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9 Hüfte und Oberschenkel B. Weigel 9.1 Basiswissen – 520 9.1.1 Anatomie – 520 9.1.2 Diagnostik – 522 9.2 Hüftgelenk – 524 9.2.1 Hüftluxationen – 524 9.2.2 Hüftkopffrakturen – 528 9.3 Proximales Femur – 530 9.3.1 Schenkelhalsfrakturen – 530 9.3.2 Trochantere Frakturen – 545 9.4 Femurschaftfrakturen – 554 9.5 Distale Femurfrakturen – 574 9.6 Periprothetische Frakturen – 583 9.7 Weichteile – 587 9.7.1 Weichteilverletzungen – 587 9.7.2 Kompartmentsyndrom – 588 Literatur – 589

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Hüfte und Oberschenkel

B. Weigel

9.1 Basiswissen – 5209.1.1 Anatomie – 520

9.1.2 Diagnostik – 522

9.2 Hüftgelenk – 5249.2.1 Hüftluxationen – 524

9.2.2 Hüftkopffrakturen – 528

9.3 Proximales Femur – 5309.3.1 Schenkelhalsfrakturen – 530

9.3.2 Trochantere Frakturen – 545

9.4 Femurschaftfrakturen – 554

9.5 Distale Femurfrakturen – 574

9.6 Periprothetische Frakturen – 583

9.7 Weichteile – 5879.7.1 Weichteilverletzungen – 587

9.7.2 Kompartmentsyndrom – 588

Literatur – 589

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9.1 Basiswissen

9.1.1 Anatomie

Knochen und Bänder

Das Femur ist der längste Knochen des Körpers. Das Caput femoris (⊡ Abb. 9.2) artikuliert im Acetabulum,dasden Hüftkopf über seinen Äquator hinaus umschließt unddaher funktionell ein Nussgelenk ist. In der Fovea capitisfemoris inseriert das Lig. capitis femoris. Das Collumfemoris steht zum Schaft in einem stumpfen Winkel, demCCD-Winkel (Centrum-Collum-Diaphysen-Winkel) vonetwa 127° und zur Femurkondylen-Querachse um 12° an-tevertiert. Die Hüftgelenkkapsel setzt ventral im Bereichder Linea intertrochanterica, dorsal an der Schenkelhals-basis noch vor der Fossa trochanterica an. Am Femur-schaft dorsal liegt die Linea aspera,die den nach strecksei-tig konvex gekrümmten Femur verstärkt und den Muskeln

als Ansatz dient.Condylus medialis und lateralis artikulie-ren mit dem Tibiaplateau, zentral durch 2 kräftige Bänder– Lig. cruciatum anterius und posterius – sowie Innen-und Außenmeniskus, medial und lateral durch dasLig. collaterale mediale und laterale geführt (⊡ Abb.9.1 a,b, ⊡ Abb. 9.2, ⊡ Abb. 9.3).

Muskeln

Hüftmuskeln. Der M. iliopsoas entspringt vom 12. Brust-wirbelkörper bis 4. Lendenwirbelkörper sowie in derFossa iliaca und setzt am Trochanter minor an, er beugtdie Hüfte.

Der M. glutaeus maximus zieht vom knöchernen Beckenrand zur Fascia lata und zum Tractus iliotibialis,er ist ein Strecker.

Die Abduktoren Mm. glutaeus medius und minimusziehen von der Darmbeinschaufel zum Trochanter major(⊡ Abb. 9.4).

520 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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⊡ Abb 9.1 a,b. Rechtes Femur. Ansicht von a vorne und b hinten. Die Muskelursprünge und -ansätze sind blau markiert. (Aus Schiebler u. Schmidt1991, S. 332, Abb. 9-64 a,b)

a b

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Der M. tensor fasciae latae wirkt u. a. als Innenrotatorund spannt den Tractus iliotibialis; dieser wiederumwirkt als Zuggurtung zum nach lateral gebogenen Femur.

Außenrotatoren sind der M. piriformis, M. obturato-rius internus und externus, die beiden Mm. gemelli undder M. quadratus femoris.

Adduktoren sind der M. adductor brevis, longus etmagnus, M. gracilis sowie M. pectineus. Sie entspringenam vorderen Beckenring und setzen am Femur an.

95219.1 · Basiswissen

⊡ Abb. 9.2. Frontalschnitt durch das rechte Hüftgelenk. (Aus Schiebleru. Schmidt 1991, S. 338, Abb. 9-68)

⊡ Abb. 9.3. Beinachsen. (Aus Schiebler u. Schmidt 1991, S. 344, Abb.9-73 siehe auch Abb. 11.1)

⊡ Abb. 9.4. Adduktoren und Mm. glutaei vondorsal gesehen. (Aus Schiebler u. Schmidt 1991,S. 355, Abb. 9-78)

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Oberschenkelmuskeln. Extensoren sind der M. quadri-ceps femoris, bestehend aus M. rectus femoris sowieM. vastus medialis, lateralis und intermedius sowie derM. sartorius (⊡ Abb. 9.5).

Flexoren oder auch ischiokrurale Muskulatur ge-nannt, weil sie vom Sitzbeinhöcker zu den beiden Un-terschenkelknochen ziehen, sind M. biceps femoris,M. semitendinosus und M. semimembranosus.

Gefäße und Nerven

Arterien. In Höhe des Leistenbands geht die A. iliaca ex-terna in die A. femoralis über,aus der nach kurzem Verlaufdie A. profunda femoris abgeht.Ab dem Adduktorenschlitzwird die A. femoralis zur A. poplitea, die sich am proxi-malen Unterschenkel in die A. tibialis anterior (am FußA. dorsalis pedis), A. tibialis posterior und A. peroneaaufteilt.

Venen. Der venöse Rückstrom erfolgt oberflächlich überdie V. saphena magna und parva, in der Tiefe über dieVv. tibiales anteriores und posteriores in die V. popliteaund schließlich in die V. femoralis.

Nerven. Aus den Rami ventrales der Spinalnerven Th12bis L4 stammt der Plexus lumbalis, der folgende Äste ab-gibt: N. iliohypogastricus, N. ilioinguinalis, N. genitofe-moralis, N. cutaneus femoris lateralis, N. femoralis undN. obturatorius.

Aus L4 bis S3 stammt der Plexus ischiadicus; darauskommen N. glutaeus superior und inferior, N. cutaneusfemoris posterior sowie der N. ischiadicus, der sich inN. tibialis und N. peroneus communis aufteilt.

9.1.2 Diagnostik

Anamnese

Bei Frakturen, die durch Armaturenbrettanprall entstan-den sind, kann auch eine Ruptur des hinteren Kreuz-bands, eine Hüftluxation oder eine Acetabulumfrakturvorliegen.Allein deshalb ist es von Bedeutung,den Unfall-hergang zu erfragen. Bei Stürzen aus großer Höhe mitFrakturen im Fußwurzelbereich kann prinzipiell auch dasübrige Achsenskelett betroffen sein (Bein, Becken, Wir-belsäule, Gegenseite; ⊡ Abb. 9.6).

Untersuchung

Beim ersten Überblick werden die unten aufgeführtenLeitsymptome durchgegangen (⊡ Tabelle 9.1). Druck-schmerzhafte Bezirke oder Bereiche, die durch eine kon-tusionierte Haut beziehungsweise Schwellung auffallen,sollten im Rahmen der Schmerzgrenzen vorsichtig palpa-torisch untersucht werden, denn ein Teil der Frakturenlassen sich ertasten. Aber auch Rissbildungen beispiels-weise im Bereich der Quadrizepssehne oder des Tractusiliotibialis können gut palpiert werden. Der Weichteil-mantel wird inspiziert und auf Prellmarken,Hämatomver-färbungen und offene Wunden hin untersucht.

522 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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⊡ Abb. 9.5. Muskeln der Rückseite von Hüfteund Oberschenkel. (Aus Schiebler u. Schmidt1991, S. 360, Abb. 9-81)

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Motorik – Durchblutung – Sensibilität. Diese 3 Parametersollten an jeder verletzten Extremität routinemäßig über-prüft werden, weil dies weitreichende Konsequenzenhaben kann.

Peronaeusläsion und andere Nervenausfälle sollten –insbesondere vor einer geplanten Operation – dokumen-tiert werden, um Lagerungsschäden oder Operationsfol-gen für spätere forensische Fragestellungen sicher aus-grenzen zu können.Bei Frakturen langer Röhrenknochenund bei Luxationen großer Gelenke können Blutgefäßebeteiligt sein,deshalb muss bei Aufnahme ein Gefäßstatuserhoben werden.Zugleich sollte immer an die Möglichkeiteines drohenden Kompartmentsyndroms gedacht wer-den, da dies eine Notfallindikation zur Dermatofaszioto-mie darstellt.

Der N. ischiadicus teilt sich in wechselnder Höhe,mit-unter aber schon in Höhe des Hüftkopfes, in den N. fibu-laris (peronaeus) und den N. tibialis. Der N. fibularishebt, proniert und supiniert den Fuß, streckt die Zehenund versorgt den lateralen Unterschenkel,den proximalenFußrücken und einen dreieckigen Hautbezirk vor denZehen I und II sensibel. Bei reiner Peronaeuslähmung(Spitzfuß) ist der Achillessehnenreflex (ASR) nicht ausge-fallen, da er über den N. tibialis verläuft. Der N. tibialisflektiert, adduziert und supiniert den Fuß, beugt undspreizt die Zehen und versorgt Wade, Fußsohle und Fuß-außenseite sensibel. Bei komplettem Ausfall des N. ischia-

dicus ist zusätzlich die Außenrotation des Oberschenkelsund die Beugung im Knie beeinträchtigt; die Rückseitedes Oberschenkels ist gefühllos, der ASR kann in diesemFall ausbleiben.

Bildgebende Diagnostik

Die langen Röhrenknochen werden mit angrenzendenGelenken in 2 Ebenen geröntgt.Bei unklarem Befund hel-fen konventionelle Tomogramme oder die Computer-tomographie (CT) weiter. Sonographisch lassen sich da-gegen ligamentäre oder muskuläre Verletzungen undHämatome beurteilen. Frakturen, die im konventionellenRöntgenbild nicht eindeutig sichtbar sind,können nach ei-nigen Tagen szintigraphisch nachgewiesen werden. Ent-scheidend dabei ist der ausreichende zeitliche Abstandzum Trauma: b b�����������������

Der eindeutige szintigraphische Frakturnachweis

oder -ausschluss ist an den Extremitäten bereits nach

3 Tagen erhältlich, am Rumpf erst nach 8–10 Tagen.

Manche Autoren empfehlen, bei Mehrfachverletzten

10 Tage nach Trauma zum Nachweis okkulter Fraktu-

ren ein routinemäßiges szintigraphisches Screening

anzufertigen.

95239.1 · Basiswissen

⊡ Abb. 9.6. Beim Knieanprall kann eine Mehretagenfraktur entstehen mit proximaler Femurfraktur, Schaftfraktur, distaler Fraktur oder Patellafraktur

⊡ Tabelle 9.1. Leitsymptome an Hüfte und Oberschenkel.Manche charakteristische Symptome sind beweisend für die Art einer Verletzung

Leitsymptom Zusatzbefund Verdachtsdiagnose

Federnde Beinfixation Schmerzen in der Leistenregion HüftluxationBelastungsunfähigkeit

Außenrotationsfehlstellung des Beins, Schmerzen in der Leistenregion Proximale FemurfrakturBeinverkürzung Belastungsunfähigkeit

Verkürzung, Fehlstellung und Instabilität Schmerzen und Schwellung im Oberschenkel Femurschaftfrakturim Oberschenkel Belastungsunfähigkeit

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Invasive Diagnostik

An invasiven Methoden steht die Logendruckmessungbei drohendem Kompartmentsyndrom zur Verfügung,die Angio- oder Doppler-Sonographie bei Verdacht aufGefäßverletzungen, die Phlebo- oder Duplexsonographiebei Verdacht auf Thrombose und die Gelenkpunktion zurEntlastung und damit Schmerzbekämpfung sowie zurSicherung der Diagnose.Arthrographie und Arthroskopieermöglichen heute eine detaillierte Diagnostik des Ge-lenkbinnenschadens.

9.2 Hüftgelenk

9.2.1 Hüftluxationen

Definition

Man unterscheidet zwischen dorsaler und ventraler Luxa-tion ohne oder mit begleitender knöcherner Verletzungdes Acetabulums oder des proximalen Femurs (s. unten,„Klassifikation“). Der Begriff „zentrale Hüftluxation“meint die Luxation des Hüftkopfes in die Beckenlichtungbei dislozierter Acetabulumfraktur. In einem solchen Fall ist aber die Klassifikation der Acetabulumfraktur vorrangig. Daher spielt dieser Begriff eigentlich keineRolle mehr. Die Begriffe Luxatio iliaca, ischiadica, pubicaund obturatoria beschreiben die Position des Hüftkopfesnach einer stattgehabten Luxation.Therapeutische Konse-quenz und „outcome“ ergeben sich aus der Luxations-richtung – dorsal oder ventral – und den eingetretenenBegleitverletzungen an Acetabulum und Hüftkopf.

Ätiologie

Insgesamt handelt es sich um eine seltene Verletzung, diemeist bei PKW- oder Motorradunfällen oder bei einemSturz aus großer Höhe eintritt.Die Krafteinleitung erfolgtüber das gebeugte Knie (Armaturenbrett), den gestreck-ten Fuß (Bremspedal) oder durch Schlag auf den Tro-

chanter major (Aufprall). Axiale Krafteinleitung auf diegebeugte adduzierte Hüfte (frontaler PKW-Aufprall)führt zur dorsalen Luxation, während bei Gewalteinwir-kung auf das abduzierte, in der Hüfte gebeugte undaußenrotierte Bein (Motorradfahrer,der sich in die Kurvelegt und mit dem Knie gegen die Straße schlägt) der Hüft-kopf nach ventral luxieren kann.Ventrale Luxationen sindviel seltener als dorsale. Die derbe Gelenkkapsel kann nurreißen, wenn der Knochen sehr stabil ist; sonst bricht derSchenkelhals, oder die Epiphysen geben nach; deshalbsieht man diese Verletzung in der Regel nur bei den etwa20- bis 40-Jährigen.

Klinik

Auffällig sind starke Schmerzen in der luxierten Hüfteund eine federnde Beinfixation, verbunden mit einer Be-wegungsunfähigkeit des betroffenen Beins. In bis zu 20 %der Fälle von hinteren Luxationen ist der N. ischiadicusgeschädigt, und zwar meist dessen peronaealer Anteil,während der tibiale, wenn überhaupt, weniger Schadennimmt (warum, ist unbekannt). Bei ventraler Luxationkönnen Durchblutungsstörungen mit Pulslosigkeit durchDruck des Hüftkopfes auf die Leistengefäße auftreten.DieArt, wie das federnd fixierte Bein steht, lässt auf die Luxa-tionsrichtung schließen. Bei dorsaler Luxation steht dasBein in der Hüfte gebeugt, innenrotiert und adduziert,beiventraler etwas gebeugt, außenrotiert und weit abduziert.Bei begleitenden Frakturen an Acetabulum, Femur oderTibia können diese typischen Zeichen fehlen oder mas-kiert sein. Begleitverletzungen am Körperstamm, Femur,Knie und Fuß sind keine Seltenheit (⊡ Abb. 9.7).

Diagnostik

Ausgehend von den klinischen Zeichen wird versucht,den Unfallhergang zu rekonstruieren, um mögliche Be-gleitverletzungen sicherer zu erfassen. Grundsätzlich istwegen der Schwere des Traumas eine eingehende körper-liche Untersuchung notwendig, an deren Ende festgelegt

524 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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⊡ Abb. 9.7. Federnde Fixierung des Beins in leichter Hüftbeugung und Adduktion bei dorsaler Hüftluxation (Foto: Nerlich)

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wird, welche Extremitätenabschnitte geröntgt werdenmüssen.

Beckenübersicht a.-p. Auf der Übersichtsaufnahmemüssen die Hüftköpfe gleich groß sein.Bei dorsaler Luxa-tion stellt sich der verrenkte Hüftkopf kleiner als derkontralaterale dar, weil er der Platte näher ist, bei ventra-ler Luxation größer. Eine unterschiedliche Trochanter-größe weist auf eine Rotationsfehlstellung hin. Die Ge-lenkspaltweite muss symmetrisch sein. Die von den unte-ren Begrenzungen des oberen Schambeinastes und desSchenkelhalses gebildete Linie, die so genannte Ménard-Linie muss einen gleichmäßigen Bogen ergeben. Adduk-tions- beziehungsweise Abduktionsfehlstellungen liegenbei federnder Fixierung durch eine dorsale beziehungs-weise ventrale Luxation vor. Acetabulum, Hüftkopf undSchenkelhals werden auf knöcherne Begleitverletzungenabgesucht.

Erweiterte Diagnostik nach erfolgter Reposition. Zu-nächst wird erneut eine Beckenübersichtaufnahme a.-p.als Kontrollaufnahme angefertigt. Zudem wird die ver-letzte Hüfte a.-p. und axial geröntgt zur Suche nach osteo-chondralen Fragmenten, zur Beurteilung der Gelenk-spaltweite und der Kongruenz des Hüftkopfes. Eine unre-gelmäßige Kongruenz weist auf eine Impressionsfrakturhin. Der Hüftkopf muss genau in der Pfanne zentriertsein. Eine exzentrische Projektion lässt auf eine weiterbestehende Luxation oder ein Interponat schließen. Beibegleitender Acetabulumfraktur sind Ala- und Obturatum-projektion indiziert, um den hinteren und vorderen Acetabulumpfeiler und wiederum die Kongruenz desHüftkopfes beurteilen zu können.

Computertomographie. Die CT ist unabdingbar. Nur beivitaler Kontraindikation sollte auf sie verzichtet werden.Jenach Autor werden unterschiedliche Schichtdicken zwi-schen 1 und 3 mm empfohlen. Man erkennt Impressionenam Hüftkopf, Acetabulum- und Schenkelhalsfrakturensowie im Gelenkspalt interponierte Fragmente, die u. U.im konventionellen Röntgen nicht sichtbar sind.

Magnetresonanztomographie. Eine MRT ist nur bei un-geklärter Instabilität oder Gelenkspalterweiterung indi-ziert. Damit lässt sich beurteilen, ob das Labrum acetabu-lare abgerissen oder ins Gelenk eingeschlagen ist. Auchder Knochen ist beurteilbar, allerdings schlechter als mitder CT. Die Untersuchung ist nur beim kreislaufstabilen,schmerzfreien Patienten möglich.

Basistherapie

Versuch der geschlossenen Reposition. Unabhängig vonder Art der Verrenkung wird in der Regel notfallmäßig unter Sedierung ein Repositionsversuch unternommen.Wenn dies nicht gelingt, wird eine Reposition in Allge-

meinnarkose unter Muskelrelaxation notwendig. In derRegel lässt sich die verrenkte Hüfte spätestens dann repo-nieren. b b�����������������

Die sofortige Reposition ist deshalb so wichtig, weil

die Durchblutung des Hüftkopfes durch die Luxation

gefährdet ist, und zwar durch drei Faktoren:

die direkte Gefäßzerreißung synovialer Gefäße

beim Austritt des Kopfes aus dem Gelenk,

durch Ischämie aufgrund einer Überdehnung

der Gelenkkapsel und

durch die Stagnation des venösen Abflusses.

Allerdings ist bei begleitender Schenkelhalsfraktur

eine geschlossene Reposition nicht möglich.

Repositionstechnik bei dorsaler Luxation. Der Patientbefindet sich in Rückenlage. Der behandelnde Arzt stehtauf der Untersuchungsliege mit gegrätschten Beinen überdem Patienten. Der Arzt fasst das in der Hüfte und imKnie gebeugte Bein des Patienten mit einer Hand am proximalen Unterschenkel, an dem er Zug ausübt, mit deranderen Hand am distalen Unterschenkel. Dort hält ergegen, um mehr Zugkraft auf die Hüfte entfalten zu kön-nen. Je weiter der Hüftkopf um den Pfannenrand herumnach kaudal gelangt, um so mehr kann die Hüfte gebeugtwerden, wodurch der Zug der Oberschenkelstreckernachlässt. Ein Helfer muss bei der Reposition am Beckengegenhalten. Die Kraftentfaltung kann mit einer Tuch-schlinge erhöht werden, die man sich selbst um denNacken und dem Patienten um die Kniekehle legt. Unterstetem Zug wird die Hüfte weiter auf etwa 60–70° ge-beugt. Gleichzeitig führt man vorsichtige rotierende Be-wegungen über den Hebelarm des distalen Unterschen-kels aus. Diese Bewegungen übertragen sich auf den Hüftkopf. Dadurch löst er sich leichter aus seiner Ver-klemmung hinter dem dorsalen Acetabulumrand. Seit-licher Zug am proximalen Oberschenkel durch einen wei-teren Helfer kann die Reposition erleichtern. Beim Ein-rasten des Hüftkopfes in eine gelenkgerechte Stellung ist ein deutliches Schnappen zu hören und zu spüren(⊡ Abb. 9.8).

Nach erfolgter Reposition wird die Stabilität des Gelenks geprüft, denn davon hängt das weitere Vorgehenab. Bei der Stabilitätsprüfung wird die Hüfte in 90°- bis 95°-Beugung, Neutraladduktion und -rotation gebrachtund anschließend das Bein mit einem kräftigen, nachposterior gerichteten Schub axial belastet.Nun ist es mög-lich, die Hüftluxation zu klassifizieren und das therapeu-tische Vorgehen festzulegen.

95259.2 · Hüftgelenk

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Klassifikation

Die so genannte „comprehensive classification“ aus demangloamerikanischen Sprachraum unterscheidet in Hin-blick auf die Art der notwendigen weiteren Therapie5 verschiedene Typen der Hüftluxation (Levin 1992): Typ I: stabil nach Reposition; keine begleitende Frak-

tur (außer eines funktionell unbedeutenden knöcher-nen Ausrisses, der das Gelenkspiel nicht beeinträchti-gen darf),

Typ II: in Allgemeinnarkose unter Muskelrelaxationwegen Weichteilinterposition nicht reponierbar; keinebegleitende Fraktur,

Typ III: unstabil nach Reposition oder Einklemmungeines Knorpel-, Knochen- oder Labrumanteils,

Typ IV: begleitende Acetabulumfraktur, Typ V: begleitende Hüftkopf- oder Schenkelhalsfrak-

tur.

Spezielle Therapie

Unabhängig vom Typ der Luxation besteht bei primärerIschiadikusparese keine zwingende Operationsindika-tion, bei sekundärer, also nach Reposition eingetretenerParese, jedoch schon. Denn in diesem Fall könnte derNerv durch Knochenfragmente oder im Gelenkspalt ein-geklemmt sein.

Früher wurden nach Reposition oft wochenlange Ex-tensionsbehandlungen angeschlossen,u. a. in der Vorstel-lung, die Rate der Hüftkopfnekrosen senken zu können.Davon ist man abgekommen, weil die Hüftkopfnekrosedadurch nicht beeinflusst wird. Heute wird vielmehrfrühzeitig mit Bewegungsübungen begonnen.Sie sind fürdie Knorpelernährung entscheidend. Mögliche Ausnah-men sind verbleibende Instabilität oder begleitende Frak-turen, die keine frühfunktionelle Nachbehandlung erlau-ben.

Verrenkte Hüften polytraumatisierter Patienten soll-ten geschlossen reponiert werden, sobald die Narkoseeingeleitet ist, möglichst noch vor Beginn eines Eingriffsam Bauchraum oder Schädel. Wenn eine geschlosseneReposition nicht möglich ist, wird offen vorgegangen;dann allerdings erst im Anschluss an Eingriffe, die ausvitaler Indikation Vorrang haben, und nach erfolgter Sta-bilisierung der Vitalparameter des Patienten.

Typ-I-Luxation. Nach erfolgter Reposition, Stabilitäts-prüfung und Röntgenkontrolle wird das verletzte Bein ineiner langen Schaumstoffschiene gelagert. Anschließendwird früh elektiv eine CT zum Ausschluss intraartikulärgelegener Fragmente angefertigt. Kleine Randkanten-abbrüche können belassen bleiben, da sie extraartiku-lär liegen. Sollten später Einklemmungserscheinungen,Schmerzen oder eine Instabilität auftreten, muss neu ent-schieden werden.

Typ-II-Luxation. Irreponible Luxationen müssen notfall-mäßig behoben werden. Bei Schwerverletzten mit beglei-tender Acetabulumfraktur beschränkt man sich auf dieHüftreposition. Die Acetabulumfraktur wird erst sekun-där nach Stabilisierung versorgt. Um einschätzen zukönnen, wo das Repositionshindernis liegt, sind Ala- undObturatumprojektion und, wenn ohne größeren, zeit-lichen Aufschub möglich,eine notfallmäßig durchgeführ-te CT notwendig.

Spezielle Risiken des Eingriffs sind die Ischiadikus-läsion, die Reluxation und ektopische Verkalkungen.

Das in Zwangshaltung stehende Bein wird mitSchaumstoffkeilen, Kissen oder Sandsäcken abgestützt.Abhängig vom gewählten Zugang wird der Patient in Rücken- oder Seitenlage auf einen strahlendurchlässigenKnochentisch gelagert.

Bei dorsaler Luxation wird ein posteriorer Zugangzum Hüftgelenk nach Kocher-Langenbeck (s. Kap. 19„Zugänge“) in Seitenlage gewählt. Ein Assistent zieht amBein und achtet darauf, dass das Knie gebeugt bleibt. Da-durch wird zum einen verhindert, dass der noch luxierteHüftkopf auf den Ischiasnerv drückt, zum anderen wirdder Nerv bei gebeugtem Knie entspannt. Beim Spalten des M. glutaeus maximus stößt man proximal auf dieA. glutaea superior und den N. glutaeus superior. Die beiden Strukturen müssen geschont werden. Wenn der

526 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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⊡ Abb. 9.8. Bei dorsaler Hüftluxation stellt sich der Arzt über den Ver-letzten auf die Untersuchungsliege und zieht am verrenkten Bein unterzunehmender Hüftbeugung und gleichzeitigen, sachten Rotationsbe-wegungen (Foto: Nerlich)

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N. ischiadicus dargestellt ist, wird er auf eingetretene Ver-letzungen hin untersucht (Quetschung, Dehnung, Einblu-tung, Teileinriss). Meist sind es die Außenrotatoren oderein knopflochförmiger Kapseldefekt, die eine geschlosse-ne Reposition verhindern. Die Gelenkkapsel wird, wennerforderlich, nahe am Acetabulumrand eröffnet, um dieden Hüftkopf ernährenden Gefäße, die in der dorsalenKapsel verlaufen und von der Fossa trochanterica kom-men, nicht zu verletzen.Vor der Reposition werden Hüft-kopf und Pfanne auf Impressionen oder Defekte hinuntersucht. Freie Gelenkkörper werden instrumentelloder durch Spülung entfernt. Nach erfolgter Repositionschließt sich erneut eine Stabilitätsprüfung an. Davonhängt das weitere Vorgehen ab. Bei Instabilität muss mannach Kapsel- oder Labrumrissen suchen und diese ver-sorgen. b b�����������������

Bevor man den Eingriff beendet, empfiehlt es sich,

mit dem Bildwandler die Gelenkspaltweiten beider

Hüften zu vergleichen. Eine etwaige Seitendifferenz

wäre ein Hinweis auf einen übersehenen freien

Gelenkkörper.

Typ-III-Luxation. Bei Instabilität ohne Gelenkspalterwei-terung ist eine weiterführende Diagnostik mittels MRTnötig. Dann wird über das weitere Vorgehen entschie-den. Bei größeren Labrumeinrissen und intraartikulä-ren Fragmenten muss operativ vorgegangen werden(s. oben). Bei kleineren Labrum-, Kapsel- oder Bandrup-turen kann eine Extensionsbehandlung der Hüfte indi-ziert sein. Die primäre Mobilisierung mit Phantomgehenund Bewegen der Hüfte in engen Grenzen ist wohl dieerstrebenswertere Alternative. Diese Form der Mobilisie-rung erfolgt schulenabhängig und ist nicht ausreichendstandardisiert (wohl auch wegen der Seltenheit der Verlet-zung).Falls über die 6. Woche hinaus eine Instabilität ver-bleibt, besteht eine Operationsindikation.

Typ-IV-Luxation. Stecken Acetabulumfrakturen hinterder Instabilität werden diese nach den im vorausgegange-nen Kap. 8, „Becken“, erläuterten Richtlinien versorgt (s.Abschn.„Acetabulumfrakturen“).

Typ-V-Luxation. Begleitende Hüftkopffrakturen liegenbei der wesentlich häufigeren dorsalen Luxationsrichtungfast immer im anterioren Kalottenbereich. Daher emp-fiehlt sich ein lateraler oder anterolateraler Zugang (s.Kap. 19 „Zugänge“) zur Reposition und Versorgung derbegleitenden Hüftkopffraktur (s. unten).Auch bei beglei-tender Schenkelhalsfraktur wird ein transglutaealer Zu-gang zur Reposition und anschließenden Osteosynthesemit kanülierten Schrauben genutzt (s. unten).

b b�����������������

Unverschobene Schenkelhalsfrakturen sollten primär

offen reponiert werden, denn bei geschlossenem

Repositionsversuch könnten die Fraktur disloziert

und die den Hüftkopf versorgenden Gefäße zerrissen

werden; eine Hüftkopfnekrose wäre die Folge. Dabei

empfiehlt es sich, noch vor der offenen Reposition

zumindest eine Schraube provisorisch zur Stabilisie-

rung der unverschobenen Fraktur einzubringen,

damit bei der anschließenden Reposition die Fraktur

nicht abrutschen kann. Nach Reposition wird die

Osteosynthese durch 2 weitere Schrauben, die

idealerweise parallel zur ersten eingebracht werden

sollten, endgültig stabilisiert.

Nachbehandlung

Nach konservativer Therapie. Die Mobilisierung solltemit aktiven und passiven Bewegungsübungen erfolgen,wobei während der ersten 6 Wochen 90°-Hüftbeugungund 10°-Innenrotation nicht überschritten werden dür-fen. Es gibt Autoren, welche die erlaubte Hüftbeugungwährend der ersten 6 Wochen auf weniger als 70° ein-schränken. Die Mobilisierung mit Krücken ist schulenab-hängig (s.oben).Die Entlassung ist möglich,wenn der Pa-tient weitgehend beschwerdefrei ist und mit Krücken gutzurechtkommt.

Das Procedere sieht eine ambulante Krankengymnas-tik vor. Eine Befundkontrolle ist vor Aufnahme der Voll-belastung nötig. Dynamische Sportarten sind erst dannmöglich, wenn nach erreichter Vollbelastung die Musku-latur in vollem Umfang wiederaufgebaut ist. Eine Rönt-genkontrolle nach einem Vierteljahr dient dazu, eineetwaige Hüftkopfnekrose rechtzeitig zu erkennen, denndies hat evtl. therapeutische Konsequenzen (s. unten). BeiVerdacht auf Hüftkopfnekrose sollte eine Szintigraphiedurchgeführt werden. Nachuntersuchungen sind wegenmöglicher Spätschäden zumindest während der erstenbeiden Jahre nach dem Unfall indiziert.

Nach operativer Therapie. Eine Mobilisierung ist inner-halb des intraoperativ ermittelten Bewegungsumfangs, indem die Hüfte stabil ist und keine Reluxationstendenzzeigt, möglich. Generell gilt, dass bei der häufigeren dor-salen Luxation, bei der die posteriore Kapsel reißt, Sitzenund Innenrotation des Beins vermieden werden muss;bei stattgehabter vorderer Luxation gilt dies für Über-streckung und Außenrotation.Das Vorgehen im Einzelnenmuss der Operateur festlegen,weil er das Ausmaß der Sta-bilität beziehungsweise Instabilität am besten einschät-zen kann.

Die Mobilisierung mit Krücken wird schulenabhän-gig sehr unterschiedlich gehandhabt, sodass keine allge-meingültige Empfehlung gegeben werden kann. EinigeAutoren lassen ihre Patienten lediglich 6 Wochen mit

95279.2 · Hüftgelenk

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Krücken teilbelasten; andere Autoren erlauben währendder ersten 8 Wochen nur Phantomgehen und die Vollbe-lastung, im Interesse der Knorpelregeneration, erst nach12 Wochen.

Komplikationen und Prognose

Hüftkopfnekrosen treten in bis zu 17 % der Fälle auf(Levin 1992). Die Ursache ist die Gefäßzerreißung im Moment der Luxation; außerdem spielt die Zeitdauer, inder die Hüfte luxiert war,eine Rolle.Darum wird allenthal-ben die möglichst rasche, notfallmäßige Reposition emp-fohlen. Hier gilt gemein hin die Sechsstundengrenze.

Posttraumatische Arthrosen treten bei bloßer liga-mentärer Verletzung in etwa einem Fünftel der Fälle auf(ebd.). Bei unbehandelter begleitender Acetabulumfrak-tur werden fast alle Patienten davon betroffen.

Reluxationen sind sehr selten. In der Literatur wirdüber vereinzelte Fälle berichtet (ebd.).

Übersehene Luxationen gibt es immer wieder beipolytraumatisierten Patienten, wenn das Becken nichtroutinemäßig geröntgt wurde. Dann drohen Hüftkopf-nekrose, Ischiadikusläsion und Arthrose. Für die über-sehene Luxation gibt es keine einheitliche Therapieemp-fehlung. Manche Unfallchirurgen reponieren sie offen,andere extendieren sie, wieder andere kombinieren kon-servative und operative Therapie.

Ischiadikusläsionen begleiten Luxationen in bis zu20 % der Fälle (Levin 1992). Die Wahrscheinlichkeit einerkompletten Remission liegt zwischen 30–40 %. 3 Wochennach dem Trauma sollte ein elektromyographischer Aus-gangsbefund erhoben werden.

In der Literatur sind mehrere Fälle beschrieben, beidenen durch geschlossene Reposition eine Schenkelhals-fraktur entstand; dabei kann es sich um vorbestehendeunverschobene (und deshalb übersehene) Brüche gehan-delt haben.

Als Operationsrisiken sind die Infektion (laut Litera-tur 3–5 %), die Ischiadikusläsion (bis zu 10 %), die hetero-tope Ossifikation und die Thromboembolie zu nennen.

9.2.2 Hüftkopffrakturen

Frakturen des überknorpelten Hüftkopfes entstehen beiHüftluxationen oder Acetabulumfrakturen (s. oben) häu-fig im Rahmen von Armaturenbrettanprallverletzungen.Insgesamt handelt es sich um eine sehr seltene Verlet-zung. Das klinische Erscheinungsbild entspricht dem derHüftluxation. Das gilt auch für das diagnostische Vorge-hen.

Klassifikation

Einteilung nach Pipkin (1957; ⊡ Abb. 9.9) Typ I: Hüftluxation mit Hüftkopffraktur kaudal der

Fovea capitis femoris (somit außerhalb der Belas-tungszone),

Typ II: Hüftluxation mit Hüftkopffraktur kranial derFovea capitis femoris (somit innerhalb der Belas-tungszone),

Typ III: Typ-I- oder -II-Verletzung mit begleitenderSchenkelhalsfraktur,

Typ IV: Typ-I- oder -II-Verletzung mit begleitenderAcetabulumfraktur.Dazu kommen die bloßen Impressionen am Hüftkopf.

Therapie

Typ-I-Verletzung. Zunächst wird die luxierte Hüfte repo-niert wie im Abschn. „Hüftluxation“ dargestellt, dannschließen sich eine Stabilitätsprüfung und die eingehendeRöntgendiagnostik mit Beckenübersichtaufnahme undCT an.

Bei guter Stellung des Fragments kann konservativbehandelt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Dis-lokation nur gering ist. Eine geringe Verschiebung isttolerabel, weil das Fragment außerhalb der Belastungszo-ne liegt. In Abhängigkeit von den Beschwerden kann derPatient mit 15 kg Teilbelastung mobilisiert werden. Zu-nächst sind engmaschige Röntgenkontrollen notwendig,um eine zunehmende Dislokation zu erkennen.

Die Indikation zum operativen Vorgehen ergibt sichbei Dislokation des Hüftkopffragments um mehr als1 mm. Spezielle Risiken des Eingriffs sind verbleibendeInstabilität, Hüftkopfnekrose, ektopische Ossifikation,Ischiadikusschädigung und Arthrose.

528 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9⊡ Abb. 9.9. Pipkin-Klassifikation.(Aus Leung u.Ko 2001,S. 219,Abb. 23.1)

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Abhängig von der Fragmentlokalisation geht maniliofemoral nach Smith-Peterson oder posterior nach Kocher-Langenbeck vor (s. Kap. 19 „Zugänge“).Wenn derPatient in Seitenlage versorgt wird,bleibt die Möglichkeit,zusätzlich von ventral oder dorsal her einzugehen, fallsman nicht an das Hüftkopffragment herankommt. DasFragment wird mit ein bis zwei 3,5 oder 2,7 mm starkenKleinfragmentschrauben fixiert. Neuerdings finden auchHerbert-Schrauben Verwendung. Letztere bieten sich an,weil die Schraubenköpfe ausreichend tief subchondralversenkt werden müssen.Begleitende Impressionen sollengehoben und mit autologer Spongiosa unterfüttert wer-den. Es kommt vor, dass sich der Operateur dafür ent-scheidet, das Hüftkopffragment unfixiert zu lassen; dannkann postoperativ eine 4- bis 6-wöchige Extensionsbe-handlung notwendig werden. Kleine oder stark zertrüm-merte Fragmente können u. U. gar nicht mehr refixiertund müssen dann entfernt werden. Dies ist insbesonderedann unproblematisch, wenn sie außerhalb der Belas-tungszone liegen.

Typ-II-Verletzung. Die Therapie ist identisch mit der fürdie Typ-I-Verletzung beschriebenen, mit der Einschrän-kung, dass nur eine absolut anatomische Stellung im Be-reich der Belastungszone des Hüftkopfes akzeptabel undsomit der konservativen Therapie zugänglich ist. Initialmuss engmaschig röntgenologisch kontrolliert werden,um eine evtl.eintretende Fragmentverschiebung rechtzei-tig zu erkennen. Ist ein operatives Vorgehen indiziert,geschieht dies meist über einen iliofemoralen Zugangnach Smith-Peterson (s. Kap. 19 „Zugänge“) wie oben beschrieben.

Typ-III-Verletzung. Bei jeder Typ-III-Verletzung jungerPatienten,die biologisch nicht älter als 65 Jahre sind,ist einhüftkopferhaltendes Vorgehen indiziert, trotz der hohenWahrscheinlichkeit einer folgenden avaskulären Hüft-kopfnekrose. Ältere Patienten erhalten gleich einen endo-prothetischen Ersatz der Hüfte. Bei hüftkopferhaltendemVorgehen besteht eine Notfallindikation, da die Durch-blutung des Hüftkopfes gefährdet ist.

Spezielles Risiko, neben den übrigen Risiken, die imAbschn. „Typ-I-Verletzung“ (s. oben) aufgeführt sind, istdie hohe Gefahr der avaskulären Hüftkopfnekrose, da dieBlutzufuhr gleich an 2 kritischen Stellen unterbrochenwerden kann.

Für das operative Vorgehen kann der laterale Zugangnach Watson-Jones (s. Kap. 19 „Zugänge“) gewählt wer-den. Vor dem Versuch, die luxierte Hüfte zu reponieren,sollte man, wie bereits oben erwähnt, zumindest eineSchraube setzen, damit bei der Reposition die Frakturnicht aufklafft und weitere Gefäßschäden eintreten. Dieabschließende Stabilisierung der Schenkelhalsfrakturwird, wie im entsprechenden Abschnitt zu diesem Themadargestellt (s. unten), mit kanülierten Schrauben vorge-

nommen. Die Versorgung einer begleitenden Hüftkopf-fraktur wurde bereits beschrieben (s. oben).

Typ-IV-Verletzung. Die Behandlung richtet sich nach denKriterien der Acetabulumfraktur (s. Kap. 8, „Becken“).Beim operativen Vorgehen am Acetabulum wird die Pip-kin-Verletzung mitbehandelt. Frakturen, die nicht rekon-struierbar sind, müssen u. U. in einer Extension zur Kon-solidierung gebracht und sekundär mit einer Totalendo-prothese des Hüftgelenks versorgt werden.

Nachbehandlung

In aller Regel wird eine Teilbelastung mit 15 kg Körperge-wicht für 6–12 Wochen eingehalten werden müssen. Beistattgehabter dorsaler Luxation sollen Hüftbeugung undInnenrotation des Beins, bei ventraler die Außenrotationlimitiert werden. Eine Vollbelastung kann in der Regelnach 12 Wochen erfolgen.Zu diesem Zeitpunkt sollte zumAusschluss einer beginnenden Hüftkopfnekrose eineSzintigraphie durchgeführt werden.Schrauben im Schen-kelhals werden nach einem Jahr entfernt. Kleinfrag-mentschrauben im Hüftkopf und Implantate im Aceta-bulum können belassen bleiben. Dynamische Sportartensind erst erlaubt, wenn die Muskulatur komplett wiederaufgebaut ist.

Komplikationen und Prognose

Eine verbleibende Instabilität tritt am häufigsten auf,wenn Hüftkopffragmente entfernt wurden, insbesonderein Kombination mit nicht refixierten oder exzidiertenhinteren Pfannenrandfragmenten. Wegen drohender Ar-throse ist eine Pfannenrandplastik mittels Beckenkamm-Transplantat indiziert (Levin 1992).

Wundinfektionen sind wegen der guten Weichteil-deckung selten, wenn sie aber auftreten, sind sie aus die-sem Grund nur schwer erkennbar. Entscheidend für denweiteren Verlauf ist, die Infektion rechtzeitig nachzuwei-sen – am besten durch eine durchleuchtungsgezielte Ge-lenkpunktion und Kontrolle der Entzündungsparameterim Blut.

Heterotope Ossifikationen entstehen insbesonderebei begleitender Acetabulumfraktur.Die Knochenmassendürfen erst dann exzidiert werden, wenn sich die Serum-werte der alkalischen Phosphatase normalisiert habenund die Aktivität im Szintigramm abnimmt.

Ischiadikusläsionen treten meist nach verzögerterReposition bestehender Hüftluxationen auf. Ein elektro-myographischer Ausgangsbefund soll 3 Wochen nach dem Trauma erhoben werden. Die Patienten brauchen zurSpitzfußprophylaxe und als Gehhilfe eine Peronaeus-schiene.

Hüftkopfnekrosen entstehen um so eher, je länger dieHüfte luxiert war,oder wenn Hüftkopffrakturen die Luxa-tion begleiten. Umstellungsosteotomien oder eine Revas-kularisierung mittels gefäßgestieltem Beckenkammspan

95299.2 · Hüftgelenk

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(Eisenschenk et al. 2001) sind denkbare Alternativen zurUltima Ratio, der Endoprothese.

Arthrosen entwickeln sich in fast allen Fällen vordererHüftluxationen sowie nach Typ-III-Verletzungen und inder Hälfte aller Typ-II- und -IV-Verletzungen. Der end-oprothetische Gelenkersatz wird bei jungen Patienten solang wie möglich hinausgezögert.

9.3 Proximales Femur

9.3.1 Schenkelhalsfrakturen

Definition

Alle Bruchverläufe, die zwischen Hüftkopf und Trochan-teren liegen,werden unter dem Sammelbegriff„Schenkel-halsfrakturen“ zusammengefasst, während man bei Frakturen im trochanteren Bereich von „proximalen Fe-murfrakturen“ und knapp distal dieser Region von „subtrochanteren Femurfrakturen“ spricht. Innerhalbder Schenkelhalsfrakturen unterscheiden manche Auto-ren zwischen medialer Fraktur mit hüftkopfnahemBruchverlauf, intermediärer mit mittigem und lateraler inunmittelbarer Nähe zu den Trochanteren (⊡ Abb. 9.10).

Ätiologie

Der seitliche Sturz auf die Hüfte ist die häufigste Ursache,wobei es bei biologisch jungen Patienten einer erheb-lichen Gewalteinwirkung bedarf.Dagegen erhöht sich mitzunehmendem Alter durch die abnehmende motorischeKoordiniertheit, gepaart mit einer zunehmenden Osteo-porose, die Gefahr, durch bloßen Sturz ohne zusätzlicheGewalteinwirkung einen Schenkelhalsbruch zu erleiden.Deshalb sind überwiegend geriatrische Patienten betrof-fen. Bei jungen Menschen handelt es sich meist um Zwei-radstürze, Armaturenbrettverletzungen oder einen Sturzaus großer Höhe.

Klinik

Beweisend sind die Außenrotationsfehlstellung des ge-samten Beins (Zug der Außenrotatoren) und eine Bein-verkürzung (Zug der ischiokruralen Muskulatur und desM. rectus femoris). Schwellung, Klopf- und Bewegungs-schmerz im Hüftbereich sowie Belastungsunfähigkeit desbetroffenen Beins sind richtungsweisend; das Bein kannnicht von der Unterlage gehoben werden.b b�����������������

Manche Patienten projizieren ihre Beschwerden in

den distalen Oberschenkel oder ins Kniegelenk;

wird die Röntgendiagnostik auf diesen Bereich

begrenzt, kann die proximal gelegene Fraktur

übersehen werden.

Diagnostik

Es wird eine Beckenübersichtaufnahme (⊡ Abb. 9.11) an-gefertigt und die betroffene Hüfte axial (Lauenstein-Auf-nahme) zusätzlich geröntgt.Wenn der Schenkelhals nichtsicher beurteilbar ist, kann eine Zielaufnahme der Hüftea.-p. weiterhelfen oder die Bildwandleruntersuchung,ein konventionelles Tomogramm oder die Szintigraphie,mit der sich spätestens 8 Tage nach einer eingetretenenknöchernen Verletzung ein gesteigerter Knochenstoff-wechsel nachweisen lässt.

Klassifikation

Klinisch relevante Einteilungen sind die nach Garden(⊡ Abb. 9.12) und Pauwels (⊡ Abb. 9.13). Die Einteilungnach Garden (Barnes et al. 1976) orientiert sich an derStellung des Hüftkopffragments. Garden I: in Adduktion eingestauchte Fraktur (val-

gisch), Garden II: nicht dislozierte Fraktur, Garden III: Abduktionsfehlstellung (varisch), Garden IV: starke Dislokation.Die Gefahr der Hüftkopfnekrose steigt mit zunehmenderGarden-Zahl von wenigen Prozent auf bis zu 40 %.

Die Einteilung nach Pauwels (1976; ⊡ Abb. 9.13) orientiertsich an der Neigung der Bruchfläche: Pauwels I: Bruchfläche <30° zur Horizontalebene, Pauwels II: Bruchfläche ca. 50° zur Horizontalebene, Pauwels III: Bruchfläche >70° zur Horizontalebene.Die Gefahr der Pseudarthrosenbildung steigt mit zuneh-mender Pauwels-Zahl an.

530 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.10. Schematische Darstellung der verschiedenen Regionendes koxalen Femurendes und der zugehörigen Frakturnomenklatur:Schenkelhalsfrakturen sind in Sektor A lokalisiert,proximale Femurfrak-turen in B und subtrochantere in C

A

B

C

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b b�����������������

Ein Manko der Einteilungen nach Garden und

Pauwels ist, dass das Ausmaß der Dislokation in der

zweiten, der axialen Röntgenebene nicht berücksich-

tigt wird. Eine Fraktur, die im sagittalen Strahlengang

unverschoben erscheint, kann in der axialen Ebene

stark disloziert sein; dann ist die Prognose natürlich

schlechter und das Behandlungskonzept womöglich

falsch. Daher muss, anders als es die beiden Klassifika-

tionen vorgeben, immer die zweite Röntgenebene in

die Betrachtung einbezogen werden.

Therapie

Physiologische Grundlagen. Mediale und intermediäreSchenkelhalsfrakturen sind intrakapsuläre Frakturen, dafast der gesamte Schenkelhals von der Hüftgelenkkapsel,die vom Acetabulum zu den Trochanteren zieht, umhülltist. Der Hüftkopf wird zu 80–100 % über Kapselgefäße er-nährt und nur zu einem geringen Anteil über das Lig. ca-pitis femoris. Die Kapselgefäße laufen vorwiegend dorso-kranial in der Synovia bis zur Randzone des Femurkopf-knorpels; erst dort dringen sie in den Knochen ein. Dierestlichen Gefäße verlaufen von der Metaphyse intraossärzum Hüftkopf.Wenn die Fraktur lateral oder intermediärliegt, wird der Hüftkopf nur von den metaphysären Gefä-ßen abgeschnitten. Bei medialen Frakturen sind auch diesubkapital einstrahlenden Gefäße unterbrochen; da über-dies mit zunehmendem Lebensalter die Blutversorgungüber das Lig. capitis femoris komplett sistieren kann,wird der Hüftkopf bei diesen Brüchen u. U. überhauptnicht mehr versorgt.Dazu kommt,dass das Frakturhäma-tom die Gelenkkapsel tamponiert und dadurch insbeson-dere die venösen Kapselgefäße komprimiert. Soll also beider anstehenden Operation der Hüftkopf erhalten wer-

95319.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.11. Beckenübersichtaufnahme mit Schenkel-halsfraktur rechts

⊡ Abb. 9.12. Garden-Klassifikation. (Aus Schatzker 1996, S. 330, Abb.14.6)

⊡ Abb. 9.13. Pauwels-Klassifikation

I II III

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den, besteht Notfallindikation, denn es gilt, die Frakturmöglichst schnell zu reponieren und zu stabilisieren, da-mit neue Gefäße in den Hüftkopf einsprossen könnenbzw. abgeknickte oder überdehnte Gefäße nach erfolgterReposition wieder durchblutet werden. Zum anderenmuss das Hämarthros entlastet werden, damit der Blut-umlauf in den Kapselgefäßen wieder in Gang kommt.Alskritische Grenze gelten 6 h Ischämiezeit.

Den Hüftkopf erhalten heißt, ihn mit dem Schenkel-hals verschrauben. Bei medialer und intermediärer Frak-tur bietet das Hüftkopffragment für die eingebrachtenSchrauben nur wenige Zentimeter Kontaktstrecke unddas im relativ weichen, spongiösen Knochen. Da dieserzusätzlich mit steigendem Lebensalter des Patienten anFestigkeit verliert, ergeben sich für diese Art der Osteo-synthese zwei weitere limitierende Faktoren: Der Patient darf nicht zu alt sein,denn er muss die pri-

mär nicht belastungsstabile Schraubenosteosynthesepostoperativ zuverlässig ein Vierteljahr entlastenkönnen, und

die Spongiosa seines Hüftkopfes muss ausreichendfest sein, damit die Schrauben genügend Halt findenkönnen.

Den alten Menschen für die Dauer der Bruchheilung, alsomindestens für 8–12 Wochen ans Bett zu fesseln, käme inder Mehrzahl der Fälle einem Todesurteil gleich. Wie ausder Vergangenheit bekannt ist, erliegen 60 % dieser Pa-tienten Komplikationen wie Pneumonie, Thromboembo-lie, Durchgangssyndrom oder Dekubitus. Dabei sindPatienten, die schon vorher bettlägrig waren, an diesenZustand adaptiert und nicht so stark gefährdet wie solche,die vorher noch mobil waren.

Andererseits bedeuten jede Operation und Narkose,und sei es nur eine Regionalanästhesie,eine Belastung fürdas labile organische Gleichgewicht insbesondere multi-morbider alter Patienten. Deshalb muss die Indikationzur Operation streng gestellt werden,denn manche einge-stauchte Frakturen sind so stabil ineinander verkeilt, dasssie einer Mobilisation unter Belastung standhalten.

Aus diesen Vorgaben ergibt sich folgendes Indika-tionsspektrum:

Therapie bei jungen Patienten:Verschraubung

Patienten mit guter Knochenqualität können hüftkopfer-haltend operiert werden. Als grobe Richtlinie kann dasbiologische Alter dienen. Als Grenze werden gemeinhin65 Jahre angenommen.

Kontraindikationen sind begleitende,lebensbedrohli-che Verletzungen, die vorrangig versorgt werden müssen.Bei Neoplasma und anderen chronischen Leiden, welchedie Lebenserwartung herabsetzen, und bei Osteoporoseoder Koxarthrose ist eine Endoprothese mit und ohnePfannenersatz (s. unten) vorzuziehen.

Eine hüftkopferhaltende Operation muss notfall-mäßig durchgeführt werden, weil die Durchblutung desHüftkopfes gefährdet ist. Spezielle Risiken sind die Hüftkopfnekrose und Pseudarthrose, das vorzeitige Aus-lockern der Implantate und der Schraubenbruch.

Bis zur Versorgung wird das verletzte Bein rotations-stabil in einer langen Schaumstoffschiene gelagert. Esscheint nicht zwingend erforderlich zu sein, für die kurzeWartezeit bis zur definitiven Versorgung eine Extensionanzulegen, da der Aufwand relativ hoch ist, der Transportdes Patienten im Extensionsbett umständlich und ein anal-getischer Effekt nur bedingt gegeben ist,sodass häufig prä-operativ ohnehin potente Schmerzmittel verabreicht wer-den müssen. Zudem brauchen die Patienten nicht damitbelastet zu werden, dass vor ihren Augen ein langerKirschner(K)-Draht durch den Schienbeinkopf gebohrtwird.

In manchen unfallchirurgischen Kliniken wird dasverletzte Hüftgelenk präoperativ punktiert.Dadurch wirdzum einen das intrakapsuläre Hämatom entlastet und da-mit die Durchblutung des Hüftkopfes verbessert, zum an-deren kann am Ende der Punktion ein Lokalanästheti-kum instilliert und auf diesem Weg eine Bruchspaltanäs-thesie durchgeführt werden.

Die Lagerung im Operationssaal erfolgt nach Narko-seeinleitung auf dem Extensionstisch.Dort wird die Frak-tur unter Bildwandlerkontrolle im a.-p.und axialen Strah-lengang reponiert. Alternativ kann der Patient auch aufeinem Knochentisch versorgt werden. Man braucht aller-dings einen zweiten Assistenten, der die Fraktur unterZug reponiert, bis sie vom Operateur entweder mit einerRepositionszange gefasst oder mit dem Führungsdrahtund einem zusätzlichen K-Draht vorläufig stabilisiert ist.

Die Frakturen lassen sich meist durch Innenrotationdes Beins und gleichzeitigen axialen Zug gut einstellen.Nach der Hautdesinfektion des Operationsgebietes wirddie Umgebung abgedeckt. Mittlerweile gibt es großedurchsichtige Folien, die ein selbstklebendes Fenster ha-ben, das auf das Operationsgebiet geklebt wird. Damitlässt sich ein auf dem Extensionstisch liegender Patientam einfachsten und schnellsten abdecken, und zugleichwird die Sicht im Operationssaal weniger versperrt.

Die Osteosynthese wird mit drei 7,0 oder 7,3 mm star-ken kanülierten Spongiosaschrauben durchgeführt. Dazugenügt es, sich einen wenige Zentimeter langen seitlichenZugang durch den Tractus iliotibialis zu schaffen. Der Zu-gang wird handbreit unter dem Trochanter major undbereits in der späteren Schraubrichtung, also ca. 45° nachkranial gerichtet, bis auf das proximale Femur gelegt.Unterhalb des Trochanter major im Bereich der lateralenFemurkortikalis wird gegenüber dem Trochanter minoreine etwa 3 cm im Durchmesser große Fläche dargestellt.Das Periost kann dabei belassen bleiben. Hier wird nunder erste Führungsdraht evtl. unter Zuhilfenahme einerWinkelschablone in den Hüftkopf gebohrt. Der zweite

532 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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und dritte Führungsdraht wird parallel zum ersten ventralund dorsal versetzt darüber oder darunter angebracht, jenachdem, wo ausreichend Platz vorhanden ist. Über dieFührungsdrähte werden anschließend die Schrauben-löcher gebohrt, Gewinde geschnitten und die Hohl-schrauben eingebracht.b b�����������������

Um die richtige Einbringstelle am lateralen Femur zu

finden, orientiert man sich am besten am Trochanter

minor unter Bildwandlersicht im a.-p. Strahlengang

(⊡ Abb. 9.14).

Es ist sehr wichtig, die Schrauben parallel einzubringen,damit der Bruchbereich sintern kann. Bei divergierenderAusrichtung könnten die Schrauben sperren und einePseudarthrose begünstigen. Deshalb sollen auch die Ge-winde nur im proximalen Hauptfragment liegen und denFrakturspalt nicht überbrücken.

Der harte, rinnenförmige Kalkar, also die Kortikalisdes Adam-Bogens, kann kaudal liegende K-Drähte nachzentral umlenken und dadurch verhindern,dass sie paral-lel zu den anderen eingebracht werden können. Falls die-ses Problem auftritt,sollte versucht werden,die erste Hälf-te des Weges für den K-Draht mit einem 3,5 mm starkenBohrer zu präformieren.

Vor dem Festziehen der Schrauben sollte der Zug amBein nachgelassen werden, damit sich der Bruchspaltnicht gegen die Traktionsrichtung schließen muss. Willman die Fraktur valgisieren, wird die Schraube, die amweitesten kranial liegt, als erste angezogen. Manche Auto-ren empfehlen die Valgisierung, weil durch diese Maß-nahme die Belastungsachse im Schenkelhals steiler wirdund die Scherkräfte insbesondere bei steilem Bruchver-lauf (Pauwels III) reduziert werden; andere halten dage-

gen die anatomische Reposition für besser,weil durch denmaximalen Kontakt der Bruchflächen mehr Gefäße inden Hüftkopf einsprossen können. Um die Fraktur anato-misch zu stellen, werden die Schrauben wechselweisegleichmäßig angezogen.

Werden mehr als 3 Schrauben verwendet, sind die Er-gebnisse laut Literatur schlechter. Dies könnte damit zu-sammenhängen, dass mehr Fremdmaterial auch wenigerDurchblutung bedeutet.Aber vielleicht ist das schlechtereErgebnis ja auch in einem statistischen Fehler begründet,weil 3 Schrauben aufgrund schlechter Knochenqualitätoder schlechten Schraubensitzes nicht ausreichten.Unterlegscheiben sind verzichtbar, weil die Schraubennach Belastungsbeginn und während der Bruchheilungmeist an der lateralen Femurkortikalis auswandern.

Wenn sich der Bruch geschlossen nicht reponierenlässt, muss eine offene Einrichtung versucht werden. DerSchnitt wird zum anterolateralen Zugang zum Hüftgelenkerweitert (s. Kap. 19 „Zugänge“) und die Gelenkkapselventral durch einen kurzen Längsschnitt eröffnet. Überdiesen Zugang kann anschließend mit einem stumpfenInstrument (Raspatorium oder Overhold) die Stellungdes Kopffragments unter Bildwandlerkontrolle verändertwerden.

Einige Autoren empfehlen, die Gelenkkapsel generellzu eröffnen, um das Hämarthros suffizient entlasten undüberdies mit einem Redon drainieren zu können. Anderevertreten die Auffassung, das intrakapsuläre Hämatomentlaste sich beim Aufbohren der Schraubenlöcher spon-tan. Voraussetzung hierfür ist, dass der Bruchspalt beimAufbohren nicht anatomisch reponiert ist, denn nurdurch den klaffenden Bruchspalt kann das HämarthrosAbfluss über die Schraubenlöcher finden. Deshalb muss,wenn sich die Fraktur geschlossen gut einrichten ließ undschon vor dem Verschrauben gut steht, nach der Osteo-synthese eine Gelenkpunktion erwogen werden (⊡ Abb.9.15 a–d).

Alternativen. Einige Autoren favorisieren bei diesemBruchtyp die dynamische Hüftschraube (DHS, s. unten).Die meisten lehnen sie jedoch für die Versorgung media-ler und intermediärer Schenkelhalsfrakturen ab und ver-treten die Ansicht, dass lediglich die lateral gelegenenSchenkelhalsfrakturen mit Einschränkung dieser Metho-de zugänglich sind. Folgende Argumente sprechen gegenden Einsatz einer DHS: Das voluminöse Implantat besetzt zu viel Revaskula-

risationsfläche. Beim Gewindeschneiden und Einbringen der Schrau-

be kann sich der Hüftkopf mitdrehen. Die Tragschraube findet in der kurzen Strecke des

proximalen Hauptfragments zu wenig Halt, ist dahernicht primär belastungsstabil, weshalb das Prinzipdieser Osteosynthese – Kompression des Bruchspaltsdurch Teleskoping – nicht umgesetzt werden kann.

95339.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.14. Der richtige Eintrittspunkt für den Führungsdraht liegtauf einer gedachten Horizontalen gegenüber dem Trochanter minor ander lateralen Femurkortikalis, der Winkel a beträgt ungefährt 135°, mitindividuellen Abweichungen

a

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Schmidt und Mitarbeiter (1991) fanden bei insgesamt 12 von 19 Patienten, bei denen eine mediale Schenkelhals-fraktur mit einer DHS versorgt worden war, ein schlech-tes Ergebnis. Allein 8 der Patienten entwickelten eineHüftkopfnekrose. Überdies mussten alle Patienten 6–8Wochen das verletzte Bein entlasten.b b�����������������

Weil sich beim Aufbohren des Hüftschraubenkanals

für die DHS bzw. beim Gewindeschneiden und Ein-

drehen der Hüftschraube der Hüftkopf mitdrehen

kann, wodurch alle bis dahin noch intakten Gefäß-

anschlüsse unweigerlich zerreißen würden, muss zur

Rotationssicherung immer mindestens ein zusätz-

licher K-Draht eingebracht werden. Außerdem müs-

sen Fehlbohrungen vermieden werden, weil sonst ein

fester Sitz des Implantats nicht mehr gewährleistet

ist.Wenn die Hüftschraube zu weit kranial im Hüft-

kopf zu liegen kommt, besteht die Gefahr, dass sie

bei Belastung durchschneidet. Man spricht in diesem

Zusammenhang auch vom „cutting-out“.

Auch die Osteosynthese mittels Winkelplatte (s. unten) istmöglich.Diese Alternative gerät jedoch mehr und mehr inden Hintergrund, weil sie nur in der Hand des Geübtengute Ergebnisse bringt. Sie birgt viele methodenimma-nente Fehlermöglichkeiten, die nur mit viel Erfahrungvermeidbar sind (s. „Komplikationen“).

Nachbehandlung

Am 1. postoperativen Tag kann man den Patienten ohneBelastung der verletzten Hüfte vors Bett stellen. Ab dem2. Tag wird das Gehen mit 15 kg Teilbelastung geübt, jenach Koordiniertheit des Patienten zunächst im Geh-wagen oder gleich mit Unterarmstockstützen. Nach er-folgter Wundheilung kann der Patient auch im Bewe-gungsbad üben. Nach bloßer Schraubenosteosynthesedarf der Patient ein Vierteljahr lang nur mit 15 kg teilbe-lasten. Röntgenkontrollen der operierten Hüfte werdenim a.-p. und axialen Strahlengang durchgeführt. Die ersteKontrolle findet nach Entfernung der Redon-Drainagestatt, die nächsten nach 6 und 12 Wochen sowie nach ei-nem Jahr. Bei ungestörter Heilung wird nach einem Vier-teljahr auf Vollbelastung übergegangen. Die Implantat-entfernung erfolgt bei Bedarf nach 1–2 Jahren.b b�����������������

Man sollte den Patienten postoperativ unbedingt

plastisch schildern und am besten mit Zeichnungen

erklären, warum die 3-monatige Entlastung so

wichtig ist.

Komplikationen und Prognose

Hüftkopfnekrosen können sich je nach Bruchtyp inbis zu 40 % der Fälle ereignen.Die einsetzende Nekro-se ist röntgenologisch daran zu erkennen, dass dernicht mehr durchblutete Hüftkopf im Vergleich zumSchenkelhals zunehmend röntgendichter wird,weil eraufgrund der fehlenden Durchblutung an der inakti-vitätsbedingten Entkalkung nicht Teil hat (⊡ Abb.9.16). Ein Szintigramm gibt weiteren Aufschluss.

534 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9⊡ Abb. 9.15. a Deutlich dislozierte Schenkelhalsfraktur (Pauwels III) einer 40-jährigen Patientin. b Stabilisierung mit 3 Schrauben. c,d Sie wurdemit 3 Schrauben stabilisiert

a b c d

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b b�����������������

Anhaltende Belastungsbeschwerden nach erfolgtem

Belastungsbeginn sind häufig ein Zeichen für eine

eingetretene Hüftkopfnekrose. Bei manifester

Nekrose gibt es zwei Alternativen: den endoprotheti-

schen Ersatz des Hüftgelenks oder (bei sehr jungen

Patienten) den Versuch der Revaskularisierung mittels

gefäßgestieltem Beckenspan (Eisenschenk et al.

2001). Die beste Zeit für die Revaskularisierung ist 4–6

Monate nach dem Unfall, sobald die Fraktur verheilt,

jedoch noch bevor der Hüftkopf zusammengebro-

chen ist. Allerdings werden manche Hüftkopf-

nekrosen erst nach Jahren manifest.

Pseudarthrosen ereignen sich etwa in 10 % der Fälle,insbesondere bei steilem Bruchverlauf und verfrühterBelastung. Dann ist, ebenfalls nur bei jungen Patien-ten, eine Umstellungsosteotomie nötig. Dabei wirdsubtrochanter ein Knochenkeil herausgeschnitten,der Schenkelhals mit einer Winkelplatte gefasst undsteil aufgerichtet. Unter der nunmehr nahezu axialenKrafteinleitung kann die Pseudarthrose ausheilen (s. Kap. 11 „Beindeformitäten – Analyse und Korrek-tur“).

Die Komplikationen der DHS wurden bereits oben ge-nannt.

Die Osteosynthese mit einer Winkelplatte birgt vielesystemimmanente Gefahren. Beim Planen der Klin-genlage muss nicht nur der Klingenwinkel, sondernauch die korrekte Rotation berücksichtigt werden,was schwierig ist. Wenn einer der beiden Parameternicht exakt stimmt, überträgt sich beim Anschraubender Platte dieser Fehler auf das proximale Hauptfrag-ment und kann eine unerwünschte Kippung des Hüft-

kopfes in der Frontal- oder Sagittalebene verursa-chen.Außerdem können beim Einschlagen der Klingedie Fragmente auseinandergetrieben und noch intak-te Blutgefäße zerrissen werden. Da, anders als bei derDHS, ein Teleskoping nicht möglich ist, besteht, wennder Bruchbereich sintert, die Gefahr, dass die Klingeden Hüftkopf perforiert. Insgesamt ist die Methodeschwierig und damit komplikationsträchtig, weshalbsie inzwischen von einfacheren Methoden wie den ka-nülierten Schrauben oder der DHS weitgehend ver-drängt wurde.

Therapie bei alten Patienten mit Garden-I-Frakturen:Versuch der konservativen Therapie

Konservativ behandelt werden können eingestauchteSchenkelhalsfrakturen bei multimorbiden und biolo-gisch älteren Patienten (>65 Jahre), die ein hohes Opera-tionsrisiko haben und mit Krücken nicht zurechtkom-men. Wenn über die Stabilität der Einstauchung keineKlarheit besteht, kann eine Untersuchung unter Bild-wandler weiterhelfen.Die Gefahr,dass sich ein ausgepräg-tes intrakapsuläres Hämatom bildet, ist bei stabiler Ein-stauchung nicht sehr groß, weil die spongiösen Bruchflä-chen kompakt ineinander verkeilt sind und die unterbro-chenen Blutgefäße abdichten. Sollte im weiteren Verlaufdennoch eine Hüftkopfnekrose entstehen, bleibt immernoch die endoprothetische Versorgung. Man vermeidetdurch ein konservatives Vorgehen zunächst die Risikeneiner Operation mit all ihren Unwägbarkeiten und be-schränkt die Risiken auf die Patienten,bei denen die Frak-turen während der Mobilisation abrutschen oder sich imweiteren Verlauf eine Hüftkopfnekrose oder Pseudarthro-se einstellt.

Bei nicht erhöhtem Operationsrisiko besteht die Mög-lichkeit der prophylaktischen Verschraubung der Garden-

95359.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.16. Hüftkopfnekrose bei einer 85-jährigen Patientin, deren Schenkelhalsfraktur mit einer dynami-schen Hüftschraube versorgt worden war. Der abgestor-bene Hüftkopf ist etwas weniger strahlentransparent alsder der gesunden Seite. Cutting out der Hüftschraube

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I-Fraktur bei biologisch über 65 Jahre alten Patienten, umbei der anschließenden Mobilisierung unter Belastungdas Abrutschen zu verhindern und den Patienten eineendoprothetische Versorgung zu ersparen.

Therapie bei alten Menschen mit Garden-II- bis -IV-Frakturen: prothetischer Ersatz des Hüftkopfesund evtl. auch der Pfanne

Entweder bestehen Garden-II- bis -IV-Frakturen gleichnach dem Unfall, oder aus abgerutschten Garden-I-Frak-turen werden Garden-III- und -IV-Frakturen, also mäßigund stark dislozierte Brüche. Bei der nun nötigen opera-tiven Stabilisierung wird nicht versucht, den Hüftkopf zuerhalten, weil die alten Leute nicht in der Lage sind, dasBein zuverlässig ein Vierteljahr zu entlasten, und ihnenFolgeoperationen durch eine sich entwickelnde Hüftkopf-nekrose oder Pseudarthrose erspart werden sollen. DasHüftgelenk muss deshalb primär endoprothetisch ersetztwerden.

Weil der Hüftkopf ersetzt wird, besteht zwar keineNotfallindikation mehr; 24 h nach dem Unfall abernimmt zumindest während der ersten Woche die Letalitätmit jedem weiteren Tag,den die alten Menschen in der Ex-tension gefangen zubringen,signifikant zu.Grundsätzlichsind die Patienten, wenn sie erst einmal in der Extensionliegen, nie wieder in so gutem Zustand wie bei der Auf-nahme. b b�����������������

Deshalb sollte nur in folgenden Ausnahmefällen nicht

sofort operiert werden: bei

frischem Myokardinfarkt,

akutem Apoplex,

entgleistem Diabetes mellitus,

instabilem Kreislauf oder

einer noch nicht medikamentös behandelten

Herzinsuffizienz.

In solchen Fällen sollte man zusammen mit dem

Internisten und Anästhesisten die Therapie und den

Zeitpunkt der Operation festlegen.

Zugänge. Im Wesentlichen werden 3 Zugänge verwen-det: der anterolaterale Zugang nach Watson-Jones, der laterale Zugang oder auch transglutaeale Zugang

nach Bauer (auch „Alpenländischer Zugang“ genannt)und

der dorsale Zugang nach Moore.

Der Vorteil des anterolateralen Zugangs nach Watson-Jones (s. Kap. 19 „Zugänge“) liegt darin, dass ohne großePräparationsarbeit die Hüftgelenkkapsel sehr schnell er-reichbar ist. Außerdem können die Patienten in Rücken-

lage operiert werden, was die Orientierung beim Implan-tieren der Pfanne erleichtert und zudem eine intraopera-tive Röntgenkontrolle möglich macht. Der Nachteil ist,dass man an der Trochanterspitze den M. glutaeus me-dius kerben und später reinserieren muss. Die Patientenleiden postoperativ häufig an einer Glutaealinsuffizienzmit positivem Trendelenburg-Zeichen. Die Reinsertiondes Glutaeus ist nicht immer suffizient. Die Nähte könnenleicht ausreißen.

Vorteile des dorsalen Vorgehens (s. Kap. 19 „Zugän-ge“) sind die hervorragende Übersicht und ein besondersguter Zugang zum Femurschaft.Allerdings besteht durchdie Notwendigkeit, die dorsale Kapsel zu exzidieren, auchder Nachteil der erhöhten Inzidenz dorsaler Luxationen.Auch sehr versierte Hüftoperateure, die grundsätzlichden dorsalen Zugang verwenden, müssen immer wiederpostoperativ eintretende Luxationen hinnehmen.

Darum bevorzugen viele Unfallchirurgen den trans-glutaealen Zugang (s. Kap. 19 „Zugänge“) in Rückenlage.Dieser Zugang wird über der lateralen Zirkumferenz desTrochanter major geschaffen. Die Hautinzision verläuftgerade vom proximalen Femur über die Trochanterspitzenach kranial um etwa Handbreite verlängert. Die Inzisiondarf 2–3 cm in den Vastus-lateralis-Ursprung hineinrei-chen und wird nach kranial in die Verlaufsrichtung derglutaealen Fasern verlängert. Dann wird die gesamte anterolaterale Hälfte der Sehnenplatte von den muskulä-ren Ansätzen des Trochanter major subperiostal abgelöst.Die Kapsel wird zunächst stehen gelassen. Anschließendwerden die ventral einsehbaren Anteile reseziert. Dannerfolgt die Osteotomie des Schenkelhalses, die zunächstnoch nicht am geplanten Ort, sondern etwa 0,5 cm nachkranial versetzt, erfolgen soll, um den Schenkelhals vorVerletzungen beim Extrahieren des Hüftkopfes zu schüt-zen.

Dann wird der Hüftkopf mit dem Kopfbohrer, einemkorkenzieherähnlichen Ausziehinstrument, direkt vonventral her transkortikal angebohrt – und nicht vomMarkraum aus. Dadurch erhält der Kopfbohrer einen fes-teren Sitz, und beim Extrahieren des Hüftkopfes werdenVerletzungen der Osteotomieebene am Schenkelhals ver-mieden.Der Kopf kann relativ mühelos extrahiert werden,wenn die Kapsel radikal genug exzidiert wurde.Bei diesemOperationsschritt muss jedoch der Pfannenrand gutüberblickt werden können, denn unmittelbar hinter demPfannenrand ziehen V. und A. iliaca und der N. femoralisvorbei.Nach Extraktion des Hüftkopfes wird die Schenkel-halsosteotomie an gewünschter Stelle vorgenommen unddann die Restkapsel exzidiert (⊡ Abb. 9.17 a,b).

Pfannenpräparation. Nun wird die Pfanne exponiert,dazu werden insgesamt 3 Hohmann-Hebel verwendet.Einer wird hinter dem ventralen Pfannenrand eingesetztund die 2 verbleibenden Hohmann-Hebel kaudal unddorsal. Der Hohmann-Hebel, der kaudal eingesetzt wird,

536 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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hält das Lig. transversum acetabuli ab. Es wird nur beischlechter Übersicht reseziert, da es zur Stabilität deräquatorialen Pfannenabstützung, also des hufeisenförmi-gen Acetabulums, beitragen soll (⊡ Abb. 9.18).

Falls die Pfanne arthrotisch verändert ist, muss zunächst der Pfannenbodenosteophyt mit einem ge-schwungenen Meißel entfernt werden. Erst wenn der ge-samte Osteophyt aus dem Pfannenboden herausgebro-chen ist, erreicht man in der Kavität der Hüftpfanne dasunter dem Osteophyten gelegene Fettpolster und erst da-hinter die Knochenschicht,die das kleine Becken abdeckt.

Diese Schicht darf beim Fräsvorgang nicht perforiert wer-den. Sollte dies dennoch passieren, müssten intraoperativaus dem entnommenen Hüftkopf eine spongiöse Scheibegewonnen und in die Kavität der Pfanne implantiert wer-den, um ein späteres Zuheilen des Lochs im Pfannen-grund zu ermöglichen und einen ausreichenden Kno-chenstock für spätere Wechseloperationen bzw. für dendauerhaften stabilen Pfannensitz zu schaffen. Auf dieseWeise wird übrigens auch mit Geröllzysten und anderenknöchernen Defekten verfahren, die sich beim Fräsvor-gang auftun können.

Beim Fräsen der Pfanne beginnt man mit einer klei-nen Fräse und arbeitet zunächst in Richtung Beckenlich-tung, bis aller Knorpel und Fettgewebe aus dem Pfannen-grund entfernt sind und überall Knochen sichtbar ist.Dann erst orientiert man sich an der geplanten Pfannen-position. Angestrebt wird eine Pfannenneigung von 45°oder etwas weniger.Dabei kann der Rand der künstlichenPfanne etwas über den seitlichen Rand des Acetabulumshinausragen. Dies verursacht später keine Beschwer-den. Entscheidend ist vielmehr, dass ventral eine ausrei-chende knöcherne Überdachung der Pfanne erreichtwird. Bei vielen Patienten ist die Hüftpfanne in diesem Bereich dysplastisch. Diese Dysplasien können erst intra-operativ gesehen beziehungsweise getastet werden. Aufder Beckenübersichtaufnahme kommen sie nicht zurDarstellung. b b�����������������

Bei ventraler Pfannendysplasie muss darauf geachtet

werden, dass der Rand der künstlichen Pfanne den

knöchernen Pfannenrand nicht überragt, andernfalls

kann ein Impingement der Psoassehne entstehen. Die

Sehne reibt bei Extension des Beins unter Belastung

über den Rand der künstlichen Pfanne. Die Patienten

bekommen dann häufig starke, chronische Beschwer-

den und sind sehr unzufrieden. Eine Wechselopera-

tion kann unumgänglich werden.

Diese ventrale Pfannendysplasie, die bei fast 20 % der Pa-tienten vorliegt (Siebold et al. 2001), kann dazu zwingen,dass die Pfanne mit einer vermehrten Anteversion im-plantiert werden muss, damit der Rand der künstlichenPfanne nicht über den Vorderrand des Acetabulums ragt.Dann muss bei der späteren Implantation der Schaftkom-ponente die Anteversion entsprechend reduziert werden,um die beiden Gelenkpartner richtig aufeinander einstel-len zu können.

Auswahl des richtigen Pfannenimplantats. Mehrere Sys-teme stehen zur Verfügung: Schraub-, Spreiz- oder Press-fitpfannen mit und ohne optionale Verschraubung sowiePolyethylenpfannen zum Zementieren.

95379.3 · Proximales Femur

⊡ Abb 9.17 a,b. Extraktion des Hüftkopfs mit dem Kopfbohrer

a

b

⊡ Abb. 9.18. Exposition der Hüftpfanne mit Hohmann-Hebeln. Ein Teilder Gelenkkapsel haftet noch am Pfannenrand

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Die Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik (AE) emp-fiehlt folgende Implantatwahl: Biologisch junge Patienten unter 65 Jahren werden am

besten mit Schraub-, Spreiz- oder Pressfitpfannenversorgt. Biologisch jung bedeutet eine gute Kno-chenqualität. Es darf keine Osteoporose vorliegen, diedas altersübliche Maß überschreitet, insbesondereauch keine Erkrankung aus dem rheumatoiden For-menkreis wie Morbus Bechterew, chronische Poly-arthritis und Ähnliches, die zu einer langjährigenKortisoneinnahme gezwungen hat. Deshalb müssenauch Asthmapatienten diesbezüglich befragt werden.

Patienten, die biologisch zwischen 65 und 75 Jahre altsind,schon eine gewisse Osteoporose haben und nichtzu den oben aufgeführten Risikogruppen gehören,können ebenfalls unzementierte Pfannen erhalten.Die Pfannen sollten aber zusätzlich mit Schraubenoder Zapfen gegen Rotation gesichert werden.

Patienten,die biologisch älter als 75 Jahre alt sind oderan fortgeschrittener Osteoporose leiden,sollen hinge-gen grundsätzlich mit zementierbaren Pfannensyste-men versorgt werden.b b

�����������������Keine Spreizpfanne bei massiver Osteoporose, wie

beispielsweise bei chronischen Polyarthritikern mit

Langzeitkortisoneinnahme, einsetzen.

Patienten unter 65 Jahren. Bei der Positionierung derPfanne sollten grundsätzlich die Winkel 45°-Neigung(oder einige Grade weniger) und 10°-Anteversion ange-strebt werden. Eine ventrale Pfannendysplasie (s. oben)kann es jedoch erforderlich machen,dass die Anteversionu. U. deutlich mehr als 10° betragen muss.

Es wird versucht, beim Fräsen für die Pressfitpfanneein spongiöses Lager zu erhalten. Allerdings kann beimassiver Arthrose eine ausgeprägte Pfannensklerose be-stehen. Dann braucht nicht die gesamte Sklerosezone ab-gefräst zu werden, denn dadurch würde man zu tief insAcetabulum eindringen und das Rotationszentrum deskünstlichen Hüftgelenks kranialisieren und medialisie-ren. In diesem Fall genügt es, dafür zu sorgen, dass späterBlutbestandteile und Granulationsgewebe zwischen Skle-roseschicht und künstlicher Pfanne einwachsen können.Dies erreicht man laut Holz (2000) durch 2–3 Bohrlöchermit einem Durchmesser von 5–8 mm,die man in die Skle-rosezone setzt. Die Bohrungen dürfen nicht so dick sein,dass sie den Knochen schwächen, aber sie müssen starkgenug sein, damit Gewebe einwachsen kann.

Patienten zwischen 65 und 75 Jahren. Bei Patienten, diezwischen 65 und 75 Jahre alt sind, soll die eingebrachteSpreiz- oder Pressfitpfanne zusätzlich gegen Rotation ge-sichert werden. 2 Schrauben oder Zapfen sind ausrei-

chend. Wichtig ist, dass die Stabilisatoren gut sitzen. DieBohrlöcher lassen sich nur mit einer flexiblen Bohrwellekorrekt ausrichten. Sie sollen in einem Sektor liegen, dersich in einem 30°-Winkel zwischen der supraacetabulärenBelastungszone und der dorsal angrenzenden Iliosakral-fugenregion ausspannt. Hier liegt die größte Knochen-masse, die erlaubt, die Schrauben stabil zu verankern(⊡ Abb. 9.19). Auch das Gewindeschneiden und Eindre-hen der Schrauben muss mit flexiblen Instrumenten(Kardanschraubenzieher) vorgenommen werden, sonsthebelt man einerseits an den Bohrlöchern und quetschtandererseits die Weichteile.

Das Kontainment der künstlichen Pfanne, deren knö-cherne Umgebung, soll mindestens 80 % betragen. DiePfanne wird äquatorial verklemmt.Das heißt,sie stützt sichim hufeisenförmigen acetabulären Knochenstock ab undnicht polar. Deshalb sind die gängigen Schraub-, Spreiz-und Pressfitpfannen auch im Polbereich leicht abgeflacht.

Patienten über 75 Jahren. Bei Patienten, die biologischälter als 75 Jahre sind, und bei allen Patienten mit Osteo-porose, werden zementierte Pfannen verwendet. Wiebeim Vorbereiten des Lagers für Spreiz- oder Pressfit-pfannen fräst man zunächst auch in Richtung kleinesBecken, bis alles Weichteilgewebe aus dem Pfannengrundentfernt ist. Dann wird die Pfanne bis auf die gewünschteGröße weiter aufgefräst. Es ist darauf zu achten, dassnirgendwo der Pfannenrand perforiert wird, sonst ist diespätere Abstützung beeinträchtigt. Im Zweifelsfall solltebesser eine etwas kleinere Pfanne gewählt werden als einezu große.

Beim Fräsen für die Flachprofilpfanne braucht nichtder später gewünschte Pfannensitz eingestellt werden,sondern man fräst so, dass die Fräse bündig mit demPfannenrand ist.Anschließend werden drei Löcher in dasAcetabulum gebohrt, die zwischen 5 und 8 mm dick und

538 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.19. Der Winkel a markiert den 30°-Sektor zwischen supraace-tabulärer Belastungszone und dorsal angrenzender Iliosakralfugen-region, in dem die rotationssichernden Schrauben eingebracht werdensollen

a

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etwa 1 cm tief sein sollen. Diese Löcher dienen zur Ober-flächenvergrößerung für die Knochenzementveranke-rung.

Vor dem Zementieren muss die Pfanne akribisch ge-säubert werden. Sie wird von Fett, Blut und Geweberück-ständen, die beim Fräsen entstehen, befreit.Von entschei-dender Bedeutung für einen dauerhaften Prothesensitzist, dass sich der Knochenzement in die Spongiosastruk-tur hinein verzahnen kann. In zahlreichen Studien wurdenachgewiesen, dass dies nur dann mit ausreichender Si-cherheit möglich ist,wenn der Situs vor dem Zementierenmit einer gepulsten Lavage gereinigt wird (Breusch et al.1999). Dies ist insbesondere in skandinavischen Ländernschon seit Jahren Standard. Dort konnten auch die höch-sten durchschnittlichen Standzeiten zementierter Endo-prothesen beobachtet werden.b b�����������������

Vor jedem Zementiervorgang grundsätzlich eine

Jet-Lavage anwenden! Sie gewährleistet nicht nur

eine bessere Verzahnung zwischen Spongiosa und

Knochenzement, sondern reduziert auch die Ein-

schwemmung thrombogener Markraumbestandteile

und damit das Risiko kardiopulmonaler Reaktionen

signifikant.

Nach erfolgter Jet-Lavage sickert während der Vorberei-tung des Zementierens kontinuierlich Blut in die Pfannenach. Um zu verhindern, dass das Pfannenlager wiedermit Blut und Markfett vollläuft, saugt man am tiefstgele-genen der zuvor geschaffenen Verankerungslöcher diesesBlut kontinuierlich ab. Die Alternative ist, die Pfanne miteinem Bauchtuch auszustopfen,bis der Zement die richti-ge Konsistenz hat. Man bringt etwa 30 ml Zement in diePfanne ein und komprimiert diesen dort vor. Das ist einrelativ schwieriger Vorgang, weil für diesen Schritt bisherkein wirklich geeignetes Instrument entwickelt wordenist. Man muss die notwendige Vorkomprimierung des-halb manuell erzeugen. Dazu wird der Knochenzementam besten mit einer geringen Menge Kochsalzlösunggefüllten, mit einem verknoteten Handschuh 2–3 minlang in das Acetabulum gepresst. Er soll dabei in dieVerankerungslöcher und die spongiöse Oberflächen-struktur hineinfließen und sich darin verzahnen. An-schließend wird die Polyäthylenpfanne eingesetzt. Siewird 2–4 mm im Durchmesser kleiner gewählt als die zu-letzt verwendete Fräse, mit der das Acetabulum aufberei-tet wurde. Wie beim unzementierten Vorgehen beschrie-ben, muss darauf geachtet werden, dass die Pfanne amventralen Acetabulumrand bündig abschließt und diesennicht überragt.

Das Polyethylenimplantat wird mit einem Setzinstru-ment,das eine Metallkappe trägt,eingebracht.Die Metall-kappe schließt plan mit dem flachen äußeren Rand der

Pfanne ab, sodass man mit dem Setzinstrument die Nei-gung und Anteversion exakt dirigieren und einstellenkann. Wenn dies erreicht ist, nimmt man das Setzinstru-ment aus dem Situs heraus, zieht die Metallkappe ab undstabilisiert anschließend die Pfanne nur noch mit demhalbkugeligen Ende des Setzinstruments im aushärten-den Knochenzement. Das halbkugelige Ende des Setz-instruments überträgt die Schaukelbewegungen nicht,die durch den Herzschlag und die Atemexkursionen desOperateurs entstehen. Dadurch wird vermieden, dass der Knochenzement in der Aushärtungsphase Risse be-kommt.

Ganz entscheidend ist, dass man allen Knochen-zement aus dem Gelenkinnenraum vor dem Aushärtenentfernt und möglichst nichts über den Pfannenrandragen lässt. Knochenzement enthält ein metallischesRöntgenkontrastmittel, das Zirkonium. Wenn Partikeldavon abbröckeln und in das Gelenkspiel geraten,werdensie dort zermahlen. Dann werden Metallteilchen frei undwirken wie Schmirgelpapier. Es entsteht Abrieb am Poly-ethylen und anderen Komponenten. Die Polyethylenteil-chen wiederum induzieren die Bildung eines speziellen,besonders aggressiven Granulationsgewebes, das durchFreisetzung von Interleukin-1 b und Tumornekrosefak-tor Osteoklasten mobilisiert, die wiederum Schaft undPfanne durch Knochenabbau vorzeitig auslockern lassen.

Übersichtb b

�����������������Begriffsbestimmung

Pressfit ist gleich Reibschluss

Beispiel: im Markraum sitzender Nagel

Formfit ist gleich Formschluss

Beispiel: Schraube im Knochen

Materialschluss ist gleich Schweißen

Beispiel: Metallschweißung

Implantation des Prothesenstiels

Patienten unter 65 Jahren. Hier gilt ähnliches, wie be-reits für die Pfannenkomponente angesprochen. Patien-ten,die biologisch jünger als 65 Jahre sind,keine Osteopo-rose haben, keine Erkrankung aus dem rheumatoidenFormenkreis und keine Anamnese einer Langzeitkorti-soneinnahme können mit einer unzementierten Protheseversorgt werden.b b�����������������

Allerdings muss laut Ewerbeck (2000) an dieser Stelle

kritisch eingewendet werden, dass, solange für die

Vielzahl der auf dem Markt befindlichen zementfreien

Prothesensysteme keine validen Langzeitergebnisse

über 15 Jahre vorliegen, die zementierte Verankerung

unter Einsatz einer modernen Zementiertechnik als

Qualitätsmaßstab gilt. Moderne Zementiertechnik

95399.3 · Proximales Femur

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bedeutet den Einsatz der Jet-Lavage, von Markraum-

stoppern, Vakuummischtechnik, retrograder

Zementapplikation und Druckzementierung.

Für die unzementierte Technik benutzt man heute zuneh-mend Prothesenstiele, die sich metaphysär abstützen. ImBereich der Metaphyse ist der Knochen reagibler als dia-physär.Hier kann er sich schneller an Be- oder Entlastunganpassen. Für die verschiedenen Prothesentypen gibt esdie jeweils passenden Formraspeln, die in aufsteigenderGröße eingesetzt werden. Je nach Typ wird mehr oderweniger weit lateral im Bereich der Fossa trochantericader Markraum mit einem Kastenmeißel, einem scharfenLöffel oder einer Ahle eröffnet. Dann ertastet man sichzunächst mit einem stumpfen Instrument, beispielsweiseeinem langen scharfen Löffel, die Kavität des Markraums,damit man eine Vorstellung von der richtigen Richtung insantekurvierte Femur hinein bekommt. Die Reibahle prä-formiert den geraden Weg. Dann werden in aufsteigenderGröße die Formraspeln eingebracht.b b�����������������

Wenn der Schenkelhals zu weit kranial abgesetzt wird,

kommt man mit dem Prothesenstiel, insbesondere

wenn es sich um eine Geradschaftprothese handelt,

nicht um die Kurvation des Schenkelhalses herum. Die

Anteversion des Schenkelhalses lenkt dann von der

eigentlichen Schaftrichtung ab und man läuft dorsal

auf.

Es gibt im Wesentlichen zwei Orientierungsmöglichkeitenbezüglich der erforderlichen Größe der Prothese und derTiefe ihrer Implantation. Die richtige Passform kann amKlang der Kortikalis erspürt werden, wenn die Formras-peln in aufsteigender Größe in den Schaft eingetriebenwerden. Wenn die Resonanz des kortikalen Knochensbeim Schlagen allmählich höhere Frequenzen annimmt

und sich letztlich nur noch unter erhöhtem Kraftaufwandsteigern lässt, ist die kritische Grenze des Fassungsvermö-gens des proximalen Femurschafts erreicht. Gleichzeitigorientiert sich die Prothesengröße am Drehpunkt desProthesenhalses, der auf einer gedachten Horizontalen,welche die Trochanterspitze tangential schneidet,zu liegenkommen muss. Ist die gewünschte Größe erreicht, kannmit der eingeschlagenen Formraspel eine Probereposi-tion durchgeführt werden.

Ob die Prothese richtig sitzt, wird zunächst klinischgeprüft, indem das Hüftgelenk in Streck- und Beugestel-lung jeweils außen- und innenrotiert wird. Falls eineLuxationstendenz besteht, stimmt die Positionierung derProthesenkomponenten zueinander nicht und muss kor-rigiert werden. Anschließend wird unter dem Röntgen-bildwandler der Sitz der Prothesenkomponenten nachfolgenden Kriterien überprüft: Der Stiel muss das proximale Femur formschlüssig

ausfüllen. Er darf nicht varisch verkippt im Femur-köcher sitzen. Sollte dies der Fall sein, liegt der proxi-male Eintrittspunkt zu weit medial.

Der Drehpunkt der Prothese soll auf einer gedachtenHorizontalen durch die Trochanterspitze liegen.

Der Bogen des Unterrandes des oberen Schambeinas-tes sollte sich ungefähr im Bogen des Prothesenhalsesfortsetzen (Ménard-Linie). Dies ist ein weiteres Indizfür die richtige Höheneinstellung der Schaft- undPfannenkomponente.

Der Neigungswinkel der Pfanne soll 45° betragen,deren Anteversion 10°.

Wenn die Prothese keine Luxationstendenz aufweist undröntgenologisch der korrekte Sitz überprüft ist (⊡ Abb.9.20), wird die endgültige Prothese in den Schaft einge-schlagen. Dabei orientiert man sich wiederum am Klangdes Femurs. Deshalb wird die Prothese mit möglichstgleichmäßigen Schlägen vorangetrieben, um am zuneh-mend höher werdenden Schlagton erkennen zu können,wann eine ausreichende Verklemmung erreicht ist.

540 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.20 a,b. Intraoperative Röntgenbildwandler-Kontroll-aufnahme vor der endgültigen Implantation des Schaftes

a b

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Falls der Schaft springen und eine Fissur entstehensollte, ist der Prothesensitz nicht gefährdet. Solche Fis-suren sind laut Kirschner (2000) als stabil zu werten;Spotorno habe sogar zeitenweise bewusst Fissuren ge-setzt, um durch die später einsetzende Kallusbildung einEinheilen des Stiels zu beschleunigen. Manifeste Fraktu-ren allerdings bedürfen der Osteosynthese mittels Zerkla-gen.

Patienten über 65 Jahren. Bei Patienten, die biologischälter als 65 Jahre sind oder deren Knochen osteoporotischgeschwächt ist, wird der Prothesenstiel zementiert. Dazuwird der Markraum, wie es oben beim unzementiertenVorgehen beschrieben wurde, aufbereitet. Allerdingsbraucht keine kortikale Verklemmung angestrebt werden,weil ein verbleibender spongiöser Saum im Femurköchereine bessere Verzahnung mit dem Knochenzement er-möglicht.

Zementiertechnik am Femurschaft

Resorbierbare Markraumstopper sollen weniger Proble-me als nichtresorbierbare verursachen (Ewerbeck 2000).Nachdem der Markraumstopper eingebracht ist, mussunbedingt eine Jet-Lavage durchgeführt werden; dies giltals Standard. Dabei geht es im Bereich des Femurköchersnicht nur um die verbesserte Verzahnung des Knochen-zements mit der spongiösen Oberfläche, sondern vorallem auch um die Reduzierung der Gefahr einer Fett-embolie (Breusch et al. 2000). Der Autor hat an Schafenden Effekt der Zementierung mit und ohne vorausgegan-gener Jet-Lavage anhand der Fetteinschwemmung in denIliakalgefäßen untersucht und herausgefunden,dass nachJet-Lavage die Fetteinschwemmung um den Faktor 3 redu-ziert war. Diese Maßnahme reduziert also das intra- undpostoperative Risiko der Fettembolie, das insbesonderebei kardial vorerkrankten Patienten lebensbedrohlichsein kann, erheblich.b b�����������������

Bevor der Schaft einzementiert wird, muss ein Mark-

raumstopper in die gewünschte Tiefe eingebracht

und anschließend eine Jet-Lavage durchgeführt

werden.

Nach erfolgter Jet-Lavage wird der Femurköcher mit einerKompresse ausgestopft und Restflüssigkeit abgesaugt.Anschließend wird der Knochenzement retrograd einge-bracht. Dazu legt man zuvor ein dünnes Abflussröhrchenin den Femurköcher, über das beim späteren Einbringendes Zements Luft und Sekret entweichen kann. Nach demEinbringen des Zements entfernt man das Röhrchen undkomprimiert den Zement manuell vor. Dann schiebt manden Prothesenstiel in den zementgefüllten Markraum. Daein Zementmantel in einer Schichtdicke von 2–3 mm ein-

geplant ist, lässt sich der Prothesenstiel von Hand vor-schieben, ohne dass dafür ein Schlagwerkzeug benutztwerden muss. b b�����������������

Keinesfalls soll die Prothese mit dem Hammer in den

Markraum vorgetrieben werden, da mit jedem Ham-

merschlag Risse im Knochenzementmantel entste-

hen, wie es elektronenmikroskopische Analysen ein-

drucksvoll sichtbar gemacht haben. Allerdings kann

es in Ausnahmefällen dennoch einmal nötig werden

– wenn Hindernisse im Markraum ein ausschließlich

manuelles Vorschieben unmöglich machen – mit

leichten Hammerschlägen nachzuhelfen.

Auch beim zementierten Vorgehen müssen Probereposi-tionen mit der Formraspel vorgeschaltet werden, bevorder Stiel definitiv eingebaut wird. Es wird geprüft, ob eineLuxationstendenz besteht und ob in Neutral-Null-Stel-lung des Beins sich die äquatoriale Ebene der Pfanne bzw. des Inlays einerseits und die des Kopfes andererseitsparallel zueinander einstellen. Wenn dem nicht so ist,kann beim späteren Zementieren versucht werden, diesdurch Änderung der Anteversion auszugleichen. Wennüber die Pfannen-Stiel-Position keine Klarheit besteht,empfiehlt es sich,schon zu Beginn des Raspelvorgangs beinoch nicht endgültiger Prothesengröße eine Probereposi-tion vorzunehmen,weil mit den noch folgenden Formras-peln noch Korrekturmöglichkeit besteht. Vor dem end-gültigen Einbringen der Hüfte kann nochmals geröntgtwerden (⊡ Abb. 9.21 a,b).

Tribologie

Laut Elke (2001) kommt es u. a. durch Polyethylenabriebzur Osteolyse. Man spricht in diesem Zusammenhangauch von der Partikelkrankheit. Metallabrieb führt zueiner Osteoklastenaktivierung durch Interleukin-1 b unddadurch ebenfalls zu Osteolysen. Der Abrieb von Kno-chenzement (s. oben) lässt die Komponenten im Gelenk-bereich verschleißen, deshalb ist entscheidend, dass keinZement ins Gelenkspiel gerät.Außerdem werden zueinan-der passende Komponenten im künstlichen Hüftgelenkbenötigt.

Zur Verfügung stehen Keramik-Keramik- und Metall-Metall-Verbindungen sowie Paarungen mit hochvernetz-tem Polyethylen und Metall. Keramik-Keramik-Verbin-dungen haben den Nachteil, dass sie verspröden können.Metall-Metall-Verbindungen verlangen hohe technischeAnforderungen an die Produktion, gleichzeitig könnensystemische Wirkungen der Metallionen entstehen. Hoch-vernetztes Polyethylen mit Metall gepaart zeigt im Hüftsimulator keinen messbaren Verschleiß bei gleichenphysikalischen Eigenschaften wie herkömmliches Poly-ethylen.

95419.3 · Proximales Femur

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Aufklärung

Laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Unfall-chirurgie (www.dgu-online.de) müssen die Patienten prä-operativ über folgende Risiken aufgeklärt werden: Durch die Operation kann eine Beinlängendifferenz

entstehen. Eine Verlängerung von bis zu 2 cm ist keinKunstfehler. Dazu gibt es ein Gerichtsurteil. Eine Dif-ferenz bis 1,5 cm verlangt überdies, laut Puhl (2000),keinen Schuhsohlenausgleich.

Es muss über das potenzielle Infektionsrisiko aufge-klärt werden; dazu sind am besten klinikeigene Datenvorzulegen.

Das Risiko einer postoperativen Luxation hängt vonder Erfahrung des Operateurs und der Art des Zu-gangs ab.

Die Entscheidung, ob ein unzementiertes oder ze-mentiertes Vorgehen gewählt wird, kann häufig erstintraoperativ gefällt werden. Nicht jeder Patient, derfür eine unzementierte Prothese vorgesehen ist, kannletztlich auch eine solche erhalten, weil sich oft erstintraoperativ herausstellt, dass die Knochenqualitätviel schlechter ist als zunächst angenommen. Auchkönnen intraoperativ auftretende Schwierigkeitenzum Zementieren zwingen.

Es muss über die Möglichkeit von intraoperativ entste-henden Frakturen aufgeklärt werden, die dann mitZerklagen und anderen Mitteln osteosynthetisch ver-sorgt werden müssen.

Auch ist die prinzipielle Möglichkeit der Prothesenlo-ckerung gegeben. Dabei korreliert der Aktivitätsgraddes Patienten mit der Lockerungsrate. Die durch-schnittliche Standzeit von Prothesen beträgt mittler-

weile 12 Jahre. Laut Studien erreichen 90 % aller Hüft-endoprothesen eine Standzeit von mehr als 10 Jahren.Diese Studien scheinen aber die wahren Verhältnissenicht wirklich wiederzugeben, weil im Jahr 150.000Hüftendoprothesen bundesweit eingesetzt werden,davon aber 30.000 Wechseloperationen sind. Das be-deutet,dass im günstigsten Fall nur 80 % aller Prothe-senträger länger als 10 Jahre ohne Wechseloperationauskommen.

Falls man über eine Knochenbank verfügt, muss überdie Möglichkeit der Fremdknochenimplantation undderen Risiken aufgeklärt werden.

Operationsplanung

Zur Operationsvorbereitung braucht man ein tief einge-stelltes Becken. Der Zentralstrahl wird dafür einen Quer-finger distal der Symphyse ausgerichtet. Zusätzlich wirdder Oberschenkel der erkrankten Seite im seitlichenStrahlengang aufgenommen. Die seitliche Aufnahme desOberschenkels zeigt das Ausmaß der Antekurvation desFemurs. Bei großer Antekurvation kann es sein, dass dieausgemessene Schaftgröße bei weitem nicht erreichtwird. Dann ist man als Operateur vorgewarnt und kannsich schon präoperativ eine Alternative überlegen oderein anderes Prothesenmodell verwenden. Die seitlichenSchablonen der Prothesen zeigen schon präoperativ, obdie Schaftgröße, die auf dem Aufsichtsbild gut passt, auchtatsächlich intraoperativ eingebracht werden kann.

Die zu erwartende Knochenqualität des jeweiligen Pa-tienten kann anhand der Zugtrajektoren am Schenkelhalsbeurteilt werden. Laut Singh (1970) korreliert das Ver-schwinden der Zugtrajektoren mit einer zunehmenden

542 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9 ⊡ Abb. 9.21. a Schenkelhalsfraktur eines 70jährigen Mannes. b Sie wurde mit einer Hybrid-Endoprothese mit zementiertem Schaft und Pressfit-schraubpfanne versorgt

a b

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Osteoporose. Singh hat 7 Grade unterschieden. In der kli-nischen Praxis genügt jedoch die Unterscheidung nachBobyn u. Engh (2000) in 3 Grade: vorhanden, geschwun-den, verarmt (⊡ Abb. 9.22).

Zeichnerische Planung. Laut Wagner u. Wagner(2000)ist heutzutage eine präoperative Planung unverzichtbar.Wenn ein Patient wegen eines Kunstfehlers klagt, ist esvon Vorteil, wenn das Krankenblatt eine Planung enthält.Die Planung soll aber nicht nur aus forensischen Gründenerfolgen. Sie ist auch ein wichtiger Lerneffekt für denOperateur, der dadurch gezwungen ist, sich präoperativmit der Situation,die auf ihn zukommt,auseinanderzuset-zen. Außerdem können präoperativ die zu erwartendenProthesengrößen angegeben werden. Das hat nicht nureinen „sportlichen“ Reiz, sondern erleichtert dem Opera-tions-Pflegeteam die Organisation.

Bei der Planungszeichnung wird zunächst die Scha-blone der künstlichen Pfanne auf das Acetabulum derkranken Seite gelegt und anhand der Köhler-Tränenfigurdie Position der Pfanne ausgerichtet. (Köhler war Radio-loge in Wiesbaden und lebte von 1874 bis 1947.) Jetzt ist diePfannengröße bekannt, und die Pfanne kann auf ein dar-über gelegtes DIN-A4-Pausepapier gezeichnet werden.Dabei ist es ausreichend, die äußeren Umrisse der zu im-plantierenden Pfanne und deren Drehzentrum zu skizzie-ren.Dann wird das Papier auf die kontralaterale Seite (diegesunde) gelegt, sodass die bereits eingezeichnete Pfannemit der natürlichen Pfanne zur Deckung kommt.Wenn aufder gesunden Seite ein regelrechter Abstand von Dreh-zentrum zum Femur vorliegt, können nun die trochante-ren Umrisse am Trochanter major und minor eingezeich-net werden. Aufgrund dieser drei Punkte ist eine gelenk-gerechte Position von Pfanne zu Schaft festgelegt, die nunspiegelverkehrt durch Umdrehen des Pausepapiers aufdie erkrankte Seite übertragen werden kann.Nun kann diepassende Schaftkomponente in das proximale Femur ein-gepasst und das Pausepapier mit den eingezeichnetentrochanteren Umrissen und dem Drehzentrum, das auchauf der Schaftschablone markiert ist, zur Deckung ge-bracht werden. Dadurch ist bereits die korrekte Position

von Pfanne, Schaft und Femur zueinander ermittelt undman braucht nun nur noch die anatomischen Umrisseund den Schaft auf das Pausepapier zu zeichnen. An-schließend wird vermerkt, welche Pfannen-, Schaft- undKopfgröße gewählt wurden,wie der Patient heißt,wann ergeboren ist und wer diese Zeichnung an welchem Tag an-gefertigt hat. Zuletzt wird dieses Dokument in die Kran-kenakte gegeben.

Hemiprothetik bei hinfälligen Patienten

Bei Bettlägrigen, sehr alten (>85 Jahre) oder hinfälligenPatienten genügt die Implantation einer Hemiprothese.Der bloße Hüftkopfersatz hat eine kürzere Operations-zeit, ist blutärmer und luxiert seltener. Die Prothesenstie-le werden selbstverständlich zementiert, damit sie sofortvoll belastbar sind.Risiken der Methode sind die Pfannen-protrusion und der anhaltende Hüftschmerz, der in man-chen Fällen beobachtet wurde. Deshalb beschränken diemeisten Unfallchirurgen die Hemiprothetik auf bettläge-rige Patienten und solche, die eine Lebenserwartung voneinem Jahr oder weniger haben. Bei starker Osteoporoseist die Gefahr der Protrusion erhöht.Bei Hüftpfannendys-plasie können die Prothesen aus dem flachen und steileingestellten Acetabulum leicht luxieren, deshalb emp-fiehlt sich in diesen Fällen der zusätzliche Pfannenersatz.b b�����������������

Wegen der Thromboemboliegefahr beim Aufraspeln

des Markraums, die durch hohe Markraumdrucke mit

konsekutiver Knochenmarkausschwemmung hervor-

gerufen wird, empfehlen Wenda et al. (1990), vor dem

Aufbereiten des Markraums ein 4,5 mm großes Bohr-

loch ca. 4 cm weit distal der Spitze der geplanten

Prothese in die laterale Kortikalis des Femurschafts

zu setzen. Die Autoren konnten dadurch verhindern,

dass der Druck beim Implantieren der Prothese in

den zementgefüllten Schaft über 100 mmHg hinaus

anstieg. Nur 4 von 102 nachuntersuchten Patienten

bekamen eine Phlebothrombose gegenüber 13–30 %

in der Literatur. Bevor Markraumsperrer verwendet

95439.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.22. Einteilung der Osteoporose anhandder Zugtrajektoren am Schenkelhals nach Bobynund Engh in 3 Grade: vorhanden, geschwunden,verarmt

vorhanden geschwunden verarmt

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wurden, gab es in 50 % der Fälle intraoperativ Blut-

druckabfälle bis hin zu Herzstillständen (4 %) und

Todesfällen (1 %). Bei druckentlastetem Markraum

sahen die Autoren keine Blutdruckabfälle mehr.

Übrigens kann bereits das Einführen eines gut sitzen-

den Markraumsperrers ohne Drainage der Markhöhle

zu erheblichen Druckanstiegen führen. In der Litera-

tur ist ein Herzstillstand nach Einsetzen eines Mark-

raumsperrers bekannt.

Operationstechnik. Es stehen, wie bereits oben beschrie-ben, 3 Zugänge zur Verfügung: der transglutaeale Zugangnach Bauer,der anterolaterale Zugang nach Watson-Jonesund der dorsale nach Moore (s. Kap. 19 „Zugänge“). Beimventralen Vorgehen wird nach Aufsetzen des spitzen Hohmann-Hebels am Acetabulumrand die GelenkkapselT-förmig eröffnet, dabei kommt der quere Schenkel des„T“ im Bereich der Schenkelhalsbasis zu liegen.Die beidenKapsellippen werden entweder mit Haltefäden armiert,damit man sie beim späteren Reponieren des künstlichenHüftkopfes auseinanderziehen kann, oder gleich rese-ziert. Nach Osteotomie des Schenkelhalses und Extrak-tion des Hüftkopfes kann dessen Größe mit einer Schub-lehre ermittelt und ein entsprechend großer Probierkopfin die Hüfte eingesetzt werden. Meist wird ein etwa 2 mmim Durchmesser größerer Prothesenkopf benötigt als dernatürliche, weil sich mit zunehmendem Alter durch Ab-nutzung der Knorpelflächen das Größenverhältnis zwi-schen Kopf und Pfanne verschiebt und eine ausreichendeKopfgröße einer Protrusion entgegenwirkt. Alles weitereläuft nach den oben beschriebenen Prinzipien der Endo-

prothetik ab. Nach erfolgter endgültiger Reposition kanndie Gelenkkapsel, wenn sie erhalten wurde, als Luxations-prophylaxe genäht werden (⊡ Abb. 9.23 a,b).

Komplikationen und Prognose

Protrusion des Prothesenkopfes bedeutet, dass derkünstliche Hüftkopf die natürliche Pfanne durch-scheuert und allmählich ins kleine Becken einbricht.Diese Gefahr ist insbesondere beim tiefen Infekt undausgeprägter Osteoporose gegeben. Begünstigt wirddie Protrusion außerdem durch zu hohe Resektionam Schenkelhals; dann verstärkt sich die Reibung inder Pfanne, weil die ligamentären Strukturen desHüftgelenks ständig vermehrt gespannt sind. Aberauch ein zu klein gewählter Prothesenkopf kanndurch punktuelle Überbelastung eine Protrusion er-zeugen.

Periartikuläre Verkalkungen treten laut Schippingeret al. (1992) nach Implantation einer Hemiprothesenur in etwa 11 % der Fälle gegenüber 41 % nach Total-endoprothese auf.

Die Hüftgelenkendoprothetik ist mit einer Thrombo-serate von bis zu 70 % mehr als alle anderen Operatio-nen belastet, wobei nicht alle Thrombosen klinischmanifest werden. Thrombosen der V. femoralis kön-nen durch Hakendruck oder in Begleitung einer post-operativen Weichteilschwellung entstehen. Intraope-rativ werden durch die Drucksteigerung in der femo-ralen Markhöhle größere Mengen gerinnungsaktivenKnochenmarks in die Blutbahn eingeschwemmt. Die-se Knochenmarkeinschwemmungen sind inzwischenals Auslöser der intraoperativen Blutdruckabfällenachgewiesen.

544 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.23. a Deutlich dislozierte Schenkelhalsfraktur (Garden IV) einer 92-jährigen Patientin. b Versorgung mit einer Duokopfprothese

a b

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Die Fünfjahresüberlebensrate nach endoprotheti-scher Versorgung von Schenkelhalsfrakturen beträgtnach Petitti u. Sidney (1985) nur etwa 30–40 %.

9.3.2 Trochantere Frakturen

Ursachen, klinische Zeichen und Diagnostik der trochan-teren Frakturen entsprechen den Kriterien, die für dieSchenkelhalsfrakturen (s.oben) besprochen wurden.LautJosten u.Korner (1999) machen pertrochantere Frakturenca. 40–45 % der proximalen Femurfrakturen aus und ha-ben damit eine gleiche Häufigkeit wie die Schenkelhals-frakturen. Der Altersdurchschnitt liegt bei Frauen um 80bei Männern um 70 Jahre. Frauen sind fast doppelt sohäufig betroffen wie Männer, was mit einer erhöhtenOsteoporoseinzidenz korreliert.

Es gibt außerdem in seltenen Fällen isolierte Abriss-frakturen im trochanteren Bereich insbesondere bei ju-gendlichen Sportlern, deren Apophysen noch nicht voll-ständig knöchern durchbaut sind.

Klassifikation

AO-Klassifikation. Die Klassifikation von Frakturen (s.dazu Kap. 25) unterscheidet zwischen einfachen pertrochanteren Frakturen (A1), multifragmentären pertrochanteren Frakturen (A2), intertrochanteren pertrochanteren Frakturen (A3).

Klassifikation nach Evans. Die Klassifikation nach Evans(1949) legt als Beurteilungskriterium das Ausmaß derInstabilität zugrunde. Mit steigender Typzahl nimmt derGrad der Instabilität zu. Typ I: nichtdislozierte einfache Fraktur, Typ II: dislozierte einfache Fraktur, Typ III: dislozierte Dreifragmentfraktur mit dorso-

lateraler Trümmerzone,

Typ IV: dislozierte Dreifragmentfraktur mit dorso-medialer Trümmerzone,

Typ V: dislozierte Vierfragmentfraktur mit Aus-einanderweichen beider Trochanteren.

Operative Therapie

Die konservative Therapie der pertrochanteren Femur-frakturen ist verlassen.Es wird nahezu in allen Fällen eineoperative Versorgung angestrebt, weil nur dann die Mög-lichkeit besteht, die Patienten rasch schmerzfrei und mo-bil zu bekommen.Andernfalls drohen erhebliche Risiken,gepaart mit einer hohen Letalität (s. dazu die Ausführun-gen im Abschn. 9.3.1,„Schenkelhalsfrakturen“).

Nur die isolierten trochanteren Abrissfrakturen wer-den konservativ behandelt, weil dadurch gute funktionel-le Ergebnisse zu erreichen sind und die operationstech-nisch aufwändigen Zugänge in keinem Verhältnis zumerreichbaren Nutzen stehen. Nach 1–2 Wochen Schonungwird ein frühzeitiger Belastungsaufbau angestrebt. Diekompletten pertrochanteren Frakturen werden jedochalle operativ angegangen. Dabei kommen folgende Ver-fahrensweisen zum Einsatz: dynamische Hüftschraube, Markraumschienung durch proximale Femurnägel

(z. B. Gammanagel), Endoprothese, Verbundosteosynthese.

Zu der Frage, welcher Bruchtyp welches Verfahren benö-tigt s. ⊡ Tabelle 9.2.

Dynamische Hüftschraube

Die DHS hat sich in den letzten Jahrzehnten in zahllosenFällen sehr bewährt. Sie ist das Implantat der Wahl fürZwei- oder Dreifragmentfrakturen mit rekonstruierbarermedialer Abstützung. Das dynamische Prinzip, das hinterder genialen Konstruktion steht, ist die Gleitmöglichkeit

95459.3 · Proximales Femur

⊡ Tabelle 9.2. DHS, Markraumschienung und Endoprothesen sind die Verfahren der Wahl zur Stabilisierung trochanterer Frakturen

Bruchtyp Verfahrensweisen

Zwei- oder Dreifragmentfraktur mit rekonstruierbarer medialer Abstützung DHS

Drei- oder Vierfragmentfraktur mit nicht rekonstruierbarer medialer Abstützung MarkraumschienungUmgekehrter BruchverlaufSubtrochantere FrakturPathologische Fraktur

Trochantere Fraktur bei Koxarthrose EndoprotheseTrümmerfrakturPathologische FrakturVerfahrenswechsel nach Implantatversagen

Pathologische Fraktur Verbundosteosynthese

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der Tragschraube in einer Lasche, die am proximalenPlattenende sitzt. Man spricht in diesem Zusammenhangauch vom so genannten Teleskoping. Dadurch kommt beiBelastung eine axiale Druckeinleitung in der Frakturzonezustande. Durch die Annäherung der beiden Hauptfrag-mente wiederum entsteht mehr Stabilität und in der Fol-ge eine beschleunigte Bruchheilung.

Lagerung auf dem Extensionstisch. Prinzipiell bestehenzwei Möglichkeiten der Lagerung für die Implantationeiner DHS. Der Patient kann auf einem Extensionstischoder ohne Extension auf einem strahlendurchlässigenKnochentisch gelagert werden.Bei Einsatz des Extension-stisches wird ein Assistent eingespart, und die u. U. müh-same Haltearbeit muss nicht durch menschliche Kraftan-strengung geleistet werden. Nachteilig ist, dass die Lage-rung auf dem Extensionstisch zeitaufwändig ist.

Der Patient befindet sich in Rückenlage. Beide Füßestecken in Ledergamaschen, an denen über ein extendier-bares Gestänge ein kontinuierlicher Zug aufgebaut werdenkann. Als Widerlager dient ein im Dammbereich des Pa-tienten positionierter, gummigepolsterter Pflock, der imExtensionstisch verankert werden kann.Die erforderlicheZugkraft lässt sich über Kurbeln dosieren. Gleichzeitiglassen sich Ab- oder Adduktion sowie Extension und Fle-xion des Hüftgelenks und die Rotation des Beins, je nach-dem wie sich die Fraktur einstellt, ausrichten. Der ipsila-terale Arm des Patienten wird in einer Rolle vor demBrustkorb aufgehängt, damit er dem Operationsteamnicht im Wege ist.Außerdem empfiehlt es sich, den Ober-körper des Patienten ipsilateral abzustützen, damit derPatient nicht seitlich vom Tisch rutscht, was bei starkemZug am Bein oder bei unruhigen, verwirrten Patientendroht.

Bei der Höheneinstellung des Tisches muss berück-sichtigt werden, dass der Operateur in möglichst aufrech-ter Haltung operieren können soll. Außerdem sollte nochvor dem Abdecken geprüft werden,ob mit dem Bildwand-ler ungehindert sagittal und axial geröntgt werden kann.Alternativ können auch zwei Bildwandler zum Einsatzkommen.

Gleichzeitig wird die erreichte Reposition geprüft.Dies muss immer in zwei Ebenen erfolgen. Im sagittalenStrahlengang würde eine Varus- oder Valgusfehlstellungauffallen. Man kann sie durch Veränderung der Exten-sionskraft oder vermehrte Ab- bzw. Adduktion korrigie-ren.Im axialen Strahlengang lässt sich ein etwaiger Versatzder Hauptfragmente gut erkennen. Bei entsprechenderZerreißung der umgebenden Weichteile,wie es bei stärkerdislozierten Frakturen immer der Fall ist,hängt das dista-le Hauptfragment meist nach dorsal durch. Dies lässt sichmeist bereits dadurch ausreichend korrigieren, dass dasBein dosiert innenrotiert wird und dabei den ventral klaf-fenden Bruchspalt schließt. Eine andere Möglichkeit ist,die glutaealen Weichteile von dorsal abzustützen. Dies

kann entweder mit einem dreieckförmigen Tischanbau-teil, das von manchen Herstellern angeboten wird, erfol-gen oder im Moment der Reposition und Osteosynthesevon Hand (⊡ Abb. 9.24 a,b).b b�����������������

Bei wenig dislozierten bzw. relativ stabilen pertrochan-

teren Frakturen überträgt sich die Rotation des Beins in

der Regel auf das proximale Hauptfragment. Dies ist im

Gegensatz dazu bei den instabileren inter- und sub-

trochanteren Frakturen nicht der Fall.Wenn bei solchen

Frakturen das Durchhängen nach dorsal durch ver-

mehrte Innenrotation des Beins verhindert werden soll,

besteht die Gefahr, dass man bei der Osteosynthese

diese vermehrte Innenrotation als Drehfehler mit-

nimmt. Beim offenen Vorgehen kann man sich dies-

bezüglich gut an der Linea aspera orientieren.

Abdeckung. Als Abdeckung dient eine durchsichtigeFolie, die im Operationsgebiet mit einer Klebefläche aus-gestattet ist. Die Folienenden werden an Infusionsstän-dern befestigt oder an einem großen fahrbaren Narkose-bügel aufgehängt (⊡ Abb. 9.25).

Operationstechnik. Zur Implantation einer DHS ist einlateraler Zugang zum Femur (s. Kap. 19 „Zugänge“) er-forderlich. Manche Frakturen lassen sich geschlossennicht befriedigend einrichten.Sie werden offen reponiert.Dazu wird ventral ein epiperiostaler Weg zum Adam-Bogen geschaffen,an dem eine der beiden Branchen einergroßen spitzen Repositionszange eingesetzt wird. Die andere Branche wird auf die laterale Zirkumferenz derFemurkortikalis gesetzt. Durch Veränderung der Exten-sionskraft und der Innen- und Außenrotationsstellunglassen sich, vorausgesetzt es besteht keine Trümmerzonemedial, die beiden Hauptfragmente im Bereich desAdam-Bogens exakt einstellen.Das korrekte Repositions-ergebnis kann palpatorisch und radiologisch überprüftwerden.Ist die Repositionszange lateral weit genug krani-al positioniert, stört sie bei der nun folgenden Osteosyn-these nicht.

Zunächst wird ein Führungsdraht vorgebohrt. Bei derWahl des Eintrittspunktes für den Führungsdraht derDHS orientiert man sich im a.-p.-Strahlengang unter Bildwandler am Niveau des Trochanter minor (vgl.⊡ Abb. 9.14), bezüglich der axialen Richtung am Scheitel-punkt des äußeren Aspekts der lateralen Femurkortikalis(vgl. ⊡ Abb. 9.26). Die Anteversion des Schenkelhalsesbeim Erwachsenen beträgt laut Sennerich im Mittel 14°(Sennerich et al. 1992). Das heißt, dass der Führungsdrahtum diesen Betrag nach ventral aufgerichtet vorgebohrtwerden muss. Damit der Draht mittig im Schenkelhalsverläuft, muss deshalb dorsal versetzt zum Scheitelpunkt

546 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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eingegangen werden. Das Ausmaß dieser Versetzung er-rechnet sich aus dem Umfang eines durchschnittlich di-mensionierten Femurs. Der Umfang beträgt ca. 120 mm.Das bedeutet, dass pro Millimeter Versatz 3° Kippung er-reicht und somit knapp 5 mm Versatz benötigt werden,umetwa 15° Anteversion auszugleichen.

b b�����������������

Um sich die Richtung besser vorstellen zu können, ist

es hilfreich, zunächst einen K-Draht mit dem stump-

fen Ende voraus ventral auf dem Schenkelhals nach

vorne bis zum Kragen des Hüftkopfes zu schieben.

95479.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.24. a Lagerung auf dem Extensions-tisch mit Bildwandlereinstellung im sagittalen,b im axialen Strahlengang (Foto: Nerlich)

a

b

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Viele Autoren, wie beispielsweise Schauwecker (1981),haben bei der Beschreibung der Operationstechnik derImplantation einer Winkelplatte empfohlen, die Klingekaudal und dorsal im Hüftkopf zu verankern,weil hier derKnochen härter ist.Viele Unfallchirurgen verankern des-halb die Tragschraube in diesem Bereich.Andere Autorenempfehlen dagegen, den Führungsdraht und damit dieTragschraube möglichst mittig zu positionieren, weildann bei Belastung weniger starke Rotationskräfte aufden Schenkelhals einwirken. Lustenberger und Mitarbei-ter (1995) haben anhand von Röntgenverlaufskontrollennach Osteosynthese mit einer DHS (n=115) gefunden,dass in 12 % der Fälle das proximale Hauptfragment umdie Schraube rotiert war.Diese wiesen im Vergleich zu denFällen,bei denen keine Rotation eingetreten ist,signifikantöfter Komplikationen wie „cutting out“, Pseudarthrosenund Varusfehlstellungen auf.Als Ursache wird neben demFrakturtyp vor allem die Schraubenlage im Kopf disku-tiert.

Es gibt einen weiteren Grund,der für die mittige Posi-tionierung des Führungsdrahtes im Schenkelhals spricht:

die Tatsache, dass man bei exzentrischer Lage des Füh-rungsdrahtes beim Einbringen der voluminösen Trag-schraube leichter randständig gerät als dies zuvor ange-nommen wurde. Wird dagegen von vornherein versucht,den Draht mittig auszurichten, kann sich eine geringfügi-ge Abweichung davon nicht in einer grenzwertig rand-ständigen Position der Tragschraube niederschlagen.Dies ist immer zu berücksichtigen,denn wenn erst einmalaufgebohrt und das Gewinde geschnitten ist,gibt es in derRegel keinen Weg mehr zurück.b b�����������������

Es ist nur bedingt möglich, die voluminöse Trag-

schraube nach einer Fehlbohrung an einer anderen

Stelle im Schenkelhals stabil zu platzieren. Deshalb ist

es wichtig, auf die korrekte Lage des Führungsdrahtes

besonders zu achten.

Beim Vorbohren des Drahtes wird eine Winkelschablonebenutzt, die an der lateralen Femurkortikalis angelegtwird. Die Winkelschablone gewährleistet, dass der vorge-gebene Winkel der Laschenplatte berücksichtigt wird. Istdie Kortikalis des Femurs kräftig, kann der Draht imSchenkelhals nicht richtig dirigiert werden, weil die dick-wandige Kortikalis ihn immer in die gleiche Richtungumlenkt. In solchen Fällen empfiehlt es sich, die Kortika-lis mit einem 3,5er- oder 4,5er-Bohrer zu erweitern. Dannist der Draht leicht zu steuern.

Nun wird die Länge für die Tragschraube bestimmt,die nach dem Aufbohren und Gewindeschneiden in denSchenkelhals eingedreht wird.Bereits vor dem Aufbohrenmuss die Rotation gesichert werden, wenn die Gefahr besteht, dass sich der Hüftkopf mitdrehen könnte. Be-stimmte Bruchtypen wie die intrakapsulär verlaufendelaterale Schenkelhalsfraktur und pertrochantere Fraktu-ren mit fehlender medialer Abstützung sind besondersinstabil gegenüber Rotation und müssen dagegen gesi-

548 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.25. Abdeckung mit selbstklebenderFolie eines auf dem Extensionstisch gelagertenPatienten mit pertrochanterer Femurfraktur

⊡ Abb. 9.26. Der Eintrittspunkt für den Führungsdraht liegt etwa5 mm dorsal des lateralen Scheitelpunkts des proximalen Femurs (Strecke A). Damit wird die Antetorsion des Schenkelhalses gegenüberder Kondylenebene (in der Abbildung blau eingezeichnet) berücksich-tigt

A

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chert werden. Dazu wird kranial vom Führungsdraht eine Großfragmentzugschraube parallel zum Führungs-draht als verbleibender Rotationsschutz eingebracht oderein bis zwei temporäre K-Drähte der Stärke 2,0 oder 2,5.Dies hängt vom Zustand des Trochantermassivs ab.Wennes instabil ist, nützt eine Schraube nicht viel. In diesem Fall sind K-Drähte, die für die Dauer der Stabilisierung sogar im Acetabulum verankert werden können, effizien-ter. b b�����������������

Besonders instabil gegenüber Rotationskräften sind

Schenkelhalsfrakturen mit relativ weit kranial und

pertrochantere Frakturen mit relativ weit lateral

gelegenem Bruchverlauf (in Österreich auch als

„Stempelbruch“ bekannt) sowie Frakturen mit

ausgedehnten Trümmerzonen.

Die Tragschraube wird soweit eingedreht,dass deren Spit-ze etwa 1 cm vor der subchondralen Grenzschicht desHüftkopfes zu liegen kommt.Es empfiehlt sich,die Nut derSchraube so zu drehen, dass die Laschenplatte, senkrechtzur Decke zeigend ausgerichtet, auf das Tragschrauben-ende gesteckt werden kann. In dieser Position sind dieWeichteile am wenigsten im Weg. Wenn die Platte in die-ser Stellung aufgesteckt ist, wird sie eine Viertelumdre-hung nach distal rotiert, bis sie dem Schaft anliegt. DieMuskulatur wird dabei mit einem Langenbeck-Hakennach ventral und distal beiseite gehalten. Die Platte kannnun mit einer Verbrügge-Repositionszange am Schaftfixiert werden. Dadurch ändert sich deren Ausrichtungam Schaft während des Festschraubens nicht mehr, undgleichzeitig gibt es einen Ersatz für den Hohmann-Hebel,der nicht mehr vom Assistenten gehalten zu werdenbraucht, weil die Weichteile von der nach oben ragendenZange abgehalten werden.All das erleichtert das Vorgehenbeim Festschrauben der Platte.

Bei guter Abstützung ohne Trümmerzone reichenkurze Platten,um eine ausreichende Stabilität zu erhalten.In der Regel werden Implantate mit 3 oder 4 Schrauben-löchern verwendet.Als erstes wird das frakturnahe Gleit-loch exzentrisch gebohrt, um die Frakturzone zu kompri-mieren. Anschließend werden die übrigen Schrauben-löcher besetzt.

Nun kann die Extension nachgelassen und die Kom-pressionsschraube eingebracht werden. Durch Festziehender Kompressionsschraube entsteht ein Teleskoping. DerFrakturspalt wird komprimiert. Anschließend wird dieKompressionsschraube wieder entfernt, weil sie nachdem erfolgten Festziehen keinen Nutzen mehr hat.Stattdessen bringt sie nur noch den Nachteil, dass bei zunehmender Sinterung im Bruchbereich während derMobilisierung unter Belastung das Schraubenende deut-lich weiter in die Weichteile hineinragt, weil es durch die

Kompressionsschraube verlängert wird. Dazu kommt dieKosteneinsparung für das Implantat (⊡ Abb. 9.27 a–d).

Als Zusatzimplantat gibt es die so genannte Trochan-terabstützplatte.Sie soll der Lateralisierung des Schenkel-halses beziehungsweise des Trochantermassivs entgegen-wirken.Diese Gefahr besteht insbesondere bei umgekehr-tem Bruchverlauf von proximal medial nach distal lateraloder bei Zertrümmerung der lateralen Femurkortikalis(Babst et al. 1993). Die Trochanterabstützplatte hat aberden Nachteil,dass sie aufträgt,auf die glutaealen Weichtei-le drückt und die Trümmerzonen nur bedingt stabilisiert.Im eigenen Vorgehen wird deshalb die Markraumschie-nung bevorzugt.

Markraumschienung

Viele trochantere Frakturen lassen sich mit der DHSbefriedigend versorgen.Bei Drei- oder Vierfragmentfrak-turen mit nichtrekonstruierbarer medialer Abstützung,bei umgekehrtem Bruchverlauf, subtrochanterer oderpathologischer Fraktur ist aber die Markraumschienungüberlegen.

Der gebräuchlichste Kraftträger für diese Indikatio-nen ist der Gammanagel.Er wurde in den 80er Jahren ent-wickelt und fand schnell breite Akzeptanz, denn er erwiessich als die ideale Ergänzung der DHS. Mittlerweile sindvon verschiedenen Anbietern Alternativen entwickeltworden. Alle basieren jedoch auf dem gleichen Prinzipder Kraftübertragung im Markraum, wobei die neuerenModelle neben der Hüfttragschraube mit einem zusätz-lichen Implantat, einer Antirotationsschraube zur Siche-rung des Hüftkopfes, ausgerüstet sind.

Allerdings sind die Implantate z. T. noch nicht aus-gereift oder noch nicht lange genug im klinischen Ge-brauch, um eine umfassende Einschätzung abgeben zukönnen. Die zusätzliche Rotationssicherung birgt die Ge-fahr, dass sich Tragschraube und Antirotationsschraubegegeneinander verklemmen und ein Gleiten verhindern.So wurden in diesem Zusammenhang u. a. Perforatio-nen der Antirotationsschraube ins Acetabulum beobach-tet.

Ein weiteres Problem ist, dass sich Modelle mit länge-rem Stiel, die im Markraum weit nach distal reichen, instark gekrümmten Femora früh verklemmen, sodass esu. U. unmöglich wird, den Nagel weit genug distal zu plat-zieren. In der Folge kann die Schenkelhalsschraube nichtim korrekten Niveau eingedreht werden.

Lagerung. Die Patienten können auf dem Extensions-tisch versorgt werden (s. oben). In den meisten Fällen istdie Versorgung bei dieser Lagerung unproblematisch. Eskann allerdings schwierig sein, die richtige Zugangsrich-tung proximal in den Femurköcher hinein zu erreichen,und zwar insbesondere bei adipösen oder muskelkräfti-gen Patienten.Wenn der Umfang des Oberschenkels oderdie glutaealen Weichteile recht ausgeprägt sind und das

95499.3 · Proximales Femur

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Bein deshalb nicht weit genug adduzierbar ist, bleibt alsAlternative die Seitenlage.

In Seitenlage kann das verletzte Bein in leichter Hüft-beugung über dem gesunden gelagert werden. Dadurcheröffnet sich ein ideal zugänglicher Weg durch die Weich-teile zur Trochanterspitze und man gerät darüber hinaus

beim Einbringen des Implantats nicht in Konflikt mit demOperationstisch. Nachteil der Seitenlage ist, dass die axia-le Röntgenebene schwieriger einstellbar ist. Das Beckenmuss etwas nach ventral gekippt werden, sodass sich imseitlichen Strahlengang die beiden Hüftgelenke nichtübereinander projizieren.Aber auch ohne exakte seitliche

550 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.27. a PertrochantereFemurfraktur einer 74-jährigenFrau. b,c Versorgung mit dynamischer Hüftschraube.d Rotationssicherung durchzusätzliche Schraube bei rotationsinstabiler Bruchformeines anderen Patienten

a b

c d

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Einstellung reicht die Sicht aus, um beurteilen zu können,ob der Führungsdraht im Hüftkopf zentriert ist. WeitereVorteile der Seitenlage sind die bequemere Position fürden Operateur, die einfachere Abdeckung und die Mög-lichkeit, bei angebeugtem Hüft- und Kniegelenk und da-durch entspannter Muskulatur reponieren zu können.

Zugang. Wenn man nicht viel Erfahrung in der Versor-gung solcher Frakturen hat, sollten nach erfolgter Haut-desinfektion und Abdeckung des Operationsgebiets Tro-chanter major,Femurschaftverlauf und lateraler Kondylusmöglichst exakt ertastet und die Umrisse der genanntenStrukturen zunächst auf der Haut angezeichnet werden.Dann wird die Zentrallinie des Markraums skizziert unddiese Linie nach kranial fortgesetzt. Handbreit oberhalbder Spitze des Trochanter major geht man nun in Richtungder verlängerten Zentrallinie ein. Je nach Dicke desWeichteilmantels genügt eine Schnittlänge von 5–10 cm.Faszie und Muskulatur werden in Längsrichtung nachdistal gespreizt und die Trochanterspitze ertastet (⊡ Abb.9.28).

Operationstechnik. An der Trochanterspitze wird derMarkraum mit einem Pfriem eröffnet.Anschließend wirdein Führungsdraht vorgeschoben und dessen korrektePosition mit dem Bildwandler kontrolliert. Dann wird die trochantere Region großvolumig aufgebohrt – beimGammanagel bis auf einen Durchmesser von 17 mm.Wenn dabei nicht weit genug nach distal, bis hinab zumTrochanter minor aufgebohrt wird, besteht die Gefahr,dass beim Einführen des Nagels der Markraum gesprengtwird. Zudem muss bei biologisch jungen Patienten, die jaz. T. sehr enge Markräume haben, u. U. auch der Mark-raum unterhalb des Trochanter minor für den dünnerenNagelausläufer aufgebohrt werden. Dabei orientiert mansich nach der Dicke des vorgesehenen Implantats undbohrt 0,5–1 mm weiter auf.

Nach Wechseln des Führungsdrahtes wird der Nagel,mit einem Zielbügel für die spätere proximale Verriege-lung armiert, in den Markraum vorgeschoben. Dabei soller möglichst ohne Gewalt, also ohne Hammerschläge ein-gebracht werden, um die Justierung des Zielbügels nicht

zu beeinträchtigen.Bereits bei diesem Schritt empfiehlt essich, die Anteversion des Schenkelhalses von etwa 15° zuberücksichtigen. Mit dem Bildwandler wird kontrolliert,wann der Nagel die gewünschte Tiefe im Markraum er-reicht hat. Dies ist an der Position der Ein- und Ausmün-dung des Tragschraubenlochs, die als tangentiale An-schnitte zu sehen sind, erkennbar.

Wenn die gewünschte Position erreicht ist, wird zu-nächst der Markraumführungsdraht entfernt, bevor an-schließend durch den Zielbügel ein Führungsdraht ventralauf dem Schenkelhalsniveau vorgeschoben wird. DieserZieldraht zeigt die Anteversion des Schenkelhalses an.Erst danach wird ebenfalls über die Zielhilfe der Füh-rungsdraht für die Hüfttragschraube vorgebohrt. DessenLage wird nun in 2 Ebenen röntgenologisch kontrolliertund ggf. korrigiert. Dann misst man die Länge der Trag-schraube. Dabei ist darauf zu achten, dass der perkutaneZugang für die Zielhülse ausreichend dimensioniert istund der Tractus iliotibialis nicht gegenspannt. Es bestehtin diesem Fall die Gefahr, nicht unmittelbar an die latera-le Kortikalis des Femurs heran zu kommen und falscheLängen zu bestimmen,zum andern kann die kräftige Fas-zienstruktur die Zielhülse zumindest soweit ablenken,dass sich die Tragschraube beim Einbringen verklemmt.Dann kann es sehr mühsam sein, die Tragschraube in denSchenkelhals vorzuschrauben.

Nun wird das Schraubenloch aufgebohrt und ein Ge-windegang geschnitten. Beim Aufbohren muss daraufgeachtet werden, kranial unbedingt bis zu dem Punkt zugelangen, an dem später die Schraubenspitze enden soll.Wenn die Schraubenlänge zu kurz bemessen wurde,reicht bei korrekt eingestellter Schraubenlänge am Stu-fenbohrer die Bohrung nicht weit genug nach kranial.Dies erfordert eine entsprechende Nachbesserung, an-dernfalls wird es sehr schwer, die Tragschraube in diegewünschte Position zu bringen.

Zuletzt wird die Schraubennut so eingestellt, dass siemit der Arretierungsschraube blockiert werden kann,oder aber, statt sie ganz zu blockieren, wird nur derenRotation gesichert, indem man die Arretierungsschraubeum eine Viertelumdrehung nach dem Festschrauben wie-der zurückdreht.

Die distale Verriegelung des Nagels kann ebenfallsüber das Zielgerät erfolgen.In der Regel genügt ein Verrie-gelungsbolzen.Da der Hebel am Zielgerät durch die dista-le Lage der Zielhilfe nun schon relativ groß ist, muss beimVerriegeln darauf geacht werden, dass beim Aufbohrendes Verriegelungsloches an der lateralen Femurkortikaliskeine tangentiale Ablenkung erfolgt. Das passiert relativhäufig und kann zur Fehllage des Verriegelungsbolzenszwischen Nagel und Femurkortikalis führen. Da sich derVorgang im diaphysären Bereich abspielt, sind solcheFehllagen immer mit einer erhöhten Frakturgefährdunggepaart. Man muss sich deshalb vor Augen führen, was indiesem wichtigen Moment der Operation mechanisch vor

95519.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.28. Markierung der Flucht des Markraums am lateralen Ober-schenkel zur Verdeutlichung des idealen Zugangsweges

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sich geht.Zum einen empfiehlt es sich auch hier,den Trak-tus soweit längs zu spalten, dass das Zielgerät ohne Aus-lenkung am topographisch richtigen Ort auf die Femurk-ortikalis trifft. Zum anderen sollte beim nun folgendenAufbohren der Bohrer zunächst nur mit sanftem Druckangesetzt werden. Erst wenn die Kortikalis angekörnt ist, sollte der Bohrdruck forciert werden, damit er nicht bereits vorher an der konvexen Kortikalis des Femurs tangential abgelenkt wird.

Übersichtb b

�����������������Vermeidbare Fehler bei der Implantation des Gammanagels

Bei der Lagerung auf dem Extensionstisch

besteht bei inter- und subtrochanteren Frakturen

die Gefahr, einen Innenrotationsfehler zu erzeu-

gen (s. oben). Deshalb muss vor der distalen

Verriegelung die korrekte Rotation des Beins

nochmals überprüft und ggf. korrigiert werden.

Die Rotation wird so eingestellt, dass im Knie-

gelenk eine Neutral-Null-Rotation besteht.

Zur Orientierung dient die Position der beiden

Beckenkämme und die Position der Kniescheibe.

Die Horizontalebene durch die Beckenkämme

einerseits und die Kniescheibe andererseits müs-

sen parallel zueinander liegen. Die Rotation des

proximalen Hauptfragments, das häufig durch

den Zug der glutaealen Muskulatur nach außen

verdreht steht, kann im Seitenvergleich anhand

der Stellung des Trochanter minor beurteilt

werden.

Hammerschläge können die exakte Justierung

des Verriegelungsbügels stören, was die korrekte

Platzierung der Hüfttragschraube erheblich

erschweren kann.

Der Markraumführungsdraht wird nach Einbrin-

gen des Nagels versehentlich belassen und

blockiert beim Aufbohren des Tragschrauben-

loches im Schenkelhals.

Das Schraubenloch wird nicht weit genug auf-

gebohrt, was dazu führt, dass die Tragschraube

nicht weit genug in den Schenkelhals einge-

bracht werden kann.

Der Zielbügel wird nicht 15° nach dorsal gedreht,

um die Anteversion des Schenkelhalses zu

berücksichtigen.

Die Zielhülse braucht Kontakt mit der lateralen

Femurkortikalis, um die korrekte Länge für die

Tragschraube bestimmen zu können.

Der Traktus muss ausreichend weit gespalten

sein, damit die Zielhülse nicht abgelenkt wird.

Beim distalen Verriegeln wird der Bohrer primär

zu fest angedrückt und rutscht an der konvexen

Zirkumferenz der harten Femurkortikalis tangen-

tial ab. In der Folge verklemmt sich der Verriege-

lungsbolzen. Durch die Fehlbohrung entsteht

eine Sollbruchstelle in der Femurdiaphyse.

Endoprothese

Bei trochanterer Fraktur und gleichzeitiger Koxarthrose,Trümmerfraktur,pathologischer Fraktur und als Alterna-tive nach Implantatversagen einer DHS oder Markraum-schienung kann die Endoprothese das Verfahren der Wahldarstellen.

Schon bei einfachen trochanteren Frakturen sollte vorder Implantatwahl der radiologische Zustand des Hüft-gelenks mit beurteilt werden, um eine etwaige Arthrosenicht zu übersehen. Auch die Anamnese soll in diesemZusammenhang berücksichtigt werden.Wenn bereits vordem Sturz anhaltende Hüftgelenkbeschwerden mit An-laufschmerz und Bewegungseinschränkung bestandenhaben, empfiehlt sich der Gelenkersatz. Voraussetzung für den Einsatz gängiger Prothesentypen ist ein intakterKalkar, denn diese Region ist von besonderer Bedeutungfür die metaphysäre Abstützung der gebräuchlichen Prothesenstiele.Dagegen ist ein abgesprengter Trochantermajor weniger problematisch,da er mit einer Zuggurtungsuffizient refixiert werden kann. Wenn die Minorregionzerstört ist, kommen alternative Verfahren wie Lang-schaftprothesen oder Knochenaufbautechniken (Gie etal. 1993 a,b; Ling et al. 1993; Slooff et al. 1984) zum Einsatz.

Hoffmann u. Haas (2000) geben zu bedenken, dass die primäre Endoprothetik zur Versorgung trochantererFrakturen mit einer hohen Komplikationsrate behaftet istund zeigen deshalb als Alternative auf, die Fraktur auchbei begleitender Arthrose zunächst mit den gängigen Ver-fahren auszubehandeln und erst nach erfolgter Knochen-bruchheilung das Gelenk endoprothetisch zu ersetzen,falls die Arthrosebeschwerden dann noch bestehen.

Endoprothesen eignen sich auch zur Versorgung pa-thologischer Frakturen, beispielsweise bei ausgeprägterOsteoporose oder Tumorosteolyse. Falls der Knochen-substanzverlust sehr ausgeprägt ist, kann es sein, dasskeine ausreichende Abstützung mehr erreicht wird. Dannsind die bereits oben erwähnten Knochenaufbautechni-ken notwendig. Eine Arbeitsgruppe in Exeter (Gie et al.1993 a,b; Ling et al. 1993; Slooff et al. 1984) hat dafür einVorgehen entwickelt, das sich bereits eindrucksvoll kli-nisch bewährt hat:

Tiefgefrorene Hüftköpfe aus der Knochenbank wer-den aufgetaut und mit einer Knochenmühle zu Chips verarbeitet. Dann wird der substanzgeminderte Femur-köcher damit aufgefüllt. In den Köcher wird zuvor einZentrierstab eingebracht, der distal durch einen Mark-raumstopper mit zentraler Perforation mittig im Mark-raum ausgerichtet ist. Über diesen Zentrierstab kann ein

552 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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glattpolierter, kanülierter Prothesenstiel in den mit losenKnochenchips aufgefüllten Femurköcher gleichsam wieein Stößel immer wieder eingebolzt werden. Auf dieseWeise lassen sich die Chips verdichten,und es entsteht einpassgenauer Raum für den Prothesenstiel. Wenn der er-weiterte Köcher kompakt mit Fremdknochen aufgefülltist, wird die Prothese schließlich einzementiert. Falls kortikale Schalen im Bereich des Kalkars oder Trochantermajor ausgebrochen sind, wird die hier fehlende Abstüt-zung durch rigide Stahlgitter, die mit Drahtseilen amSchaft fixiert werden, geschaffen. Diese Gitter sind sehrstabil und bieten ein suffizientes Widerlager für das Im-paktieren der Chips (⊡ Abb. 9.29 a–d).

Verbundosteosynthese

Die Technik der Verbundosteosynthese verlangt einen er-fahrenen Operateur. Nach Entfernung tumoröser Defekteim trochanteren Bereich können grundsätzlich alle obengenannten Verfahren eingesetzt werden. Bevor der Kno-chendefekt mit Zement aufgefüllt wird, müssen die Im-plantate, die den Defekt überbrücken, in situ sein, weil sienach Aushärten des Zements nicht mehr regelrecht ein-gebracht werden können. Es empfiehlt sich auch, die Kortikalisschrauben, die eine Platte halten sollen, bereitszuvor einzubringen und nach dem Aushärten des Ze-ments nochmals definitiv festzuziehen. Auf diese Weiseerhalten die Implantate einen sehr stabilen Sitz.

Nachbehandlung

DHS, Markraumschienung und zementierte Endoprothe-sen sind primär belastungsstabil. Da bereits beim Hoch-heben des gestreckten Beins in Rückenlage auf das Hüft-gelenk Druckkräfte einwirken, die das Körpergewichtweit übersteigen, ist die häufig geforderte Entlastung desHüftgelenks praktisch ohnehin nicht möglich (Josten u.Korner 1999). Die Benutzung von Unterarmstockstützenbei der Mobilisation hat deshalb vorwiegend einen zu-sätzlich stabilisierenden Effekt und schützt die Weichteilevor Überlastung.

Die Mobilisation beginnt in der Regel am zweitenpostoperativen Tag, wenn die Redon-Drainagen entferntsind.Man kann die Patienten aber schon vorher aufsetzenund vor dem Bett stehen lassen,damit sie kardiopulmonalgefordert werden. Wichtig ist, die Thromboseprophylaxesolange durchzuführen,wie die Patienten noch nicht rich-tig mobil und die Weichteile geschwollen sind.Atemgym-nastik und Muskelkräftigung ergänzen das Programm.Radiologische Kontrollen werden postoperativ, nach 6und 12 Wochen durchgeführt.

Implantatentfernung. Nach Implantatentfernung einerDHS ist durch den verbleibenden Defekt die Desintegra-tion der kraftaufnehmenden Knochen-Implantat-Archi-tektur und durch evtl. entstehende Mikrofrakturen eineempfindliche Stabilitätsminderung mit der Gefahr einer

95539.3 · Proximales Femur

⊡ Abb. 9.29. a 68-jähriger Patient mit vorzeitiger Lockerung eines Pro-thesenstiels und massivem Substanzverlust der Femurkortikalis mitBeinverkürzung von 4 cm. b Wechsel des Prothesenstiels mit unzemen-tiertem, modularem Langschaft unter vollständigem Ausgleich der

Beinlänge.c In der Folge sank der Prothesenstiel unter Belastung erneutein. d Prothesenwechsel mit Knochenaufbau durch Fremdknochenund Zementierung einer polierten Revisionsprothese. (Abb. 9.29 dstammt von O. Braunsperger, Rosenheim)

a b c d

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subtrochanteren Fraktur im Bereich des Schraubenkanalsgegeben. Bonnaire und Mitarbeiter (1991) haben an Lei-chenfemora gemessen, dass die Bruchpunkterniedrigungum bis zu zwei Drittel weniger Last als auf der unverletztenSeite beträgt.Sie leiten daraus folgende Empfehlungen ab: Durchführung einer Spongiosaplastik zur Unterstüt-

zung der knöchernen Heilung des verbleibenden De-fekts am proximalen Femur,

Sportkarenz und Vermeidung extremer körperlicherBelastung für 4–6 Monate.

Erfahrungen aus dem eigenen Krankengut mit der Spon-giosaplastik für die genannte Indikation werden hier an-geführt, weil sie einige Schwierigkeiten birgt.

Spongiosaplastik bei Entfernung einer dynamischen Hüftschraube

Zunächst besteht die Schwierigkeit, eine bloße

Implantatentfernung mit einer Spongiosaplastik aus

dem Beckenkamm zu kombinieren. Dies ist deshalb

schwierig, weil die denkbaren Risiken und Beschwer-

den im Bereich des Hebedefekts den Patienten

womöglich postoperativ mehr belasten als die

Implantatentfernung selbst. Deshalb empfiehlt es

sich, die Spongiosa aus dem Trochanter major zu

entnehmen. Die Indikation zur Implantatentfernung

besteht ohnehin nur bei biologisch jüngeren Patien-

ten, bei denen ausreichend Spongiosa im Trochanter-

massiv zur Verfügung steht. Nach Entnahme der

Spongiosa sollte der entstandene knöcherne Defekt

unbedingt suffizient mit Kollagenschwämmen

austamponiert werden, da sonst eine Nachblutung

aus dem Entnahmelager droht.

Ein weiteres Problem besteht darin, die Spongiosa

so zu lagern, dass sie stabil geschient im Bereich der

lateralen Femurkortikalis liegen bleibt, um dort ein-

heilen zu können.Wir verwenden dafür ein Auflager,

das wir aus zusammengerollten Kollagenschwäm-

men bilden, mit denen das ehemalige Bett der Hüft-

tragschraube austamponiert werden kann. Der Rand

des kreisförmigen Kortikalisdefekts muss zudem mit

einem kleinen Meißel oder Ähnlichem angefrischt

werden. Anschließend füllt man die entnommene

Spongiosa in das vorbereitete Lager und schient

sie zusätzlich durch Adaptation der umliegenden

Weichteile mit einzelnen Nähten.

Komplikationen und Prognose

Die Komplikationen der verschiedenen Implantate zurStabilisierung von hüftgelenknahen Frakturen sind in⊡ Tabelle 9.3 zusammengestellt.

Konservativ behandelte trochantere Abrissfrakturensind nach 6–8 Wochen knöchern überbrückt. Die Sport-fähigkeit ist nach 8–12 Wochen wieder erreicht.

9.4 Femurschaftfrakturen

Ätiologie

Femurschaftfrakturen ereignen sich meist im Rahmenvon Verkehrsunfällen entweder durch direkte Gewaltein-wirkung, wenn beispielsweise ein Fahrradfahrer von ei-nem PKW angefahren wird, oder infolge indirekter Ge-walteinwirkung beispielsweise durch einen Armaturen-brettanprall. Da bei guter Knochenqualität erheblicheKräfte am Werk sein müssen,um diesen mächtigsten allerRöhrenknochen brechen zu lassen, findet sich diese Ver-letzung häufig bei polytraumatisierten Patienten.

Klinik

Bereits auf den ersten Blick fällt der deformierte Weichteil-mantel eines frakturierten Oberschenkels auf. Nicht nurdie Blutung,sondern auch die Verkürzung der Gliedmaßelässt die Weichteile stark anschwellen.Gleichzeitig drehender Zug des Tractus iliotibialis und das Gewicht des Fußesdas distale Hauptfragment in eine Außenrotationsfehl-stellung. Instabilität und Krepitation sind weitere Zei-chen, die man beim wachen Patienten, aus Rücksichtnah-me auf die Schmerzen, die durch das Auslösen dieser Zei-chen verursacht werden können, nicht provozieren soll.Auffällig ist auch die Functio laesa in den angrenzendenGelenken (⊡ Abb. 9.30 a–c).

Diagnostik

Es wird kontrolliert und dokumentiert, ob alle Fußpulsetastbar und die aktive Beweglichkeit und Sensibilität desFußes erhalten sind. Beurteilt wird ebenfalls der Zustanddes Weichteilmantels. Durchspießungswunden weisenauf eine offene Fraktur hin.Sie liegen häufig medioventralim Bereich des Adduktorenkanals und streckseitig davon.Die Lokalisation ist Folge der typischen Fragmentdisloka-tion bei Schaftfrakturen (vgl. ⊡ Abb. 9.30 b). Bei ausge-prägter Schwellung droht ein Kompartmentsyndrom (s.unten, Abschn. „Kompartmentsyndrom“). Es gibt Mehr-etagenfrakturen mit Beteiligung des Schenkelhalses, derdeshalb radiologisch gezielt mitbeurteilt werden muss,um bereits präoperativ die richtige Implantatwahl treffenzu können. Im Rahmen einer Polytraumatisierung kön-nen Kettenverletzungen vorkommen. Die angrenzendenGelenke müssen auf Bandverletzungen und stattgehabteoder manifeste Luxationen hin untersucht werden.

Röntgenologisch wird der gesamte Röhrenknochenmit angrenzenden Gelenken dargestellt. Die zweite Ebenebraucht nicht erzwungen zu werden. Man richtet sichdabei nach dem klinischen Zustand und den Beschwerdendes Patienten. Bei Polytraumen wird die radiologische

554 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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Diagnostik standardmäßig um Thorax, Schädel, Wirbel-säule und Becken erweitert.b b�����������������

Bei drohendem Kompartmentsyndrom sind die klini-

schen Zeichen wegweisend, was bei bewusstlosen

Patienten jedoch nur bedingt zu beurteilen ist. Außer-

dem besteht dann eine große Gefahr, dass aus einem

drohenden Kompartmentsyndrom ein manifestes

wird, denn die Druckdifferenz zwischen diastolischem

und kompartimentalem Druck darf 30 mmHg nicht

unterschreiten, was bei Hypovolämie sehr schnell der

Fall sein kann. Im Zweifelsfall sollte der Druck jeder

einzelnen Loge gemessen werden.

Klassifikation

Die Klassifikation von Frakturen (s. das gleichnamigeKap. 25) unterscheidet zwischen: Einfachen Frakturen:

A1 spiralförmig,A2 schräg,A3 quer.

Keilfrakturen:B1 Drehkeil,B2 Biegungskeil,B3 fragmentierter Keil.

Komplexen Frakturen:C1 spiralförmig,C2 etagenförmig,C3 ausgedehnte Trümmerzone.

95559.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Tabelle 9.3. Verschiedene Implantate zur Stabilisierung von hüftgelenknahen Frakturen und deren Komplikationen

Implantat Komplikationen Rate [%] Literatur

Schraubenosteosynthese bei medialer SHF Tiefe Infektionen 1,8 Kuner et al. 1995Oberflächliche Infekte 2,6Implantatkomplikationen 9,7Verzögerte Frakturheilung 3,5Pseudarthrose 6,1Kopfnekrosen 30,7

Dynamische Hüftschraube bei med. SHF Tiefe Infektionen 1,5–3,1 Kuner et al. 1995;Oberflächliche Infekte 0–1,5 Bonnaire u. Muller 2001Implantatkomplikationen 3,0–4,6Verzögerte Frakturheilung 0–3,1Pseudarthrose 1,5–3,1Kopfnekrosen 9,2–16,0

Dynamische Hüftschraube Hämatom 4,1 Wissing et al. 1996bei hüftgelenknahen Frakturen Cutting out (Instabilität) 1,6

Infektion 2,5Thrombose 1,630-Tage-Letalität 5,3

Gammanagel bei pertrochanterer Femurfraktur Distale Schaftperforation 2,3–8,0 Buhl et al. 2000;Primäre Fehllage des Verriegelungsbolzen 6,9 Josten u. Korner 1999Rotationsfehler >10 % (Außenrotation) 4,6–12,0Beinlängenveränderung 6,9Hämatom/Serom 13,6Wundinfekt/Osteomyelitis 9,1Dislokation der Schenkelhalsschraube 2,3Dislokation der distalen Verriegelungsbolzen 4,6Implantatbruch 4,6Tiefe Beinvenenthrombose/Lungenembolie 9,1Frakturheilung >12 Wochen 4,630-Tage-Letalität 2,3

Totalendoprothese Hämatom 3,2 Wissing et al. 1996bei hüftgelenknahen Frakturen Luxation 2,4

Infektion 3,2Lungenembolie 1,630-Tage-Letalität 5,3

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Therapie subtrochanterer Frakturen

Außer bei Kleinkindern (s. Kap. 13 „Kindliche Verletzun-gen“) werden heutzutage alle Femurschaftfrakturen ope-rativ versorgt, und zwar deshalb, weil die Risiken des konservativen Vorgehens die des operativen bei weitemüberwiegen. Den Oberschenkel in einem Streckverbandruhigzustellen, ist bei größeren Kindern und Erwachse-nen nicht adäquat durchführbar. Man müsste die Patien-ten zu lange ans Bett fesseln. Immobilisationsschädenwären vorprogrammiert.

Subtrochantere Frakturen werden meistens mit einerkurzen oder langen Markraumschienung versorgt. Dasmeist gebrauchte Implantat, das sich u. a. insbesonderefür diese Indikation sehr bewährt hat, ist der Gammana-gel. Das Vorgehen richtet sich im Einzelnen nach denoben beschriebenen Kriterien (s. Abschn. 9.3.2 „Trochan-tere Frakturen“, unter „Markraumschienung“). Das giltauch für die Bereiche Nachbehandlung, Komplikationenund Prognose. Es gibt auch alternative Implantate für dieMarkraumschienung. Sie sind nach demselben Prinzipkonstruiert und haben in der Regel neben der Trag-schraube eine dünnere Schraube zur Rotationssicherung.Allerdings ist denkbar, dass die zusätzliche Schraube das Teleskoping im ein oder anderen Fall blockiert. Einedefinitive Aussage kann dazu erst gemacht werden, wennausreichend lange Erfahrungszeiträume vorhanden sind(⊡ Abb. 9.31 a,b).

In Ausnahmefällen kann auch eine Versorgung miteinem Fixateur externe indiziert sein. Der Fixateur ist beigroßen Weichteildefekten (Décollement) und kritischemAllgemeinzustand des Patienten im Rahmen eines Poly-traumas, das ein möglichst rasches und wenig invasivesVorgehen notwendig macht, indiziert. Bei der Anlage desFixateurs sollte beachtet werden,die Fraktur möglichst soeinzustellen,dass sie im Zweifelsfall in der erreichten Stel-lung ausheilen kann.Es gibt insbesondere in Kombinationmit höhergradigen Schädel-Hirn-Traumen langwierigeVerläufe, bei denen man u. U. gezwungen ist, die Frakturim Fixateur ausheilen zu lassen.

Auch Plattenosteosynthesen mit verschiedenen Win-kelplatten und der Dynamischen Kondylenplatte (DCS)wurden bei subtrochanteren Frakturen eingesetzt. Aller-dings bringen sie den erheblichen Nachteil der Deperi-ostierung und damit der erhöhten Pseudarthrosen- undInfektrate mit sich. Implantatversagen mit Plattenbruchsind keine Seltenheit.

Therapie von Schaftfrakturen

Prinzipiell stehen für diese Indikation mehrere Verfahrenzur Verfügung: unaufgebohrter Marknagel, aufgebohrter Marknagel, Fixateur externe, Platten- oder Verbundosteosynthese.

556 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.30 a–c. Fehlstellung bei a subtrochanterer, b diaphysärer und c suprakondylärer Femurfraktur. (Aus Orozco et al. 2000, S. 160, Abb. 1,Abb. 2, Abb. 3)

a b c

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Implantat der Wahl für fast alle Bruchformen ist heute derunaufgebohrte Marknagel. In den letzten Jahrzehntenwurden bezüglich der Biomechanik und Pathophysiologieviele Erkenntnisse gesammelt. Im Wesentlichen sind esfolgende Aspekte, die das Vorgehen entscheidend beein-flussen:

Viele Heilungsprobleme resultieren aus der Deperios-tierung der Hauptfragmente im Rahmen der herkömm-lichen Operationstechnik bei Plattenosteosynthesen.Früher bestand die Vorstellung, die einzelnen Fragmentemüssten Stück für Stück anatomisch rekonstruiert wer-den. Heute beschränkt man sich darauf, die korrekte Län-ge, Achse und Rotation eines Röhrenknochens zu rekon-struieren und toleriert bewusst Fehlstellungen kleinererFragmente zugunsten ihres periostalen Verbundes unddamit einer erhaltenen Durchblutung. Bei diesem Vorge-hen, der so genannten „biologischen Osteosynthese“, hei-len die Frakturen deutlich schneller aus. Pseudarthrosen,Implantatversagen und Infektionen sind wesentlich selte-ner geworden.

Die herkömmliche Technik der stabilen Plattenosteo-synthese hat in den letzten Jahren am Femurschaft immermehr an Bedeutung verloren. Sie wird von der Marknage-lung und der elastischen Plattenosteosynthese zusehendsverdrängt. Für die Nagelung wurden die Markräume zunächst immer aufgebohrt. Dabei wurden allerdingseinerseits die Durchblutung der Kortikalis vermindert,was in einem nicht unerheblichen Prozentsatz die Kno-chenbruchheilung stören kann, und andererseits Mark-raumbestandteile in den venösen Schenkel gepresst und

Fettembolien verursacht, denn der in den Markraum ein-geführte Bohrer wirkt wie ein hydraulischer Stempel.Stürmer (1995) hat in Tierversuchen bei offener Mark-nagelungstechnik beobachtet, „wie aus der Fraktur undaus Rissen oder Fissuren reichlich Markfett, Blut undBohrmehl austritt, kurz bevor der Bohrer die Stelle pas-siert. Tupft man an deperiostierten Stellen den Knochensauber ab, so erkennt man das plötzliche, punktförmigeAustreten von Blut und Fett aus Kanälchen an der Kno-chenoberfläche, wenn der Bohrer innen vorbeiläuft.“

Heute wird dieses Verfahren deshalb nur bei speziel-len Indikationen eingesetzt. Solche Indikationen sind derenge Markraum des jungen und der erweiterte Markraumdes alten Menschen sowie Pseudarthrosen.Das Standard-verfahren ist dagegen das unaufgebohrte Vorgehen.

Übersichtb b

�����������������Indikationen für die Osteosynthese mit einem Marknagel

Gute Indikationen:

Querbrüche

Kurze Schrägbrüche

Verzögerte Heilung

Pseudarthrose

Erweiterte Indikationen:

Segmentale Brüche

Trümmerbrüche

Offene Frakturen mit ausreichender Weichteil-

deckung und geringer Kontamination

95579.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb 9.31. a Per- und subtrochantäre proxi-male Femurfraktur eines 82-jährigen Patienten.b Nach offener Reposition mit Cerclage wurde die Fraktur durch einen kurzen Marknagel mit Hüfttragschraube stabilisiert

a b

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b b�����������������

Für die erweiterte Indikation, wie für alle Anwendun-

gen des so genannten soliden Marknagels ohne Auf-

bohren der Markhöhle, gilt die absolute Forderung

nach einer zusätzlichen stabilisierenden Maßnahme,

die sich heute in der Regel mit der relativ einfachen

Technik der Verriegelung durchführen lässt (Weller

1995). Auch wird durch die Möglichkeit der Verriege-

lung keine langstreckige Verklemmung proximal

und distal der Fraktur benötigt. Deshalb können alle

geschlossenen und offenen Frakturen mit ausrei-

chender Weichteildeckung und nur geringer Konta-

mination im 2. bis 4. Schaftfünftel mit einem Verriege-

lungsnagel versorgt werden.

Kontraindikationen sind Schaftbrüche am wachsenden Skelett, Schaftbrüche an Radius und Ulna.

Es wurden Implantate entwickelt, die an die Form desMarkraums ideal angepasst und dünn dimensioniertsind,sodass sie nach Eröffnung und Erweiterung des pro-ximalen Schaftanteils ohne weiteres Vorbohren in dieMarkhöhle eingebracht werden können. Die verschiede-nen Implantate zahlreicher Firmen verfolgen im Wesent-lichen alle dieses Prinzip. Das operative Vorgehen wirdam Beispiel des unaufgebohrten Femurnagels (UFN)exemplarisch dargestellt.

Unaufgebohrter Femurnagel. Bereits präoperativ wer-den die Weite des Markraums und die Länge des Femursgemessen, um die Implantatgröße ermitteln zu können.Als Orientierung dienen die Röntgenaufnahmen, es wirdeine Vergrößerung von 10–15 % eingerechnet. Es gibtSchablonen, die diesen Arbeitsgang erleichtern.

Die Schablonen sind um 15 % vergrößert.

Der Patient kann in Seitenlage oder auf einem Extensions-tisch versorgt werden (s. oben Abschn. „DynamischeHüftschraube“). Das hängt von den Begleitverletzungenund der Vorliebe des Operateurs ab. Der Extensionstischerleichtert die Haltearbeit bei der Reposition und dieBildwandlerkontrolle, während in Seitenlage der Ein-trittsort für den Nagel wesentlich leichter zugänglich ist.Außerdem ermöglicht die Seitenlage es, das Bein in Hüfteund Knie zu beugen. Dadurch werden die Oberschenkel-strecker und -beuger maximal entspannt. Die Frakturlässt sich dann oft relativ einfach und mit geringem Kraft-aufwand reponieren. Dieser Effekt lässt sich aber auch aufdem Extensionstisch erzielen, indem der Patient in halbsitzender Position mit angewinkeltem Bein gelagert wird.

Nach erfolgter Hautdesinfektion und Abdeckung desOperationsgebietes wird, um sicher zu gehen, nochmals

die Nagellänge bestimmt. Dazu dient eine Messlehre, dieteilweise strahlendurchlässig ist. Der Bildverstärker wird,wenn sich der Patient in Rückenlage auf dem Extensions-tisch befindet, so positioniert, dass das proximale Femurexakt im sagittalen Strahlengang eingestellt ist. Dann hältman die Messlehre mit einer langen Klemme so über dieknöchernen Strukturen, dass es der vorgesehenen späte-ren Nagellage entspricht und markiert die Position desproximalen Endes der Messlehre mit einem Stift. DasNagelende soll proximal bündig mit der Oberkante desTrochanter major abschließen. Distal wird auf dieselbeWeise gemessen. Die Nagelspitze soll bis zur ehemaligenWachstumsfuge, die sich als sklerosierte Linie darstellt,reichen. Wenn die Fraktur noch nicht reponiert ist, mussdie noch bestehende Verkürzung bei der Längenbestim-mung berücksichtigt werden. In Seitenlage wird ähnlichverfahren oder das Maß direkt von den Röntgenbilderngenommen, wobei man dann wiederum die 10%ige Ver-größerung der wahren Verhältnisse berücksichtigen muss.

Der ideale Eintrittspunkt für den Nagel liegt in beidenEbenen in der Verlängerung der Markhöhle, und zwar imposterioren Anteil der Fossa piriformis. Man schafft sichzunächst einen proximalen Zugang,wie oben beschrieben(Abschn. „Markraumschienung/Zugang“), etwa hand-breit oberhalb der Trochanterspitze von dorsal kom-mend, transglutaeal zur Fossa. Dann wird ein 3,2 mmstarker Führungsdraht so in der Fossa piriformis zen-triert, dass er die Flucht der Markhöhle im sagittalen undaxialen Strahlengang fortsetzt. Den gewünschten Ein-trittspunkt kann man zuvor mit einem Pfriem ankörnen(⊡ Abb. 9.32). b b�����������������

Bei diesem Schritt muss darauf geachtet werden, dass

die Fraktur nicht varisch verkippt eingestellt ist, was

insbesondere bei weit proximal gelegenen Frakturen

geschieht. Die Gefahr, das proximale Hauptfragment

– von kraniolateral nach distal-medial verkippt aus-

gerichtet – aufzufädeln und damit die varische Fehl-

stellung bei der anschließenden Nagelimplantation

zu fixieren, ist groß. Deshalb ist es wichtig, möglichst

weit von kranial und dorsal zu kommen, um die

Flucht des Markraums zu treffen und das Bein etwas

adduziert einzustellen.

Mit einer Bohrmaschine oder einem Universalbohrfutterwird der 3,2 mm Führungsdraht etwa 10 cm weit bis überdas Niveau des Trochanter minor hinaus in den Mark-raum vorgebohrt. Anschließend wird das proximale Femur über diesen Führungsdraht mit einem 13 mm starken kanülierten Bohrer bis in Höhe des Trochanterminor aufgebohrt, denn das Nagelende des UFN ist aufeiner Länge von etwa 9 cm 12 mm stark.

558 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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b b�����������������

Falls versäumt wird, den proximalen Markraum aufzu-

bohren, könnte der proximale Schaft beim späteren

Einschlagen des Nagels gesprengt werden und eine

Schenkelhalsfraktur entstehen.

Nun werden Bohrer und Führungsdraht entfernt, dieFraktur reponiert und der antekurvierte Nagel in denMarkraum eingebracht. Der Aufsatz für die Standardver-riegelung wird erst auf den Zielbügel geschraubt, wennder Nagel ganz in die Markhöhle eingeführt ist, damit ersich während des Einschlagens des Nagels nicht lockert.Zum Einschlagen steht eine Führungsstange mit einemSchlaggewicht zur Verfügung oder alternativ ein pilzför-miger kurzer Aufsatz,über den der Nagel mit einem Ham-mer eingeschlagen werden kann.b b�����������������

Wenn sich der Nagel nur mit großem Kraftaufwand

in den Markraum hineintreiben lässt, obwohl es sich

eigentlich um ein unaufgebohrtes System handelt,

muss dennoch der Markraum aufgebohrt werden,

andernfalls besteht die Gefahr, ihn zu sprengen.

Insbesondere bei jungen Patienten, die körperlich

sehr aktiv und muskelkräftig sind, finden sich häufig

Markräume, die selbst für den dünnsten Nagel nicht

weit genug sind.

Der UFN liegt in 4 verschiedenen Stärken von

9,0–12,0 mm vor. Bereits präoperativ sollte die Weite

des Markraums bestimmt und bei einem Durchmesser

von 9 mm oder weniger der Markraum bis auf

einen Durchmesser von 10 mm Weite aufgebohrt

werden.

Die Reposition soll nach Möglichkeit geschlossen erfol-gen,damit die Durchblutung im Frakturbereich durch dieDeperiostierung nicht noch zusätzlich geschädigt wird.Dies ist insbesondere bei Trümmerfrakturen von großerBedeutung. Man kann den Verriegelungsnagel mit demEinschlaginstrumentarium dirigieren, sodass sich dasdistale Hauptfragment unter Bildwandlersicht in 2 Ebe-nen leichter auffädeln lässt.

Es gibt aber Fälle, gerade wenn es sich um sehr mus-kelkräftige Patienten oder um veraltete Frakturen han-delt, bei denen die Reposition erschwert ist. Hilfreich isteine gute Muskelrelaxation während der Reposition.Wenn dies nicht ausreicht,kann der Einsatz eines Distrak-tors notwendig werden. Dazu wird im proximalen unddistalen Hauptfragment je eine Schanz-Schraube einge-bracht. Die Schrauben müssen in der Kortikalis der tro-chanteren und kondylären Region ausreichend weit dor-sal positioniert werden,damit die Markhöhle für den Ver-riegelungsnagel passierbar bleibt.Dann wird der Distrak-tor mit den beiden Schrauben verbunden und die beidenHauptfragmente soweit auseinander gezogen, bis sich dieBruchenden übereinander stellen lassen. Anschließendkann mit dem Verriegelungsnagel das distale Hauptfrag-ment aufgefädelt und der Distraktor wieder entfernt wer-den. b b�����������������

Bei manchen polytraumatisierten Patienten

mit Femurfraktur und liegendem Fixateur stehen

die Frakturen nicht ideal, sondern die Hauptfrag-

mente sind übereinander geschoben und der

Gliedmaßenabschnitt ist dadurch verkürzt.Wenn

solche Patienten einen protrahierten Verlauf durch-

machen und sich wochenlang in einem kritischen

Zustand befinden, der eine Wechseloperation

vereitelt, kann es vorkommen, dass die Fraktur

sogar unter Einsatz des Distraktors nicht geschlossen

reponiert werden kann. In diesem Fall muss offen

reponiert werden. Nach einem kurzen lateralen

Zugang auf Frakturhöhe werden die Bruchenden

dargestellt. Unter Einsatz eines Arthrodesenspreizers

lässt sich die Überschiebung am besten und

schonendsten beseitigen.

Nach Reposition der Fraktur kann nun der Nagel in dasdistale Hauptfragment geschlagen werden. Das Implantatliegt ausreichend tief in der Markhöhle, wenn die Nagel-spitze das Niveau der ehemaligen Wachstumsfuge er-reicht hat.Nun kann man mithilfe eines Führungsdrahtes,der durch den Zielbügel geschoben wird (⊡ Abb. 9.33)prüfen, wo das proximale Nagelende zu liegen kommtund ob die richtige Länge gewählt wurde. Das Nagelendelässt sich aber bei überlagerungsfreier Sicht auch ohneEinsatz des Führungsdrahtes an der schmalen Einschnü-

95599.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb. 9.32. Der ideale Eintrittspunkt für den Marknagel befindet sichin der Verlängerung der Markhöhle in beiden Röntgenebenen. (Fa.Synthes)

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rung am Übergang zwischen Zielbügel und Implantatausmachen. Falls der Nagel zu kurz ist, kann man in be-grenztem Maß die fehlende Länge durch eine 10 oder20 mm längere Verschlussschraube ausgleichen.

Das Nagelende soll, wenn die Fraktur ausgeheilt ist,nicht zu weit im Knochen versenkt liegen, damit man beider späteren Implantatentfernung das Nagelende entwi-ckeln kann, ohne dabei die glutaeale Ansatzfläche in Mit-leidenschaft zu ziehen. Wenn der Nagel einen knappenZentimeter über das Trochanterniveau hinausragt, er-leichtert dies die Implantatentfernung insbesondere beimuskelkräftigen Patienten wesentlich.Viel weiter als einenZentimeter sollte es jedoch nicht überstehen, weil sonstdie Hüftbeweglichkeit beeinträchtigt würde. Mithilfe von3 verschieden langen Verschlussschrauben lässt sich dergewünschte Überstand des Nagels erzielen. Die Ver-schlussschrauben gibt es in den Längen 0, 10 und 20 mm.Die Maßzahl bezeichnet die Länge des Überstands derverschiedenen Verschlussschrauben. Bei der Auswahlmuss berücksichtigt werden, in welchem Ausmaß derFrakturbereich voraussichtlich sintern wird oder ob ggf.die Fraktur beim Einschlagen des Nagels auseinanderge-trieben wurde, was insbesondere bei engem Markraumvorkommen kann.

Standardverriegelung. Damit keine Verwechslungenstattfinden, sind alle Teile, die für die Standardverriege-lung gebraucht werden, Zielbügelaufsatz, Verriegelungs-und Verschlussschrauben, grün gefärbt. Das ist deshalbsinnvoll, weil der UFN zusätzliche Möglichkeiten der Ver-riegelung bietet (s. Abschn. „Spiralklingenverriegelung“und „Andere Verriegelungsmöglichkeiten“).

Bei der Standardverriegelung wird der Nagel, wieüblich, distal und proximal mit je ein oder 2 Schrauben armiert. Man richtet sich dabei nach den gängigen Krite-rien, die in ⊡ Tabelle 9.4 schematisch dargestellt sind.Bei Trümmerbrüchen oder langen schräg verlaufendenBruchflächen, also Frakturtypen mit schlechter Abstüt-zung, werden proximal und distal grundsätzlich jeweils2 Verriegelungsschrauben verwendet. Bei guter Abstüt-zung können es auch einmal weniger sein.

b b�����������������

Im Zweifelsfall kann man sich an dem alten

unfallchirurgischen Leitspruch orientieren

„In dubio pro bolzo“.

b b�����������������

Falls, wie bereits oben angesprochen, bei engem

Markraum die Fraktur beim Einschlagen des Nagels

auseinandergetrieben wurde, empfiehlt es sich,

zunächst distal doppelt zu verriegeln, den Nagel

anschließend soweit zurückzuschlagen, bis sich der

Bruchspalt geschlossen hat und erst dann proximal

zu verriegeln. Beim Zurückschlagen eines distal

verriegelten Nagels darf jedoch nicht zu viel Kraft

aufgewendet werden, denn die relativ dünnen Verrie-

gelungsschrauben des UFN verbiegen sich leicht.

Am proximalen Nagelende ist eines der beiden Verriege-lungslöcher längsoval geformt, sodass es sich für einedynamische Verriegelung eignet. Es dient der Rotations-sicherung und lässt primär ein Sintern im Bruchbereichzu. Das andere Verriegelungsloch ist kreisrund und dientder statischen Verriegelung des Nagels (⊡ Abb. 9.34 a,b).

560 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Tabelle 9.4. Lokalisation und Anzahl benötigter Verriege-lungsschrauben bei guter Abstützung im Bruchbereich inAbhängigkeit von der Frakturlokalisation

Frakturlokalisation Schraubenanzahl

proximal distal

Proximal + + +

Diaphysär + +

Distal + + +

+ entspricht einer Schraube.

⊡ Abb. 9.33. Bestimmen der Position des Nagelendesmit einem Führungsdraht, derdurch den Zielbügel gestecktwird. (Fa. Synthes)

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Die Bestimmung der richtigen Schraubenlänge er-folgt am einfachsten bereits beim Aufbohrvorgang mitdem 4,0 mm starken Spiralbohrer mit Ringmarkierun-gen. Unmittelbar nach Perforation der Gegenkortikalisvergewissert man sich unter Bildwandler, dass die Spitzedes Bohrers mit der Gegenkortikalis bündig ist und dieBohrbüchse fest auf der diesseitigen Kortikalis aufliegt.Nun kann die benötigte Schraubenlänge am Bohrer selbstabgelesen werden.Alternativ kann auch das Längenmess-gerät verwendet werden.b b�����������������

Die verschiedenen Längenbestimmungen können zu

Verwirrung Anlass geben, weil am 4,0-mm-Spiralbohrer

mit Ringmarkierungen bereits 4 mm Länge addiert

sind, um sicher zu stellen, dass die Schraubenspitze die

Gegenkortikalis durchbohrt. Dies ist beim Längenmess-

gerät nicht so.Wenn es zur Längenbestimmung einge-

setzt wird, muss man, wie gewohnt, 2–4 mm zugeben.

Dass die Schrauben die Gegenkortikalis etwas über-

ragen, ist, abgesehen vom Stabilitätsaspekt, in Hinblick

auf einen etwaigen Schraubenbruch von Bedeutung,

um ggf. eine abgebrochene Schraubenspitze bergen

zu können.

Nach erfolgter Verriegelung, die distal freihand beispiels-weise mit dem strahlendurchlässigen Winkelgetriebevorgenommen wird, kann nun der Zielbügel vom Nagel-ende entfernt und die Verschlussschraube eingebrachtwerden. Beim Setzen der Verschlussschraube kann esleicht passieren,dass man durch die mangelnde Sicht undden evtl. recht langen Weg durch kräftige Muskulatur in der Richtung abgelenkt wird und dann die Schraubeverkantet ins proximale Nagelende eindreht. Das relativweiche Gewinde wird dabei häufig zerstört.b b�����������������

Dieser Fehler lässt sich am besten dadurch vermei-

den, dass die Richtung der Schraube unter Bildwand-

lersicht in 2 Ebenen exakt in der Flucht des Mark-

nagels ausgerichtet wird, bevor sie ins Nagelende

eingeschraubt wird. Dies kostet zwar etwas Zeit,

macht sich aber auf jeden Fall bezahlt, denn wenn

das Gewinde erst einmal versehentlich schräg ange-

schnitten ist, lässt sich ein korrekter Schraubensitz

meist nicht mehr erreichen. Die dann folgenden,

evtl. mehrfachen, immer wieder misslingenden Ver-

suche, die Verschlussschraube doch noch richtig

einzudrehen, können sehr zeitaufwändig sein.

95619.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb 9.34 a,b. Stabilisierung einer Femur-schaftfraktur bei einem 26-jährigen Patienten mitUFN. a Die Fraktur wurde primär dynamisch ver-sorgt, da sie sich gut abstützte. b Bereits nach 10 Wochen zeigt sich eine ausgedehnte Kallus-bildung

a b

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Spiralklingenverriegelung. Für die Verriegelung mittelsSpiralklinge wird das proximale Nagelende mit einerblauen Hülse armiert. Diese Hülse hat in Höhe des Längs-schlitzes des Nagels, der zur dynamischen Verriegelungdient, zu beiden Seiten längsovale Löcher, die höhenver-setzt zueinander angeordnet sind. Dadurch kann durchdie Schlitze in der Hülse und dem Nagel eine Spiralklingeschräg nach oben gerichtet eingeschlagen werden. DieSpiralklinge stellt nicht nur eine besonders stabile Formder proximalen Verriegelung im Schenkelhals dar, son-dern sie ermöglicht bei Zweietagenfrakturen sogar dieStabilisierung des frakturierten Schenkelhalses selbst.

Alle Teile, die für die Spiralklingenverriegelung ge-braucht werden, Hülse, Spiralklinge und Verschluss-schrauben, sind blau gefärbt. Bereits präoperativ wirdmittels Schablonen der benötigte Winkel ermittelt. 100°-,110°- und 120°-Hülsen stehen zur Auswahl.

Zu beachten ist, dass die Hülse den Durchmesser desproximalen Nagelanteils um weitere 3 mm verdickt. Des-halb muss in diesem Fall der proximale Markraum bis auf16 mm Weite aufgebohrt werden, weil das mit der Hülsearmierte Nagelende 15 mm stark ist.b b�����������������

Bei diesem Schritt ist die zentrale Lage des Führungs-

drahtes besonders wichtig, damit die Spiralklinge

später den Querschnitt des Schenkelhalses ebenfalls

mittig treffen kann und möglichst stabil verankert

wird. Andernfalls könnte die Klinge unter Belastung

ausreißen. Falls der Nagel nicht mittig, sondern nach

dorsal versetzt im proximalen Markraum liegt, muss

dies durch eine vermehrte Antetorsionsrichtung

beim Einschlagen der Spiralklinge ausgeglichen

werden.

Bevor der Nagel in den Markraum eingebracht wird, soll-te man eine Spiralklinge durch das proximale Nagelendestecken und sich davon überzeugen, dass die Hülse rich-tig herum aufgesteckt wurde. (Die Aufschrift „lateral“muss lateral stehen.) Anschließend wird der Nagel so weitin den Markraum eingeschlagen, bis die gewünschteHöhe für die geplante Lage der Spiralklinge in der sagitta-len Röntgenebene erreicht ist. Dies wird mit dem Zielauf-satz, der jetzt am Zielbügel montiert wird, geprüft. Nunsteckt man die Bohrbüchse durch den Zielbügelaufsatzund hat damit einen Zeiger für die Lage der Spiralklinge.Durch Vor- oder Zurückschlagen des Nagels wird nun diegewünschte Position einjustiert und anschließend ein3,2 mm starker Führungsdraht durch einen Trokar, der indas Zielgerät gesteckt wurde, in den Schenkelhals ge-bohrt. Dessen Lage kann unter Bildwandler im a.-p. undlateralen Strahlengang exakt kontrolliert und ggf. korri-giert werden.

Die Länge für die Spiralklinge wird mithilfe des Füh-rungsdrahtes bestimmt. Die Spitze des Drahtes soll 5–10 mm subchondral im Hüftkopf zu liegen kommen. DieBohrbüchse muss beim Ablesen der Länge ganz an die la-terale Femurkortikalis gepresst werden, um die korrekteLänge zu bekommen. Nun wird eine Klinge der ermittel-ten Länge oder eine etwas kürzere ausgewählt und auf dasEinschlaginstrument aufgeschraubt.

Bevor die Klinge eingeschlagen wird, muss die latera-le Femurkortikalis mit dem 13 mm starken Bohrer, derzum Aufbereiten des proximalen Schafts bei der Stan-dardverriegelungstechnik verwendet wird, eröffnet wer-den.Die laterale Kortikalis soll ein kreisrundes Loch erhal-ten. Anschließend kann die Spiralklinge über den Füh-rungsdraht in den Schenkelhals eingeschlagen werden.Die Spitze wird dazu parallel zur Schaftebene ausgerich-tet, damit sie vom längsovalen Loch der Armierungshülseaufgenommen werden kann.b b�����������������

Der T-förmige Griff des Einschlaginstruments liegt

parallel zur Ebene der Spiralklingenspitze. Daran kann

der Operateur beim Einschlagvorgang erkennen,

wie weit die Klinge sich bereits gedreht hat.

Wahlweise kann zusätzlich proximal eine statische Verrie-gelungsschraube eingebracht werden (s. Abschn. „Stan-dardverriegelung“). Die 15 mm breite blaue Verschluss-schraube wird nach Abnahme des Zielbügels in das Nagel-ende geschraubt. Sie verriegelt die blaue Hülse statischmit dem Nagel. Bei den letzten Umdrehungen deformiertsich deren Spitze, die aus Polyethylen besteht, auf der Spi-ralklinge und sichert diese damit während des Zeitraums,in dem der Patient nicht belasten darf (⊡ Abb. 9.35 a,b).

Weitere Verriegelungstechniken. Neben den beiden dar-gestellten Verriegelungstechniken bietet der UFN nochzwei weitere Techniken, die aber weniger häufig genutztwerden und auf deren Beschreibung deshalb verzichtetwird. Es handelt sich um die Technik der antegraden Verriegelung mit einer proximalen Schraube, die im 130°-Winkel von lateral und proximal nach distal und medialeingebracht wird und um die „Miss-a-nail-Technik“, bei der mithilfe des Zielbügels am proximalen Nagelendevorbei 3 Schrauben in den Schenkelhals eingebracht wer-den.

Für die antegrade Verriegelung wird eine weitere Hül-se (rosa gefärbt) benötigt mit den dazu passenden Ver-schlussschrauben.Während es aber für die Standard- undSpiralklingenverriegelung ein klares Indikationsspek-trum gibt, erscheint dies für die antegrade Verriegelungnicht so eindeutig zu sein.

Ähnliches muss auch für die Miss-a-nail-Technikkonstatiert werden. Die Technik soll ermöglichen, eine

562 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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begleitende Schenkelhalsfraktur mit 3 Schrauben voroder auch nach dem Einbringen des Femurnagels zu sta-bilisieren.Dazu wird in das proximale Hauptfragment desFemurs zunächst ein kurzer Manipuliernagel gesteckt,der mit einem Zielbügel armiert ist,auf dem wiederum einAufsatz befestigt werden kann,durch den parallel Schrau-ben vor und hinter dem Manipuliernagel vorbei in denSchenkelhals eingebracht werden können. Auch kann,nachdem der endgültige Nagel implantiert ist, eine derSchrauben durch das Gleitloch in den Schenkelhals ge-schraubt werden. Eigene Erfahrungen mit diesem Systemwaren jedoch eher enttäuschend und haben gezeigt, dassdie Schrauben im verbleibenden Knochenstock anteriorund posterior vom dazwischen liegenden UFN meist zuwenig Halt haben, als dass sich eine Schenkelhalsfrakturdamit besser stabilisieren ließe als mit der Spiralklinge,diedeshalb bevorzugt wird.

Einstellung der richtigen Rotation. Vor der distalen Ver-riegelung muss nochmals die korrekte Rotation des Beinseingestellt werden. Wenn sich der Patient auf dem Exten-sionstisch befindet, dient die Patella als Orientierung, diein Neutral-Null-Stellung, also parallel zur Beckenkamm-ebene stehen soll. Der Fuß steht dann in etwa 15°-Außen-rotation.

In Seitenlage liegt das verletzte Bein mit etwa 45°-Hüft- und 90°-Kniebeugung leicht innenrotiert vor demgestreckten unverletzten Bein. Dabei liegt das Knie amOperationstisch auf und der Fuß am Unterschenkel desdarunter liegenden Beins. In dieser Stellung liegen die

beiden Hauptfragmente in korrekter Rotation zueinan-der.

Die richtige Rotation der beiden Hauptfragmente zueinander einzustellen, kann bei subtrochanteren Frak-turen besonders schwierig sein. Selbst bei Beachtung der oben aufgeführten Kriterien und der äußerlich kor-rekten Einstellung der Rotation des Beins kann das proxi-male Hauptfragment durch den Zug der glutaealen Mus-kulatur nach außen verdreht stehen. In diesem Fall kannu. U. unbemerkt ein Innendrehfehler fixiert werden.Deshalb muss bei diesem Bruchtyp die Rotation des proximalen Hauptfragments anhand der Stellung desTrochanter minor im Seitenvergleich beurteilt werden.Bei offenem Vorgehen bietet die Linea aspera eine guteOrientierung.

Distale Verriegelung. Die Verriegelung lässt sich in Frei-handtechnik oder mit einem strahlendurchlässigen Win-kelgetriebe durchführen. Letztere Technik hat den Vorteilder geringeren Strahlenbelastung und einfacheren Hand-habung. Dazu wird zunächst das distalste Loch im Marknagel so eingestellt, dass es zentral im Bildschirmdes Bildwandlers liegt und kreisrund abgebildet wird(⊡ Abb. 9.36 a).Nur wenn es sich kreisrund darstellt, ist si-cher, dass es exakt in der Flucht des Strahlengangs liegt.Dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass das Schrau-benloch gerade und nicht verkippt gebohrt werden kann.Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich die Schraube imVerriegelungsloch des Nagels verklemmt und nicht in derGegenkortikalis verankern lässt.

95639.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb. 9.35. a Per- und suptrochantere Femurfraktur rechtseiner 44-jährigen Patientin mit relativ engem Markraum.b Beim Versuch, die Fraktur mit einem kurzen Gammanagel zustabilisieren, wurde der Markraum gesprengt. Dies erforderteeinen intraoperativen Verfahrenswechsel auf einen UFN mitSpiralklinge und Zerklagen

a b

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Nach erfolgter Einstellung unter Bildwandlerkontrol-le wird nun über dem kreisrunden Loch mit dem Skalpelleine kurze Längsinzision der Haut gesetzt. Die Inzisionsollte wenigstens einen Zentimeter lang sein, damit an-schließend genügend Platz vorhanden ist, die zwischenHaut und Kortikalis liegenden Weichteile mit einer Schere zu spreizen und auf diese schonende Weise einenWeichteilkanal für die folgenden Operationsschritte zuschaffen. Nun wird die Spitze des 4,0 mm starken Spiral-bohrers in den Weichteilkanal eingeführt, zunächstschräg zum Röntgenstrahl gehalten und unter Bildwand-lersicht exakt in der Mitte des Verriegelungsloches zen-triert (⊡ Abb. 9.36 b). Anschließend wird das strahlen-durchlässige Winkelgetriebe hochgeschwenkt, bis sichder Spiralbohrer selbst genau in der Flucht der Strahlungbefindet und um seinen Querschnitt herum ein schmalerstrahlendurchlässiger Kreis erscheint. Der Bohrer fülltdas Verriegelungsloch dann beinahe aus.In dieser Stellungwerden nun beide Kortikales durchbohrt.

Die Länge der benötigten Verriegelungsschraubewird mit dem Längenmessgerät bestimmt.Zur ermittelten

Länge müssen 2–4 mm dazugerechnet werden, um sicherzu gehen, dass die Schraubenspitze die Gegenkortikalisdurchbohrt. b b�����������������

Bei ausgeprägter Weichteildeckung empfiehlt sich,

die Schrauben vor dem Eindrehen mit einem Faden

zu armieren, dann können sie schnell wieder aus den

Weichteilen geborgen werden, falls man sie bei der

Suche des gebohrten Lochs in der Tiefe der Muskula-

tur verlieren sollte.

Aufgebohrter Marknagel. Es gibt verschiedene Modelleunterschiedlicher Hersteller. Allen gemeinsam ist dasPrinzip, dass durch Aufbohren des Markraums die Stre-cke,auf der sich der Nagel fest im Markraum verklemmenkann,verlängert wird.Nachteile der Methode sind die Ge-fahr der Verdrängung thrombogenetischen Materials ausder Markhöhle in die venöse Strombahn während desAufbohrvorgangs und die Minderung der Durchblutungdes angrenzenden kortikalen Knochens. Dadurch wirddie Rate der Infektionen erhöht und die Bruchheilungverlängert.

Dennoch gibt es gute Indikationen für den aufgebohr-ten Marknagel. Bei alten Patienten,die auf dem Boden einer Osteopo-

rose einen deutlich erweiterten Markraum aufweisen,kann ein entsprechend dickerer Nagel bedeutendmehr Primärstabilität bringen und deshalb geeigneterfür die Versorgung einer Schaftfraktur sein. Außer-dem fällt bei diesen Patienten der Nachteil der Durch-blutungsstörung durch das Aufbohren weg, weil beiausgeprägter Osteoporose die enostale Durchblutungohnehin stark vermindert oder bereits ganz aufgeho-ben ist (⊡ Abb. 9.37 a,b).

Hypertrophe Pseudarthrosen im Schaftbereich sindAusdruck einer instabilen Osteosynthese und lassensich häufig durch Aufbohren und Stabilisierung mit einem entsprechend dickeren Nagel ausheilen.Das vermehrte Aufbohren und Einbringen eines dickeren Nagels verlängert letztlich die Strecke der diaphysären Verklemmung oberhalb und unterhalbder Pseudarthrose und vermittelt auf diesem Wegmehr Stabilität und Ruhe, die für die Durchbauungnotwendig sind. Außerdem fördert das Bohrmehl,das beim Aufbohren in den Bereich des Falschgelenksgewissermaßen einmassiert wird, die Verknöche-rung.

Lagerung und Zugangsweg entsprechen dem im Abschnitt„Unaufgebohrter Femurnagel“ beschriebenen Vorgehen.Der Markraum wird ebenfalls in Verlängerung seinerFlucht etwas posterior und lateral in der Fossa piriformismit dem Pfriem eröffnet. Anschließend wird ein Füh-

564 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.36. a Zunächst wird nur das Schraubenloch des Marknagelsso im Bildwandler eingestellt,dass es kreisrund ist.b Anschließend wirddie Spitze des Spiralbohrers in der Mitte des Schraubenlochs zentriertund danach axial im Strahlengang ausgerichtet. (Fa. Synthes)

a

b

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rungsdraht mit Olive in den Markraum vorgeschobenund der Bruchbereich unter Bildwandlerkontrolle pas-siert.

Nun wird der Markraum mit einer flexiblen Bohrwel-le schrittweise erweitert. Die Olive an der Spitze desDrahts verhindert die Aufbohrung über dessen Ende hin-aus. Ein Gewebeschutzblech schirmt die Weichteile vorder rotierenden Bohrwelle ab. Der Markraum wird zu-nächst mit dem kleinsten Bohrkopf erweitert. Der Bohr-kopf hat einen Durchmesser von 8 mm und ist starr mit einer flexiblen Welle verbunden. Der nächst größere istnicht mehr starr mit der Welle verbunden. Er hat einenDurchmesser von 9 mm und kann gegen in 0,5-mm-Schritten aufsteigende Größen ausgewechselt werden, bises im diaphysären Bereich zum Kontakt mit der Kortika-lis kommt.

Je nach Art und Lokalisation der Fraktur oder Pseud-arthrose ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Ver-klemmung möglich. Bei Brüchen oder Falschgelenken,

die sich gut abstützen und in Schaftmitte liegen, erreichtman etwa 5 cm diaphysären Kontakt proximal und distalohne zu große Schäden durch das Aufbohren anzurichten.Bei weiter peripher liegenden Frakturen wird die Stabili-tät im kürzeren Fragment durch die Verriegelung undnicht über die diaphysäre Verklemmung bewirkt. Proxi-mal der Fraktur wird um 0,5 mm weiter aufgebohrt als der gewählte Nageldurchmesser beträgt, damit das Im-plantat leichter in den Markraum eingeschlagen werdenkann. b b�����������������

Es muss immer beachtet werden, dass der Markraum-

druck während des Aufbohrvorgangs erheblich

gesteigert wird. Deshalb bedarf es eines geduldigen

und schonenden Vorgehens, damit keine zu starken

Drücke entstehen. Mittels intraoperativer transöso-

phagealer Echokardiographie konnten teils bis

95659.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb. 9.37 a 80jährige Patientin mit Femur-schaftbruch bei osteoporotisch erweitertemMarkraum. Die Fraktur wurde mit einem aufgebohrten Verriegelungsnagel stabilisiert.b Nach 10 Monaten war der Bruch knöchern fest verheilt

a

b

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mehrere Zentimeter lange Echos im rechten Herzen

während einer Marknagelung oder Hüftprothesen-

implantation beobachtet werden. Die großen Echos

waren gemischte Emboli aus einem Knochenmark-

kern und umgebendem thrombotischem Material

(Wenda et al. 1990).

Unter einer Druckerhöhung von 200 mmHg im Mark-raum eines Schaf-Femurs zeigten sich in der V. cavaschneegestöberartige Echos mit einem Durchmesser von1–2 mm.Ab 400 mmHg war dieser Effekt intensiviert undder Durchmesser vergrößert. Unter 600 mmHg kamenbereits mehrere Zentimeter lange Emboli zur Darstel-lung. In vitro konnte beobachtet werden, dass Blut, das das Knochenmark umgibt, innerhalb weniger Sekundengerinnt. Die Anlagerung thrombotischen Materials findetwährend der Inspiration statt, wenn in den großen Venendie Blutsäule steht. In Narkose unter PEEP-Beatmungkann diese Phase einige Sekunden dauern.Dies dürfte derGrund dafür sein, dass die Thromboserate nach Spinal-anästhesie niedriger als nach Intubationsnarkose ist(Wenda et al. 1990).

Die Druckwerte beim Aufbohrvorgang liegen zwi-schen 500 und 800 mmHg.Allerdings wurden Druckspit-zen bis 1.500 mmHg gemessen. Erstaunlicherweise tretenmitunter die höchsten Werte beim Einbringen des Bohr-dorns auf – und das trotz seines kleinen Querschnitts.Dies hängt damit zusammen, dass zu diesem Zeitpunktdie Markhöhle noch vollständig mit hochviskösem Mark-fett gefüllt ist und der Bohrdorn schon bei geringemKraftaufwand eine starke Beschleunigung erfährt, weil errelativ dünn ist (Müller et al. 1992).

Die Vorschubkraft, die beim Aufbohren vom Chirur-gen angewendet wird, hat selbstverständlich einen er-heblichen Einfluss. Laut Müller und Mitarbeiter (1995)führt eine Erhöhung der Vorschubkraft um das 1,8fache zueiner Steigerung des diaphysären Drucks um das 4,7facheund des metaphysären Drucks um das 3,1fache. Da Chirurgen mit großer Vorschubkraft arbeiten, muss mit Spitzendruckwerten beim Aufbohrvorgang von970 mmHg diaphysär und 1.150 mmHg metaphysär ge-rechnet werden.

Nach Platzierung des Führungsdrahtes wird die Län-ge des benötigten Nagels bestimmt. Dies kann mithilfe ei-nes zweiten Führungsdrahtes erfolgen,an dem die Streckedes ersten, die im Markraum versenkt ist, ermittelt wird.Alternativ kann auch ein Lineal verwendet werden, dasunter Bildwandlereinsatz so über dem Femur positioniertwird, dass die Strecke zwischen Trochanterspitze undehemaliger distaler Wachstumsfuge gemessen werdenkann. Aber auch anhand von präoperativ angefertigtenRöntgenbildern der unverletzten Seite lässt sich die Län-ge bestimmen.

Bevor nun das ausgewählte Implantat eingeschlagenwerden kann, muss der Bohrdorn mit Olive gegen einen4 mm starken Führungsdraht ohne Olive ausgetauschtwerden. Damit aber die erreichte Reposition nicht verlo-ren geht, wird über den Bohrdorn ein Kunststoffrohr ge-schoben. Dann erst werden die Führungsdrähte gegen-einander ausgetauscht.Anschließend wird der Marknageleingeschlagen und proximal und distal freihand oder mitdem Winkelgetriebe verriegelt.

Fixateur externe.Indikationen. Höhergradig offene Frakturen, Polytraumen, kindliche Frakturen, Infektionen.

Insbesondere Patienten mit begleitender thorakaler Ver-letzung sind initial durch eine Markfettausschwemmung,wie sie bei jeder Marknagelung in mehr oder weniger gro-ßem Umfang auftritt, gefährdet. Deshalb sollen polytrau-matisierte Patienten oder solche mit alleiniger thorakalerBegleitverletzung erst nach erfolgter Stabilisierung derkardiopulmonalen Situation mit einem Marknagel ver-sorgt werden. Andererseits sind Patienten mit nichtstabi-lisierter Femurfraktur durch Fettembolie, Thromboseund Schmerz gefährdet. Die Fraktur muss deshalb raschmit einer Methode ruhiggestellt werden,die den Patientenmöglichst wenig belastet.

Die ideale Methode dafür ist der Fixateur externe.Mithilfe dieser Vorrichtung können alle denkbaren ge-schlossenen oder offenen Bruchformen einschließlichder Mehretagen- oder Kettenfrakturen durch beliebiganzuordnende Konstruktionen stabilisiert werden, ohnedass dem Patienten lange Narkosezeiten, ein nennens-werter Blutverlust und zusätzliche Gewebetraumatisie-rung zugemutet werden müssen. Die pflegerische undggf. intensivmedizinische Weiterbehandlung wird erleich-tert. b b�����������������

Wenn die Gesamtsituation des Patienten wieder

stabil ist, wird ein Verfahrenswechsel meist auf einen

Verriegelungsnagel vorgenommen. Dieser soll mög-

lichst innerhalb der ersten 5–8 Tage nach Fixateur-

anlage (Wirbel u. Mutschler 1999), spätestens jedoch

innerhalb der ersten 3 Wochen eingebracht werden.

Andernfalls ist die Gefahr der Verschleppung patho-

gener Keime in den Markraum auf dem Boden von

Pin-tract-Infektionen zu groß.

Operationstechnik. Bei einer geplanten temporären Ver-sorgung werden pro Hauptfragment 2, bei einer definiti-ven 3 Pins verwendet. Dabei kommt es darauf an, die

566 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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beiden Pins möglichst weit voneinander zu platzieren,um günstige Hebelverhältnisse zu schaffen. Eine der bei-den Schanz-Schrauben wird möglichst frakturnah, dieandere möglichst frakturfern eingebracht. Dabei kannman proximal den Schenkelhals und distal das Kondylen-massiv als Verankerungsorte mit großen Knochenvolu-mina einbeziehen. Die Montage erfolgt in der Regel vonlateral durch den Tractus iliotibialis.b b�����������������

Der Tractus sollte im distalen Schaftbereich am

Durchtrittsort der Pins einige Zentimeter weit

geschlitzt werden, damit die Kniegelenkbeweglich-

keit nicht eingeschränkt wird.

Die Verbindung mit einem einfachen langen Rohr ist nurbei exakt reponierter Fraktur möglich. Am Femur kanndie Reposition der Fraktur insbesondere bei muskelkräf-tigen Patienten sehr mühsam sein, sodass eine Rohr-zu-Rohr-Montage die schnellste und technisch einfachsteLösung darstellt. Die Verbindung zwischen den beidenHauptfragmenten erfolgt am besten mit 2 Stangen. EineStange allein kann die erheblichen Kräfte und Hebel, dieam Femur wirken,nicht auf Dauer zuverlässig neutralisie-ren (⊡ Abb. 9.38).b b�����������������

Bei der Montage und Reposition sollte, wenn es der

Zustand des Patienten erlaubt, akribisch reponiert

werden, damit die Fraktur so gut steht, dass sie zur

Not auch im Fixateur ausbehandelt werden kann.

Außerdem vereinfacht eine exakte Reposition die

spätere Wechseloperation, denn wenn erst einmal

über einige Wochen eine Verkürzung bestanden hat,

kann es sehr schwer werden, diese beim Verfahrens-

wechsel wieder auszugleichen. Und bei protrahierten

Verläufen kann es sogar vorkommen, dass überhaupt

kein Verfahrenswechsel möglich wird. Bei polytrau-

matisierten Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-

Trauma kommt häufig eine massive Kallusbildung

unter Einbeziehung der umgebenden Muskulatur

in Gang (s. Kap. 18 „Komplikationen“), im Rahmen

dessen Frakturen langer Röhrenknochen oft inner-

halb weniger Wochen definitiv stabil werden, sodass

sich ein Verfahrenswechsel erübrigt. Dann ist es von

großem Vorteil, wenn bereits primär ein gutes

Repositionsergebnis erreicht wurde.

Plattenosteosynthese. Die stabile Plattenosteosyntheseam Femur wurde zwar von den oben genannten Verfahrenweitgehend verdrängt. Dafür spielt die elastische oderÜberbrückungsosteosynthese eine immer größere Rolle.Für eine primäre Frakturheilung braucht man eine abso-

lute Stabilität, für eine sekundäre nur eine relative.Bei derprimären Frakturheilung sieht man keine Kallusbildung,bei der sekundären bekommt man einen Brückenkallus.Der Deformationsbereich einer Platte vergrößert sich, jeweiter die Schrauben vom unmittelbaren Frakturbereichentfernt eingesetzt werden. Damit jeweils das eine oderandere Prinzip funktionieren kann, sollte man sich dieserUnterschiede bewusst sein und die Prinzipien der stabilenund elastischen Plattenosteosynthese nicht miteinandermischen. In der Regel macht nur die Verwendung des ei-nen oder des anderen Verfahrens Sinn. Und in bestimm-ten Fällen sind die verschiedenen Techniken der Platten-osteosynthese Methode der Wahl (s. unten). FolgendeKonstruktionsprinzipien stehen zur Verfügung: konventionelle Plattenosteosynthese, Überbrückungsplattenosteosynthese, Verbundosteosynthese.

95679.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb. 9.38 Prinzip der Rohr-zu-Rohr Montage des unilateralen Fixa-teur externe am Fernur. Um die Stabilität des Systems zu erhöhen, wer-den 2 kurze Verbindungsstäbe verwendet.Falls die Befestigung für einelängere Dauer vorgesehen ist, sollte ein 2. Rohr das proximale mit demdistalen Hauptfragment verbinden. [Quelle: Müller ME et al. (1992),S. 387, Abb. 5.12]

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Konventionelle Plattenosteosynthese. Plattenosteosyn-thesen werden an der Zuggurtungsseite des Femurs ange-legt, also lateral, wo das Femur unter Zuglast steht. Die Patienten werden auf dem Rücken oder der unverletztenSeite gelagert, der Zugang erfolgt von lateral (s. Kap. 19,„Zugänge“). Dann wird die Fraktur entwickelt, ohne da-bei die Fragmentenden unnötig zu deperiostieren. Füreine exakte Reposition genügt es,die Randzone der Haupt-fragmente ganz sparsam freizulegen, sodass sie einen nuretwa 1–2 mm breiten, periostfreien Saum aufweist. BeiTrümmerbrüchen wird darauf verzichtet, da die Frakturohnehin nicht anatomisch gestellt, sondern lediglich Län-ge,Achse und Rotation rekonstruiert werden können.

Entscheidend für die zeitgerechte Heilung ist u. a.,dass der Bruchbereich ausreichend ruhiggestellt ist. Dieswird am besten durch die Kompression der Frakturzoneerreicht. Die Kompression wird durch ein spezielles De-sign der Schraubenlöcher in den Osteosyntheseplattenvermittelt. Die Schraubenlöcher sind konisch geformt.Wenn nun das Schraubenloch exzentrisch gebohrt wird,gleiten die Schraubenköpfe beim Festziehen an den koni-schen Rändern tangential ins Zentrum des Schrauben-lochs ab. Dadurch bewegt sich das Hauptfragment, dasdurch die Schraube gefasst ist,um die Strecke mit,die die-ser Shift vermittelt. Platten, mit denen sich dieses Prinzipumsetzen lässt,sind die DCP („dynamic compression pla-te“) und die LC-DCP („limited contact dynamic compres-sion plate“).Die LC-DCP zeichnet sich zusätzlich dadurchaus, dass sie ein unterschnittenes Plattenprofil hat, dasweniger periostale Fläche komprimiert und deshalb auchdie Durchblutung des von der Platte bedeckten kortikalenKnochens weniger beeinträchtigt.

Das Problem der Plattenosteosynthese herkömm-licher Art ist der Druck der Platte in ihrem Lager. Die Sta-bilität einer Frakturversorgung wird bei der herkömm-lichen Plattenosteosynthese durch die Haftreibung er-zeugt. Sie entsteht innerhalb des Quadrats, das durch diebeiden frakturnahen Schraubenköpfe und die Gegenkor-tikales, die von den beiden Schraubenenden gefasst wer-den, definiert ist. Der erhöhte Druck führt zur Minder-durchblutung unter der Platte und macht 63 % des Kno-chens nekrotisch bzw. sklerotisch, wenn die Plattenunter-fläche auf der gesamten Fläche vollen Kontakt mit demPeriost hat (⊡ Abb. 9.39). Bei unterschnittenen Platten istdieses Areal deutlich verringert.

Da am Femur – dem größten menschlichen Röhren-knochen – erhebliche Kräfte wirken, werden breite 4,5erPlatten verwendet und pro Hauptfragment 8 kortikale Ver-ankerungspunkte benötigt. In schrägen Bruchflächen oderDefektzonen fasst eine Schraube häufig nicht beide Korti-kales,sondern nur eine Seite.Dann sind mehr als 4 Schrau-ben nötig, um die geforderte Mindestzahl kortikaler Ver-ankerungspunkte zu erreichen. Da die Mindestlänge derLC-DCP 8 Schraubenlöcher beträgt, muss im Zweifelsfalleine entsprechend längere Platte gewählt werden.

Das Prinzip der interfragmentären Kompression wird bei Quer- und Schrägbrüchen durch eine oder zweiinterfragmentäre Zugschrauben unterstützt. Bei langenSchräg- oder Spiralbrüchen kommen evtl. sogar mehreredieser Zugschrauben zum Einsatz. Die Zugschraubenwerden abhängig vom Verlauf der Bruchebene entwederaußerhalb oder durch die Plattenlöcher selbst einge-bracht. Um eine Zugwirkung entfalten zu können,muss das diesseitige Schraubenloch 4,5 mm dick gebohrtwerden, damit das Gewinde der Kortikalisschraube darin gleiten kann. Das Gewinde fasst dann nur in derGegenkortikalis und presst die Bruchflächen aufeinander(⊡ Abb. 9.40).

568 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.39 Minderdurchblutete Zone unterhalb einer Osteosyn-theseplatte mit Vollkontakt. [Quelle: Müller ME et al. (1992), S. 63,Abb. 1.34a]

⊡ Abb. 9.40 Prinzip der konventionellen Plattenosteosynthese bei kurzer Schrägfrakturdes Femurs. Die interfragmentäre Kompres-sion wird durch eine schräg eingebrachteZugschraube aufgebaut. Eine Spongiosa-anlagerung medial kann die Bruchheilung beschleunigen und einem Plattenbruch vorbeugen. [Quelle: Müller ME et al. (1992),S. 547, Abb. 12.8]

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Die Platte wird im Frakturbereich vorgebogen, so-dass sie sich an dieser Stelle konvex von der kortikalenOberfläche des Röhrenknochens abhebt. Wenn sie mitdieser so genannten Vorspannung festgeschraubt wird,vermittelt sie einen Anpressdruck im Bereich der Bruch-flächen der Gegenkortikalis (⊡ Abb. 9.41). Falls bereitsdurch Zugschrauben eine maximale Kompression imBruchflächenbereich erzielt werden konnte,wird die Plat-te neutral montiert. Die Schraubenlöcher werden dannnicht exzentrisch versetzt, sondern neutral vorgebohrt,damit die erreichte Reposition an den schrägen Bruch-

flächen nicht durch Scherkräfte gestört wird. Die Plattedient dann nicht mehr dazu, die Kompression im Bruch-spalt zu mehren,sondern ausschließlich dazu,die Frakturzu schienen.

Überbrückungsplattenosteosynthese. Bei Trümmerbrü-chen können die beschriebenen Konstruktionsprinzipiender Plattenosteosynthese nicht umgesetzt werden, weildie Abstützung der beiden Hauptfragmente zueinanderfehlt. In solchen Fällen wird das Implantat als inne-rer Fixateur verwendet. Man spricht bei dieser Über-

95699.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb. 9.41 Die Auswirkung des Vorbiegens der Platte und der Reihen-folge des Einbringens der Schrauben auf die axiale Kompression: a Eingeringes Vorbiegen ergibt eine minimale oder fehlende Kompressionder gegenüberliegenden Kortikalis. b Bei gut dosierter Vorbiegung derPlatte entsteht eine gleichmäßige Kompression im Bereich der gesam-ten Bruchfläche. c Während bei zu starker Biegung der diesseitige

Bruchspalt klafft. d Als erstes müssen immer die frakturnahen Schrau-ben festgezogen werden. e Andernfalls würde sich die Platte verkürzteinstellen und beim abschließenden Festziehen der frakturnahenSchrauben den Bruchspalt plattennah wieder öffnen. [Quelle: MüllerME et al. (1992), S. 43, Abb. 1.21 und 22]

a

b

ce

d

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brückungsplattenosteosynthese deshalb auch vom „Plat-tenfixateur“. Die gewebeschonende Technik, die auf dieBiologie der Knochenbruchheilung Rücksicht nimmt,hat sich aufgrund der guten Ergebnisse, die damit erzieltwerden können, schnell durchgesetzt.

Die knöcherne Heilung wird nicht nur durch die Ru-higstellung im Bruchbereich erreicht, sondern auch da-durch,dass die Trümmerzone soweit wie möglich in ihremWeichteilverbund belassen wird. Dazu wird die Platteüber einen kurzen Zugang von distal her eingebracht.Etwa an der Stelle, an der später das Plattenende zu liegenkommt, wird ein Zugang von etwa 10 cm Länge geschaf-fen. Die Zugangsebene bleibt dieselbe, wie sie für denlateralen Zugang zum Femur beschrieben ist (s. Kap. 19„Zugänge“). Dann wird die Fraktur unter Zug am Beinhinsichtlich Länge,Achse und Rotation geschlossen repo-niert und eine ausreichend lange Platte epiperiostal unterdem M. vastus lateralis auf dem Femur nach proximalhochgeschoben in ein zuvor geschaffenes zweites Zu-gangsfenster. Dieses zweite Fenster wird in Höhe des pro-ximalen Plattenendes geschaffen. In der Regel reicht einetwa 6–8 cm langer Schnitt durch Haut, Subkutis undTractus iliotibialis aus.Dann dehnt man die Muskulatur inFaserrichtung mit 2 Hohmann-Hebeln, die ventral unddorsal des Femurschaftes eingesetzt werden, auf, um sichvon der korrekten Plattenlage zu überzeugen. Die Trüm-merzone wird auf diese Weise überbrückt, ohne sie zueröffnen.Anschließend werden die einzelnen Schrauben-löcher über Stichinzisionen perkutan mit Schrauben be-setzt. b b�����������������

Es kann sehr hilfreich sein, statt einer Stichinzision

eine 2–3 cm lange Hautinzision vorzunehmen und

von hier aus gleich 2 oder 3 benachbarte Schrauben-

löcher auf einmal zu besetzen. Der etwas größere

Zugang ermöglicht, die Lage der Platte mit dem Fin-

ger exakter unter der Muskulatur zu lokalisieren und

dies wiederum hilft, Fehlbohrungen zu vermeiden.

Nach dem Setzen der kurzen Hautinzision wird die

darunter liegende Subkutis gespalten. Dann wird

unter Bildwandlerkontrolle mit der Präparierschere

ein transmuskulärer Kanal geschaffen, eine Bohr-

büchse eingeführt, das Schraubenloch vorgebohrt,

die Länge bestimmt und eine Schraube gesetzt. Das

Vorgehen wird durch die Verwendung selbstschnei-

dender Schrauben deutlich erleichtert. Dann kann

auf den Einsatz des Gewindeschneiders verzichtet

werden, der beim perkutanen Vorgehen problema-

tisch sein kann. Der Gewindeschneider erfasst sehr

leicht Muskelgewebe, wenn es nicht gelingt, seine

Schutzhülse ganz ins Schraubenloch vorzuschieben.

Außerdem wird ein zeitaufwändiger Arbeitsschritt

eingespart.

Bei der elastischen Plattenosteosynthese werden dritteFragmente oder Stückfrakturen nicht gefasst, sondernnur überbrückt.Direkt verschraubt werden nur die beidenHauptfragmente. Dies ermöglicht Mikrobewegungen imBereich der Fraktur und ein Schwingen der Platte; beidesfördert die Kallusbildung.Eine Relativbewegung im Frak-turbereich bis zu einem Millimeter ist günstig für die Kal-lusbildung.Bei Relativbewegungen über einen Millimeterzerreißen die sich bildenden Knochenbälkchen immerwieder und eine Pseudarthroseentwicklung droht. Eineelastische Plattenosteosynthese funktioniert deshalb nur,wenn das Periost konsequent geschont wird. Insgesamteignet sich dieses Verfahren bei Frakturen im Schaftbe-reich,bei denen es im Hinblick auf die Stellung nur auf dieAchse, Rotation und richtige Länge ankommt. Bei Ge-lenkfrakturen ist dagegen eine anatomische Repositionnotwendig. Hier ist das Verfahren der Wahl die stabilePlattenosteosynthese (Stürmer 2003).

Seit 1994 setzt Stürmer am Schaft überhaupt keineZugschrauben mehr ein, sondern montiert in dieser Re-gion nur noch elastische überbrückende, im Frakturbe-reich gedeckte Plattenosteosynthesen. Dazu gehört, dassdie Schrauben von der Frakturzone weit genug entferntgesetzt werden, damit sich die Relativbewegungen mög-lichst langstreckig verteilen und nicht im Frakturbereichkonzentrieren, denn dies würde zu einem punktuellenStress im Bereich der Platte und letztlich zum Ermü-dungsbruch des Implantats führen (⊡ Abb. 9.42).b b�����������������

Muhr hat eine grobe Faustregel formuliert, die den

Abstand der Schrauben von der Fraktur bei der elasti-

schen Plattenosteosynthese definiert: Der Schrauben-

abstand soll etwas größer sein als der Durchmesser

des Knochenquerschnitts an der jeweiligen Stelle

beträgt. Bei kurzen Trümmerzonen ist dies besonders

wichtig, damit man eine ausreichend lange Schwing-

strecke für das Implantat bekommt. Bei langen Trüm-

merzonen kann man dagegen unmittelbar frakturnah

ansetzen, weil ohnehin eine lange Überbrückung

und somit auch eine lange Schwingzone besteht

(Muhr 2003).

Verbundosteosynthese. Bei Frakturen mit osteolyti-schem Substanzdefekt kann eine Verbundosteosyntheseindiziert sein.Abhängig von der Lokalisation einer Osteo-lyse wird der Zugang so gewählt, dass sie möglichst vonlateral ausgeräumt werden kann. Dann werden Achse,Länge und Rotation korrigiert, eine ausreichend dimen-sionierte Platte an den Femurschaft angelegt und vorläu-fig mit 2 Verbrugge-Zangen fixiert. Da es sich um einenPalliativeingriff handelt und nicht zu erwarten ist, dassdie Fraktur im weiteren Verlauf konsolidiert, sondern dieStabilität auf Dauer allein durch das Implantat vermittelt

570 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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wird, muss die Platte in beiden Hauptfragmenten mög-lichst langstreckig verankert und die Defektzone mitKnochenzement überbrückt werden, damit sich die bei-den Hauptfragmente abstützen können.

Ist der Knochenzement eingebracht,muss alles Weite-re sehr schnell gehen, weil einmal ausgehärteter Zementkaum zu durchbohren und mit Schrauben zu besetzen ist.Deshalb ist eine gute Planung des intraoperativen Vorge-hens Voraussetzung für das Gelingen der Osteosynthese.Zunächst wird die Platte an die intakten Anteile beiderHauptfragmente festgeschraubt. Schrauben passenderLänge werden bereitgelegt, die später in den Knochenze-ment, der den Defekt ausfüllen soll, eingesteckt werden,solange der Zement noch weich ist.Die Schrauben könnenaber auch schon vor dem Einbringen des Zements in diePlattenlöcher geschoben werden. Wenn anschließend der Zement eingebracht wird, muss er bereits soweit abgebunden haben, dass er plastisch formbar ist, sonstverläuft er. Dann ist es viel schwieriger, die Form des resezierten Knochensegments nachzubilden. Im nochweichen Zement werden die Schrauben ausgerichtet.Festgezogen werden sie aber erst, wenn der Zement abge-bunden hat.Dabei empfiehlt sich,Sahl- statt Titanimplan-tate zu verwenden, weil die Schraubenköpfe der schrägeingebrachten Schrauben bei Titanimplantaten leichtbrechen.

Indikationsspektrum der Plattenosteosynthese. In fol-genden Fällen kann eine Plattenosteosynthese indiziertsein:

Übersichtb b

�����������������Indikationen

Höhergradig offene Frakturen

Offene Wachstumsfugen

Distale Schaftfrakturen

Polytrauma

Frakturen in der Gravidität

Pathologische Frakturen

Periprothetische Frakturen

Höhergradig offene Frakturen. Bei ausgedehnten Weich-teilschäden, die ohnehin eine Intervention im Fraktur-bereich erforderlich machen, sodass die Vorteile eines ge-schlossenen Vorgehens nicht mehr zum Tragen kommen,kann eine Plattenosteosynthese das geeignetste Verfahrensein. Begleitende Gefäßverletzungen müssen notfallmä-ßig rekonstruiert werden. Dann bietet sich aus Gründender Zeitersparnis, der optimalen Lagerungsmöglichkeitund der Notwendigkeit eines offenen Vorgehens die Plat-tenosteosynthese an.

95719.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Abb. 9.42 a Femurschafttrümmerfraktur eines polytraumatisierten Patienten, die mit einer elastischen Plattenosteosynthese versorgt wurde.b Ausheilungsbilder 6 Monate nach dem Unfall. [Quelle: K. M. Stürmer, Göttingen]

a b

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Offene Wachstumsfugen. Bei offenen Wachstumsfugenim Kindes- und Jugendlichenalter ist das Verfahren derWahl zwar die Markraumschienung mittels elastischer Ti-tanstifte (s. Kap. 13 „Kindliche Verletzungen“). Da diesesVerfahren jedoch nur eine eingeschränkte Primärstabi-lität vermittelt, ist es für kleine Kinder besser geeignet alsfür größere.Bei Jugendlichen,die schon relativ lange Röh-renknochen bei noch offenen Fugen haben, kann dieszum Problem werden. Die Patienten haben oft wochen-lang deutliche Beschwerden und sind anhaltend immobi-lisiert. Dies ist nicht nur bezüglich der erhöhten Throm-bosegefahr nachteilig, sondern natürlich auch im Hin-blick auf den muskulären und konditionellen Abbau.Hiererscheint die Plattenosteosynthese als eine mögliche Al-ternative, die Patienten schneller schmerzarm und mobilzu bekommen. Allerdings besteht der Nachteil in einerhöheren Gewebetraumatisierung und Narbenbildung.Man muss deshalb in jedem Einzelfall neu entscheidenund in Absprache mit den Betroffenen Vor- und Nachtei-le abwägen.

Distale Schaftfrakturen. Bei Frakturen im distalen Fünf-tel des Femurs bietet sich neben der retrograden Mark-nagelung die Plattenosteosynthese an.Der Halt im kurzengelenknahen Hauptfragment kann durch Einsatz einerWinkelplatte erhöht werden. Da die Winkelplatte jedochnur in der Hand dessen, der mit diesem Implantat aus-reichend Erfahrung sammeln konnte, gute Ergebnissebringt, empfiehlt sich der Einsatz der dynamischen Kon-dylenschraube (DCS). Dieses Implantat ist technisch we-sentlich einfacher zu handhaben (s. dazu die Abschn.„Trochantere Frakturen“ und „Distale Frakturen“).

Polytrauma. Der polytraumatisierte Patient benötigt inder anfänglichen kritischen Phase eine möglichst scho-nende und wenig zeitaufwändige Versorgung.Da er durchFetteinschwemmung und Mediatorenausschüttung be-droht wird, solange die Fraktur nicht stabilisiert ist, wirdeine möglichst frühzeitige Fixierung angestrebt. Implan-tat der Wahl für diese Indikation ist der Fixateur externe,weil die Fraktur damit am schnellsten und schonendstenvorübergehend stabilisiert werden kann (s. oben „Fixa-teur externe“). Deshalb stellt die Plattenosteosynthesenur ein Ausweichverfahren dar und kommt nur dann zumEinsatz, wenn der Fixateur externe aus irgendeinemGrund einmal nicht verfügbar sein sollte oder, wie obenerwähnt, Begleitverletzungen ein offenes Vorgehen ohne-hin indizieren.

Frakturen in der Gravidität. Insbesondere im ersten Tri-menon ist die Frucht sehr strahlensensibel. Die Versor-gung mit einem Marknagel ist jedoch nicht selten miteiner erheblichen Strahlenexposition verbunden. Tisch-anteile und Implantate verursachen Streustrahlung, dieden Fetus gefährden. Hier ist die Plattenosteosynthese

eine ideale Alternative, weil das Femur unter Sicht ohneEinsatz von Röntgenstrahlung definitiv stabilisiert wer-den kann, ohne auf die Vorteile einer funktionellen Nachbehandlung, die ja gerade für die thrombosegefähr-dete Schwangere von großem Vorteil ist, verzichten zumüssen.

Pathologische Frakturen. Pathologische Frakturen kön-nen auf dem Boden einer Osteoporose oder eines tumo-rösen Geschehens entstehen. Sie nehmen zahlenmäßigzu, weil die durchschnittliche Lebenserwartung und auchdie Überlebenszeit bei Karzinomen im Zuge des medizi-nischen Fortschritts steigen.

Osteoporotische Schaftfrakturen werden zwar am be-sten mit aufgebohrten Marknägeln versorgt,da die Mark-raumweite bei ausgeprägter Osteoporose erheblich seinkann und die dünnen soliden Nägel in den osteoporotischgeschwächten Röhrenknochen zu wenig Halt vermitteln,aber bei peripherer Frakturlage kann die Plattenosteo-synthese eine gute Alternative darstellen.

Eine der Prädilektionsstellen für Metastasenwachs-tum ist das proximale Femur. Dies korreliert mit einer er-höhten Durchblutung in diesem mechanisch stark bean-spruchten Bereich. Bei Frakturen mit osteolytischemSubstanzdefekt ist eine Verbundosteosynthese indiziert(s. oben). Bei drohenden Frakturen ist ein prophylakti-sches operatives Vorgehen angezeigt, wenn eines der bei-den folgenden Kriterien gegeben ist: therapieresistenter Schmerz, Belastungsunfähigkeit, drohende Fraktur.

Voraussetzung für ein operatives Vorgehen ist selbstver-ständlich, dass der Patient noch narkosefähig ist. Die Ver-bundosteosynthese kann mit einer Platte oder aber einemMarknagel durchgeführt werden.Bei proximalem Sitz derMetastase kann die Endoprothese das geeignetere Verfah-ren sein. Im diaphysären Bereich kommen bei ausge-dehnter Osteolyse neben Knochenzement als Platzhalterauch Spenderknochen oder Metallkörper infrage. Da derTumor in der Regel nur intraläsional oder bestenfallsmarginal ausgeräumt werden kann, ist immer eine adju-vante Strahlentherapie angezeigt (Wirbel u. Mutschler1999).

Periprothetische Frakturen. Auch für diese Indikationbesteht die Möglichkeit der Plattenosteosynthese. Aller-dings ist sie nur dann sinnvoll, wenn die Prothese einenfesten Sitz hat und nicht gewechselt werden muss undwenn das proximale Hauptfragment ausreichend Platzzur stabilen Verankerung der Platte lässt, und zwar so-wohl von Seiten der Fragmentlänge als auch von der Kor-tikalisdicke her (s. unten Abschn. 9.6 „PeriprothetischeFrakturen“).

572 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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Nachbehandlung

Postoperativ werden die üblichen abschwellenden Maß-nahmen u. a. mit Hochlagerung des Beins eingesetzt. Jenach erreichter Stabilität wird eine Mobilisierung mitmehr oder weniger Belastung angestrebt. Grundsätzlichsollte eine 15 kg Teilbelastung, die in etwa dem Eigenge-wicht des Beins entspricht, möglich sein.

Die Redon-Drainagen werden meist am 2. postopera-tiven Tag entfernt. Anschließend werden Frakturstellungund Implantatlage röntgenologisch in 2 Ebenen doku-mentiert.Sehr wichtige begleitende physiotherapeutischeMaßnahmen bei Frakturen in diesem Bereich sind dieProphylaxe der tiefen Beinvenenthrombose, der Bewe-gungseinschränkung angrenzender Gelenke und dermuskulären Atrophie. Die Beweglichkeit der angrenzen-den Gelenke kann auf sehr einfache und effektive Weisemit motorgetriebenen so genannten CPM-(„continuouspassive motion“-)Schienen bewerkstelligt werden.

Sechs Wochen postoperativ wird erneut geröntgt undanschließend über eine mögliche Belastungssteigerung,abhängig von der mittlerweile eingetretenen Knochen-neubildung entschieden. Nach zwölf Wochen erfolgt eineweitere Röntgenkontrolle. In den meisten Fällen ist zudiesem Zeitpunkt eine Vollbelastung möglich.

Bei stabilen Brüchen mit guter Abstützung ist nach er-folgter Markraumschienung mit primär dynamischerVerriegelung auch eine höhere Belastung bis hin zur Voll-belastung möglich. Bei Brüchen mit schlechter Abstüt-zung und statischer Verriegelung wird das verletzte Beinwährend der ersten 6–12 Wochen nicht über sein Eigenge-wicht hinaus belastet.Wann die Belastung gesteigert wer-den darf, wird in jedem Einzelfall individuell anhand der

Röntgenverlaufskontrollen entschieden, die das Ausmaßder Kallusbildung erkennen lassen. Dasselbe gilt für Plat-tenosteosynthesen.

Die Implantatentfernung nach Marknagelosteosyn-these erfolgt nach 1–2 Jahren allerdings nur dann, wenndas Implantat irgendwelche Beschwerden verursacht. Beibiologisch älteren Patienten können die Implantate ohne-hin belassen bleiben. Plattenosteosynthesen brauchenu. U. längere Heilungszeiten. Bevor eine Platte entferntwird, sollte der Frakturspalt komplett durchbaut sein.

Komplikationen und Prognose

Mögliche Komplikationen sind Nachblutung, Infektion,verbliebene Fehlstellung, Achsen- oder Drehfehler,Thrombose, Embolie, Korrekturverlust, verzögerte oderausbleibende Frakturheilung und Implantatversagen(⊡ Tabelle 9.5).

Nachblutung und Infektion. Bei massiven Hämatomenist eine operative Ausräumung und Drainage erforder-lich, um einer späteren Infektion vorzubeugen und denHeilungsprozess zu beschleunigen. Bei Weichteilinfektio-nen sollte die Wundhöhle möglichst rasch débridiert undalles nekrotische Gewebe radikal exzidiert werden. DerEinsatz der gepulsten Lavage mit großen Mengen an Spül-lösung kann hilfreich sein. Die Gewebe werden blankgespült, dadurch kann deren Durchblutung wesentlichbesser beurteilt und gezielt minderdurchblutete Arealedébridiert werden. Festsitzende Implantate brauchen beifrühzeitigem Eingreifen nicht zwingend entfernt zu wer-den. 48–72 h später schließt sich eine geplante „Second-look-Operation“ an, um sicher zu gehen, dass sich das

95739.4 · Femurschaftfrakturen

⊡ Tabelle 9.5. Komplikationsraten des unaufgebohrten Femurnagels und der Plattenosteosynthese bei Femurschaftfrakturen

Implantat Komplikationen Rate [%] Literatur

Femurnagel (UFN) Schenkelhalsfraktur 5,1 Krettek et al. 1994Erweiterung der Fraktur 7,7Bolzenverbiegung 2,6Dislokation der Fraktur 2,6Bolzenbruch 5,1Nagelbruch 2,6Infekt 2,6Rotationsfehler <10 % 5,1Beinverkürzung oder -verlängerung >20 mm 7,7Verzögerte Bruchheilung oder Pseudarthrose 0

Plattenosteosynthese Plattenbruch 3,7–7,5 Riedl et al. 1993;Plattenausriss 3,5–3,7 Wagner u.Weckbach 1994Infektion 2,5–3,7Verzögerte Bruchheilung 3,0–5,6Pseudarthrose 4,5Fehlstellung 0,9–2,5Refraktur 3,7Beinlängendifferenz 5,0

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Geschehen beruhigt hat und um frühzeitig neu aufgetre-tene oder bei der Erstrevision übersehene Gewebenekro-sen oder Hämatome ausräumen zu können.

Fehlstellungen. Verbliebene Drehfehler oder Achsknickesollten frühzeitig, bevor eine Konsolidierung eintritt,korrigiert werden. Der dafür notwendige Aufwand ist oftgar nicht besonders hoch.Drehfehler beispielsweise lassensich sehr einfach durch Lösen und Neuanlage der distalenoder proximalen Verriegelung beseitigen. Bei unklaremBefund hilft eine computertomographische Rotations-analyse weiter. Dabei wird die Stellung der Schenkelhals-gegenüber der Kondylenebene im Seitenvergleich be-wertet.

Varus- oder Valgus- beziehungsweise Ante- oder Re-kurvationsfehlstellungen sind wesentlich schwieriger zubeseitigen. Sie treten insbesondere bei peripher gelege-nen Frakturen und grenzwertiger Indikation zur Mark-nagelosteosynthese auf,wie z. B. im subtrochanteren oderdistalen Femurabschnitt. Sie sind meist nur durch einenVerfahrenswechsel korrigierbar. Beispielsweise kann derWechsel von einem unaufgebohrten Verriegelungsnagelauf einen proximalen Femurnagel oder eine DCS notwen-dig werden.

Verzögerte oder ausbleibende Frakturheilung. Bei ver-zögerter Frakturheilung ist eine Spongiosaplastik indi-ziert. Je nach Größe des Defekts geht man dabei perkutanoder offen vor. Wenn es gilt, durch Einbringen vitalerKnochenzellen die Frakturheilung zu beschleunigen, bie-tet sich das perkutane Vorgehen an. Die Durchblutung imFrakturbereich wird dadurch nicht beeinträchtigt. Dieperkutane Entnahme von Spongiosazellen mit einemMetallsauger ist in Kap.19, „Zugänge“, beschrieben. Diegewonnenen Zellen werden unter Bildwandlersicht übereine dicke Kanüle am gewünschten Ort instilliert.

Hypertrophe Pseudarthrosen im Schaftbereich sindAusdruck einer instabilen Osteosynthese und lassen sichhäufig durch Aufbohren und Schienung mit einem dicke-ren Nagel ausheilen, denn durch die Verlängerung derdiaphysären Verklemmung entsteht mehr Stabilität, undbeim Aufbohren gelangt Bohrmehl in den Pseudarthro-senbereich.

Implantatversagen. Implantatversagen treten immerwieder nach Plattenosteosynthesen auf, kommen aberauch nach Verriegelungsnagelung vor.Gebrochene Plattenmüssen entfernt und die noch nicht stabil verheilte Frak-tur neu osteosynthetisch versorgt werden. Dabei wird inder Regel ein Verfahrenswechsel auf einen Verriegelungs-nagel, evtl. kombiniert mit einer Spongiosaplastik, ge-wählt. Gebrochene Nägel werden entfernt und durchneue, evtl. dickere und aufgebohrte Nägel ersetzt, ggf. mitgleichzeitiger Spongiosaplastik.

Die Prognose, dass Femurschaftfrakturen zeitgerechtinnerhalb von 3–4 Monaten ausheilen, ist mit über 90 %sehr gut. Eine erhöhte Rate an Achsenfehlstellungen,Pseudarthrosen oder Implantatversagen droht nur beiTrümmerbrüchen oder weit peripher gelegenen Fraktu-ren. Während, wie bereits erwähnt, hypertrophe Pseud-arthrosen durch Aufbohren und Einsetzen eines dickerenNagels zur Ausheilung gebracht werden können,bedürfenatrophe Pseudarthrosen neben einer geeigneten Stabili-sierung in jedem Fall der zusätzlichen Anlagerung auto-loger Spongiosa. Hartnäckige Infekte sind u. U. nur miteinem Segmenttransport zu beherrschen.

9.5 Distale Femurfrakturen

Ätiologie

Während beim osteoporotisch geschwächten Knochendes älteren Menschen schon eine geringere Gewalteinwir-kung ausreicht, bedarf es beim jungen Patienten erheb-licher Kräfte, um das distale Femur brechen zu lassen.Beim alten Menschen sind meist bloße Stürze Unfallur-sache, beim jungen dagegen Armaturenbrettanprall undZweiradunfälle.

Beim Anprall des gebeugten Knies gegen einen festenWiderstand wird die Kniescheibe wie ein Keil zwischendie Kondylen getrieben und spaltet sie in der Ebene deskondylären Gleitlagers. Bei gestrecktem Knie schlägt der Tibiakopf gegen die Oberschenkelrollen und es entste-hen Abscherfrakturen. Wenn größere Gewalt einwirkt, istauch der Weichteilmantel stärker in Mitleidenschaft gezo-gen. Dies spielt insbesondere bei Zweiradunfällen eineRolle,bei denen häufig höhergradig offene Frakturen ent-stehen.

Nur in einem Fünftel der Fälle liegt die distale Femur-fraktur als isolierte Verletzung vor; ein Drittel der jünge-ren Patienten sind polytraumatisiert; die übrigen Patien-ten haben Begleitverletzungen. Fast die Hälfte der intra-artikulären Frakturen sind offen (Kinzl 2000).

Klinik

Neben den üblichen Zeichen, wie Schwellung, Schmerzsowie Bewegungs- und Belastungsunfähigkeit, fällt einintraartikulärer Erguss, verbunden mit einer deutlichenInstabilität,auf.Außerdem sind in 3 % der Fälle die vasku-lären Strukturen der Kniekehle verletzt und in 1 % nerva-le, weshalb man die periphere Sensibilität, Motorik undDurchblutung akribisch prüfen und das Untersuchungs-ergebnis exakt dokumentieren sollte. In rund 10 % derFälle liegen begleitende Verletzungen der Menisken oderosteochondrale Frakturen vor (Kinzl 2000).

Diagnostik

Der klinischen Untersuchung, die in den meisten Fällenbereits zur richtigen Diagnose führt, schließt sich die ra-

574 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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diologische Diagnostik an. Das distale Femur mit Knie-gelenk wird in 2 Ebenen geröntgt. CT- oder MRT-Bilderkönnen in wenigen Ausnahmefällen zur Abklärung unkla-rer Frakturverläufe oder intraartikulärer Begleitverlet-zungen hilfreich sein.

Der Unfallhergang sollte entweder eigen- oder fremd-anamnestisch erfragt werden,um mögliche Begleitverlet-zungen nicht zu übersehen. Beim Armaturenbrettanprallkönnen beispielsweise auch eine hintere Kreuzbandrup-tur, eine Zweietagenfraktur des Femurs oder eine Aceta-bulumfraktur vorliegen und bei einer stattgehabten axia-len Krafteinwirkung eine Kalkaneusfraktur, Beckenring-verletzung oder Wirbelbrüche. Die Bandstabilität desKniegelenks lässt sich erst beurteilen, wenn das distaleFemur osteosynthestisch versorgt ist. Deshalb wird dieserst intraoperativ geprüft.

Bei unklarem Gefäßstatus hilft eine Doppler-Sono-graphie weiter. Bei fehlenden Pulsen muss insbesonderebei alten Patienten differentialdiagnostisch auch eineetwaige arterielle Verschlusskrankheit in Erwägung gezogen werden. Bei manifester Gefäßverletzung wirdunverzüglich die Fraktur reponiert und stabilisiert, umanschließend die Rekonstruktion des Gefäßes vorneh-men zu können. Eine präoperative Angiographie ist des-halb nicht indiziert, weil sie nur unnötige Zeit kostet undlediglich eine Momentaufnahme des Gefäßstatus in Ab-hängigkeit der Frakturstellung darstellt.Viele Verschlüssesind allein Folge einer Knickung durch Fragmentdruckoder Verkürzung bzw. Fehlstellung eines Bruchs. Sie sinddurch eine regelrechte Reposition einfach zu beheben.Falls nach erfolgter Reposition immer noch keine Fuß-pulse tastbar sein sollten, ist ohnehin die unmittelbareRevision des Gefäßes indiziert (s. Kap. 14 „Gefäßverlet-zungen“).

Klassifikation

Die Klassifikation der Frakturen (s. das gleichnamigeKap. 25) unterscheidet zwischenTyp A: extraartikulärer Fraktur:

A1 einfache, extraartikuläre Fraktur,A2 mit metaphysärem Keil,A3 metaphysär mehrfach.

Typ B: partiell artikulärer Fraktur:B1 sagittale Fraktur des Condylus lateralis,B2 sagittale Fraktur des Condylus medialis,B3 frontale Fraktur.

Typ C: vollständig artikulärer Fraktur:C1 artikulär und metaphysär einfach,C2 artikulär einfach, metaphysär mehrfach,C3 artikulär mehrfach.

Therapie

Da wie überall am Bein die korrekte Länge, Achse undRotation für die spätere uneingeschränkte Belastung vongroßer Bedeutung und eine langwierige Immobilisierung

in einer ruhigstellenden Hülse mit erheblichen Risikenwie Thromboembolie und Dystrophie verbunden ist,bleibt die konservative Behandlung wenigen Ausnahme-fällen vorbehalten. Solche Ausnahmen können bei erhöh-tem Narkoserisiko einerseits und relativ guter Bruchstel-lung andererseits gegeben sein.

Das Bein wird dann zunächst in einem gespaltenenund nach Abschwellung in einem geschlossenen Ober-schenkelliegegips, der später gegen einen Tutor ausge-tauscht werden kann, ruhiggestellt. Die Ruhigstellung erfolgt in 15°- bis 20°-Kniebeugung. Nach Anlage desGips- oder rigiden Kunststoffverbands wird die Stellungder Fraktur radiologisch kontrolliert. Eine begleitendeThromboembolieprophylaxe mit niedermolekularemHeparin und isometrischen Übungen ist von größter Be-deutung. Die Ruhigstellung soll nach Möglichkeit nichtlänger als 6–8 Wochen dauern, damit das Kniegelenknicht einsteift. Außerdem gefährdet eine anhaltende Ru-higstellung die Knorpelernährung aufgrund des fehlen-den Walkeffektes.

Wann immer aber eine Anästhesie möglich erscheintund der Patient in so gutem Zustand ist, dass er von einerfrühfunktionellen Therapie profitiert,wird eine operativeStabilisierung angestrebt.

Operationsvorbereitung. Nicht nur begleitende Gefäß-verletzungen zwingen zum sofortigen Handeln, sondernauch die häufigen begleitenden Weichteilschäden. OffeneWundflächen sind ein idealer Nährboden für Keime, diebei einem verzögerten operativen Vorgehen das Infek-tionsrisiko erheblich steigern würden. Falls ein Polytrau-ma vorliegt, gelten dieselben Richtlinien wie bei den Fe-murschaftfrakturen, weil auch hier die Gefährdung durchFett- und Mediatoreneinschwemmung besteht.

Nur bei blanden Hautverhältnissen und wenig ausge-prägter Weichteilschwellung ist ein frühelektives Vorge-hen gerechtfertigt. Das verletzte Bein muss präoperativauf jeden Fall in einer dorsalen Gipsschiene stabil gelagertwerden. Die dorsal angelegte Schiene ermöglicht, denFrakturbereich gezielt zu kühlen,was einen analgetischenund abschwellenden Effekt hat.

Folgende Verfahren stehen zur Verfügung: Fixateur externe, Osteosynthese mit einzelnen Schrauben, Plattenosteosynthese, retrograde Verriegelungsnagelung.

Fixateur externe. Bei höhergradigen Weichteilschädenoder polytraumatisierten Patienten kann eine initiale Sta-bilisierung mittels Fixateur externe indiziert sein. Dabeiwerden die Pins – wie am Oberschenkel auch – von lateraldurch den Tractus iliotibialis als Klammer unilateralmontiert. Ist die Montage mit einem Längsrohr nichtmöglich, wird eine Rohr-zu-Rohr-Montage angelegt, wo-bei für die Verbindung zwischen den beiden Einzelklam-

95759.5 · Distale Frakturen

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mern statt einer besser zwei Querstangen verwendet wer-den sollten,weil am Oberschenkel große Hebelkräfte wir-ken, die zu einer sekundären Dislokation führen können.Deshalb muss darauf geachtet werden, dass an jedemHauptfragment, soweit möglich, ausreichend große Ab-stände zwischen den beiden Schanz-Schrauben eingehal-ten werden, um günstige Hebelverhältnisse zu bekom-men.

Im gelenknahen Knochen sollen die Pins auf jedenFall extraartikulär platziert werden. Andernfalls könntesich durch eine Pin-tract-Infektion ein Gelenkempyementwickeln. Falls das distale Hauptfragment nicht ausrei-chend groß ist, wird die Montage gelenküberbrückendangelegt (⊡ Abb. 9.43). Am Unterschenkel können dieSchanz-Schrauben auch im medialen Aspekt der Tibiaverankert werden. Falls es sich anbietet, sollten die intra-artikulären Frakturen in gleicher Sitzung bereits mit ein-zelnen Klein- oder Großfragmentzugschrauben fixiertwerden, sodass ein anatomischer reponierter Gelenk-block vorliegt. Das erleichtert den später anstehendenVerfahrenswechsel und erspart u. U. eine Arthrotomie.Die Schrauben sollten bereits so positioniert werden,dass sie nicht mit der Lage des für den Verfahrenswechselgeplanten Implantats interferieren (⊡ Abb. 9.43).

Osteosynthese mit einzelnen Schrauben. Bei partiell ar-tikulären Frakturen des Typs B1 bis B3 ist eine Schrau-benosteosynthese indiziert. Für die sagittalen Abscher-frakturen am lateralen (B1) oder medialen Kondylus (B2)eignen sich 6,5er-Spongiosaschrauben mit mittellangem32-mm-Gewinde. Alternativ kommen auch durchbohrteSchrauben der Stärke 7,0 oder 7,3,die über einen Zieldrahteingebracht werden können, infrage. Bei osteoporotischgeschwächtem Knochen müssen Unterlegscheiben ver-wendet werden, andernfalls bekäme man zu wenig Kom-pression auf den Frakturspalt, weil die konischen Schrau-benköpfe in den weichen spongiösen Knochen einsinkenwürden. Wenn sich die Fraktur geschlossen reponierenlässt, können die Schrauben weichteilschonend perkutanüber Stichinzisionen eingebracht werden. Bei geschlosse-ner Reposition sollte die Stellung gleichzeitig arthrosko-pisch kontrolliert werden. Bei dieser Gelegenheit könnenbegleitende Meniskus- oder Knorpelverletzungen mitbe-handelt werden (⊡ Abb. 9.44).

Die partiell artikulären Frakturen des Typs B3, die inder Frontalebene verlaufen, werden ebenfalls lediglichinterfragmentär verschraubt. Die Reposition ist imGegensatz zu den sagittalen Brüchen meist nur offenmöglich.Da die Schrauben sehr nah der Gelenkfläche ein-

576 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.43. Gelenküberbrückender Fixateur externe (hier bei einer Tibiakopffraktur)

⊡ Abb. 9.44 Postoperative Röntgenbildern nachSchraubenosteosynthese einer Abscherfrakturdes lateralen Femurkondylus

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gebracht werden müssen, wählt man für diesen Zweckmöglichst schlanke Implantate – Kleinfragmentschrau-ben. Sie finden und vermitteln im spongiösen Knochenmeist erstaunlich guten Halt und haben den Vorteil, dassdie viel kleineren Schraubenköpfe in Gelenknähe wesent-lich weniger stören als die viel voluminöseren der Groß-fragmentschrauben. Die kleinen Schraubenköpfe würdenim weichen spongiösen Knochen ohne Unterlegscheibenallerdings unweigerlich einsinken, deshalb kann auf diesenur bei jungen Patienten mit harter Knochenqualität ver-zichtet werden. Es gibt Bruchverläufe, die es unmöglichmachen, eine oder alle Schrauben außerhalb der Gelenk-fläche einzubringen. Dann werden die Schraubenköpfeins subchondrale Niveau versenkt.

Plattenosteosynthese. Für die Frakturen des Typ A undC eignet sich die Plattenosteosynthese. Es stehen mehrereImplantatdesigns zur Auswahl: dynamische Kondylenschraube, Kondylenplatte, winkelstabile Platte.

Dynamische Kondylenschraube (DCS). Dies ist ein viel-fach bewährtes und weitverbreitetes Verfahren, mit demdie meisten distalen Femurfrakturen des Typs A und C gutversorgt werden können. Die DCS ist im Instrumenta-rium der dynamischen Hüftschraube (DHS) integriert.Als Konstruktionsprinzip liegt die winkelstabile Verbin-dung einer Osteosyntheseplatte mit einer zentralen kon-dylären Tragschraube zugrunde. Da die Tragschraube inder Plattenlasche gleiten und die seitliche Lage der Plattean der Flucht des Femurs durch einfaches Drehen über dieTragschraube ausgerichtet werden kann, ist ihre Montageweniger anspruchsvoll und komplikationsträchtig als dieder Winkelplatte. Außerdem kann das Schraubenloch fürdie Tragschraube vorgebohrt werden, was ohne großeKrafteinwirkung auf ein bereits rekonstruiertes und ver-schraubtes Kondylenmassiv möglich ist. Bei der Winkel-platte muss dagegen das Plattensetzinstrument in dasMassiv eingeschlagen werden.Dabei können zuvor einge-brachte Zugschrauben wieder ausreißen.b b�����������������

Diese Vorteile bedeuten aber nicht, dass die Montage

der DCS keine Schwierigkeiten bietet. Der Operateur

benötigt eine gute Vorstellung über die Ebenen im

distalen Femur, in denen die Kondylentragschraube

zum Liegen kommen soll und muss die spätere

Plattenlage in der Frontalebene sehr gut voraus-

berechnen, weil andernfalls leicht Varus- oder

Valgusfehlstellungen verursacht werden können.

Deshalb ist es sehr wichtig, die einzelnen Schritte der

Operation genau zu kennen und sie sich vor ihrem

Beginn noch einmal zu vergegenwärtigen.

Der Patient befindet sich in Rückenlage.Man eröffnet denSitus über einen lateralen Zugang zum distalen Femur (s.Kap. 19 „Zugänge“). Das Vorgehen wird erleichtert, wenndas Kniegelenk in 60°-Beugestellung auf einer Rolle gela-gert wird. Das ipsilaterale Gesäß sollte ebenfalls unter-polstert sein, damit das Bein in Neutral-Null-Rotationliegen bleibt und nicht dazu tendiert, sich nach außenwegzudrehen. Das spart Haltearbeit.

Es kann mit und ohne Blutsperrre operiert werden.Imeigenen Vorgehen wird meist aus Platzgründen auf eineBlutsperre verzichtet. Dafür wird auf eine sorgfältigeBlutstillung geachtet.Dies wirkt sich postoperativ günstigaus, weil weniger massive Schwellungszustände entste-hen. Es gibt aber Fälle, bei denen die Blutsperre notwen-dig wird wie bei niedrigem Ausgangs-Hb oder schwierigeinstellbaren Brüchen mit ausgedehnter Trümmerzone.Schwer einstellbare Frakturen mit Trümmerzone bedeu-ten eine verlängerte Operationszeit mit womöglich anhal-tender, hämodynamisch wirksamer Blutung.

Wenn die Fraktur intraartikulär ausmündet, muss zu-nächst die Gelenkfläche stufenfrei reponiert und ein sta-biler gelenkflächentragender Block geschaffen werden,der im nächsten Schritt mit dem distalen Hauptfragmentvereint wird. Wenn sich die Gelenkfläche unter bloßemZug am Bein anatomisch einstellt, wird das Repositions-ergebnis mit einer großen spitzen Repositionszange fixiert, indem man je eine Branche im lateralen und medialen Kondylus evtl. über zusätzliche Stichinzisioneneinsetzt.

Falls der Zug am Bein nicht ausreicht, muss der Zu-gang zum Schienbeinkopf hin soweit verlängert werden,dass die Kniescheibe nach medial luxiert werden kann.Dazu muss das laterale Retinaculum gespalten werden.Sogewinnt man eine gute Übersicht über die Gelenkfläche,kann etwaige Repositionshindernisse beseitigen und dieFraktur offen stellen. Gelegentlich kann es notwendigsein, auch die Gegenseite einzusehen, was durch zusätz-liches Längsspalten des medialen Retinaculums erreichtwird. In extrem schwierigen Fällen kann sogar der Ansatzder Patellarsehne abgelöst werden, um einen guten Zu-gang zur Gelenkfläche zu erhalten. Dann sollte man ihn aber möglichst en bloc mit einer stabilen Kortikalis-schale abmeißeln, um dieselbe beim Wundverschluss mit2 Kleinfragment- oder einer Großfragmentschraube stabilrefixieren zu können.

Wenn die Gelenkfläche in mehrere Fragmente zer-borsten ist, kann das Einrichten sehr schwierig sein. Es isthilfreich, die einzelnen Fragmente schrittweise miteinan-der zu vereinen. Für die Reposition können auch tempo-rär K-Drähte eingesetzt werden. Manche Fragmente sindnur mithilfe eines so genannten Joysticks in Form einesdicken K-Drahts oder einer Schanz-Schraube in einegelenkgerechte Position zu dirigieren.

Das Repositionsergebnis wird mit 2 oder 3 Interfrag-mentärschrauben fixiert. Dafür eignen sich beispiels-

95779.5 · Distale Frakturen

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weise 6,5er-Spongiosaschrauben oder noch etwas dickeredurchbohrte Schrauben mit mittellangem Gewinde – jenach Knochenqualität mit und ohne Unterlegscheiben.Oder es werden 4,0-Kleinfragment-Spongiosaschraubenverwendet, die insbesondere im festen Knochen jugend-licher Patienten hervorragenden Halt vermitteln und we-niger Platz belegen,denn die Schrauben müssen so einge-bracht werden, dass sie mit der Lage der späteren DCSnicht interferieren.

Die Lage der Platte in der Frontalebene wird von derPosition der Kondylenschraube bestimmt, denn die Plat-te wird nach Einbringen der Schraube über ihr Gleitlochaufgesetzt. Dies ergibt eine winkelstabile Verbindung. Da-bei muss bedacht werden,dass der physiologische Winkelzwischen Femurachse und mechanischer Achse einenValgusknick zwischen 5° und 10° aufweist. Das Implantat-design berücksichtigt dies. Das Gleitloch steht zur Plattein einem 95°-Winkel. Bei normalen Achsenverhältnissenkann daher die Kondylenschraube parallel zum Gelenk-spalt eingebracht werden. Als Richtwert ergibt sich einValgus der Femurachse von 5°. Falls bei kurzem Femurund ausladendem Becken ein verstärkter Valgus erforder-lich ist, muss die Kondylenschraube um die entsprechen-de Gradzahl verkippt zum Gelenkspalt eingebracht wer-den (⊡ Abb. 9.45 a–d).

Bei distalen Femurfrakturen werden die beiden Kon-dylen durch Zug der beiden Köpfe des M. gastrocnemiusin eine typische Fehlstellung mit dorsaler Verkippung ge-bracht. Darauf muss bei der Reposition geachtet werden.

Die Reposition kann durch vermehrte Flexion im Knie-gelenk erleichtert werden. Man orientiert sich dabei ander Flucht der antekurvierten ventralen Kortikalis, diesuprakondylär, wo sich das Femur verbreitert, in einendiskreten Gegenschwung in den Kondylus ausläuft.

Die Montage beginnt mit dem Legen eines Führungs-drahts, über den anschließend das Schraubenloch für dieKondylenschraube gebohrt wird. Die Schraube soll in derFlucht der Platte zu liegen kommen und diese wiederumin der Flucht des Markraums. Deshalb wird der Schrau-beneintrittspunkt in der Verlängerung des Markraumsetwa 2 cm von der Gelenkfläche entfernt im lateralenKondylus gelegt. Die Schraubenrichtung in der Frontal-ebene soll parallel zur Gelenkfläche, in der seitlichenEbene parallel zur Neigung des femoropatellären Gleitla-gers verlaufen. Diese Ebenen werden unter Bildwandler-kontrolle mit 2 K-Drähten markiert. Einer wird in denKniegelenkspalt, der andere auf dem nach dorsomedialgeneigten femoropatellären Gleitlager vorgeschoben(⊡ Abb. 9.46 a,b).

Nun ist die Lage des Führungsdrahtes durch den rich-tigen Eintrittspunkt und die mögliche Orientierung inden verbleibenden Ebenen soweit festgelegt, dass derDraht eingebohrt werden kann. Die Lage des Drahtesmuss in beiden Röntgenebenen kontrolliert werden. Sei-ne Spitze wird bis zur medialen Kortikalis vorgebohrt,damit die Länge der Schraube ermittelt werden kann. Siewird 10 mm kürzer gewählt. Dann wird über den Füh-rungsdraht aufgebohrt und die Kondylenschraube einge-

578 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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⊡ Abb. 9.45. a,b C3-Fraktur des distalen Femurs und der Patella beieinem 22-jährigen Motorradfahrer. c,d Stabilsierung mit einer DCS.

Rekonstruktion der Patella durch Resektion einer Trümmerzone undOsteosynthese mittels Zuggurtung

a b c d

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dreht.Gewindeschneiden muss man nur bei jugendlichenPatienten mit fester Knochenqualität.Wenn die Schraubeausreichend weit eingedreht ist, wird der Handgriff soeingestellt, dass er zur Flucht des Femurs parallel steht. Indieser Position lässt sich die Laschenplatte auf die Schrau-be schieben.

Dieser Vorgang kann erschwert sein, wenn die Laschegegenüber dem Schraubenende leicht verkippt ist. Dannverklemmen sich die Gleitflächen, und es ist nicht mög-lich, die Lasche auf die Schraube zu schieben. Keinesfallsist mit Gewalt nachzuhelfen, weil die Tragschraube imweichen spongiösen Knochen des distalen Femurs dabeiauslockern und im schlimmsten Fall die mediale Kortika-lis perforieren kann. Die Rotation und der rechte Winkelzur Schraubenrichtung muss möglichst exakt eingestelltwerden, dann gelingt es auch ohne nennenswerten Kraft-einsatz, die Platte aufzuschieben. Im Zweifelsfall emp-fiehlt es sich,den Bildwandler einzusetzen,der die Winkel-stellung sichtbar macht, oder den Schraubenzieher noch-mals aufzusetzen, anhand dessen nicht nur die korrekteRichtung, sondern auch die Rotation erkannt werdenkann.

Dies ist auch der Grund dafür, warum ein halboffenesbzw. perkutanes Vorgehen über einen kurzen distalenZugang beim Einsatz der DCS scheitern kann. Dadurch,dass die Laschenplatte epiperiostal unter dem M. vastuslateralis vorgeschoben werden muss, ist das kraniale Plat-tenende an den Femurschaft gefesselt. Dann kann es auf-grund der ungünstigen Hebelverhältnisse sehr schwierigoder sogar unmöglich sein, die Platte im rechten Winkelauf das Ende der Kondylenschraube zu schieben. Falls esnicht gelingt,durch eine verstärkte Valgisierung der Frak-tur für den Moment der Reposition die Lasche axial zurKondylenschraube auszurichten, kann eine Erweiterungdes Zugangs notwendig werden, um die Platte frei auf-schieben zu können.

Wenn die Platte auf die Tragschraube aufgeschobenist, kann sie einige Millimeter von der Zirkumferenz des

lateralen Kondylus abstehen, weil sie im Bereich desÜbergangs zur Lasche in vielen Fällen nicht exakt form-schlüssig zu den individuell stark schwankenden anatomi-schen Verhältnissen passt. Die Platte taucht dann distalnicht gänzlich in das vorgebohrte Laschenloch ein, stehtetwas vom äußeren Aspekt des lateralen Kondylus ab undirritiert später den Traktus. Um dem vorzubeugen, kannmit dem Meißel ein Bett für diesen Plattenanteil geschaf-fen werden. Das Implantat lässt sich dann formschlüssigan den lateralen Aspekt des Kondylus anschrauben undbeeinflusst die Reposition nicht.Auf das Einbringen einerKompressionsschraube kann bei formschlüssiger Lageverzichtet werden.

Im distalen Plattenanteil stehen 2 runde Schrauben-löcher zur Verfügung, die für 6,5er-Spongiosaschraubenvorgesehen sind. Damit wird eine zusätzliche Kompres-sion intraartikulär ausmündender Frakturen und gleich-zeitig eine Rotationssicherung des distalen Hauptfragmentsin der Sagittalebene erzielt. Proximal wird die Platte wieüblich mit mindestens 4 Schrauben verankert.Falls sich dieFraktur gut abstützt, kann über das Prinzip der dynami-schen Kompression durch exzentrisches Vorbohren derSchraubenlöcher oder zusätzliche Interfragmentärschrau-ben Kompression im Bruchbereich aufgebaut werden.

Bevor die Platte definitiv festgeschraubt wird, wird sienur provisorisch mit einer Verbrügge-Zange am proxi-malen Hauptfragment befestigt. Insbesondere wenn diePlatte sehr lang ist, kann es wegen der Antekurvation desFemurs leicht passieren, dass sie am proximalen Endeventral übersteht. Darauf muss bereits beim provisori-schen Fixieren der Platte geachtet werden. Die korrekteAchse, Länge und Rotation werden eingestellt und eineetwaige metaphysäre Trümmerzone nur hinsichtlich die-ser drei Kriterien durch Zug am Bein ausgerichtet, dennnicht die Position einzelner, extraartikulär gelegenerFragmente ist entscheidend, sondern deren periostalerVerbund, der unbedingt erhalten bleiben soll. Wenn dieTrümmerzone sehr ausgedehnt und die Knochenqualität

95799.5 · Distale Frakturen

⊡ Abb. 9.46. a Der richtige Eintritts-punkt für den Führungsdraht ergibtsich aus der Flucht des Markraumsund einem Abstand von 2 cm vonder Gelenkfläche.b,c Der Führungsdraht C wird parallel zu den beiden HilfsdrähtenA und B ausgerichtet. (Aus MüllerME et al. 1992, S. 276, Abb. 3.50 b,e)

a

c

b

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schlecht ist, kann man versuchen, die Bruchheilung zubeschleunigen, indem man die Fraktur bewusst verkürzteinstellt. b b�����������������

Wie bei den Schaftfrakturen auch orientiert man sich

bei der Einstellung der korrekten Rotation am Verhält-

nis der Trochanter- zur Kondylenebene – im Zweifels-

fall im Seitenvergleich. Die richtige Achse kann dage-

gen mit dem röntgenkontrastgebenden Kabel des

Elektrokauthers ermittelt werden. Die anatomische

Beinachse verläuft ja durch drei Punkte: das Zentrum

des Hüftkopfs, des Schienbeinkopfs und des Sprung-

beins. Das Kabel wird unter Bildwandlerkontrolle

mittig über Hüftkopf und Talus ausgerichtet, um die

Stellung des Knies in der Frontalebene im Verhältnis

zur Beinachse exakt beurteilen zu können.

Kondylenplatte. In bestimmten Fällen eignet sich wedereine bloße Schraubenosteosynthese noch eine DCS. Beieinfachen monokondylären Spaltbrüchen des Typs B1oder B2 und osteoporotischem Knochen kann es sein,dass die Schraubenköpfe trotz Unterlegscheibe zu wenigHalt vermitteln. In diesem Fall kann durch den Einsatzeiner 4,5 mm-T-Platte die Auflagefläche vergrößert unddurch die zusätzliche Fixierung der Platte am Schaft dieStabilität erhöht werden. Kondyläre Trümmerfrakturenvom Typ C3 lassen sich meist nur durch Einsatz zahl-reicher Interfragmentärschrauben rekonstruieren. Dabeimüssen die Schrauben häufig nicht nur in der Frontal-,sondern auch in der Sagittalebene eingebracht werden.Auch in solchen Fällen kann die Kondylenabstützplattehilfreich sein.Bei Defektbrüchen wird die Defektzone vonSchrauben mit durchgehendem Gewinde überbrückt. Indiesen Fällen wird kein Gleitloch gebohrt.

LISS-Traktor. Seit geraumer Zeit gibt es einen winkelsta-bilen inneren Plattenfixateur, das so genannte LISS („lessinvasive stabilization system“; Babst et al. 2001; Schandel-meier et al. 2000). Die Schrauben werden über Zielhilfenperkutan eingebracht. Sie sind selbstbohrend, selbst-schneidend und verbinden sich mit einem Gewinde amAußenrand des Schraubenkopfes winkelstabil mit einemGewinde im Plattenloch (⊡ Abb. 9.47 a,b).

Indiziert ist das System bei intraartikulär ausmün-denden Frakturen, weil die Möglichkeit besteht, vieleZugschrauben frei zu platzieren. Die Vielzahl der Schrau-ben erreicht auch bei den osteoporotisch bedingten Frak-turen alter Patienten ausreichend Stabilität. Außerdemwurde in einem Vergleich zwischen einem inneren Plat-tenfixateur und der Plattenosteosynthese nachgewiesen,dass die Frakturheilung beim Plattenfixateur signifikantbeschleunigt war (Schmeling et al. 2001).

Die perkutane Operationstechnik unter Einsatz einesAO-Distraktors haben Babst et al. (2001) anschaulich be-schrieben: Der Patient wird mit abgeklapptem, im Knie-gelenk um 90° gebeugtem Bein gelagert. Das andere Beinwird auf einer Schale hochgelegt oder,wenn es mitverletztist, soweit tiefer gelagert, dass das verletzte Bein seitlichgeröntgt werden kann. Wenn der Gelenkblock steht, wirdein kurzer lateraler Zugang über der Kondylenwangegelegt,ansonsten ein streckseitiger parapatellarer Zuganggeschaffen, um die Gelenkfläche ausreichend einsehenund mitversorgen zu können. Dafür eignen sich 3,5 mmstarke Kleinfragmentschrauben ideal,weil sie genug Platzfür die später einzubringenden LISS-Schrauben lassenund andererseits genug Verankerung finden,um die Repo-sition des Gelenkblocks stabil zu halten. Das LISS-Systemfunktioniert nicht nach dem Prinzip einer Plattenosteo-synthese, sondern durch die winkelstabile, knochennahemonokortikale Verankerung nach dem des Fixateur in-terne. Deshalb muss die Plattenlänge so gewählt werden,dass wenigstens 5 monokortikale Schrauben im proxima-len Hauptfragment zu liegen kommen. Unter Repositionder Fraktur durch Zug am Bein wird das Plattenende aufder Haut markiert und eine kleine Inzision in Höhe des3. Plattenlochs, von proximal gesehen, angelegt.Anschlie-ßend wird der Femurschaft mit 2 Hohmann-Hebeln um-fahren. Während der Assistent am gebeugten Knie weiteraxial zieht, wird die mit einem Zielbügel armierte Platteunter dem M. vastus lateralis auf der lateralen Femurkor-tikalis und der Membrana interossea nach proximal zwi-schen den beiden Hohmann-Hebeln durchgeschoben.Dann wird die LISS-Platte in gewünschter Höhe im kon-

580 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9 ⊡ Abb. 9.47. a LISS-Platte mit Schrauben. b LISS-Schraube und sche-matische Darstellung des winkelstabilen Verankerungsprinzips. (AusSchandelmaier et al., S. 429, Abb. 1 und Abb. 3)

a

b

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dylären Bereich mit 2 K-Drähten vorläufig fixiert. NachDemontage des Zielbügels werden 2 weitere K-Drähte alsZielhilfen zum Anzeigen der Gelenkspaltebene einerseitsund der Kondylenebene andererseits eingebracht (s.Abschn. „Dynamische Kondylenschraube“). Anschlie-ßend wird parallel zu den Hilfsdrähten eine Schanz-Schraube durch die LISS-Platte zentral ins Kondylen-massiv eingedreht und eine zweite perkutan, proximal der Plattenspitze. An den beiden Schanz-Schrauben wirdein Distraktor befestigt und die Fraktur damit bezüglichAchse, Rotation und Länge reponiert. Das Repositions-ergebnis wird unter Bildwandler in beiden Ebenen über-prüft. Die durch den Zug der Gastrocnemiusmuskulaturbedingte Rekurvation der Kondylen kann unter Einsatzeiner weiteren Schanz-Schraube, die man als „Joystick“streckseitig einbringt, ausgeglichen werden. Bei korrek-ter Rotation wird dann die LISS-Platte unter Einsatz derproximalen und distalen Zielbügel mit dem Femur ver-schraubt.

Bei der Stabilisierung der LISS-Platte am Schaft mussman bei Anwendung der blauen Schrauben bedenken,dass der erste Zentimeter der Schraube nicht im Knochenhält, weil er kein Gewinde hat, sondern nur eine Bohrer-spitze. Deshalb müsste man beim Versuch, die Schraubeauch in der Gegenkortikalis zu verankern, diese einenZentimeter über die Gegenkortikalis hinausstehen lassen.

Außerdem darf eine Kompressionsschraube nur am An-fang für die Reposition der Platte an das Hauptfragmentverwendet werden.Wenn die erste winkelstabile Schraubeerst einmal in situ liegt, würde die Verwendung einer wei-teren Kompressionsschraube das Prinzip des Plattenfixa-teurs aufheben (⊡ Abb. 9.48).b b�����������������

Es kann sehr schwierig sein, die LISS-Platte nach

Reposition der Fraktur am Schaft korrekt auszurich-

ten, wenn die Platte bereits am Gelenkblock montiert

ist.Viel einfacher ist es, umgekehrt zu verfahren und

die Platte zunächst am Schaft auszurichten und zu

fixieren. Die anatomisch geformte Platte gibt dann als

Verlängerung des Schaftfragments die richtige Achse

und Richtung für den Gelenkblock an (Josten 2003).

Retrograde Verriegelungsnagelung. Die retrograde Ver-riegelungsnagelung eignet sich nicht nur ganz hervorra-gend für die streng extraartikulär verlaufenden A-Frak-turen nach der Klassifikation der Frakturen, sondernauch für C-Frakturen. Voraussetzung dafür ist, dass vorder Nagelung ein stabiler Gelenkblock beispielsweise mitKleinfragmentschrauben geschaffen und dabei daraufgeachtet wird, dass der Eintrittsweg für den retrograden

95819.5 · Distale Frakturen

⊡ Abb. 9.48 Postoperative Röntgenbildern einer mit LISS versorgten distalen Mehrfragment-fraktur des Femurs einer 70jährigen Frau mitosteoporotisch geschwächtem Knochen

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Nagel frei bleibt. Die für die Nagelinsertion ohnehin not-wendige Arthrotomie erlaubt bei intraartikulär ausmün-denden Frakturen gleichzeitig die offene Reposition undSchraubenosteosynthese der Gelenkfläche (Wagner et al.2001). Barthel et al. (2001) sahen unter 56 Fällen keineneinzigen, bei dem sich die Notwendigkeit einer primärenoder sekundären Spongiosaplastik ergeben hätte odereine Gelenkinfektion aufgetreten wäre.

Es gibt mehrere Modelle distaler Femurnägel vonunterschiedlichen Herstellern. Der distale Femurnagel(DFN) sei herausgegriffen, weil er eine Besonderheitbietet, die für eine höhere Stabilität im distalen Haupt-fragment sorgt: Die Option, das distalste Verriegelungs-loch im Marknagel mit einer Spiralklinge, ähnlich der des UFN, zu besetzen. Die Klinge hat eine 80 % größe-re Verankerungsfläche im Vergleich zu einem 6,0 mm starken Verriegelungsbolzen (Schandelmaier et al. 2000;⊡ Abb. 9.49 a–d).

Über eine mediale parapatellare Arthrotomie wird bei90°-gebeugtem Knie und hängendem Unterschenkel derEintrittspunkt für den Nagel dargestellt. Dieser liegt imFirst der interkondylären Notch in Verlängerung derMarkhöhle anterior und lateral des Ursprungs des hinte-ren Kreuzbandes. Der Markraum kann mit einem Pfriemeröffnet werden oder man bringt gleich den 3,2 mmstarken Führungsdraht mit der Bohrmaschine ein. Dabeimuss die valgische Ausrichtung der Schaftachse berück-sichtigt werden. Nun wird über den Führungsdraht mit

einem 13,0 mm starken Bohrer ein 30 mm langer Kno-chentunnel ins kondyläre Massiv gebohrt.Falls der Mark-raum eng ist, wird er 0,5–1 mm weiter aufgebohrt als dervorgesehene Nagel dick ist. Anschließend wird der Bohr-dorn gegen einen Führungsstab ausgetauscht und derNagel mit dem Zielgerät armiert eingeschlagen. Bei derVerriegelung geht man von distal nach proximal vor. Diebeiden Hauptfragmente sollen dabei möglichst gutenKontakt miteinander bekommen. Da das Implantat frak-turfern eingebracht werden kann, entsteht keinerlei zu-sätzliche Deperiostierung im Bruchbereich.

Spongiosaplastik. Durch die mittlerweile etabliertenweichteilschonenden Verfahrensweisen mit indirekterReposition und Überbrückung von Trümmerzonen ohneDeperiostierung ist die Notwendigkeit der Spongiosa-plastik selten geworden.Wenn allerdings in wenigen Aus-nahmen eine Fraktur verzögert heilt, kann eine Spongio-saplastik indiziert sein. Je nach Größe des Defekts gehtman dabei perkutan oder offen vor.

Wenn durch Einbringen vitaler Knochenzellen dieFrakturheilung beschleunigt werden soll, bietet sich dasperkutane Vorgehen an. Die Durchblutung im Fraktur-bereich wird dadurch nicht beeinträchtigt. Die perkutaneEntnahme von Spongiosazellen mit einem Metallsaugerist in Kap. 19, „Zugänge“, beschrieben. Die gewonnenenZellen werden unter Bildwandlersicht über eine dickeKanüle am gewünschten Ort instilliert.

582 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.49. a,b 87-jährige Patientin mit distaler Femurfraktur bei lie-gender Hüft-TEP.c,d Versorgung mit einem DFN unter Einsatz einer Spi-ralklinge. Da die Verankerung im proximalen Hauptfragment aufgrund

der Hüftendoprothese relativ kurzstreckig ist, wurden zur zusätzlichenStabilisierung Zerklagen angelegt

a b c d

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Liegen jedoch größere Defekte vor und fehlt insbe-sondere medial die Abstützung, ist die Transplantationeines autologen bi- oder trikortikalen Beckenkammspansindiziert. Zur Entnahme des Transplantats siehe ebenfallsKap. 19,„Zugänge“. Der Span wird über eine kurze Längs-inzision in den ventral oder medial gelegenen Defekt ein-gebracht. Die Kontaktzonen im Transplantatlager müssensorgfältig angefrischt werden, bis sich allseits punktuellespongiöse Blutungen zeigen, damit das Transplantat ein-heilen kann.

Nachbehandlung

Bei der Nachbehandlung muss das Augenmerk auf eineadäquate Thromboseprophylaxe gerichtet werden. Wiebei den anderen Verletzungen der unteren Extremitätauch, wird unmittelbar postoperativ ein gepolsterterKompressionsverband angelegt und eine medikamentöseThromboseprophylaxe, u. U. in erhöhter Dosierung,durchgeführt. Wenn die Fraktur stabil versorgt ist, kanndas Bein auf einer hohen Schiene gelagert werden. Nur bei begleitender Knieinstabilität ist eine Gipsschiene oder Orthese notwendig. Eine Kryotherapie beeinflusstpostoperative Schwellungszustände günstig und wirktschmerzlindernd.

Die Redons werden in der Regel am zweiten postope-rativen Tag entfernt.Anschließend wird das distale Femurin 2 Ebenen geröntgt und mit der Mobilisierung begon-nen. Nach Schrauben- oder Plattenosteosynthesen ist dieBelastung für die ersten 6 Wochen auf 15 kg limitiert. Beiretrograder Nagelung kann im Einzelfall eine höhere Be-lastung möglich sein,vorausgesetzt die Fraktur stützt sichgut ab.

Entscheidend ist auch eine früh einsetzende Mobilisie-rung des Kniegelenks, damit die Kapselstrukturen nichtverkleben oder zu sehr schrumpfen. Dafür eignen sichCPM-Motorschienen gut. Allerdings dürfen diese erstdann eingesetzt werden,wenn die Wundränder miteinan-der stabil verklebt sind, sonst besteht das Risiko vonWeichteilinfekten. Im eigenen Vorgehen werden dieMotorschienen deshalb in der Regel erst ab dem achtenpostoperativen Tag eingesetzt.

Die Belastungssteigerung hängt ab vom Fortschrittder knöchernen Heilung. Bei der zweiten radiologischenRoutinekontrolle nach 6 Wochen wird darüber entschie-den. Nach 12 Wochen wird erneut geröntgt und in der Re-gel die Vollbelastung erlaubt. Bei ausgedehnten Trüm-merzonen kann die Phase der Teilbelastung noch längerdauern.

Das Implantat sollte frühestens nach einem Jahr ent-fernt werden, allerdings nur dann, wenn es Beschwerdenmacht.

Komplikationen und Prognose

Mögliche Komplikationen sind Nachblutung, Infektion,verbliebene Fehlstellung, Achsen- oder Drehfehler,

Thrombose, Embolie, Korrekturverlust, verzögerte oderausbleibende Frakturheilung und Implantatversagen(⊡ Tabelle 9.6; s. dazu auch die Ausführungen imAbschn. 9.4,„Femurschaftfrakturen“).

Die Prognose distaler Femurfrakturen ist relativ gut.In 70 % bleiben keine Bewegungseinschränkungen zu-rück, jedoch in 10 % Beuge- und in über 10 % Streckdefi-zite (Wirbel u. Mutschler 1999). Einschränkungen derBeugung rühren häufig von einem verklebten oberen Re-cessus.In diesen Fällen ist eine arthroskopische Arthrolyseindiziert. In 20–30 % der Fälle entstehen Arthrosen imfemoropatellaren oder femorotibialen Gelenk. Dies hängtim Wesentlichen vom primär traumatisch bedingtenKnorpelschaden und der Qualität der Rekonstruktion der Gelenkfläche ab. Dagegen korrelieren Geschwindig-keit und Qualität der Frakturheilung direkt mit einerweichteilschonenden Operationstechnik. RetropatellareSchmerzen entstehen durch einen erhöhten Anpress-druck im femoropatellaren Gleitlager. Der erhöhte An-pressdruck hat häufig seine Ursache in narbigen Ver-kürzungen im Bereich des Zugangs durch das lateraleRetinaculum.

9.6 Periprothetische Frakturen

Periprothetische Frakturen sind keine Seltenheit in einerZeit, in der die durchschnittliche Lebenserwartung desMenschen kontinuierlich steigt, der endoprothetische Er-satz arthrotischer Gelenke immer ausgereifter wird undim Zuge dessen immer mehr Patienten davon profitierenkönnen.

95839.6 · Periprothetische Frakturen

⊡ Tabelle 9.6. Verschiedene Implantate zur Stabilisierung dis-taler Femurfrakturen und deren Komplikationen

Implantat Komplikationen

Fixateur externe Verbliebene Fehlstellung,Pin-tract-Infekt, Korrekturverlust,Pseudarthrose, Implantatversagen,Thromboembolie

Isolierte Schrauben Verbliebene Fehlstellung,Korrekturverlust, Infektion,Thromboembolie

Plattenosteosynthese Verbliebene Fehlstellung,Gefäß- oder Nervenschäden,Nachblutung,Thromboembolie,Infektion, Korrekturverlust,Pseudarthrose, Implantatversagen

Retrograder Verbliebene Fehlstellung,Verriegelungsnagel Fettembolie, Nachblutung,

Thromboembolie, Infektion

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Unproblematisch sind knöcherne Fissuren, wie siebeim Einschlagen eines unzementierten Prothesenstielsim Rahmen der Hüftendoprothetik häufig entstehen. Daes sich um stabile Frakturen handelt, bedarf es keinerOsteosynthese. Die funktionelle Nachbehandlung mitdosierter Belastung reicht aus.

Schwerwiegend sind instabile, dislozierte Frakturenum oder unterhalb des Prothesenstiels. Häufige Ursacheist eine Lockerung der Prothese. Der Schaft wird dannnicht mehr gleichmäßig, sondern nur noch an wenigenKontaktpunkten belastet. Eine weitere Ursache ist das sogenannte „stress-shielding“ durch den Prothesenstiel, dasüber eine Knochensubstanzminderung im Femurköcherzu Ermüdungsbrüchen führt.

Die Art der besten Versorgung hängt vom Bruchtypund der Knochenqualität ab. Im Wesentlichen werden2 Verfahren eingesetzt. Entweder wird der Prothesenstielgewechselt oder eine Plattenosteosynthese durchgeführt.Dies richtet sich natürlich auch danach, ob die liegendeProthese gelockert ist,was zwangsläufig eine Wechselope-ration notwendig macht.

Bei der Wechseloperation verwendet man Lang-schaftprothesen, die sich weiter distal verankern (⊡ Abb.9.50). Bei ausgeprägten Knochensubstanzverlusten kannsogar ein Knochenaufbau in gleicher Sitzung mit Spender-knochen erforderlich sein (s. dazu die im Abschn.„Endo-

prothese“ beschriebene Methode der Exeter-Gruppe;Gie et al. 1993 a,b; Ling et al. 1993; Slooff et al. 1984). Auchso genannte Prothesennägel können verwendet werden.Bei diesen Implantaten geht der Prothesenstiel in einenantekurvierten Marknagel mit vielfachen Verriegelungs-möglichkeiten über.

Bei guter Knochenqualität und wenn die Fraktur imBereich der Spitze des Prothesenstiels oder tiefer liegt,kann sie mittels Plattenosteosynthese versorgt werden.Dies ist allerdings kein einfaches Unterfangen, weil dieSchrauben am Prothesenstiel vorbei im verbleibenden oftnur dünnen kortikalen Knochen verankert werden müs-sen. Man geht dabei offen oder halboffen vor. Die halb-offene Methode hat Vorteile, ist aber nicht immer durch-führbar. Der Blutverlust ist geringer und die Heilungdurch den besseren Weichteilverbund beschleunigt. Manverwendet eine breite 4,5er-LC-DCP. Die Platte wird imdistalen Hauptfragment nach den gängigen Prinzipienfixiert. Es empfiehlt sich, eine längerstreckige Veranke-rung der Platte mit 4 oder mehr Schrauben anzustreben.Auch proximal im Bereich des substanzgeschwächtenKnochens sollte man möglichst langstreckig ansetzen. ImMoment der Plattenauswahl kann noch nicht richtig abge-schätzt werden, wieviel von den Schrauben, die proximalzu besetzen sind,einen wirklich guten Halt finden werden.Den wechselnden Versatz der Schraubenlöcher in der brei-

584 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.50 a Periprothetische Fraktur bei zementiertem Prothesenstiel einer 78jährigen Frau.b und c Wechsel auf einen unzementierten Stiel mitgeradem Schaft. Die fehlende Antekurvation des Prothesenstiels macht eine anatomische Reposition des Trochantermassivs unmöglich

a

b c

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ten LC-DCP nutzt man, um alternierend einmal ventralbeziehungsweise dorsal am Prothesenstiel vorbei in dieGegenkortikalis zu gelangen. Durch die Verspreizung der Schrauben, zwischen denen der Prothesenstiel einge-klemmt wird, läßt sich zusätzlicher Halt erreichen. DieserHalt kann durch Einsatz von Zerklagen noch erhöht werden.

Bei schlechter Knochenqualität sind der Schrauben-halt und die Abstützung der Hauptfragmente gegeneinan-der reduziert, was zu einer vorzeitigen Auslockerung desImplantats führt. In solchen Fällen bleibt als Ausweg eineVerbundosteosynthese.Mit dem Knochenzement könnennicht nur die Substanzdefekte aufgefüllt, sondern auchgeschwächte Schraubenlöcher, in denen die Implantatekeinen ausreichenden Halt finden,einzementiert werden.

Eine distale Femurfraktur bei liegender Knieendo-prothese kann mit einer DCS versorgt werden, wenn derkondyläre Anteil der Prothese nicht zu viel Raum ein-nimmt. In jüngerer Zeit wurden jedoch für diese Indika-tion mit winkelstabilen inneren Plattenfixateuren nochdeutlich bessere Ergebnisse erzielt (Hertel et al. 2001;Wenzl et al.2001).Als Ausweg bleibt aber auch der Prothe-senwechsel mit einer kombinierten kondylären Kompo-nente, die eine längerstreckige Markraumschienung er-möglicht (⊡ Abb. 9.51 a–g).

Klassifikation

Johansson hat die periprothetischen Frakturen bei lie-genden Hüftendoprothesen klassifiziert (⊡ Abb. 9.52).

Das Manko dieser Einteilung ist, dass wichtige Para-meter für die Art der operativen Therapie wie Knochen-qualität,Komplexität der Fraktur und eine etwaige Prothe-senlockerung nicht berücksichtigt werden. Nothofer undMitarbeiter (2001) haben deshalb die Klassifikation derperiprothetischen Frakturen nach Johansson modifiziertund die genannten Kriterien miterfasst:

95859.6 · Periprothetische Frakturen

⊡ Abb. 9.51. a,b Periprothetische Frak-tur einer 55-jährigen Frau mit massiverAdipositas und Osteoporose durchLangzeitkortisoneinnahme bei chroni-scher Polyarthritis. c,d Stabilisierungmittels DCS. e Nach 9 Monaten trat ein Implantatversagen mit Bruch allerSchrauben im proximalen Hauptfrag-ment ein, da sich die Fraktur nichtdurchbaut hatte. f,g Daraufhin Implan-tatentfernung mit Resektion des distalen Femurendes und TEP-Wechselauf eine langstielige Rotationskniepro-these mit Teilersatz des distalen Femursdurch ein nicht-röntgenkontrastgeben-des Kunststoffimplantata

c d

fe

b

g

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Typ A feste Prothese, gute Knochenstruktur, einfacheFraktur:A1 Fraktur >5 cm von Prothesenspitze entfernt,A2 Fraktur <5 cm von Prothesenspitze entfernt,A3 Fraktur im Prothesenbereich (⊡ Abb. 9.53).

Typ B feste Prothese, schlechte Knochenqualität, Mehr-fragmentfraktur:B1 Fraktur >5 cm von Prothesenspitze entfernt,B2 Fraktur <5 cm von Prothesenspitze entfernt,B3 Fraktur im Prothesenbereich (⊡ Abb. 9.54).

Typ C Fraktur bei Prothesenlockerung unabhängig vonder Höhenlokalisation.

Therapie

Typ-A-Frakturen lassen sich von außen mit langstrecki-gen Implantaten stabilisieren wie beispielsweise Plattenmit limitierter Kontaktfläche, internen Plattenfixateuren,dynamischen Kondylenplatten oder den neuen winkel-stabilen Platten-Schrauben-Systemen. Die Osteosynthesewird ggf. mit einem kortikospongiösen Span oder einerSpongiosaplastik verstärkt.

586 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

⊡ Abb. 9.52. Klassifikation der periprothetischen Frakturen nach Johansson. (Aus Nothofer et al. 2001,Abb. 3)

⊡ Abb. 9.53. Typ-A-Frakturen. (Aus Nothofer et al. 2001, Abb. 12) ⊡ Abb. 9.54. Typ-B-Frakturen. (Aus Nothofer et al. 2001, Abb. 14)

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Typ-B-Frakturen bedürfen hingegen einer Mark-raumstabilisierung mit einem retrograden Nagel oder ei-nem Wechsel auf eine Langschaftprothese. Als Ausweich-methoden stehen die Verbundosteosynthese und derPlattenfixateur interne zur Verfügung.

Typ-C-Frakturen erfordern grundsätzlich einen Pro-thesenwechsel, da ja diese Frakturform per definitionemdie Lockerung beinhaltet.

9.7 Weichteile

9.7.1 Weichteilverletzungen

Muskel(faser)rissÄtiologie

Muskelrisse oder Muskelfaserrisse sind Ausdruck man-gelnder Vorbereitung oder Überlastung. Es gibt eine Viel-zahl von Ursachen für diese häufige Verletzung (Neubau-er et al. 1995): Überlastung ungenügend trainierter Muskulatur, unkoordinierte Bewegungen mit plötzlichen Span-

nungsänderungen, fehlende oder verzögerte Relaxation bei Ermüdung,

Flüssigkeits- oder Elektrolytverlust, mangelhafter Kälteschutz, direktes Trauma durch Stoß,Schlag oder offene Verlet-

zung.

Muskelgruppen des Oberschenkels, die sehr häufig vonFaserrissen oder Zerrungen betroffen sein können, sinddie Adduktoren und der M. biceps femoris. Die Mehrzahlder Verletzungen ereignet sich bei sportlichen Aktivitäten.

Klinik

Leitsymptom ist der Schmerz im Bereich einer gezerrtenoder teilrupturierten Muskelgruppe. Zugleich finden sichhäufig Schwellungszustände,die z. T.sehr ausgeprägt seinkönnen bis hin zum manifesten Kompartmentsyndrom.Die betroffene Muskulatur ist in ihrer Funktion einge-schränkt, was sich u. a. in einem hinkenden Gangbildäußert.

Diagnostik

Meist führen bereits die typische Anamnese und der kli-nische Befund zur richtigen Diagnose, die mittels Weich-teilsonographie erhärtet und dokumentiert wird. In Aus-nahmefällen ist eine MRT indiziert,um komplette Muskel-risse von Faserrissen zu differenzieren und daraus u. U.die Indikation zum operativen Vorgehen abzuleiten.

Therapie

Die Behandlung ist jedoch in aller Regel konservativerArt. Im akuten Stadium eignet sich Kryotherapie kombi-niert mit Kompressionsverbänden gut, um Schmerz und

Schwellungszustand günstig zu beeinflussen.Die betroffe-ne Extremität wird nur im Rahmen der Schmerzgrenzenbelastet. Antiphlogistika, die lokal oder systemisch ange-wendet werden, ergänzen das therapeutische Spektrumder Anfangsphase.

Der Patient muss sich lange genug körperlich schonen,damit sich eine stabile Narbe bilden kann. Dies ist geradefür sportlich ambitionierte Patienten oft nur schwerdurchzuhalten, weil sie spätestens dann, wenn sie keineBeschwerden mehr haben, das gewohnte Maß körper-licher Aktivität wieder aufnehmen wollen. Dies ist abererst nach guter Dehnung und Kräftigung der Muskulatur,die unter physiotherapeutischer Anleitung erfolgen sollte,ratsam. In der Regel dauert es, abhängig vom Ausmaß derVerletzung und Belastung, mindestens 6–12 Wochen, bisder Sportler wieder voll einsatzfähig ist und selbst dannkommt es häufig zu Rezidiven.

In Ausnahmefällen, wenn eines oder mehrere der fol-genden Kriterien erfüllt sind, kann ein operatives Vorge-hen indiziert sein: ausgedehnte Ruptur einer Muskelgruppe mit tast-

barem Defekt oder entsprechendem MRT-Befund, entlastungsbedürftiges Hämatom, manifestes Kompartmentsyndrom.

Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dassdie Naht eines Muskels problematisch ist und die er-wünschte Stabilität häufig nicht erreicht wird. Die Nahtfindet in den longitudinal ausgerichteten weichen Fasernkein stabiles Lager. Besseren Halt gibt es im Bereich vonAponeurosen. Hier ist die Aussicht auf Erfolg höher. Fürdie Naht eignet sich relativ dickes resorbierbares Nahtma-terial beispielsweise der Stärke 1/0. Es werden einfacheüberwendliche Nähte vorgelegt und bei möglichst ent-spannter Muskulatur geknüpft.Hämatome werden ausge-räumt und die Wunde mit einem Redon drainiert.

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung richtet sich nach den Kriterien derkonservativen Therapie mit Thromboembolieprophyla-xe, antiphlogistischer Therapie und Teilbelastung desBeins. Nach etwa 4 Wochen beginnt die vorsichtige Deh-nung und Kräftigung der betroffenen Muskelgruppe.

Komplikationen und Prognose

Rerupturen sind keine Seltenheit, insbesondere dann,wenn die erneute Belastung zu heftig und früh eintritt. ImRahmen von Muskelfaserrissen kann sich eine Myositisossificans aufpfropfen.Der Funktionsausfall kann zu einerverbleibenden Schwächung führen.

FaszienrissÄtiologie

Faszienrisse entstehen von außen durch einen scharfenGegenstand, von innen durch ein Knochenfragment oder

95879.7 · Weichteile

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durch Quetschung der Weichteile. Der intrakomparti-mentale Druck lässt den Muskel durch die Faszienlückehervortreten und eine Muskelhernie entstehen.Bei ausge-prägten Weichteilschwellungen im Rahmen von Schaft-frakturen oder Kompartmentsyndromen und nach Osteo-synthesen können ebenfalls Lücken verbleiben.

Klinik

Die Reibung des prominenten Muskelanteils an den Rän-dern der Lücke verursacht uncharakteristische, ziehendeSchmerzen, die besonders sportlich aktive Patienten odersolche, die anderweitig intensive Muskelarbeit leisten,beeinträchtigen. Typische Lokalisation ist die Lücke imFaszienspiegel des Tractus iliotibialis.

Diagnostik

Die Diagnose ist anhand der Anamnese und des meist gutsicht- und tastbaren klinischen Befundes einfach zu stel-len. Unter Anspannung des Muskels verhärtet sich dieweiche Hernie in der Faszienlücke. Sie kann sonogra-phisch beurteilt und dokumentiert werden.

Therapie

Die Indikation zum Verschluss der Lücke kann bei Be-schwerden oder auch aus kosmetischen Gründen gege-ben sein. Da der Verschluss nur durch eine direkte Naht erreichbar ist, muss präoperativ abgeschätzt werden, obdies überhaupt möglich sein wird. Wenn die Lückenschon sehr lange bestehen, dürften die angrenzenden Faszienblätter bereits narbig verkürzt sein.Ein Verschlussist in solchen Fällen u. U. nicht möglich. Dann bleibt beientsprechenden Beschwerden als Ausweg nur, die Lückedurch eine komplette Fasziotomie zu erweitern, um dieeinengenden Ränder auf diesem Weg zu beseitigen.

Kontraindiziert ist ein operatives Eingreifen bei Fas-ziendefekten, wie sie beispielsweise durch offene Fraktu-ren mit Gewebeverlusten entstehen können, denn solcheDefekte lassen sich ebenso wie retrahierte Faszien nichtschließen. Würde eine Naht erzwungen, könnte der Ge-webedruck im Faszienköcher bis zur Ausbildung einesKompartmentsyndroms ansteigen. Bei asymptomati-schen Faszienlücken besteht ebenfalls keine Indikationzum operativen Verschluss. Die Patienten sind dann ledig-lich über die Harmlosigkeit dieses Phänomens aufzu-klären.

Nach Längsinzision über der tastbaren Lücke werdennarbige Verklebungen zwischen Muskulatur und Fasziegelöst und die Faszienränder mobilisiert. Die Naht erfolgtam besten mit überwendlichen Einzelnähten oder einerfortlaufenden überwendlichen Naht mit atraumatischemlangsam resorbierbarem Fadenmaterial der Stärke 1/0. Esmuss ausreichend Gewebe gefasst werden,damit die Nahtnicht ausreißt,andererseits darf aber nicht zu randfern ge-stochen werden, sonst rafft man die Ränder zu sehr underhält dadurch eine zu hohe Spannung der Naht.

Besteht eine zu große Nahtspannung, kann man auch versuchen, eine Lücke durch Einnähen eines Vicryl-netzes oder eines Streifen aus der Fascia lata zu verschlie-ßen.

Nachbehandlung

Der Patient muss den Muskel postoperativ schonen,damitdie Naht nicht insuffizient wird.Deshalb sollte das Bein biszur gesicherten Wundheilung nur teilbelastet werden.

Komplikationen und Prognose

Präoperativ müssen die Patienten darüber aufgeklärtwerden, dass der Faszienverschluss nicht zu einer Steige-rung der Muskelkraft beiträgt, dass die Naht insuffizientwerden kann und auch nach Verschluss durch Narbenbil-dung Beschwerden verbleiben können. Die Hauptgefahrist allerdings ein postoperatives Kompartmentsyndrom,das zur Dermatofasziotomie zwingen würde.

9.7.2 Kompartmentsyndrom

Zur Pathophysiologie, Klinik und Diagnostik des Kom-partmentsyndroms s. Kap. 10 „Knie und Unterschenkel“,und Kap. 18,„Komplikationen“.

Am Oberschenkel tritt ein Kompartmentsyndromweniger häufig als am Unterschenkel auf,weil die Muskel-logen ein größeres Fassungsvermögen haben. Dennochmuss diese Komplikationsmöglichkeit bei ausgeprägtenSchmerz- und Schwellungszuständen bedacht werden.Insbesondere polytraumatisierte, beatmete Patienten mit Hypovolämie entwickeln häufig Kompartmentsyn-drome. Zum einen fehlt bei den narkotisierten Patienteneines der richtungsweisenden Beurteilungskriterien, derSchmerz, zum andern entwickelt sich ein Kompartment-syndrom in Abhängigkeit zum diastolischen Druck, derbei hypovolämen Patienten schnell kritisch abfallenkann. Das Gefälle zwischen diastolischem Druck undKompartmentdruck muss ja wenigstens 30 mmHg betra-gen. Wird dieser Wert unterschritten, sistiert die Perfu-sion des Muskelgewebes; eine ischämische Nekrose kannsich entwickeln.

Therapie b b�����������������

Bei drohendem oder manifestem Kompartmentsyn-

drom ist deshalb die sofortige Dermatofasziotomie

indiziert. Insbesondere bei beatmeten Patienten

sollte nicht zugewartet werden. Es handelt sich

selbstverständlich um einen Notfalleingriff, bei dem

die Nüchternheitsgrenze nicht eingehalten werden

braucht, da der ischämische Infarkt der Muskulatur

droht.

588 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

9

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Am Oberschenkel gibt es im Wesentlichen drei von-einander getrennte Faszienräume (⊡ Abb. 9.55), wennman die vergleichsweise kleine Loge des M. sartoriusaußer Acht lässt. Die drei großen Logen sind die der Extensoren, die A. und V. femoralis superficialis

und den N. saphenus enthalten, der Flexoren mit dem N. ischiadicus und der Adduktoren mit A. und V. femoralis profunda.

Eine Dermatofasziotomie wird lateral über dem Tractusiliotibialis angelegt. Man beginnt in Höhe des Trochantermajor und inzidiert über der gesamten Länge des Röhren-knochens bis hinab zum lateralen Kondylus Haut, Subku-tis und den Traktus. Nach Spaltung des Tractus iliotibialiswird das Septum intermusculare aufgesucht und eben-falls auf ganze Länge inzidiert. Dadurch wird laut Kladnyu. Nerlich (1991) eine ausreichende Entlastung aller dreigroßen Logen erreicht. Sichtbare Blutungen werden ge-stillt,Hämatome ausgeräumt und die Logen damit zusätz-lich entlastet. Gleichzeitig kann über diesen Zugang einebegleitende Fraktur mittels Plattenosteosynthese stabili-siert werden, da man bereits vor Ort ist.

Die breit klaffende Dermatofasziotomiewunde wirdmit Kunsthaut gedeckt.Nach ca.einer Woche ist der Ober-schenkel dann soweit abgeschwollen,dass eine Sekundär-naht erfolgen kann. Da der Tractus iliotibialis eine sehrkräftige Textur hat, ist auch bei höherer Nahtspannungeine suffiziente Naht noch möglich. Außerdem ist sie ausfunktionellen und kosmetischen Gründen anzustreben.Die Gefahr eines Rekompartmentsyndroms ist gegeben,

deshalb muss im Zweifelsfall auf den Verschluss der Fas-zie verzichtet oder bei einem Rekompartment rechtzeitigreagiert und die Naht wieder eröffnet werden. Die Patien-ten sollten über diese Problematik präoperativ eingehendinformiert werden, damit sie auch verstehen, was mitihnen geschieht und sich nicht falsch behandelt fühlenmüssen.

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9589Literatur

⊡ Abb. 9.55. Schematischer Querschnittdurch den proximalen Oberschenkel,der die 3 großen Logen der Strecker,Beuger und Adduktoren und die kleineLoge des M. sartorius enthält.(Aus Faure u. Merlozc 1987, S. 77)1 Femur,2 M. vastus lateralis,3 M. vastus intermedius,4 M. vastus medialis,5 M. rectus femoris,6 M. sartorius,7 M. adductor longus,8 und 9 M. adductor magnus,10 M. gracilis,11 M. biceps caput longum,12 M. biceps caput breve,13 M. semitendinosus,14 M. semimembranosus,15 A. und v. femoralis,16 A. und vena profunda femoris,17 V. saphena magna,18 N. ischiadicus

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590 Kapitel 9 · Hüfte und Oberschenkel

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