Hirnforschung: Negatives Denken neutralisiert auch starke Arzneien
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Hirnforschung: Negatives Denken neutralisiert auch starke Arzneien
Der Glaube an Erfolg oder Misserfolg einer Therapie beeinflusst deren
Wirkung viel stärker als bislang angenommen. Das belegen jetzt deutsche
Forscher.
Eine negative Erwartungshaltung kann selbst die Wirkung starker Medikamente vollkommen
zunichtemachen. Das haben deutsche Wissenschaftler in einer Studie herausgefunden, in der
sie Freiwillige Schmerz aussetzten und anschließend die Wirkung eines Schmerzmittels unter
verschiedenen Bedingungen testeten.
Foto: pa Eine Schmerztherapie wirkt deutlich besser, wenn Patienten sich viel davon
versprechen - haben sie dagegen keine oder eine schlechte Erwartung an die Therapie,
wird der Schmerz nur wenig oder gar nicht gelindert
Ergebnis: Wussten die Probanden, dass ihnen ein schmerzlinderndes Mittel verabreicht
wurde, verstärkte sich die Wirkung des Medikaments. Waren die Probanden hingegen in dem
Glauben, dass sie nach einer Infusion mehr Schmerzen als zuvor verspüren würden, fehlte
nicht nur der Verstärkungseffekt, das Schmerzmittel verlor sogar gänzlich seine Wirkung.
Dieser Effekt spiegelte sich auch in der Gehirnaktivität der Probanden wider. Die Forscher
fordern jetzt, dass Patienten intensiver über ihre Erkrankung und die Therapie aufgeklärt
werden sollten, um den therapeutischen Erfolg zu verbessern. Das berichten die
Wissenschaftler um Ulrike Bingel vom Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf im
Fachjournal „Science Translational Medicine“.
Das Team um Bingel setzte 22 Freiwillige zwischen 21 und 40 Jahren mehrfach für einige
Sekunden einem kontrollierten Hitzereiz aus. Dieser verursachte bei den einzelnen Probanden
einen mittleren bis starken Schmerz. Dann bekamen die Teilnehmer per Infusion
Remifentanil, ein sehr starkes opioidhaltiges Schmerzmittel.
In einem ersten Versuch wussten sie nicht, dass ihnen ein schmerzlinderndes Medikament
verabreicht wurde und rechneten demnach nicht mit einem Nachlassen des Schmerzes. Im
zweiten Test teilten die Forscher den Probanden dann mit, dass sie ein Schmerzmittel
bekamen. Und in einem dritten Experiment wurden sie in dem Glauben gelassen, kein
Medikament zu erhalten, obwohl ihnen das schmerzlindernde Mittel verabreicht wurde.
Einigen sagten die Wissenschaftler sogar, dass sich durch die Infusion die Schmerzen
verstärken könnten.
Wussten die Probanden nichts von dem Schmerzmittel, tat dieses seine Arbeit - der Schmerz
ging deutlich zurück. Noch stärker war dieser Effekt, wenn sie sich darüber im Klaren waren,
dass ihnen ein Schmerzmittel gegeben wurde: Das Wissen um die Verabreichung reichte aus,
um den schmerzlindernden Effekt zu verdoppeln - obwohl die Medikamentendosis die
gleiche war.
Ganz anders verhielt es sich dagegen, als die Forscher den Patienten sagten, sie bekämen kein
Medikament mehr und der Schmerz könne womöglich zunehmen: Obwohl ihnen ohne ihr
Wissen weiter das Analgetikum verabreicht wurde, stieg die Schmerzintensität wieder bis
zum ursprünglichen Wert an.
„Die negative Erwartung und die Angst vor dem Schmerz haben den Effekt des
Medikaments vollständig zerstört“, sagt Studienleiterin Bingel. „Der Schmerz war bei den
Probanden genauso stark, als hätten sie überhaupt kein Medikament bekommen.“
Parallel dazu verfolgten die Forscher die Schmerzverarbeitung im Gehirn der Freiwilligen
mit Hilfe von funktioneller Magnetresonanztomografie. „Dabei zeigten die Schaltstellen des
schmerzverarbeitenden Systems, dass die persönliche Erwartung den Effekt des Medikaments
beeinflusst“, sagt die Wissenschaftlerin. Glaubte der Proband an die Wirkung der
Behandlung, wurde das körpereigene schmerzhemmende System aktiviert und verstärkte so
die schmerzlindernde Wirkung des Medikaments.
Die Forscherin rät daher, dass Patienten in Zukunft intensiver und gezielter über ihre
Erkrankung und die Behandlung aufgeklärt werden sollten. „Damit sollen positive
Erwartungen geweckt und negative vermieden werden“, erläutert Bingel.
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