Hochdurchsatz-Methoden in der Festkörperchemie. Schneller zum Ziel

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390 | © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 390 – 398 Schneller zum Ziel Hochdurchsatz- Methoden in der Festkörperchemie S EBASTIAN B AUER | NORBERT S TOCK thoden gleichgesetzt. In Wirklichkeit ist die Kombinatorik aber nur ein Teilgebiet der HD-Methoden. Diese umfassen neben der eigentlichen Synthese und Charakterisierung der Produkte auch die Datenevaluierung (Datamining) und Syn- theseplanung (Informatik) (Abbildung 1). Zur Herstellung von Probenbibliotheken kann man grundsätzlich zwei Synthesestrategien unterscheiden: Der kombinatorische Ansatz, bei dem alle Reaktionen jeweils in einem einzigen Reaktionsgefäß ablaufen, führt zu Produkt- gemischen. Die große Schwierigkeit besteht hier in der Identifizierung und Isolierung der Zielverbindung. Dagegen basieren Parallelsynthesen auf einem räumlich adressierba- ren Format. Je nach Substanzklasse lassen sich Materialbib- liotheken in der Anorganischen Festkörperchemie in Form dünner Filme oder über lösungsmittelbasierte Verfahren herstellen. Während auf Substraten abgeschiedene Filme problem- los räumlich adressiert werden können, müssen lösungs- mittelbasierte Verfahren in räumlich getrennten Behältern durchgeführt werden. Hier kommen oft Mikrotiterplatten mit 96, 384 oder 1536 Vertiefungen auf einer Fläche von ca. 8 x 12 cm 2 zum Einsatz. Die Charakterisierung der ge- nerierten Probenbibliothek erfolgt entweder seriell und automatisiert (z. B. Röntgenpulverbeugung) oder parallel (z. B. IR-Thermographie). Die Datenevaluierung und Syn- theseplanung wird computergestützt durchgeführt. Der Erfolg einer etablierten HD-Methodik, hängt von der Inte- gration der Einzelschritte in einen Gesamtablauf ab. Be- sonders wichtig ist, dass die einzelnen Arbeitsschritte auf- einander abgestimmt sind, um zeitliche Engpässe zu ver- meiden. Die Effizienz wird hierbei durch den langsamsten Arbeitsschritt bestimmt. Lösungsmittelbasierte Verfahren Zu den wichtigsten lösungsmittelbasierten Verfahren, die für HD-Untersuchungen zugänglich sind, zählen Solvother- malsynthesen, Imprägnierverfahren und Sol-Gel-Synthesen. An Hand von Beispielen soll im Folgenden gezeigt werden, wie diese Verfahren erfolgreich in HD-Abläufe integriert werden können und welche Untersuchungen damit mög- lich sind. Die Entdeckung und Optimierung von Verbindungen, Wirk- stoffen, Materialien oder Formulierungen ist sehr arbeits- und zeitintensiv. Der Grund dafür liegt in der großen Anzahl chemischer und physikalischer Parameter, die nacheinander untersucht werden müssen, wobei deren Auswirkungen nicht vorhersagbar sind. Hochdurchsatz (HD)-Methoden ermög- lichen es nun, durch Automatisierung und Integration der ein- zelnen Arbeitschritte in einen Gesamtprozess, diese Parame- ter (auch Parameterraum genannt) effektiver zu untersuchen. H D-Methoden stellen kein eigenes Forschungsgebiet dar, sondern sind ein Werkzeug zur Erhöhung der Ef- fizienz in Forschung und Entwicklung. So werden diese z.B. in der Pharmaindustrie zur Wirkstoffentwicklung, in der Materialforschung im Bereich der Katalyse- oder Polymer- forschung oder in der Optimierung chemischer Formulie- rungen, z.B. von Lacken oder Cremes eingesetzt [1,2]. Im Bereich der Chemie wird der Begriff Kombinatori- sche Chemie oft fälschlicherweise mit Hochdurchsatz-Me- DOI: 10.1002/ciuz.200700404 Parallel-Reaktor mit 49 Kanälen zum Testen einer Katalysatorbibliothek [13]. ABB. 1 | HOCHDURCHSATZ-METHODEN HD-Methoden umfassen neben der eigentlichen Synthese und Charakterisierung der Produkte auch die Syntheseplanung und Datenevaluierung (Informatik).

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Schneller zum Ziel

Hochdurchsatz-Methoden in derFestkörperchemieSEBASTIAN BAUER | NORBERT STOCK

thoden gleichgesetzt. In Wirklichkeit ist die Kombinatorikaber nur ein Teilgebiet der HD-Methoden. Diese umfassenneben der eigentlichen Synthese und Charakterisierung derProdukte auch die Datenevaluierung (Datamining) und Syn-theseplanung (Informatik) (Abbildung 1).

Zur Herstellung von Probenbibliotheken kann mangrundsätzlich zwei Synthesestrategien unterscheiden: Derkombinatorische Ansatz, bei dem alle Reaktionen jeweils ineinem einzigen Reaktionsgefäß ablaufen, führt zu Produkt-gemischen. Die große Schwierigkeit besteht hier in derIdentifizierung und Isolierung der Zielverbindung. Dagegenbasieren Parallelsynthesen auf einem räumlich adressierba-ren Format. Je nach Substanzklasse lassen sich Materialbib-liotheken in der Anorganischen Festkörperchemie in Formdünner Filme oder über lösungsmittelbasierte Verfahrenherstellen.

Während auf Substraten abgeschiedene Filme problem-los räumlich adressiert werden können, müssen lösungs-mittelbasierte Verfahren in räumlich getrennten Behälterndurchgeführt werden. Hier kommen oft Mikrotiterplattenmit 96, 384 oder 1536 Vertiefungen auf einer Fläche von ca. 8 x 12 cm2 zum Einsatz. Die Charakterisierung der ge-nerierten Probenbibliothek erfolgt entweder seriell und automatisiert (z. B. Röntgenpulverbeugung) oder parallel(z. B. IR-Thermographie). Die Datenevaluierung und Syn-theseplanung wird computergestützt durchgeführt. Der Erfolg einer etablierten HD-Methodik, hängt von der Inte-gration der Einzelschritte in einen Gesamtablauf ab. Be-sonders wichtig ist, dass die einzelnen Arbeitsschritte auf-einander abgestimmt sind, um zeitliche Engpässe zu ver-meiden. Die Effizienz wird hierbei durch den langsamstenArbeitsschritt bestimmt.

Lösungsmittelbasierte VerfahrenZu den wichtigsten lösungsmittelbasierten Verfahren, diefür HD-Untersuchungen zugänglich sind, zählen Solvother-malsynthesen, Imprägnierverfahren und Sol-Gel-Synthesen.An Hand von Beispielen soll im Folgenden gezeigt werden,wie diese Verfahren erfolgreich in HD-Abläufe integriertwerden können und welche Untersuchungen damit mög-lich sind.

Die Entdeckung und Optimierung von Verbindungen, Wirk-stoffen, Materialien oder Formulierungen ist sehr arbeits- undzeitintensiv. Der Grund dafür liegt in der großen Anzahl chemischer und physikalischer Parameter, die nacheinanderuntersucht werden müssen, wobei deren Auswirkungen nichtvorhersagbar sind. Hochdurchsatz (HD)-Methoden ermög-lichen es nun, durch Automatisierung und Integration der ein-zelnen Arbeitschritte in einen Gesamtprozess, diese Parame-ter (auch Parameterraum genannt) effektiver zu untersuchen.

HD-Methoden stellen kein eigenes Forschungsgebietdar, sondern sind ein Werkzeug zur Erhöhung der Ef-

fizienz in Forschung und Entwicklung. So werden diese z.B.in der Pharmaindustrie zur Wirkstoffentwicklung, in derMaterialforschung im Bereich der Katalyse- oder Polymer-forschung oder in der Optimierung chemischer Formulie-rungen, z.B. von Lacken oder Cremes eingesetzt [1,2].

Im Bereich der Chemie wird der Begriff Kombinatori-sche Chemie oft fälschlicherweise mit Hochdurchsatz-Me-

DOI: 10.1002/ciuz.200700404

Parallel-Reaktor mit 49 Kanälen zum Testeneiner Katalysatorbibliothek [13].

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HD-Methoden umfassen neben der eigentlichen Synthese und Charakterisierungder Produkte auch die Syntheseplanung und Datenevaluierung (Informatik).

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H O C H D U R C H S A T Z- M E T H O D E N | A N O RG A N I S C H E C H E M I E

SolvothermalreaktionenViele wichtige Feststoffe mit interessanten Eigenschaften,z.B. Zeolithe, Katalysatoren oder Pigmente, werden untersolvothermalen Reaktionsbedingungen hergestellt [3]. Diessind Reaktionen in abgeschlossen Reaktionsgefäßen ober-halb des Siedepunktes des Reaktionsmediums. Dement-sprechend bezeichnet man z.B. Reaktionen in Wasser ober-halb von 100 °C und 1 bar als Hydrothermalsynthesen bzw.Umsetzungen in Ammoniak (T > –33 °C) als Ammono-thermalsynthesen.

Wasser ist bei Solvothermalsynthesen das am besten un-tersuchte Reaktionsmedium. Temperatur und Druck wir-ken sich vor allem auf die Viskosität und die Eigendissozia-tion des Wassers aus: Die Druck- und Temperaturerhöhungführt zur verstärkten Dissoziation von H2O zu OH- undH3O+. Gleichzeitig bewirkt die Erhöhung der Temperatur ei-ne Abnahme der Viskosität, woraus eine höhere Beweg-lichkeit der gelösten Spezies resultiert.

Aufgrund der extremen Reaktionsbedingungen werdendie Reaktionen in Autoklaven durchgeführt. Dabei greiftman je nach Reaktion auf korrosionsbeständige Materialien(Ampullen aus Quarz, Platin, Tantal, Gold, etc.) und für Ma-ximaltemperaturen um ~ 200 °C meist auf mit Teflon aus-gekleidete Stahlautoklaven zurück (Abbildung 2). Allerdingsenthält Teflon Mikroporen, was eine Reinigung erschwert,und oberhalb von 150 °C setzt schon das Kriechverhaltenein. Meist finden die Reaktionen ohne äußere Druckrege-lung unter dem sich in dem Autoklaven aufbauendem Druck(autogener Druck) statt. Hydrothermale Reaktionen tretenauch in der Natur im Erdinneren auf und haben zur Bildungzahlreicher Minerale geführt. Eines der bekanntesten Bei-spiele ist der α-Quarz. Er findet Anwendung als Oszillator-kristall in Schwingkreisen und wird daher in Form von Ein-kristallen unter hydrothermalen Bedingungen auch tech-nisch hergestellt.

Für die Anwendung von Solvothermalreaktionen gibtes gute Gründe: – Es lassen sich Verbindungen in ungewöhnlichen Oxi-

dationsstufen erhalten, die unter den gegebenenDrücken und Temperaturen stabilisiert werden (z.B.CrO2).

– Aufgrund der niedrigen Reaktionstemperaturen lassensich metastabile Verbindungen, z.B. Zeolithe, erhalten.

– Durch Anpassung der chemischen Parameter und derProzessparameter lassen sich oft Einkristalle züchten(z.B. α-Quarz).

Da eine große Anzahl an Substanzklassen (z.B. Oxide, Phos-phate, Silicate, Phosphonate und Carboxylate) über Solvo-thermalreaktionen zugänglich sind, werden diese in derpräparativen Chemie routinemäßig eingesetzt. Allerdingsliegen in den seltensten Fällen detaillierte Erkenntnisse überdie Reaktionsabläufe vor. Die Fülle an Ergebnissen auf diesenArbeitsgebieten lässt sich auf die Vielzahl von Reaktions-parametern in den Systemen zurückführen. Dabei spielensowohl chemische Parameter (pH-Wert, molare Verhältnis-

se der Edukte, Lösemittel), als auch Prozessparameter(Druck, Temperatur, Heizrate, Zeit, usw.) eine wichtige Rol-le. Besonders eindrucksvoll wurde dies im Bereich der Zeo-lithsynthese aufgezeigt [4].

Es liegt nahe, dass sich zur systematischen und effizi-enten Untersuchung dieser Systeme HD-Methoden beson-ders eignen. Jedoch stellen die extremen Reaktionsbedin-gungen eine große Herausforderung an die Entwicklung ge-eigneter Reaktoren. Als Format bietet sich das in der phar-mazeutischen Industrie etablierte 96-well MikrotiterplattenFormat an. Dies hat den Vorteil, dass bereits vorhandeneTechnologien ohne großen Aufwand in den Arbeitsablaufintegriert werden können.

HD-Methoden und SolvothermalsynthesenEin typischer HD-Arbeitsablauf (Abbildung 3) [5] basiert aufdem 96-well-plate Format und ermöglicht die gleichzeitigeDurchführung von bis zu 48 Einzelreaktionen unter solvo-thermalen Bedingungen. Der Reaktorblock enthält 48 Mi-niatur-Teflonbehälter mit einem Volumen von jeweils

A B B . 2 | B I L D U N D Q U E R S C H N I T T E I N E S AU TO K L AV E N F Ü R S O LVOT H E R M A L S Y N T H E S E N

[Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Firma Parr Instrument (Deutschland) GmbH]

A B B . 3 | S C H E M AT I S C H E R A R B E I T SA B L AU F BA S I E R E N D AU F D E M 9 6 -W E L L PL AT E FO R M AT

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500 µl. Diese können automatisiert mit Feststoffen sowiemit Flüssigkeiten befüllt werden. In einem speziellen Au-toklaven werden die einzelnen Reaktionsräume individuellversiegelt. Nach einem Alterungsschritt findet die Solvo-thermalsynthese in Umluftöfen bei Temperaturen bis 200 °Cstatt. Nach Abkühlen des Reaktors können mit Hilfe spezi-eller Zentrifugiereinheiten oder Filtrierapparaturen alle Pro-ben gleichzeitig isoliert werden. Die so erhaltene Anord-nung aus Reaktionsprodukten, auch Probenbibliothek ge-nannt, kann nun automatisiert mittels Röntgenpulverdif-fraktometrie oder Ramanspektroskopie charakterisiert unddie gewonnenen Informationen für die weitere Synthese-planung verwendet werden.

Die beschriebene Methode eignet sich sehr gut zur Un-tersuchung chemischer Parameter; jedoch lassen sich mitihr Prozessparameter nur schwer untersuchen, da alle Re-aktionen unter gleichen Bedingungen (Temperatur, Zeit)stattfinden.

Die graphische Beschreibung ternärer Systeme (Drei-komponentensystemen) erfolgt mit Kristallisationsdia-

grammen (Abbildung 4). Jeder Punkt in diesem Diagrammentspricht einer bestimmten molaren Zusammensetzungder Reaktionsmischung [6]. Da prinzipiell jede Zusam-mensetzung zu einem neuen Produkt führen kann, muss derParameterraum systematisch untersucht werden. Je nach-dem, wie nun die Rasterdichte gewählt wird, steigt die Zahlder durchzuführenden Experimente rapide an. Werden diemolaren Verhältnisse A : B, A : C und B : C nur in Schrittenvon 0.2 geändert, so ergeben sich bereits 21 Versuche, ei-ne Rasterdichte von 0.1 bzw. 0.05 führt bereits zu 66 bzw.231 Versuchen.

Die Kunst einer Hochdurchsatz-Syntheseplanung be-steht nun nicht darin, möglichst viele Versuche durchzu-führen. Vielmehr ist es das Ziel, durch die sinnvolle Wahleiner beschränkten Anzahl von Parametern ein Maximum anInformation aus einem Experiment zu erhalten. J. N. Cawsehat diesen Zusammenhang folgendermaßen formuliert: „A poorly designed experiment will give bad informationwith unprecedented speed and in outstanding quantity“und „If anything, planning must be done even more care-fully, since now we have the possibility of going in thewrong direction faster than ever” [7].

Vor- und Nacheile von HD-MethodenBereits die Variation der molaren Verhältnisse in einemternären System führt zu einer großen Anzahl von Experi-menten. Bei Solvothermalsynthesen handelt es sich aber oftum Mehrkomponenten-Systeme mit vier, fünf oder sechsBestandteilen. Um systematische Zusammenhänge in sol-chen komplexen Parameterräumen erkennen zu können,müssen zahlreiche Versuche durchgeführt werden, wofürsich HD-Methoden besonders eignen (Tabelle 1).

Im Vergleich zu konventionellen Reaktoren, wo ein Vo-lumen von ca. 10 ml eingesetzt wird, werden in der be-schriebenen HD-Methodik pro Ansatz nur 200 µl an Lö-sungsmittel benötigt. Dementsprechend verringert sichauch die Chemikalienmenge auf 1/50. Dadurch wird erst eine gründliche und systematische Untersuchung von Re-aktionen möglich, in denen teure bzw. schwer herstellbareEdukte eingesetzt werden. Durch Automatisierung der ein-zelnen Arbeitsschritte werden manuelle Fehler minimiert.Parallelisierung gewährleistet, dass alle Proben eines Expe-rimentes identischen Bedingungen ausgesetzt sind. Somit isteine hohe Reproduzierbarkeit der Versuche gegeben.

Um jedoch die volle Kapazität der HD-Methodik aus-schöpfen zu können, müssen alle Arbeitsschritte aufeinan-der abgestimmt sein. Dazu werden oft speziell angefertigteWerkzeuge und Geräte benötigt. Die Integration zusätz-licher Charakterisierungsmethoden setzt häufig eine zeit-aufwendige Anpassung an den Arbeitsablauf voraus. DerAufbau einer HD-Methodik ist somit mit hohen Anfangsin-vestitionen verknüpft. Die Komplexität der Methodik er-fordert außerdem eine enge Zusammenarbeit vieler Fach-richtungen. So werden zusätzlich zu Chemikern Ingenieu-re für die Hardware, Informatiker für die Software benötigt.

TA B . 1 | VO R- U N D N AC H T E I L E VO N H O C H D U RC H SAT Z- M E T H O D E N

Vorteile NachteileGeringer Chemikalienverbrauch Alle Arbeitsschritte müssen an den HD-Ablauf

angepasst werden

Hohe Reproduzierbarkeit Hohe Anfangsinvestitionen

Zeitersparnis Aufskalierung bisweilen problematisch

Identifizierung von Reaktionstrends Hohe Interdisziplinarität erforderlich

Bessere Kontrolle über Unmengen sinnloser Daten Reaktionsbedingunen bei unüberlegtem Einsatz

Systematische Untersuchungen Vorzugsorientierung kann die Auswertung möglich von Pulverdiffraktogrammen erschweren

Keine menschlichen Fehler Geringe Probenmengen

Geringere Kosten pro Probe

Weniger Routinearbeit lässt mehr Zeit für Kreativität

A B B . 4 | D I AG R A M M Z U R DA R S T E L LU N G VO N M O L A R E N Z U SA M M E N -S E T Z U N G E N I N E I N E M T E R N Ä R E N S YS T E M

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H O C H D U R C H S A T Z- M E T H O D E N | A N O RG A N I S C H E C H E M I E

Aufgrund der Probenaufarbeitung und der Automatisie-rung können Probleme bei der Datenauswertung auftreten.Sind etwa die Proben grobkristallin, kann eine Vorzugsori-entierung die Auswertung der Messdaten erschweren. Zu-dem begrenzt eine relativ geringe Probenmenge oft dieMöglichkeit weitergehender Charakterisierung.

Beispiele Im Folgenden sollen einige Beispiele das Potential von HD-Methoden für Reaktionen unter solvothermalen Bedingun-gen demonstrieren. Bei den untersuchten Systemen han-delt es sich um Zeolithe und anorganisch-organische Hy-bridverbindungen. Hybridmaterialien verbinden die Vor-teile der anorganischen Chemie bezüglich ihrer Stabilitätmit denen organischer Verbindungen, die sich durch ihreVariabilität bezüglich Größe, Flexibilität und Anzahl derfunktionellen Gruppen auszeichnen. Daraus ergibt sich diestrukturelle Vielfältigkeit der Hybridverbindungen und de-ren breites Anwendungsspektrum in den Bereichen Kata-lyse, Gasspeicherung, Korrosionsschutzmittel, UV-Absor-ber, etc. Die aufgeführten Beispiele lassen sich den fünfThemengebieten Entdeckung neuer Verbindungen, Einsatzvon Datamining, Optimierung von Reaktionen (Züchtungvon Einkristallen), Auffinden von Reaktionstrends (Ein-fluss des pH-Werts, Einfluss von Gegenionen) sowie Untersuchung des Einflusses von Prozessparametern zu-ordnen.

Entdeckung neuer VerbindungenEin Beispiel ist die Umsetzung verschiedener Metallsalzemit der Tetraphosphonsäure (H2O3PCH2)2N(CH2)4N(CH2-PO3H2)2·2H2O (H8L1·2H2O). An Hand der bekannten Ver-bindung Mn[(HO3PCH2)2N(H)(CH2)4(H)N(CH2PO3H)2] [8]wurde der Einfluss zweiwertiger Kationen untersucht. VonInteresse waren dabei bevorzugte Koordinationszahlen(zwischen vier und acht), unterschiedliche Ionenradien(zwischen 88 und 149 pm) sowie der Einfluss freier Elek-tronenpaare (Sn2+, Pb2+). Hierzu wurden 12 verschiedeneKationen eingesetzt (M2+ = Mg, Ca, Sr, Ba, Sn, Pb, Mn, Fe,Co, Ni, Zn, Cd) [9]. Zur Erstellung einer Entdeckungsbib-

liothek wurden die Metallsalze bei vier Verhältnissen M2+:H8L1 = 1:1, 1:4, 4:1 und 2:3 umgesetzt.

Die Auswertung ergab, dass nur für bestimmte Metall-ionen (Mg, Ca, Mn, Fe, Co, Ni, Zn, Cd) mikrokristalline Produkte beobachtet werden, wohingegen andere (Sr, Ba,Sn, Pb) ausschließlich röntgenamorphe Reaktionsproduktebildeten. Der Vergleich der Röntgen-Pulverdiffraktogram-me zeigte, dass alle kristallinen Verbindungen isotyp sind.Obwohl die molaren Verhältnisse M2+:H8L1 stark variiertwurden und sich die Ionenradien drastisch unterscheiden,besitzen sie denselben strukturellen Aufbau. Innerhalb vonnur einer Woche konnte so gezeigt werden, dass nur zwei-wertige Metallionen mit einem Radius zwischen 88 pm(Mg2+) und 114 pm (Ca2+) die mikrokristallinen VerbindungM(II)(H6L1) bilden.

Einsatz von DataminingDie Analyse der umfangreichen Datenmengen, die beim Ein-satz von HD-Methoden erhalten werden, erfordert einengroßen zeitlichen und intellektuellen Aufwand. Der Einsatzvon Statistik und Informatik im Bereich der Materialwis-senschaften (materials informatics) kann den Wissen-schaftler dabei unterstützen. Dies wurde z.B. bei der Opti-mierung der Synthese der Zeolithe ITQ-21 und ITQ-30, (zur Erklärung der Strukturen: siehe [4]) im SystemSiO2:GeO2:Al2O3:F-:N(16)Methyl-Sparteiniumhydroxid de-monstriert [9]. Die Analyse der Daten aus dem HT-Experi-ment erfolgte mittels verschiedener statistischer Methoden(z.B. principle components analysis und clustering Algo-rithmen).

Um Zusammenhänge zwischen verschiedenen Synthe-separametern (molare Verhältnisse der Edukte, Reaktions-zeit, Temperatur) besser herauszuarbeiten, sind die Daten-visualisierung sowie die Reduzierung des multidimensio-nalen Parameterraums wichtige Aspekte. So lässt sichschnell erkennen, welchen Einfluss einzelne Parameter bzw.Parameterkombinationen auf die Produktbildung, Zusam-mensetzung bzw. Kristallinität haben. In Abbildung 5 istdas Ergebnis einer Pareto-Analyse dargestellt. Synthesepa-rameter, deren Balken jenseits der vertikalen Linie bei zwei

A B B . 5 | S TA N DA R D I S I E R T E PA R E TO - D I AG R A M M E …

… für die Bildungder Zeolithe ITQ-21 und ITQ-30zeigen die Aus-wirkung der ver-schiedenen Syn-theseparameterauf die Kristalli-nität. Effekte, deren Balken jen-seits der vertika-len Linie bei zweireicht, sind statis-tisch signifikant[9].

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reicht, sind statistisch signifikant. Der Wassergehalt und derAluminiumgehalt in der Synthesemischung haben bei-spielsweise einen negativen Einfluss auf die Kristallinität.Das bedeutet, je höher der Wassergehalt bzw. je höher dasAl:(Si+Ge)-Verhältnis ist, desto weniger kristallin sind die Re-aktionsprodukte. Diese Arbeit zeigt, dass statistische Me-thoden Informationen über die erhaltenen Phasen, Kristal-linität, Parktikelgröße und den isomorphen Substituions-grad (Si:Ge-Verhältnis in der Verbindung) liefern können.Damit unterstützen und beschleunigen sie Untersuchungkomplexer Parametersysteme.

Optimierung von ReaktionenIst die Darstellung von Materialien mit interessanten Ei-genschaften etabliert, muss für technische Anwendungendie Synthese bezüglich wichtiger Aspekte wie Ausbeute,Kristallinität, Morphologie, Kristallitgröße oder der Mini-mierung einer teuren Reaktionskomponente verbessertwerden. Zur Optimierung der Synthesebedingungen kannein beliebig großer Parameterraum (Lösungsmittel, Additi-ve, Edukte, sowie Prozessparameter wie Temperatur, Auf-heiz- bzw. Abkühlrate, Zeit, ...) untersucht werden. Für die-se zeitintensive Fleißarbeit sind HD-Methoden die Technikder Wahl. Das folgende Beispiel der Züchtung von Einkristallen solldies verdeutlichen.

Die Kristallitgröße eines Reaktionsproduktes hängt oftvom Verdünnungsgrad während der Reaktion ab. Für dieZüchtung von größeren Kristallen liegt die Herausforde-

rung darin, den optimalen Lösungsmittelgehalt zu finden.Im oben beschriebenen Beispiel „Entdeckung neuer Ver-bindungen“ wurden nur mikrokristalline Pulver der Ver-bindungen M(II)(H6L1) erhalten. In einer zweiten fokus-sierten Bibliothek wurden daher die entsprechenden zwei-wertigen Metallionen mit der Tetraphosphonsäure H8L1 beieinem konstant gehaltenen Verhältnis M2+:H8L1 = 1:1 um-gesetzt. Dabei wurde der Wassergehalt in sechs Schrittenzwischen 98 und 99.84 mol% erhöht. Es konnten mehrereVerbindungen M(II)(H6L1) in Form von Einkristallen isoliertwerden. Die eletronenmikroskopischen Aufnahmen in Ab-bildung 6 zeigen am Beispiel der Synthese der VerbindungZn(H6L1) eindrucksvoll den Einfluss des Wassergehalts aufdie Kristallitgröße.

Auffinden von ReaktionstrendsHD-Methoden ermöglichen auch die Untersuchung unge-wöhnlicher Fragestellungen. So erleichtert die große Zahlan Ergebnissen das Auffinden von Reaktionstrends und führt zu einem besseren Verständnis von chemischen Sys-temen.

Einer der wichtigsten Parameter in der Synthese vonHybridverbindungen auf Basis von organischen Säuren oderBasen ist der pH-Wert. Durch diesen werden der Proto-nierungsgrad und somit auch die Koordinationseigenschaf-ten bestimmt. Eine systematische Variation des pH-Werteswird aufgrund der Komplexität und des damit verbunde-nen großen Zeitaufwandes nur selten durchgeführt. In der folgenden Studie wurde das System Zn(NO3)2/p-

H2O3PCH2C6H4COOH (H3L2)/NaOHeingehend untersucht, wobei die pH-Werte der Reaktionsmischungen zuBeginn und am Ende der Reaktion au-tomatisiert registriert wurden [5]. Diestrukturelle Charakterisierung der Re-aktionsprodukte ergab, dass der pH-Wert der bestimmende Faktor bezüg-lich der Dimensionalität der gebilde-ten Verbindungen ist. Die Erhöhungdes pH-Wertes führt zu einer schritt-weisen Deprotonierung der Phospho-nocarbonsäure H3L2. Die daraus re-sultierende Erhöhung der Haptizität(Grad der Koordination) des Ligandenführt zu entsprechend höher konden-sierten Strukturen. So beobachtet manbei pH ≈ 0 die Bildung isolierter ein-dimensionaler Säulen, bei pH ≈ 1 bil-den sich Schichtverbindungen und beipH ≈ 6 erhält man eine dreidimensio-nal verknüpfte Struktur.

In Solvothermalsynthesen findetdie Untersuchung des Einflusses derAnionen in Metallsalzen kaum Beach-tung bzw. man geht oft davon aus, dassdiese keinen Einfluss haben. Aufgrund

A B B . 6 | E I N F LU S S D E S WA S S E RG E H A LT S AU F D I E K R I S TA L L I N I T Ä T B E I D E R S Y N T H E S E VO N Z N ( H 6L 1 ) [ 5 ]

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von Hydrolysereaktionen führen Metallacetate zu basische-ren Lösungen als z.B. Metallhalogenide. Während dieserSachverhalt voraussehbar ist, wurde beim Einsatz von NO3

-

als Gegenion unerwartet eine komplexe Reaktion unter par-tieller oxidativer Zersetzung der Phosphonocarbonsäurebeobachtet [10]. Der Einfluss der Anionen wurde bei derSynthese von Cobalt-Carboxyphosphonaten in dem SystemCo2+/(H2O3PCH2)2 NCH2C6H4- COOH (H5L3)/NaOH unter-sucht (Abbildung 7). Dabei wurden in einem HD-Experi-ment vier verschiedene Cobaltsalze (CoCl2, Co(O2CCH3)2,Co(NO3)2, und CoSO4) bei einem konstanten molaren Ver-hältnis Co(II) : H5L3 = 1:1 umgesetzt. Der molare Anteil anNaOH wurde in 12 Schritten variiert. Die Auswertung desExperiments ergibt ähnliche Reaktionstrends für die Co-baltsalze starker nicht oxidierender Säuren (CoCl2 und Co-SO4). Ausgehend vom Salz einer schwachen Säure(Co(O2CCH3)2) beobachtet man eine Verschiebung in derProduktbildung aufgrund des höheren pH-Wertes zu Beginnder Reaktion, der aus der Hydrolysereaktion der Acetatio-nen resultiert. Die Anwesenheit von Nitrationen unter sau-ren Bedingungen führt zu einer in-situ-Oxidation einer P-C-Bindung und damit zur Bildung einer neuen Phosphonsäu-re, die durch Komplexierung an Co2+ stabilisiert wird.

Einfluss von Prozessparametern Vor allem bei der Synthese wichtiger Materialien im indus-triellen Maßstab (z.B. Zeolithe) ist die Kenntnis der Pro-zessparameter (Zeit, Temperatur, Druck, ...) oft entschei-dend für das Gelingen der Reaktion [11]. Kürzlich wurdeüber die Untersuchung des Einflusses von pH-Wert, Tem-peratur, Konzentration und Zeit bei der Synthese anorga-nisch-organischer Hybridmaterialien berichtet [12]. Dabeihandelt es sich um Cobaltsuccinate, die in den letzten Jah-ren bereits intensiv untersucht wurden. Da die Cobaltsuc-cinate aber von unterschiedlichen Arbeitsgruppen und oh-ne einheitliche Vorgehensweise synthetisiert wurden, ließsich nachträglich nur schwer eine Aussage über den Einflussder Reaktionsparameter auf die Produktbildung treffen. Da-her wurde in 384 Reaktionen der Einfluss der Reaktions-parameter, molare Verhältnisse Co(OH)2/C4H6O4, Konzen-tration, Temperatur und Reaktionszeit untersucht. Die Er-gebnisse der vorherigen Studien konnten so reproduziertwerden und zusätzlich wurden in diesem intensiv unter-suchten System zwei neue Phasen identifiziert. Danebenkonnte aufgrund der großen Anzahl von Versuchen die Rol-le der Syntheseparameter bei der Bildung dieser Materiali-en besser verstanden werden. Die Ergebnisse sind in Ab-bildung 8 zusammengefasst. Die Pfeile kennzeichnen, wiesich Temperatur und pH-Wert auf die Bildung der Cobalt-succinate auswirken.

Imprägnierte MaterialienKatalysatoren mit katalytisch aktiven Metallionen werdenoft durch Imprägnieren geeigneter Träger hergestellt.Schüth und Mitarbeiter berichteten über einen erheblich be-schleunigten Entwicklungsprozess von Katalysatoren durch

A B B . 7 | G EG E N I O N E N

Kristallisations-diagramm zur Un-tersuchung desEinflusses von Ge-genionen bei derSynthese von Co-balt-Carboxyphos-phonaten in demSystem Co2+/(H2O3PCH2)2

NCH2C6H4COOH(H5L3)/NaOH [10].

A B B . 8 | p H , T E M PE R AT U R , KO N Z E N T R AT I O N …

eine kombinierte Katalysatorsynthese und –prüfung mittelsHD-Methoden [13]. Ein Katalysatorträger wird in räumlichangeordnete Gefäße eingefüllt und kann dann mit Hilfe eines Pipettierroboters mit Imprägnierlösungen versetztwerden. Nach automatisiertem Transfer in eine Wasch-station kann die Katalysatorbibliothek thermisch behandeltund nach Überführung in einen parallel arbeitenden Testre-

Ergebnis der Un-tersuchung zumEinfluss von pH-Wert, Temperatur,Konzentration undZeit bei der Syn-these anorga-nisch-organischerHybridmateriali-en. Die Pfeilekennzeichnen, wiesich Temperaturund pH-Wert aufdie Bildung derCobaltsuccinateauswirken.

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aktor bezüglich der katalytischen Oxidation von Methancharakterisiert werden (Abbildung 9).

Sol-Gel-Synthesen Über Sol-Gel-Prozesse lassen sich amorphe mikroporöseMischoxide herstellen. Große Oberflächen mit homogenverteilten katalytisch aktiven Zentren verleihen diesen Ma-terialien hervorragende Eigenschaften als Katalysatoren.Auch hier eignen sich HD-Methoden zur Herstellung vonKatalysatorbibliotheken [14]. Mittels Pipettierroboter wer-den Siliciumdioxid- bzw. Titandioxidsole zusammen mit

Übergangsmetallsalzlösungen in Vertiefungen eines ent-sprechenden Arrays dispensiert. Nach dem Verdunsten desLösungsmittels und anschließender Calcinierung kann dieAktivität der Katalysatoren bezüglich einer bestimmten Re-aktion beispielsweise mittels IR-Thermographie (sichtbarmachen von IR-Strahlung wie in Nachttsichtgeräten) un-tersucht werden (Abbildung 10).

Dünnfilm-MethodenZur Herstellung dünner Filme verwendet man verschiede-ne Bedampfungsmethoden: Elektronenstrahl- und thermi-sche Verdampfung, Chemische Transportreaktion (chemicalvapor deposition, CVD), Sputtern sowie gepulste Laser-ablation. Im Folgenden werden einige auf Dünnfilm-Metho-den basierende Untersuchungen zu den industriell wichti-gen Substanzklassen Supraleiter, Leuchtstoffe sowie Di-elektrika vorgetellt.

SupraleiterBei der Untersuchung von Supraleitern wurde von Schulzund Mitarbeitern in der Anorganischen Festkörperchemieerstmals die Technik einer zweidimensionalen, räumlichadressierbaren Materialbibliothek beschrieben [15]. Durchsequentielles Abscheiden von Präkursoren auf inerten MgOoder LaAlO3-Einkristallen und das Verwenden von physika-lischen Masken wurden Arrays mit verschiedenen Kombi-nationen hergestellt. Dazu wurden unterschiedlichestöchiometrische Verhältnisse und Beschichtungsabfolgender Edukte BaCO3, Bi2O3, CaO, CuO, PbO, SrCO3 und Y2O3

gewählt (Abbildung 11). Nach einer thermischen Behand-lung bei 840 °C in oxidierender Atmosphäre wurde die Su-praleitfähigkeit jeder Probe überprüft. Dazu wurde der Wi-derstand in Abhängigkeit von der Temperatur mit Hilfe klei-ner Vierpunktsonden bestimmt.

Tatsächlich konnten supraleitende Filme der Zusam-mensetzung BiSrCaCuOx, BiPbCaSrCuOx und YBa2Cu3Ox

gefunden werden. Diverse Experimente zeigten, dass nichtnur die stöchiometrische Zusammensetzung, sondern auchdie Beschichtungsabfolge und die Bedingungen der ther-mischen Behandlung einen Einfluss auf Supraleitfähigkeitder jeweiligen Filme haben. Eine Weiterentwicklung dieserMethodik führte zu Probenarrays mit einer individuellenProbengröße von nur 200 µm x 200 µm, was bei einem Ab-stand von nur 50 µm zu einer Probendichte von 10000 Pro-ben pro Quadratzoll führt.

Lumineszierende MaterialienBei der Suche nach neuen Leuchtstoffen haben Wissen-schaftler von Symex Technologies gezeigt, dass der Einsatzvon HD-Methoden in der Materialforschung zur Entdeckungneuartiger Materialien mit unerwarteter Struktur führenkann [16]. So konnte die Verbindung Sr2CeO4, die blauweißluminesziert, in einer Entdeckungsbibliothek identifiziertwerden. Durch Elektronenstrahlverdampfen verschiedenerEdukte wurde auf einem 76.2 mm großen Si-Wafer eine Ma-terialbibliothek hergestellt (Abbildung 12). Dazu wurden

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IR-thermografi-sche Aufnahmeeiner Katalysa-torbibliothek fürdie Oxidation vonOktan in der Gas-phase bei 350 °°C.Katalytisch akti-ve Materialienwerden durch Bereiche höhererTemperatur an-gezeigt [14].

Abb. 9 Parallel-Reaktor mit 49 Kanälen zum Testen einer Katalysator-bibliothek [13].

Abb. 11 Arrayvon 128 verschie-denen Zusam-mensetzungenvor der thermi-schen Behand-lung, die poten-tiell zu Supralei-tern führen [15].

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zunächst vier Spalten von jeweils SnO2, V, Al2O3+V undAl2O3 mit jeweils konstanter Schichtdicke abgeschieden.Bemerkenswert ist, dass durch Einsatz physikalischer Blen-den Materialgradienten eingeführt werden können. In zweiweiteren Abscheidungsschritten wurde die Dicke der auf-gebrachten Schichten innerhalb bestimmter Felder konti-nuierlich variiert (zuerst vier Reihen mit La2O3, Y2O3, MgObzw. Sr2CO3, abschließend vier Spalten mit Eu2O3, Tb4O7,Tm2O3 bzw. CeO2). Um die Schichten zu vermischen undso zu den Lumineszenzmaterialien zu gelangen, wird dieMaterialbibliothek noch thermischen Behandlungen in oxi-dativer Atmosphäre unterzogen. Auf diese Weise lassen sichca. 600 verschiedene chemische Zusammensetzungen proQuadratzentimeter realisieren.

Zum HD-Screening wurde die Materialbibliothek durchUV-Strahlung angeregt und mittels einer CCD-Kamera ab-gebildet. Durch Vergleich mit Kalibrierstandards wurdenviel versprechende Proben identifiziert.

Die gefundenen Zusammensetzungen für effektive roteund blaue Leuchtstoffe wurden anschließend in fokussier-ten Bibliotheken optimiert. Gerade auf einem Gebiet, woVariationen in der stöchiometrischen Zusammensetzung ei-nen großen Einfluss auf die Materialeigenschaften habenkönnen, können HD-Methoden die Entdeckung neuer Ma-terialien signifikant beschleunigen.

DielektrikaEine andere Technik zur Herstellung von Gradienten wur-de von der Bell-Labs-Gruppe zur Entdeckung von dielektri-schen Materialien eingesetzt [17]. Bei der „Composition-spread“-Gradienten-Technik können ternäre Gemische mitgraduell variierender Zusammensetzung hergestellt werden.Dazu werden beispielsweise Zr, Ti und Sn gleichzeitig aufeinem mit TiN-beschichteten Si-Wafer abgeschieden. DieKonzentration jeder einzelnen Komponente in dem er-zeugten Feld nimmt mit abnehmender Entfernung vom Aus-gangpunkt ab. Dabei bilden sich dünne Schichten von ZrxSnyTizO2-ε. Diese wurden durchortsaufgelöste Bestimmung der Kapa-zität sowie der Durchbruchsspannung(Abbildung 13) charakterisiert. DieVermessung einer Bibliothek an 4000unterschiedlichen Punkten dauerte ei-nen Tag. Das gefundene Dünnschicht-transistormaterial Zr0.15Sn0.3Ti0.55O2-ε

besitzt bessere Eigenschaften als dasam häufigsten verwendete amorphe Si-liciumdioxid (α-SiO2).

ZusammenfassungHochdurchsatz-Methoden zeichnen sichgegenüber konventionellen Methodendurch eine größere Effizienz aus. Mitt-lerweile steht im Bereich der Anorgani-schen Festkörperchemie und der Mate-rialwissenschaften eine Vielzahl von

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a) SchematischeDarstellung derEntdeckungs-bibliothek auf einem Si-Wafer.b) Bild einer mitUV-Strahlung an-geregten und mit-tels CCD-KameraphotographiertenEntdeckungs-bibliothek [16].

a) Ergebnis der ortsaufgelösten Charakterisierung der ternären Materialbibliothek und b) deren Abbil-dung in Form eines konventionellen ternären Phasendiagramms [17].

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Werkzeugen zur Verfügung, um die Entdeckung und Opti-mierung von Materialien durch Verwendung von HD-Metho-den schneller voranzutreiben. Für alle Arbeitstechniken gilt:Das Ausmaß der Automatisierung, Parallelisierung und Mi-niaturisierung sowie die Integration aller Einzelschritte in ei-nen Gesamtprozess bestimmt die Effizienz einer HD-Metho-dik. Durch eine systematische Untersuchung des Parameter-raumes und durch sorgfältige Datenevaluierung (möglichstSoftware-gestützt) können Trends gefunden werden, die zu ei-nem besseren Verständnis der untersuchten Systeme beitra-gen.

Der vorgestellte Ansatz zur HD-Untersuchung von Solvo-thermalreaktionen erlaubt die automatisierte Synthese undCharakterisierung von bis zu 48 Produkten ohne die Probeneinzeln manipulieren zu müssen. Der geringe Reagenzienver-brauch zusammen mit der Möglichkeit, die Reaktionen unteridentischen Prozessparametern (Temperatur, Zeit, Druck,usw.) durchführen zu können, ermöglichen die systematischeUntersuchung eines größeren Parameterraumes. An Handzahlreicher Beispiele haben wir das Potential von Hochdurch-satz-Methoden bei der Entdeckung neuer Verbindungen, derOptimierung von Reaktionen, beim Auffinden von Reak-tionstrends sowie der Untersuchung des Einflusses von Pro-zessparametern gezeigt.

SummaryHigh-throughput (HT) methods applied to materials discov-ery have attracted much attention over the last few years be-cause they permit a fast and efficient investigation of para-meter space while consuming only small amounts of startingmaterials. Nowadays, many different HT techniques in solidstate science are employed in order to accelerate the discov-ery and optimization of materials. The degree of parallelisa-tion, automation, and miniaturization determines the effi-ciency of a HT methodology. Systematic investigation of pa-rameter space and careful data analysis allow the identifica-tion of reaction trends and may give important guidance inbetter understanding of reaction systems.

The described HT methodology for solvothermal reactionsallows the systematic investigation of 48 different hy-drothermal reactions at a time. The methodology includesautomatic dispensing of solids and liquids, followed by ho-mogenization, pH measurement, synthesis, isolation, wash-ing as well as automated phase analysis by X-ray diffractionwithout the manipulation of individual samples.

The focus of this article is on the application of HT meth-ods in the investigation of the parameter space in solid statesciences. Based on selected examples, the power of HT me-thods in the discovery of new compounds, the optimizationof reactions, the identification of reaction trends, as well asthe investigation of the influence of process parameters is de-scribed. The large amount of data obtained in a short timeleads to an improvement towards the understanding of therole that synthesis and process parameters play in the for-mation of compounds and materials.

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Die AutorenSebastian Bauer, geb. 1976, studierte Chemie an derLudwig-Maximilians-Universität in München undfertigte seine Diplomarbeit im Arbeitskreis von Prof.Bein im Bereich Physikalische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München an. Er promo-viert gegenwärtig in der Arbeitsgruppe von Prof.Stock an der Christian-Albrechts-Universität Kiel undbeschäftigt sich mit der Anwendung und Entwick-lung von Hochdurchsatz-Methoden für Synthesenunter solvothermalen Bedingungen.

Norbert Stock, geb. 1967, studierte an der Univer-sität Bayreuth und an der University of Nebraska,Lincoln, USA, Chemie. Er promovierte in derAnorganischen Chemie bei Prof. Schnick. 1999forschte er als Post-Doktorand an der University ofCalifornia in Santa Barbara (UCSB). Nach derRückkehr nach Deutschland an die Ludwig-Maximilians-Universität erfolgte die Habilitation imArbeitskreis von Prof. Bein. Diese wurde 2004abgeschlossen und im gleichen Jahr erfolgte der Rufauf eine C3-Professur an die Christian-Albrechts-Universität Kiel. Seine aktuellen Forschungenbeschäftigen sich mit der Entwicklung und Anwen-dung von Hochdurchsatz-Methoden für Solvo-thermalreaktionen.

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Norbert StockInstitut für Anorganische Chemie, Christian-Albrechts-Universität,Otto-Hahn-Platz 6/7, 24118 KielE-Mail: [email protected]

SchlagworteHochdurchsatz-Methoden, Hydro-thermalsynthese,Solvothermalsyn-these, Materialfor-schung, Kombinato-rik, anorganisch-organische Hybrid-materialien, Rönt-genpulverdiffrakto-metrie