I. Teil — — Readability
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naumburger-stifter.de
I. Teil
jetzt aber frech verhöhnet: gegrüßet seist du mir.
erzittert im Gerichte, wie bist du so entstellt.
dem sonst ein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht't.
und so bist du gekommen von deines Leibes Kraft.
ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast.
gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.
für deines Todes Schmerzen, da du’s so gut gemeint.
und, wenn ich einst erkalte, in dir mein Ende sei.
Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir.
Wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür.
so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.
Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod,
und laß mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.
Paul Gerhardt 1656 nach "Salve caput cruentatum" des Arnulf von
Löwen vor 1250
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Die erste Neuerung fällt jedem auf, der den Westchor betreten will: Es
handelt sich um die Kreuzigungsgruppe in der Tür zum Chor.
Waren früher die Dome und Kirchen oft mit einem Triumph kreuz
ausgestattet, das hoch über dem Altar schwebte, von dem aus Christus
gewissermaßen als König herrschte, eine Krone auf dem Haupte, so ist
er hier in Naumburg nun "für uns Men schen und zu unserem Heil...vom
Himmel herabgestiegen...Er wurde für uns gekreuzigt."(Credo der
Meßfeier)
Der Wandel in der Darstellung mag zusammenhängen mit einer Sicht
des Gekreuzig-ten, wie sie schon durch Bernhard von Clairvaux
verbreitet worden war. Er betonte immer wieder, dass es für ihn die
erhabenste Philosophie hienieden sei, den Gekreuzigten zu kennen. In
der bildenden Kunst wird Bernhard dargestellt zu Füßen des Kreuzes,
während Christus seine durchbohrten Hände vom Kreuze löst und
seinen treuen Diener an sich zieht. Ein Mönch will dieses Wunder einst
beobachtet haben, wie eine alte Zisterzienserlegende berichtet. Im
Unterschied zum hl.Benedikt wird daher auch die Gestalt Bernhards mit
einem Kreuz und den Marterwerkzeugen im Arm gekennzeichnet, jenen
Werkzeugen, wie sie im Vierpass des Lettnerdurchgangs zu Naumburg
dargestellt sind. 1140 hatten Zisterzienser-mönche in unmittelbarer
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Nähe Naumburgs Pforta gegründet, von dort aus wurde sicher auch die
Kreuzesmystik Bernhards verbreitet.
Stärker und aktueller mag zur Zeit des Naumburger Meisters aber der
Einfluss des heiligen Franz von Assisi und seiner Minderbrüder gewesen
sein. Am 14. September 1224, dem Feste Kreuzerhöhung, das Franziskus
besonders schätzte, wurden ihm auf dem Berge Alverna die Wundmale
Christi eingeprägt. Dabei habe er Jesus mit ausgebreiteten Armen und
zusammengeschlos senen Knien ans Kreuz genagelt gesehen, so, wie wir
ihn in der Tür zum Westchor auch sehen, mit drei Nägeln ans Kreuz
gehef tet. Franziskanische Frömmigkeit konnte in Deutschland sehr bald
Fuß fassen, besonders in Thüringen und Sachsen. Es war die Landgräfin
von Thüringen, Elisabeth, die bereits 1221 den Franziskanern in
Eisenach ein Haus mit Kapelle zur Verfügung stellte.
1223 und 1224 sind Niederlassungen in Erfurt, Gotha, Mühlhausen,
Nordhausen, Magdeburg, Halberstadt und Hildes heim bezeugt. Wie
stark der Einfluss war, zeigt sich am deutlichsten im Leben der heiligen
Elisabeth selbst; mögen die Berichte auch zum Teil legendär sein, sie
bekunden den noch die vorherrschende Denkweise, So habe Elisabeth
z.B, in der Kirche von Eisenach, wo sie zwischen Schwiegermutter und
Cousine vor dem Kreuz kniete, plötzlich ihre goldene Krone abgelegt
und auf die ärgerliche Frage der Schwieger mutter, warum sie solches
tue, die Antwort gegeben: "Wie kann ich eine goldene Krone tragen,
wenn der Herr eine Dornenkrone trägt?" Auch von ihrem Gemahl hören
wir ähnliches; als er 1227 das Kreuz nahm, um an der Heerfahrt ins
Gelobte Land teilzu nehmen, wurde auf Kosten des Landgrafs zur
Vorbereitung des Kreuzzugs in Eisenach ein großes Passionsspiel
aufgeführt, dort, wo unter seinem Vater Hermann ganz andere Feste ge -feiert worden und die leichten Weisen fahrender Leute er klungen waren.
Als Ludwig dann nicht wiederkehrt, nimmt Eli sabeth das Kleid des
Dritten Ordens des heiligen Franz,
Wie schnell die Dinge sich entwickelten, zeigt sich be sonders darin, dass
bereits zwischen 1230 und 1235 die Stig matisation des heiligen
Franziskus in den Glasfenstern der Erfurter Barfüßerkirche dargestellt
wurde, kaum zehn Jahre nach dem Ereignis selbst.[2] Und am Lettner
der Kirche von Wechselburg, der um 1230 eingebaut wurde, erscheint
Christus zum ersten Mal mit einer Dornenkrone, Um 1250 wurde der
Hymnus "Salve caput cruentatum" verfasst, der Arnulf von Löwen zu -geschrieben wird, uns aber in dem Lied "Haupt voll Blut und Wunden"
geläufig ist, das Paul Gerhardt nach jenem Hymnus geschaffen hat.
In diesem Gesamtzusammenhang gilt für Naumburg: "Die
Leidensmystik - wesentlichstes religiöses Anliegen der Zeit - hat
nirgendwo einen vergleichbaren Ausdruck gefunden."[3]
Aus all dem ergeben sich nun Konsequenzen für die Be urteilung des
Standortes der Stifterfiguren innerhalb des Westchores.
Was...in Naumburg gebaut wurde, mutet an wie die Verwirk lichung
einer Deutung des Triumphkreuzes, die ein Jahrhundert später von
Ludolf von Sachsen (um 1300-1378) formuliert wurde. In einem
Abschnitt über das Mitleiden des Christen mit dem leidenden Erlöser
heißt es:
Per multos tribulationes oportet nos intrare in regnum coelorum
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(Apg.14,21); quod bene figuratur per hoc quod crux ponitur inter
chorum et cancellas ecclesiae, ut qui chorum in trare voluerint, vadant
sub cruce, quia ab Ecclesia militante ad triumphanten, nemo nisi per
crucem potest intrare.[4]
Zu deutsch: Um in das Himmelreich einzugehen, müssen wir vie lerlei
Anfechtungen durchstehen; dies wird gut verdeutlicht durch die
Aufstellung des Kreuzes zwischen Chor und Kirche, so daß alle, die den
Chor betreten wollen, unter dem Kreuz hindurchgehen müssen, denn
keiner kann von der kämpfenden zur triumphierenden Kirche gelangen,
es sei denn durch das Kreuz!
Treten wir also ein in den Chor und sehen wir dort die Stifter, so müssen
wir sie wohl zur triumphierenden Kirche zählen.
II.
JOHANNESBOTSCHAFT1 ,1 - 14
Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Schon im Anfang war Es bei Gott.
Durch das Wort ist alles geworden,
und nichts, was geworden,
ward ohne das Wort.
In ihm war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis;
aber die Finsternis hat es nicht begriffen.
Da ward ein Mann von Gott gesandt;
sein Name war Johannes.
Dieser kam als Zeuge;
er sollte Zeugnis geben von dem Lichte,
auf daß alle durch ihn zum Glauben gelangten.
Er selbst war nicht das Licht,
er sollte nur Zeugnis von dem Lichte geben.
Das war das wahre Licht,
das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt.
Er war in der Welt,
und die Welt ist durch ihn geworden.
Allein die Welt hat ihn nicht erkannt.
Er kam in sein Eigentum?
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doch die Seinigen nahmen Ihn nicht auf.
Allen aber, die Ihn aufnahmen,
gab er Macht, Kinder Gottes zu werden,
all denen, die an Seinen Namen glauben,
die nicht aus dem Blute, nicht aus dem Verlangen des Fleisches
noch aus dem Wollen des Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.
(Kniebeugung)
Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt.
Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen,
die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater,
voll der Gande und Wahrheit.
Schlussevangelium der Römischen Messe bezeugt 1256
kkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkk
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Eine zweite Neuerung fällt nicht so auf und wurde des halb auch weniger
beachtet: Die Darstellung des Richters im Vierpass des Giebels.
Von der heiligen Elisabeth von Thüringen wird berichtet, sie habe den
heiligen Evangelisten Johannes besonders ver ehrt und nie eine Bitte, die
in seinem Namen an sie gerichtet wurde, abgeschlagen. Bei dieser
Besonderheit handelt es sich aber kaum nur um eine persönliche
Vorliebe, sondern um einen Frömmigkeitsstil, der dem Geiste der Zeit
entsprach. So er fahren wir, dass in diesen Jahrzehnten der Prolog des
Johannes evangeliums in die Messliturgie Eingang gefunden hat, als so -genanntes letztes Evangelium. In dem vor 1256 abgeschlossenen
Ordinarium der Dominikaner ist er bezeugt.[5]
Hier geht es nun darum zu zeigen, dass am Naumburger West chor
solche johanneische Theologie bildhaft sichtbar gemacht worden ist.
Der Naumburger Meister hatte bereits den Mainzer Lettner mit einem
Durchgang versehen; in Naumburg ist aber das Ent scheidende die
Verbindung von Tür und Crucifixus, eine Sicht im Sinne des
Evangelisten Johannes:
"Ich bin die Türe, wer eingeht durch mich, wird gerettet; er wird eingehn
und ausgehn und Weide finden." Joh. 10,9.
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Am Mainzer Lettner sind neben dem richtenden Christus die klassischen
Fürbitter aus byzantinischer Tradition, näm lich Maria und Johannes der
Täufer, dargestellt. In Naumburg stehen neben dem Gekreuzigten Maria
und Johannes, der Evan gelist, wie es dem Bericht der Johannespassion
entspricht: "Wie nun Jesus seine Mutter stehen sah und den Jünger, den
er liebte, da sagt er zu der Mutter: 'Frau, siehe, dein Sohn!’ Darauf sagt
er dem Jünger: 'Siehe, deine Mutter!'" Joh.19,26f.
Der Gekreuzigte ist in Naumburg aber zugleich der Erhöhte, wieder im
Johanneischen Sinn: "Ich aber, wenn ich aufgerichtet bin von der Erde,
ziehe alle an mich." Joh.12,32.
Die Erhöhung wird sichtbar gemacht durch die Engel über dem
Gekreuzigten, die Weihrauchfässer schwingen. Engel erscheinen auch
im Vierpass über dem Kreuz und der Tür, sie stellen die Verbindung her
zwischen dem sterbenden Jesus und dem richtenden Christus, sie tragen
die Leidenswerkzeuge als Siegestrophäen in den Händen.
Diesem Vierpass nun ist meiner Meinung nach bisher zu wenig
Beachtung geschenkt worden. Das mag daran liegen, dass die
Darstellung im Giebel nicht so plastisch hervortritt und darüberhinaus
in der Farbfassung verblasst ist. Umso bedeut samer ist die Beschriftung:
ARBITER HICSEDISAGNOSDISTINGUITEDIS
DURASITAN GRATATENETHICSENTENTIA LATA .
Der Richter hier auf dem Throne scheidet die Lämmer von den Böcken.
Mag es hart sein oder genehm, endgültig ist das hier gefällte Urteil.
Damit ist ein Wandel in der Auffassung des Gerichtes ausgespro chen,
der wiederum johanneischer Theologie entspricht. "Jetzt ergeht über
diese Welt das Gericht. Jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen.
Ich aber, wenn ich aufge richtet bin von der Erde, ziehe alle an mich."
Joh.12,31f.
Die Wende in der Darstellung des Gerichtes, die der Naumburger
Meister hier vollzieht, entspricht der von der Gerichts auffassung des
Matthäus zu der des Johannes.
Bei Matthäus wird geschieden zwischen Linken und Rechten; solche
Gerichtsszenen finden wir vielerorts, von Frankreich bis nach Bamberg
und Mainz, wo der Naumburger Meister ebenfalls noch in der
herkömmlichen Art nach links und rechts trennt. In Naumburg aber hat
er dieses Schema aufgegeben, es erfolgt nun das Gericht nach
johanneischer Auffassung im HIER und JETZT. Das HIC wird im
Vierpass zweimal hervorgehoben, und es wird in diesem Text im Präsens
gesprochen, wie es dem JETZT im Johannesevangelium entspricht.
So ist der Durchgang durch die Lettnertür auch ein Durchgang durch
das Gericht, und wer den Schritt über diese Schwelle im Glauben wagt,
"ist hinübergegangen vom Tod in das eben." Joh.5,24-0, Joh.3,16 ff.
Dies gilt auch für die Stifter im Chor.
III.
Sind wir in den Westchor eingetreten, durch Kreuz und Leiden, durch
das Gericht, durch Christus in das Leben, so sind wir im Himmel. "Die
großen Baldachine, aus denen sich der ganze Kirchenraum aufbaut,
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großen Baldachine, aus denen sich der ganze Kirchenraum aufbaut,
bedeuten zweifellos den Himmel, oder besser und richtiger 'die
Himmel.“[6]"Ist das Portal durch schritten, dann wird der Innenraum
wirklich zum Paradies... ein sinnenhaftes Bild des Himmels in der
Gestalt der Himmelsstadt, das himmlische Jerusalem."[7]
Innerhalb dieses Raumes aber gibt es klar abgegrenzte Stufungen. Im
Naumburger Westchor finden wir, wie in den großen Kathedralen
Frankreichs, eine dreizonige Gliederung. Zwischen Altarraum und
Fensterzone ist ein Triforium einge schoben, das von den baulichen
Erfordernissen her gar nicht notwendig war. Dieser Laufgang, der
ursprünglich bei den Kathedralen in der Wandzone vor dem Pultdach
der Seitenschiffe ausgebildet wurde, war in Naumburg eigentlich
überflüssig, weil eben keine Seitenschiffe und damit Pultdächer
vorhanden waren, die man hätte verblenden müssen. Lag also keine
bauli che Notwendigkeit vor, so vielleicht eine, die sich aus dem
"erleuchtenden Habitus des Glaubens"(Albertus Magnus) erklä ren lässt.
Die Tatsache jedenfalls, dass der Naumburger Meister die ses Triforium
in sein Gesamtkonzept einbezieht, erweist sich als eine dritte und sehr
bedeutende Neuerung. "Der Laufgang erfährt so...eine erstaunliche
Sinnveränderung", was "zur Ver wandlung eines baulichen
Funktionssystems in ein Ausdrucksgefüge"[8] führt. In diesem Laufgang
bekommen die Stifter einen klar umrissenen und abgegrenzten Ort
zugewiesen, der ihrer Stellung in der Naumburger Kirche entspricht und
ihren Stellen wert deutlich zum Ausdruck bringt.
Welcher Stellenwert ist das aber?
Über dem Triforium, über den Stiftern haben die Heiligen ihren Platz.
Sie sind dargestellt in der Fensterzone, in den Glasmalereien in
himmlischem Licht» Dazu gehören vornehmlich die zwölf Apostel, im
Unterschied zu ihrer Darstellung in der Ste. Chapelle, Auffallend ist
weiter, dass sich im Chor polygon die beiden oberen Zonen, Glasfenster
und Laufgang, überschneiden. In der Höhe der Stifterfiguren aber, im
Be reich des Laufganges, erscheinen in den Glasfenstern nicht Heilige,
sondern Bilder von Naumburger Bischöfen, namentlich bezeichnet wie
auch die Stifter neben ihnen. Diese Bischöfe, die durch ihre Weihe zu
Nachfolgern der Apostel besonders geheiligt sind, haben ihren Platz
unter den Aposteln, auf einer Ebene mit den Stiftern, unterscheiden sich
von diesen aber wieder durch ihr Teilhaben am Licht der Fenster. Man
darf darin wohl eine sehr bewusste Planung sehen.
Unter dem Triforium, im Chorgestühl, finden die Kleriker ihren Platz.
Diese sind in einem besonderen Sinne als Gott geweihte Glieder der
Gemeinschaft der Kirche. Schon das Wort "Zölibat" verrät, dass sie als
Ehelose schon hier auf Erden in gewissem Sinne nach himmlischen
Maßgaben zu leben haben. So ist es "durchaus sinnvoll, daß...über der
Sessio - dem steinernen Chorgestühl, wie es sich z.B. im Naumburger
Westchor (restauriert) erhalten hat - die Stadtkronen erscheinen.
Formal hat man sich unter ihnen...die lebendigen Statuen der
„Engelsgleichen“ - das ist ein stehender Ausdruck des Mittel alters für
die Geistlichen, besonders die Mönche - vorzustellen, Erst dann erfüllen
sie ihre formale und symbolische Funktion."[9]
Zwischen den Heiligen oben und den "Engelsgleichen" unten stehen nun
im Laufgang die Stifter, auch sie unter Stadtkronen, auch sie im
Himmel.
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Himmel.
Welchen Stellenwert muss man ihnen zubilligen? Um dies zu klären,
müssen noch einige geschichtliche Fakten einbezogen werden.
IV.
AUS EINER URKUNDE
Bischof Dietrichs II. von 1249
Die ersten Gründer unserer Kirche haben sich für
die ursprüngliche Gründung großes Verdienst bei
Gott und Vergebung der Sünden erworben.
(pro prima fundatione maximum apud deum meritum
et indulgentiam peccatorum suorum promeruerunt;)
Ihre Namen sind folgende:
Markgraf Hermann, Markgräfin Reglindis,
Markgraf Ekkehart, Markgräfin Uta,
Graf Sizzo, Graf Konrad, Graf Wilhelm, Gräfin Gepa,
Gräfin Berta, Graf Dietrich, Gräfin Gerburg. (…)
Wir haben nun den Wunsch, dem ganzen Werk die
Vollendung hinzuzufügen, und so nehmen wir in Treue
sowohl die Verstorbenen wie die Lebenden, die uns
ihre Gaben geschenkt haben und schenken, in eine
allgemeine brüderliche Gemeinschaft und in die
Teilnahme an den Gebeten auf, von heute an und
für die Zukunft.
Gegeben zu Naumburg, im Jahr 1249 der Gnade des Herrn, im 5.
unseres Pontifikates.
Nach Stange-Fries: Idee und Gestalt des Naumburger Westchores,
Paulinus Verlag, Trier 1955, S.62.
mmmmmmmmmmmmmmmmm
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Im Jahre 1201 wurde die Kaiserin Kunigunde durch den Papst Innozenz
III. heiliggesprochen. Als er die Kanonisation ver öffentlichte, stellte er
zugleich fest, dass es von nun an allein päpstliches Recht sei, einen
Menschen heiligzusprechen. Er setzte damit einen Schlussstrich unter
die Auseinandersetzun gen, die es in dieser Sache, zuletzt zwischen
Kaiser Barbarossa und Papst Alexander III., gegeben hatte.[10]
Erstaunlicherweise gingen in der Folge Heiligsprechungen in Rom mit
einer Schnelligkeit vor sich, die uns heute unvor stellbar erscheint. Am
3.0ktober 1226 starb Franz von Assisi, am 16.Juli 1228 wurde er
heiliggesprochen; am 17.November 1231 starb Elisabeth von Thüringen,
am 27.Mai 1235 wurde sie kano nisiert. An letzterem Beispiel zeigt sich
nun, daß die Naumburger Domherren die neue Lage wohl einzuschätzen
wußten: un mittelbar nach der Heiligsprechung wurde der heiligen
Elisabeth im Nordwestturm des Domes eine Kapelle geweiht und ein
Stand bild derselben aufgestellt, wohl das älteste von ihr überhaupt. Und
beim Ausbau des Westchores rückte dieselbe Elisabeth gar in die Reihe
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beim Ausbau des Westchores rückte dieselbe Elisabeth gar in die Reihe
der heiligen Frauen im Nordfenster auf, unter Katharina, Agnes,
Margareta, Maria Magdalena fandsie, die Landgräfin und Mutter, die
manche noch persönlich gekannt hat ten, ihren Platz. Naumburg hat also
die "Gloria Teutoniae", (so auf dem Grab in Marburg), sehr schnell für
sich in Anspruch genommen und wusste wohl, wo der Ort für Heilige
ist} mochten in Bamberg Heinrich und Kunigunde an der Adamspforte
neben Philippus und Stephanus stehen, die neue, junge Heilige leuchtete
im Fenster zu Naumburg.
Mit der Änderung der Heiligsprechungspraxis bahnte sich aber eine
neue Entwicklung an, es "bildete sich allmählich die Unter scheidung
zwischen 'beatus1 und 'sanctus', zwischen der bischöf lichen
'Seligsprechung1 und der päpstlichen 'Heiligsprechung' aus."[11]
Als konkretes Beispiel dafür haben wir in Prüfening die Darstellung des
"seligen Erminold". Der Bischof Heinrich von Regensburg ließ 1283 im
Rahmen von Baumaßnahmen die Ge beine des ersten Abtes des Klosters
erheben und ihm ein Hoch grab errichten. Aus der Inschrift der
Grabplatte geht hervor, warum man des Toten so gedachte, aber auch,
dass man von ihm Fürbitte erwartete:[12]
Vir sacris virtutibus, in vita et morte praeclarus, iustorum memoria
dignus, oret pro grege ovium.
Dieser Mann,
heiligmäßig und tugendhaft, vorbildlich im Leben und Sterben,
würdig des Gedenkens der Gerechten, möge für seine Herde beten!
Dies ist ein frühes Beispiel dafür, dass man einen vom Bischof
erhobenen Seligen um Fürsprache bittet, nicht einen vom Papst
kanonisierten Heiligen. Freilich wird man hier noch nicht von einem
"Seligsprechungsprozess" reden können, wie er sich später dann
herausbildete und schließlich wieder (1634) an den Römi schen Stuhl
gezogen wurde.
Der Zeitabstand zwischen der Fertigstellung der letzten
Stifterfiguren in Naumburg (1270-80)[13] und der Entstehung des
Hochgrabes in Prüfening ist verschwindend klein. Und der „selige
Erminold" wird in einer Art und Weise dargestellt, die stark an
Naumburg erinnert. Wie dort ist der fundator als Lebender zu sehen,
und das, obwohl er vor mehr als 150 Jahren gestorben war und niemand
(wie dort) wissen konnte, wie er ausgesehen hatte. Wie in Naumburg
Gerburg trägt er ein Buch ehrfürchtigin Händen, wie Gepa hält er es
halbgeöffnet vor sich hin.
Ähnlich wie in Prüfening hatte man es auch in Naumburg mit
Baumaßnahmen zu tun gehabt, und zwar mit recht einschneiden den.
Die Grabstätten der Stifter, hauptsächlich in der Ekkehardingischen
Stiftskirche, mussten dabei aufgegeben werden.
"Die Ausgrabungen (...) haben gezeigt, daß der spätromanisch-
frühgotische Neubau des Doms auf die alten Grabstätten keine
Rücksicht nahm. Fast alle älteren Gräber, die gefunden wurden, waren
dem Neubau geopfert worden (...) Daher liegt die Annahme nahe, daß
man gleichsam als Ersatz für die zerstörten Gräber (...) die Standbilder
der Stifter im Westchor schuf (...) Die Stifter figuren im Westchor
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erinnern also gewissermaßen an Grabstätten."[14]
Die Domherren in Naumburg hatten also allen Grund, der Stifter zu
gedenken, sie hatten einiges gutzumachen und außer dem vor, die Stifter
als Vorbilder der Gebefreudigkeit her vorzuheben. Und so stellt denn
1249 - gut 30 Jahre vor der Erhebung in Prüfening - der Bischof Dietrich
mit seinem Dom kapitel in einer Urkunde fest, dass die ersten Stifter der
Naumburger Kirche, namentlich aufgeführt, "auf Grund der ersten
Stiftung sich das größte Verdienst vor Gott und die Verzeihung ihrer
Sünden erworben haben."
In einer Zeit, "wo man die Frommen gleich nach dem Tode...schon im
endgültigen Zustand als Selige im Paradies oder Himmel sieht"[15] , wo
man darauf vertraut, daß man nach würdi gem Empfang der Sakramente
"vom Verfallensein an die zeit liche Strafe "befreit wird, so daß nichts (...)
zurückbleibt, was beim Ausgang der Seele aus dem Körper diese an der
Entgegen nahme der Glorie zu hindern vermöge" (Thomas von Aquin)
[16] , in einer solchen Zeit kann das, was der Bischof Dietrich beurkun -det, nur bedeuten: Diese Stifter sind selig, sie sind im Him mel. Und als
solche werden sie den Gläubigen als Vorbild vor Augen gestellt: "Wie die
ersten Stifter unserer Kirche" sollen auch die Zeitgenossen des Bischofs
("vom heutigen Tag ab und fortan") sich um solche Verdienste bemühen
und damit das "gesamte Werk seiner Vollendung zuführen".
Und bei der Fertigstellung des Gesamtwerkes erscheinen die Stifter nun
genau an der Stelle, die ihrem "Stellenwert" in der communio sanctorum
entspricht, über den Gläubigen und Priestern, unter den Heiligen in den
Fenstern, in jenem Triforium, das der Naumburger Meister ohne
bauliche Notwen digkeit in seine Planung einbezogen hatte, als Selige
unter den Baldachinen des Himmlischen Jerusalem.
"Die Ecclesia als Gemeinschaft der Gläubigen mit den Seligen, den
^eiligen und der Gottheit scheint reale Wirk lichkeit zu sein...,die
Architektur umfängt in einem einzigen Gebäude Gott und die
Gläubigen."[17]
20 Jahre nach Prüfening wird dann von Dante eine sehr genaue
Statusbeschreibung solcher Seligen gegeben: Im Mondhimmel
(Paradies, Dritter Gesang) trifft er eine ehemalige Nonne, ihm
persönlich bekannt, die die Brüder der selben gewaltsam aus dem
Kloster geholt und zur Ehe gezwun gen hatten, Piccarda Donati. Nach
kurzer Zeit verstorben, hatte sie offensichtlich Vergebung ihrer Sünden
und Zugang zum Paradies gefunden,
50 "weilend hier mit diesen ändern Seligen,
51selig in der langsamsten der Sphären." (Mondsphäre!)
Dante stellt ihr die Frage:
65 "Begehrt ihr wohl nach einem höhern Ort,
66 Um mehr zu schaun und Freunde mehr zu werden?"
Und Piccarda antwortet ihm" so freudig,
69Als glühe sie von Lieb im ersten Feuer:
'O Bruder, unsern Willen hält in Ruhe
13
Der Liebe Kraft, die nur, was wir besitzen,
72Uns wollen läßt und nach nichts anderm dürsten...
79zu der Form des Seligseins gehört es,
80sich innerhalb des, was Gott will, zu halten,
84Der uns an seinem Wollen Lust läßt finden.
Und unser Friede ist sein Wille;’"
Und Dante zieht den Schluss daraus:
88 "Da ward mirs klar, wie jede Statt im Himmel
ist Paradies, wenn auch auf gleiche Weise
90des Höchsten Gutes Gnade drauf nicht tauet."[18]
So auch in Naumburg: Die Stifter stehen auf einer anderen Stufe als die
Heiligen, aber sie haben ihren Ort "innerhalb des, was Gott will"
erhalten.
Wenn nun, nach Vollendung des Westchores, der Naumburger Bischof
dort den Gottesdienst feierte, konnte er angesichts der in den Fenstern
vergegenwärtigten heiligen Patrone und der im Triforium
vergegenwärtigten seligen Stifter mit vollem Recht die Präfation
anstimmen:
„Es ist in Wahrheit würdig und recht, billig und heilsam, Dir immer und
überall dankzusagen, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott:
durch Christus, unsern Herrn..... Und so singen wir mit den Engeln und
Erzengeln, mit den Thronen und Herrschaften und mit der ganzen
himmlischen Heer schar den Hochgesang Deiner Herrlichkeit und rufen
ohne Unter laß:Heilig, heilig, heilig....."
Die communio sanctorum war hergestellt.
[1] Ausführliche Übersicht bei Stange/Fries: Idee und Gestalt des
Naumburger Westchores. Trierer Theologische Studien, 6.Band,
Paulinus-Verlag, Trier 1955, S. 9 ff.
Mrusek/Beyer: Drei deutsche Kathedralen(Merseburg, Naumburg,
Meißen), VEB Verlag der Kunst, Dresden 1976, S.396 (106).
[2] Simson, Otto von: Das Mittelalter II, Propyläen Kunstgeschichte,
Berlin 1972, Atofc.261.
[3] ebenda S. 242.
[4] Haussherr, Reiner: Triumphkreuzgruppen der Stauferzeit, in: Die
Zeit der Staufer, Katalog der Ausstellung, Stuttgart 1977/V, S.162.
[5] Jungmann, Josef Andreas S.J.: Missarum sollemnia, Herder ORT?
1962 / II., S.288.
[6] Sedlmayr, Hans: Die Entstehung der Kathedrale, Atlantis Verlag,
Zürich 1950, S.136.
[7] Ullmann, Ernst: Die Welt der gotischen Kathedrale, Union Verlag
VOB, Berlin 1981, S.82.
14
[8] Sauerländer, Willibald: Die Naumburger Stifterfiguren in: Die Zeit
der Staufer Katalog der Ausstellung Stuttgart 1977 Band V, S. 182.
[9] Sedlmayr, Hans: a.a.O., S.143 f.
[10] Klauser, Renate: Zur Entwicklung des Heiligsprechungsverfahrens
bis zum 13. Jahrhundert, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechts -geschichte, 71«Band, Kanonistische Abt.IL, Verlag Hermann Böhlaus
Nachfolger, Weimar 1954, S.100.
[11] Lexikon für Theologie und Kirche, Hrsg. Dr.Michael Buchberger,
Herder Verlag, Freiburg i.Br. 1930, Band 9, Spalte 642.
[12] Simson, Otto von: a.a.O. S.244
[13] Hütt, Wolfgang und Kollektiv: Der Naumburger Dom Sachsenverlag
Dresden 1956, S.95 f.
[14] Schubert/Hege: Der Naumburger Dom, Rembrandt Verlag, Berlin
1968, S.34.
[15] Küng, Hans: Ewiges Leben, R.Piper & Co, München Zürich 1982,
S.161.
[16] Schmaus, Michael: Kath.Dogmatik Band 111/2,3.414,Max Hueber
Verlag, München 1941.
[17] Ullmann, Ernst: a.a.O.,S. 38.
[18] Dante: Die Göttliche Komödie, übersetzt von Philalethes, Knaur
Ausgabe,Droemersche Verlagsanstalt München, o.J. S.268 ff.
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