«Ich habe diese Kirche gern, sie ist ein Teil von mir» · 28 | Migros-Magazin 41, 6. Oktober...

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«Ich habe diese Kirche gern, sie ist ein Teil von mir» Vom Volk geliebt, vom Bischof gemassregelt: Die Seelsorgerin Monika Schmid ist eine Frau der klaren Worte. In einem «Wort zum Sonntag» am Schweizer Fernsehen sprach sie offen über katholische Tabus: pädophile Priester und Zölibat. Der Bischof erteilte ihr einen Verweis. Dennoch leitet sie noch heute die katholische Pfarrei St. Martin in Illnau-Effretikon im Kanton Zürich. Jetzt erhielt sie den Publikumspreis des «Prix Courage». Ein Gespräch über Zivilcourage, Berufung und Priesterinnen. Monika Schmid, Sie haben den Publikumspreis des «Prix Coura- ge» gewonnen. Was bedeutet Ihnen dieser Preis? Er gibt mir Kraft. Wenn der Preis dazu beiträgt, dass in der katholi- schen Kirche eine neue Kultur heranwächst, in der man aufein- ander hört, in der mehr Glaub- würdikgeit gelebt wird, dann hat der Preis etwas bewirkt und ist nachhaltig. Wie erklären Sie sich diesen haushohen Sieg mit doppelt so vielen Stimmen wie die Zweitplat- zierte? Die Menschen haben gespürt: Wenn sich jemand getraut, gegen diesen kirchlichen «Machtappa- rat» anzutreten, dann braucht es Kraft und Mut. Mut vor allem zum Durchhalten. Darin wollten mich die vielen Stimmen unter- stützen. Braucht es Mut, um in der katholi- schen Kirche zu arbeiten? Es geht nicht um den Mut, von einem Fünf-Meter-Brett zu springen. Es geht um eine andere Art Mut. Ich bezeichne dies als spirituellen Mut, man könnte es auch Zivilcourage nennen. Es geht darum, dass man zu dem steht, was man gesagt hat, immer unter der Voraussetzung, dass man sein Gewissen prüft. Es braucht auch Standfestigkeit und Durchhalte- willen. Als ich das «Wort zum Sonntag» am Schweizer Fernse- hen sprach, hatte ich nicht das Gefühl, ich sei mutig. Erst danach, als ich diese grosse Aufmerksamkeit erhielt und mein Fall sogar von Radio Vatikan aufgegriffen wurde, ist mir bewusst geworden, dass ich wunde Punkte angesprochen hatte. Warum sprachen Sie in der Fernsehsendung über pädophile und verheiratete Priester? Es ging mir um die Glaubwürdig- keit. Die Kirche darf nicht nur Moral predigen, sie muss sie auch leben. Viele Katholikinnen und Katholiken sind nicht einverstan- den, wie die Kirchenleitung mit pädophilen Priestern umgeht. Diese werden einfach an eine an- dere Stelle versetzt. Hingegen werden Priester, die das Zölibat gebrochen haben und zu ihren Partnerinnen und Partnern ste- hen, mit einem Berufsverbot be- legt. Über diesen Widerspruch wird innerhalb der katholischen Kirche sehr viel gesprochen. Meistens aber hinter vorgehalte- ner Hand. Es liesse sich viel ver- bessern, wenn noch mehr Leute Zivilcourage zeigten und offen zu ihrer Meinung stehen würden. Ihre Zivilcourage wurde nicht belohnt. Sie erhielten einen Verweis, Ihre Beauftragung wurde nur um ein Jahr verlängert. Mit dem Verweis kann ich heute leben. Schlimmer wäre es gewesen, wenn mir die bischöfliche Beauf- tragung – die Missio Canonica – entzogen worden wäre. Dies hatte mir Bischof Vitus Huonder in ei- nem Brief Ende März angedroht. 28 | Migros-Magazin 41, 6. Oktober 2008

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«Ich habe diese Kirche gern, sie ist ein Teil von mir»Vom Volk geliebt, vom Bischof gemassregelt: Die Seelsorgerin Monika Schmid ist eine Frau der klaren Worte. In einem «Wort zum Sonntag» am Schweizer Fernsehen sprach sie offen über katholische Tabus: pädophile Priester und Zölibat. Der Bischof erteilte ihr einen Verweis. Dennoch leitet sie noch heute die katholische Pfarrei St. Martin in Illnau-Effretikon im Kanton Zürich. Jetzt erhielt sie den Publikumspreis des «Prix Courage». Ein Gespräch über Zivilcourage, Berufung und Priesterinnen.

Monika Schmid, Sie haben den Publikumspreis des «Prix Coura-ge» gewonnen. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?Er gibt mir Kraft. Wenn der Preis dazu beiträgt, dass in der katholi-schen Kirche eine neue Kultur heranwächst, in der man aufein-ander hört, in der mehr Glaub-würdikgeit gelebt wird, dann hat der Preis etwas bewirkt und ist nachhaltig.

Wie erklären Sie sich diesen haushohen Sieg mit doppelt so vielen Stimmen wie die Zweitplat-zierte?Die Menschen haben gespürt: Wenn sich jemand getraut, gegen diesen kirchlichen «Machtappa-rat» anzutreten, dann braucht es Kraft und Mut. Mut vor allem

zum Durchhalten. Darin wollten mich die vielen Stimmen unter-stützen.

Braucht es Mut, um in der katholi-schen Kirche zu arbeiten? Es geht nicht um den Mut, von einem Fünf-Meter-Brett zu springen. Es geht um eine andere Art Mut. Ich bezeichne dies als spirituellen Mut, man könnte es auch Zivilcourage nennen. Es geht darum, dass man zu dem steht, was man gesagt hat, immer unter der Voraussetzung, dass man sein Gewissen prüft. Es braucht auch Standfestigkeit und Durchhalte-willen. Als ich das «Wort zum Sonntag» am Schweizer Fernse-hen sprach, hatte ich nicht das Gefühl, ich sei mutig. Erst

danach, als ich diese grosse Aufmerksamkeit erhielt und mein Fall sogar von Radio Vatikan aufgegriffen wurde, ist mir bewusst geworden, dass ich wunde Punkte angesprochen hatte.

Warum sprachen Sie in der Fernsehsendung über pädophile und verheiratete Priester?Es ging mir um die Glaubwürdig-keit. Die Kirche darf nicht nur Moral predigen, sie muss sie auch leben. Viele Katholikinnen und Katholiken sind nicht einverstan-den, wie die Kirchenleitung mit pädophilen Priestern umgeht. Diese werden einfach an eine an-dere Stelle versetzt. Hingegen werden Priester, die das Zölibat gebrochen haben und zu ihren

Partnerinnen und Partnern ste-hen, mit einem Berufsverbot be-legt. Über diesen Widerspruch wird innerhalb der katholischen Kirche sehr viel gesprochen. Meistens aber hinter vorgehalte-ner Hand. Es liesse sich viel ver-bessern, wenn noch mehr Leute Zivilcourage zeigten und offen zu ihrer Meinung stehen würden.

Ihre Zivilcourage wurde nicht belohnt. Sie erhielten einen Verweis, Ihre Beauftragung wurde nur um ein Jahr verlängert. Mit dem Verweis kann ich heute leben. Schlimmer wäre es gewesen, wenn mir die bischöfliche Beauf-tragung – die Missio Canonica – entzogen worden wäre. Dies hatte mir Bischof Vitus Huonder in ei-nem Brief Ende März angedroht.

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Welche Folgen hätte der Entzug der bischöflichen Beauftragung gehabt?Das wäre einem Berufsverbot gleich gekommen, die Kirchen-pflege hätte mir kündigen müs-

sen. Nachdem ich den bischöfli-chen Brief gelesen hatte, in dem mir in dürren Worten mitgeteilt wurde, dass mir die Missio umge-hend entzogen werde, wurde mir fast schwarz vor den Augen. Ich

musste mich setzen. Ich hatte das Gefühl, ich bin im falschen Film. Die Zürcher Kirche suchte das Gespräch mit dem Bischof. Dieser nahm dann die Sanktion zurück. Ein Verweis ist aber geblieben.

Warum ist diese bischöfliche Beauftragung für Sie als Gemein-deleiterin einer Pfarrei so wichtig?Als Gemeindeleiterin arbeite ich nicht in meinem eigenen Namen, sondern tue dies im Auftrag der weltweiten katholischen Kirche. Diesen Auftrag erhalte ich vom Bischof, der in dieser Funktion Bindeglied zur weltweiten katho-lischen Gemeinschaft ist. Ange-stellt bin ich zwar von der Kirch-gemeinde, aber die Missio ist ein Bestandteil der Anstellung. Die Missio hat für mich zudem auch

einen emotionalen Wert. Sie gibt mir Rückhalt. Ich mache meine Arbeit im Auftrag dieser Gemein-schaft, zu der ich mich auch als kritische Person zugehörig fühle.

Ihr Fall weist Parallelen zum jetzt nach drei Jahren beigelegten Konflikt in Röschenz BL auf. Angenommen, Ihnen wäre wie im Fall von Franz Sabo, die Missio entzogen worden. Würde Sie dann die Kirchgemeinde ebenfalls weiter beschäftigen?In Effrektikon stehen wir nicht vor dieser Situation. Es gibt aber Parallelen zum Fall Röschenz. Auch die Effretiker Kirchgemein-de steht zu mir. Wie der Basler

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Seelsorgerin und GemeindeleiterinDie Katholische Pfarrei St. Martin von Illnau-Effretikon, Lindau und Brütten (Kanton Zürich) mit 5600 Kirchenmitgliedern und einem Jahresbudget von 2 Millionen Franken wird nicht von einem Pfarrer, sondern von Monika Schmid (51) geleitet. Die Seelsorgerin und Gemeindeleiterin steht einem Team von 25 Angestellten vor. Am aktiven Pfarreileben beteiligen sich auch 300 Freiwillige. Nach Abschluss des Studiums der Religionspädagogik und der Theologie in Luzern begann Schmid 1985 als Pastoralassistentin in der Pfarrei St. Martin zu arbeiten. Zuvor leitete sie nach ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin vier Jahre lang einen Dorfkindergarten. Von Anfang 2007 bis Ende August 2008 war Schmid Sprecherin der Sendung «Wort zum Sonntag» des Schweizer Fernsehens. Alle anderthalb Jahre wechselt das gesamte «Wort zum Sonntag»-Team.

Monika Schmid bleibt standhaft: Bischof Vitus Huonder drohte ihr Ende März, die Missio Canoni-

ca zu entziehen. Er musste zurückkrebsen.

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Bischof hat mir auch mein Bi-schof aus Chur kein rechtliches Gehör geschenkt, bevor er Sank-tionen gegen mich einleitete. Da-rum sind die Massnahmen gegen mich meiner Meinung nach nicht rechtens. Es gibt aber auch funda-mentale Unterschiede. Hinter dem Röschenzer Fall stecken wahrscheinlich auch persönliche Kränkungen, versteckte Geschich-ten. Ich habe nichts zu verste-cken. Auslöser bei mir war die Fernsehsendung. Diese hat vor allem konservativ Denkenden nicht gefallen. Ich könnte mir vorstellen, dass Bischof Huonder auch auf Druck dieses konservati-ven Flügels gehandelt hat.

Als Gemeindeleiterin stehen Sie einer Pfarrei vor. Was unterschei-

det Sie eigentlich von einem Pfarrer?In der katholischen Kirche ist ein Pfarrer ein geweihter Priester. Ich bin eine sogenannte Laiin, die zwar wie der Pfarrer mit einer bi-schöflichen Beauftragung eine Gemeinde leitet, die aber nicht dieselben Kompetenzen hat. Pfar-rer kann nur ein Mann werden, der getauft ist und zölibatär, also unverheiratet, lebt.

Das Geschlecht macht also den grossen Unterschied aus?Ich taufe, ich predige, ich leite Beerdigungsfeiern. Im Prinzip mache ich als Gemeindeleiterin dieselbe Arbeit wie ein Pfarrer.

Die Chronologie der Ereignisse2. februar: Im «Wort zum Sonntag» des Schweizer Fernse-hens thematisiert Monika Schmid den Widerspruch der Kirchenlei-tungen im Umgang mit verurteilten pädophilen Priestern und Pries-tern, die eine Beziehung zu einem Partner/einer Partnerin leben. Es könne doch nicht sein, so Schmid, dass ein Priester, der zu seiner Liebe stehe, seinen Beruf aufge-ben müsse. Ein Priester aber, der sich an Kindern vergehe, werde ganz einfach versetzt und könne an einem anderen Ort weiterwirken.

14. februar: Gespräch unter vier Augen mit Vitus Huonder, Bischof des Bistums Chur.

28. März: In einem Brief teilt Bischof Huonder Monika Schmid mit, dass er ihr die bischöfliche Beauftragung (missio canonica) umgehend entziehe. Schmid fällt aus allen Wolken. Ein Entzug der Missio bedeutet ein Berufsverbot. Auf Druck der Zürcher Kirche nimmt der Bischof die Sanktion zurück. Ein Termin für ein weiteres Gespräch wird vereinbart.

7. Mai: Das Gespräch mit Bischof Huonder findet in Zürich

statt. Mit dabei sind Offizial Joseph Bonnemain (Spezialist für Kirchenrecht des Bistums) und Pater Willi Anderau (ehemaliger kirchlicher Beauftragter für Radio und Fernsehen).

16. Mai: Schmid erhält einen schriftlichen Verweis aus Chur. Zudem wird ihre Beauftragung als Gemeindeleiterin von Illnau-Effreti-kon statt wie üblicherweise um drei Jahre, nur um ein Jahr verlängert.

8. Juli: Schmid wird mit dem «1001-Christenpreis» der katholi-schen Pfarrei St. Michael in Schweinfurt D für ihren Mut und ihre Zivilcourage in der Kirche ausgezeichnet. Die Preisüberüber-gabe findet an Pfingsten 2009 statt. Anfang September: Schmid wird für den «Prix Courage» der Zeitschrift «Beobachter» nomi-niert.

26. september: Sie erhält den Publikumspreis des «Prix Courage».

Das Thema interessiert: Bis heute hat die Effretiker Kirchenfrau 600 E-Mails und 300 Briefe erhalten, darunter befinden sich nur wenige negative.

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«es gibt keine Gründe, die gegen das Priesteramt von frauen sprechen.»

Monika Schmid kämpft für die Gleichstellung in der Kirche.

Migros-Magazin 41, 6. Oktober 2008 interview monika schmid | 31

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Aber ein geweihter Priester verkörpert Christus. Das

heisst, dass nur ein Priester jene Handlungen, in denen Jesus Christus gegenwärtig ist – wir sprechen von Sakramenten –, fei-ern und spenden darf. Nach ka-tholischer Lehre kann nur ein Priester die Eucharistie, das Abendmahl feiern. Und nur er kann bei einer Hochzeit assistie-ren, die Beichte abnehmen und die Krankensalbung spenden.

Das heisst, Sie werden als Frau in dieser Kirche nicht für ganz voll genommen?Das stimmt nicht ganz. Im öffent-lich-rechtlichen Bereich der Kir-che sind Priester und Laien, Frau-en und Männer, gleichgestellt. Auch lohnmässig.

Aber als Frau können Sie nicht zur Priesterin geweiht werden. Da kann man doch nicht von Gleichbe-rechtigung sprechen.Innerkatholisch ist es tatsächlich anders. Hier sind wir als Frauen ganz klar benachteiligt, wenn es um bestimmte Funktionen geht. Das finde ich absolut nicht in Ordnung. Es gibt keine biblischen und theologisch stichhaltigen Gründe, die gegen das Priester-amt von Frauen sprechen. Die Frauen bringen dieselben Fähig-keiten mit, um ein Priesteramt zu übernehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bischof, der Papst, im Ernst annehmen könn-te, dass Frauen weniger Fähigkei-ten für dieses Amt haben, nur weil sie Frauen sind.

Als Frau setzen Sie sich seit 23 Jahren engagiert für diese Kirche ein. Ist das nicht ein Widerspruch?Was bringt es, wenn ich tagtäglich damit hadere? Dann müsste ich gehen. Ich will aber nicht gehen. Ich habe diese Kirche gern, ich

bin ein Teil von ihr. Darum setze ich mich für Veränderungen ein. Eine Berufung darf nicht ans Ge-schlecht gebunden werden. Eine Frau kann sich genau so zum Priesteramt berufen fühlen wie ein Mann.

Sie haben von der Berufung gesprochen. Haben Sie auch eine Berufung gespürt, in der katholi-schen Kirche zu arbeiten?Wenn ich auf mein Leben zurück-schaue, dann habe ich das Gefühl, dass ich geführt worden bin. Ich glaube, da war und ist eine göttli-che Begleitung in meinem Leben. Das verstehe ich unter Berufung.

Dass ich in der Kirche gelandet bin, hat zudem mit meiner Per-sönlichkeit zu tun. Ich habe die Fähigkeit zur Verkündigung, ich finde einen guten Draht zu Kin-dern und Erwachsenen.

Wollten Sie nie Nonne werden?Nein. Ich hätte Mühe damit, im-mer in eine Gemeinschaft einge-bunden zu sein. Ich brauche mei-nen Freiraum. Viel eher hätte es aber sein können, dass ich heirate und eine Familie gründe. Es war nicht von Anfang klar, dass ich ledig bleibe. Ob es zu meinem Be-rufungsprofil gehört, dass ich nicht geheiratet habe, weiss ich

nicht. Mein Leben ist so verlau-fen. Manchmal hat es mir auch wehgetan. Ich hätte wahnsinnig gerne Kinder gehabt. Nun ist es anders herausgekommen. Es ist auch gut so.

Sind Sie streng katholisch aufgewachsen?Ich habe ein gutes Erbe mitbe-kommen. Meine Eltern sind aus dem Kanton Luzern. Mein Vater war Schweizer Gardist in Rom. Meine Mutter hat ihn kennen ge-lernt, als sie mit dem Kirchenchor in Rom war. Mein Vater hat als Schweizer Gardist Kunstführun-gen gemacht, und so haben sich die beiden kennen gelernt, ver-liebt und geheiratet. Ein Bruder meines Vaters ist Priester, eine Schwester ist Nonne. Mein Götti war ein aufgeschlossener, kriti-scher Pfarrer. Mein Hintergrund ist also durch und durch katho-lisch. Ich bin während des Zwei-ten Vatikanischen Konzils in den 1960er Jahren unter Papst Johan-nes XXIII. gross geworden. In meiner Jugendzeit war eine rich-tige Aufbruchstimmung in der katholischen Kirche. Da haben wichtige Reformen stattgefunden. Zuhause haben wir oft über Fra-gen des Konzils diskutiert.

Woher nehmen Sie die Kraft, um diesen Konflikt auszuhalten und sich weiterhin voll für die Gemein-de einzusetzen?Ich weiss es letztlich auch nicht. Gott gibt mir mehr Kraft als nur zum Schuhe binden. Ich stehe ganz tief in diesem Glauben. Das meine ich jetzt aber nicht frömm-lerisch. Ich schöpfe Kraft aus kur-zen Momenten des Gebets, oder auch nur, wenn ich still in der Kirche sitze. Ich bin in der Kraft Gottes verwurzelt, das hält mich.

Interview Judith StoferBilder Christine Bärlocher

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«eine frau kann sich genau so wie ein Mann zum Priesteramt berufen fühln.»

Hat das Lachen nicht verlernt: Monika Schmid schöpft Kraft aus ihrem tiefen Glauben.

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