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Johann Sebastian Bachs „Die Kunst der Fuge“. Kompositionsgeschichte, Rezeption und Interpretationsvergleich. Hochschule für Musik Köln HS: Bach-Haydn-Beethoven: Spätwerke zwischen Retrospektive und Innovation. SS 2009 Dozent: Prof. Dr. Arnold Jacobshagen Referent: Peter Büssers Fächer: Lehramt Gy/Ge Musik & kath. Theologie 6. Fachsemester [email protected] 6. Mai 2009

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Johann Sebastian Bachs „Die Kunst der Fuge“.

Kompositionsgeschichte, Rezeption und Interpretationsvergleich.

Hochschule für Musik KölnHS: Bach-Haydn-Beethoven: Spätwerke zwischen Retrospektive und Innovation.SS 2009Dozent: Prof. Dr. Arnold Jacobshagen

Referent: Peter BüssersFächer: Lehramt Gy/Ge Musik & kath. Theologie 6. [email protected]. Mai 2009

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I. Werkimmanente Probleme1. Quellenlage2. Ausgangspunkt Unvollendung3. Frage nach der Satzreihenfolge4. Die Kunst der Tempi5. Happy End?

II. Rezeptionsgeschichte und Entstehung der Aufnahmen als Frage nach der Besetzung

III. Aufnahmenübersicht

Gliederung

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Autographe Quellen◦ Reinschrift: 12 Fugen + 2 Kanons (Partiturnotation)◦ Anhangsteil

(1) Stichvorlage für den Augmentationskanon Nr. 14(2) Bearbeitung der 3stimmigen Spiegelfuge für 2 Klaviere(3) Unvollendete Fuge auf 5 Blättern (in 2 Systemen)

◦ „Reinschrift“ – Vorausgegangenes Manuskript ist verloren

◦ Datierung durch Papieranalysenauf die frühen 1740er Jahre Nicht für die „Sozietät“ komponiert Also durchaus Spätwerk im Sinne einer

Elaboratio von Bachs Schaffen, aber nicht im Sinne von „über diesem Werk ist der Verfasser verstorben“.

◦ Heterogenität

1. Quellenlage

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Autographe Quellen◦ Bemerkung von C. P. E. Bach im Anhang des Autographs

Über dieser Fuge, wo der Name B A C H im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfasser gestorben.

1. Quellenlage

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1. Quellenlage

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6

Erstdruck (Frühjahr 1751)◦ Initiiert durch Carl Philipp Emanuel und Johann Christian

sowie den Schwiegersohn und Schüler Johann Friedrich Agricola.

◦ Teilweise wurden im Erstdruck Frühfassungen bereits überarbeiteter Kontrapunkte abgedruckt.

◦ Von der Schlussfuge sind nicht alleaus dem Autograph erhaltenenTakte abgedruckt (6 Takte fehlen)

◦ Problem der Satzreihenfolge, dienoch nicht endgültig feststand.

1. Quellenlage

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1. Quellenlage

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1. Quellen

Aus: WOLFF, CHRISTOPH, Johann Sebastian Bach, 477.

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1. Quellenlage

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Anlage als Partitur ◦ 14 in vierstimmiger Partitur◦ 3 in dreistimmiger Partitur◦ 7 in zweistimmiger Partitur

Keine Besetzungsangaben:Legitimation für Bearbeitungen?

Partiturform existierte in der Praxis auch für Tasteninstrumente.

Bearbeitungen seit dem 19. Jh.

2. Ausgangspunkt Unvollendung

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Gustav Leonhardt (1952): ◦ Die Kunst der Fuge ist eine Komposition

für Tasteninstrumente. Argumente:

◦ Vgl. „Canonische Veränderungen über Vom Himmel hoch“: letzter Satz ist Partitur,Komposition „vor die Orgel mit 2 Clavierenund dem Pedal“

◦ Kompositorische Ähnlichkeiten zu anderenWerken für Tasteninstrument von Bach.

2. Ausgangspunkt Unvollendung

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Argumente:◦ Auschluss anderer Instrumente:

geht über den Stimmumfang der in Frage kommenden Ensembles hinaus.(Streichquartett bedingt)

Wäre die Kunst der Fuge ein Ensemble-Werk, hätte sie zwangsläufig ein Continuo.

Der Bass hat nicht immer Bass-Funktion(Kreuzung mit Tenor, Übernahme)

◦ Indikatoren für Tasteninstrumente: Zweihändig spielbar. Vgl. mit anderen Werken Bachs, die nicht für

Tasteninstrument komponiert wurden: sindnicht zweihändig spielbar.

2. Ausgangspunkt Unvollendung

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Argumente:◦ Indikatoren für Tasteninstrumente:

Zahlreiche Beispiele für Alterationen etc. um zweihändige Spielbarkeit zu gewährleisten.

„Fuga a 2. Clav.“ bei Contrapunctus XVII Verwendete Schlüssel unüblich für die in

Frage kommenden Ensembles.

Leonhardts Fazit:◦ In erster Linie ist die Kunst der Fuge ein

Werk für Tasteninstrument, in zweiter Linie ein theoretisches Werk.

◦ Konsequente Rücksichtnahme auf Manualiter-Spielbarkeit.

2. Ausgangspunkt Unvollendung

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„für Klavierauszug“ Instrumentenfrage bei konzertmäßiger Aufführung

◦ Das Moment des häuslichen Studiums entfällt◦ Instrumentenwahl wird nicht mehr durch den Lehrzweck,

sondern durch den Wirkungszweck bestimmt.◦ Vor und Nachteile verschiedener Instrumente:

Orgel mit differenzierten Möglichkeiten an Klangvielfalt

Cembalo zur Gleichrangigen Darstellung der Stimmen

2. Ausgangspunkt Unvollendung

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Reinhard Goebel (1984)◦ Etablierung der Streicherfuge neben der

Klavierfuge seit 1600 als Argument für heterophones Ensemble bzw. Möglichkeit der Besetzung mit Streichern.

Fazit: Rücksichtnahme auf Klavierauszugmäßige Spielbarkeit für Tasteninstrumente. Es ist dennoch nicht auszuschließen,dass Bach Ausführungen durch andere Melodieinstrumente in Er-wägung gezogen hat. Instrumen-tierung ist Sache des Interpreten.

2. Ausgangspunkt Unvollendung

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Im fragmentarischen Dasein des Werks ist die Frage nach der Reihenfolge der Sätze kaum zu beantworten.

Kunst der Fuge als zyklisches Gesamtwerk oder als Fugen-Lehrbuch zum Studium?

Komponierter Zyklus, aber kein Aufführungs-zyklus (?!)

Hinterfragung der Reihenfolge ab 1841 durchMoritz Hauptmann.„Zustande halber Verschüttung“ … „Vollständiges Chaos“

Jeder Musikwissenschaftler legt eine eigene Reihenfolge vor.◦ Einfluss von Graesers Bearbeitung.

3. Frage nach der Satzreihenfolge

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Im fragmentarischen Dasein des Werks und der heterogenen Quellenlage ist die Frage nach der Reihenfolge der Sätze kaum mehr befriedigend zu beantworten.◦ Autograph, fortlaufende Nummerierung bis Cp. XII

Hinterfragung der Reihenfolge ab 1841 durchMoritz Hauptmann.„Zustande halber Verschüttung“„Vollständiges Chaos“

3. Frage nach der Satzreihenfolge

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Zyklusgedanke konkret bei der Kunst der Fuge verstärkt durch die Einführung der Schallplatte (Aufnahmen ab 1935)

Grobunterscheidung zwischen zwei Modellen:a) Anlage auf Abwechselung: Kanons (falls eingespielt)zwischen den

Kontrapunkten.b) Reihenfolge anhand der Progressivität der Polyphonie: Kanons oft

geblockt am Ende. Reihenfolge wird zur Interpretationssache

◦ (Entzugsbeispiel: Hermann Diener)

3. Frage nach der Satzreihenfolge

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Tempounterschiede (1935-1979): durchschnittlich 39% ◦ Extreme Unterschiede bei Cp. VI „stylo francese“

min. 2:49 – max. 9:13 = 53% Tempounterschied zwischen Gould Orgel (1962) –

Klavier (1966): Instrumentenabhängigkeit.◦ Cp. I: Orgel 2:46 / Klavier 4:51◦ Cp. IX: Orgel 3:05 / Klavier 2:33

4. Die Kunst der Tempi

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Problem der Unvollendung:

5. Happy End?

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Quadrupelfuge wahrscheinlich geplant und wahrscheinlich sogar skizziert.

Fragmentarisches Ende des Stückes wirkte auf die Herausgeber des Erstdrucks unbefriedigend◦ Choral

5. Happy End?

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Choral:◦ Wen wir in hoechsten Noethen (=Vor Deinen Thron tret ich)◦ Legende des Totenbettchorals. ◦ „Heiligenschein“◦ „Mystifizierung“ (vgl. Mozarts Requiem)

5. Happy End?

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Choral-Probleme:◦ Andere Tonart (G-Dur); Überarbeitung eines Chorals aus

früherer Zeit (BWV 668), als ältere Fassung des in Leipziger Originalhandschrift fragmentarische erhaltenen Orgelchorals: also kein „Totenbettchoral“.

5. Happy End?

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Mittelweg: Harry van der Kamp◦ Vokalpolyphone Bearbeitung der

unvollendeten Fuga a 3 soggetti über die letzte Text-Strophe des Chorals „Vor deinen Thron tret ich hiermit“

Ein selig Ende mir bescher, am Jüngsten Tag erweck mich, Herr, daß ich dich schaue ewiglich.Amen, Amen, erhöre mich.

5. Happy End?

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Vollendung der letzten Fuge◦ durch Walcha, Moroney, Daniel…◦ Frage nach der Authentizität

5. Happy End?

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Der Schluss wird immer fragmentarisch bleiben◦ Problematik für Interpretationen: Mythos des letzten Werkes

schwingt immer mit. Ohne Schlussfuge Mit Schlussfuge Mit vollendeter Schlussfuge Mit Choral Ohne Choral

5. Happy End?

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Fazit aus den sich ergebenden Problemen:

Kriterien und Möglichkeiten führten unumgänglich zu einer großen Reichhaltigkeit an klanglicher Interpretation

Zwischenbilanz

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Zunächst schleppender Verkauf der Noten Auseinandersetzung und teilweise auch Bearbeitung:

◦ Mozart , Beethoven, Schumann, Bruckner, Brahms

Notenausgaben:◦ 1801 Partiturausgabe in Paris◦ 1802 Partiturausgabe mit zwei-

systemiger Klavierumschrift (H. G. Nägeli)◦ 1838 Klavierbearbeitung v. Carl Czerny

in 2 Systemen mit Fingersatz etc.◦ 1868 Ausgabe für Orgel in Leipzig◦ 1875 BGA in Partiturdruck und

originalen Schlüsseln in 2 Lesarten

II. Rezeptionsgeschichte

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Die Kunst der Fuge tritt zunehmends in die Öffentlichkeit(1) Größeres Interesse an Bachs Werken(2) Als Schule für Klavier(3) Zum Kompositionsstudium:

als Musterbeispiel für Fugenkomposition

II. Rezeptionsgeschichte

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Wolfgang Graeser (Bach-Jahrbuch 1924)„Die Schande, eines der kostbarsten Güter der Nation schmählicher Vergessenheit verfallen zu lassen, ist nicht getilgt; sie lastet seit eindreiviertel Jahrhunderten auf der Deutschen Musik. Das deutsche Volk soll sich in einer Zeit der Knechtung, der inneren und äußeren Armut auf seine großen welthistorischen Geister besinnen … Ehrt eure deutschen Meister!“

Graeser und die Kunst der Fuge:◦ Mathematik und Musikstudent◦ Wahrscheinlich zufälliger Kontakt zur

Kunst der Fuge◦ Bearbeitung für Orchester

II. Rezeptionsgeschichte

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Zyklische (novum!) „Uraufführung“ am 26. Juni 1927◦ Graesers Fassung wird von Karl Straube in der Thomaskirche

aufgeführt. Graesers Fassung:

◦ Orchestration ist auf Abwechselung angelegt.◦ Etablierung im Konzertbetrieb.

II. Rezeptionsgeschichte

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Stimmen der Zeit zur Uraufführung:◦ „das vielleicht größte instrumentale Ereignis des ganzen

Jahrhunderts“ (Alfred Heuß)◦ „Die Aufführung war ein Gottesdienst“ (Felix Stössinger)◦ „der Name Bach erscheint wie der eines Heiligen“ (Hugo

Löbmann)

II. Rezeptionsgeschichte

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Stimmen der Zeit zur Komposition:◦ „Riesenbau dieser Weltfuge“ (Hugo Löbmann, 1927)◦ „Mathematik des Kosmos“ (Richard Benz, 1935)◦ „das deutscheste Musikwerk, das sich denken läßt“ (Erich

Doflein, 1936)◦ Nationalsozialismus

Stimmführung der Bachschen Fugen wird bei als Pendant der germanischen Linien-ornamentik als Abbild deutschen Strebens nach Weite, Raum und Kampf interpretiert

„KdF“

II. Rezeptionsgeschichte

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Objektivierung vs. Differenzierung◦ Objektivierung

alles Subjektive soll in der Musik keinen Raum haben Loslösung vom Interpreten als Individuum Subjektivierende Einflüsse der Interpreten stören und verfälschen Absolute Gleichrangigkeit aller Stimmen

◦ Differenzierung Einfluss der Wahl der Instrumente auf

das Hörbarmachen der polyphonen Struktur durch Bearbeitung und Instrumentierung

II. Rezeptionsgeschichte

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Ersteinspielung 1935 vor (!) den anderen Großwerken Bachs ◦ Roth String Quartett (USA)◦ Hermann Diener (Streichquartett, Deutschland)◦ Richard Buhlig (Bearbeitung für 2 Klaviere, USA)

Weitere Ersteinspielungen in Chronologie◦ 1940 Orgel◦ 1949 Orchester (erst!)◦ 1954 Cembalo (Leonhardt)◦ Ab 1962 (heterophone) Ensemble◦ Ab 1975 elektronische Interpretationen

Einspielungen bislang (6. Mai 2009) laut bach-cantatas.com: 191

III. Aufnahmenübersicht

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Die Kunst der Fuge wird als ‚musikalisches Chamäleon‘ gleichsam zu den ‚Künsten der Fugen‘.

Interpretation wird damit vor allem hinsichtlich der Instrumentierung zu einer Aufgabe, die mit der Zeit immer wieder aufs Neue versucht werden soll.

Fazit

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EGGEBRECHT, HANS HEINRICH, Bachs Kunst der Fuge. Erscheinung und Deutung, München 21985. ELSTE, MARTIN, Bachs Kunst der Fuge auf Schallplatten. Mit einer Diskographie aller zyklischen Aufnahmen,

Frankfurt a. M. 1981. ELSTE, MARTIN, Meilensteine der Bach-Interpretation 1750-2000. Eine Werkgeschichte im Wandel, Kassel 2000. KOLNEDER, WALTER, Die Kunst der Fuge. Mythen des 20. Jahrhunderts, 5 Bände, Wilhelmshaven 1977. LEONHARDT, GUSTAV, The Art Of Fugue. Bachs Last Harpsichord Work. An Argument, Zaltbommel (NL) 1952. SACKMANN, DOMINIK, Die Kunst der Fuge In: RAMPE, SIEGBERT (Hg.), Bachs Klavier- und Orgelwerke. Das

Handbuch, Teilband 2, Köthen 2008, 1008-1040. SCHLEUNING, PETER, Johann Sebastian Bachs ‚Kunst der Fuge‘. Ideologien – Entstehung – Analyse, Kassel 1993. WOLFF, CHRISTOPH, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 22002.WOLFF, CHRISTOPH, Zur Chronologie und Kompositionsgeschichte von Bachs Kunst der Fuge In: Beiträge zur

Musikwissenschaft, Jg. 25 / 1983, 130-142.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Kontakt: [email protected]

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.