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Kaum Grund zur Freude haben knapp eine Million Leiharbeitskräfte. Denn gleicher Lohn für gleiche Arbeit bleibt ihnen weiter verwehrt. Daran ändert auch die Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag zur Hartz-IV-Reform nichts. Zwar hatte die Opposition wie die Gewerkschaften gefordert, die Ausnahmen im Arbeitnehmerüber- lassungsgesetz zu streichen und per Gesetz dafür zu sorgen, dass Leihar- beitnehmer vom ersten Tag ihres Einsatzes an genauso viel verdienen wie die Stammbelegschaften. Doch ohne Erfolg. „Die Politik hat eine große Chance verspielt“, sagt der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. Immerhin haben sich Regierung und Opposition darauf geeinigt, dass ab 1. Mai in der Leiharbeit, in der Weiterbildungsbranche sowie im Wach- und Sicherheitsgewerbe branchenspezifische Mindestlöhne gelten sollen. Das ist nicht nur wegen der ab diesem Tag vollen Arbeit- nehmerfreizügigkeit in der EU notwendig, sondern in der Leiharbeit auch, um Lohndumping in verleihfreien Zeiten zu verhindern. Aber ein Mindestlohn allein reicht nicht: Leiharbeit wird zunehmend eingesetzt, um Tarifverträge zu unterlaufen. Stammbelegschaften und Leiharbeits- kräfte werden gegeneinander ausgespielt. Unsichere Leiharbeitsver- hältnisse ersetzen immer häufiger reguläre Arbeit. „Der Arbeitsmarkt ist in Unordnung geraten“, so Vassiliadis. Um das zu ändern, führt an Equal Pay kein Weg vorbei. Deshalb mobilisiert die IG BCE gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften am bundesweiten Aktionstag am 24. Februar gegen den Missbrauch der Leiharbeit und für sichere und fair entlohnte Arbeit. < LEIHARBEIT Ohne Equal Pay geht es nicht STANDPUNKT Liebe Kolleginnen und Kollegen, wochenlang haben Regierungs- und Oppo- sitionsparteien, Bund und Länder über Hartz IV, Bildungsausgaben für Kinder, Min- destlöhne sowie Equal Pay in der Leiharbeit gestritten. Doch am Ende hat die Politik eine gute Gelegenheit verstreichen lassen, insbe- sondere für die Beschäftigten in der Leihar- beit einen echten Fortschritt zu erreichen. Zwar ist zu begrüßen, dass für weitere Wirt- schaftsbereiche Lohnuntergrenzen gezogen sind. Doch der Durchbruch in der Leiharbeit ist nicht geschafft – und das ist mehr als enttäuschend. Gerade in unseren Branchen mit einem anständigen Entgeltniveau haben die Beschäftigten das Nachsehen. Ohne eine gesetzliche Regelung, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantiert, ist dem Missbrauch von Leiharbeit nur schwer zu begegnen. Wir dürfen nun nicht locker lassen. Deshalb werden wir mit dem gewerkschaftlichen Aktionstag zur Leiharbeit signalisieren: Wir streiten für gute Arbeit, und das heißt: sichere Arbeit zu fairer Entlohnung. Michael Vassiliadis [email protected] FAKTEN aktuell 91 Prozent der Deutschen finden es richtig, dass Leiharbeitskräfte genauso bezahlt werden wie die Stammbeleg- schaften. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag von „Zeit Online“. Die Mehrheit von ihnen – 49 Prozent – will den gleichen Lohn für Leiharbeiter vom ersten Einsatztag an, 42 Prozent nach einer mehrmonatigen Einarbeitungszeit. www.igbce.de Von Nordrhein bis Bayern – bereits in fünf regionalen Tarifbereichen der chemischen Industrie wurden die Tarifverhand- lungen in der ersten Runde ohne Ergebnis vertagt. Mehr: Seite 4 > Leiharbeit S. 2 > Hartz IV S. 3 > Chemie-Tarifrunde S. 4 > Nachrichten S. 5 Der Newsletter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie 02 | 2011 23. Februar aktuell

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Newsletter 02/2011

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Page 1: IG BCE aktuell

Kaum Grund zur Freude haben knapp eine Million Leiharbeitskräfte. Denn gleicher Lohn für gleiche Arbeit bleibt ihnen weiter verwehrt. Daran ändert auch die Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag zur Hartz-IV-Reform nichts. Zwar hatte die Opposition wie die Gewerkschaften gefordert, die Ausnahmen im Arbeitnehmerüber-lassungsgesetz zu streichen und per Gesetz dafür zu sorgen, dass Leihar-beitnehmer vom ersten Tag ihres Einsatzes an genauso viel verdienen wie die Stammbelegschaften. Doch ohne Erfolg. „Die Politik hat eine große Chance verspielt“, sagt der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis.

Immerhin haben sich Regierung und Opposition darauf geeinigt, dass ab 1. Mai in der Leiharbeit, in der Weiterbildungsbranche sowie im Wach- und Sicherheitsgewerbe branchenspezifische Mindestlöhne gelten sollen. Das ist nicht nur wegen der ab diesem Tag vollen Arbeit-nehmerfreizügigkeit in der EU notwendig, sondern in der Leiharbeit auch, um Lohndumping in verleihfreien Zeiten zu verhindern. Aber ein Mindestlohn allein reicht nicht: Leiharbeit wird zunehmend eingesetzt, um Tarifverträge zu unterlaufen. Stammbelegschaften und Leiharbeits-kräfte werden gegeneinander ausgespielt. Unsichere Leiharbeitsver-hältnisse ersetzen immer häufiger reguläre Arbeit. „Der Arbeitsmarkt ist in Unordnung geraten“, so Vassiliadis. Um das zu ändern, führt an Equal Pay kein Weg vorbei. Deshalb mobilisiert die IG BCE gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften am bundesweiten Aktionstag am 24. Februar gegen den Missbrauch der Leiharbeit und für sichere und fair entlohnte Arbeit. <

LEIHARBEIT Ohne Equal Pay geht es nicht

STANDPUNKT

Liebe Kolleginnen und Kollegen,wochenlang haben Regierungs- und Oppo-sitionsparteien, Bund und Länder über Hartz IV, Bildungsausgaben für Kinder, Min-destlöhne sowie Equal Pay in der Leiharbeit gestritten. Doch am Ende hat die Politik eine gute Gelegenheit verstreichen lassen, insbe-sondere für die Beschäftigten in der Leihar-beit einen echten Fortschritt zu erreichen. Zwar ist zu begrüßen, dass für weitere Wirt-schaftsbereiche Lohnuntergrenzen gezogen sind. Doch der Durchbruch in der Leiharbeit ist nicht geschafft – und das ist mehr als enttäuschend. Gerade in unseren Branchen mit einem anständigen Entgeltniveau haben die Beschäftigten das Nachsehen. Ohne eine gesetzliche Regelung, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantiert, ist dem Missbrauch von Leiharbeit nur schwer zu begegnen. Wir dürfen nun nicht locker lassen. Deshalb werden wir mit dem gewerkschaftlichen Aktionstag zur Leiharbeit signalisieren: Wir streiten für gute Arbeit, und das heißt: sichere Arbeit zu fairer Entlohnung.

Michael Vassiliadis [email protected]

FAKTENaktuell91 Prozent der Deutschen finden es richtig, dass Leiharbeitskräfte genauso bezahlt werden wie die Stammbeleg-schaften. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag von „Zeit Online“. Die Mehrheit von ihnen – 49 Prozent – will den gleichen Lohn für Leiharbeiter vom ersten Einsatztag an, 42 Prozent nach einer mehrmonatigen Einarbeitungszeit.

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Von Nordrhein bis Bayern – bereits in fünf regionalen Tarifbereichen der chemischen Industrie wurden die Tarifverhand-lungen in der ersten Runde ohne Ergebnis vertagt. Mehr: Seite 4

> Leiharbeit S. 2 > Hartz IV S. 3 > Chemie-Tarifrunde S. 4 > Nachrichten S. 5

Der Newsletter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie 02 | 2011 23. Februar

aktuell

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*Bezugsmonat jeweils Juni Quelle: DGB

12,4

10,2

13,2

15,5

10,9

13,1

West OstGesamt

2009*

Arm trotz (Leih-)ArbeitAnteil der Leiharbeitskräfte, die ergänzendes ALG II beziehen (in Prozent)

2010*

Quelle: DGB

Leiharbeit bedeutet NiedriglohnAnteil aller Beschäftigten, aller Leiharbeitskräfte sowie aller ostdeutschen Leiharbeitnehmer, nach Gehaltsklassen (in Prozent)

*einschließlich Berlin

12,7 15,6 71,7

50,6 30,3 19,1

67,2 23,6 9,2

Alle Vollzeitbeschäftigten

bis 1400 Euro

Alle Leiharbeitskräfte

Leiharbeitskräfte Ost*

über 2000 EuroBruttolohn 1400 bis 2000 Euro

Meist weniger als drei MonateBeschäftigungsdauer von Leiharbeitskräften in der Verleihfirma (in Prozent aller Leiharbeitsverhältnisse).

Quelle: DGB / BA

12

4345

11

50

39

2008 2009

unter einer Wocheeine Woche bis drei Monateüber drei Monate

Auch die FDP ist für Equal Pay – allerdings erst nach neun Monaten Einarbeitungszeit. Das hat mit der Realität der Leiharbeitskräfte wenig zu tun: Der Großteil ist höchstens zwölf Wochen oder kürzer bei der Leiharbeitsfirma beschäftigt.

Weit über die Hälfte aller Leiharbeitnehmer verdienen weniger als 1400 Euro im Monat, im Osten Deutschlands gehören sogar rund 90 Prozent der Leiharbeitskräfte zu den Beziehern von Niedrig- oder Niedrigsteinkommen. Auch der Lohnabstand zu regulär Beschäftigten ist gewaltig: Im Schnitt bekommen Leiharbeiter 40 bis 50 Prozent Monatslohn weniger als Fest-angestellte. Während 2009 Leiharbeiter im Schnitt 1393 Euro brutto im Monat verdienten, erhielten alle Beschäftigte ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 2676 Euro, so die Bundesagentur für Arbeit.

Mehr als jeder achte Beschäftigte in der Leiharbeit ist auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen, so eine DGB-Analyse. Trotz wirtschaft-licher Erholung steigt das ohnehin sehr hohe Verarmungsrisiko der Leiharbeitskräfte weiter an, und die öffentliche Hand subventioniert das Lohndumping der Arbeitgeber.

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LEIHARBEIT

IM NETZLeiharbeit im Betrieb: IG-BCE-Praxistipps für Betriebsrätehttp://bit.ly/hhTwjO

Leiharbeit ist nicht per se schlecht. Aber sie wird zunehmend missbräuch-lich genutzt – um Tarife auszuhebeln und Stammarbeitskräfte durch schlecht bezahlte Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Unternehmen müssen im globalen Wettbewerb flexibel reagieren können – deshalb ist aus Sicht der IG BCE der Einsatz von Leiharbeit zur Bewältigung von Auftragsspitzen oder bei unerwarteten Personalausfällen durchaus legitim. Gleiches gilt für hoch qualifizierte Fachkräfte, die nur für zeitlich befristete Projekte beschäftigt werden.

Der aktuelle Boom der Leiharbeit hat mit all dem nichts zu tun. Weil in Deutschland der auch von der EU geforderte Grundsatz der gleichen Be-zahlung von Leiharbeitskräften und Stammpersonal nicht gilt, wirkt das wie eine Einladung, „teure“ tarifgebundene regulär Beschäftigte durch „billige“ Leiharbeitskräfte zu ersetzen. Leiharbeit ist die am schnellsten wachsende Branche. Seit Mitte 2008 hat sich die Zahl der Leiharbeitskräf-te nahezu verdoppelt, auf nunmehr knapp eine Million. Die Branche selbst sieht ein Beschäftigtenpotenzial von 2,5 Millionen Arbeitnehmern.

Das Geschäftsmodell vieler Leihunternehmen hierzulande beruht auf Lohn-unterbietung – davon ist der Arbeitsmarktforscher Prof. Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen über-zeugt. Besonders attraktiv, so Bosch, sei der Einsatz der Billig-Arbeitskräfte in gewerkschaftlich gut organisierten Branchen mit einer hohen Tarifbin-dung. Bosch warnt: „Wir müssen vermeiden, durch den Aufbau einer zu großen Reserve von Leiharbeitern in der nächsten Krise zum alten Muster von Heuern und Feuern zurückzukehren.“ Denn die Krise hat gezeigt: Es waren vor allem Leiharbeitnehmer, die ihren Job verloren. <

FLEXIBILISIERUNG Auf Kosten der Beschäftigten

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HARTZ IV-REFORM Der KompromissRegelsatz: Das Arbeitslosen-geld II für erwerbsfähige Hilfe-bedürftige („Hartz IV“) steigt in zwei Stufen um monatlich acht Euro. Zunächst werden rückwir-kend ab Januar fünf Euro ge-zahlt, sodass der Regelsatz jetzt 364 Euro beträgt. 2012 kommen weitere drei Euro hinzu sowie ein zusätzlicher Betrag aufgrund von Inflation und Lohnentwick-lung. Betroffen sind knapp 4,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger.

Mindestlöhne: Zeitarbeitskräfte sollen ab dem 1. Mai durch eine Entgeltuntergrenze („Mindest-lohn“) im Arbeitnehmerüberlas-sungsgesetz geschützt werden. Außerdem wurden Mindestent-gelte für Beschäftigte im Wach- und Sicherheitsgewerbe und in der Weiterbildungsbranche vereinbart, die in das Entsende-gesetz aufgenommen werden sollen. Über die Höhe dieser Mindestlöhne ist noch nicht entschieden.

Bildungspaket: Der Kompromiss sieht vor, das Bildungspaket zugunsten von 2,3 Millionen ar-men Kindern (Kindern von Hartz IV-Empfängern oder Wohngeld-berechtigten) um 400 Millionen auf 1,5 Euro Milliarden aufzu-stocken. Das Geld ist für Schul-materialien, Freizeitaktivitäten oder Nachhilfe bestimmt, die Aufstockung vor allem für die Schulsozialarbeit oder Mittages-sen in Kinderhorten. Umstritten ist noch, ob die Kommunen diesen Zuschuss bis 2013 jährlich unmittelbar vom Bund erhalten. Ab 2014 sollen diese Maßnah-men anders finanziert werden. Der Bund soll dann für die Kom-munen die Kosten für die Grund-sicherung übernehmen.

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HARTZ IV

Das Bildungspaket im Hartz-IV-Kompromiss weist in die richtige Rich-tung. Natürlich ist es wichtig, mit einer Erhöhung der Regelsätze die finanzielle Notlage von Arbeitslosengeld-II-Empfängern zu verbessern. Noch wichtiger aber ist es, dass deren Kinder die Chance erhalten, mit guter Bildung aus dem Kreis der Bedürftigen auszubrechen. Doch die vor-gesehenen Maßnahmen im Bildungspaket reichen dafür nicht aus. Eine

bessere Alternative wäre aus Sicht der IG BCE des-halb ein neues Bundespro-gramm „Ganztagsschule II“. Denn alle Experten sind sich einig: Gut ausgestat-tete Ganztagsschulen sind der beste Weg für mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung.

Nach wochenlangem, zähen Ringen ist es in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar der Regierungsko-alition und der SPD gelun-gen, einen Kompromiss in Sachen Hartz IV-Reform zu finden. Ein zentraler Be-standteil ist ein Bildungs-paket für bedürftige Kinder

mit verschiedenen Elementen. So ist ein „Schulbasispaket“ vorgesehen, das pro Kind für Schulmaterial 100 Euro im Jahr vorsieht. Außerdem soll es einen Zuschuss für ein Mittagessen in Kita oder Schule geben, sofern ein solches Angebot besteht. Zusätzlich gibt es für alle bedürftigen Kin-der einen Gutschein für außerschulische Aktivitäten vom Sportverein bis zum Musikunterricht über monatlich zehn Euro. Auch wenn viele Exper-ten den Ansatz des Bildungspakets begrüßen, gibt es massive Kritik im Detail – zu viel Bürokratie und am wirklichen Bedarf vorbei geplant. Was nutzt der Zuschuss zum Mittagessen, wenn die Schule oder die Kita nicht über die Infrastruktur für ein solches Angebot verfügt? Und selbst die Bundesregierung schätzt, dass rund 23 Prozent der Kosten des Gutschein-Systems Verwaltungskosten ausmachen. „Die zu erwartenden Kosten des Verfahrens stehen in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert der Leistungen“, kritisiert der Bundesrechnungshof.

Wer armen Familien und schwachen Schülern wirklich helfen will, sollte mehr leisten. Es geht vor allem darum, die Bildungsinfrastruktur zu ver-bessern – zum Beispiel durch einen Ausbau der Ganztagsschulen. Es war ein wichtiger und richtiger Schritt der rot-grünen Regierung, deren Aus-bau mit vier Milliarden Euro zu fördern. Doch die neuen Ganztagsschulen sind noch lange nicht so ausgestattet, dass eine individuelle Förderung der Schüler möglich ist. Ein Ganztagsschul-Paket II ist deshalb der richtige Weg zur Verbesserung der Infrastruktur in der Bildung. <

STATT BILDUNGSPAKET IG BCE fordert Ganztagsschul-Paket II

Die IG BCE plädiert dafür, das Bildungspaket in ein neues Bundesprogramm „Ganztagsschule II“ umzuwandeln.Foto: ccvision/creativ collection

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FAQaktuellPERSONALKOSTEN

?Gefährdet eine kräftige Lohn-erhöhung die Erholung der

Unternehmen?Wohl kaum. Der Personalkostenan-teil in der chemischen Industrie be-trägt gerade mal 11,5 Prozent. Ein Ta-rifabschluss verändert nichts an die-ser grundsätzlichen Kostenstruktur. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sind andere Faktoren – wie Rohstoff- oder Energiekosten –

entscheidend. Im Übrigen hat die IG BCE mit ihrer „atmenden Tarifpo-litik“ gerade in der Krise bewiesen, dass sie mit Öffnungsklauseln für notleidende Betriebe die Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen nicht aus dem Blick verliert.

WETTBEWERBSFÄHIGKEIT

?Wie kann die Wettbewerbsfä-higkeit des Chemie-Standorts

Deutschland gestärkt werden?

Motor des Aufschwungs hierzulande sind energieintensive Branchen wie auch die Chemieindustrie. Standort-verlagerungen etwa nach China ha-ben weniger mit Personal- denn mit Energiekosten zu tun. Notwendig ist deshalb, eine kostengünstige Ener-gieversorgung in Deutschland si-cherzustellen, ohne den Klimaschutz zu vernachlässigen. Das Energiekon-zept der Bundesregierung wird dem aber nicht gerecht.

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CHEMIE-TARIFRUNDE

Seit 16. Februar wird verhandelt – bislang ohne Durchbruch. Bereits fünf regionale Verhandlungen sind ergebnislos vertagt worden. Und auch heute, am 23. Februar, ist im Tarifbezirk Nord kaum zu erwarten, dass ein Ergebnis erzielt wird, geschweige, die Arbeitgeber ein eigenes Angebot vorlegen. Überall singen diese das gleiche Lied. Sie warnen: „Die IG BCE schießt mit ihren Forderungen weit über das Ziel hinaus“, so Hans Paul Frey, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BAVC, und negieren – trotz glänzender Gewinn- und Umsatzzahlen – dass der Aufschwung die chemische Industrie voll erfasst hat.

Unbestritten ist: 2010 hat es ein Produktionsplus von 11 Prozent gege-ben, und der Umsatz ist um 17,5 Prozent gestiegen. „Das Vorkrisenniveau wird 2011 erreicht und damit der Anschluss zu den absoluten Chemie-Spitzenjahren. Auch die Perspektiven sind gut, der Geschäftsklimaindex bewegt sich auf Rekordniveau“, fasst IG-BCE-Verhandlungsführer Peter Hausmann zusammen. Die IG BCE bleibt deshalb dabei: Die Arbeitneh-mer haben in der Krise erhebliche Opfer bringen müssen. Nun ist der Aufschwung da – und jetzt wollen die Beschäftigten daran teilhaben. „Ich kann die Lohnforderungen der Gewerkschaften verstehen“, sagt da selbst BASF-Chef Jürgen Hambrecht. <

ARBEITGEBER Klagen auf hohem Niveau

„Die 7 spiegelt die ho-he Erwartungshaltung in unserer Mitglied-schaft. Diese Erwar-tungen sind nicht vom Himmel gefallen, sie entsprechen der Realität in den Betrie-ben. Die gesamtwirt-schaftlichen Rahmen-daten stimmen, die chemische Industrie brummt.“ IG-BCE-Verhandlungsführer Peter HausmannFoto: IG BCE

7 Prozent Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von zwölf Monaten – mit dieser Forderung ist die IG BCE in die Chemie-Tarifrunde 2011 ge-gangen. Das hat die Bundestarif-Kommission der Gewerkschaft am 11. Februar einstimmig beschlos-sen. Die Flächentarifverträge in der chemischen Industrie gelten für rund 550 000 Beschäftigte in 1900 Betrieben. Verhandlungs-auftakt war am 16. Februar im Tarifbezirk Nordrhein.

Die nächsten Runden:> 25. Februar Tarifbezirk Westfalen> 1. März Tarifbezirk Nordost> 2. März Tarifbezirk Saarland> 15. März Beginn der Verhand- lungen auf Bundesebene

7%

http://bit.ly/c1eESm

+28,7

+23,5

+23,3

+21,6

+17,0

+16,1

+13,7

Wacker Chemie

Evonik

BASF

Continental

Fresenius

Bayer

Henkel

Dickes PlusUmsatzentwicklung ausgewählter Unternehmen der Branche von 2009 bis 2010 (3. Quartal, in Prozent)

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IMPRESSUMHerausgeber: IG Bergbau, Chemie, EnergieMichael VassiliadisChefredakteur und verantwortlich: Christian Hülsmeier Redaktion: Michael Denecke, Rudolf Heim, Dirk KirchbergText: Graewis Verlag GmbHGestaltung: zang.designInfografik: Niesen MediendesignKontakt: IG Bergbau, Chemie, EnergieAbteilung Medien + KommunikationKönigsworther Platz 6, 30167 HannoverTel. 0511 / 76 31 - 698, Fax 0511 / 7 00 08 [email protected]

IG BCE aktuell, der IG BCE-Newsletter für Aktive, kann – unter Angabe der E-Mail-Adresse – im Internet bestellt werden unter: http://bit.ly/a8vPp5 oder per Fax: 0511/7000891.Ca

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GLEICHSTELLUNG Mehr Frauen in FührungNur vier Frauen gehören den Vorständen der 30 im DAX gelisteten Un-ternehmen an. Das ist die Zahl, die nun auch die Bundesregierung auf den Plan ruft. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten festschreiben, Bundesfamilienministerin Kristina Schröder dagegen eine „flexible Quote“ innerhalb von zwei Jahren durchsetzen, auf die sich die Unternehmen selbst verpflichten sollen. Im März will die Regierung in Gesprächen mit der Wirtschaft für Klärung sorgen. Die Kanzlerin schlägt sich derweil auf die Seite ihrer Familienministerin.

Für die IG BCE ist klar: Es geht längst nicht mehr darum, ob Frauen künf-tig tatsächlich in Führungspositionen gelangen, sondern nur noch um das Wie. Mehr Frauen in Führung zu bringen, das hat sich die IG BCE bereits mit der 2008 gestarteten Offensive Frauen zum Ziel gesetzt. Und nimmt sich dabei selbst in Verantwortung. Der Anteil der hauptamtlichen Gewerkschafterinnen an von der IG BCE zu besetzenden Aufsichtsrats-mandaten beträgt 16 Prozent – bei 22 Prozent Frauenanteil in den IG-BCE-Branchen durchaus nennenswert.

Der stärkste Einwand gegen eine verpflichtende Frauenquote, wie sie die Politik diskutiert, lautet: Jahrzehntelange Versäumnisse lassen sich nicht von heute auf morgen wettmachen. Aber mit einer reinen Selbstverpflich-tung der Unternehmen ist es auch nicht getan. Die IG BCE verlangt „über-prüfbare Schritte“ mit einer „regelmäßigen Berichtspflicht“ als Mindest-anforderung, so der Vorsitzende Michael Vassiliadis: „Wo Umdenken nicht freiwillig funktioniert, brauchen wir die gesetzliche Quote als Lösung.“ <

TARIFABSCHLUSS STEINKOHLE3,3 Prozent mehrZum 1. April werden die Löhne und Gehälter für die rund 29000 Beschäftigten im deutschen Stein-kohlebergbau um 3,3 Prozent er-höht, die Ausbildungsvergütungen steigen um 20 Euro. Zudem gibt es eine Einmalzahlung von 600 Euro (Auszubildende 100 Euro). Darauf einigten sich die Tarifparteien am 21. Februar. „Wir haben unser Ziel, eine deutliche Einkommensver-besserung durchzusetzen, erreicht: Das Ergebnis bedeutet einschließ-lich der spürbaren Einmalzahlung einen realen Einkommensanstieg oberhalb der Preissteigerungsra-te“, sagt IG-BCE-Verhandlungsfüh-rer Peter Hausmann. Das Ergebnis ist auch deshalb bemerkenswert, weil noch bis kurz vor Weihnach-ten 2010 nicht klar war, ob eine neue EU-Beihilferegelung nicht das vorzeitige Aus für den Stein-kohlebergbau 2014 statt 2018 bedeuten könnte. Das ist jetzt vom Tisch. „Die Bergleute haben trotz der extrem schwierigen Rahmen-bedingungen eine hervorragende Leistung erbracht. Das bringt der Abschluss zum Ausdruck“, betont Hausmann. <

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NACHRICHTEN

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