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Teil

IDie Newton’schen Axiome 1

1.1 Definitionen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Die Newton’schen Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.3 Eindimensionale Bewegung im homogenen Schwerefeld . . . . . . . . 141.4 Energiesatz in einer Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201.5 Bewegung in drei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251.6 Energieerhaltung und konservative Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Antworten zu den Selbstfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Was bedeutet „klassischeMechanik“?

Wie lauten dieNewton’schen Axiome?

Was ist ein Inertialsystem?

Wie löst man einfacheBewegungsgleichungen?

Was sind konservativeKräfte?

Was besagt derEnergieerhaltungssatz?

M. Bartelmann et al., Theoretische Physik, DOI 10.1007/978-3-642-54618-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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TeilI

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4 1 Die Newton’schen Axiome

Das vorliegende Kapitel liefert eine Einführung in die grundle-genden Konzepte der klassischen, nichtrelativistischen Mechanik.Ein wichtiges Fundament dieser Theorie ist das physikalische Ver-ständnis der Begriffe „Raum“ und „Zeit“, „Körper“ und „Masse“,„Kraft“ und „Inertialsystem“. Auf der Basis dieser Größen wer-den wir die Newton’schen Axiome kennenlernen und erarbeiten. Siebestimmen, auf welchen Bahnkurven sich Punktmassen bewegen.Zusätzlich werden wir zahlreiche mathematische Begriffe definie-ren und Techniken kennenlernen, die ein tieferes Verständnis derMechanik überhaupt erst ermöglichen.

1.1 Definitionen und Grundlagen

In diesem Abschnitt finden Sie eine kurze historische Einfüh-rung in die klassische Mechanik. Anschließend werden wirzentrale physikalische und mathematische Größen einführen so-wie das Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik vorstellen.

Eine kurze historische Einführungin die klassische Mechanik

Im Studium der theoretischen Physik beginnt man in den meis-ten Fällen mit der Mechanik. Das ist sinnvoll, da sie die ältesteder theoretischen Physikdisziplinen darstellt und sich die grund-legenden physikalischen Begriffe in der Mechanik einführenund auf andere Theorien übertragen lassen. Darüber hinaus istdie theoretische Mechanik auch die anschaulichste Disziplin, dasie überwiegend Alltagsphänomene beschreibt. Historisch bau-en viele andere Physikdisziplinen auf der klassischen Mechanikauf (z. B. die Quantenmechanik und die statistische Mechanik).Ursprünglich wurde sogar versucht, sämtliche Naturbeobach-tungen im Rahmen der Mechanik zu verstehen (mechanischesWeltbild). Obwohl dies letztlich nicht möglich ist, spielt die Me-chanik noch immer eine fundamentale Rolle in der Physik; siekann als allgemeine Grundlage der Physik angesehen werden.

Die geschichtliche Entwicklung der Mechanik könnte ein eige-nes Buch füllen. Hier sollen nur die grundlegendsten Meilen-steine zusammengefasst und die wichtigsten Personen genanntwerden. Archimedes (287–212 v. Chr.) formulierte die soge-nannten Hebelgesetze und das nach ihm benannte Prinzip. Rund1700 Jahre später wurden die Planetenbahnen von Nikolaus Ko-pernikus (1473–1543) und Tycho Brahe (1546–1601) studiert.Johannes Kepler (1571–1630) gelang es, diese Beobachtungenim Rahmen des heliozentrischen Weltbildes zu verstehen. Ga-lileo Galilei (1564–1642) leistete mit seinen Fallversuchen undPendelexperimenten wichtige Beiträge zur Mechanik. Ebensoformulierte er das nach ihm benannte Relativitätsprinzip.

Der wohl wichtigste Physiker in der Geschichte der Mecha-nik war Isaac Newton (1643–1727). So formulierte er nichtnur die fundamentalen Axiome der Mechanik, er entwickelteauch parallel zu Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) die Dif-ferenzial- und Integralrechnung und kombinierte Keplers und

Galileis Erkenntnisse, was auf die Beschreibung der Schwer-kraft führte. Nach Newton wurde die Mechanik zur analytischenMechanik weiterentwickelt. Johann Bernoulli (1667–1748) lös-te damit das Problem der Brachistochrone (dies ist die Kurve,auf der eine Punktmasse reibungsfrei am schnellsten von einemPunkt zu einem anderen fällt; sie wird in Aufgabe 5.5 bespro-chen), was die Entwicklung der Variationsrechnung einläutete.Auch weitere Mitglieder der Bernoulli-Familie lieferten wichti-ge Beiträge zur Mathematik und Physik.

Für die Entwicklung der analytischen Mechanik war auchLeonhard Euler (1707–1783) entscheidend mitverantwortlich.Nach ihm wurden zahlreiche Gleichungen benannt, die in derVariationsrechnung, der Hydrodynamik und der Kreiselbewe-gung fundamentale Bedeutung besitzen. Jean-Baptiste le Rondd’Alembert (1717–1783) legte die Grundsteine für die Kontinu-umsmechanik. Joseph-Louis Lagrange (1736–1813) begründeteden Lagrange-Formalismus, dem eine wesentliche Rolle in die-sem Buch zukommt. Die Hamilton’sche Mechanik, die vonWilliam Rowan Hamilton (1805–1865) ausgearbeitet wurde, istheute in der Quantenmechanik unverzichtbar. Die moderne Be-trachtungsweise von Symmetrien und Erhaltungsgrößen wurdevon Amalie Emmy Noether (1882–1935) entwickelt. Schließlichentwickelte Albert Einstein (1879–1955) die spezielle und all-gemeine Relativitätstheorie fast im Alleingang.

In Teil I wird zunächst die klassische Mechanik behandelt.Sie beinhaltet sowohl die Newton’sche als auch die Lagran-ge’sche, die Hamilton’sche sowie die relativistische Mechanik.Die Quantenmechanik jedoch wird als nichtklassisch bezeich-net. Ihr ist Teil III gewidmet.

Die theoretische Mechanik beschreibt die Gesetze, nach denensich Massen unter dem Einfluss von Kräften mit der Zeit imRaum bewegen. Kräfte sind dabei die Ursache der Bewegungund mathematisch und physikalisch noch genauer zu definie-ren. Die Analyse der klassischen Mechanik führt zu Begriffenund Methoden, die sich durch die gesamte theoretische Physikziehen und vor allem für die Quantenmechanik und Quanten-feldtheorie außerordentlich fruchtbar sind.

Die klassische Punktmechanik, mit der wir uns zuerst beschäf-tigen werden, kennt dabei eine Vierheit von Objekten: Körper,Kräfte, Raum und Zeit. Die modernen Theorien für eine Ver-einheitlichung der Physik werden später fundamental an diesenBegriffen einsetzen. Die Feldtheorie, geschichtlich zuerst dieElektrodynamik, wird dazu Kräfte und den Raum miteinan-der verbinden, die spezielle Relativitätstheorie dann Raum undZeit, und die allgemeine Relativitätstheorie schließlich ver-knüpft Körper mit der Raum-Zeit-Struktur.

Der Gültigkeitsbereichder klassischen Mechanik

Um physikalische Systeme verstehen zu können, müssen häufigVereinfachungen und Idealisierungen vorgenommen werden.

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1.1 Definitionen und Grundlagen 5

Teil

I

Dabei versucht man, für das Problem wichtige und unwichtigeEffekte voneinander zu trennen. Eine dafür wesentliche mathe-matische Methode ist die sogenannte Taylor-Entwicklung, dieim Laufe dieses Kapitels erläutert wird. Erst durch dieses Vor-gehen wird es überhaupt möglich, Theorien und Naturgesetzezu formulieren. Unser erstes Beispiel für dieses Vorgehen istdie Approximation von ausgedehnten Körpern durch Punktmas-sen. Hierbei werden die räumliche Ausdehnung und möglicheinnere Freiheitsgrade der Objekte vernachlässigt. So gelten dieNewton’schen Gesetze beispielsweise zunächst auch nur fürPunktmassen. Die Auswirkungen der Ausdehnung der Objektekann allerdings später durch zusätzliche Gleichungen beschrie-ben werden.

In der klassischen Mechanik werden Körper als Punkte be-stimmter Masse, sogenannte Punktmassen, beschrieben. IhreAusdehnung ist dabei klein gegenüber den Dimensionen desGesamtsystems. Die Begriffe „klein“ und „groß“ sind hier alsrelative Bezugsangaben zu verstehen. So ist beispielsweise dieErde im Vergleich zu einer Raumstation, die sie umkreist, groß.Relativ zur Ausdehnung der Sonne oder sogar der Milchstraßeist die Erde jedoch klein.

Eine Punktmasse wird allein durch ihre Masse m und ihren Ortx.t/ zur Zeit t beschrieben. Ausgedehnte starre Körper kön-nen dann als Systeme von Punktmassen aufgefasst werden,deren Abstände untereinander konstant sind. Punktmassen sindIdealisierungen, da sämtliche Alltagsgegenstände eine Aus-dehnung besitzen. Andererseits können beispielsweise einigeElementarteilchen wie Elektronen doch als Punktmassen ange-sehen werden, da es experimentell bisher nicht gelungen ist,eine innere Struktur von Elektronen zu beobachten. Die obereGrenze für den Elektronenradius liegt bei weniger als 10�18 m.

Der physikalische Raum, in dem sich die klassische Mechanikabspielt, ist ein kontinuierlicher, dreidimensionaler Vektorraum(siehe „Mathematischer Hintergrund“ 1.1). Dieser Raum istflach, also nicht gekrümmt, d. h., dass die Summe der Innenwin-kel eines Dreiecks stets 180° beträgt. Beispiele für gekrümmtezweidimensionale Räume sind die Oberflächen einer Kugeloder eines Sattels.

Im Rahmen der klassischen Mechanik sind die Eigenschaftendes Raumes unabhängig von der Existenz von Körpern undderen Bewegung. Die Lage von Körpern wird stets relativ zuanderen Körpern, den Bezugssystemen, angegeben. Ein häufiganzutreffendes Bezugssystem ist das sogenannte Laborsystem,das durch die Wände desjenigen Labors definiert ist, in demExperimente durchgeführt werden. Wir werden später daraufzurückkommen, welche Bezugssysteme am geeignetsten sind,um physikalische Gesetze zu formulieren.

Im Allgemeinen gelten die Annahmen der Homogenität undIsotropie des Raumes, d. h., ein Bezugssystem kann beliebig(aber zeitunabhängig) verschoben und gedreht werden. Typi-scherweise wird ein kartesisches Koordinatensystem für das Be-zugssystem gewählt (siehe „Mathematischer Hintergrund“ 1.2,und darauf aufbauend „Mathematischer Hintergrund“ 1.3).

Die Zeit ist in der nichtrelativistischen Mechanik ein absoluter,kontinuierlicher und unabhängiger Parameter. Das heißt unteranderem, dass sich jedem Ereignis ein eindeutiger Zeitpunkt tzuordnen lässt und sich alle Ereignisse eindeutig zueinander an-ordnen lassen (ein Ereignis kann somit gleichzeitig, früher oderspäter als ein anderes Ereignis eintreten). Es wird im Rahmender Newton’schen Mechanik postuliert, dass es eine für alle Be-zugssysteme universelle Zeit gibt. Von dieser Hypothese mussman in der speziellen Relativitätstheorie abrücken.

Der Nullpunkt der Zeit ist im Allgemeinen frei wählbar. Letz-teres wird als Homogenität der Zeit bezeichnet. Um Zeiten zumessen, benötigt man nicht zuletzt periodische Vorgänge (z. B.die Tageslänge, die Schwingungsdauer eines Pendels oder einerLichtwelle).

Kräfte wirken in der nichtrelativistischen Mechanik instan-tan, d. h. von ihrer Wirkung wird angenommen, dass sie sichmit einer unendlichen Geschwindigkeit ausbreitet; Ursache undWirkung einer Kraft ereignen sich also gleichzeitig.

Die klassische, nichtrelativistische Mechanik ist gültig in alltäg-lichen Dingen, bei denen

Geschwindigkeiten klein gegenüber der Lichtgeschwindig-keit sind,Abstände groß gegenüber Atomdurchmessern sind,Abstände klein gegenüber kosmologischen Ausdehnungensind,Massen hinreichend klein sind.

Die spezielle Relativitätstheorie wird sich als eine Erweiterungder Newton’schen Mechanik erweisen, in der Geschwindigkei-ten nicht auf Werte beschränkt sind, die klein gegenüber derLichtgeschwindigkeit sind. Sie wird in Kap. 9 diskutiert. ImRahmen der allgemeinen Relativitätstheorie, die in diesem Buchnicht behandelt wird, werden sowohl kosmologische Abstän-de als auch beliebig große Massen, die den Raum krümmen,betrachtet. Systeme, bei denen die Abstände in der Größenord-nung von Atomdurchmessern liegen, werden durch die Quan-tenmechanik in Teil III beschrieben.

Einführung der mechanischen Grundgrößen

Die Gleichungen der klassischen Mechanik lassen sich mithil-fe der linearen Algebra formulieren. Zu diesem Zweck führenwir hier alle für den Anfang relevanten Größen ein und begin-nen mit dem Ortsvektor x. Ein Ortsvektor x einer Punktmassem beschreibt ihre Position im Raum relativ zu einem Koordina-tensystem. Ausgedehnte Körper werden zusätzlich durch ihreOrientierung relativ zu den Achsen des Koordinatensystemscharakterisiert. Sie werden in Kap. 4 behandelt. Die grundle-genden Konzepte der klassischen Mechanik lassen sich jedochanhand von Punktmassen veranschaulichen, bevor der Schritt zuausgedehnten Objekten unternommen wird.

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6 1 Die Newton’schen Axiome

1.1 Mathematischer Hintergrund: Vektorräume

Auf den ersten Blick haben die Menge der Verschiebun-gen im R3, die Menge der Polynome einer Veränderlichenmit rationalen Koeffizienten vom Grad kleiner gleich n unddie Menge der Paare von reellen Zahlen nicht viel gemein-sam. Tatsächlich jedoch handelt es sich bei allen dreien umVektorräume, denn man kann die Elemente dieser Mengenaddieren und vervielfachen, und dabei gelten gewisse Re-geln, z. B. das Kommutativ- und Assoziativgesetz. Um denBegriff „Vektorraum“ allgemein fassen zu können, müssenwir zuerst die relevanten Eigenschaften der reellen Zahlenformulieren.

Definition Körper Eine Menge K ist ein Körper, wenn es

eine Addition K � K ! K; .x; y/ 7! x C y gibt, so-dass Knf0g bezüglich der Addition eine additive abelscheGruppe ist (Gruppen werden im Kasten „MathematischerHintergrund 2.4“ vertieft.):– Assoziativgesetz: Es gilt x C .y C z/ D .x C y/ C z für

alle x; y; z 2 K.– Existenz des neutralen Elements: Es gibt ein Element

0 2 K, sodass für alle x 2 K gilt x C 0 D x.– Existenz des Inversen: Zu jedem Element x 2 K gibt

es ein inverses Element �x mit x C .�x/ D 0.– Kommutativgesetz: Für alle x; y 2 K gilt xCy D yCx.

eine Multiplikation K � K ! K; .x; y/ 7! xy gibt, sodassK n f0g bezüglich der Multiplikation eine multiplikativeabelsche Gruppe ist:– Assoziativgesetz: Es gilt x.yz/ D .xy/z für alle x; y; z 2

K.– Existenz des neutralen Elements: Es gibt ein Element

1 2 K, sodass für alle 1 2 K gilt 1x D x.– Existenz des Inversen: Zu jedem Element 0 ¤ x 2 K

gibt es ein inverses Element x�1 mit x.x�1/ D 1.– Kommutativgesetz: Für alle x; y 2 K gilt xy D yx.

das Distributivgesetz erfüllt ist: Es gilt x.y C z/ D xy C xzfür alle x; y; z 2 K.

Die Gruppen .K; C/ bzw. .K n f0g; �/ nennt man abelsch(nach dem norwegischen Mathematiker Niels Henrik Abel,1802–1829), da die Gruppen das Kommutativgesetz erfül-len. Beispiele für Körper sind die rationalen Zahlen Q unddie reellen Zahlen R. Die Menge der rationalen Funktioneneiner Veränderlichen mit reellen Koeffizienten R.X/ bildetebenfalls einen Körper. Es gibt auch endliche Körper, z. B.die Restklassen modulo 7.

In der Physik werden die Elemente eines Körpers als Skalarebezeichnet. Es handelt sich dabei praktisch immer um reelleund komplexe Zahlen (R und C).

Nachdem wir den Begriff Körper definiert haben, können wirden Begriff Vektorraum präzisieren. Dieser enthält Elemen-te, sogenannte Vektoren, die sich addieren und mit Elementendes Körpers vervielfachen lassen.

Definition Vektorraum Eine Menge V ist ein Vektorraumüber einem Körper K, wenn

es eine Addition V � V ! V: .x; y/ 7! x C y gibt, sodass.V; C/ eine abelsche Gruppe ist;es eine skalare Multiplikation K � V: .�; x/ 7! �x gibtmit den Eigenschaften– �.x C y/ D �x C �y,– .� C �/x D �x C �x,– .��/x D �.�x/,– 1x D x,für alle �; � 2 K und x; y 2 V.

Die Anforderungen an die skalare Multiplikation stellen da-bei nur sicher, dass die skalare Multiplikation im Vektorraumund die Multiplikation innerhalb des Körpers zueinanderkompatibel sind. Die Untersuchung von Vektorräumen istGegenstand der linearen Algebra. Wichtige Ergebnisse sind:

Existenz einer Basis Es gibt Vektoren fb1; b2; : : : g � V,sodass sich jeder Vektor v 2 V eindeutig als (endliche) Line-arkombination

Pi �ibi schreiben lässt.

Dimension eines Vektorraumes Alle Basen eines Vektor-raumes sind gleich mächtig, d. h., zwischen beliebigen zweiBasen B1 und B2 eines Vektorraumes V gibt es eine bijektive(d. h. umkehrbare) Abbildung B1 ! B2. Besteht eine Ba-sis eines Vektorraumes V nur aus endlich vielen Elementen,dann haben alle Basen von V die gleiche Länge. Diese Längebezeichnet man als Dimension von V.

Koordinaten eines Vektors Ist fe1; e2; : : : ; eng eine Basisdes n-dimensionalen Vektorraumes V, kann man jeden Vek-tor v 2 V eindeutig schreiben als v D x1e1Cx2e2C: : :Cxnen.Das n-Tupel

0

BBB@

x1

x2:::

xn

1

CCCA

nennt man die Koordinaten von v bezüglich der Basisfe1; e2; : : : ; eng und notiert diese als Spaltenvektoren. UmPlatz zu sparen, werden in diesem Buch die Koordinatenvek-toren auch als transponierte Zeilenvektoren .x1; x2; : : : ; xn/>

notiert.

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1.1 Definitionen und Grundlagen 7

Teil

I

Die Koordinaten eines Vektors hängen von der Wahl der Ba-sis ab. So hat z. B. das Polynom f .X/ D 1 C 2X C 3X2

bezüglich der Basis f1; X; X2g die Koordinaten�

123

�und be-

züglich der Basis f1; 1 C X; 1 C X C X2g die Koordinaten��1�1

3

�.

Literatur

Jänich, K.: Lineare Algebra. 10. Aufl., Springer Verlag,2004Modler, F., Kreh, M.: Tutorium Analysis 1 und LineareAlgebra 1. 2. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag, 2011

x2

x1

x3

x(t)

m

Abb. 1.1 Die Bahnkurve x.t/ einer Punktmasse m (hier zusammen mit ih-rer Projektion auf die x1-x2-Ebene dargestellt) umfasst die zusammenhängendeMenge aller Punkte, die m im Laufe der Zeit durchläuft

Im gesamten Buch werden Vektoren im dreidimensionalen Vek-torraum R3 fett gedruckt. In der Regel werden Vektoren alsSpaltenvektoren dargestellt, z. B.

x D0

@x1

x2

x3

1

A oder x D0

@xyz

1

A : (1.1)

Die entsprechenden Zeilenvektoren nennt man transponiert. Siewerden in der Form x> D .x1; x2; x3/ geschrieben. Eine mathe-matische Einführung in Vektorräume und die Darstellung einesVektors in einem Koordinatensystem finden Sie im „Mathema-tischen Hintergrund“ 1.1.

Vektorräume spielen in der Physik eine zentrale Rolle. Mit ihrerHilfe lassen sich alle Größen beschreiben, deren Linearkombi-nationen wieder einen Vektor ergeben. Man begegnet Vektorenüber die Mechanik hinaus in praktisch allen physikalischen Dis-ziplinen. In Aufgabe 1.1 wird die Vektorrechnung vertieft.

Die Bahnkurve x.t/ einer Punktmasse ist die zentrale Größe inder Mechanik von Punktmassen. Sie gibt an, wie sich ihre Ko-ordinaten im gewählten Bezugssystem mit der Zeit t ändern.Die Bahnkurve enthält alle Raumpunkte, welche die Punktmas-se im Laufe der Zeit durchläuft. Dies ist in Abb. 1.1 dargestellt.In Kap. 2 werden wir detailliert untersuchen, wie die Koordi-naten einer Punktmasse von der Wahl des Koordinatensystemsabhängen und wie man zwischen verschiedenen Koordinaten-systemen transformieren kann.

Unter der Geschwindigkeit einer Punktmasse versteht man dieÄnderung ihres Ortes mit der Zeit. Hierzu vergleicht man diePosition der Punktmasse zu verschiedenen Zeiten t und t C �tund betrachtet den Grenzwert

dx.t/

dtWD lim

�t!0

x.t C �t/ � x.t/

�t: (1.2)

Dies ist die Zeitableitung des Ortes nach der Zeit (siehe auch„Mathematischer Hintergrund“ 1.7). Die Geschwindigkeit einerPunktmasse ist dann definiert als

v.t/ D dx.t/

dtDW Px.t/: (1.3)

Generell bezeichnet ein Punkt über einem Funktionssymbol dieZeitableitung dieser Funktion. Die Anzahl der Punkte gibt dieOrdnung der Zeitableitung an: Ein Punkt steht für die erste Ab-leitung, zwei Punkte für die zweite usw.

Die Ableitung einer vektorwertigen Funktion wird berechnet,indem die Ableitung jeder einzelnen Komponente bestimmtwird, z. B.

Px.t/ D0

@Px1.t/Px2.t/Px3.t/

1

A : (1.4)

Achtung Streng genommen gilt diese Definition der Ge-schwindigkeit (1.3) nur in nichtrotierenden kartesischen Koor-dinatensystemen, da man zwischen einem Vektor und seinerDarstellung in einem Koordinatensystem unterscheiden muss.Um der Übersicht in diesem Kapitel Vorrang vor Vollständig-keit zu geben, werden die entsprechenden Verallgemeinerungenerst in Kap. 2 diskutiert. JDie Beschleunigung einer Punktmasse schließlich ist die Ände-rung ihrer Geschwindigkeit mit der Zeit,

a.t/ D dv.t/

dtD d2x.t/

dt2DW Rx.t/; (1.5)

und somit die zweite Zeitableitung des Ortes.

Das klassische Relativitätsprinzip

Das Relativitätsprinzip besagt, dass zwei mit konstanter Ge-schwindigkeit relativ zueinander bewegte Koordinatensystemeäquivalent sind. D. h., keines dieser beiden Systeme ist irgend-wie vor dem anderen ausgezeichnet. Durch eine Messung lässtsich folglich nicht entscheiden, ob ein gegebenes System ruhtoder sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Nur die rela-tive Geschwindigkeit zweier Systeme ist messbar.

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TeilI

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8 1 Die Newton’schen Axiome

1.2 Mathematischer Hintergrund: Metrische und normierte Räume

Metrische und normierte Räume werden eingeführt, um denAbstandsbegriff zwischen Punkten im R3 auf beliebige Men-gen zu verallgemeinern. Dies geht wie folgt:

Definition Metrik Eine Metrik auf einer Menge X ist eineAbbildung d W X � X ! R mit den Eigenschaften

d.x; y/ � 0, d.x; y/ D 0 , x D y (Definitheit)d.x; y/ D d.y; x/ (Symmetrie)d.x; z/ � d.x; y/ C d.y; z/ (Dreiecksungleichung)

für beliebige x; y 2 X. Die Dreiecksungleichung besagt an-schaulich nichts anderes, als dass jeder Umweg von x nachz über y länger ist als der direkte Weg von x nach z. EineMenge X mit einer Metrik d wird als metrischer Raum be-zeichnet.

Mithilfe der Metrik kann der aus R bekannte Konvergenz-begriff auf X übertragen werden: Eine Punktfolge .xn/ ausX konvergiert gegen x 2 X, wenn die Folgenglieder irgend-wann beliebig nahe bei x liegen, d. h. wenn es zu jedem " > 0ein n" 2 N gibt, sodass d.xi; x/ < " für alle i � n" gilt.

Auch der Begriff einer Cauchy-Folge lässt sich aus R über-tragen: Eine Folge .xn/ aus X heißt Cauchy-Folge, wenn dieFolgenglieder irgendwann beliebig nahe beieinander liegen,d. h. wenn es zu jedem " > 0 ein n" 2 N gibt, sodassd.xi; xj/ < " für alle i; j � n" gilt. Hat der metrischeRaum die Eigenschaft, dass jede Cauchy-Folge konvergiert,so nennt man den Raum vollständig.

Definition Norm Sei V ein reeller oder komplexer Vektor-raum über K (d. h. über K D R oder K D C). (KomplexeZahlen werden in Kap. 6 besprochen.) Eine Norm auf V isteine Abbildung k�k W V ! R, v 7! kvk mit

kxk � 0, kxk D 0 , x D 0 (Definitheit)

k�xk D j�j kxk (Homogenität)kx C yk � kxk C kyk (Dreiecksungleichung)

für alle x; y 2 V und � 2 K.

Ein Vektorraum V mit Norm k�k wird als normierter Raumbezeichnet. Jeder normierte Raum ist durch d.x; y/ WD kx �yk auch ein metrischer Raum. Ein vollständiger normierterRaum heißt Banach-Raum.

Vektoren v 2 V mit kvk D 1 nennt man Einheitsvektorenbezüglich der Norm k�k. In diesem Buch werden Einheitsvek-toren in der Regel fett und mit einem Hut dargestellt, z. B. Ov.

Beispiele

Rn mit kxkk WD kpjx1jk C jx2jk C : : : C jxnjk

Rn mit kxk1

WD max.jx1j; jx2j; : : : ; jxnj/ (Maximums-norm)der Vektorraum der integrierbaren Funktionen f W Œ0; 1�

! R mit der Norm kf k WD R 10 jf .x/j dx

der Vektorraum der beschränkten Funktionen f W I ! Rauf einem Intervall I � R mit der Supremumsnormkf k

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WD supff .x/ j x 2 Ig (das Supremum einer nachoben beschränkten nichtleeren Menge M � R ist diekleinste obere Schranke aller Elemente von M)

Die euklidische Norm k�k2 im Rn entspricht genau der Längedes durch die Komponenten .x1; x2; : : : ; xn/ beschriebenenVerschiebepfeiles. Außerdem ist kxk

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D limk!1

kxkk .

Äquivalenz von Normen In einem Vektorraum kann esmehrere verschiedene Normen geben (siehe obige Beispie-le). In endlich-dimensionalen Vektorräumen sind allerdingsalle Normen äquivalent und führen auf den gleichen Konver-genzbegriff.

Sämtliche physikalischen Gesetze, die im Rahmen der klassi-schen Mechanik aufgestellt und abgeleitet werden, liefern daheridentische Resultate in allen Bezugssystemen, die sich rela-tiv zueinander mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen.Dies kann man sich folgendermaßen veranschaulichen: Sitztman im Zug und beobachtet durch das Fenster einen anderenZug und physikalische Phänomene in seinem Inneren, so kannman daraus nicht ableiten, ob der eigene Zug vorwärts oder derandere rückwärts fährt. Nur die Relativgeschwindigkeit der Zü-ge ist direkt bestimmbar, wenn man nicht zusätzlich die Gleiseoder die Landschaft beobachtet (und damit ein weiteres Bezugs-system heranzieht).

Im Gegensatz zu Geschwindigkeiten sind Beschleunigungen je-doch stets messbar. Wir werden in Kürze sehen, dass sie eng mit

Kräften verknüpft sind, welche diese Beschleunigungen erzeu-gen.

1.2 Die Newton’schen Axiome

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Newton’schen Axio-men, welche die Grundlage der klassischen Mechanik bilden.Sie können als fundamentale Naturgesetze innerhalb eines be-stimmten, in der Einleitung beschriebenen Geltungsbereichsangesehen werden. Weiterhin werden Inertialsysteme definiert,in denen die Grundgleichungen der Mechanik eine besonderseinfache Form annehmen. Der Begriff des Inertialsystems isteng mit dem der Kräfte und Beschleunigungen verbunden, was

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1.2 Die Newton’schen Axiome 9

Teil

I1.3 Mathematischer Hintergrund: Skalarprodukt, euklidische Räume

Das Skalarprodukt von Vektoren im Rn ist schon aus derSchule bekannt. Es gilt nun, dieses Konzept auf Vektorräumezu verallgemeinern.

Definition Skalarprodukt Sei V ein Vektorraum über demKörper K. Ein Skalarprodukt ist eine Abbildung V �V ! K(wobei wir hier nur die Körper K D R oder K D Cbetrachten. Wer mit den komplexen Zahlen noch nichts an-fangen kann, kann sich hier immer K D R vorstellen),.x; y/ 7! hx; yi mit den Eigenschaften

h�x1 C �x2; y1i D N�hx1; y1i C N�hx2; y1i (Bilinearität)hx1; �y1 C �y2i D �hx1; y1i C �hx1; y2ihx; xi � 0, hx; xi D 0 , x D 0 (Definitheit)

für alle x; x1; x2; y1; y2 2 V und �; � 2 K. Hierbei bezeichnetN� das komplex Konjugierte zu �. Im Falle K D R kann diekomplexe Konjugation weggelassen werden.

Bei Vektoren x; y 2 R3 wird in diesem Buch für das Skalar-produkt auch die Schreibweise x � y verwendet. Man sprichthäufig auch vom inneren Produkt.

Definition euklidischer Raum Ein Vektorraum über R mitSkalarprodukt heißt euklidischer Raum.

Jeder euklidische Raum ist durch kvk WD .hv; vi/1=2 auch einnormierter Raum. In euklidischen Räumen sind die Einheits-vektoren genau die Vektoren mit hv; vi D 1.

Im Folgenden sei V endlich-dimensional. Aufgrund der Bi-linearität des Skalarprodukts kann man den Wert von hx; yiberechnen, wenn alle Skalarprodukte hei; eji zwischen den

Vektoren einer Basis fe1; e2; : : : ; eng und die Koordinatenvon x und y bezüglich dieser Basis bekannt sind. Für x DP

i xiei und y D Pj yjej ergibt sich hx; yi D P

i;j xiyjhei; eji.

Orthogonalität von Vektoren Zwei Vektoren x und y inV heißen orthogonal (bezüglich des Skalarprodukts h�; �i),wenn hx; yi D 0 ist. Eine Basis von V, bei der verschiedeneBasisvektoren zueinander orthogonal sind, also hei; eji D 0für alle i ¤ j gilt, nennt man Orthogonalbasis von V.Für eine Orthogonalbasis vereinfacht sich das Skalarproduktzwischen x und y zu hx; yi D P

i xiyihei; eii. Gilt jetzt auchnoch hei; eii D 1 für alle i, sind also alle Basisvektoren Ein-heitsvektoren, so spricht man von einer Orthonormalbasisvon V. Bezüglich einer Orthonormalbasis kann das Skalar-produkt zweier Vektoren einfach aus den Koordinaten derVektoren berechnet werden: hx; yi D P

i xiyi.

Ausgehend von einer beliebigen Basis von V kann man inendlich vielen Schritten eine Orthonormalbasis von V finden(Gram-Schmidt’sches Orthogonalisierungsverfahren).

Geometrische Bedeutung Im R3 bezüglich der Standard-basis (kartesische Koordinaten) gilt x�y D jxjjyj cos ˛, wobei˛ der zwischen x und y eingeschlossene Winkel ist. Diesrechtfertigt auch die Verwendung des Begriffs orthogonal fürx �y D 0, denn nur in diesem Fall stehen die Vektoren x und yim R3 genau senkrecht aufeinander. Ist Oy ein Einheitsvektor,dann ist im R3 das Skalarprodukt x� Oy genau gleich der Längeder Projektion von x auf Oy. Ist fe1; e2; : : : ; eng eine Orthogo-nalbasis von V, dann können die Koordinaten von x mithilfedes Skalarprodukts berechnet werden: xi D hx; eii. Auch hiersind die Skalarprodukte gleich den Projektionen von x auf ei.

wiederum eine Diskussion der Masse erfordert. Im Anschlusswird das Konzept des Gravitationsfeldes eingeführt. Abschlie-ßend werden die physikalischen Einheiten vorgestellt, die zurQuantifizierung mechanischer Systeme verwendet werden.

Das erste Newton’sche Axiom

Das erste Newton’sche Axiom wird auch Trägheitsgesetz oderLex Prima genannt.

Erstes Newton’sches Axiom

Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe odergleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht

durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zu-stand zu ändern.

Durch dieses Axiom wird das Beharrungsvermögen des Kör-pers, seine Trägheit, postuliert. Weiterhin definiert man alsBewegungsgröße das Produkt aus Masse m und Geschwindig-keit v als den Impuls

p D mv: (1.6)

Somit besagt das Trägheitsgesetz, dass der Impuls erhalten ist,

p D const; (1.7)

wenn Kräfte abwesend sind. Die Begriffe „Masse“ und „Kraft“verwenden wir hier zunächst rein intuitiv, sie müssen noch defi-niert werden. Die Masse m, die im Bewegungsgesetz auftritt, seihier jedoch als die träge Masse eingeführt, auf die wir in Kürzezurückkommen werden.

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10 1 Die Newton’schen Axiome

Das zweite Newton’sche Axiom

Das zweite Newton’sche Axiom wird auch als Bewegungsgesetzoder Lex Secunda bezeichnet:

Zweites Newton’sches Axiom

Die Änderung der Bewegung ist der Einwirkung derbewegenden Kraft proportional und geschieht nach derRichtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jeneKraft wirkt.

In mathematischer Form lautet es

Pp D F; (1.8)

wobei der Impuls p die Bewegungsgröße ist. Für eine zeitlichkonstante Masse gilt wegen (1.6)

mRx D F: (1.9)

Unter der Trägheit einer Masse versteht man also den Wider-stand gegen eine Beschleunigung: je größer die träge Masse m,desto kleiner die Beschleunigung Rx für eine gegebene Kraft F.

Kräfte werden definiert, indem man Messvorschriften angibt,die z. B. eine unbekannte mit einer bekannten Kraft vergleichen.Die Gravitationskraft wird dabei häufig als Referenzkraft ver-wendet.

Im Allgemeinen sind Kräfte Funktionen von Ort und Ge-schwindigkeit. Wir wollen hier annehmen, dass sie nur vonmomentanen Größen und nicht von Eigenschaften des Systemsin der Vergangenheit abhängen. Die Lorentz-Kraft, die auf eingeladenes Teilchen im Magnetfeld wirkt, ist beispielsweise ge-schwindigkeitsabhängig. Sie wird in Teil II gründlich behandelt,wird aber auch bereits in Aufgabe 1.4 ein erstes Mal untersucht.Reibungskräfte sind ebenfalls von der Geschwindigkeit abhän-gig. Auf sie wird in Abschn. 1.3 wieder eingegangen. Beispielefür geschwindigkeitsunabhängige Kräfte sind die Gravitations-und die Coulomb-Kraft, die beide proportional zum inversenAbstandsquadrat sind. Diese beiden Kräfte wirken außerdementlang des Abstandsvektors,

F12 k ˙ .x1 � x2/; (1.10)

wobei x1 und x2 die Positionen der beiden wechselwirkendenPunktmassen sind. Kräfte, welche diese Eigenschaft besitzen,nennt man Zentralkräfte. Wir werden in Kürze auf die Gravita-tionskraft zwischen zwei Punktmassen zurückkommen.

Man erkennt, dass Bewegungsgleichungen in der Regel zwei-te Ableitungen des Ortes nach der Zeit beinhalten und somitDifferenzialgleichungen sind (siehe „Mathematischer Hinter-grund“ 1.4 und 1.5). Im Allgemeinen führen die Gleichungender Mechanik für N Teilchen auf 3N Differenzialgleichun-gen zweiter Ordnung. Der Faktor 3 rührt daher, dass jedes

Punktteilchen drei Freiheitsgrade besitzt, jeweils einen für dieBewegung entlang jeder Raumrichtung. Die Anzahl der Frei-heitsgrade entspricht folglich der Anzahl der unabhängigenParameter, die ein System beschreiben. Unterliegt ein SystemZwangsbedingungen (z. B. die eingeschränkte Bewegung auf ei-ner Tischplatte), so ist die Zahl der Freiheitsgrade reduziert. Wirwerden uns in Kap. 5 ausführlich mit diesem Thema beschäf-tigen. Im Folgenden gehen wir aber zunächst davon aus, dasskeine Zwangsbedingungen existieren.

Das zweite Newton’sche Axiom kann über den axiomatischenStatus hinaus als Naturgesetz aufgefasst werden, da es ausempirischen Beobachtungen abgeleitet wurde und Vorhersagenerlaubt. Es ist somit das Grundgesetz der Mechanik.

Offensichtlich ist das erste Newton’sche Axiom ein Spezial-fall des zweiten: Für eine konstante Masse ändert sich dieGeschwindigkeit nicht, wenn keine Kraft auf die Punktmassewirkt. Allerdings ist es möglich, dass sich eine Masse zeitlichändert, was auf die Gleichung

PmPx C mRx D F (1.11)

führt. Dieser Fall wird in Abschn. 1.3 anhand der Raketenglei-chung diskutiert. In den meisten mechanischen Problemen istdie Masse jedoch konstant und Pm D 0.

Das dritte Newton’sche Axiom

Das dritte Newton’sche Axiom charakterisiert die Wechselwir-kung zweier Punktmassen:

Drittes Newton’sches Axiom

Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, d. h., dieWirkungen zweier Körper aufeinander sind stets betrags-gleich, aber von entgegengesetzter Richtung.

Dieses Reaktionsgesetz oder Lex Tertia ist insbesondere in sei-ner prägnanten Form actio = reactio bekannt. Mathematischformuliert lautet es

F12 D �F21; (1.12)

wobei F12 die Kraft ist, die von einer zweiten Punktmasse aufdie erste ausgeübt wird. Entsprechend ist F21 die Kraft, welchedie zweite Punktmasse durch die erste erfährt. Hierbei spielt eskeine Rolle, durch welchen physikalischen Mechanismus dieKräfte F12 und F21 erzeugt werden. Das dritte Newton’scheAxiom ist in Abb. 1.2 dargestellt.

Achtung In der Literatur wird die Indexreihenfolge der Kräf-te häufig genau anders herum notiert. Der Vorteil der hiergewählten Schreibweise ist, dass der erste Index (der am nächs-ten am Kraftsymbol steht) die betrachtete Punktmasse an-gibt. J

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1.2 Die Newton’schen Axiome 11

Teil

I

+F−F

Abb. 1.2 Wirft eine im Boot sitzende Person ein Fass nach rechts, so wirkt wäh-rend des Wurfes eine Kraft CF auf das Fass, während die Person die Kraft �Ferfährt. Dies ist eine direkte Folge des dritten Newton’schen Axioms in (1.12).Dadurch wird das Boot nach links beschleunigt

F 1

F 2

F

m

Abb. 1.3 Die Gesamtkraft F auf eine Punktmasse m ist die Superposition derbeiden Einzelkräfte F1 und F2. Diese Aussage gilt für beliebig viele Einzelkräfte,wird hier aber aus Gründen der Übersichtlichkeit nur für zwei Kräfte gezeigt

Das vierte Newton’sche Axiom

Es gibt eine wichtige Erweiterung zu den Newton’schen Axio-men. Von Newton selbst als Zusatz formuliert, bezeichnet manden folgenden Zusammenhang heute häufig als Lex Quarta.

Viertes Newton’sches Axiom

Wirken auf einen Punkt mehrere Kräfte, so addieren sichdiese vektoriell zu einer resultierenden Kraft auf.

Dieses Superpositionsprinzip ist tatsächlich von entscheidenderBedeutung für die Mechanik und die gesamte Physik. In mathe-matischer Schreibweise lautet es

F DNX

iD1

Fi; (1.13)

wobei die N Kräfte Fi auf eine Punktmasse wirken und zu einerresultierenden Kraft F aufaddiert werden können (Abb. 1.3).

Achtung In der klassischen Mechanik werden Mehrkörper-kräfte (z. B. F123 oder F1234) ausgeschlossen. Stattdessen wirdangenommen, dass alle Kräfte in einem mechanischen System

als lineare Überlagerung von Zweikörperkräften der Form F12

gebildet werden können. Dies gilt z. B. nicht mehr, wenn Effek-te der allgemeinen Relativitätstheorie ins Spiel kommen. J

Inertialsysteme und ihre Bedeutungfür die klassische Mechanik

Koordinatensysteme lassen sich aus mathematischer Sicht be-liebig wählen. Physikalisch gesehen stellt sich jedoch die Frage,ob es eine Klasse von Koordinatensystemen gibt, die gegenüberanderen ausgezeichnet sind. Offenbar macht es physikalischeinen Unterschied, ob die Bahnkurve einer Punktmasse in ei-nem Bezugssystem betrachtet wird, das sich mit ihm bewegt,oder in einem Bezugssystem, das sich relativ dazu bewegt. Diesführt auf den Begriff der Inertialsysteme. Ein Inertialsystem istein solches Bezugssystem, in dem das erste Newton’sche Axi-om gilt, in dem sich also ein kräftefreier Körper geradlinig-gleichförmig bewegt. Man bezeichnet Bezugssysteme dann alsInertialsysteme, wenn sie sich mit einer geradlinigen und kon-stanten Geschwindigkeit gegenüber den Fixsternen bewegen.

Inertialsysteme

Inertialsysteme sind Bezugssysteme, in denen sich einkräftefreier Körper geradlinig-gleichförmig bewegt.

Ein Beispiel für ein Bezugssystem, in dem das erste New-ton’sche Axiom in der Form (1.7) nicht gilt, ist eine rotierendeScheibe. Auf ihr kann eine Punktmasse nur dann in Ruhe blei-ben, wenn sie durch eine Kraft festgehalten wird. Es ist zubetonen, dass Naturgesetze im Allgemeinen und das zweiteNewton’sche Axiom im Speziellen auch in Nichtinertialsyste-men formuliert werden können, dabei aber in der Regel kom-plexer sind. Eine entsprechende Erweiterung der Bewegungs-gleichungen (1.9) auf beschleunigte und krummlinige (d. h.nichtkartesische) Bezugssysteme wird in Kap. 2 besprochen.

Frage 1Überlegen Sie sich, warum ein Flugzeug während des Flug-es näherungsweise als Inertialsystem aufgefasst werden kann,nicht jedoch während Start und Landung.

Das Zusammenspiel von Inertialsystemen, Kräften und dem ers-ten Newton’schen Axiom weist auf ein Dilemma hin, das bereitsvon Newton erkannt wurde: Die Definitionen von Kräften undInertialsystemen sind zyklisch verbunden. Erst wenn ein Inerti-alsystem eingeführt wurde, kann man Kräfte sinnvoll definieren,da vorher nicht klar ist, ob eine nicht geradlinig-gleichförmigeBewegung auf eine Kraft oder darauf zurückzuführen ist, dassdas Bezugssystem kein Inertialsystem ist. Andererseits kannman Inertialsysteme nicht definieren, ohne auf Kräfte Bezug zunehmen, weil sie als Bezugssysteme definiert sind, in denen sichkräftefreie Körper geradlinig-gleichförmig bewegen.

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12 1 Die Newton’schen Axiome

Da Kräfte nicht ohne Klarheit über Inertialsysteme und Iner-tialsysteme nicht ohne Klarheit über Kräfte definiert werdenkönnen, wird diese Problematik häufig schlicht verschwiegenund ignoriert. Es ist jedoch möglich, die zyklische Argumen-tation durch Näherungen zu umgehen. Die Erdoberfläche, diejedem Menschen als Laborsystem geläufig ist, ist streng genom-men kein Inertialsystem, da sie sich relativ zu den Fixsternendreht. Jedoch sind die damit verbundenen Effekte in der Regelso klein, dass sie im Alltag kaum eine Rolle spielen. In solchenFällen kann man die Erdoberfläche als Inertialsystem ansehen.Ausnahmen sind beispielsweise tropische Wirbelstürme, dieerst durch die Erddrehung entstehen können. Solche Wirbelstür-me werden durch die Erddrehung beeinflusst, da ihre Ausdeh-nung nicht mehr klein gegenüber dem Erdradius ist. Wir kom-men in Kap. 2 darauf zurück. Streng genommen bilden auchdie Fixsterne kein Inertialsystem, da Galaxien rotieren. Ein voll-ständiger Umlauf dauert aber viele Millionen Jahre und kann füralle alltäglichen Phänomene getrost vernachlässigt werden.

Schwere und träge Massen

Der trägen Masse sind wir bereits im Zusammenhang mit demersten Newton’schen Axiom (1.6) begegnet. Sie ist die Eigen-schaft eines Körpers, sich einer Beschleunigung durch eineKraft zu widersetzen, und sie ist in allen Bezugssystemen iden-tisch. Je größer also die träge Masse m eines Körpers ist, destokleiner fällt die Beschleunigung a bei einer gegebenen KraftF aus. Träge Massen lassen sich auf verschiedene Arten be-stimmen. Das offensichtliche Verfahren ist, die Beschleunigungunter der Wirkung einer bekannten Kraft zu messen. DurchStoßexperimente zweier Körper lässt sich die unbekannte trä-ge Masse des einen Körpers bestimmen, wenn diejenige desanderen gegeben ist. Dabei muss die Kraft, welche die Körperwährend des Stoßes aufeinander ausüben, nicht bekannt sein.

Die schwere Masse hingegen wird über die Gravitationskraft de-finiert, die eine Masse m1 auf eine zweite Masse m2 ausübt:

F21 D �Gm1m2

r2

rr

D �Gm1m2

r2Oer: (1.14)

Hierbei ist r WD x2 � x1 der Vektor, der von der Punktmassem1 zu m2 zeigt, r ist seine Länge und Oer ist der Einheitsvektorentlang des Vektors r. Die Größe G ist die Gravitationskon-stante. Die schwere Masse eines Körpers kann durch Wägenbestimmt werden, indem man die durch die Erde verursach-te Gravitationskraft auf diesen Körper misst und mit der Kraftvergleicht, die auf einen Körper mit bekannter schwerer Massewirkt. Dies ist auch der Grund, warum im alltäglichen Sprach-gebrauch Massen fälschlicherweise durch Gewichte (Kräfte)gleichgesetzt werden („. . . wiegt ein Kilo“).

Das empirische Galilei’sche Fallgesetz besagt, dass alle Körperim Gravitationsfeld der Erde gleich schnell fallen, also gleichstark beschleunigt werden, wenn Reibung vernachlässigt wird.

Aus dieser Beobachtung lässt sich ableiten, dass schwere undträge Massen proportional sind.

Frage 2Machen Sie sich klar, dass aus dem zweiten Newton’schen Axi-om und dem Galilei’schen Fallgesetz direkt folgt, dass träge undschwere Massen proportional sein müssen.

Wie wir in Kürze sehen werden, kann die Proportionalität vonträger und schwerer Masse durch eine geeignete Wahl der Gra-vitationskonstanten G in eine Gleichheit überführt werden. ImFolgenden wird daher generell nicht mehr zwischen träger undschwerer Masse unterschieden. Die Äquivalenz von schwererund träger Masse ist im Rahmen der klassischen Mechanik nichterklärbar, bildet allerdings eine wichtige Voraussetzung für dieallgemeine Relativitätstheorie und findet dort eine natürliche Er-klärung.

Schwere und träge Masse

In der klassischen Mechanik (und sogar darüber hinaus)sind schwere und träge Masse äquivalent.

Im Rahmen der nichtrelativistischen Mechanik ist ferner die Ge-samtmasse in einem abgeschlossenen System erhalten. Sie kannweder erzeugt noch vernichtet werden. Allerdings kann Mas-se von einem Teilsystem in ein anderes übertragen werden. Soist zwar die Masse einer Rakete nicht erhalten, aber die Ge-samtmasse der Rakete und des ausgestoßenen Treibstoffs sindkonstant.

Das Gravitationsfeld

In (1.14) wurde die Gravitationskraft zwischen zwei Punktmas-sen m1 und m2 an den Orten x1 und x2 eingeführt:

F21.x2 � x1/ D � Gm1m2

jx2 � x1j2

x2 � x1

jx2 � x1j : (1.15)

Diese Gleichung lässt sich auch in anderer Weise interpretieren,indem sie in der Form

F21.x2 � x1/ D m2g1.x2/ (1.16)

geschrieben wird. Hierbei ist

g1.x/ D � Gm1

jx � x1j2x � x1

jx � x1j (1.17)

das Gravitationsfeld, das von der Punktmasse m1 am Ort x er-zeugt wird. Dieses Feld wird von der Punktmasse m2 am Ortx2 wahrgenommen. Obwohl mathematisch gleichwertig, unter-scheiden sich beide Betrachtungsweisen physikalisch grundle-gend:

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1.2 Die Newton’schen Axiome 13

Teil

I

Im Kraft-Bild existiert die Kraft F21.x2 �x1/ nur dann, wennzwei Punktmassen m1 und m2 im Abstand jx1 �x2j gravitativwechselwirken.Das Gravitationsfeld g1.x/ ist jedoch auch in Abwesenheitder Punktmasse m2 definiert, und zwar an jedem Punkt imRaum. Befindet sich nun m2 am Ort x2, so führt dies auf eineAnziehungskraft, die F21.x2 � x1/ entspricht.

In der Physik, insbesondere bei der Beschreibung der Ele-mentarteilchen, ist der Begriff der Kopplung sehr wichtig. Mansagt, dass bestimmte Größen (z. B. Masse oder Ladung) an einFeld koppeln (z. B. an das Gravitations- oder elektromagneti-sche Feld). Kopplungskonstanten geben dann die Stärke derWechselwirkung an. Es ist sinnvoll, in diesem Bild zu denken,da gewisse Teilchen bestimmte Felder nicht wahrnehmen bzw.nicht an sie ankoppeln. Ein Beispiel ist eine ungeladene Punkt-masse im elektromagnetischen Feld.

Frage 3Man mache sich klar, dass die Gravitationskraft F21.x2 � x1/gleichwertig in den Formen F21 D m2g1.x2/ und F12 Dm1g2.x1/ geschrieben werden kann.

Das physikalische Konzept von Feldern spielt in der theoreti-schen Physik eine zentrale Rolle, wird aber in der klassischenMechanik noch nicht benötigt. Es wird daher erst in Teil II aus-führlich besprochen. Dort wird sich schließlich herausstellen,dass ein physikalisches Feld wesentlich mehr als eine mathe-matische Hilfsgröße darstellt.

Die Einheiten der mechanischen Größen

Die Gültigkeit des zweiten Newton’schen Axioms (1.9) setzt ei-ne geeignete Wahl der Einheiten von Masse, Beschleunigungund Kraft voraus. Dies kann man sich anhand der Gleichung

Pp D �F (1.18)

klarmachen, wobei � eine Konstante ist. Dieses allgemeinergehaltene zweite Newton’sche Axiom sagt aus, dass Impulsän-derung und Kraft proportional sind, wobei � die entsprechendeProportionalitätskonstante ist. Nun lassen sich die Einheiten sowählen, dass � D 1 wird und das bekannte zweite Newton’scheAxiom in Erscheinung tritt.

Am häufigsten werden in der Physik die SI-Einheiten (Systè-me international d’unités) oder die CGS-Einheiten (CentimetreGram Second) verwendet. Für mechanische Systeme werdendabei stets drei Grundeinheiten benötigt, von denen andereEinheiten abgeleitet werden. Die wichtigsten mechanischenGrößen und ihre SI- und CGS-Einheiten sind in Tab. 1.1 auf-gelistet.

Obwohl es in der klassischen Mechanik vier Grundgrößen gibt(Masse, Raum, Zeit, Kraft), werden nur drei Einheiten benötigt.

Tab. 1.1 Wichtige mechanische Größen und ihre SI- und CGS-Einheiten. DieEinheiten für Länge, Zeit und Masse sind die Grundeinheiten, alle anderen sindabgeleitete Einheiten. In Abschn. 11.3 werden die Einheiten der Elektrodynamikaufgelistet

Größe SI-Einheit CGS-EinheitLänge m cmZeit s sMasse kg gGeschw. m s�1 cm s�1

Beschl. m s�2 Gal D cm s�2 (Gal)Kraft N D kg m s�2 (Newton) dyn D g cm s�2 (Dyn)Energie J D N m (Joule) erg D dyn cm (Erg)Leistung W D J s�1 (Watt) erg s�1

Der Grund ist das zweite Newton’sche Axiom in (1.9), das Mas-se, Raum und Zeit (in Form der zweiten Ableitung des Ortesnach der Zeit) und die Kraft in Relation setzt. Die vier Grund-größen sind daher nicht unabhängig voneinander.

Genau wie für die Impulsänderung und Kraft im zweiten New-ton’schen Axiom lässt sich die Proportionalität von schwererund träger Masse in eine Gleichheit umwandeln. Hierfür ist esnötig, die Gravitationskonstante G entsprechend zu definieren.Zur Veranschaulichung gehen wir von der Kraft aus, die eineMasse m1 auf eine Masse m2 ausübt (1.14). Die Masse der Er-de sei m2, und eine Testmasse mit m1 D 1 kg befinde sich aufder Erdoberfläche und somit etwa 6378 km vom Zentrum derErde entfernt, r D 6378 km. Durch eine Messung wird festge-stellt, dass eine Gravitationskraft von F D 9:81 N auf m1 wirkt.Die Gravitationskraft in (1.14) beschleunigt m1, sodass aus demzweiten Newton’schen Axiom folgt

mt1a1 D Gms

1ms2

r2: (1.19)

Hier wird explizit zwischen trägen (mt) und schweren Massen(ms) unterschieden. Nimmt man Proportionalität von schwererund träger Masse an,

ms D ˇmt; (1.20)

schreibt man

a1 D Gˇms2

r2: (1.21)

Durch Absorption von ˇ in die Gravitationskonstante kann eineGleichheit von schwerer und träger Masse erzielt werden.

Bei bekanntem Erdradius kann auf diese Weise übrigens nurdas Produkt von Erdmasse und Gravitationskonstante gemes-sen werden. Die Bestimmung der Erdmasse ist nur möglich,wenn die Gravitationskonstante in unabhängigen Experimentenbestimmt wird, z. B. durch die Gravitationskraft zwischen zweiKugeln bekannter Masse (Cavendish-Experiment).

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14 1 Die Newton’schen Axiome

1.3 Eindimensionale Bewegungim homogenen Schwerefeld

Nachdem wir nun zentrale mathematische Größen und die New-ton’schen Axiome eingeführt haben, liegt der Fokus diesesAbschnitts auf der Lösung einiger einfacher mechanischer Pro-bleme. Die eindimensionale Bewegung einer einzelnen Punkt-masse unter dem Einfluss eines homogenen Schwerefeldes wirdanhand von einigen Beispielen untersucht. Dazu gehören derfreie Fall und der Fall mit Reibung. Weiterhin wird die Rake-tengleichung hergeleitet und für einen Spezialfall gelöst. Da essich bei den Bewegungsgleichungen um Differenzialgleichun-gen handelt, werden diese mathematisch genauer beleuchtet undeinige Lösungsverfahren vorgestellt.

Vorbemerkungen zur Lösungmechanischer Probleme

Das Schema zur Lösung von mechanischen Problemen lässtsich generell in drei Schritte unterteilen:

1. Zu Beginn werden die Bewegungsgleichungen aufgestellt,die das mechanische Problem beschreiben. Dies sind in derRegel Differenzialgleichungen zweiter Ordnung in der Zeit.

2. Die Bewegungsgleichungen werden mithilfe mathemati-scher Methoden gelöst. Der Aufwand hängt dabei stark vonden Details (Anzahl der Punktmassen, Art der Kräfte usw.)ab. Einige mechanische Probleme können analytisch exaktgelöst werden, die meisten jedoch nur näherungsweise. Inmanchen Fällen müssen die Gleichungen numerisch, d. h.mithilfe von Computern gelöst werden. In jedem Fall sindAnfangsbedingungen (in Form von Integrationskonstanten)zu spezifizieren.

3. Das Auffinden von Erhaltungsgrößen vereinfacht die an-schließende Diskussion der Lösungen erheblich. In der Tatist die Identifikation von erhaltenen Größen (z. B. Energie

Hohex3

GewichtskraftFG = −mge3

m

b

Abb. 1.4 Beim freien Fall wirkt lediglich die Gewichtskraft FG D �mg Oe3 aufdie Punktmasse m. Es genügt daher eine Diskussion der x3-Koordinate

oder Impuls) ein zentraler Aspekt der gesamten theoreti-schen Physik. Dies wird im Verlauf dieses Buches vielfachdeutlich werden.

Man unterscheidet dabei in der Mechanik die Begriffe Kinema-tik und Dynamik. Die Kinematik befasst sich lediglich mit derUntersuchung der Beschleunigung, Geschwindigkeit und Bahn-kurve von Massen, ohne nach den wirkenden Kräften zu fragen.Im Gegensatz dazu beschreibt die Dynamik außerdem, welcheKräfte auf die Massen wirken und welche Mechanismen dafürverantwortlich sind.

Im Folgenden wird die Bewegung einer Punktmasse unter demEinfluss einer homogenen Gravitationskraft untersucht.

Der freie Fall aus geringer Höhe

Der einfachste, nichttriviale Spezialfall für ein äußeres Kraftfeldist ein homogenes Kraftfeld:

F.x/ D const: (1.22)

Dies ist beispielsweise eine gute Näherung für das Gravitati-onsfeld der Erde nahe ihrer Oberfläche, solange die Punktmassesich in einem Raumvolumen bewegt, dessen Höhe h und seitli-che Ausdehnung l klein im Vergleich zum Erdradius sind, d. h.h; l RErde. In diesem Fall kann das Kraftfeld durch

FG D �mg Oe3 (1.23)

beschrieben werden, wobei Oe3 der Einheitsvektor in x3-Richtung(„nach oben“) ist, wie in Abb. 1.4 illustriert. Da die Gra-vitationskraft tatsächlich nach unten wirkt (also in negativex3-Richtung), ist ein Minuszeichen zu berücksichtigen. DieGröße g ist die Erdbeschleunigung. Ihr Wert ist nicht überall aufder Erdoberfläche gleich. Aufgrund der leichten Abweichungder Erde von der Kugelform und der stärkeren Zentrifugalkraftam Äquator (Kap. 2), variiert g um einige Promille um den Wertg D 9;80665 m s�2, der typischerweise als Referenz verwendetwird (Normalbeschleunigung).

Gleichung (1.23) führt direkt auf die Bewegungsgleichung

mRx D �mg Oe3: (1.25)

Dies ist eine gewöhnliche, lineare Differenzialgleichung zweiterOrdnung (siehe „Mathematischer Hintergrund“ 1.4).

Verwendet man die Geschwindigkeit, v D Px, so erhält man zweiDifferenzialgleichungen erster Ordnung:

Pv D �g Oe3; Px D v: (1.26)

Diese beiden Gleichungen sind äquivalent zu der ursprüngli-chen Bewegungsgleichung (1.25).

Es fällt zunächst auf, dass die x1- und x2-Komponenten der ers-ten Gleichung in (1.26) wegen Pv1 D Pv2 D 0 homogen sind. Nur

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1.3 Eindimensionale Bewegung im homogenen Schwerefeld 15

Teil

I1.4 Mathematischer Hintergrund: Differenzialgleichungen

Differenzialgleichungen (DGLs) sind Gleichungen zwischenFunktionen und deren Ableitungen. Dies bedeutet, dass diegesuchte Lösung einer DGL bzw. eines Systems von DGLsaus einer bzw. mehreren Funktionen besteht, die die DGLerfüllen, und zwar nicht nur für vereinzelte Argumente,sondern im gesamten Definitionsbereich der Lösungsfunk-tion(en).

Eine DGL heißt gewöhnlich, wenn die Funktionen in derDGL nur von einer Veränderlichen abhängen. Hängen dieFunktionen in der DGL von mehreren Veränderlichen ab,enthält also die DGL partielle Ableitungen, so spricht manvon einer partiellen DGL. Beispiele für gewöhnliche undpartielle DGLs sind jeweils

df .x/

dxD f .x/ und

@g.x; t/

@tD �@2g.x; t/

@x2:

Partielle Ableitungen werden in dem Kasten „Vertiefung:Vollständiges Differenzial“ genauer besprochen. Unter derOrdnung einer DGL versteht man den Grad der höchsten auf-tretenden Ableitung in der DGL. Die Suche nach Lösungeneiner DGL mit vorgegebenen Werten der Lösungsfunktionund deren Ableitungen in einem Punkt bezeichnet man alsAnfangswertproblem.

Im Folgenden wird die häufige Notation y0.x/ für die Ablei-tung von y nach x verwendet (siehe auch Kasten „Mathema-tischer Hintergrund 1.7“)

Das wichtigste Ergebnis zur Existenz und Eindeutigkeitvon Lösungen eines Anfangswertproblems ist der Satzvon Picard-Lindelöf : Das Anfangswertproblem y0.x/ Df�x; y.x/

�; y.x0/ D y0 mit y W R 7! Rn, f W R ! Rn und

y0 2 Rn ist lokal eindeutig lösbar (d. h., es gibt eine Umge-bung Œt0�"; t0C"�, in der die Lösung eindeutig ist), wenn f inx stetig und in y lokal Lipschitz-stetig (steigungsbeschränkt)ist, d. h., zu jedem .x; y/ gibt es eine Umgebung U um .x; y/,sodass für alle .�; y1/; .�; y2/ 2 U, y1 ¤ y2 die Steigungjf .�;y2/�f .�;y1/j

jy2�y1j

beschränkt ist.

Beweisidee: Man konstruiert eine Folge .gn/ vonNäherungslösungen gn WRn ! Rn ausgehend von g0.x/ D y0

über g0

nC1.x/ D f�x; gn.x/

�und gn.x0/ D y0. Unter Verwen-

dung der Stetigkeitsbedingungen an f kann man zeigen,dass die Folge .gn/ gegen eine Lösungsfunktion konvergiert.Auch die Eindeutigkeit der Lösung kann aus den Stetigkeits-bedingungen von f gefolgert werden.

Einige Lösungsverfahren für DGLs werden im Kasten „Ma-thematischer Hintergrund 6.3“ vorgestellt.

Literatur

Walter, W.: Gewöhnliche Differenzialgleichungen: EineEinführung. 7. Aufl., Springer Verlag, 2000Modler, F., Kreh, M.: Tutorium Analysis 2 und LineareAlgebra 2. 2. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag, 2012

die Gleichung für die x3-Komponente ist inhomogen, Pv3 D �g.(Homogen heißt eine Differenzialgleichung, wenn keine additi-ven konstanten Terme auftreten; ansonsten ist sie inhomogen.)Ihre Lösung folgt sofort durch Integration:

v3 D �gt C C1: (1.27)

Die Integrationskonstante C1 ist offenbar die Geschwindigkeitv3 zur Zeit t D 0, also C1 D v3.t D 0/ D v3;0. Eine weitereIntegration liefert

x3 D �1

2gt2 C v3;0t C C2: (1.28)

Demnach ist die zweite Integrationskonstante C2 die x3-Positionder Punktmasse zur Zeit t D 0: C2 D x3.t D 0/ D x3;0.

Frage 4

Überprüfen Sie, dass die Lösungen der Bewegungsgleichungenfür die x1- und x2-Komponenten entsprechend xi D vit C xi;0

(i D 1; 2) lauten und somit eine Bewegung mit konstanter Ge-schwindigkeit innerhalb der x1-x2-Ebene beschreiben.

Man sagt auch, dass die Bewegungen entlang der drei Raum-richtungen entkoppelt sind, da die Bewegung der Punktmassein eine beliebige Richtung keinen Einfluss auf die Bewegungin eine der beiden übrigen Richtungen hat. Im Folgendenbeschränken wir uns daher auf die Beschreibung der reinenFallbewegung, d. h. auf die Bewegung der Punktmasse entlangder x3-Achse. Hierbei unterschlagen wir zur Vereinfachung denIndex 3 in der Geschwindigkeit und schreiben v anstatt v3. Au-ßerdem notieren wir z anstelle von x3.

Zur Zeit t D 0 befinde sich die Punktmasse bei z0 D h > 0 mitGeschwindigkeit v0 D 0. Die Lösung der Bewegungsgleichunglautet dann

z D �1

2gt2 C h: (1.29)

Die Punktmasse benötigt daher die Zeit

t Ds

2h

g; (1.30)

um den Erdboden bei z D 0 zu erreichen. Daher wird diese Zeitauch als Fallzeit bezeichnet. Im Moment des Aufschlags ist die

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16 1 Die Newton’schen Axiome

1.5 Mathematischer Hintergrund: DifferenzialgleichungenLösungsverfahren

Es gibt kein festes Lösungsverfahren, mit dem man beliebigeDifferenzialgleichungen (DGLs) lösen kann. Manchmal hilftein geschickter Lösungsansatz, oder eine Lösung kann erra-ten werden. Folgende „Kochrezepte“ sind beim Lösen vonDGLs nützlich.

Trennung der Veränderlichen für y0.t/ D f.t/g.y.t// Umdas Anfangswertproblem (AWP)

y0.t/ D f .t/g.y.t//

mit f ; g W R ! R stetig, y.t0/ D y0 und g.y0/ ¤ 0 lokalzu lösen, dividieren wir zunächst durch g.y.t//. Dies ist zu-lässig, da g und y stetig sind und deshalb wegen g.y.t0// Dg.y0/ ¤ 0 auch g.y.t// ¤ 0 in einer Umgebung U von t0 gilt.In ganz U hat g.y.t// ferner das gleiche Vorzeichen. Danachintegrieren wir von t0 bis t und erhalten

tZ

t0

y0.�/

g.y.�//d� D

tZ

t0

f .�/ d�;

was aufgrund des Hauptsatzes der Differenzial- und Integral-rechnung zur vorigen Gleichung äquivalent ist. Mithilfe derKettenregel lässt sich die linke Seite umformen, sodass wir

y.t/Z

y0

d

g./D

tZ

t0

f .�/ d� bzw: H�y.t/

� DtZ

t0

f .�/ d�

(1.24)

mit H.z/ D R zy0

d�g.�/

erhalten. Da g in ganz U das glei-che Vorzeichen hat, ist H streng monoton wachsend bzw.fallend und besitzt in U eine Umkehrfunktion H�1. Somitist y.t/ D H�1

�R tt0

f .�/ d��

eine Lösung des AWP. Die er-folgten Umformungsschritte lassen sich sehr leicht merken,wenn man die Ableitung y0.t/ als Differenzialquotient dy=dtschreibt, dann formal mit dem Differenzial dt multipliziertund die Variablen trennt („alles mit y nach links, alles mitt nach rechts“), danach integriert und schließlich das Ganzenach y.t/ auflöst.

Substitution bei y0.t/ D f�at C by.t/ C c

�Die DGL

y0.t/ D f .at C by.t/ C c/

mit b ¤ 0 geht nach Substitution von g.t/ D at C by.t/ C cwegen g0.t/ D a C by0.t/ über in

g0.t/ D a C bf .g.t//;

welche durch Trennung der Veränderlichen gelöst werdenkann.

Substitution bei y0.t/ D f.y.t/=t/ Eine DGL der Form

y0.t/ D f

�y.t/

t

geht nach der Substitution g.t/ D y.t/=t über in

g0.t/ D f .g.t// � g.t/

t:

Diese DGL kann anschließend durch Trennung der Variablengelöst werden.

Lineare DGL y.n/.t/ C Pn�1�D0 a�.t/y.�/.t/ D f.t/ Die

Lösungsverfahren für lineare DGLs (y.n/.t/ ist die n-te Ab-leitung von y nach t) werden im Kasten „MathematischerHintergrund 6.3“ beleuchtet.

Numerische Verfahren Selbst wenn ein AWP eindeutig lös-bar ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass man die Lösungexplizit angeben kann. Für viele Fragen (z. B. Wettervorher-sage oder „In welcher Entfernung passiert ein Meteorit dieErde?“) spielt es auch gar keine Rolle, ob die Lösung ei-ner DGL bzw. eines Systems von DGLs explizit oder nurimplizit angegeben werden kann. Tatsächlich interessiert nurdie näherungsweise Berechnung von bestimmten Werten vony.t/; y0.t/; : : : mit ausreichender Genauigkeit. Hierzu gibt eszahlreiche numerische Verfahren, deren Beschreibung aller-dings den Umfang dieses mathematischen Hintergrunds oderdes Buches sprengen würde.

Literatur

Walter, W.: Gewöhnliche Differenzialgleichungen: EineEinführung. 7. Aufl., Springer Verlag, 2000Modler, F., Kreh, M.: Tutorium Analysis 2 und LineareAlgebra 2. 2. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag, 2012

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1.3 Eindimensionale Bewegung im homogenen Schwerefeld 17

Teil

I

Hohex3

GewichtskraftFG = −mg 3

ReibungskraftFR

m

eb

Abb. 1.5 Fällt ein Körper mit Masse m in einem Medium (z. B. in einer Flüs-sigkeit oder der Atmosphäre), muss zusätzlich zur Gewichtskraft FG D �mg Oe3

eine Reibungskraft FR berücksichtigt werden

Fallgeschwindigkeit

v D �gt D �g

s2h

gD �p

2gh: (1.31)

Der verwandte, sogenannte schiefe Wurf wird in Aufgabe 1.2behandelt.

Wir haben gesehen, dass für die vollständige Lösung einerDifferenzialgleichung zweiter Ordnung zwei Integrationskon-stanten benötigt werden. In dem hier besprochenen Beispielhandelt es sich um eine Differenzialgleichung in der Zeit, womitdie Integrationskonstanten den Anfangsbedingungen (der An-fangshöhe und der Anfangsgeschwindigkeit) entsprechen.

Lösung der Bewegungsgleichungen

Für die vollständige Lösung der Bewegungsgleichungeneiner Punktmasse entlang einer Achse benötigt man zweiIntegrationskonstanten. Dies können beispielsweise dieAnfangsbedingungen für Ort und Geschwindigkeit sein.

Der Fall mit Stokes’scher Reibung

Der freie Fall kann idealerweise nur im Vakuum stattfinden, wokeine Reibung stattfindet. Beim Fall in der Atmosphäre oderunter Wasser treten Reibungskräfte auf, die erweiterte Bewe-gungsgleichungen erfordern. Dies ist in Abb. 1.5 dargestellt.

Bewegt sich ein Körper mit Geschwindigkeit v in einem zähen,d. h. viskosen Medium, wirkt ihm eine Reibungskraft entgegen,

FR D �Kv; (1.32)

die proportional zur Geschwindigkeit des Körpers im Mediumist. Eine solche lineare Reibung nennt man Stokes’sche Rei-bung. Sie wirkt stets der Bewegung entgegen und führt zu einer

Abbremsung. Dabei ist K ein Reibungskoeffizient, der von denEigenschaften des Mediums und der Form des Körpers abhängt.Ein Beispiel ist der Fall eines Steines in einem Gefäß mit Sirup.

Wir beschränken uns für das nächste Beispiel wieder auf eineBewegung entlang der x3-Achse und bezeichnen die Geschwin-digkeit und den Ort wie schon zuvor mit v und z. Die Bewe-gungsgleichung für die Bewegung entlang der z-Achse lautetdann

mRz D mPv D �mg � Kv: (1.33)

Gleichung (1.33) lässt sich durch Separation der Variablen lö-sen: Z

dv

1 C Kmg v

D �gZ

dt: (1.34)

(Siehe hierzu auch den „Mathematischen Hintergrund“ 1.5.)Die Lösung lautet

mg

Kln

1 C Kv

mg

D �gt C C1 (1.35)

mit einer Integrationskonstanten C1. Die Fallgeschwindigkeitist somit

v D mg

K

exp

�K.C1 � gt/

mg

� 1

: (1.36)

Nach sehr langer Zeit, für t ! 1, nähert sich v der Endge-schwindigkeit

vE D �mg

K< 0 (1.37)

an, sodass die Lösung in der Form

v D �jvEj�

1 � exp�

C1 � gt

jvEj�

(1.38)

geschrieben werden kann.

Frage 5Machen Sie sich den Zusammenhang zwischen (1.36), (1.37)und (1.38) im Grenzfall t ! 1 klar.

Es ist geschickter, die Integrationskonstante C1 durch die An-fangsgeschwindigkeit v0 D v.t D 0/ zu ersetzen. Offensichtlichgilt

v0 D jvEj�

expC1

jvEj � 1

(1.39)

und damit

v D .v0 C jvEj/ exp�

� gt

jvEj�

� jvEj: (1.40)

Die Lösung für die Geschwindigkeit in (1.40) ist gleichzeitigeine Differenzialgleichung erster Ordnung für die Höhe z,

Pz D .v0 C jvEj/ exp

� gt

jvEj�

� jvEj; (1.41)

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18 1 Die Newton’schen Axiome

Hohez(t)

t0

z0v0 = −vE

v0 = − 12vE

v0 = 0v0 = 12vE

¨

Abb. 1.6 Fallkurven z.t/ entsprechend (1.44) für Stokes’sche Reibung und ver-schiedene Anfgangsgeschwindigkeiten v0. Die Endgeschwindigkeit ist vE

deren Lösung

z D C2 � jvEjt � .v0 C jvEj/ jvEjg

exp�

� gt

jvEj�

(1.42)

lautet. Die zweite Integrationskonstante C2 kann dann durch diePosition z0 D z.t D 0/ ausgedrückt werden:

C2 D z0 C .v0 C jvEj/ jvEjg

: (1.43)

Die Lösung kann also in der Form

z D z0 � jvEjt C .v0 C jvEj/ jvEjg

1 � exp

� gt

jvEj�

(1.44)

geschrieben werden. Nach sehr langer Zeit, wenn die Geschwin-digkeit v vE erfüllt, nimmt z linear mit der Zeit ab, da derExponentialterm vernachlässigbar wird:

z ! z0 � jvEjt C .v0 C jvEj/ jvEjg

: (1.45)

Abbildung 1.6 zeigt einige Beispielkurven für z.t/ für verschie-dene Anfangsgeschwindigkeiten.

Frage 6Die Endgeschwindigkeit vE lässt sich auch einfacher bestim-men. Man leite sie aus (1.33) und der Annahme her, dass imEndzustand Pv D 0 gilt.

In Aufgabe 1.3 kommen wir auf die Stokes’sche Reibung zu-rück.

Der Fall mit Luftwiderstand

Fällt der Körper sehr schnell oder ist die Dichte des Mediumsklein, so nimmt die Reibung quadratisch mit der Geschwindig-keit zu,

mRz D �mg � K0vjvj; (1.46)

wobei K0 ein entsprechender Reibungskoeffizient ist, der genauwie K in (1.32) von der Beschaffenheit des fallenden Körpersund des Mediums abhängt.

Frage 7Machen Sie sich klar, dass der Reibungsterm in (1.46) stets derGeschwindigkeit v entgegenwirkt.

Für einen fallenden Körper gilt wegen der Orientierung der Ko-ordinatenachsen v < 0 und somit

Rz D �g C K0

mv2: (1.47)

Ähnlich wie im Falle Stokes’scher Reibung (1.37) wird

v2E D mg

K0

(1.48)

definiert. Wir wählen die negative Lösung, vE < 0, da diePunktmasse schließlich nach unten fällt. Aus der ursprünglichenBewegungsgleichung (1.46) folgt bereits, dass vE die asympto-tische Endgeschwindigkeit des Körpers ist. Die Trennung derVariablen führt auf

dv

1 � .v=vE/2D �g dt; (1.49)

was durch eine Partialbruchzerlegung in die Form

Zdv

2

�1

1 � v=vEC 1

1 C v=vE

D �gZ

dt (1.50)

gebracht werden kann. Die Lösung dieser Differenzialgleichunglautet

� vE

2ln

vE � v

vE C vD �gt C C1: (1.51)

Frage 8

Überprüfen Sie die Gültigkeit der Partialbruchzerlegung 2=.1 �x2/ D 1=.1 � x/ C 1=.1 C x/ und den Schritt von (1.49) nach(1.50). Zeigen Sie ferner, dass (1.51) tatsächlich eine Lösungvon (1.50) ist.

Wir wählen die Integrationskonstante so, dass v D v0 bei t D 0gilt:

C1 D �vE

2ln

vE � v0

vE C v0: (1.52)

Nach einer algebraischen Umformung folgt

v D vEjvEj � v0 � .jvEj C v0/ exp .�2gt=jvEj/jvEj � v0 C .jvEj C v0/ exp .�2gt=jvEj/ : (1.53)

Für sehr große Zeiten, t ! 1, fallen die Exponentialterme weg,und die Geschwindigkeit nähert sich der asymptotischen Endge-schwindigkeit: v ! vE.

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1.3 Eindimensionale Bewegung im homogenen Schwerefeld 19

Teil

I

Die durchfallene Höhe wird durch eine weitere Integration aus

z � z0 DtZ

t0

v.t0/ dt0 (1.54)

bestimmt. Um das Integral zu lösen, substituieren wir

a WD jvEj C v0

jvEj � v0und s WD 2gt

jvEj : (1.55)

Der zurückgelegte Weg ist dann

z � z0 D � v2E

2g

sZ

s0

1 � a exp.�s0/

1 C a exp.�s0/ds0; (1.56)

was sich zu

z � z0 D � v2E

2g

s0 C 2 ln

�1 C a exp.�s0/

��s

s0(1.57)

integrieren lässt. Wir wählen t0 D 0 und somit s0 D 0 undsetzen die Definitionen von a und s wieder ein. Das Endergebnisist

z D z0 � jvEjt � v2E

gln ˛ mit

˛ D 1

2

1 � v0

jvEj C�

1 C v0

jvEj�

exp�

� 2gt

jvEj�

:

(1.58)

Nach einer hinreichend langen Zeit, t � jvEj=g, und für v0 D 0ist der asymptotische Verlauf

z ! z0 � jvEjt C v2E

gln 2: (1.59)

Im Gegensatz dazu haben wir für die Stokes’sche Reibung in(1.45) gesehen, dass für v0 D 0

z ! z0 � jvEjt C v2E

g(1.60)

gilt. Wegen ln 2 < 1 ist die durchfallene Höhe bei Luftwider-stand kleiner als bei Stokes’scher Reibung. Dieser Vergleich giltallerdings nur, wenn die beiden Endgeschwindigkeiten iden-tisch sind, was im Allgemeinen nicht der Fall ist.

Die Herleitung der Raketengleichung

Wir sind nun so weit, dass wir uns mit einer Gleichung beschäf-tigen können, in der die Masse keine Konstante mehr ist. EineRakete wird durch den Rückstoß des von ihr ausgestoßenen Ma-terials beschleunigt (Abb. 1.7). Dabei nimmt die Masse m derRakete kontinuierlich ab. Somit ist die Rakete die einzige An-wendung im nichtrelativistischen Abschnitt von Teil I, bei derdie Masse nicht konstant ist. Es ist aber erneut zu betonen, dass

Abb. 1.7 Start des GOES-N-Satelliten an Bord einer Boeing Delta IV Rakete(© NASA)

die Gesamtmasse der Rakete und des ausgestoßenen Materialserhalten ist.

Im Folgenden wird angenommen, dass eine Rakete im ho-mogenen Gravitationsfeld senkrecht nach oben beschleunigtwird und Luftwiderstand vernachlässigbar ist. Im Bezugssys-tem der Rakete wird der verbrannte Treibstoff dann mit einerGeschwindigkeit �u nach unten ausgestoßen. In einem kleinenZeitintervall dt verliert die Rakete somit eine Masse dm. Damitändert sich der Impuls der Rakete in diesem Zeitintervall auf-grund des Ausstoßes um

dpa D dm �u: (1.61)

Im homogenen Gravitationsfeld wird die Rakete zusätzlich nachunten beschleunigt, wobei die entsprechende Impulsänderung

dpg D �mg dt (1.62)

ist. Die Geschwindigkeit der Rakete ändert sich dadurch um

dv D dpa C dpg

m: (1.63)

Generell nennt man eine Impulsänderung �p durch eine wir-kende Kraft F über eine Zeitspanne �t den Kraftstoß:

�p DtC�tZ

t

F dt0: (1.64)

Die Bewegungsgleichung für die Rakete lautet also insgesamt

dv D dm

m�u � g dt: (1.65)

Die allgemeine Lösung erhält man durch eine einfache Integra-tion. Sie lautet

v.t/ � v0 D �u ln

�m.t/

m0

� gt; (1.66)

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TeilI

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20 1 Die Newton’schen Axiome

wobei v0 D v.0/ und m0 D m.0/ die Anfangsgeschwindigkeitund Anfangsmasse der Rakete sind. Die Geschwindigkeit derRakete ist eindeutig bestimmt, sobald die Massenfunktion m.t/bekannt ist. Dann lässt sich auch x.t/ durch eine weitere Inte-gration bestimmen.

1.4 Energiesatz in einer Dimension

Die eindimensionale Bewegung im homogenen Schwerefeldaus Abschn. 1.3 wird hier nun auf allgemeinere Kraftfelder inzunächst einer Dimension erweitert. Dabei wird der Begriff derEnergie einer Punktmasse eingeführt. Es wird gezeigt, dass dieEnergie unter bestimmten Umständen erhalten ist; dabei kom-men wir auch auf dissipative Kräfte zu sprechen, die in derRegel zu einer Energieabnahme führen. Der Energieerhaltungs-satz vereinfacht das Lösen der Bewegungsgleichung. Dies wirdanhand des harmonischen Oszillators – als Beispiel einer peri-odischen Bewegung – verdeutlicht.

Der freie Fall aus großer Höhe

Fällt eine Punktmasse m, bei vernachlässigter Reibung, im Gra-vitationsfeld der Erde über eine Strecke, die nicht klein imVergleich zum Erdradius ist, so sieht die Punktmasse im Lau-fe des Fallens ein zunehmendes Gravitationsfeld im Abstand rzum Erdmittelpunkt (siehe (1.14)):

FG D �GMm

r2Oer: (1.67)

Hierbei ist anzumerken, dass (1.67) gültig ist, obwohl die Erdenicht als Punktmasse approximiert werden kann. Wir werden inAufgabe 2.7 sehen, dass für radialsymmetrische Massenvertei-lungen die Näherung einer Punktmasse und das entsprechendeKraftgesetz (1.67) tatsächlich gelten, wenn man sich auf dasGravitationsfeld außerhalb der Massenverteilung (d. h. oberhalbder Erdoberfläche) beschränkt. Wir werden weiterhin finden,dass das Gravitationsfeld im Inneren der Erde eine andere Formannimmt, die an dieser Stelle jedoch keine Rolle spielt.

Für die weitere Beschreibung ist es nicht nötig, die Gravita-tionskonstante G und die Erdmasse M getrennt zu behandeln.Stattdessen ist es sinnvoller, die Größe ˛ WD GM einzuführen.Die Bewegungsgleichung der Punktmasse entlang des VektorsOer ist nun

mRr D �˛m

r2: (1.68)

Wir beschränken uns hier auf eine radiale, d. h. eindimensiona-le Bewegung mit v D v Oer D Pr Oer. Weiterhin ist zu betonen,dass an dieser Stelle der Einfluss der Bewegung der Testmassem auf die Bewegung der Erde vernachlässigt wird. In Wirklich-keit aber wird auch die große Punktmasse M von der kleinenPunktmasse m angezogen, was zu einer kleinen, aber endlichen

Beschleunigung von M führt. Eine allgemeine Diskussion ohnediese Einschränkungen wird in Kap. 3 nachgeholt.

Um die Bewegungsgleichung für den radialen Fall im Gravitati-onsfeld zu lösen, wird die Bewegungsgleichung der Punktmasse(1.68) zunächst mit der Geschwindigkeit Pr multipliziert:

mPrRr D �˛mPrr2

: (1.69)

Dies führt direkt auf

m

2

d

dtPr2 D ˛m

d

dt

1

r: (1.70)

Die Zeitableitungen werden nun auf der linken Seite gesammelt,und eine einmalige Zeitintegration liefert sofort

m

�1

2Pr2 � ˛

r

DW E D T C V D const: (1.71)

Die Größe E wird als Energie bezeichnet. Sie ist wegen (1.71)zeitlich konstant; es gilt also Energieerhaltung. Der erste Term,

T D 1

2mPr2; (1.72)

ist die kinetische Energie und der zweite Term,

V D �˛m

r; (1.73)

die potenzielle Energie der Punktmasse m im Gravitationsfeld.Energie ist eine Größe, die in der gesamten Physik eine fun-damentale Rolle spielt. Sie ist ein Maß für die Fähigkeit einesSystems, Körper entgegenwirkender Kräfte zu bewegen undsomit Arbeit zu verrichten (Arbeit wird später in (1.87) defi-niert). Die kinetische Energie T entspricht derjenigen Arbeit,die benötigt wird, die Punktmasse m aus der Ruhe auf die Ge-schwindigkeit Pr zu beschleunigen. Sie ist somit eng mit derTrägheitskraft mRr der Punktmasse m verknüpft. Die potenziel-le Energie V allerdings wird durch äußere Kraftfelder bestimmt.Wir werden in Kürze genauer über Arbeit und Energie sprechen.

Die Fallgeschwindigkeit v lässt sich somit als Funktion des Ab-stands r angeben. Es ist im Allgemeinen nicht möglich, einegeschlossene Gleichung für v als Funktion der Zeit t zu erhalten.Für die meisten Anwendungen ist dies auch gar nicht erforder-lich, und man begnügt sich damit, v.r/ zu bestimmen.

Fluchtgeschwindigkeit

Gleichung (1.71) besagt, dass sich die Energie einerPunktmasse im Gravitationsfeld der Erde nicht änderndarf: E.t/ D E0 D const. Hier ist E0 die Energie, diedurch die Anfangsbedingungen des Problems gegeben ist,

E0 D 1

2mv2

0 � ˛m

r0; (1.74)

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1.4 Energiesatz in einer Dimension 21

Teil

Iwobei v0 D Pr.t D 0/ und r0 D r.t D 0/ sind. Angenom-men, die Punktmasse m ruht anfangs im Unendlichen,r0 D 1 und v0 D 0, so ist E0 D E.t/ D 0 und damit

1

2mv2 D ˛m

rD GMm

rD gR2

Erdem

r: (1.75)

Die letzte Identität folgt aus der Tatsache, dass die Gra-vitationsfelder �mg aus (1.23) und �GMm=r2 aus (1.67)an der Erdoberfläche identisch sein müssen:

� mg D �GMm

R2Erde

: (1.76)

Fällt nun eine Punktmasse aus dem Unendlichen auf dieErdoberfläche bei r D RErde, so ist die Geschwindigkeitbeim Aufschlag

v1

D p2gRErde D 11;2 km s�1: (1.77)

Diese Geschwindigkeit nennt man im Umkehrschlussauch die Fluchtgeschwindigkeit von der Erde, denn einKörper muss an der Erdoberfläche mindestens diese Ge-schwindigkeit besitzen, um das Gravitationsfeld der Erdeverlassen zu können.

Angenommen, eine Punktmasse m startet bei t D 0 aufder Erdoberfläche mit einer nach oben gerichteten Ge-schwindigkeit v0. Ist v0 � v

1

, so ist E � 0, und diePunktmasse wird stets eine positive Geschwindigkeit be-halten und somit nicht auf die Erde zurückfallen. Ist dieGeschwindigkeit beim Start kleiner, v0 < v

1

, so istE < 0, und die Punktmasse wird an einem Punkt r < 1zunächst zur Ruhe kommen, Pr D 0, und direkt danachwieder auf die Erde zurückfallen. Der Grund ist, dass diekinetische Energie T nicht negativ werden kann, da siepositiv-semidefinit ist. Dies ist in Abb. 1.8 anschaulichdargestellt. J

Frage 9Wie groß ist die Gravitationsbeschleunigung auf der Jupitero-berfläche im Vergleich zur Beschleunigung auf der Erdober-fläche, wenn die Masse von Jupiter 318 Erdmassen und seinRadius 10,9 Erdradien entspricht? Nutzen Sie dazu (1.76) aus.

Der Energieerhaltungssatz in einer Dimension

Mit (1.71) haben wir bereits die Energieerhaltung für den ein-dimensionalen, freien Fall im Gravitationsfeld aus großer Höhegefunden. Wir werden diese Aussage nun zunächst im eindi-mensionalen Raum verallgemeinern. Die Energieerhaltung für

0 RErde

0

v > v∞

v < v∞V (r)

r

E

Abb. 1.8 Startet eine Punktmasse auf der Erdoberfläche bei einem Radius r DRErde mit einer Geschwindigkeit v, so kann sie das Gravitationsfeld der Erdeverlassen, wenn v > v

1

und damit die Energie positiv ist: E > 0. In diesem Fallbesitzt die Punktmasse noch einen Geschwindigkeitsüberschuss im Unendlichen,da dort das Potenzial verschwindet, V D 0, und demnach die kinetische EnergieT positiv bleibt. Ist E < 0, so gilt v < v

1

, und die Punktmasse kann dasPotenzial nicht überwinden, da an einem endlichen Abstand T D 0 wird und diePunktmasse zur Ruhe kommt. Dieser Punkt kann zeichnerisch bestimmt werden

die Bewegung in drei Dimensionen wird in Abschn. 1.6 disku-tiert.

Die Bewegungsgleichung für eine Punktmasse m unter demEinfluss einer ortsabhängigen Kraft F.z/ lautet

mRz D F.z/: (1.78)

Definiert man eine Funktion V.z/ mit der Eigenschaft

� dV.z/

dtD �dV.z/

dzPz D F.z/Pz (1.79)

bzw.

F.z/ D �dV.z/

dz; (1.80)

so kann (1.78) nach Multiplikation mit Pz in der Form

m

2

d

dtPz2 D �dV.z/

dt(1.81)

geschrieben werden. Offensichtlich ist dabei

V.z/ WD �zZ

z0

F.z0/ dz0: (1.82)

Frage 10Man zeige, dass die untere Integrationsgrenze z0 in (1.82) freigewählt werden kann. Überlegen Sie dabei, dass bei der Kraft-berechnung nach z und nicht nach z0 abgeleitet wird.

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22 1 Die Newton’schen Axiome

Aus den obigen Überlegungen folgt, dass die Zeitableitung

d

dt

�m

2Pz2 C V.z/

�D 0 (1.83)

verschwindet. Demnach ist die Energie

E WD m

2Pz2 C V.z/ D T C V.z/ D const (1.84)

erhalten, wobei T wieder die kinetische Energie bezeichnet.Gleichung (1.83) repräsentiert den Energieerhaltungssatz. Er-haltungsgrößen, die sich aus einer Integration der Bewegungs-gleichungen ergeben (wie die Energie), nennt man auch Inte-grale der Bewegung.

Man nennt die Größe V.z/ die potenzielle Energie oder dasPotenzial zur Kraft F.z/. Es kann für eindimensionale Proble-me stets über das Integral (1.82) aus der Kraft F.z/ berechnetwerden, solange diese nur vom Ort z abhängt. Für allgemeinegeschwindigkeits- und zeitabhängige Kräfte lässt sich dagegenkein Potenzial definieren. Da z0 in (1.82) beliebig ist, ist das Po-tenzial nur bis auf eine Konstante bestimmt. Dies wird häufigausgenutzt, um die Gesamtenergie auf einen bestimmten Wertzu setzen (z. B. E D 0).

Energieerhaltungssatz in einer Dimension

Ist die Kraft F.z/ nur eine Funktion des Ortes, so kannin einer Dimension durch (1.82) stets ein Potenzial V.z/definiert werden. Die Energie ist dann erhalten.

Zeitunabhängigkeit des Potenzials

Angenommen, die Kraft und das Potenzial hingen au-ßer von der Koordinate z noch explizit von der Zeit tab, d. h. V D V.z; t/. Ausgehend von (1.79) kann manzeigen, dass die Kraft dann nicht in der Form F.z; t/ D�dV.z; t/=dz geschrieben werden kann. Dazu muss mandie vollständige Ableitung

dV.z; t/

dtD @V.z; t/

@z

dz.t/

dtC @V.z; t/

@t(1.85)

berechnen. Hier wird berücksichtigt, dass V eine Funkti-on mehrerer Veränderlicher ist (in diesem Fall ist z.t/ eineFunktion von t). Man nennt die Größe

dV.z; t/ D @V.z; t/

@zdz C @V.z; t/

@tdt (1.86)

das vollständige Differenzial von V (siehe auch Ver-tiefung zum vollständigen Differenzial). Der [email protected]; t/=@t in (1.85) verhindert, dass man F.z; t/ D�dV.z; t/=dz schreiben kann. J

Wird eine Punktmasse m in einem Kraftfeld F.z/ von Punkt za

nach zb bewegt, so wird dabei die sogenannte Arbeit

W WDzbZ

za

F.z0/ dz0 D � .V.zb/ � V.za// (1.87)

vom Kraftfeld am Teilchen verrichtet. Für W > 0, „fällt“ diePunktmasse im Potenzial. Die dabei verrichtete Arbeit wird inkinetische Energie umgesetzt. Ist dagegen W < 0, so wird ki-netische Energie in potenzielle Energie umgewandelt, und diePunktmasse wird abgebremst. Während dieser Vorgänge bleibtT C V stets konstant. Unter der Leistung

P WD dW

dtD F.z/Pz (1.88)

versteht man die Rate, mit der Arbeit verrichtet wird.

Dissipation von Energie in mechanischenSystemen

Geschwindigkeitsabhängige Kräfte, z. B. Reibungskräfte, las-sen sich nicht in der Form F D �dV=dz schreiben. Die EnergieE D T C V ist dann im Allgemeinen nicht erhalten. In solchenFällen spricht man von dissipativen Kräften. Eine Kraft lässtsich stets als Summe einer nichtdissipativen und einer dissipati-ven Kraft schreiben,

F D Fnd.z/ C Fd.z; Pz; t/; (1.89)

wobei wir annehmen, dass die dissipative Kraft von Ort, Ge-schwindigkeit und Zeit abhängt und dass Fnd.z/ D �dV.z/=dzgilt. Es folgt dann direkt die Erweiterung des Energieerhal-tungssatzes in (1.83):

d

dt

�m

2Pz2 C V.z/

�D FdPz: (1.90)

Frage 11Man überprüfe, dass (1.90) aus (1.89) folgt.

Die rechte Seite von (1.90) ist die Leistung, die durch diedissipative Kraft an der Punktmasse verrichtet wird. Ist dieseLeistung positiv, nimmt die Energie zu. Eine negative Leistungwird häufig Verlustleistung genannt. Reibungskräfte führen im-mer zu einer Energieabnahme. Man sagt auch, die Energie wirddissipiert, was bedeutet, dass sie letztlich in Wärme umgewan-delt wird.

Achtung Wärme ist ebenfalls eine Form der Energie. So lässtsich ein allgemeinerer Energieerhaltungssatz formulieren, derdie Wärmeenergie berücksichtigt. Dies ist jedoch Aufgabe derstatistischen Mechanik in Teil IV. Der Grund ist, dass die klassi-sche Mechanik im Wesentlichen eine makroskopische Theorie,

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1.4 Energiesatz in einer Dimension 23

Teil

IVertiefung: Vollständiges Differenzial

In vielen Fällen hängt eine Funktion f nicht nur von einerVeränderlichen ab. Ist f D f .x; y/, so nennt man

df D @f

@xdx C @f

@ydy

das vollständige Differenzial von f . Dies kann ohne Proble-me auf beliebig viele Veränderliche erweitert werden. DieTerme @f =@x nennt man partielle Ableitungen, bei denen alleVeränderlichen außer x bei der Ableitung festgehalten (d. h.als Konstanten behandelt) werden. Anschaulich bedeutet dasvollständige Differenzial, dass alle Veränderlichen zur Varia-tion von f beitragen.

In der Physik tritt häufig der Fall auf, dass eine Funktionvom Ortsvektor x.t/ D .x1.t/; x2.t/; x3.t//> und der Zeit tabhängt: f D f .x.t/; t/. Dabei ist der Ortsvektor selbst zeit-

abhängig. Man nennt eine Funktion des Raumes, also eineFunktion aller drei Ortskoordinaten, ein Feld. Dann ist dasvollständige Differenzial

df D @f

@x1dx1 C @f

@x2dx2 C @f

@x3dx3 C @f

@tdt

und die vollständige Zeitableitung

Pf D df

dtD @f

@x1

dx1

dtC @f

@x2

dx2

dtC @f

@x3

dx3

dtC @f

@t:

Ist f D f .x.t/; t/, so sagt man, f ist explizit zeitabhängig, da ffür festgehaltenes x immer noch eine Funktion von t ist. Hin-gegen hängt f D f .x.t// nur implizit von der Zeit ab, da dieZeitabhängigkeit nur über die Bahnkurve x.t/ in f eingeht.

Wärme aber ein mikroskopisches Konzept ist. Wärme ist engmit der „inneren Energie“ von Körpern verknüpft, die wir in derklassischen Mechanik nicht behandeln. In Abschn. 33.4 kom-men wir darauf zurück. J

Periodische Bewegungen für nichtdissipativeKräfte

Aus dem Energieerhaltungssatz in (1.83) lässt sich die Bahnkur-ve z.t/ implizit angeben, indem zunächst nach Pz aufgelöst wird:

Pz D ˙r

2.E � V/

m: (1.91)

Diese Differenzialgleichung ist separabel, da die rechte Seitenur eine Funktion von z ist. Sie kann daher in der Form

f1.t/ dt D f2.z/ dz (1.92)

geschrieben werden. Für die benötigte Zeit, um von z0 nach z zugelangen, folgt sofort

t � t0 D ˙zZ

z0

dz0

p2.E � V/=m

: (1.93)

Wie bereits zuvor erläutert, darf sich die Punktmasse dabei of-fensichtlich nur in Bereichen bewegen, für die E � V � 0ist, da die kinetische Energie, T D E � V D mPz2=2, quadra-tisch und somit positiv-semidefinit ist. Punkte, für welche diekinetische Energie verschwindet, T D 0, bezeichnet man alsUmkehrpunkte. Je nach Form des Potenzials V.z/ und dem Wert

V (z)

z

E

z1 z2 z3 z4

Abb. 1.9 Beispiel einer eindimensionalen Potenziallandschaft V .z/, die zu-sammen mit der Energie E vier Umkehrpunkte definiert. Die Bewegung einerPunktmasse ist auf die eingefärbten Bereiche beschränkt, für die E � V .z/

gilt. Eine Punktmasse im Bereich zwischen z1 und z2 kann nicht in den Be-reich zwischen z3 und z4 gelangen, da seine Energie nicht ausreicht, die Barrieredazwischen zu überwinden. Stattdessen führt sie eine periodische Schwingungzwischen den Umkehrpunkten z1 und z2 aus

der Gesamtenergie kann es beliebig viele Umkehrpunkte geben.Dies ist in Abb. 1.9 dargestellt. Man spricht dann von einer ge-bundenen Bahn, wenn sich die Punktmasse nur zwischen zweiUmkehrpunkten, z1 und z2, bewegen kann.

In der klassischen Mechanik kann eine Punktmasse keine Bar-rieren überspringen, für die V > E gilt. In der Quantenmechanikhingegen besteht eine endliche Wahrscheinlichkeit, dass einTeilchen eine solche Potenzialbarriere überwindet. Dieses so-genannte Tunneln wird in Teil III diskutiert.

Ist die Bewegung einer Punktmasse m auf den Bereich zwischenzwei Umkehrpunkten beschränkt, so ist sie periodisch: Beim Er-

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TeilI

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24 1 Die Newton’schen Axiome

−z

m

F

Abb. 1.10 Ist der Oszillator um �z nach unten ausgelenkt, wirkt die Rück-stellkraft F nach oben. Die Gravitationskraft für den senkrecht aufgestelltenFederoszillator führt lediglich zu einer Verschiebung der Schwingung entlang derz-Achse und ändert ihre Schwingungsdauer nicht

reichen des ersten Umkehrpunktes, z1, ändert die Punktmasseihre Richtung und bewegt sich bis zum Umkehrpunkt z2, wosie abermals ihre Richtung wechselt und im Anschluss wiederzum Punkt z1 gelangt. Die beiden Vorzeichen in (1.91) drückenaus, dass die Punktmasse in diesem Bereich in beide Richtungenlaufen kann. Während dieser Bewegung ist die Geschwindigkeitder Punktmasse durch die Differenz mv2=2 D E � V festgelegt.Die Schwingungsperiode ist die Zeit, welche die Punktmassevon Punkt z1 zu Punkt z2 und zurück benötigt:

�t D 2.t2 � t1/ D p2m

z2Z

z1

dzpE � V

: (1.94)

Der harmonische Oszillator

Das Integral in (1.94) ist für einige Potenzialformen V.z/ ana-lytisch lösbar. Ein für die Physik extrem wichtiges Potenzial istdas des harmonischen Oszillators:

V.z/ D k

2z2 C V0: (1.95)

Der Begriff „harmonisch“ bedeutet, dass sich die Lösung durchSinus- und Kosinus-Funktionen ausdrücken lässt. Der harmo-nische Oszillator wird in Kap. 6 noch gründlicher untersuchtwerden. Das Potenzial aus (1.95) führt auf die in z lineare Kraft

F.z/ D �kz (1.96)

mit der Federkonstanten k. Zur Vereinfachung wählen wirV0 D 0. Die Auslenkung wird dabei relativ zur Ruhelage an-gegeben, in der sich die Punktmasse befindet, wenn sie nichtschwingt. Dieser Punkt entspricht dem Minimum des Potenzi-als V.z/. Ein Beispiel für einen harmonischen Oszillator ist inAbb. 1.10 gezeigt.

Definiert man

!0 WDr

k

m; (1.97)

so ist die Gesamtenergie des Oszillators

E D m

2

�Pz2 C !20z2

�: (1.98)

Für E > 0 existieren stets zwei Umkehrpunkte, welche die Glei-chung

E D m

2!2

0z21;2 (1.99)

erfüllen und daher durch

z1;2 D ˙s

2E

m!20

(1.100)

gegeben sind.

Die Bedeutung von !0 wird klar, wenn man die Schwingungs-periode berechnet. Einsetzen des harmonischen Oszillatorpo-tenzials (1.95) und der Energie am Umkehrpunkt (1.99) in dieGleichung für die Schwingungsperiode (1.94) ergibt nach kurz-er Umformung und unter Berücksichtigung von z2 D �z1 > 0

�t D 2

!0

z2Z

�z2

dzq

z22 � z2

D 2 

!0: (1.101)

Das Integral kann in einer Integrationstabelle nachgeschlagenoder nach Substitution mit y D z=z2 mit der Stammfunktionarcsin.y/ berechnet werden. Offensichtlich ist !0 die Oszillati-onsfrequenz.

Frage 12Man überprüfe, dass die angegebene Stammfunktion arcsin.y/

mit ihrer Ableitung d arcsin.y/=dy D 1=p

1 � y2 auf das ange-gebene Ergebnis führt.

Aus (1.96) folgtmRz D �kz (1.102)

für die Bewegungsgleichung des harmonischen Oszillators. Dieallgemeine Lösung ist

z.t/ D A cos.!0t � �0/: (1.103)

Hier ist A � 0 die Amplitude der Schwingung, und �0 istein Phasenwinkel, der durch die Anfangsbedingungen festge-legt wird. Man kann diese Lösung durch direkte Integration von(1.93) erhalten, indem man

arcsin.y/ � arcsin.a/ DyZ

a

dy0

p1 � y02

(1.104)

ausnutzt. Es ist dem interessierten Leser überlassen, dieses Er-gebnis zu überprüfen (man findet dabei, dass die Amplitude Adurch die Energie E bestimmt wird). In Aufgabe 1.7 wird einalternativer Weg verfolgt, um zu diesem Ergebnis zu kommen.

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1.5 Bewegung in drei Dimensionen 25

Teil

I

Frage 13Wirkt zusätzlich eine Gravitationskraft der Form �mg, z. B.wenn der Oszillator wie in Abb. 1.10 senkrecht aufgestellt ist, solässt sich eine neue Koordinate Qz D z � h einführen, wobei h dieVerschiebung der Ruhelage unter dem Einfluss der Gravitationist. Man zeige, dass h D mg=k gilt. Weiterhin mache man sichklar, dass (1.103) ihre Gültigkeit behält und dass insbesondere!0 unverändert bleibt, wenn z durch Qz ersetzt wird.

1.5 Bewegung in drei Dimensionen

In diesem Abschnitt wird die Kinematik einer Punktmasse indrei Dimensionen diskutiert. Neben dem Konzept der Bahnkur-ven, Tangential-, Normalenvektoren und Bogenlänge werdenweiterhin das Drehmoment und der Drehimpuls eingeführt. Da-zu benötigt man das Kreuzprodukt zweier Vektoren, das sich mitdem Levi-Civita-Symbol darstellen lässt. Es wird gezeigt, wiesich Kurvenintegrale ausführen lassen. Dieser Abschnitt dientvor allem als Vorbereitung auf Abschn. 1.6, in dem die Energie-erhaltung in drei Dimensionen behandelt wird.

Bahnkurven in drei Dimensionen

Wie bereits in Abschn. 1.1 beschrieben, ist der dreidimensiona-le Ortsvektor x einer Punktmasse im Allgemeinen eine Funktionder Zeit t, x D x.t/. Als Bahnkurve bezeichnet man die Mengeder Punkte, die während einer Zeit �t D t2 � t1 von der Punkt-masse durchlaufen werden. In drei Dimensionen lässt sich dieBahnkurve durch ihre drei kartesischen Komponenten

x.t/ D0

@x1.t/x2.t/x3.t/

1

A (1.105)

darstellen. Beispiele sind eine Kreisbahn in der x1-x2-Ebene mitRadius R,

xK.t/ D0

@R cos '.t/R sin '.t/

0

1

A ; (1.106)

oder eine Schraubenlinie längs der x3-Achse mit Radius R,

xS.t/ D0

@R cos '.t/R sin '.t/

x3.t/

1

A ; (1.107)

wie sie in Abb. 1.11 dargestellt ist.

Frage 14Man vergewissere sich, dass der Radius der Kreisbahn in(1.106) tatsächlich R ist, indem man den Betrag von xK.t/

ϕx1 x2

x3

xS

R

Abb. 1.11 Die Schraubenlinie mit Radius R erfüllt (1.107) mit '.t/ D !t undx3.t/ D v3t , wobei ! und v3 Konstanten sind. Der Winkel ' ist definiert als derWinkel zwischen der Projektion von xs auf die x1-x2-Ebene und der x1-Achse

bestimmt. Berechnen Sie ferner aus xK.t/ in (1.106) die Bahn-geschwindigkeit und Beschleunigung. Die Lösung finden Sieim anschließenden Beispiel.

Bahngeschwindigkeit und -beschleunigung

Die obigen Beispiele führen durch einmalige Zeitablei-tung auf die Bahngeschwindigkeiten

vK.t/ D0

@� P'R sin '.t/P'R cos '.t/

0

1

A ;

vS.t/ D0

@� P'R sin '.t/P'R cos '.t/

Px3.t/

1

A :

(1.108)

Durch eine weitere Zeitableitung erhält man die Be-schleunigungen

aK.t/ D0

@� R'R sin '.t/ � P'2R cos '.t/

R'R cos '.t/ � P'2R sin '.t/0

1

A ;

aS.t/ D0

@� R'R sin '.t/ � P'2R cos '.t/

R'R cos '.t/ � P'2R sin '.t/Rx3.t/

1

A :

(1.109)

J

Eine Punktmasse ist genau dann beschleunigt, wenn mindes-tens eine Komponente ihres Beschleunigungsvektors a.t/ vonNull verschieden ist bzw. wenn mindestens eine Komponen-te ihres Geschwindigkeitsvektors v.t/ sich mit der Zeit ändert.

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26 1 Die Newton’schen Axiome

Selbst wenn der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist, d. h.jv.t/j D const, kann die Punktmasse beschleunigt sein. Dies istbeispielsweise für eine Bewegung auf einem Karussell der Fall.

Frage 15Eine Punktmasse bewege sich auf der Kreisbahn xK.t/ wie in(1.106) angegeben. Zusätzlich sollen '.t/ D !t und ! D constgelten. Man zeige, dass dann jvK.t/j D const gilt. Dennoch istdie Punktmasse beschleunigt, da die x1- und x2-Komponentenvon aK.t/ im Allgemeinen nicht null sind. Man berechne außer-dem den Betrag der Beschleunigung und zeige, dass jaK.t/j D!2R gilt.

Die Bogenlänge einer Bahnkurve

Bewegt sich eine Punktmasse auf einer Bahnkurve x.t/, so über-streicht sie in der infinitesimalen Zeit dt einen infinitesimalenAbschnitt der Bahnkurve. Die Bogenlänge dieses Abschnitts ist

ds D jdx.t/j Dˇˇˇˇdxdt

ˇˇˇˇ dt D jv.t/j dt: (1.110)

In einer endlichen Zeit zwischen t1 und t2 (bzw. zwischen denPunkten x1 D x.t1/ und x2 D x.t2/) ist die durchlaufene Bo-genlänge daher

s12 Dt2Z

t1

jv.t/j dt: (1.111)

In vielen Fällen ist zwar die Form der Bahnkurve bekannt,aber nicht die Geschwindigkeit, mit der sie durchlaufen wird.Ein Beispiel dafür sind die Gleise einer Achterbahn, welchedie Gesamtlänge der Strecke definieren, unabhängig davon, wieschnell die Achterbahn letztlich über die Gleise fährt. In die-sem Fall bietet sich die Bogenlänge s als Bahnparameter an,um die Gesamtlänge zu berechnen. Dafür muss die Bahnkurvein die Form x.s/ anstelle von x.t/ gebracht werden. Ein Bahn-parameter dient zur Parametrisierung der Bahnkurve. Er kann,muss aber nicht zwangsläufig der Zeit t oder der Bogenlänge sentsprechen. Wir nehmen an, dass der Zusammenhang s.t/ zwi-schen Bogenlänge und Zeit eine monoton wachsende Funktionist. Dann lässt sich die Bogenlänge auf zwei Arten berechnen:

s12 Dt2Z

t1

ˇˇˇˇdx.t/

dt

ˇˇˇˇ dt D

s2Z

s1

ˇˇˇˇdx.s/

ds

ˇˇˇˇ ds; (1.112)

wobei s1 D s.t1/ und s2 D s.t2/ gelten.

Als Beispiel betrachte man erneut die Kreisbahn in (1.106).Man erkennt leicht, dass es sich um eine Kreisbahn handelt,selbst wenn die Funktion '.t/ unbekannt ist. So führt die Um-parametrisierung '.t/ D s=R auf eine Bahnkurve xK.s/. DerEinfachheit halber soll hier angenommen werden, dass diePunktmasse auf der Bahnkurve nicht die Umlaufrichtung wech-selt. In anderen Worten soll ' eine beliebige, aber monotonzunehmende Funktion der Zeit t sein.

Tangential- und Normalenvektorenvon Bahnkurven

Der Tangentialvektor einer Bahnkurve ist die Ableitung derBahnkurve nach der Bogenlänge:

� WD dxds

: (1.113)

Aufgrund (1.110) und der Gleichung

ds Dˇˇˇˇdxds

ˇˇˇˇ ds (1.114)

ist der Tangentialvektor ein Einheitsvektor: j�j D 1.

Der Hauptnormalenvektor ist definiert als die normierte Ände-rung des Tangentialvektors:

nH WD d�

ds

ˇˇˇˇd�

ds

ˇˇˇˇ

�1

: (1.115)

Wegen

�2 D 1 H) d

ds�2 D 2� � d�

dsD 0 (1.116)

steht nH senkrecht auf �. Es lässt sich ein dritter Vektor definie-ren, der senkrecht auf � und nH steht. Dieser Vektor,

nB WD � � nH; (1.117)

wird als Binormalenvektor bezeichnet. Man nennt das in (1.117)auftretende Produkt das Vektorprodukt oder Kreuzprodukt zwei-er Vektoren. Seine Eigenschaften werden im „MathematischenHintergrund“ 1.6 erläutert (siehe auch Aufgabe 1.1). Damit lässtsich die k-te Komponente von nB auch als

nB;k D "ijk�inH;j (1.118)

schreiben, wobei "ijk das Levi-Civita-Symbol ist und die Ein-stein’sche Summenkonvention verwendet wurde, also über alledoppelt auftretenden Indizes summiert wird. Die Ebene, diedurch � und nH aufgespannt wird, nennt man Schmiegeebe-ne, da die Bahnkurve sich lokal in dieser Ebene befindet(Abb. 1.12).

Wir werden nun sehen, dass der Hauptnormalenvektor nH

die Krümmung der Bahnkurve beschreibt. Die Kreisbahn aus(1.106) lässt sich in die Form

xK.s/ D R

0

@cos.s=R/sin.s=R/

0

1

A (1.119)

bringen. Der Tangentialvektor ist dann

� D dxK.s/

dsD

0

@� sin.s=R/cos.s=R/

0

1

A : (1.120)

Aus ihm folgt sofort

d�

dsD � 1

R

0

@cos.s=R/sin.s=R/

0

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A ;

ˇˇˇˇd�

ds

ˇˇˇˇ D 1

R(1.121)

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1.5 Bewegung in drei Dimensionen 27

Teil

I1.6 Mathematischer Hintergrund: Vektorprodukt und Levi-Civita-Symbol

Im R3 kann man zu je zwei Vektoren einen dritten, zu die-sen beiden orthogonalen Vektor bestimmen. Dies macht dasVektorprodukt, das noch weitere schöne geometrische Ei-genschaften besitzt.

Definition Vektorprodukt Sei fe1; e2; e3g eine rechtshändi-ge Orthonormalbasis von R3 (zeigt der Daumen der rechtenHand in Richtung von e1, der Zeigefinger in Richtung vone2, dann zeigt der Mittelfinger nach e3). Ferner seien x undy Vektoren im R3, deren Koordinaten bezüglich fe1; e2; e3ggegeben sind durch x D .x1; x2; x3/> bzw. y D .y1; y2; y3/>.Unter dem Vektorprodukt x�y versteht man dann den Vektor

x � y WD0

@x2y3 � x3y2

x3y1 � x1y3

x1y2 � x2y1

1

A :

Das Vektorprodukt (also die Abbildung R3 � R3 ! R3,.x; y/ 7! x � y) ist bilinear, d. h.

.�x1 C �x2/ � y1 D �.x1 � y1/ C �.x2 � y1/;

x1 � .�y1 C �y2/ D �.x1 � y1/ C �.x1 � y2/;

und antisymmetrisch, d. h. x�y D �y�x. Häufig wird diesesProdukt auch als ein äußeres Produkt bezeichnet (im Gegen-satz zum Skalarprodukt, das ein inneres Produkt ist).

Levi-Civita-Symbol Die Definition des Vektorprodukts lässtsich elegant formulieren, wenn das Levi-Civita-Symbol "ijk

verwendet wird, das für i; j; k 2 f1; 2; 3g definiert ist durch

C1 D "123 D "231 D "312;

�1 D "132 D "321 D "213;

0 sonst:

Die k-te Koordinate von x � y schreibt sich dann als

.x � y/k D3X

iD1

3X

jD1

"ijkxiyj;

und für das Vektorprodukt x � y ergibt sich die Darstellung

x � y D3X

iD1

3X

jD1

3X

kD1

"ijkxiyjek;

die unter Verwendung der Einstein’schen Summenkonventi-on kurz geschrieben wird als

x � y D "ijkxiyjek:

Es wird dabei über doppelt auftretende Indizes summiert,ohne dies explizit anzugeben. Mathematisch ist das Levi-Ci-vita-Symbol bei verschiedenen i; j; k gleich dem Vorzeichender Permutation .i j k/, d. h. C1, falls .i j k/ durch eine gera-de Anzahl von Vertauschungen (Transpositionen) wieder in

.1 2 3/ überführt werden kann, und �1, falls dies nur durcheine ungerade Anzahl Vertauschungen möglich ist, bzw. nullfür nicht paarweise verschiedene i; j; k (mit dieser Definiti-on kann "ijk auch auf mehr als drei Indizes verallgemeinertwerden). Permutationen werden im Kasten „MathematischerHintergrund 2.2“ genauer besprochen.

Rechenregeln für das Levi-Civita-Symbol Für Summenvon Produkten von Levi-Civita-Symbolen gelten folgendeRechenregeln (die Regeln ergeben sich leicht aus der Tat-sache, dass das Levi-Civita-Symbol nur für verschiedeneIndizes nicht verschwindet):

"ijk"imn D ıjmıkn � ıjnıkm,"ijk"ijn D 2ıkn,"ijk"ijk D 6.

Dabei ist ıij das Kronecker-Symbol, das definiert ist durch

ıij WD(

0; falls i ¤ j

1; falls i D j:

Rechenregeln für das Vektorprodukt Unter Verwendungder oben angegebenen Regeln kann man zeigen, dass

x � x D 0,ei � ej D "ijkek,x�.y�z/Cy�.z�x/Cz�.x�y/ D 0 (Jacobi-Identität)

für alle x; y; z 2 R3 gilt. Außerdem ist die Graßmann-Iden-tität sehr nützlich, die man sich am besten durch die „bac-minus-cab-Regel“ merken kann: a�.b�c/ D b.a�c/�c.a�b/.

Geometrische Eigenschaften Schließlich sollte noch er-wähnt werden, dass das Vektorprodukt einige wichtige geo-metrische Eigenschaften hat:

Das Produkt x � y steht senkrecht auf x und y, d. h.

x � .x � y/ D y � .x � y/ D 0:

Die Vektoren .x; y; x � y/ bilden ein Rechtshandsystem.Der Betrag von x�y ist gleich der Fläche des durch x undy aufgespannten Parallelogramms, also

jx � yj D jxjjyj sin �;

wobei � der von x und y eingeschlossene Winkel ist.Der Betrag des Spatprodukts .x�y/�z ist gleich dem Volu-men des von x, y und z aufgespannten Spats. Daher stelltdas Levi-Civita-Symbol ein orientiertes Einheitsvolumendar: "ijk D .ei � ej/ � ek.

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28 1 Die Newton’schen Axiome

x1

x2

ρnH

τnB

P

Abb. 1.12 An einem Punkt P einer Bahnkurve lassen sich der Tangentialvektor�, der Hauptnormalenvektor nH sowie der Binormalenvektor nB (senkrecht ausder Papierebene hinaus) definieren. Der lokale Krümmungsradius entsprichtdem Radius eines Kreises, der am Punkt P die Bahnkurve approximiert

und somit

nH D �0

@cos.s=R/sin.s=R/

0

1

A : (1.122)

Frage 16Zeigen Sie, dass der entsprechende Binormalenvektor nB D.0; 0; 1/> lautet.

Aufgrund der Identität

ˇˇˇˇd�

ds

ˇˇˇˇ D 1

R(1.123)

für einen Kreis nennt man die Größe

WDˇˇˇˇd�

ds

ˇˇˇˇ

�1

(1.124)

den lokalen Krümmungsradius der Bahnkurve. Er entsprichtdem Radius des Kreises, der lokal die Form der Bahnkurve be-schreibt. Dies wird aus Abb. 1.12 deutlich. Ist die Bahnkurvelokal gerade, so ist � D const und D 1.

In der Anwendung werden die Geschwindigkeit und die Be-schleunigung häufig in ihre tangentialen und normalen Anteilezerlegt. Die Geschwindigkeit ist immer tangential zur Bahnkur-ve:

v.t/ D dx.t/

dtD dx

ds

ds

dtD jv.t/j�: (1.125)

Mit der Schreibweise v D jvj findet man für die Beschleunigung

a.t/ D dv.t/

dtD d

dtv� D Pv� C v

d�

ds

ds

dtD Pv� C v2

nH: (1.126)

Der Anteil der Beschleunigung entlang nH verändert nichtden Betrag der Bahngeschwindigkeit v, jedoch ihre Richtung�. Diese Beschleunigungskomponente heißt Radialbeschleuni-gung mit Betrag v2= , die in Kap. 2 wieder auftauchen wird.Sie macht sich deutlich bemerkbar, wenn man im Auto in eineKurve oder in einer Achterbahn fährt.

Frage 17Schleudert man einen Eimer Wasser mit ausreichender Ge-schwindigkeit im Kreis (mit der Drehachse parallel zum Erdbo-den), so schwappt kein Wasser hinaus. Ist die Geschwindigkeitjedoch zu klein, wird man nass. Was ist die Bedingung dafür,dass das Wasser im Eimer bleibt, wenn der Eimer am höchstenPunkt seiner Bahn ist?

Drehmoment und Drehimpuls von Punktmassen

Wirkt eine Kraft F auf eine Punktmasse m am Ort x, so definiertman das Moment der Kraft bezüglich des Koordinatenursprungsdurch

M WD x � F: (1.127)

Dieses sogenannte Drehmoment steht senkrecht auf der Ebene,die durch die Vektoren x und F aufgespannt wird.

Frage 18Man mache sich mittels der Definition des Kreuzprodukts klar,dass das Moment M verschwindet, wenn der Richtungsvektor xund die Kraft F parallel bzw. antiparallel ausgerichtet sind.

Der Drehimpuls wird ähnlich wie das Drehmoment definiert,allerdings mit dem Impuls p anstelle der Kraft F D Pp:

L WD x � p D x � .mv/: (1.128)

Der Drehimpuls steht senkrecht auf der Ebene, die durch x undv definiert wird (Abb. 1.13). Bewegt sich die Punktmasse direktauf den Ursprung zu oder entfernt sie sich in entgegengesetzterRichtung, d. h. x k v, so verschwindet der Drehimpuls: L D 0.Wegen Px D v und p D mv ist seine Zeitableitung durch

dLdt

D Px � p C x � Pp D x � F D M (1.129)

gegeben. Der Drehimpulssatz lautet somit

PL D M: (1.130)

Drehimpulserhaltung

Der Drehimpuls einer Punktmasse ist genau dann er-halten, wenn keine Drehmomente auf diese Punktmassewirken.

Wir werden in Kap. 4 sehen, dass der Drehimpuls eine wichtigeGröße zur Beschreibung von rotierenden Körpern ist.

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1.5 Bewegung in drei Dimensionen 29

Teil

I

x1

x2

x

vL

Abb. 1.13 Der Drehimpuls L für eine Punktmasse mit momentaner Geschwin-digkeit v und Position x steht senkrecht auf v und x. Das Symbol ˇ bedeutet,dass ein Vektor aus der Papierebene hinaus zeigt. Im Gegensatz dazu verwendetman ˝, um Vektoren darzustellen, die in die Papierebene hinein zeigen

Kurvenintegrale

Das Ergebnis aus Abschn. 1.4 war, dass die Energie in einemeindimensionalen System erhalten ist, wenn die Kraft als nega-tive Ableitung eines Potenzials nach dem Ort dargestellt werdenkann:

F.z/ D �dV.z/

dz() V.z/ D �

zZ

z0

F.z0/ dz0: (1.131)

Der Anfangspunkt z0 der Integration ist dabei beliebig. Es istwünschenswert, eine ähnliche Aussage in drei Dimensionen zuformulieren. Hierbei ergibt sich allerdings die Frage, welcherIntegrationsweg zwischen zwei Punkten im R3 gewählt werdenmuss. Im Gegensatz zu der Integration in (1.131), die entlangder reellen Achse stattfindet, kann im dreidimensionalen Raumprinzipiell eine unendliche Zahl von Wegen verfolgt werden(Abb. 1.14). Wir werden bald sehen, dass ein Potenzial V.x/genau dann definiert werden kann, wenn die Integration von derWahl des Weges unabhängig ist. Hierzu ist es sinnvoll, sich dieKurvenintegrale genauer anzusehen.

Es sei F.x/ eine vektorwertige Funktion im dreidimensionalenRaum R3. Einer kleinen Verschiebung vom Punkt x nach xCıxlässt sich der Skalar

ı˚ D F.x/ � ıx (1.132)

x2

x1

x3

AB

C1

C2

C3

Abb. 1.14 Im dreidimensionalen Raum R3 gibt es generell unendlich vieleMöglichkeiten, von Punkt A nach Punkt B zu gelangen. In dieser Abbildung sinddrei Beispielwege und ihre Projektionen auf die x-y-Ebene dargestellt, um dendreidimensionalen Verlauf der Wege zu verdeutlichen

zuordnen. Ist F.x/ beispielsweise eine Kraft, die auf eine Punkt-masse wirkt, so entspricht dieses Skalarprodukt der Arbeit, diean der Punktmasse verrichtet werden muss, um sie um ıx zuverschieben. Nun kann man sich eine Kurve C im Raum vorstel-len, die aus lauter kleinen und kontinuierlichen Verschiebungenzusammengesetzt ist. Die Kurve werde durch den Kurven-parameter s beschrieben, der aus dem Interval I D Œsa; sb�entnommen wird:

C W I ! R3; s 7! x.s/: (1.133)

Die Anfangs- und Endpunkte der Kurve C sind xa D x.sa/ undxb D x.sb/. Das Kurvenintegral über die Funktion F.x/ entlangdes Weges x.s/ ist dann

˚ DxbZ

xa

F.x/ � dx: (1.134)

In dem speziellen Fall, dass die Anfangs- und Endpunkte iden-tisch sind, xa D xb, nennt man die Kurve geschlossen undschreibt das geschlossene Wegintegral

xbZ

xa

F.x/ � dx DI

C

F.x/ � dx: (1.135)

Zur Berechnung des Kurvenintegrals entlang einer gegebenenBahnkurve mit der Parametrisierung x.s/ schreibt man

xbZ

xa

F.x/ � dx DsbZ

sa

F.x/ � dxds

ds: (1.136)

Hier wurde der Integrand in die eindimensionale Funktion F.x/�dx=ds umgewandelt. Die Integration lässt sich daher wie ge-wohnt durchführen.

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TeilI

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30 1 Die Newton’schen Axiome

1.6 Energieerhaltungund konservative Kräfte

In Abschn. 1.3 wurde die Bewegung einer Punktmasse in einerDimension vorgestellt. Dies führte schließlich auf den Ener-gieerhaltungssatz in Abwesenheit dissipativer Kräfte (1.90).Die Bewegung einer Punktmasse in drei Dimensionen erfor-dert besondere Aufmerksamkeit, da es sich dabei nicht um eineeinfache Erweiterung von Abschn. 1.3 auf drei Dimensionenhandelt. So haben wir beispielsweise zuvor gesehen, dass al-le eindimensionalen Kräfte der Form F.z/ aus einem PotenzialV.z/ abgeleitet werden können. Im Gegensatz dazu kann man indrei Dimensionen im Allgemeinen kein Potenzial V.x/ für einebeliebige Kraft F.x/ angeben, selbst wenn diese geschwindig-keits- und zeitunabhängig ist. Es wird allerdings gezeigt, dasses eine Klasse von Kräften gibt, für die eine solche Relationexistiert. Diese sogenannten konservativen Kräfte werden imLaufe dieses Abschnitts eingeführt und definiert. Dazu werdendie Differenzialoperatoren (Gradient, Divergenz und Rotation)sowie der wichtige Satz von Stokes besprochen.

Der Energieerhaltungssatz in drei Dimensionen

Um den Energieerhaltungssatz in drei Dimensionen zu erhalten,gehen wir ähnlich wie in Abschn. 1.4 vor: Wir multiplizieren dieBewegungsgleichung einer Punktmasse,

mRx D F; (1.137)

mit Px und schreiben

d

dt

�m

2Px2

�D F � dx

dt: (1.138)

In Analogie zum eindimensionalen Fall definiert man die kine-tische Energie als

T D m

2Px2 D p2

2m: (1.139)

Die infinitesimale Änderung der kinetischen Energie ist die vonder Kraft F längs des Wegelements dx an der Punktmasse ver-richtete Arbeit dW:

d�m

2Px2

�D F � dx D dW: (1.140)

Die Leistung in drei Dimensionen wird aus

P D dW

dtD F � Px (1.141)

berechnet. Den eindimensionalen Fall haben wir bereits in(1.88) kennengelernt.

Die Bewegungsgleichung (1.138) beschreibt eine erhalteneGröße, wenn sie in der Form

dT

dtD �dV

dt(1.142)

geschrieben werden kann, da dann E D T C V D const für dieEnergie E gilt. Das eindimensionale Analogon dieses Energie-satzes haben wir schon in (1.83) gesehen. Im dreidimensionalenFall ist dies offenbar nur dann möglich, wenn

dV

dtD �F � dx

dt(1.143)

erfüllt ist. Eine Größe V, welche dieser Gleichung genügt, istdas Potenzial der Kraft F. So erfüllen beispielsweise alle Kräf-te, die senkrecht auf der Geschwindigkeit Px stehen, PV D 0. Diesschließt beispielsweise die Lorentz-Kraft in einem beliebigenMagnetfeld B ein. Sie ist proportional zum Kreuzprodukt v � Bund erhält damit die Energie (Aufgabe 1.4). Hier ist anzumer-ken, dass die Lorentz-Kraft geschwindigkeitsabhängig ist. Wirwollen uns im Folgenden allerdings auf geschwindigkeitsunab-hängige Kräfte beschränken (also solche mit Gestalt F.x/). DieLorentz-Kraft wird in Teil II genauer untersucht werden.

Es gibt eine Klasse geschwindigkeitsunabhängiger Kräfte, die(1.143) erfüllen. Die Anwendung der Kettenregel zeigt, dassdies für Kräfte der Fall ist, die in der Form

F.x/ D �rV.x/ (1.144)

geschrieben werden können. Hierbei bezeichnet r (Nabla-Ope-rator) den Gradienten in kartesischen Koordinaten, der im„Mathematischen Hintergrund“ 1.7 eingeführt wird. Man rech-net somit nach, dass

PV.x/ D dV.x/

dtD @V.x/

@xi

dxi.t/

dt

D .rV.x// � dx.t/

dtD �F.x/ � dx.t/

dt

(1.145)

gilt. Es ist zu betonen, dass die Zeitabhängigkeit vollständig inx.t/ enthalten ist; die Kraft F.x/ und das Potenzial V.x/ sindsomit nicht explizit zeitabhängig.

Achtung Der Gradient zeigt in die Richtung des steilsten An-stiegs des Potenzials. Das Konzept des Gradienten (und Nabla-Operators) ist in der Physik sehr wichtig und für viele Leser ver-mutlich neu. Es wird daher empfohlen, den „MathematischenHintergrund“ 1.7 genau zu studieren und Aufgabe 1.5 zu bear-beiten. J

Kräfte der Form wie in (1.144) werden Potenzialkräfte oder kon-servative Kräfte genannt, da sie die Energie als Summe vonkinetischer und potenzieller Energie erhalten und aus einem Po-tenzial abgeleitet werden können.

Konservative Kräfte

Konservative geschwindigkeitsunabhängige Kräfte F.x/lassen sich als Gradient eines skalaren Potenzials V.x/darstellen.

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1.6 Energieerhaltung und konservative Kräfte 31

Teil

I1.7 Mathematischer Hintergrund: Differenzialoperatoren

Im Rn, und besonders im R3, gibt es einige besondere Ablei-tungsoperatoren, die in der Physik oft benutzt werden. Diesewollen wir hier kurz erklären.

Ableitung und partielle Ableitung Eine skalare Funktionf W R ! R, x 7! f .x/ ist differenzierbar in x, wenn derGrenzwert

f 0.x/ D df

dx.x/ D lim

"!0

f .x C "/ � f .x/

"

existiert. Den Grenzwert bezeichnet man als Ableitung von f .Anschaulich beschreibt f 0.x0/ die Änderungsrate (Steigung)von f in der Nähe von x0 (vorausgesetzt, dass f hinreichendglatt ist in einer Umgebung um x0, Details siehe Kasten „Ma-thematischer Hintergrund 1.8“).

Um das Änderungsverhalten skalarer Funktionen mehrererVeränderlicher g W Rn ! R, x 7! g.x/ zu untersuchen, lässtman alle Veränderlichen bis auf xi konstant und betrachtet fürfestes x das Änderungsverhalten der durch gi.t/ WD g.xCtei/auf R ! R definierten Funktion. Dies führt auf die partielleAbleitung

@g

@xi.x/ D g0

i.0/ D lim"!0

g.x C "ei/ � g.x/

":

Die partielle Ableitung @g@xi

.x/ ist also die Ableitung von g

an der Stelle x in Richtung des Vektors ei. Statt @@xi

wird oftauch nur kurz @i notiert.

Differenzialoperatoren Ein Differenzialoperator ist eineAbbildung, die einer Funktion eine (andere) Funktion zuord-net, die (partielle) Ableitung(en) der ursprünglichen Funkti-on enthält. Zum Beispiel ist die gewöhnliche Ableitung d

dxein Differenzialoperator, der einer differenzierbaren Funkti-on f ihre Ableitung d

dx f D f 0 zuordnet.

Gradient Eine Funktion R3 ! R (der Gradient wird hiernur für R3 eingeführt; die Definition lässt sich aber problem-los auf Rn verallgemeinern) wird als Skalarfeld bezeichnet.Den Differenzialoperator, der einem Feld den Vektor der par-tiellen Ableitungen des Feldes zuordnet, bezeichnet man alsGradienten von f :

grad f WD0

@@1f@2f@3f

1

A :

In diesem Buch wird der Gradient als Spaltenvektor definiert.Vereinzelt wird der Gradient auch als Zeilenvektor einge-führt. Funktionen von R3 ! R3 werden als Vektorfelderbezeichnet. Der Gradient ist also ein Vektorfeld. Er zeigt inRichtung des stärksten Anstiegs des Skalarfeldes. Insbeson-dere steht der Gradient senkrecht auf Flächen, auf denen dasSkalarfeld konstant ist.

Beispielsweise kann man die totale Zeitableitung einer Funk-tion f .x.t// mithilfe der Kettenregel als df =dt D .r f / � Pxschreiben.

Divergenz Unter der Divergenz eines Vektorfeldes g ver-steht man den Differenzialoperator, der dem Vektorfeld dieSumme der i-ten partiellen Ableitung der i-ten Komponente,also einen Skalar, zuordnet:

div g WD div

0

@g1

g2

g3

1

A D3X

iD1

@igi:

Rotation Unter der Rotation eines Vektorfeldes verstehtman den Differenzialoperator

rot g D0

@@2g3 � @3g2

@3g1 � @1g3

@1g2 � @2g1

1

A :

Wie bei der Ableitung auch, bezeichnet man mit Gradient,Divergenz und Rotation nicht nur den Differenzialoperatorselbst, sondern auch das Ergebnis seiner Anwendung.

Symbolische Schreibweise In der Physik ist es üblich, Gra-dient, Divergenz und Rotation mithilfe des Nabla-Operatorsauszudrücken. Dieser ist zunächst formal nur der Vektor derSymbole @1, @2, @3, also

r WD0

@@1

@2

@3

1

A :

Beim formalen „Rechnen“ mit dem Nabla-Operator fasstman Produkte des Symbols @i mit einer Funktion f als An-wendung von @i auf f auf. Dann lässt sich der Gradient vonf formal als skalare Multiplikation zwischen r und f schrei-ben, die Divergenz von g als Skalarprodukt zwischen r undg und die Rotation von g als Vektorprodukt zwischen r undg, also

grad f D r f ; div g D r � g; rot g D r � g:

Rechenregeln Sind f bzw. g Skalarfelder und v ein Vektor-feld, so gilt

r.fg/ D f .rg/ C g.r f /;

r � .f v/ D f .r � v/ C v � .r f /;

r � .f v/ D .r f / � v C f .r � v/:

Diese sind leicht in Komponentenschreibweise nachzurech-nen.

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TeilI

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32 1 Die Newton’schen Axiome

Es ist leicht zu sehen, dass die Kraft in (1.144) senkrecht aufÄquipotenzialflächen (Flächen mit konstantem Potenzial, V Dconst) steht. Dazu betrachte man eine Verschiebung dx, die in-nerhalb einer Äquipotenzialfläche liegt:

0 D dV D rV � dx D �F � dx: (1.146)

An dieser Stelle bietet es sich auch an, die Richtungsableitungdes Feldes V.x/ entlang des Vektors On zu definieren:

@OnV D @V

@ On WD On � rV: (1.147)

Sie gibt die Steigung von V entlang des Vektors On an. Liegt Oninnerhalb einer Äquipotenzialfläche, d. h. ist

V.x/ � V.x C � On/ D 0 (1.148)

für ein beliebiges infinitesimales �, dann verschwindet die Rich-tungsableitung @

OnV.

Sind alle Kräfte, die auf die Punktmasse m wirken, konservativ,gilt der Energieerhaltungssatz:

E D T C V D const: (1.149)

Energieerhaltung

Die Energie eines mechanischen Systems ist erhalten,wenn alle Kräfte konservativ sind.

Treten zusätzlich nichtkonservative (also dissipative) Kräfte Fd

auf, so lautet die Energiegleichung

PE D Fd � Px: (1.150)

Beispiele für nichtkonservative Kräfte sind Reibungskräfte, dievon der Geschwindigkeit abhängen. Geschwindigkeitsabhän-gige Kräfte sind im Allgemeinen dissipativ. Dies haben wirbereits in Abschn. 1.4 gesehen. Es gibt allerdings auch, wiebereits vorher angedeutet, Ausnahmen: Die geschwindigkeits-abhängige Lorentz-Kraft ist ebenfalls konservativ (erhält alsodie Energie). Es gibt jedoch auch Kräfte der Form F.x/, dienichtkonservativ sind, wie in Aufgabe 1.5 gezeigt wird.

Wichtige Potenzialkräfte

Die wichtigsten Potenzialkräfte in der Mechanik sind die radi-alsymmetrischen Zentralkräfte,

F.r/ D F.r/rr

D F.r/ Oer; (1.151)

die nur vom Abstand r abhängen und stets entlang der Richtungvon r wirken. Diese Kräfte können anziehend (F.r/ < 0) oderabstoßend (F.r/ > 0) sein. Das Potenzial lautet

V.r/ � V.r0/ D �rZ

r0

F.r0/ dr0; (1.152)

wobei r0 und somit V.r0/ beliebig ist.

Es ist zu beachten, dass es auch nichtradialsymmetrische Zen-tralkräfte gibt, die zwar entlang des Vektors r wirken, aber nichtnur vom Abstand r abhängen. Im Gegensatz zu den radial-symmetrischen Zentralkräften in (1.151) können solche Kräftenichtkonservativ sein. Eine wichtige Eigenschaft aller Zentral-kräfte ist, dass sie den Drehimpuls L erhalten, da F k r und somitPL D M D r � F D 0 gilt.

Frage 19

Man zeige mithilfe von (1.144), dass (1.152) auf (1.151) führt.Dabei kann man ausnutzen, dass rr D r=r ist (Aufgabe 1.5).

Der dreidimensionale harmonische Oszillator ist ein Spezialfalleiner radialsymmetrischen Zentralkraft. Er besitzt das Potenzial

V.r/ D k

2r2; (1.153)

wie wir es bereits in (1.95) für den eindimensionalen Fall gese-hen haben. Die Kraft in drei Dimensionen berechnet sich zu

F.r/ D �rV.r/ D �kr D �kr Oer: (1.154)

Die Gravitationskraft

F.r/ D �GMm

r2Oer (1.155)

ist ebenfalls eine radialsymmetrische Zentralkraft.

Frage 20

Berechnen Sie das Gravitationspotenzial aus der Gravitations-kraft. Nutzen Sie dazu (1.152).

Sowohl der harmonische Oszillator als auch die Gravitation sindSpezialfälle der Potenz-Potenziale,

V.r/ D ˛ rˇ; (1.156)

wobei ˛ und ˇ reelle Zahlen sind (ˇ D 2 für das Oszillatorpo-tenzial und ˇ D �1 für das Gravitationspotenzial).

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1.6 Energieerhaltung und konservative Kräfte 33

Teil

I1.8 Mathematischer Hintergrund: Taylor’scher Satz

Es ist oftmals sinnvoll, differenzierbare Funktionen als Po-tenzreihe oder als Polynom mit einem Fehlerterm zu schrei-ben. Dafür gibt es die sogenannte Taylor-Entwicklung.

Taylor-Polynome Sei I ein Intervall reeller Zahlen, f W I !R eine mindestens .nC1/-mal differenzierbare Funktion unda 2 I. Das r-te (1 � r � n) Taylor-Polynom Tr.x/ ist das Po-lynom vom Grad r, das mit f in a im Funktionswert und denersten r Ableitungen übereinstimmt. Durch diese Forderun-gen ist das Polynom Tr.x/ eindeutig bestimmt.

Wie man leicht nachprüft, sind die Taylor-Polynome gege-ben durch

T0.x/ WD f .a/

T1.x/ WD f .a/ C f 0.a/.x � a/

:::

Tn.x/ WDnX

kD0

f .k/.a/

kŠ.x � a/k:

Dabei bezeichnet kŠ WD k � .k � 1/ � � � 2 � 1 die Fakultät vonk. Ergänzend ist 0Š WD 1 definiert. Das erste Taylor-PolynomT1.x/ ist genau die Tangente an f in a.

Restglied Wie gut lässt sich f durch ein Taylor-Polynom an-nähern? Für das Restglied RnC1.x/ WD f .x/ � Tn.x/ gilt

RnC1.x/ D 1

xZ

a

.x � t/nf .nC1/.t/ dt: (1)

Dies ist die Aussage des Taylor’schen Satzes, den manüber vollständige Induktion ausgehend vom Hauptsatz derDifferenzial- und Integralrechnung beweisen kann.

Restgliedabschätzung Wenn die (n C 1)-te Ableitung von fbeschränkt ist in einer Umgebung U um a, dann folgt aus (1)die Abschätzung

jRnC1.x/j � Cˇˇˇ.x � a/nC1

ˇˇˇ für x 2 U (2)

mit einer geeigneten Konstanten C > 0.

Landau-Notation Für eine Funktion f W I ! R, I � R unda 2 I versteht man unter O.f / die Menge aller Funktioneng W I ! R, durch die f lokal in einer Umgebung Ug um abeschränkt werden kann. Dies sind also die Funktionen g, zudenen es eine Umgebung Ug.a/ um a gibt, sodass gilt

jf .x/j � C jg.x/j für alle x 2 Ug.a/

mit einer geeigneten Konstanten C 2 R. Bei der Schreib-weise O.g/ wird, etwas unsauber, auf die Angabe von averzichtet, da sich a immer aus dem Zusammenhang ergibt.

Im Falle x ! a und f 2 O �.x � a/k

�spricht man davon,

dass f für x ! a mindestens mit k-ter Ordnung abfällt. Glei-chung (2) besagt also, dass das Restglied RnC1.x/ für x ! amindestens mit (n C 1)-ter Ordnung abfällt.

Die sehr gebräuchliche Schreibweise

f .x/ D Tn.x/ C O.xnC1/ für x ! 0

ist so zu lesen, dass O.xnC1/ eine Funktion ist (die sich ausder Gleichung ergibt), die in der Menge O.xnC1/ enthaltenist. Die O-Notation kann man in analoger Weise auch fürx ! 1 einführen. Dann bedeutet f 2 O.g/, dass f höchs-tens so stark ansteigt wie g.

Beispiele Verwendet man die Taylor-Polynome als Appro-ximation, so erhält man für x ! 0 folgende Näherungen:

1p1 ˙ x

D 1 � x

2C O �

x2�

;

cos.x/ D 1 � x2

2C O �

x4�

;

sin.x/ D x C O �x3

�:

Taylor-Reihen Wenn f W R ! R unendlich oft differen-zierbar ist, konvergiert dann die Folge der Taylor-PolynomeTn.x/, also die Taylor-Reihe

1X

kD0

f .k/.a/

kŠ.x � a/k ‹

Wenn ja, konvergiert die Reihe nur für feste x in einer Umge-bung U von a oder sogar gleichmäßig in U (d. h. bezüglichder Supremumsnorm k�k

1

)? Beides muss im Allgemeinenverneint werden. Selbst wenn die Taylor-Reihe einer Funk-tion konvergiert, konvergiert diese nicht zwangsläufig gegendie Funktion. Notwendig und hinreichend ist, dass Rk.x/ fürk ! 1 gleichmäßig gegen 0 konvergiert.

Taylor-Entwicklung für Funktionen f W Rn ! R Existie-ren die partiellen Ableitungen bis zur zweiten Ordnung vonf W Rn ! R, so gilt für x ! 0

f .a C x/ D .grad f .a// � x C O �jxj2�

;

wobei O offensichtlich auf Funktionen Rn ! R verallge-meinert ist. Existieren auch die partiellen Ableitungen dritterOrdnung von f , dann gilt für x ! 0

f .a C x/ D .grad f .a// � x C 1

2x � �

Hf .a/ � x� CO �jxj3

�;

wobei die Hesse-Matrix Hf die (n � n)-Matrix der zweitenpartiellen Ableitungen ist, d. h.

.Hf /ij WD @i@jf :

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34 1 Die Newton’schen Axiome

Die Wegunabhängigkeit der Arbeit

In diesem Abschnitt werden die Eigenschaften der wichtigenkonservativen Kraftfelder genauer untersucht. Wie bereits ge-zeigt, gilt für die Bewegung in einem konservativen Kraftfelddie Energieerhaltung.

Wir haben in Abb. 1.14 gesehen, dass sich im dreidimensionalenRaum prinzipiell verschiedene Wege zwischen zwei Punkten Aund B wählen lassen. Bewegt man sich dabei durch ein Kraft-feld, wird Arbeit verrichtet. Es stellt sich die Frage, ob esKraftfelder gibt, für welche die verrichtete Arbeit nicht davonabhängt, auf welchem Weg man sich von Punkt A zu Punkt Bbegibt. Es ist zu erwarten, dass für solche Systeme eine physi-kalische Beschreibung einfacher ist, da der gewählte Weg nichtdefiniert werden muss.

Wir nehmen an, dass das Kurvenintegral

˚.x/ DxZ

x0

F.x0/ � dx0 (1.157)

des Vektorfeldes F.x/ wegunabhängig ist. Der Startpunkt x0

wird nun festgehalten. Verschiebt man dann die obere Integrati-onsgrenze um ein kleines Stück dx, so gilt

˚.x C dx/ � ˚.x/ DxCdxZ

x

F.x0/ � dx0: (1.158)

Für eine infinitesimale Verschiebung kann man dies durch

˚.x C dx/ � ˚.x/ D r˚.x/ � dx D F.x/ � dx (1.159)

annähern (siehe „Mathematischer Hintergrund“ 1.8). Somitmuss F der Gradient des skalaren Feldes ˚ sein: F D r˚ .Ist umgekehrt F D r˚ , so ist das Wegintegral wegunabhängig,denn

xbZ

xa

r˚ � dx D˚.xb/Z

˚.xa/

d˚ D ˚.xb/ � ˚.xa/ (1.160)

hängt nur noch von den Endpunkten der Kurve ab.

Wegunabhängigkeit und Gradientenfeld

Ein Kurvenintegral über ein Vektorfeld F.x/ ist genaudann wegunabhängig, wenn es ein Skalarfeld ˚ gibt, des-sen Gradient F ist, d. h. F.x/ D r˚.x/.

Es stellt sich sofort die Frage, nach welchem Kriterium manentscheiden kann, ob F ein Gradientenfeld ist. Hier bietet sichdie Rotation r � F des Feldes F an (siehe „MathematischerHintergrund“ 1.7). Da die Rotation eines Gradienten identisch

S∂S

A

B

Abb. 1.15 Eine (gekrümmte) zweidimensionale Fläche S im dreidimensionalenRaum wird von einer Kurve @S begrenzt. Es gibt zwei Möglichkeiten, entlang @Svon einem Punkt A zu einem anderen Punkt B zu gelangen (rote und blauePfade). Beide Pfade zusammen bilden eine geschlossene Kurve

verschwindet, r � r˚ D 0, gilt offenbar, dass r � F D 0ein notwendiges Kriterium ist. Aus F D r˚ folgt daher, dassr � F D 0. Wir werden im Folgenden untersuchen, unterwelchen Umständen die Umkehrung gilt, d. h. wann F ein Gra-dientenfeld ist, falls r � F D 0 gilt.

Frage 21Man mache sich klar, dass die Rotation eines Gradientenfeldestatsächlich verschwindet. Hierzu ist es sinnvoll, das Kreuzpro-dukt r � r˚ durch das Levi-Civita-Symbol "ijk darzustellen.Bei der Rechnung geht man davon aus, dass Ableitungen ver-tauschbar sind, z. B. @i@j˚.x/ D @j@i˚.x/.

Der Satz von Stokes

Der Satz von Stokes erlaubt es, ein geschlossenes Wegintegralüber ein Vektorfeld F.x/ durch das Flächenintegral über die Ro-tation von F auszudrücken:

I

@S

F � ds DZ

S

.r � F/ � dS: (1.161)

Hier ist S eine Fläche, die von einer Randkurve @S entlang dsbegrenzt wird (Abb. 1.15). Man nennt

� WDI

@S

F � ds (1.162)

auch die Zirkulation oder Wirbelstärke des Vektorfeldes F.x/längs des geschlossenen Weges @S. Das infinitesimale Flächen-element dS erfüllt

dS D dS On; (1.163)

wobei dS der Betrag des Flächenelements und On ein Einheits-normalenvektor ist, der lokal senkrecht auf der Fläche steht. DasVorzeichen von On wird über die Rechte-Hand-Regel bestimmt:

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1.6 Energieerhaltung und konservative Kräfte 35

Teil

I1.9 Mathematischer Hintergrund: Der Satz von Stokes

Der Satz von Stokes ist wohl der Höhepunkt in jedem Ana-lysiszyklus. Man findet ihn in der Literatur in den verschie-densten Formen, wobei wir uns hier auf die physikalischeInterpretation konzentrieren wollen. In der tiefsten und all-gemeinen Form sagt der Satz von Stokes etwas über dieIntegration von Differenzialformen und verallgemeinert soden Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung, deraus der Schule schon bekannt ist.

Wichtige Spezialfälle sind der klassische Satz von Stokes,der Gauß’sche Integralsatz und der Satz von Green, die allein der Vektoranalysis behandelt werden.

Der klassische Satz von Stokes Eine Version (meistenswird diese so in einer Physikvorlesung gegeben) des Satzesvon Stokes lautet wie folgt:

Sei S � R3 eine Fläche und @S ihre Randkurve (Abb. 1.15).Weiter sei das Vektorfeld F W R3 ! R3 stetig differenzier-bar. Dann giltI

@S

F � ds DZ

S

.rot F/ � dS;

wobei die Randkurve @S die von S induzierte Orientierungtrage, ds das vektorielle Linienelement des Randes @S unddS das vektorielle Flächenelement von S bezeichnet.

Anschauliche Interpretation Der Satz lässt sich anschau-lich interpretieren. Gegeben ist ein Flächenstück S im R3 miteiner berandeten Kurve @S und ein Vektorfeld F W R3 ! R3.Der Satz von Stokes besagt nun, dass das Flächenintegralüber die Rotation eines Vektorfeldes mit dem geschlossenenKurvenintegral über die Tangentialkomponente des Vektor-feldes F übereinstimmt. Der Nutzen liegt vor allem darin,dass im Allgemeinen das Kurvenintegral einfacher als dasFlächenintegral zu berechnen ist.

Physikalische Interpretation Die physikalische Interpreta-tion (siehe Literatur) des Satzes von Stokes kann man sichfolgendermaßen verdeutlichen. Dazu stellen wir uns vor,dass F ein Geschwindigkeitsfeld einer Flüssigkeitsströmungdarstellt. Wie oben bemerkt, stellt F �ds die tangentiale Kom-ponente von F längs der Randkurve @S dar. Man kann daherdas Integral darüber als eine Größe interpretieren, die an-gibt, wie sich die Vektoren von F entlang @S drehen. Wir

unterscheiden dazu drei Fälle (Abb. 1.16), wenn wir dieRandkurve @S im mathematisch positiven Sinne durchlau-fen:

1. Es giltH

@S F � ds > 0, wenn die Vektoren von F in Tan-gentialrichtung zu @S zeigen. Physikalisch bedeutet dies,dass sich die Flüssigkeit im mathematisch positiven Sin-ne dreht.

2. Wir habenH

@S F � ds < 0, falls die Vektoren von F ent-gegen der Richtung der Tangentialvektoren des Randeszeigen.

3. Es gilt natürlichH

@S F � ds D 0, wenn F senkrecht aufdem Rand @S steht. Physikalisch bedeutet dies, dass dieFlüssigkeit nicht entlang des Randes rotiert.

Insgesamt stellt das IntegralH

@S F � ds damit die Gesamt-rotation der Flüssigkeit im mathematischen positiven Sinneentlang @S dar. Daher kann dieses Integral auch als Zirkula-tion bzw. Wirbelstärke der Flüssigkeit gedeutet werden. DerSatz von Stokes sagt uns nun, dass die Wirbelstärke von Fentlang der Randkurve @S gleich dem Integral der Normal-komponente der Rotation rot F über der Fläche S ist.

Weitere Anwendungen Eine weitere Anwendung des allge-meinen Stokes’schen Satzes ist der sogenannte Integralsatzvon Gauß, der vor allem in der Elektrodynamik eine außer-ordentlich wichtige Rolle spielt und dort noch wesentlichausführlicher besprochen wird. Er soll hier bereits der Voll-ständigkeit halber notiert werden. Sei V � R3 ein Volumenund @V die geschlossene Fläche, die V berandet. Dann giltfür jedes stetig differenzierbare Vektorfeld F W R3 ! R3

I

@V

F � dS DZ

V

div F dV;

wobei die Randfläche @V nach außen orientiert ist (die Au-ßenseite von @V gilt als positiv).

Literatur

Arens et al., Mathematik, Springer.

Der Integrationspfad läuft im mathematisch positiven Sinn („ge-gen den Uhrzeigersinn“) um den Normalenvektor. Für weitereDetails wird auf den „Mathematischen Hintergrund“ 1.9 ver-wiesen.

Aus dem Satz von Stokes folgt sofort die hinreichende Bedin-gung, die uns im vorherigen Abschnitt noch gefehlt hatte: Gilt

r � F D 0, so ist F D r˚ . Dies kann man folgendermaßensehen: Verschwindet die Rotation von F, so ist gemäß (1.161)

I

@S

F � ds D 0; (1.164)

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36 1 Die Newton’schen Axiome

Γ > 0

∂S

Γ < 0 Γ = 0

Abb. 1.16 Das Vorzeichen der Zirkulation � D H@S F � ds hängt von der Richtung des Vektorfeldes F (blau) auf dem Rand @S (rot ) ab. Die Randkurve wird

entlang ds im mathematisch positiven Sinn (gegen den Uhrzeigersinn) durchlaufen

und das Wegintegral zwischen zwei Punkten A und B ist unab-hängig vom gewählten Weg. Daher muss F ein Gradientenfeldsein.

Frage 22Man mache sich klar, dass (1.164) zur Folge hat, dass das We-gintegral vom gewählten Weg unabhängig ist. Dazu zerlegt manwie in Abb. 1.15 ein beliebiges geschlossene Wegintegral inzwei Integrale, eins von Punkt A nach Punkt B, das andere aufeinem anderen Weg wieder zurück.

Die hinreichende Bedingung r � F D 0 H) F D r˚gilt nur dann, wenn F.x/ überall längs des Integrationswegesdefiniert ist und keine Löcher hat, wie in Abb. 1.17 dargestellt.Mathematisch spricht man von einem einfach zusammenhän-genden Gebiet: Ein Gebiet G heißt einfach zusammenhängend,wenn jede geschlossene Kurve in G stetig zu einem Punkt zu-sammengezogen werden kann, ohne das Gebiet zu verlassen.

Zusammenhang zwischen Wirbelfreiheit und Gradient

Felder F.x/, die auf einem einfach zusammenhängendenGebiet G definiert sind, haben genau dann ein PotenzialV.x/, wenn sie in G wirbelfrei (rotationsfrei) sind,

r � F D 0 () F D �rV: (1.165)

In Aufgabe 1.6 wird ein konkretes Beispiel gerechnet.

Die Berechnung des Potenzials aus einerkonservativen Kraft

Während es verhältnismäßig einfach ist, eine Kraft F.x/ mit(1.144) aus dem zugehörigen Potenzial V.x/ zu berechnen, ist

A

B

Abb. 1.17 Gibt es ein „Loch“ in einem Vektorfeld F.x/, so ist das Definiti-onsgebiet von F W x 7! F.x/ nicht einfach zusammenhängend. Die beidendargestellten Wege von Punkt A zu Punkt B müssen energetisch nicht gleichwer-tig sein, da sich beide Wege nicht kontinuierlich ineinander überführen lassen,ohne dabei durch das Loch hindurchzulaufen

die Umkehrung, also die Integration, anspruchsvoller. Zunächstschreibt man

F.x/ D �rV.x/

H)V.x/ � V.x0/ D �xZ

x0

F.x0/ � dx0:(1.166)

Der Bezugspunkt x0 ist beliebig, da der Term rV.x0/ ver-schwindet und die Kraft nicht beeinflusst. Das Potenzial V unddie Energie E sind damit bis auf eine beliebige additive Kon-stante festgelegt.

Wir haben gesehen, dass der Integrationsweg von x0 nach x kei-ne Rolle spielt, wenn F konservativ ist. Daher lässt sich dasIntegral in (1.166) lösen, indem ein Weg C gewählt wird, fürden die Berechnung möglichst einfach wird. Dazu wählt maneine geeignete Parametrisierung x0.s/ und schreibt

V.x/ � V.x0/ D �sZ

s0

F.x0/ � dx0

dsds; (1.167)

wobei x D x0.s/ und x0 D x0.s0/ gilt. Dies wird in Aufgabe 1.6vertieft.

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1.6 Energieerhaltung und konservative Kräfte 37

Teil

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x′1

x′2

x′3

x3,0

x1,0

x2,0

x3

x2

x1

C1 C2

C3

C

x0

x

Abb. 1.18 Um das Potenzial V .x/ zu einer gegebenen konservativen KraftF.x/ zu berechnen, kann man einen beliebigen Integrationspfad von x0 nachx verfolgen. In diesem Fall wird zunächst entlang der x 0

1-Achse integriert (Ab-schnitt C1), im Anschluss entlang der x 0

2-Achse (Abschnitt C2) und schließlichentlang der x 0

3-Achse (Abschnitt C3)

Potenzial aus Kraft

Ein einfaches Beispiel ist eine abschnittsweise definierteParametrisierung, bei der zunächst ein Weg entlang derx1-Achse, daraufhin ein Weg entlang der x2-Achse undabschließend ein Weg entlang der x3-Achse gewählt wird.Dies ist in Abb. 1.18 dargestellt. In diesem Fall besteht Caus den drei miteinander verbundenen Abschnitten C1, C2

und C3 mit

dx0

dsD

8<

:

.1; 0; 0/> auf C1

.0; 1; 0/> auf C2

.0; 0; 1/> auf C3

: (1.168)

Gleichung (1.167) wird somit zu

V.x/ � V.x0/ D �x1Z

x1;0

F1.x0

1; x2;0; x3;0/ dx0

1 (1.169)

�x2Z

x2;0

F2.x1; x0

2; x3;0/ dx0

2

�x3Z

x3;0

F3.x1; x2; x0

3/ dx0

3:

Da F voraussetzungsgemäß eine konservative Kraft ist,kann auch zunächst entlang der x2- oder der x3-Achseintegriert werden. Es kann aber auch ein vollständig ande-rer Weg gewählt werden, etwa entlang eines Kreisbogensoder einer Geraden, die direkt von x0 nach x führt.

Konkret soll dies für das einfache Beispiel F.x/ DCx D C.x1; x2; x3/> mit einer Konstanten C gezeigt wer-den. Wir integrieren von einem Punkt .a1; a2; a3/> zu.b1; b2; b3/> und sehen

V.b/ � V.a/

D �C

b1Z

a1

x0

1 dx0

1 � C

b2Z

a2

x0

2 dx0

2 � C

b3Z

a3

x0

3 dx0

3

D C

2

�a2

1 � b21 C a2

2 � b22 C a2

3 � b23

D Ca2 � b2

2:

(1.170)

Für die spezielle Wahl b D x und a D .0; 0; 0/> be-kommt man also

V.x/ D �C

2x2; (1.171)

was wieder direkt auf

F.x/ D �rV.x/ D Cx (1.172)

führt. J

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38 1 Die Newton’schen Axiome

Aufgaben

1.1 Vektorrechnung Das Rechnen mit Vektoren, Ska-lar- und Vektorprodukten soll hier geübt werden.

(a) Wir betrachten n Vektoren vi aus einem Vektorraum V. Mankann diese Vektoren verknüpfen, um die Linearkombination

v D �1v1 C : : : C �nvn (1.173)

zu erhalten. Hier sind die n Größen �i Skalare. Die Mengealler dieser darstellbaren Vektoren v bildet einen Untervek-torraum U von V. Man bezeichnet U als den von den vi

aufgespannten Untervektorraum U D span.vi/. Man nenntdie Vektoren vi linear unabhängig, wenn die Gleichung

�1v1 C : : : C �nvn D 0 (1.174)

nur dann erfüllt werden kann, wenn alle Skalare �i ver-schwinden: �i D 0. In diesem Fall lässt sich ein Vektor vals eindeutige Linearkombination der vi darstellen, d. h., die�i sind für einen gegebenen Vektor v eindeutig.Überprüfen Sie, welche der folgenden Sätze von Vektorenim R3 linear unabhängig sind:

v1 D0

@100

1

A ; v2 D0

@010

1

A ; v3 D0

@001

1

A I (1.175)

v1 D0

@111

1

A ; v2 D0

@110

1

A ; v3 D0

@100

1

A I (1.176)

v1 D0

@�321

1

A ; v2 D0

@123

1

A ; v3 D0

@2

�1�3

1

A : (1.177)

Was passiert, wenn im dritten Beispiel der dritte Vektordurch v3 D .2; �4; �4/> ersetzt wird?

(b) Skalarprodukte können wesentlich allgemeiner definiertwerden als das innere Produkt x � y D P3

iD1 xiyi für Vekto-ren im R3 bezüglich einer Orthonormalbasis. Man betrachtebeispielsweise den Vektorraum der Polynome vom Grad N(d. h., die Polynome dürfen höchstens Terme der OrdnungxN enthalten) auf dem Intervall Œ�1; 1�. Das Skalarproduktsei durch

hp; qi D1Z

�1

p.x/q.x/ dx (1.178)

definiert. Welche dieser drei Polynome sind im Sinne diesesSkalarprodukts zueinander orthogonal?

p.x/ D x; q.x/ D x2 � 2; r.x/ D x3 C x: (1.179)

Wie könnte man die Polynome normieren?

(c) Häufig benötigt man das Spatprodukt, das auch als Mehr-fachprodukt bezeichnet wird:

.a � b/ � c D .b � c/ � a D .c � a/ � b D "ijkaibjck: (1.180)

Zeigen Sie, dass es verschwindet, wenn einer der Vektorenals Linearkombination der beiden anderen geschrieben wer-den kann. Dies ist dann der Fall, wenn alle drei Vektoren ineiner Ebene liegen. Die drei Vektoren spannen dann einenSpat mit Volumen null auf.

(d) Zeigen Sie die Lagrange-Identität

.a � b/ � .c � d/ D .a � c/.b � d/ � .a � d/.b � c/: (1.181)

Verwenden Sie dazu die Levi-Civita- und Kronecker-Sym-bole.

1.2 Schiefer Wurf Ein Speerwerfer trainiert für einenWettkampf. Er überlegt sich, dass es einen optimalen Abwurf-winkel geben muss, um die Reichweite zu maximieren. Diesist offensichtlich: Wird der Speer waagerecht geworfen, fällt ernach kurzer Flugstrecke auf den Boden. Wirft man ihn fast senk-recht nach oben, ist das Ergebnis ebenfalls enttäuschend. Manbestimme die allgemeine Bahnkurve des reibungsfreien schie-fen Wurfes in der x-z-Ebene, wobei die Gravitation in negativez-Richtung wirkt. Die Anfangsbedingungen für den Ort und dieGeschwindigkeit sind x.0/ D x0, z.0/ D z0 und vx.0/ D vx;0,vz.0/ D vz;0.

(a) Man zeige, dass es sich um eine Parabelbahn (Wurfparabel)handelt. Wie hoch liegt der Scheitelpunkt? Wann wird er er-reicht?

(b) Der Wurfwinkel zwischen Anfangsgeschwindigkeitsvektorund dem Boden (x-Achse) ist ˛. Stellen Sie zunächst jeweilseinen Zusammenhang zwischen dem Betrag der Anfangsge-schwindigkeit, v0, dem Wurfwinkel ˛ und den Projektionender Anfangsgeschwindigkeit auf die x- und z-Achsen, vx;0

und vz;0, auf.(c) Leiten Sie eine Gleichung ab, die die Reichweite des Wur-

fes als Funktion der Anfangsgeschwindigkeit v0 und desWurfwinkels ˛ beschreibt. Gehen Sie dabei davon aus, dasssowohl die Abwurf- als auch die Endhöhe z0 sind. Fürwelchen Wurfwinkel wird die Reichweite bei festem v0 ma-ximal?

(d) Kann ein Fußballtorwart einen Fußball direkt ins gegneri-sche Tor schießen, wenn der Ball mit v0 D 100 km h�1 ausdem eigenen Torraum abgeschlagen wird? Ein Fußballfeldist etwa 100 m lang. Reibungseffekte sollen vernachlässigtwerden.

1.3 Schiefer Wurf mit Stokes’scher Reibung Be-trachten Sie den schiefen Wurf mit Stokes’scher Reibung

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Aufgaben 39

Teil

I

(Reibungskoeffizient K). Die Bewegung erfolge in der x-z-Ebene, und die homogene Gravitationskraft zeige in negativez-Richtung. Die Anfangsbedingungen für den Ort und die Ge-schwindigkeit sind x.0/ D x0, z.0/ D z0 und vx.0/ D vx;0,vz.0/ D vz;0.

(a) Zeigen Sie, dass die Bewegungsgleichungen entkoppeltsind.

(b) Schreiben Sie die allgemeine Lösung der Bewegungsglei-chungen für x und z auf. Orientieren Sie sich dabei an denSchritten, die auf (1.44) geführt haben. Für das weitere Vor-gehen bietet es sich an, die Endgeschwindigkeit vE nicht alsAbkürzung einzuführen.

(c) Berechnen Sie die allgemeine Bahnkurve z.x/. Dazu mussdie Zeit aus der Lösung z.t/ mithilfe von x.t/ eliminiert wer-den.

(d) Zeigen Sie, dass der Grenzfall K D 0 auf die Lösung für dieBahnkurve ohne Reibung aus Aufgabe 1.2 führt. Achtung:Es ist nicht möglich, einfach K D 0 zu setzen. Stattdes-sen muss der Logarithmus in z.x/ für kleine K entwickeltwerden. Danach kann der Grenzfall K ! 0 durchgeführtwerden. Nutzen Sie aus, dass ln.1 C x/ x � x2=2 gilt.Warum muss an dieser Stelle die zweite Ordnung der Tay-lor-Entwicklung ebenfalls mitgenommen werden?

1.4 Lorentz-Kraft Auf ein geladenes Teilchen (elek-trische Ladung q) wirkt im elektrischen Feld E und magneti-schen Feld B die Lorentz-Kraft (in SI-Einheiten)

F D q .E C v � B/ : (1.182)

Es soll die Bewegung in einem reinen Magnetfeld, das homo-gen und zeitunabhängig ist, untersucht werden. Hierzu wird dasKoordinatensystem so gelegt, dass

B D B Oez (1.183)

gilt. Das elektrische Feld wird vernachlässigt: E D 0.

(a) Zeigen Sie ohne weitere Rechnungen, dass der Betrag derGeschwindigkeit des Teilchens konstant ist und dass keineArbeit am Teilchen verrichtet wird. Die Energie ist somit er-halten und die Kraft konservativ. Greifen Sie dazu auf dieErgebnisse zurück, die in Abschn. 1.5 und 1.6 erarbeitetwurden.

(b) Stellen Sie die Bewegungsgleichungen für das Teilchen auf.Die Anfangsbedingungen lauten x.t D 0/ D 0 und Px.t D0/ D .0; vy;0; vz;0/>. Die Lösung für die Bewegung entlangder z-Achse kann direkt hingeschrieben werden. Wie lautetsie?

(c) Wie lauten die Lösungen der Bewegungsgleichungen ent-lang der x- und y-Achsen? Um die beiden gekoppeltenGleichungen zu entkoppeln, integrieren Sie zunächst eineder beiden Bewegungsgleichungen und setzen Sie das Er-gebnis in die andere ein.

(d) Wie lauten der Tangential- und der Hauptnormalenvektorder Bahnkurve? Bestimmen Sie den Krümmungsradius.

1.5 Differenzialoperatoren In dieser Aufgabe wirddie Anwendung der Differenzialoperatoren vertieft.

(a) Berechnen Sie die Rotation einer allgemeinen radialsymme-trischen Zentralkraft:

F.r/ D F.r/rr: (1.184)

Verwenden Sie dazu r2 D x21 C x2

2 C x23. Es bietet sich an, die

Rotation mithilfe des Levi-Civita-Symbols in Indexschreib-weise zu bestimmen.

(b) Wie lautet die Rotation der Kraft

F.r/ D0

@�x2=%2

x1=%2

0

1

A (1.185)

mit %2 D x21 C x2

2? Verwenden Sie hier die Schreibweise

r � F.r/ D "ijk Oei@jFk: (1.186)

Berechnen Sie weiterhin das Kurvenintegral über die Kraftentlang des Weges

r.'/ D R

0

@cos 'sin '

0

1

A ; 0 � ' � 2 : (1.187)

Was ist die Interpretation dieser Resultate?(c) Gegeben sei ein Skalarfeld g.x/. Zeigen Sie, dass die Rich-

tungsableitung entlang der Achse Oej, also @Oej

g.x/, identischist mit der partiellen Ableitung @jg.x/.

(d) Zeigen Sie, dass die Divergenz eines Rotationsfeldes ver-schwindet:

r � .r � h.x// D 0; (1.188)

wobei h.x/ ein zweifach differenzierbares Vektorfeld ist.(e) Man berechne die Rotation eines Rotationsfeldes: r �

.r � h.x//. Stellen Sie das Ergebnis in Komponenten-schreibweise dar.

1.6 Bewegung im Kraftfeld Es ist das Kraftfeld

F.x/ D C

0

@k1x1x2

x21 C k2x2

3x2x3

1

A (1.189)

gegeben (C > 0 ist eine dimensionsbehaftete Konstante, sodassF die Einheit einer Kraft besitzt). Die Parameter k1 und k2 sindzunächst offen.

(a) Für welchen Wert von k1 und k2 besitzt diese Kraft einPotenzial? Rechnen Sie im Folgenden mit diesen Wertenweiter.

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TeilI

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40 1 Die Newton’schen Axiome

(b) Berechnen Sie die benötigte Arbeit, um eine Punktmasse mvom Ursprung zum Punkt a D .a1; a2; a3/> zu befördern.Der gewählte Weg spielt dabei keine Rolle. Wählen Sie dendirekten Weg entlang einer Geraden. Wann benötigt man fürden Transport Energie, wann gewinnt man Energie?

(c) Wie lautet das Potenzial? Überprüfen Sie, dass es auf diekorrekte Kraft führt.

1.7 Harmonischer Oszillator Es wird die Lösung derSchwingungsgleichung (1.102) des harmonischen Oszillatorsgesucht:

Rx C !20x D 0; !2

0 D k

m: (1.190)

(a) Machen Sie einen Potenzreihenansatz

x.t/ D1X

jD0

cj.!0t/j (1.191)

mit konstanten Koeffizienten cj (j D 1; : : : ; 1). Zeigen Sie,dass zwischen den Koeffizienten der folgende Zusammen-hang besteht:

cjC2 D � cj

.j C 2/.j C 1/: (1.192)

Dies nennt man eine Rekursionsgleichung für die Koeffizi-enten cj. Begründen Sie, warum c0 und c1 beliebig wählbarsind und wie dies zu interpretieren ist.

(b) Zeigen Sie, dass aus der Rekursionsgleichung die expliziteForm

cj D

8<

:

.�1/j=2C1 c0

jŠj gerade

.�1/.j�1/=2 c1

jŠj ungerade

(1.193)

folgt.(c) Bestimmen Sie die Taylor-Entwicklung der Funktionen

cos.!0t/ und sin.!0t/ um t D 0 bis einschließlich des drittennichtverschwindenden Terms. Wie lauten die Koeffizientender Entwicklung? Was folgt daraus?

(d) Überprüfen Sie, dass x1.t/ D cos.!0t/ und x2.t/ Dsin.!0t/ die Schwingungsgleichung lösen. Außerdem löstA cos.!0t ��0/ die Schwingungsgleichung, da es eine Line-arkombination der sogenannten Fundamentallösungen x1.t/und x2.t/ ist. Zeigen Sie dies durch Anwendung des Additi-onstheorems

cos.˛ ˙ ˇ/ D cos ˛ cos ˇ � sin ˛ sin ˇ: (1.194)

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Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben 41

Teil

IAusführliche Lösungen zu den Aufgaben

1.1

(a) Die Vektoren in (1.175) sind linear unabhängig, da (1.174)nur für �1 D �2 D �3 D 0 erfüllt werden kann. Diesist trivial zu sehen. Auch die Vektoren in (1.176) sind line-ar unabhängig. Um dies zu sehen, betrachtet man zunächstdie x3-Komponente. Sie kann nur dann verschwinden, wenn�1 D 0 ist. Die x2-Komponente verschwindet nur, wenndann auch �2 D 0 ist. Weiterhin muss auch �1 D 0 erfülltsein. Für (1.177) muss man ein lineares Gleichungssystemlösen. Es lautet

:

�3�1 C 1�2 C 2�3 D 0;

2�1 C 2�2 � 1�3 D 0;

�1 C 3�2 � 3�3 D 0:

(1.195)

Zunächst addieren wir Vielfache der zweiten Gleichung zurersten und zur dritten, sodass jeweils �3 verschwindet, undbetrachten die beiden resultierenden Gleichungen:

1�1 C 5�2 D 0;

�5�1 � 3�2 D 0:(1.196)

Wir addieren das Fünffache der ersten Gleichung zur zwei-ten und finden zunächst �2 D 0. Durch Einsetzen in dievorherigen Gleichungssysteme ergeben sich dann �1 D 0und �3 D 0. Die Vektoren sind also ebenfalls linear un-abhängig. Ersetzt man allerdings den dritten Vektor durchv3 D .2; �4; �3/>, ergibt sich statt (1.195) zunächst

�3�1 C 1�2 C 2�3 D 0;

2�1 C 2�2 � 4�3 D 0;

�1 C 3�2 � 4�3 D 0:

(1.197)

Wir addieren diesmal Vielfache der dritten Gleichung, um inden beiden anderen �1 zu eliminieren:

10�2 � 10�3 D 0;

�4�2 C 4�3 D 0:(1.198)

Diese beiden Gleichungen sind Vielfache voneinander. Sieführen somit nur auf die Bedingung �2 D �3. Beide Skalarekönnen beliebige, aber identische Werte annehmen. Die dreiVektoren sind in diesem Fall also nicht linear unabhängig.

(b) Die beiden Polynome p.x/ und q.x/ sind orthogonal, denn

hp; qi D1Z

�1

�x3 � 2x

�dx D

�x4

4� x2

1

�1D 0: (1.199)

Dies hätte man auch direkt daran erkennen können, dass derIntegrand eine ungerade Funktion von x ist, die Integrati-onsgrenzen aber symmetrisch sind. Allerdings sind p.x/ undr.x/ nicht orthogonal:

hp; ri D1Z

�1

�x4 C x2

�dx

D�

x5

5� x3

3

1

�1D � 4

15:

(1.200)

Weiterhin findet man, dass wegen

hq; ri D1Z

�1

�x5 � x3 � 2x

�dx D 0 (1.201)

die beiden Polynome q.x/ und r.x/ orthogonal sind. Die Po-lynome lassen sich normieren, indem man beispielsweise

hp; pi D1Z

�1

x2 dx D 2

3(1.202)

berechnet und entsprechend Qp.x/ WD p.x/=p

2=3 als nor-miertes Polynom definiert.

(c) Ohne Einschränkung der Allgemeinheit können wir c D�1a C �2b schreiben. Das Spatprodukt lautet dann

.a � b/ � c D �1"ijkaibjak C �2"ijkaibjbk: (1.203)

In beiden Termen auf der rechte Seite haben wir das Pro-dukt einer antisymmetrischen Größe (Levi-Civita-Symbol)und einer symmetrischen Größe (aiak bzw. bjbk) unter Ver-tauschung der Indizes i $ j bzw. j $ k. Summiert man überalle Indizes, fallen alle Terme gegeneinander weg, denn

"123a2a3 C "132a3a2 D ."123 C "132/a2a3

D .1 � 1/a2a3 D 0:(1.204)

(d) Die linke Seite von (1.181) schreiben wir zunächst in derForm

"kijaibj"kmncmdn D "kij"kmnaibjcmdn: (1.205)

Hier verwendet man die Identität

"kij"kmn D ıimıjn � ıinıjm (1.206)

und erhält sofort

.a � b/ � .c � d/ D .ıimıjn � ıinıjm/aibjcmdn

D .a � c/.b � d/ � .a � d/.b � c/:(1.207)

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TeilI

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42 1 Die Newton’schen Axiome

1.2

(a) Die allgemeinen Lösungen der Bewegungsgleichungen fürdas beschriebene Problem sind (siehe (1.28))

x � x0 D vx;0t; z � z0 D vz;0t � gt2

2: (1.208)

Die Bahnkurve erhält man, indem man t eliminiert:

z � z0 D vz;0

vx;0.x � x0/ � g

2v2x;0

.x � x0/2: (1.209)

Diese ist offensichtlich eine nach unten geöffnete Parabel.Der Scheitelpunkt ist durch dz=dx D 0 definiert. Dies führtauf

xS � x0 D vx;0vz;0

g; (1.210)

wobei xS die x-Koordinate des Scheitelpunktes ist. Einge-setzt in (1.209) folgt

zS � z0 D v2z;0

2g: (1.211)

Dies ist die maximale Wurfhöhe. Dieser Punkt wird nach derZeit

tS D vz;0

g(1.212)

erreicht.(b) Eine einfache geometrische Überlegung führt auf

v20 D v2

x;0 C v2z;0; vx;0 D v0 cos ˛; vz;0 D v0 sin ˛:

(1.213)(c) Um herauszufinden, wie weit der Speer fliegt, setzen wir

z D z0. Dies führt auf zwei Lösungen. Die erste Lösung(Anfangsbedingung x D x0) ist trivial. Die zweite lautet

x � x0 D 2vx;0vz;0

g

D 2v20

gsin ˛ cos ˛ D v2

0

gsin.2˛/:

(1.214)

Dies ist gerade die Weite des Wurfes. Sie wird offensichtlichfür ˛ D  =2 maximal. Der Speer muss also genau diagonalgeworfen werden, um für eine gegebene Anfangsgeschwin-digkeit die größte Weite zu erreichen.

(d) Nein, dies ist nicht möglich. Die maximale Reichweite desFluges ist bei v0 28 m s�1 und mit g 10 m s�2 ungefähr78 m. Das Fußballfeld ist aber etwa 100 m lang. Selbstver-ständlich kann der Ball noch ins Tor rollen.

1.3

(a) Die Bewegungsgleichung in Vektorform lautet

mRx D �K Px � mg: (1.215)

Für die beiden relevanten Komponenten lautet sie

mRx D �K Px; mRz D �KPz � mg: (1.216)

Die Bewegungsgleichungen sind also entkoppelt.(b) Gleichung (1.44) beinhaltet bereits die Lösung der Bewe-

gungsgleichung für z:

z � z0 D �mg

Kt

C�

vz;0 C mg

K

� m

K

1 � exp�

�K

mt

:(1.217)

Die Lösung für x erhält man, indem man g D 0 setzt und xdurch z ersetzt:

x � x0 D mvx;0

K

1 � exp

�K

mt

: (1.218)

(c) Man erkennt, dass die Zeit t in (1.217) an zwei Stellen vor-kommt: einmal als linearer Term, das zweite Mal innerhalbder Exponentialfunktion. Da die Exponentialfunktionen inden Lösungen für x.t/ und z.t/ identisch sind, kann man zu-nächst

z � z0 D �mg

Kt C

�vz;0 C mg

K

� x � x0

vx;0(1.219)

schreiben. Es verbleibt noch die Zeit im linearen Term. Hier-zu lösen wir (1.218) nach t auf,

t D �m

Kln

1 � K

mvx;0.x � x0/

; (1.220)

und setzen das Ergebnis in (1.219) ein:

z � z0 D m2g

K2ln

1 � K.x � x0/

mvx;0

C�

vz;0 C mg

K

� x � x0

vx;0:

(1.221)

(d) Wir wollen den Grenzfall K ! 0 untersuchen. Einsetzenvon K D 0 führt auf Probleme, daher muss zunächst derLogarithmus entwickelt werden. Für K ! 0 ist die folgendeNäherung gültig (indem man um x D 0 entwickelt):

ln

1 � K.x � x0/

mvx;0

�K.x � x0/

mvx;0� K2.x � x0/2

2m2v2x;0

:

(1.222)

Setzt man (1.222) in (1.221) ein, folgt sofort

z � z0 D vz;0

vx;0.x � x0/ � g

2v2x;0

.x � x0/2: (1.223)

Dies ist genau (1.209), die schon beim schiefen Wurf ohneReibung gefunden wurde. Da der Faktor vor dem Loga-rithmus in (1.221) K2 im Nenner enthält, muss im Zähler

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Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben 43

Teil

I

mindestens bis zur zweiten Ordnung entwickelt werden, da-mit kein K im Nenner übrig bleibt. Würde man höhereTerme der Entwicklung des Logarithmus berücksichtigen,würden diese wegen K ! 0 keine Rolle spielen.

1.4

(a) Aus (1.182) folgt

Rx D q

mPx � B: (1.224)

Somit steht der Beschleunigungsvektor stets senkrecht aufdem Geschwindigkeitsvektor. Es gibt keine Beschleuni-gungskomponente entlang der Bahnkurve bzw. entlang desTangentialvektors �. Wegen (1.125) und (1.126) bedeutetdies aber gerade, dass der Betrag der Bahngeschwindig-keit konstant ist. Gleichung (1.182) besagt weiterhin, dassdie Kraft F und die Geschwindigkeit Px senkrecht aufein-ander stehen. Ihr Skalarprodukt verschwindet somit. Wegen(1.150) ist die Energie erhalten. Es wird also keine Arbeitam Teilchen verrichtet.

(b) Zunächst ist das Kreuzprodukt auszuwerten. Mit

.v � B/i D "ijkvjBk (1.225)

und (1.183) folgt

Rx D qB

mPy; Ry D �qB

mPx; Rz D 0: (1.226)

Unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen lautet dieLösung für die Bewegung entlang der z-Achse einfach

z D vz;0t: (1.227)

(c) Die Bewegungsgleichungen für x und y sind noch gekoppelt.Wir integrieren zunächst die Gleichung für x einmal nach derZeit. Wegen Px.t D 0/ D 0 und y.t D 0/ D 0 folgt

Px D qB

my: (1.228)

Dieses Ergebnis kann in die Bewegungsgleichung für y ein-gesetzt werden:

Ry D �!2By: (1.229)

Hier wurde

!B WD qB

m(1.230)

als Abkürzung definiert. Man nennt !B die Zyklotronfre-quenz. Die allgemeine Lösung von (1.229) kann in der Form

y D Ay sin.!Bt � �y/ (1.231)

geschrieben werden. Die beiden Integrationskonstanten er-geben sich aus den Anfangsbedingungen. Man kann schnellnachprüfen, dass �y D 0 aus y.t D 0/ D 0 folgt. Weiter-hin ist Ay D vy;0=!B. Dies erkennt man, wenn man die erste

Zeitableitung von (1.231) berechnet und mit der Anfangsbe-dingung Py.t D 0/ D vy;0 vergleicht. Der letzte Schritt ist dieIntegration von (1.228), in die zuvor (1.231) eingesetzt wird:

x D � qB

m!BAy cos.!Bt/ C C1

D �vy;0

!Bcos.!Bt/ C C1:

(1.232)

Die Anfangsgeschwindigkeit Px.t D 0/ D 0 ist automatischerfüllt, da sie bereits für (1.228) verwendet wurde. Die letzteverbleibende Integrationskonstante, C1, ergibt sich aus derletzten Forderung: x.t D 0/ D 0. Die Lösung der Bewe-gungsgleichung lautet zusammengefasst

x D vy;0

!BŒ1 � cos.!Bt/� ;

y D vy;0

!Bsin.!Bt/;

z D vz;0t:

(1.233)

Das Teilchen bewegt sich auf einer Schraubenlinie ähnlichzu der in Abb. 1.11. Der Unterschied hier ist, dass der Ur-sprung nicht auf der Achse der Schraubenlinie liegt. Er istum vy;0=!B entlang der x-Achse verschoben.

(d) Zunächst berechnen wir die Geschwindigkeit:

Px D0

@�vy;0 sin.!Bt/vy;0 cos.!Bt/

vz;0

1

A : (1.234)

Ihr Betrag ist v WDq

v2y;0 C v2

z;0 D const. Der Tangential-

vektor erfüllt wegen (1.125)

� D PxjPxj D 1

v

0

@�vy;0 sin.!Bt/vy;0 cos.!Bt/

vz;0

1

A : (1.235)

Der Bahnparameter und die Zeit sind demnach über

ds

dtD v (1.236)

verbunden, da wegen der Definition des Tangentialvektorsj�j D jdx=dsj D 1 erfüllt sein muss. Der Hauptnormalen-vektor aus (1.115) ist

nH D d�

ds

ˇˇˇˇd�

ds

ˇˇˇˇ

�1

D d�

dt

ˇˇˇˇd�

dt

ˇˇˇˇ

�1

D0

@cos.!Bt/

� sin.!Bt/0

1

A :

(1.237)

Schließlich fehlt noch der Krümmungsradius, der wegen(1.124) den Wert

Dˇˇˇˇd�

ds

ˇˇˇˇ

�1

Dˇˇˇˇd�

dt

dt

ds

ˇˇˇˇ

�1

D v2

vy;0!BD mv2

qvy;0B(1.238)

annimmt.

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TeilI

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44 1 Die Newton’schen Axiome

1.5

(a) In Indexschreibweise lautet die Rotation des Kraftfeldes

�r �

hF.r/

rr

i�

iD "ijkrjF.r/

xk

r: (1.239)

Statt rj könnte man genau so gut @j schreiben; beide Termesind identisch. Es ist unbedingt zu beachten, dass die Ablei-tung rj auf alle Terme wirkt, die rechts von ihr stehen. AlsHilfsgleichung verwenden wir

rjr D rj

qx2

1 C x22 C x2

3 D xjq

x21 C x2

2 C x23

D xj

r: (1.240)

Wir wenden zunächst die Produktregel an und sehen, dasswir es mit drei Faktoren zu tun haben, die wir im Einzelnenuntersuchen wollen:

xk

rrjF.r/ D xjxk

r2

dF.r/

dr;

F.r/

rrjxk D F.r/

rıjk;

F.r/xkrj1

rD �xjxk

r3F.r/:

(1.241)

Bei der Summation über j und k treten die beiden Kombina-tionen "ijkıjk und "ijkxjxk auf. Sowohl ıjk als auch xjxk sindsymmetrisch unter Vertauschung der beiden Indizes, aber"ijk D �"ikj ist antisymmetrisch. Bei der Summation fallendaher alle Terme mit xjxk paarweise gegeneinander weg:

"ijkxjxk C "ikjxkxj D "ijkxjxk � "ijkxjxk D 0: (1.242)

Die Kontraktion "ijkıjk verschwindet, da "ijk nur für j 6D k, ıjk

allerdings nur für j D k ungleich null ist. Damit ist gezeigt,dass die Rotation von F.r/ verschwindet.

(b) Man erkennt an der Form der Kraft, dass alle Ableitungen,die F3 oder x3 betreffen, verschwinden. Somit reduziert sichdie Rotation direkt auf

r � F.r/ D Oe3

�@F2

@x1� @F1

@x2

: (1.243)

Aus@%

@x1D x1

%;

@%

@x2D x2

%(1.244)

folgt weiterhin, dass sich die beiden verbleibenden Ablei-tungen in (1.243) gegenseitig aufheben. Somit ist auch hierdas Kraftfeld rotationsfrei. Das Kurvenintegral lautet

I

F.r/ � dr D2 Z

0

F.r.'// � drd'

d': (1.245)

Die Kraft muss als Funktion des Winkels ' geschriebenwerden. Dies ist möglich, indem x1 und x2 durch die ent-sprechenden Ausdrücke in (1.187) ersetzt werden:

F.r.'// D 1

R

0

@� sin 'cos '

0

1

A : (1.246)

Gleichung (1.245) lautet dann

I

F.r/�dr D2 Z

0

�sin2 ' C cos2 '

�d' D 2  6D 0: (1.247)

Wählt man einen Weg, der um den Pol bei x1 D x2 D 0 her-umläuft, verschwindet das geschlossene Wegintegral nicht,obwohl die Rotation des Kraftfeldes null ist. Die Erklärungist, dass das Kraftfeld nicht einfach zusammenhängend ist.In der Tat gibt es bei x1 D x2 D 0 eine Definitionslücke, diedas beobachtete Verhalten erklärt.

(c) Die Richtungsableitung entlang einer Achse On ist definert als

@Ong.x/ D On � rg.x/ D [email protected]/: (1.248)

Für On D Oej ist offensichtlich Oej;i@i D ıij@i D @j und somit

@Onj

g.x/ D @jg.x/; (1.249)

was zu zeigen war.(d) Wir schreiben die Divergenz in Komponenten und sortieren

um:

r � .r � h.x// D @i�ijk@jhk D �ijk@i@jhk: (1.250)

Dieser Ausdruck muss verschwinden, wenn die beiden Ab-leitungen vertauschbar sind, da über symmetrische (@i@j)und antisymmetrische (�ijk) Terme summiert wird.

(e) Zunächst ist

r � .r � h.x// D �ijk Oei@j .�klm@lhm/

D �ijk�klm Oei@j@lhm:(1.251)

Hier nutzt man das bekannte Ergebnis

�ijk�klm D �kij�klm D ıilıjm � ıimıjl (1.252)

aus. Es folgt

r � .r � h.x// D Oel@l@mhm � Oem@l@lhm

D grad div h � .@l@l/h:(1.253)

Der sogenannte Laplace-Operator

� WD @l@l (1.254)

wird uns in Kap. 2 wieder begegnen.

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Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben 45

Teil

I

1.6

(a) Wir berechnen die Rotation von F.x/:

r � F D �ijk Oei@jFk D C

0

@x3 � 2k2x3

0 � 02x1 � k1x1

1

A

D C

0

@.1 � 2k2/x3

0.2 � k1/x1

1

A :

(1.255)

Die Rotation verschwindet für k1 D 2 und k2 D 12 . Da das

Kraftfeld einfach zusammenhängend ist (es gibt keine Defi-nitionslücken), muss es dann ein Potenzial V.x/ geben.

(b) Der einfachste Weg in kartesischen Koordinaten ist eine Ge-rade mit der Parametrisierung

x.s/ D sa; s 2 Œ0; 1�: (1.256)

Für s D 0 und s D 1 befindet man sich jeweils am Anfangs-punkt (Ursprung O) und Endpunkt (a). Selbstverständlichkönnte man auch entlang der einzelnen Achsen integrierenoder irgendeinen anderen Weg verfolgen. Die geleistete Ar-beit lautet

W DaZ

O

F.x/ � dx D1Z

0

F.x.s//dx.s/

dsds (1.257)

mit der Ableitung dx.s/=ds D a. Da s die Integrationsva-riable ist, müssen die Koordinaten x durch s ausgedrücktwerden. Dies ist aber mit (1.256) bereits geschehen. Wir ver-wenden also xi D ais (i D 1; 2; 3). Zu lösen ist somit dasIntegral

W D C

1Z

0

2a2

1a2 C �a2

1a2 C a2a23=2

� C a2a23

�s2 ds

D C�3a2

1 C 3a23=2

�a2

1Z

0

s2 ds

D Ca2�a2

1 C a23=2

�: (1.258)

Die geleistete Arbeit ist je nach Vorzeichen von a2 positivoder negativ. Ist a2 D 0, wird gar keine Energie umgesetzt.

(c) Das Potenzial erhält man direkt aus (1.258). Dazu mussman sich überlegen, dass das Potenzial am Ort x die nega-tive Arbeit ist, die man benötigt, um eine Punktmasse voneinem Bezugspunkt nach x zu bewegen. Wählt man als Be-zugspunkt den Ursprung und benennt a in x um, lautet dasPotenzial

V.x/ D �Cx2�x2

1 C x23=2

�: (1.259)

Es soll zum Abschluss überprüft werden, ob sich die korrek-te Kraft daraus ergibt:

F.x/ D �rV.x/ D �0

@@1V.x/@2V.x/@3V.x/

1

A

D0

@2x1x2

x21 C x2

3=2x2x3

1

A :

(1.260)

Dies ist offensichtlich das richtige Ergebnis.

1.7

(a) Wir berechnen zunächst die zweite Zeitableitung der Potenz-reihe:

Px.t/ D1X

jD1

j!0cj.!0t/j�1;

Rx.t/ D1X

jD2

j.j � 1/!20cj.!0t/j�2:

(1.261)

Es wurde dabei berücksichtigt, dass die Ableitung von t0

verschwindet. In der zweiten Zeitableitung wird der Indexverschoben, sodass die Summe wieder bei j D 0 beginnt:

Rx.t/ D1X

jD0

.j C 2/.j C 1/!20cjC2.!0t/j: (1.262)

Durch Einsetzen der Potenzreihe (1.191) in die Schwin-gungsgleichung (1.190) folgt

1X

jD0

.j C 2/.j C 1/cjC2 C cj

�.!0t/i D 0: (1.263)

Damit diese Gleichung zu allen Zeiten erfüllt werden kann,müssen alle Summanden einzeln verschwinden. Dies führtauf die Rekursionsgleichung

cjC2 D � cj

.j C 2/.j C 1/: (1.264)

Für bekanntes c0 sind alle cj mit geraden j gegeben. Genausofolgen aus bekanntem c1 alle cj mit ungeraden j. Somit sindnur c0 und c1 nicht festgelegt. Die Wahl dieser beiden Ko-effizienten entspricht den beiden Anfangsbedingungen desProblems, da es sich um eine Differenzialgleichung zweiterOrdnung handelt.

(b) Die explizite Form soll nicht mit mathematischer Strengegezeigt werden (man könnte sie jedoch mit vollständigerInduktion beweisen). Zunächst nehmen wir an, c0 sei be-kannt. Dann folgt sofort c2 D �c0=.1 � 2/, daraus wiederumc4 D Cc0=.1�2�3�4/ usw. Offenbar wechselt das Vorzeichenvon Iteration zu Iteration, und im Nenner steht der Term jŠ.Analog findet man den expliziten Ausdruck, wenn man mitc1 beginnt. Die Exponenten in (1.193) stellen sicher, dass dieVorzeichen stimmen.

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46 1 Die Newton’schen Axiome

(c) Um die Taylor-Entwicklung von Sinus und Kosinus zu er-halten, müssen die ersten Ableitungen berechnet werden. Esist

d cos.!0t/

dtD �!0 sin.!0t/;

d2 cos.!0t/

dt2D �!2

0 cos.!0t/;

d3 cos.!0t/

dt3D C!3

0 sin.!0t/;

d4 cos.!0t/

dt4D C!4

0 cos.!0t/:

(1.265)

Anwendung der Taylor’schen Formel liefert

cos.!0t/ D 1

0Š.!0t/0 � 1

2Š.!0t/2 C 1

4Š.!0t/4 � : : : (1.266)

Für den Sinus findet man analog

sin.!0t/ D 1

1Š.!0t/1 � 1

3Š.!0t/3 C 1

5Š.!0t/5 � : : : (1.267)

Tatsächlich entspricht die Reihenentwicklung des Kosinusgenau der Entwicklung (1.191) für gerade j und die des

Sinus der Entwicklung für ungerade j. Man kann darausfolgern, dass sowohl der Kosinus als auch der Sinus dieSchwingungsgleichung lösen.

(d) Wegen

Rx1.t/ D �!20 cos.!0t/ D �!2

0 x1.t/;

Rx2.t/ D �!20 sin.!0t/ D �!2

0 x2.t/(1.268)

sind sowohl x1.t/ als auch x2.t/ Lösungen der Schwingungs-gleichung. Es ist noch zu zeigen, dass

A cos.!0t � �0/ D A1 cos.!0t/ C A2 sin.!0t/ (1.269)

gilt. Dabei folgen A und �0 aus A1 und A2. Als Anfangs-bedingungen sind beide Paare gleichwertig. Das Additions-theorem (1.194) bedeutet im vorliegenden Fall

A cos.!0t � �0/

D .A cos �0/ cos.!0t/ C .A sin �0/ sin.!0t/:(1.270)

Offensichtlich haben wir das Ziel mit A1 D A cos �0 undA2 D A sin �0 erreicht.

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Antworten zu den Selbstfragen 47

Teil

IAntworten zu den Selbstfragen

Antwort 9 Die Beschleunigung ist etwa um einen Faktor 2,7größer.

Antwort 17 Die Radialbeschleunigung muss größer sein alsdie Gravitationsbeschleunigung, damit die Flüssigkeit amhöchsten Punkt gegen den Boden des Eimers gedrückt wird.

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48 1 Die Newton’schen Axiome

Literatur

Weiterführende Literatur

Abraham, R.: Foundations Of Mechanics. Westview Press,2nd Ed. (1994)

Cambridge Digital Library: Newton Papers, http://cudl.lib.cam.ac.uk/collections/newton. Zugegriffen: 5. Sep-tember 2013