S. 274).

Zu 3) Die Schüler/innen werden hier auf das Dilemmahingewiesen, das entsteht, wenn eine Gruppe eine an-dere zum moralischen Handeln verpflichten will, wozusie selbst aber nicht bereit oder in der Lage ist. DemExil-Vorstand war bewusst, dass der Kampf im Reichgegen die NS-Herrschaft außerordentlich gefährlich ist– sonst wäre er selbst nicht ins Ausland geflüchtet. Erwollte offensichtlich niemanden mit seinem Aufruf inGefahr bringen, während er selbst im sicheren Auslandverweilte.

Zu 4) Diese Aufgabe soll an vorangegangene Lernin-halte anknüpfen und ist auch als Rechercheauftrag füreine Hausaufgabe geeignet. Die Spätphase der Weima-rer Republik ist gekennzeichnet von äußerst instabilenpolitischen Verhältnissen und rasch wechselndenReichsregierungen. Hinzu kamen weitere gravierendeProbleme wie Massenarbeitslosigkeit und Wirtschafts-krise. Insofern war die Erwartung, dass das Rechts-bündnis um Adolf Hitler schon bald zusammenbrechenwürde, in gewisser Weise sogar berechtigt.

Literaturhinweis

AXEL ULRICH, Widerstand auf dem Gebiet des heuti-gen Rheinland-Pfalz – ein Überblick (im Textteil die-ser Publikation)

Quellennachweis

Titelseite des „Vorwärts“: Archiv der sozialen Demokra-tie (AdsD)

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Sozialdemokratischer Widerstand –Maria Detzel (Raum Koblenz)

Das Bespiel der sozialdemokratischen Kommunalpoli-tikerin, die sich trotz veränderter Mehrheitsverhältnisseim Koblenzer Stadtrat mutig gegen den Beschluss zurVerleihung der Ehrenbürgerwürde an Adolf Hitler wen-det und sich damit der Verfolgung durch das NS-Regime aussetzt, zeigt, wie hart das Regime aufoppositionelle Äußerungen reagiert und das Lebenpolitischer Gegner zerstört.

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Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 3) Politisch unbelastet und erwiesenermaßen NS-Gegnerin, die unter den Nationalsozialisten gelittenhatte, war Maria Detzel nach dem Krieg im besonderenMaße geeignet, beim Aufbau von demokratischenStrukturen im Nachkriegsdeutschland mitzuwirken.Außerdem hatte sie bereits in der Zeit vor 1933 politi-sche Erfahrungen sammeln können.

Zu 4) und 5) Die beiden Arbeitsaufträge dienen zurSicherung und Vertiefung der in den vorhergehendenArbeitsaufträgen gesammelten Erkenntnisse. Sowohlder Inhalt des Ermächtigungsgesetzes als auch die Redevon Wels sind u. a. auf den Seiten des „Deutschen Hi-storischen Museums “ (www.dhm.de) veröffentlicht.

Literaturhinweise

HELMUT KAMPMANN, Wenn Steine reden. Gedenkta-feln und Erinnerungsplatten in Koblenz, Koblenz1992, S. 54 f.

BARBARA KOOPS, Frauen in der Koblenzer Kommunal-politik 1918 – 1933. In: Koblenzer Beiträge zur Ge-schichte und Kultur 4 (1994), S. 91 - 93

BARBARA KOOPS, Maria Detzel (1892 – 1965). In:Rheinland-Pfälzerinnen, Frauen in Politik, Gesell-schaft, Wirtschaft und Kultur in den Anfangsjahrendes Landes Rheinland-Pfalz, bearb. Hedwig Brüchert.(Veröffentlichungen der Kommission des Landtagesfür die Geschichte des Landes Rheinland- Pfalz, Bd.23), Mainz, 2001. Im Auftr. d. Komm. d. Landtageshrsg. bei der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz v. Heinz-Günther Borck unter Mitarb. v. BeateDorfey, S. 89 - 91

Quellennachweise

Stadtarchiv Koblenz: StAK_623_Nr_6971_Seite_161Personentafel “Maria Detzel“, Förderverein Mahnmalfür die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V.

Kommentare zu Arbeitsblatt M13:

Widerstand aus dem Exil –Emil Kirschmann

Bei dem hier ausgewählten Material geht es nicht inerster Linie um ein weiteres Beispiel sozialdemokrati-schen Widerstands, sondern darum, einen Blick auf dieWiderstandsaktivitäten aus dem Exil zu lenken, für dienach dem Kurswechsel der UdSSR und der KOMINTERN

die Bildung einer breiten Volksfront, der nicht nur So-zialdemokraten und Kommunisten, sondern auch(links)bürgerliche Demokraten angehören sollten, einewichtige Rahmenbedingung war.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Anhand des Einleitungstextes können die Schü-ler/innen die Stationen im Leben Kirschmanns aufzei-gen. Hier bietet es sich an, sie mit der Erarbeitung einerKarte zu beauftragen.

Zu 2) Bereits 1936 waren für aufmerksame Beobachterdie Kriegsvorbereitungen offenkundig (Z. 23 -31). Auchdie Missachtung der Menschenrechte und die erhebli-chen Einschränkungen der persönlichen Freiheit wer-den im Aufruf thematisiert.

Zu 3) Die beiden großen Arbeiterparteien SPD und KPDwaren seit den 1920er Jahren zerstritten, damit war eingemeinsames Vorgehen gegen den aufkommenden Na-tionalsozialismus weitgehend verhindert. Die KPD ver-trat bis 1934 die Sozialfaschismus-These, damit machtesie die als „sozialfaschistisch“ geschmähte SPD zuihrem politischen Hauptgegner. Die SPD ihrerseitslehnte eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten ab,da sie in der KPD wie auch in der NSDAP Gegner derDemokratie und der Republik sah. Die Unterzeichnerrufen zur Bildung einer überparteilichen Volksfrontbe-wegung auf, die das Ziel hat, die NS-Diktatur zu stür-zen; unabhängig davon bleiben aber alle darüberhinausgehenden politischen Zielvorstellungen der ihrangeschlossenen Gruppen und Parteien unberührt(Z. 44 - 50). Nur in einer gemeinsamen geschlossenenFront – so die Initiatoren – ließe sich der Nationalso-zialismus besiegen und ein neues demokratischesDeutschland errichten (Z. 56 - 60).

Zu 6) Der Aufruf vom 19. Dezember 1936 wurde von20 Mitgliedern der SPD, 14 Mitgliedern der KPD, 10Mitgliedern der SAP und 30 weiteren Persönlichkeitenaus den Bereichen Kunst, Literatur und Politik unter-zeichnet und in „Das Freie Deutschland. Mitteilungender Deutschen Freiheitsbibliothek“ Nr. 15 (Januar 1937)veröffentlicht. Die Deutsche Freiheitsbibliothek warzum ersten Jahrestag der Bücherverbrennung am 10.Mai 1934 von dem Schriftsteller Alfred Kantorowicz mitseinen Freunden vom Schutzverband Deutscher Schrift-steller in Paris (SDS) gegründet worden.

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Literaturhinweis

AXEL REDMER, Wer draußen steht, sieht manches bes-ser. Biographie des Reichstagsabgeordneten EmilKirschmann. Birkenfeld, 1987 (Mitteilungen des Ver-eins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld, Son-derheft 51)

Quellennachweise

Foto von Emil Kirschmann: Redmer, Axel: Wer draußensteht, sieht manches besser. Biographie des Reichs-tagsabgeordneten Emil Kirschmann. Birkenfeld 1987(Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Land-kreis Birkenfeld, Sonderheft 51), S. 157; Volksfront-Auf-ruf: Institut für Sozialgeschichte Amsterdam, Bro D2415, 1301

Kommentar zu Arbeitsblatt M14:

Sozialdemokratischer Widerstand –Jakob Steffan (Oppenheim/Rheinhessen)

Die Biografie Jakob Steffans kann hier nur kurz ausge-breitet werden, weshalb viele wichtige Aspekte nichtzur Sprache kommen oder nur angeschnitten werdenkönnen.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Diese Aufgabe dient der Zusammenfassung undWiedergabe der Texte.

Zu 2) Die Schüler/innen sollen die Entscheidung derAmerikaner, ihn als Polizeipräsidenten einzusetzen, mitHilfe von Steffans Lebenslauf einordnen. Die US-Mili-tärregierung in Deutschland suchte im ganzen Landnach „unbelasteten“ Zivilisten, die willens und kompe-tent genug waren, Aufgaben in der Verwaltung zuübernehmen. Steffan war hierfür besonders geeignet:Er war erwiesenermaßen ein NS-Gegner und hatte alssolcher unter den Nationalsozialisten gelitten. Des Wei-teren hatte er politische Erfahrungen in der Zeit vor1933 gesammelt. Außerdem konnte Steffan auf einumfangreiches Netzwerk von NS-Gegnern zurückgrei-fen, um weitere Helfer für den Aufbau einer neuen Ord-nung zu engagieren.

Zu 3) Die Aussage Steffans könnte von Schüler/innenmissverstanden werden. Schließlich wurden die Zerstö-rungen in Mainz nicht von den Nationalsozialisten,sondern in der Hauptsache durch alliierte Luftangriffe

verursacht. Steffan ist hier allgemeiner zu verstehen:Er meint den von den Nationalsozialisten entfesseltenWeltkrieg und die vom NS-Regime zu verantwortetenLuftangriffe auf europäische Städte, die denen auf diedeutschen voraus gingen. Entsprechend sieht er dieAlliierten nicht als seine Gegner an, sondern als Ver-bündete gegen den eigentlichen Feind, das NS-Regime.Die Zerstörungen in Mainz – und in ganz Deutschland– sind unmittelbare Folge des Krieges, der vom Deut-schen Reich angezettelt worden war. Da die National-sozialisten hierbei die treibenden Kräfte gewesenwaren, verlangte er nun gerade deren Sühne, in dem erbekannte NS-Täter zwingt, sich an den Wiederaufbau-maßnahmen zu beteiligen.Zu 4) Die Aufgabe dient der Vertiefung, da viele inter-essante Aspekte aus Steffans Leben durch das Arbeits-blatt nicht thematisiert werden können. Es lohnt sichallerdings, solche weitergehenden Anknüpfungspunkte,die Steffans Vita bietet (NS-Justizwesen, Widerstanddes „20. Juli 1944“ etc.), aufzuspüren und unterrichtlichzu nutzen. Der Hinweis auf den Jakob-Steffan-Preiskönnte der Lerngruppe als Impuls für ein Projekt dienen.

Literaturhinweis

ARTHUR D. KAHN, Offiziere, Kardinäle und Konzerne.Ein Amerikaner über Deutschland. Berlin (DDR) 1964,S. 45 f.

SINA SCHIFFEL, Jakob Steffan, unveröffentliche Staats-examensarbeit, 2009

Quellennachweis

Foto Jakob Steffan: Stadt Oppenheim; Text von ArthurKahn: ARTHUR D. KAHN, Offiziere, Kardinäle und Kon-zerne. Ein Amerikaner über Deutschland. Berlin (DDR)1964, S. 45 f.

Kommentar zu Arbeitsblatt M15:

Arbeiterwiderstand – Karl Nord(Ludwigshafen/Pfalz)

Bei der SAP handelt es sich um eine linke Abspaltungder SPD, der sich seit ihrer Gründung im Herbst 1931auch zahlreiche Anhänger linksradikaler Splittergrup-pen sowie eine beträchtliche Anzahl oppositionellerKommunisten angeschlossen hatten. Anfänglich ver-fügte sie zwar noch über 25.000 Mitglieder, doch sollteihr Einfluss auf die Wählerschaft unbedeutend bleiben.Ein Großteil ihrer Anhänger betätigte sich nach 1933aktiv im Untergrund, darunter auch der nach Skandi-

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navien emigrierte Willy Brandt. Bis 1938 jedoch wurdenihre Widerstandsgruppen auch im Südwesten des Deut-schen Reiches von der Gestapo zerschlagen.Im pfälzischen Raum haben illegale SAP-Gruppen inLudwigshafen, Speyer und Kaiserslautern bestanden,weitere waren z. B. in Worms, Mainz und Bad Ems wirk-sam. Organisiert waren sie alle in „Dreier-Zellen“, diejeweils nur über einen einzigen Verbindungsmann mit-einander Kontakt hielten und hierbei mit Decknamenoperierten.

Literaturhinweis

KARL NORD, Im Kampf gegen das Unrecht und für dieFreiheit. Erlebnisse und Erfahrungen eines politi-schen Gefangenen unter der NS-Diktatur. Eingel. undbearb. von Günter Braun. Hrsg. SPD-StadtverbandLudwigshafen amRhein. Ludwigshafen 1986, S. 33 - 38

Quellennachweise

Foto Karl Nord: Stadtarchiv Ludwigshafen; Titelseite der„Sozialistischen Aktion“: Archiv der sozialen Demokra-tie (AdsD)

Kommentare zu Arbeitsblatt M16:

20. Juli 1944 – das Vertrauensleutenetzin Rheinhessen

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die Schüler/innen sollen sich gezielt über den ge-planten und den tatsächlichen Ablauf des „20. Juli1944“, über den involvierten Personenkreis der Opposi-tionsbewegung und die Zielsetzungen informieren (evtl.auch Entwurf der Regierungserklärung von Beck undGoerdeler heranziehen).Die Personen Stauffenberg, Beck, Goerdeler, Leuschner,Leber und Mierendorff sollten bekannt sein. Auch be-nötigen die Schüler/innen für das Verständnis derQuelle Informationen zum „Kreisauer Kreis“.Es soll deutlich werden, dass der „20. Juli 1944“ keinPutschversuch lediglich einzelner Vertreter des Militärswar, sondern dass eigens ein ziviles Netz von Vertrau-ensleuten – vor allem Sozialisten, Sozialdemokraten,Gewerkschaftler und Katholiken – geschaffen wordenwar, um nach dem Gelingen des Attentats und der mi-litärischen Aktion eine politische NeustrukturierungDeutschlands vornehmen zu können.

Zu 2) Hier wird die Organisationsstruktur der Umsturz-

bewegung verdeutlicht (Kreis um Beck, Goerdeler,Stauffenberg; Ebene um Leuschner; Verbindungsleutein den Städten; Kontaktpersonen auf dem Land).

Zu 3) Anhand der in die Karte eingetragenen Orte wirdersichtlich, dass nur ein solch dicht gespanntes Netzaus Vertrauensleutestützpunkten im Falle des Gelingensdes Attentats und der nachfolgenden militärischen Er-hebung die zeitnahe und flächendeckende Umsetzungauch der politischen Ziele der Verschwörung, insbeson-dere eine zügige Regierungsübernahme, auf Dauerhätte sicherstellen können.

Zu 2) und 3) Die Schüler/innen sollen analysieren, dasssich die Wehrmacht durch den Eid an Hitler gebundensah. Auch hatten die Vertreter der Wehrmacht keiner-lei bzw. kaum Kontakte im zivilen Bereich oder in dieBreite der Bevölkerung, da sie sich entweder an derFront oder im Ersatzheer befanden. Deshalb war einePerson wie Leuschner erforderlich, der zahlreiche anti-nazistisch stabil gebliebene Funktionäre der unter-drückten Arbeiterbewegung hinter sich wusste undsomit in der Lage war, in den Städten und Gemeindenden Umsturz zu organisieren. Auf diese demokratischgesinnten Vertrauensleute kamen Aufgaben zu, wiebeispielsweise die Besetzung von Radiosendern, derPressehäuser oder die Übernahme der Polizeigewalt zurVerhaftung der Gau-, Kreis- oder Ortsgruppenleiter,Blockwarte oder von Funktionärinnen aus der NS-Frau-enschaft.

Zu 4) Jedem, dessen Verwicklung in die Umsturzplänebekannt wurde, drohte die Hinrichtung. In den meistenFällen wurden diese Regimegegner nach ihrer Fest-nahme scharfen Verhören unterzogen, wobei sie zu-meist fürchterlich gefoltert worden sind. Manchewurden sogleich standrechtlich erschossen. Ihre Fami-lien wurden in Sippenhaft genommen. Somit war dieGefahr, Mitwisser zu verraten und der NS-Justiz aus-zuliefern, enorm. Je weniger Details man wusste, destoweniger konnte man über die Verschwörung verraten.Auch im Vorfeld der Umsturzaktion war äußerste Vor-sicht geboten, da man nie sicher sein konnte, nichtdoch an einen Gestapo-Spitzel zu geraten (s. JuliusLeber). Auch wenn den NS-Ermittlern auf diese Weisevorab Einzelheiten bekannt würden, sollte nie das ge-samte Unternehmen in Gefahr geraten dürfen.

Literaturhinweise

ANGELIKA ARENZ-MORCH, AXEL ULRICH, Für Freiheitund Recht. Der „20. Juli 1944“ und seine Verbindun-gen in unsere Region. Blätter zum Land – Extra. Hrsg.

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von der Landeszentrale für politische Bildung Rhein-land-Pfalz. Mainz 2004

EMIL HENK, Die Tragödie des 20. Juli 1944. Ein Beitragzur politischen Vorgeschichte. 2. erw. Aufl. Heidel-berg 1946

Internetseite der Gedenkstätte Deutscher Widerstand,Berlin: http://www.gdw-berlin.de/

Quellennachweise

EMIL HENK, Die Tragödie des 20. Juli 1944. Ein Beitragzur politischen Vorgeschichte. 2. erw. Aufl. Heidelberg1946, S. 48ff

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Gewerkschaftlicher Widerstand –Anton Calujek (Mainz/Rheinhessen)

Für die Bearbeitung des Arbeitsblatts ist es hilfreich,wenn die Schüler/innen über Grundkenntnisse zumUmsturzversuch vom 20. Juli 1944 verfügen.Zur Einordnung des Quellenmaterials seien noch einigeWorte zu Emil Henk gesagt. Henk gehört zu den Perso-nen, die in die Umsturzvorbereitungen gegen das„Dritte Reich“ eingebunden waren und nach dessenScheitern nicht enttarnt wurden. Er nahm an zahlrei-chen konspirativen Treffen teil und stand in Kontakt mitWilhelm Leuschner und Helmuth James Graf vonMoltke. Aus seiner Studienzeit in Heidelberg kannte erCarlo Mierendorff und Theodor Haubach. Henk hattefür die Umsturzplanung wichtige Kontakte in Süd-deutschland geknüpft und sollte nach einem geglück-ten Staatsstreich als „Landesverwalter“ für Badenfungieren. Mit seinen Einblicken in die Organisation giltHenk als einer der Hauptzeugen des zivilen Arms derVerschwörung gegen die NS-Diktatur.

Zu 1) Henk beschreibt den zivilen Flügel der Verschwö-rung gegen die NS-Diktatur als breit angelegtes Netzvon Vertrauensleuten mit Stützpunkten in ganzDeutschland. (Z. 20 - 59). Die Führung jener Wider-standsstruktur befand sich mit Wilhelm Leuschner inBerlin. Dieser setzte besondere Vertrauensleute für dieeinzelnen Bezirke ein, die ihrerseits in den Städten undGemeinden ihres Zuständigkeitsgebietes gewisserma-ßen Unterorganisationen bildeten. Anton Calujek warhierbei einer der Verbindungsleute zur Eisenbahnerge-werkschaft (Z. 69 - 76). Seine Aufgabe war es, nacheinem geglückten Attentat auf Hitler von Mainz ausden Generalstreik der Eisenbahner auszurufen.

Zu 2) Die Diskussion sollte die Erkenntnis befördern,dass der Eisenbahn im Rahmen des geplanten Umstur-zunternehmens eine zentrale logistische Bedeutungzukam. Wenn keine Züge mehr fahren, sind größere Be-wegungen von militärischen Einheiten nicht mehr ohneWeiteres möglich. Eine militärische Niederschlagungdes Aufstandes wäre somit zumindest erschwert wor-den. Insofern war Calujeks Aufgabe, den Generalstreikauszurufen, durchaus bedeutend, auch wenn es sichnur um eine flankierende Maßnahme handelte. Diewichtigsten Aktionen bestanden sicherlich in demBombenattentat auf Hitler im „FührerhauptquartierWolfschanze“ sowie in dem im Anschluss daran vonBerlin aus unternommenen Versuch, den Aufstand inalle Wehrkreise hineinzutragen.Nach Belieben können die Argumente in einer Auswer-tungsphase an der Tafel gesammelt werden.

Zu 3) In den Zeilen 59 - 65 spricht Henk ein zentralesProblem an, welches die Erhellung der NS-Geschichteim Allgemeinen und die des NS-Widerstandes im Be-sonderen ungemein erschwert. Viele entscheidende Ak-teure haben den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. ZumTeil wurden sie wegen ihrer Aktivitäten gegen die Nazisverurteilt und hingerichtet (wie Leuschner), zum Teilfielen sie an den Fronten oder starben bei den alliiertenBombardements auf deutsche Städte. Hinzu kommt,dass die Verschwörer ein überlebenswichtiges Interessedaran hatten, möglichst wenig über ihr Vorgehenschriftlich zu fixieren. Hieraus ergibt sich, dass sich Un-genauigkeiten bei der Rekonstruktion der Ereignissenicht vermeiden lassen, weil man primär auf Zeitzeu-genberichte angewiesen ist. Der Autor geht auf dieseProblematik in seinem Vorwort ein. Unter Umständenkann folgender weiterer Textauszug aus derselbenQuelle als ergänzendes Material herangezogen werden:

Die politische Vorgeschichte des Attentats auf Hitler istso gut wie unbekannt. Fast alle an zentraler Stelle Be-teiligten sind tot. [...]Es versteht sich von selbst: Allen Beteiligten warenschriftliche Aufzeichnungen untersagt. Es gibt keinerleischriftliches Material und es kann keines geben. Bei derFülle der Tatsachen, des Materials und der oft sich über-stürzenden Ereignisse musste sich der Verfasser aus-schließlich auf sein Gedächtnis verlassen.

Literaturhinweise

AXEL ULRICH, Politischer Widerstand gegen das „DritteReich“ im Rhein-Main-Gebiet. Wiesbaden 2005

AXEL ULRICH, Anton Calujek. Text zur Ausstellung„Widerstand gegen den Nationalsozialismus in

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Rheinland-Pfalz“ [unveröffentlicht]. Osthofen 2004AXEL ULRICH, Gewerkschaftlicher Widerstand - Basis-

beitrag. Text zur Ausstellung „Widerstand gegen denNationalsozialismus in Rheinland-Pfalz“ [unveröf-fentlicht]. Osthofen 2004

Quellennachweise

Emil Henk, Die Tragödie des 20. Juli 1944. Ein Beitragzur politischen Vorgeschichte. Heidelberg, 2. erw. Aufl.1946, Vorwort sowie S. 48 - 50Foto: Archiv des rheinland-pfälzischen Landtages bzw.AsDAxel Ulrich, Zum politischen Widerstand gegen das„Dritte Reich“ in Mainz. In: Mainzer Zeitschrift. Mittel-rheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Ge-schichte, Jg. 103, 2008, S. 215 – 229, hier: S. 216 - 219

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Gewerkschaftlicher Widerstand –Eisenbahner Deutschlands

Auch in der interessierten Öffentlichkeit weitgehendunbekannt ist die wichtige Rolle, die die Organisationder Eisenbahner-Einheitsgewerkschaft im illegalenWiderstand auch nach der offiziellen Zerschlagung derGewerkschaften im Mai 1933 gespielt hat. Sie erwiessich aufgrund der Mobilität ihrer Mitglieder und einesweitreichenden Netzwerkes als besonders geeigneteOrganisationsstruktur.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die Schüler/innen können diese Aufgabe lösen,indem Sie die einzelnen Absätze (bis auf die letzten bei-den) in einem kurzen Satz wiedergeben. Der vorletzteAbsatz ist komplexer, da er zahlreiche Hinweise zurVerfahrensweise bei Treffen und Berichterstattung be-inhaltet. Ein mögliches Tafelbild in der Auswertungs-phase:

Grundsätze zur konspirativen Arbeit der Eisenbahnge-werkschafter

- Achte darauf, wen du für die Arbeit auswählst(Z. 6 - 8).

- Organisation und Personal, welches die Gestapo schonkennt, muss komplett ausgetauscht werden(Z. 9 - 25).

- Sei mit wenig zufrieden: Hauptsache, es existiert eineselbst gewollte Organisation (Z. 26 - 34).

- Vermeide jedes starre System. Passe dich den Gege-

benheiten an (Z. 35 - 39).- Oberstes Gebot: die Sicherung der Person! Mache des-wegen jeden Schritt vorsichtig (Z. 43 - 55).

- Halte Augen und Ohren auf und den Mund geschlos-sen (Seite 2, Z. 54 - 56).

- Besondere Vorsicht bei Besprechungen: überalllauscht der Feind. Überlege vorher ein Alibi und spre-che es mit den anderen Teilnehmern ab. Meideöffentliche Treffpunkte und belastendes Material indeiner Nähe. Nutze Decknamen und Deckadressen.Steige als Letzter in öffentliche Verkehrsmittel ein(Seite 2, Z. 55 - 77).

Zu 2) Die Schüler/innen sollen bei dieser Aufgabe mitden neu gewonnenen Erkenntnissen arbeiten, in demsie sie auf die Gefahren hin analysieren, welche dieReichsbahnbeschäftigten eingingen. Die Gestapo be-obachtete verdächtige Personen ganz genau, verfolgtediese auf Schritt und Tritt und machte – unter Um-ständen auch heimlich – Hausdurchsuchungen. Außer-dem konnte sich die politische Polizei auf dieZuträgerdienste von Denunzianten verlassen. Wenn dieVerfolger einen potenziellen NS-Gegner verhaftenkonnten, nutzten sie brutale Verhörmethoden, um wei-tere Namen sowie Hinweise auf Treffpunkte, Organisa-tionsstrukturen und belastendes Material in Erfahrungzu bringen. Sodann folgten weitere Verhaftungen, diemeist zeitgleich durchgeführt wurden, um nach Mög-lichkeit der gesamten illegalen Organisation habhaft zuwerden. Entsprechend mussten die Gewerkschafter äu-ßerst vorsichtig mit allem umgehen, was womöglichRückschlüsse auf ihre Arbeit zuließ. Strikt zu vermei-den waren alle Klarnamen und Adressen, leicht zu be-lauschende Treffen, belastendes Material sowie festeOrganisationsstrukturen, um der Gefahr von Massen-verhaftungen zu begegnen.

Zu 3) Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise gehenzum Teil schon aus der Quelle selbst hervor: Auf dieseWeise gelang es der Eisenbahnergewerkschaft, die Ver-folgung wenigstens rudimentär zu überstehen. DerNachteil dieser Methoden bestand in der ständigenAngst vor Entdeckung, Folter und Misshandlung füreine Arbeit, die in Relation zu den möglichen Konse-quenzen als hochgradig gefährlich eingestuft werdenmuss. Dennoch betont Jahn in der Quelle, dass es denFunktionären wichtig sei, eine Alternative zu den NS-Organisationen aufzuzeigen (Z. 31 - 34), so dass die Tä-tigkeit eine wichtige Funktion für ihre Mitgliedererfüllte.

Zu 4) Dies ist eine Aufgabe zur genauen Textanalyse.Den Stolz der Gewerkschafter auf ihre Widerstandsak-

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tion erkennt man an der Beschreibung der „soliden“Arbeit, die sich nicht ohne Weiteres entfernen ließ.Überklebungen sorgen nur für weiteres Aufsehen, wor-auf die Autoren ebenfalls gerne hinweisen. Die Verfas-ser weisen auf die Reaktionen des Bahnschutzes hin,der auf die Tat mit Schrecken und wachsender Aufre-gung reagiert, was einen Rückschluss auf die unver-hohlene Freude darüber zulässt, den Gegneroffensichtlich empfindlich getroffen zu haben. Im letz-ten Satz betonen die Flugblattschreiber, dass die Ei-senbahner den nationalsozialistischen „Tag dernationalen Arbeit“ im sozialistischen Sinne mit einerAnti-NS-Aktion begangen haben. In diesem Sinne istauch die Überschrift zu lesen.

Literaturhinweise

AXEL ULRICH, Politischer Widerstand gegen das „DritteReich“ im Rhein-Main-Gebiet. Wiesbaden 2005

AXEL ULRICH, Gewerkschaftlicher Widerstand - Basis-beitrag. Text zur Ausstellung „Widerstand gegen denNationalsozialismus in Rheinland-Pfalz“ [unveröf-fentlicht]. Osthofen 2004

AXEL ULRICH, Hans Jahn. Text zur Ausstellung „Wider-stand gegen den Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz“ [unveröffentlicht]. Osthofen 2004

Quellennachweise

Siegfried Mielke, Matthias Frese (Bearb.): Die Gewerk-schaften im Widerstand und in der Emigration 1933 -1945, Frankfurt a. Main 1999 (Quellen zur Geschichteder deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahr-hundert, Bd. 5), S. 381-402, hier S. 386 389Foto und Bericht: Helmut Esters, Hans Pelger: Gewerk-schafter im Widerstand. 2. mit einem forschungsge-schichtlichen Überblick von Alexandra Schlingensiepenversehene Auflage. Bonn 1983, S. 2 und S. 174

Kommentare zu Arbeitsblatt M19:

Gewerkschaftlicher Widerstand –Binnenschifffahrt

Die Ausführungen zu M 18 gelten hier weitgehend ent-sprechend.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Das Titelbild hat als Thema die See- und die Bin-nenschifffahrt, was an den Verbandsnamen anknüpft.Zwei Schiffe sind zu sehen, die unter Volldampf stehen:

ein Passagierdampfer im Hintergrund sowie ein kleinerSchlepper davor. Außerdem ist der Leuchtturm zusehen, der das ganze Bild dominiert. Dieses Motivkönnte vielleicht für die Weitsicht einer Gewerkschaftstehen, die ihren Mitgliedern eine gerechtere Arbeits-welt zu erkämpfen sucht. Das ITF-Logo passt gut zu derParole der Kopfzeile. Offensichtlich will das Motiv diegemeinsame „Fahrt“ in eine große, sozialistisch ge-prägte Zukunft andeuten.

Zu 2) Mögliche Sammlung in der Auswertungsphase:- Die Gewerkschaft ist in Deutschland verboten (Z. 5).- Sie ist für die Gestapo unsichtbar (Z. 6).- Zu der Gewerkschaft sollen alle linken Schifffahrerund Hafenarbeiter Deutschlands gehören (Z. 7 - 10).

- Es gibt keine festen Organisationsstrukturen und Mit-gliederlisten (Z. 11 - 13).

- Die Mitglieder eint der Wille, das NS-Regime zustürzen und ein besseres Deutschland aufzubauen(Z. 13 - 17).

- Alle sollen gleich viel besitzen (Z. 18 - 21).- Die Gewerkschaften müssen mächtig sein und politi-schen Einfluss auf alle Bereiche ausüben (Z. 22 - 27).

- Die Gewerkschaft möchte keinen Bruderkampf, dervordem die Kampfkraft der diversen politischen Rich-tungsgewerkschaften entscheidend geschwächt hat,sondern die Einheit der gesamten Arbeiterschaft(Z. 28 - 31).

Zu 3) Die Aussage, dass die Gewerkschaft über keinefesten Strukturen und Verzeichnisse verfügt, könnte –je nach Vorwissen der Schüler/innen - zu Irritationenführen, weswegen hier in einer zusätzlichen Aufgabedarauf eingegangen werden sollte. Da der Verband ille-gal operierte und somit jederzeit Verhaftungen durchdie Gestapo erfolgen konnten, war den Mitgliedernnatürlich sehr daran gelegen, möglichst nicht erfasstzu sein, um die Fahndungstätigkeit der Staatspolizeinicht noch zu erleichtern.

Zu 4) Diese etwas anspruchsvollere Aufgabe dient derVertiefung. Die Schüler/innen sollen erkennen, dass derKampf gegen das NS-Regime zwar im Vordergrund derderzeitigen Gewerkschaftsuntergrundarbeit steht. DerAufruf weist aber weit darüber hinaus und zielt bereitsauf die Zukunft Deutschlands nach dem Ende des NS-Regimes. Hier werden klare Perspektiven hinsichtlichder angestrebten staatlichen Neuorganisation aufge-zeigt.

Literaturhinweis

AXEL ULRICH, Philipp Wahl (geb. 1912). Text zur Aus-

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stellung „Widerstand gegen den Nationalsozialismusin Rheinland-Pfalz“ [unveröffentlicht]. Osthofen2004

Quellennachweise

„Die Schiffahrt. Organ des Gesamtverbandes der See-leute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer Deutschlands.Angeschlossen an die I.T.F.“, Nr. 12, 1937 (nur Titelblatt).Aus: Helmut Esters, Hans Pelger: Gewerkschafter imWiderstand. 2. mit einem forschungsgeschichtlichenÜberblick von Alexandra Schlingen- siepen verseheneAuflage. Bonn 1983, S. 156„Die Schiffahrt. Organ des Gesamtverbandes der See-leute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer Deutschlands.Angeschlossen an die I.T.F.“, Nr. 7, Mai 1936, S. 16. Aus:Siegfried Mielke, Matthias Frese (Bearb.): Die Gewerk-schaften im Widerstand und in der Emigration 1933 -1945, Frankfurt a. Main 1999 (Quellen zur Geschichteder deutschen Gewerkschafts- bewegung im 20. Jahr-hundert, Bd. 5), S. 372

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Widerstand aus der evangelischen Kirche –Paul Schneider

Paul Schneider gilt als Beispiel eines religiös motivier-ten Widerstands. Als christlicher Märtyrer sind er undsein Wirken den Schüler/innen relativ fern und schwerzu vermitteln. Durch die Arbeitsaufträge kann jedochder Wandel der Einstellung Schneiders bedingt durchden Totalitätsanspruch des NS-Systems aufgezeigtwerden. Ob dies auf sein radikales Glaubensbekenntniszurückzuführen ist, welches “nur“ den kirchlichen Be-reich zu schützen versuchte oder aber als politischerWiderstand zu verstehen ist, kann besonders mit älte-ren Schülern in einer Diskussion erörtert werden.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Der 1. Mai wurde während der NS-Zeit als „Tagder nationalen Arbeit“ propagandistisch genutzt.Ursprünglich hatte der 1. Mai jedoch einen sozialisti-schen Entstehungshintergrund. Die Nationalsozialistenübernahmen aber diese Tradition, machten den 1. Maizum Feiertag und deuteten ihn in ihrem Sinne um.

Zu 2) Zunächst versucht Schneider sich als Vertreter derevangelischen Kirche dem Totalitätsanspruch derNSDAP zu entziehen. So reagiert er mit einer öffentlichausgehängten Stellungnahme auf die kirchenfeindli-

chen Äußerungen des SA-Stabschefs und Reichsmini-sters ohne Geschäftsbereich Ernst Röhm. Die Ausfüh-rungen eines Kreisleiters bei der Beerdigung einesHitlerjungen im Juni 1934, dass dieser nun in denSturm Horst Wessels übergegangen sei, lassen ihn aber-mals für die Reinheit der evangelischen Lehre eintre-ten. Sein Widerstand konnte auch durch seineEinweisung in das Konzentrationslager Buchenwaldnicht gebrochen werden. Ganz im Gegenteil wurde erfür seine Mitgefangenen zum „Prediger von Buchen-wald“, bevor er am 18. Juli 1939 umgebracht wurde.

Zu 3) Das Konsistorium steht stellvertretend für dieTeile der evangelischen Kirche, welche mit den neuenMachthabern konform gingen und Abweichler in ihrenReihen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Maß-nahmen bekämpften.

Zu 4) Ist Paul Schneider ein christlicher Märtyrer, derseinem Glaubensbekenntnis durch seinen Tod ein radi-kales Zeugnis gab, oder öffnete ihm der Umgang desNS-Staates mit der Religionsfreiheit zunehmend dieAugen und machte ihn zu einem politischen Gegner desRegimes? Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantwor-ten, kann jedoch eine spannende Diskussion über Mo-tive des Widerstands auslösen.

Literaturhinweise

ALBRECHT AICHELIN, Paul Schneider (1897 – 1939), in:Karl-Joseph Hummel/Christoph Strohm (Hg.): Zeu-gen einer besseren Welt. Christliche Märtyrer des 20.Jahrhunderts, Leipzig/Kevelaer 2000, S. 72 – 86

CLAUDE FOSTER, Paul Schneider. Seine Lebensge-schichte. Der Prediger von Buchenwald, Neuhausen2001

MARGARETE SCHNEIDER, Paul Schneider – der Predigervon Buchenwald, 4. Aufl., Neuhausen/Stuttgart 1996

THOMAS MARTIN SCHNEIDER, SIMONE FRANCESCASCHMIDT, „Wenn die nordische stolze Rasse dem Je-suskind die Türe weist“ – Dokumente zur TheologiePaul Schneiders, in: Monatshefte für EvangelischeKirchengeschichte des Rheinlandes, 50. Jg., 2001,345 – 360

FRITZ SCHELLACK, Der Hunsrücker Pfarrer und Wider-standskämpfer Paul Schneider, in: Hans-Georg Meyerund Hans Berkessel, (Hrsg.): Die Zeit des National-sozialismus in Rheinland-Pfalz, Band 1: „Eine natio-nalsozialistische Revolution ist eine gründlicheAngelegenheit.“, Mainz, 2000, S. 446 - 460

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Quellennachweise

Auszug aus dem Brief Schneiders an seine Großmuttervom 21. April 1933, aus: Antje Müller: Widerstand wäh-rend des Nationalsozialismus in der Region Koblenzunter besonderer Berücksichtigung des Gedenkens undder didaktischen Vermittlung, Wissenschaftliche Prü-fungsarbeit an der Universität Koblenz-Landau im FachGeschichte, Erstgutachter: Prof. Dr. Schaaf, S.111Auszug aus dem Brief Schneiders an den Superinten-dent Gillmann: Albrecht Aichelin: Paul Schneider (1897– 1939), in: Karl-Joseph Hummel/Christoph Strohm(Hrsg.): Zeugen einer besseren Welt. Christliche Märty-rer des 20. Jahrhunderts, Leipzig/Kevelaer 2000, S. 83-84Aufruf Paul Schneiders: Albrecht Aichelin: Paul Schnei-der (1897 – 1939), in: Karl-Joseph Hummel/ChristophStrohm (Hrsg.): Zeugen einer besseren Welt. ChristlicheMärtyrer des 20. Jahrhunderts, Leipzig/Kevelaer 2000,S. 116 -117Verfügung zur Versetzung Schneiders in den Warte-stand, aus: Antje Müller: Widerstand während desNationalsozialismus in der Region Koblenz unter be-sonderer Berücksichtigung des Gedenkens und derdidaktischen Vermittlung, Wissenschaftliche Prüfungs-arbeit an der Universität Koblenz-Landau im Fach Ge-schichte, Erstgutachter: Prof. Dr. Schaaf, S.116

Kommentare zu Arbeitsblatt M21:

Widerstand katholischer Seelsorger –Pfarrer Peter Helbach

Die ersten drei Arbeitsaufträge befassen sich mit demAuszug aus Helbachs Chronik. In dieser Schrift schil-dert er in der Folge zahlreiche Einzelmaßnahmen. Eshandelte sich hauptsächlich um gegen ihn gerichteteZeitungsartikel, Anzeigen sowie behördliche Maßnah-men, die seinen Schulunterricht behindern oder zu-mindest einschränken sollten. Diese Maßnahmen warennicht nur gegen seine Person, sondern ebenfalls gegenseine Kapläne sowie gegen jede kirchliche Aktivität inder Gemeinde Bad Hönningen gerichtet.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Helbach geht – zu Recht – von der Unvereinbar-keit von christlichem Glauben und der NS-Ideologieaus. Die nationalsozialistische Weltanschauung lässtmit ihrem totalen Geltungsanspruch keinen Raum füreinen anderen Glauben (Z. 5 - 10).Zu 2) Die Chronik zeigt, dass Helbachs Verhalten nicht

selbstverständlich war. Der Amtsbürgermeister ging zu-nächst von einer Kooperation zwischen Kirche und Be-hörde aus. Aus der Aussage des Bürgermeisters lässtsich schließen, dass er diese Zusammenarbeit von Hel-bachs Vorgänger gewohnt war (Z. 17 - 23).

Zu 3) Drei konkrete Maßnahmen benennt Helbach indiesem Auszug:- die Drangsalierung von Jugendlichen, welche sich derKolping-Familie anschließen wollten (Z. 27 - 31),

- eine Anzeige gegen Helbach wegen Verstoßes gegenden Kanzelparagraphen (Z. 31 - 33),

- Artikel gegen Helbach in der nationalsozialistischenPresse (Z. 34 - 37).

Die Maßnahmen haben das Anliegen, den Einfluss aufdie Gemeinde, insbesondere auf die Jugend, einzudäm-men. Man versucht, die Jugend von der Kirche fern zuhalten und möchte den Priester mit Hilfe von Hetzar-tikeln sowie Anzeigen mundtot machen.

Die letzten drei Arbeitsaufträge befassen sich miteinem dieser Hetzartikel, von denen Helbach in seinerChronik berichtet. Die Schüler/innen sollen an Handdieses Beispiels erkennen, wie die Presse versuchte, NS-Gegner zu stigmatisieren und ihre Kritik am NS-Regimezu unterbinden.

Zu 4) Konkret ist hier der Vorwurf zu nennen, Helbachwürde Gemeindemitglieder durch „gänzlich abwegigeBetrachtungen“ verunsichern bzw. gegen den Staataufbringen. Außerdem scheint Helbach sich vorzube-halten, ein unabhängiges Gemeindeblättchen zu ver-öffentlichen, aus dem ausschließlich die Gottes-dienstzeiten zu erfahren sind (Z. 72 - 85).

Zu 5) Der Bericht spricht von einer hohen Besucherzahl.Den Teilnehmern wird die Bereitschaft unterstellt, denNationalsozialismus gegen Abweichler zu verteidigen.Die Rede Derns hat bei den Zuhörern Beifall ausgelöst.Das Volk wird schließlich mit den Zuhörern gleichge-setzt. Alle seien gegenüber den Taten der Geistlichenverständnislos. Nachdem die Namen der Widersachergenannt wurden, unterstellt der Artikel der Bevölke-rung, dass sie den Kampf gegen die Gegner des NS-Re-gimes nicht scheue.

Zu 6) Die Aufgabe knüpft an die beiden vorhergehen-den Aufgaben direkt an. Hier soll nun das Erarbeitetekritisch überprüft werden. Der Artikel soll Kritiker desNS-Regimes – hier konkret Peter Helbach – brandmar-ken. Die Bevölkerung soll gegen diese Kritiker aufge-wiegelt werden. Der Artikel hat gegenüber dem Leserdie Erwartungshaltung, dass er, sofern er sich als ech-

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ter Nationalsozialist fühlt, diesen Kritikern den Kampfansagt.

Literaturhinweis

THOMAS MARTIN SCHNEIDER, Zwischen ideologischerHilfeleistung und Fundamentalopposition. Evangeli-sche Kirche im Nationalsozialismus und die Fragenach dem Widerstand. In: Schriftenreihe des Land-tags Rheinland-Pfalz 46 (2010), S. 67 - 94

Quellennachweise

Aus der Chronik des Pfarrers Helbach. In: Friedensin-itiative Bad Hönningen (Hrsg.): Die sich des Vergange-nen nicht erinnern, sind dazu verurteilt, es noch einmalzu erleben. Dokumentation über den Nationalsozialis-mus in Bad Hönningen. O. O, (1985), S. 41-53Feinde des Wiederaufbaues. In: Neuwieder Zeitung,19.8.1935, Seitenzahl unbekannt

Kommentar zu Arbeitsblatt M22:

Widerstand durch die „Bekennende Kirche“

Es ist keine Untertreibung, dass man bei den Ereignis-sen in Oppenheim während der NS-Zeit von einemregelrechten Kirchenkampf sprechen kann. Die Mate-rialien des Arbeitsblattes beziehen sich auf die Ereig-nisse von 1934 bis 1936 und beleuchten auch hier nurAusschnitte. Der Kampf wurde von beiden Seiten lei-denschaftlich geführt, es ließen sich noch viele Bei-spiele dafür nennen. Auf beiden Seiten schalteten sichVertreter der Behörden bis in die Reichsebene hinaufein. Der Kampf wurde 1936 – ähnlich wie hier be-schrieben, nur mit teils anderen Akteuren – fortgeführtund fand erst mit der Absetzung des letzten DC-Pfar-rers Alfred Mitzenheim durch die Alliierten im Juli 1945ein Ende. Leider ist das Material für eine Schulstunde zuumfangreich, so dass hier nur die erste Phase desOppenheimer Kampfes um die Kirchenhoheit beleuch-tet werden kann.Das Material ist auch deshalb für den Schulgebrauchinteressant, da es als Beispiel die Zerrissenheit derevangelischen Kirche in der Frage, wie man zum Na-tionalsozialismus stehe, an Hand eines anschaulichenBeispiels aus Rheinhessen verdeutlicht. Allerdings musshier vor Generalisierung gewarnt werden, da das Ver-halten der evangelischen Kirche stark von den jeweili-gen Protagonisten vor Ort abhing und die einzelnenKirchengemeinden unterschiedliche Positionen zum„Kirchenkampf“ eingenommen haben.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Diese Aufgabe dient der reinen Reproduktion, umden Schüler/innen einen Zugang zu den Ereignissen zuermöglichen. Ein mögliches Ergebnis:1934 – Schmelz wird Pfarrer der evangelischen Ge-meinde Oppenheim1935 – Pfarrer Hahn löst Pfarrer Schmelz offiziell ab;Schmelz bleibt Pfarrer der BK, Schmelz steht für die„Deutschen Christen“: die evangelische Kirche inOppenheim ist gespalten1936 – Beide Pfarrer werden schließlich abgelöst, neuerAmtsinhaber wird schließlich Pfarrer Kloß

Deutsche Christen/ Bekennende KircheReichskirchePfarrer Hahn Pfarrer SchmelzEvangelische Landeskirche Kirchenvorstand derHessen-Nassau Gemeinde OppenheimEinige Funktionsträger Großteil der Gemeindeder NSDAP Oppenheim

Zu 2) Hier ist eine Fortführung der Tabelle der erstenAufgabe denkbar:

Deutsche Christen/ Bekennende KircheReichskircheSetzen Pfarrer Schmelz Gründen eigene, inoffizielleab und DCler Hahn ein Gemeinde mit SchmelzSperren BK aus der Halten Gottesdienste inKirche aus Privaträumen abErklären alleinige Erreichen über Verhand-Zuständigkeit für lungen Öffnung der KircheOppenheimÜbernehmen Kirchenvorstand wider-Schulunterricht setzt sich allen BestimmungenSetzen Kirchenvorstand abLäuten nur für die eigenenPredigten die GlockenPredigten der BK werdenstenografiertMitglieder der BK werdenbeobachtet

Zur Mitschrift der Predigten: Die Tatsache, dass die Pre-digten stenografiert wurden, lässt Spielraum für Inter-pretationen zu. Die Schüler/innen können mit Rechtdarauf verweisen, dass auch Mitglieder der BK dieReden von Schmelz mitgeschrieben haben könnten, umdann die Predigt zu verbreiten – oder um sich gegenfingierte Vorwürfe verteidigen zu können. Dass die Ge-genseite hier stenografierte, um Beweismittel für eineAnklage zu sammeln, ist allerdings nicht nur vom Kon-text der Chronik aus wahrscheinlicher. Es sind auchFälle bekannt, wo NS-Behörden Mitschriften aus Pre-digten für Schutzhaftbefehle und Anklagen verwende-ten.

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Hinweise und Kommentare zu den Unterrichtsmaterialien

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Zu 3) Es sollte im Unterrichtsgespräch kurz darauf ein-gegangen werden, warum die Anhänger der Bekennen-den Kirche beobachtet und die Predigten aufgezeichnetwurden, damit den Schüler/innen deutlich wird, dassdiese Opposition kein ungefährliches Unterfangen war.Hier wurde offensichtlich Beweismaterial gesammelt.Den Akteuren der BK drohte Gefängnis oder gar Kon-zentrationslager.

Zu 4) Die Schüler/innen fassen die neu gewonnenen Er-kenntnisse nun zusammen, indem sie den Charakter derjeweiligen Maßnahmen kurz skizzieren: Die „DeutschenChristen“ versuchen, sich mit Druck von den offiziellenStellen „von oben herab“ gegen die BK durchzusetzen.Man weiß die Landeskirche und den NS-Machtapparathinter sich und nutzt dies auch aus. Die „BekennendeKirche“ hingegen hat den Großteil der Gemeinde hintersich. Sie weicht dem Druck der „Deutschen Christen“aus, in dem sie sich entweder taub stellt, ins Privateausweicht oder versucht, zu verhandeln. Verhandlun-gen zum Zwecke einer Lösung des Konflikts wurden so-wohl in Oppenheim selbst geführt. Es wurden aber auchübergeordnete Stellen bis hin zu ReichskirchenministerKerrl kontaktiert.

Zu 5) Die Aufgabe dient als Anknüpfungspunkt zu ver-wandten Themen des Kapitels Nationalsozialismus. Einwichtiges Element nationalsozialistischer Herrschafts-politik wird deutlich: Die Jugend sollte für die Ziele derNSDAP gewonnen werden. Dies wurde zum einen überdie außerschulischen NS-Organisationen, zum anderenaber auch durch Indoktrination im Schulunterricht er-reicht. Die Maßnahme, Pfarrer Schmelz als Mitglied derBekennenden Kirche den Unterricht zu entziehen unddem NS-Parteigänger Hahn zu übergeben, ist Beispielfür diese Politik.

Literaturhinweise

MARTIN HELD, Der evangelische Kirchenkampf inOppenheim. In: Oppenheimer Hefte 13 (1996),S. 2 - 37

THOMAS MARTIN SCHNEIDER, Zwischen ideologischerHilfeleistung und Fundamentalopposition. Evangeli-sche Kirche im Nationalsozialismus und die Fragenach dem Widerstand. In: Schriftenreihe des Land-tags Rheinland-Pfalz 46 (2010), S. 67 - 94

Quellennachweise

Aufzeichnungen über den Kirchenkampf in der evan-gelischen Gemeinde Oppenheim in den Jahren 1934 bis1945: des Kirchenarchivs Oppenheim: Kirchenarchiv

Oppenheim (unverzeichnet)Brief der Landeskanzlei der evangelischen LandeskircheNassau-Hessen vom 30.7.1935: Kirchenarchiv Oppen-heim (unverzeichnet)Foto. Dr. Walter Nohl, Oppenheim

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Widerstand aus der evangelischen Kirche –Johannes Bähr

Das hier dargestellte Beispiel des evangelischen PfarrersJohannes Bähr kann den Schüler/innen verdeutlichen,dass einzelne evangelische Geistliche auch dann zumutigem Oppositionsverhalten fähig waren, wenn esnicht nur im engeren Sinne um die Belange bzw. Auto-nomie der Kirche ging. Bähr beließ es auch nicht etwabei einer Kritik des sogenannten „Arierparagraphen“,auf dessen Grundlage das NS-Regime die Entfernungevangelischer Geistlicher „jüdischer Abstammung“ ausihren Ämtern forderte, sondern übte tätige Solidaritätmit jüdischen Menschen, ein auch unter Mitgliedernder „Bekennenden Kirche“ eher seltenes Verhalten.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die Schüler/innen sollen aus den beiden Briefenherausarbeiten, dass auch hier eine gezielte Denunzia-tion durch einen Gendarmeriebeamten zur Bekannt-machung des Falls der jüdischen Mitglieder desDiakonissenvereins und damit zur offiziellen Anfrageder Bezirksregierung führte. Die übergeordnete Instanzdes Protestantischen Landeskirchenrates der Pfalzzwingt den Pfarrer nun zur Stellungnahme.

Zu 2) Der Pfarrer lehnt einen Ausschluss der jüdischenFamilien aus dem Diakonissenverein und damit die Ver-weigerung der krankenpflegerischen Maßnahmen rigo-ros ab. Er beruft sich dabei auf seine Pflichten alsMensch und als Christ, führt weiterhin aus – um Zeit zugewinnen – dass das Problem auch andernorts besteheund zunächst allgemein geregelt werden müsse, wobeidas „elementare Gebot christlicher Barmherzigkeit“ be-achtet werden müsse. Er erklärt seine Bereitschaft aneiner angemessenen Lösung mitzuarbeiten und ver-weist abschließend darauf, dass selbst staatliche Ein-richtungen (im NS-Staat!) arbeitslosen und mittellosenJuden die Hilfe der Wohlfahrtsunterstützung nicht ver-sagen.

Zu 3) Das in den Erinnerungen Pfarrer Bährs geschil-derte Verhalten nach der Pogromnacht vom 9./10.

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Hinweise und Kommentare zu den Unterrichtsmaterialien

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November 1938 belegt ebenfalls die mutige Oppositi-onshaltung des Geistlichen, die wiederum aus einerchristlich-menschenrechtlichen Perspektive begründetwird. Auch hier geht es nicht um die Autonomie oderden Bestand der evangelischen Kirche, sondern um dasEintreten für die aus rassistischen Gründen verfolgtejüdische Minderheit.

Literaturhinweise

KARL HEINZ DEBUS, Die großen Kirchen unter dem Ha-kenkreuz. Kirchen und Religionsgemeinschaften inder Pfalz 1933 - 1945. In: Die Pfalz unterm Haken-kreuz. Hrsg. v. Gerhard Nestler u. Hannes Ziegler.Landau/Pfalz 21997, S. 227 - 272

KARL HEINZ DEBUS, Kreuz gegen Hakenkreuz. Kirchenin der Pfalz im Alltag. In: Die Pfalz unterm Haken-kreuz. Hrsg. v. Gerhard Nestler u. Hannes Ziegler.Landau/Pfalz 21997, S. 273 - 292

KARL HEINZ DEBUS, Zwischen Kreuz und Hakenkreuz– Die Rolle der christlichen Kirchen zwischen An-passung und Widerstand im NS-Staat am Beispielder Pfalz. In: Die Zeit des Nationalsozialismus inRheinland-Pfalz. Bd. 1: „Eine nationalsozialistischeRevolution ist eine gründliche Angelegenheit“. Hrsg.v. Hans-Georg Meyer u. Hans Berkessel. Mainz 2000,S. 182 -207

THOMAS FANDEL, Konfession und Nationalsozialismus.Evangelische und katholische Pfarrer in der Pfalz1930 - 1939. Paderborn u.a. 1997 (Veröffentlichun-gen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, 76)

Quellennachweise

Nachlass Pfarrer Bähr (Privatsammlung MargaretheMüller-Bähr)

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Widerstand aus der katholischen Kirche –Wilhelm Caroli

Caroli war ein grundsätzlicher Gegner der NS-Ideologie.In seinen Worten und Taten berief er sich auf das Kon-kordat und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses. Erging dabei keiner Konfrontation aus dem Weg, aber dieReaktionen darauf offenbaren auch drastisch das Miss-verhältnis zwischen der zur Schau getragenen Kirchen-freundlichkeit des Staates und dem konkreten Handelnvor Ort.Caroli erfuhr Unterstützung durch seine Kirchenge-meinde, hatte auf Bistumsebene aber keinen leichten

Stand. Er galt als Querkopf, der bereits vor 1933 mehr-fach mit dem Bischof aneinandergeraten war. Wenn-gleich das Bischöfliche Ordinariat sich zunächst vor ihnstellte und die Einmischung staatlicher Stellen in An-gelegenheiten der Kirche zurückwies, war man doch auflange Sicht nicht daran interessiert, die Konfrontationzwischen Staat und Kirche auf die Spitze zu treiben.Mehrfach wurde Caroli intern der Wechsel in eine an-dere Pfarrei nahegelegt, was dieser aber jedes Mal ab-lehnte.Bereits vor seiner Verurteilung hatte ihm die GestapoNeustadt im April 1937 ein Aufenthaltsverbot für diePfalz und das Saargebiet erteilt. Damit wurde ihm dieweitere Tätigkeit als Pfarrer in der Diözese Speyer un-möglich gemacht. Nachdem Caroli es abgelehnt hatte,freiwillig zurückzutreten, enthob ihn der Bischof seinesAmtes. Caroli zog daraufhin zu Verwandten in die Eifelund übernahm Vertretungen für katholische Pfarrer.Nach einer Predigt zur Euthanasie wurde er 1941 ver-haftet und schließlich ins KZ Dachau gebracht, wo er1942 an den Folgen einer Darmerkrankung starb.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Bei der Bearbeitung der Quellen sollte herausge-stellt werden, dass das Vorgehen gegen den Pfarrereinem bekannten Muster folgte: Nachdem Einschüch-terungsversuche und offene Drohungen erfolglos blie-ben, wurde als nächste Stufe körperliche Gewaltangewendet (abgesehen von dem Überfall auf Kircheund Pfarrhaus war Caroli bereits im Juni 1933 nachtsauf der Straße zusammengeschlagen worden). Inter-ventionen bei der Kirchenleitung fruchteten zunächstebenfalls nicht, so dass als letztes Mittel, Caroli mund-tot zu machen, nur eine Anklage blieb. Das Verhaltender Justiz zeigt drastisch, welch fadenscheinige Be-gründungen für Haftstrafen ausreichten und wie will-kürlich dabei verfahren wurde. Die absichtlicheZurückhaltung der Polizei bei dem Überfall und dieStraffreiheit für die Randalierer passen ebenfalls in die-ses Bild.

Zu 3) Der Streit um die Beflaggung der Kirche zeigtexemplarisch, dass es praktisch unmöglich für den Pfar-rer war, nicht gegen das Gesetz zu verstoßen, wenn erauch nur die Neutralität der Kirche wahren wollte.De facto gab es permanent Anlass, an der Kirche dieHakenkreuzflagge zu hissen, obwohl diese Feiertagenichts mit dem kirchlichen Festkalender zu tun hatten.

Zu 4) Die Rechercheaufgabe eignet sich für ein Schü-lerreferat. Zur Sprache kommen sollte dabei das Reichs-konkordat, infolgedessen die katholische Kirche ihre

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bisherige Kritik revidierte und sich auf die Bewahrungihrer im Konkordat zugesicherten institutionellen Son-derrechte konzentrierte. Rasch zeigte sich jedoch, dassdas NS-Regime das Konkordat fortwährend brach, wieam Beispiel Carolis sichtbar wird. 1937 erschien diepäpstliche Enzyklika „Mit brennender Sorge“, in derPapst Pius XI. die Konkordatsbrüche anklagte. Nach derVerlesung der Enzyklika von den Kanzeln erreichten dieVerfolgungen von katholischen Geistlichen in Deutsch-land einen Höhepunkt. Nach Kriegsbeginn waren die„Euthanasie“-Morde Gegenstand kirchlichen Protestes;prominentester Kritiker war der Münsteraner Bischofvon Galen. Hervorzuheben ist, dass beide Amtskirchenzur Verfolgung der Juden schwiegen – weder zu denNürnberger Gesetzen, noch zur Reichspogromnacht gabes öffentliche Proteste. Generell lässt sich sagen, dassdie Amtskirchen im Umgang mit dem NS-Regime be-stenfalls ihre eigenen Besitzstände verteidigten. Wi-derständige Aktionen wie die Carolis blieben das WerkEinzelner.

Literaturhinweise

THOMAS FANDEL, Konfession und Nationalsozialismus.Evangelische und katholische Pfarrer in der Pfalz1930 – 1939. Paderborn u. a. 1997

EVA WETZLER, Die Katholische Kirche und der Natio-nalsozialismus in Ludwigshafen 1933 – 1945. 2. verb.Aufl. Speyer 1994

Quellennachweise

Brief des Ortgruppenleiters: Wetzler, S. 183. OriginalABSp (Archiv des Bistums Speyer) BO 28/19 fol. 15"Brief des bischöflichen Ordinariats": Wetzler, S. 192 f.Original ABSp BO 28/10 fol. 134 ff.Urteil des Sondergerichts: Wetzler, S. 200 f. OriginalABSp BO 28/10 fol. 23 ff.

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Widerstand aus dem Bürgertum –Rudolf Löffler (Pfalz)

Sondergericht Frankenthal: Unmittelbar nach derMachtübernahme wurden in allen Oberlandesgerichts-bezirken ein Sondergericht eingerichtet. Die Zustän-digkeit dieser Gerichte erstreckte sich auf Tatbeständewie Hochverrat, Aufruhr, Landfriedensbruch sowie Ver-stöße gegen das „Heimtückegesetz“, das die miss-bräuchliche Benutzung von Parteiabzeichen und-uniformen sowie kritische Äußerungen, die angeblich

das Wohl des Reiches, das Ansehen der Regierung oderder NSDAP schädigten, unter Strafe stellte. Um die Ver-fahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, betrugdie Frist für die Vorladung des Angeklagten nur dreiTage. Eine Beweiserhebung konnte das Gericht ableh-nen, die Urteile waren sofort rechtskräftig, Rechtsmit-tel konnten nicht eingelegt werden. Nach Kriegsbeginnwurde die Tätigkeit der Sondergerichte ausgeweitet; siesollten als „Standgerichte der inneren Front“ dienen.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Für Löffler verhängte das Sondergericht Franken-thal mehr als ein Jahr Haft, danach folgte eine längereArbeitslosigkeit, die wahrscheinlich auf seine politische„Belastung“ zurückzuführen ist.

Zu 2) Magdalena S. macht keinen Versuch, Löffler zuschützen; sie scheint damit zufrieden zu sein, dass dem„Schwarzen“ eine Lektion erteilt wird. Ähnlich äußertsich der Polizeibeamte: Löffler gilt als „fanatischer“ Ka-tholik und damit als politisch unzuverlässig.

Zu 3) Hier sollte im Unterrichtsgespräch herausgestelltwerden, dass ab den 1940er Jahren die Urteile in ver-gleichbaren Fällen deutlich härter ausfallen.

Zu 4) Der Zeitungsartikel ist tendenziös und abwertend,keineswegs neutral („Ein klatschsüchtiges Weib“), son-dern Position beziehend; vergl. auch die Wortwahl„kommunistische Plakate“ (es sind Zettel, deren Inhaltnichts mit kommunistischer Propaganda zu tun haben).

Zu 5) Art. 5 (Grundrecht der freien Meinungsäußerung)würde Löfflers Protest decken.

Literaturhinweise

GERHARD NESTLER/HANNES ZIEGLER (HRSG.), Die Pfalzunterm Hakenkreuz. Eine deutsche Provinz währendder nationalsozialistischen Terrorherrschaft. Landau1993, S. 317 - 320

darin zum Thema Sondergerichte: WOLFGANG BALL,„Panzertruppe der Rechtspflege“. Die Tätigkeit derSondergerichte in der Pfalz während der Herrschaftdes Nationalsozialismus, S. 141-160

Quellennachweise

Frankenthaler Zeitung vom 2. Juli 1936: StadtarchivFrankenthalTextauszug aus Nestler/Ziegler, Die Pfalz untermHakenkreuz, Landau 1993, S. 317 – 320

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Jugendwiderstand – die Michaeltruppe(Raum Koblenz)

Zum Jugendwiderstand sind für das Gebiet des heuti-gen Rheinland-Pfalz nur wenige Beispiele belegt. Hierwird das – durch die Bereitschaft auch zum bewaffne-ten Kampf – außergewöhnliche Beispiel der katholi-schen Jugendgruppe „Michaeltruppe“ aus dem RaumKoblenz vorgestellt. Die vergleichsweise harten Strafen(Verschärfung der Strafmaße seit Kriegsbeginn!) be-deuteten für einzelne Mitglieder der „Michaeltruppe“nach Verbüßung der Strafe in einem Jugendstraflagerdie Fortsetzung der Haft in einem Jugend-KZ und dieHeranziehung zur Zwangsarbeit. Diese „Häftlingskar-riere“ bietet Anlass zu weiteren Recherchen sowohl zurBurg Stahleck bei Bacharach als auch zum Jugend-KZMoringen anzustellen.

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Neben dem Ziel Gleichaltrige aufzuklären, sie inihrem (katholischen) Glauben zu bestärken und zum ak-tiven Widerstand zu überzeugen, bereitete sich dieGruppe auch auf eine bewaffnete Auseinandersetzungmit Vertretern der Staatsmacht vor. Allerdings hieltWilli Lohner Waffen und Sprengstoff bei sich unter Ver-schluss. Eine Bewaffnung und das Mitführen der Waf-fen, wie im Gestapo-Bericht angedeutet, hat es so nichtgegeben. Bei den erwähnten illegalen Zusammenkünf-ten wurden Informationen ausgetauscht und Predigtendes Kardinals von Galen verlesen.

Zu 2) Die Michaeltruppe war streng hierarchisch undmilitärisch organisiert: Es gab einen Bezirks- und einenKreiskommandanten und mehrere Gruppen. Geheim-haltung war oberste Pflicht, auch gegenüber den Elternund Vertretern der Kirche. Informationen sollten nur perKurier zugestellt werden. (Der Verstoß Hans-ClemensWeilers gegen diese Regel führte zur Verhaftung derGruppenmitglieder.) Der Sprachgebrauch innerhalb derTruppe war dem Militär entlehnt.

Zu 3) An dieser Stelle könnte über die Aufgaben undOrganisation des Reichssicherheitshauptamtes infor-miert werden, verbunden mit einer kritischen Reflexionüber die zur Disziplinierung von Kindern und Jugendli-chen angewandten Maßnahmen des NS-Staates.

Zu 4) In seinem Beitrag „Widerstand auf dem Gebietdes heutigen Rheinland-Pfalz – ein Überblick“ im Text-

teil dieses Bandes (S. 48 bis 50) gibt Dr. Axel Ulrich aucheinen kurzen Überblick zum Widerstand Jugendlicherauf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Der Um-gang mit anders denkenden Jugendlichen kann am be-sten über die „Michaeltruppe“ hinaus an konkretenBeispielen aufgezeigt werden. Dabei bieten sich fol-gende Gruppen an:

- Swing-Jugend- Weiße Rose- Edelweißpiraten

Daneben könnten Geschichte und Funktion des bereitserwähnten Jugendkonzentrationslagers Moringen beiGöttingen und des brandenburgischen KZ Uckermarkfür Mädchen und junge Frauen von Schülergruppen er-arbeitet und in der Klasse vorgestellt werden.

Zu 5) Zur Geschichte der Burg Stahleck: 1933 HJ-Ju-gendherberge; 1938 und 1939 Ort für Schulungen fürJugendliche und junge Erwachsene zur Indoktrinationmit nationalsozialistischem Gedankengut; 1940 – 1942Wehrmachtlazarett.Am 30. August 1942 rief Gauleiter Gustav Simon imdem Deutschen Reich einverleibten Großherzogtum Lu-xemburg die Wehrpflicht aus. Daraufhin brach in Lu-xemburg eine Streikbewegung aus. Hochburg derstreikenden Schüler war die „Staatliche“ Oberschule fürJungen“ in Esch an der Alzig. 184 Schüler, davon 94 ausEsch, wurden zum deutschen Drill auf die Burg Stahleckbei Bacharach gebracht. Den Eltern dieser Jugendlichenwar nur mitgeteilt worden, dass der Gauleiter ihnenaufgrund der Mitwirkung ihres Kindes an einem Schul-streik die Erziehungsberechtigung entzogen habe unddass ihr Sohn „einem Erziehungslager der Hitler-Jugendim Reich“ zugewiesen werde. Über den genauen Auf-enthaltsort ihrer Kinder wurden die Eltern vorerst imUnklaren gelassen. Die meisten Jugendlichen durftenerst, nachdem sie vier Monate lang festgehalten undgepeinigt worden waren, wieder zu ihren Familien zu-rückkehren.Ab Januar 1943 diente die Burg als Straflager für deut-sche Jugendliche, 1944 als Jugenddienstlager undWehrertüchtigungslager.

Literaturhinweise

WOLFGANG P. FISCHER, Die Michaeltruppe. Schüler desStiftsgymnasiums Andernach im Widerstand gegendas NS-Regime, in: Nachrichten der Vereinigungehemaliger Salentiner, Nr. 26, März 1985, S. 6 – 13

PERSONENTAFEL NR.26, Willi Lohner, Hans-ClemensWeiler und die Michaeltruppe, Förderverein Mahn-

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mal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenze.V., http://mahnmal-koblenz.de (letzter Zugriff am14.11.2010)

BLÄTTER ZUM LAND 2/2001, Die Burg Stahleck – in derNS-Zeit nicht nur Jugendherberge. Hrsg. Landeszen-trale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz. DiesePublikation kann im Klassensatz bei der Landeszen-trale bezogen werde.

Quellennachweis

Gestapo-Bericht: Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand403 Nr. 16939

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Hilfe für verfolgte Juden – Josef Heinen(Bad Neuenahr-Ahrweiler)

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 1) Die Schüler/innen sollen die Informationen derunterschiedlichen Texte in eigenen Worten kurz schrift-lich zusammenfassen. Die Rettungstat konnte nur dankder Dorfgemeinschaft in Liers erfolgreich sein. Voraus-setzung für das Gelingen war, dass niemand Heinen beider Gestapo denunzierte und einige Bewohner ihnsogar aktiv bei der Versorgung der Versteckten unter-stützten.

Zu 2) Hier sollten die unterschiedlichen Quellengat-tungen thematisiert werden. Der Zeitungsbericht stelltdie Feierlichkeiten bei der Verleihung in den Mittel-punkt, während die Vorschlagsbegründung stärker denSachverhalt darstellt.

Zu 3) Für Josef Heinen war es eine Selbstverständlich-keit, seinen Geschäftsfreund und dessen Eltern vor derdrohenden Deportation zu schützen und sie vier Jahrelang mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Dies traf er-wiesener Maßen nicht für die Mehrheit der nichtjüdi-schen deutschen Bevölkerung zu.

Zu 4) Yad Vashem ist weltweit die bedeutendste Holo-caust-Gedenkstätte mit Sitz in Jerusalem. Sie verleihtden Preis der „Gerechten unter den Völkern“ an Nicht-juden, die nachweislich uneigennützig Juden gerettethaben. Bis heute haben 23.226 Personen diese Aus-zeichnung erhalten, darunter 476 Deutsche. (Stand: Juli2010)Josef Heinen war der 55. Deutsche, dem diese Ehre zu-teil wurde.

Literaturhinweis

GÜNTHER SCHMITT, „Josef Heinen ... ein Gerechterunter den Völkern“ : www.alt-ahrweiler.de/7-30-20-01.htm (letzter Zugriff: 14.11.2010)

Quellennachweise

Rhein-Zeitung 05.01.1971, Ausgabe Ahrweiler, Seite 4.Vorschlagsliste Nr. 1151/1-9 für die Verleihung desVerdienstordens der Bundesrepublik Deutschland,10.11.1970.

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Widerstand von Einzelpersonen –Elisabeth Groß (Worms)

In dem in diesem Band enthaltenen Artikel von Ange-lika Arenz-Morch, Widerstand in Rheinhessen (S. 70/71u. 80 - 82) werden die Lebensläufe von Luise Ott undElisabeth Groß detailliert dargestellt. Vor dem Hinter-grund dieser Informationen wäre folgende Aufgaben-stellung möglich:Vergleiche die Lebensläufe von Elisabeth Groß undLuise Ott. Worin bestand ihr politisches Engagement?Was resultierte daraus für ihr privates Leben?

Hinweise zu einzelnen Arbeitsaufträgen

Zu 2)a) Die KSSVO, nach der u.a. Wehrkraftzersetzung mitder Todesstrafe geahndet werden konnte, wurde am17.8.1938 beschlossen. Als Wehrkraftzersetzung galtenneben Wehrdienstentziehung, Selbstverstümmelung,Anstiftung zur Fahnenflucht auch öffentliche Auffor-derungen zur Dienstpflichtverweigerung in der Wehr-macht. Die zunehmende Radikalisierung der Justiz(insbesondere durch den „Volksgerichtshof“) führtedazu, dass jedwede Kritik am Nationalsozialismus, amKrieg oder an Adolf Hitler auch im nichtöffentlichenBereich, wie im Falle der Elisabeth Groß, als Defätis-mus und Wehrkraftzersetzung vermehrt mit der Todes-strafe geahndet wurde.

b) Die Schüler/innen sollen die expliziten Bezugsrah-men auf damals geltendes Recht herausarbeiten unddiese ins Verhältnis zu den Äußerungen der Groß set-zen, die diese in ihrer eigenen Wohnung gemacht hatte.Das Urteil stützt sich ausschließlich auf die Zeugen-aussage einer Person, nämlich die des Zeugen Kurt G.Hervorgehoben werden sollte die Aussage, dass „ihm

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die Angeklagte jetzt „reif“ schien“ (siehe Quelle Zeile52/53), da auch die Verteidigung von Elisabeth Großimmer wieder darauf hinwies, dass Kurt G. sie mit demVorsatz, das Gespräch in entsprechende Bahnen zu len-ken, besucht hätte. Kurt G. war mit der Tochter einesWormser SS-Sturmführers verlobt, die ihm half, wei-tere Aussagen gegen Frau Groß zu sammeln. Die ange-hende Schwiegermutter begleitete Kurt G. zu seinerAnzeige auf die NSDAP-Kreisleitung Worms.Der Gesundheitszustand der Angeklagten wirkte sichnicht strafmildernd aus. Es böte sich hier die Möglich-keit, weitere „Volksgerichtshof“- Urteile zu thematisie-ren.Die Härte dieses Urteils sollte in Verbindung mit sei-nem Zeithintergrund beurteilt werden: Die Verurteilungfand im letzten Kriegsjahr und am Tag unmittelbar nachdem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 statt. Zuvor warE. Groß nahezu ein Jahr inhaftiert gewesen.

Literaturhinweise

ANGELIKA ARENZ-MORCH, Wegen „wehrkraftzerset-zender Äußerungen“ hingerichtet. Das Schicksal derWormserin Elisabeth Groß und der Nachfolgeprozessgegen ihren Denunzianten. In: Mainzer Geschichts-blätter 12 ( 2000), S. 146 - 160

ANGELIKA ARENZ-MORCH, Politischer Widerstandgegen den Nationalsozialismus in Rheinhessen – einÜberblick (im Textteil dieser Publikation)

WOLFGANG BENZ U. A. (HRSG.), Enzyklopädie des Na-tionalsozialismus. 5., aktual. u. erw. Aufl. München2007

Quellennachweis

Todesurteil gegen Elisabeth Groß: Bundesarchiv Berlin,Z-C 9239

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