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Forum für juristische Bildung www.iusfull.ch Nr.1/14 I II III r basics Abkommen mit der EUüber die Zusammenarbeit bei der Anwendung von Wettbewerbsrechten in medias res Rechtsdenken und Gesellschaftsphilosophie im klassischen Indien, Teil 1 der fall Grundlagen des Rechts: Fragen zum normativen Fundament einer Rechtsordnung Schulthess §

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Forum für juristische Bildungwww.iusfull.ch

Nr.1/14

IIIIIIrbasics Abkommen mit der EUüber dieZusammenarbeit bei der Anwendungvon Wettbewerbsrechtenin medias res Rechtsdenken undGesellschaftsphilosophie im klassischenIndien, Teil 1der fall Grundlagen des Rechts:Fragen zum normativen Fundamenteiner Rechtsordnung

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Abkommen mit der EUüber dieZusammenarbeit bei der Anwendungvon Wettbewerbsrechten - Analyse undGedanken zur zukünftigen Praxis derWettbewerbsbehörden in EuropaSugandha Kumar* 1**

Die Schweizund die EuropäischeUnion haben ein Zusammenarbeitsabkommen im BereichdesWettbewerbs­rechts abgeschlossen.DasAbkommen ist neu in seinerArt und bildet ein sog.SecondGeneration Agreement,welches - im Gegensatzzu den bisherigen Zusammenarbeitsabkommen - den Austauschvon vertraulichenInformationen ohne Zustimmung der betroffenen Unternehmen erlaubt. SosehrdiesesAbkommen und seineVorteile im Rechtsalltagder Wettbewerbsbehörden zu begrüssen ist,so sind viele Fragenin Bezugauf dieAnwendung desAbkommens offen.Zwar ist der Informationsaustausch nur unter strengen Voraussetzungenmöqllch.dennoch sind die Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Unternehmen im Falleeiner geplantenInformationsübermittlung ungeklärt. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sichmit den einzelnen Bestimmun­gen desgenannten Abkommens und zeigt problematische Aspekte und mögliche Konsequenzenfür betrof­fene Unternehmen auf.

I. Einleitung

Am 17.Mai2013haben der SchweizerischeBundes­rat und der Europäische Rat das Abkommen überdie Zusammenarbeit bei der Anwendung ihresWettbewerbsrechts unterzeichnet (hiernach: dasAbkommen)'. Hierauf hat der Bundesrat am22.Mai 2013 die Botschaft zu diesem Abkommenverabschiedet".Der Nationalrat hat als Erstrat dieses Geschäft inder Herbstsession 2013behandelt und am 25. Sep­tember 2013 mit grosser Mehrheit angenommen..Das Abkommen unterliegt dem fakultativen Refe-rendum undwird vermutlichimVerlaufedes Jahres2014in Kraft treten.

II. Bisherige Rechtslage

Der bisherige Informationsaustausch zwischenderGeneraldirektionWettbewerb der EU Kommission

und der Schweizerischen Wettbewerbsbehörde(WEKO) fand weitgehend auf informeller Ebenestatt'. Dieser Austausch beschränkte sich mangelsgesetzlicherGrundlageallerdingsauf nicht-vertrau-

* Lic. iur., Rechtsanwältin, Associate bei Lalive Rechtsan­wälte, Zürich.

** Herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Daniel L.Bühr, Fürspre­cher, Counsel bei Lalive Rechtsanwälte, Zürich.

1 <http://www.news.admin.ch/message I index.html?lang=de&msg-id=48908> (besucht am 3. Januar 2014); Abkom­men zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft undder Europäischen Union über die Zusammenarbeit bei derAnwendung ihres Wettbewerbsrechts abgeschlossen am17.Mai 2013, BBI 2013 3985 ff.

2 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischender Schweiz und der Europäischen Union über die Zusam­menarbeit bei der Anwendung ihres Wettbewerbsrechtsvom 22. Mai 2013, BEl2013 3959 ff. (zitiert: Botschaft).

3 Botschaft, BBI 2013, 3962.

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liche und öffentlich zugängliche Inforrnationen'.Eine effektive Zusammenarbeit zwischen derWEKO und den europäischen Wettbewerbsbehör­den war nur in Fällen möglich, in denen die von derUntersuchung betroffenen Adressaten beiden Wett­bewerbsbehörden gestützt auf einen sog. Waivereine mündliche Kontaktaufnahme erlaubten', Dieswar vorwiegend in Fusionskontrollverfahren undBonusanträgen der Fall, wo die betroffenen Unter­nehmen selbst ein Interesse am Austausch dieserInformationen hatten",Die Wirksamkeit der bisherigen Zusammenarbeit

hielt sich daher in Grenzen. Die Notwendigkeit ei­nes Kooperationsabkommens im Bereich des Wett-

4 DAVIDMAMANE,Competition Law Cooperation Agree­ment EU ISwitzerland, 31. Juli 2012, <http://kluwercompe­titionlawblog.com/2012/07/31I competition-law-coopera­tion-agreement-euswitzerland/> (besucht am 3. Januar 2014;zitiert: MAMANE);PATRICKDUCREY,Das Abkommen zwi­schen der Schweiz und der EU über die Zusammenarbeitbei der Anwendung ihrer Wettbewerbsrechte, in: Jusletter30. September 2013, Rz 3 (zitiert: DUCREY).

5 DUCREY,Rz 4.6 DUCREY,Rz 4;ROLANDMATHYSICHRISTOPHZOGG,Informa­tionsaustausch Schweiz - EU, August 2013, <http://www.wenger-plattner.ch I files Idownloads I files 133ee8dfdgec128-7940f36fc99b5059fb/Bulletin %206.pdf> (besucht am 3. Ja­nuar 2014), 2 (zitiert: MATHys/ZoGG).

7 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossen­schaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luft­verkehr vom 21. Juni 1999, SR 0.748.127.192.68.

8 Botschaft, BBI2013, 3962.9 DUCREY,Rz 9.

10 DUCREY,Rz 9.11 Siehe Europäische Kommission, Vorschlag fur einen Be­

schluss des Rates über den Abschluss des Abkommenszwischen der Europäischen Union und der SchweizerischenEidgenossenschaft über die Zusammenarbeit bei der An­wendung ihres Wettbewerbsrechts vom 1.Juni 2012,<http://eur-lex.europa.euI LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0245:FIN:DE:PDF> (besucht am 3. Januar 2014) zi­tiert: Europäische Kommission), Begründung (1).

12 MAMANE;Europäische Kommission, Begründung (1) und(2); RENÉ HÖLTscm, Zusammenarbeit gegen Kartelle,Schweiz und EU unterzeichnen Abkommen mit Pionier­charakter, NZZ vom 17.Mai 2013, <http://www.nzz.ch/ak­tuelll wirtschaftl wirtschaftsnachrichten Iwettbewerbs-ab­kommen-mit -der -eu -unterzeichnet -1.18083191> (besuchtam 3. Januar 2014).

13 Europäische Kommission, Begründung (2).14 Botschaft, BEl2013, 3962 ff.

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bewerbsrechts wurde daher bereits seit einigen Jah­ren diskutiert.Mit Ausnahme des Luftverkehrs' besteht ZWI­

schen der Schweiz und der Europäischen Unionkein Abkommen im Wettbewerbsbereich, welchesGrundlage für eine formelle Zusammenarbeit derWettbewerbsbehörden bilden könnte. Anders alsdie europäischen Wettbewerbsbehörden ist dieWEKO kein Mitglied des sog.ECN European Com­petition Network'. Diese Plattform ist auch nach Un­terzeichnung des Abkommens nur den Mitglied­staaten der EU vorbehalten". Ein Beitritt derSchweizzu diesem Netzwerk stand beiAushandlungdes Zusammenarbeitsabkommens nicht zur Diskus­sion".Die Europäische Union hat vier bilaterale Ab­

kommen mit den USA, Kanada, Iapan und Süd­korea unterzeichnet, welche eine Zusammenarbeitzwischen den Wettbewerbsbehörden erlauben".Man spricht in diesem Zusammenhang von sog.firstgeneration agreements (Abkommen erster Genera­tion), welche lediglich einen Austausch von nicht­vertraulichen Informationen zulassen>. Ein Aus­tausch von Beweismitteln ist ausgeschlossen, was alsgrösstes Manko dieser Abkommen gewertet wird",Angesichts der engen wirtschaftlichen Verflech­

tung der EU und der Schweiz sehen sich sowohl dieeuropäische Wettbewerbsbehörde als auch dieWEKO seit Langem mit internationalen Kartellensowie grenzüberschreitendem unilateralen Verhal­ten von Unternehmen konfrontiert. Die zu untersu­ehenden Sachverhalte sind oftmals sehr komplexund die Parallelen zwischen den europäischen undschweizerischen Untersuchungen sind notorischvorhanden. Ein Austausch über die in den jeweili­gen Untersuchungen erlangten Informationen zwi­schen denWettbewerbsbehörden drängte sich daheraus Sicht des Bundesrats auf, nicht zuletzt, um auchdem Kartellrecht breite Geltung zu verschaffen undwidersprüchliche Entscheide der Wettbewerbs­behörden zu vermeiden".Die WEKO wie auch die Europäische Kommis­

sion haben in den letzten Iahren mehre gleichartigewettbewerbsrechtliche Sachverhalte untersucht, da­runter:- das Luftfrachtkartell: Diese Untersuchung betrafAbreden betreffend Zuschläge im Rahmen vonLuftfrachttransporten, wieTreibstoff-,Sicherheits-,Kriegsrisiko- und Zollabfertigungszuschläge.Wäh-

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b«ABKOMMEN MIT DER EU ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT BEI DER ANWENDUNG VONWETTBEWERBSRECHTEN - ANALYSE UND GEDANKEN ZUR ZUKÜNFTIGEN PRAXIS DERWETTBEWERBSBEHÖRDEN IN EUROPA»

rend dasVerfahren in der EU bereits mit Entscheidvom 9. November 2010 abgeschlossen werdenkonnte, hat dieWEKO erst im Januar 2014Sankti­onen ausgesprochen",

- das Speditionskartell: Im Bereich der internatio­nalen Luftfrachtspedition wurden dem VerbandSpedlogswiss und diversen Speditions- und Logis­tikunternehmen eine Preisabsprache betreffendGebühren und Zuschlägen nachgewiesen. Die Un­tersuchung wurde in der Schweiz am 11. Dezem­ber 2012 mit einer einvernehmlichen Regelungerledigt", Das EU-Verfahren wurde hingegen be­reits am 28.März 2012 abgeschlossen".

- die LIBOR-Untersuchung: Das Verfahren betref­fend allfällige Absprachen in Bezug auf die Inter­bankenreferenzzinsätze LIBOR, TIBOR undEURIBOR wurde durch die WEKO am 3. Feb­ruar 2012eröffnet". Die Europäische Kommissionhat das Verfahren im Dezember 2013 teilweise ab­geschlossen!'. Die WEKO hat in dieser Sache nochnicht entschieden",

Bis anhin besteht keine Waffengleichheit zwischenden Unternehmen, die sich grenzüberschreitendaustauschen können, und den Wettbewerbsbehör­den, welche keine Informationen austauschen dür­fen".Das Abkommen erlaubt nun den Austausch von

vertraulichen Informationen ohne die Zustimmungder betroffenen Unternehmen und stellt damit Waf­fengleichheit her. Dies stellt nicht nur für dieSchweiz, sondern auch international eine wesentli­che Entwicklung dar.

III. Notifikation hoheitlicher Akteim Bereich Wettbewerbspolitik

Mit der Unterzeichnung des Abkommens haben derBundesrat und die Europäische Kommission zu­gleich einen Notenaustausch vom 17.Mai 2013 be­treffend die Notifikation hoheitlicher Akte im Be­reich der Wettbewerbspolitik unterzeichnet",Zukünftig wird die Europäische Kommission ihreEntscheide der WEKO zustellen, wenn die betroffe­nen Unternehmen über keine Adresse im EU­Raum, jedoch in der Schweiz verfügen". Die EUKommission ihrerseits verpflichtet sich, die Mit­gliedstaaten über das mit der Schweiz vereinbarteVerfahren zu informieren und sie aufzufordern, mit

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der Schweizeine ähnliche Lösung für die Zustellunghoheitlicher Akte der WEKO in Betracht zu zie­hen".

IV. Das Abkommen

Beim Abkommen handelt es sich um ein reines Ko­operationsabkommen und nicht um ein Rechtshilfe­oder Amtshilfeabkommen, so wie man das aus an­deren Rechtsbereichen kennt", Die Parteien sindnicht verpflichtet, Informationen auszutauschen",Das Abkommen beschränkt sich lediglich auf dieZusammenarbeit zwischen den Parteien und ist ver­fahrensrechtlicher Natur. Eine Harmonisierung dermateriell-rechtlichen Bestimmungen ist nicht vorge­sehen, d.h. die Wettbewerbsbehörden werden wei-

15 http://www.news.admim.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=S1605 (besucht am 27. Januar 2014); Botschaft,BBI 2013, 3962 f.;Ducrey, Rz 8.

16 RPW 2013, 142 ff.; Botschaft, BB!2013, 3963;DUCREY,Rz 8.17 Botschaft, BB12013, 3963;DUCREY,Rz 8; ferner Details un­

ter <http://ec.europa.eu/competition/elojade/iseflcase_details.cfm?proc_code=L39462> (besucht am 3. Januar2014).

18 Botschaft, BB!2013, 3963;DUCREY,Rz 8.19 RENÉHÖLTSCHI:EU büsst Banken mit 1,7Milliarden Euro,

Die UBS entgeht einer Rekordstrafe, NZZ vom 4.Dezem­ber 2013, <http://www.nzz.ch/wirtschaft/untemehmen/rekordbussen-in-libor-skandal-1.181978S9> (besucht am3. Januar 2014).

20 Botschaft, BB! 2013,3963; DUCREY,Rz 8.21 RENÉHÖLTSCHI,Zusammenarbeit gegen Kartelle, Schweiz

und EU unterzeichnen Abkommen mit Pioniercharakter,NZZ vom 17.Mai 2013, <http://www.nzz.ch/aktuell/wirt­schaft/wirtschaftsnachrichten/wettbewerbs-abkommen-mit­der-eu-unterzeichnet-1.18083191> (besucht am 3. Januar2014); ANGELABARANDUN/STEFANSCHÜRER:Keine Ge­heimnisse vor der EU, Tagesanzeiger vom 13.August 2013,<http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft I konjunktur IKeine-Geheimnisse-vor-der-EU I story 122511876> (besuchtam 3. Januar 2014).

22 Notenaustausch vom 17.Mai 2013 zwischen dem Schweize­rischen Bundesrat und der Europäischen Kommission zurNotifikation hoheitlicher Akte im Bereich der Wettbe­werbspolitik, <http://www.admin.ch/opc/ del classified-com­pilation/20123010/index.html> (besucht am 3. Januar 2014;zitiert: Notenaustausch).

23 Notenaustausch, 1 f.;DUCREY,Rz 20.24 Notenaustausch, 2;Botschaft, BB!2013, 3967;DUCREY,Rz 20.25 DUCREY,Rz 15.26 Botschaft, BB! 2013, 3960.

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terhin ihre eigenen Wettbewerbsrechte anwenden".Sodann ist auch kein Marktzugang vorgesehen, sodass sich die Frage nach gemeinsamen Institutionennicht gestellt hat's.

v. Die einzelnen Bestimmungendes Abkommens

1. Allgemeine Bestimmungen

Die ersten Bestimmungen des Abkommens be­fassen sich mit dem Zweck des Abkommens (Zu­sammenarbeit und Koordinierung inklusive Infor­mationsaustausch, wirksame Durchsetzung desWettbewerbsrechts ), Begriffsbestimmungen sowieBestimmungen allgemeiner Natur zur Notifikationund Koordinierung von Durchsetzungsmassnah­men. Namentlich können die Behörden neu Haus­durchsuchungen (sog. Down Raids) koordinieren,ohne auf die Zustimmung (sog. Waiver) des Kron­zeugen angewiesen zu sein", Allerdings könnenkeine Hausdurchsuchungen imAuftrag der anderenBehörde durchgeführt werden=.

2. Koordination von Untersuchungen:Sog.Negative and Positive Comity

Um Konflikte während einer laufenden Untersu­chung zu vermeiden, sehen Art. 5 und 6 des Abkom­mens Regelungen zur Koordination von Verfahrenvor. So haben dieWettbewerbsbehörden den wichti­gen Interessen der anderen Vertragspartei in allenPhasen ihrer Durchsetzungsmassnahmen Rechnungzu tragen, diese über wichtige Entwicklungen zu un­terrichten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahmezu geben (Grundsatz der sog.Negative Comity). Ist

27 Botschaft, BEl2013; 3961;DUCREY,Rz 15.28 Botschaft, BBI2013, 3961; 3964 f.;DUCREY,Rz 15.29 MAMANE;DUCREY,Rz 22.30 MAMANE.31 Botschaft, BEl2013, 3970 f.;DUCREY,Rz 33.32 Botschaft, BEl2013; 3970.33 Botschaft, BBI 2013,3972; DUCREY,Rz 37;ANGELABARAN­

DUN1SlEFANSCHÜRER:Keine Geheimnisse vor der EU, Tages­anzeiger vom 13. August 2013, <http://www.tagesanzeiger.ch 1wirtschaft 1konjunktur 1Keine-Geheimnisse-vor-der­EU 1story 122511876> (besucht am 3. Januar 2014).

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die Wettbewerbsbehörde einer Vertragspartei derAuffassung, dass ihre Durchsetzungsmassnahmenwichtige Interessen der anderen Vertragspartei be­einträchtigen könnten, so bemüht sie sich nach bes­ten Kräften, diesen Interessen in geeigneter WeiseRechnung zu tragen.Ist die Wettbewerbsbehörde einer Vertragspartei

der Ansicht, dass wettbewerbswidrige Verhaltens­weisen im Gebiet der anderen Vertragspartei ihrewichtigen Interessen beeinträchtigen könnten, sokann sie unter Berücksichtigung der Bedeutung derVermeidung von Zuständigkeitskonflikten und desUmstands, dass die Wettbewerbsbehörde der ande­ren Vertragspartei möglicherweise wirksamer gegendie betreffenden wettbewerbswidrigen Verhaltens­weisen vorgehen könnte, die Wettbewerbsbehördeder anderen Vertragspartei ersuchen, geeigneteDurchsetzungsmassnahmen einzuleiten oder auszu­weiten (Grundsatz der sog. Positive Comity). Dieersuchte Wettbewerbsbehörde ist allerdings nichtverpflichtet, dem Ersuchen der anderen Wettbe­werbsbehörde nachzukommen, und entscheidetnach Ermessen.

3. Informationsaustausch im Besonderen

Kernstück des Abkommens bildet die gesetzlicheGrundlage für den Informationsaustausch zwischenden Wettbewerbsbehörden, welche in den Art. 7 bis10 des Abkommens statuiert sind.Der Informationsaustausch ist kaskadenartig auf­

gebaut: Das heisst, je sensitiver die Daten, destostrenger sind die entsprechenden Voraussetzungenfür deren Austausch", Der Informationsaustauschkann schliesslich auch verweigert werden; es bestehtnämlich keine Pflicht für die Behörden, Informatio­nen auszutauschen". Die Gefahr von sag.fishing ex­peditions soll sodann dadurch verhindert werden,dass die vertraulichen Informationen nur von denWettbewerbsbehörden verwendet werden dürfen -eine Weitergabe an andere Behörden ist nicht er­laubt=,Art. 7 des Abkommens legt die Grundsätze für

den Informationsaustausch zwischen den Wettbe­werbsbehörden fest, namentlich:- Erörterung von Informationen (Art.7 Abs.2 desAbkommens)

Gemäss Art. 7 Abs. 2 des Abkommens können dieWettbewerbsbehörden der Vertragsparteien Infor-

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b«ABKOMMEN MIT DER EU ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT BEI DER ANWENDUNG VONWETTBEWERBSRECHTEN - ANALYSE UND GEDANKEN ZUR ZUKÜNFTIGEN PRAXIS DERWETTBEWERBSBEHÖRDEN IN EUROPA»

mationen, einschliesslich der in Untersuchungsver­fahren erlangten Informationen, erörtern, soweit diesfür die nach dem Abkommen vorgesehene Zusam­menarbeit und Koordinierung erforderlich ist. DerAustausch erfolgt mündlich und betrifft den Aus­tausch von nicht vertraulichen Informationen", Um­fasst hiervon sind auch vomAmtsgeheimnis erfassteInformationen, bspw. Informationen einer eröffne­ten oder noch formell zu eröffnenden Untersu­chung>. Allerdings können gestützt auf diese Normkeine gegenseitigen Ermittlungsersuche erteilt wer­den".- Informationsaustausch mit Zustimmung der be­troffenen Unternehmen (Art.7 Abs.3 des Ab­kommens)

Sofern das Unternehmen, welches die Informatio­nen zur Verfügung gestellt hat, ausdrücklich schrift­lich zustimmt, können die Wettbewerbsbehördender Vertragsparteien einander die ihnen vorliegen­den Informationen übermitteln. Gemeint sind hier­bei Dokumente und Beweismittel". Sind darunterpersonenbezogene Daten, so dürfen diese nur über­mittelt werden, wenn die Wettbewerbsbehörden derVertragsparteien dieselben oder miteinander ver­bundene Verhaltensweisen oder Rechtsgeschäfte(in einem formellen Untersuchungsverfahren") er­mitteln. Die Vertragsparteien haben dabei nachArt. 9 Abs. 3 des Abkommens den Schutz personen­bezogener Daten nach ihren jeweiligen Rechtsvor­schriften zu gewährleisten. Diese Norm wird in derPraxis vermutlich vor allem bei Zusammenschluss­vorhaben von Unternehmen, welche beiden Wett­bewerbsbehörden gemeldet wurden, zum Zugekommen".- Informationsaustausch ohne Zustimmung derbetroffenen Unternehmen (Art.7 Abs. 4 des Ab­kommens)

Bezeichnend für das Abkommen ist die Möglichkeitdes Informationsaustausches ohne Zustimmung derbetroffenen Unternehmen. Diese Norm wird in derPraxis wohl vor allem bei der Untersuchung inter­nationaler Kartelle oder bei grenzüberschreitendemMissbrauch von marktbeherrschender Stellung anBedeutung erlangen".Ohne Zustimmung des betroffenen Unterneh­

mens können die in Untersuchungsverfahren er­langten Informationen auf (formelles) Ersuchen deranderen Vertragspartei unter folgenden Vorausset­zungen übermittelt werden:

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- Beide Wettbewerbsbehörden untersuchen diesel­ben oder miteinander verbundene Verhaltenswei­sen oder Rechtsgeschäfte (damit soll die Gefahrvon sog. fishing expeditions ausgeschlossen wer­den)";

- Das Ersuchen wird schriftlich mit Beschreibungdes Gegenstands sowie Art der Untersuchung, mitAngabe der einschlägigen Rechtsschriften sowieder bekannten Unternehmen, gestellt;

- Die ersuchte Wettbewerbsbehörde bestimmt nach(mündlicher") Rücksprache mit der ersuchendenWettbewerbshörde, welche in ihrem Besitz befind­lichen Informationen von Belang sind und über­mittelt werden können.

Wird dem Ersuchen stattgegeben, so dürfen die In­formationen ausschliesslich für den im Ersuchenfestgelegten Zweck verwendet werden (Art. 8Abs. 3des Abkommens; vgl. hierzu später unter 4.).Die Wettbewerbsbehörden sind jedoch nicht ver­pflichtet, diese Informationen zu erörtern oder garzu übermitteln, wenn dies mit ihren wichtigen Inter­essen unvereinbar wäre oder eine unangemesseneBelastung darstellen würde (Art.7 Abs.5 des Ab­kommens).Informationen, die im Rahmen von Kronzeugen­

meldungen oder Vergleichsverfahren erlangt wor­den sind, werden zwischen den Wettbewerbsbehör­den weder erörtert noch übermittelt, sofern das Un­ternehmen, welches die Informationen zur Verfü­gung gestellt hat, nicht ausdrücklich schriftlich zuge­stimmt hat (Art. 7 Abs.6 des Abkommens). Das­selbe gilt für die Erörterung und Übermittlung vonInformationen, die garantierte Verfahrensrechte,bspw. das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermei­dung der Selbstbelastung und das Berufsgeheimnis

34 DUCREY,Rz 35.35 Botschaft; BB12013, 3971; DUCREY,Rz 35.36 DANIEL EMCR/ANNA-ANTONINAGOTTRET,EU/Schweiz:

Kartellbehörden dürfen Informationen und Dokumenteaustauschen, August/September 2013, <http://www.keller­hals.eh/upload/ ems/user /21_8_kb_dt21.pdf> (besucht am3. Januar 2014; zitiert: EMCR/GOTTRET).

37 DUCREY,Rz 36.38 EMCR/GOTTRET.39 DUCREY,Rz 36.40 DUCREY,Rz 37.41 Botschaft, BB! 2013, 3972; DUCREY,Rz 37.42 DUCREY,Rz 37.

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des Anwalts, verletzen würden (Art. 7 Abs.7 desAbkommens; Grundsatz der sog. double barrier,wo­nach eine Behörde nur Informationen übermittelt,die sie selbst in ihren Verfahren verwenden dürfte )43.Hierbei gilt zu beachten, dass in der Schweiz wohl

eine Vorabklärung in der Regel genügen dürfte", Indiesem Stadium steht den betroffenen Unterneh­men kein Akteneinsichtsrecht ZU4'. Sobald dieWEKO ein Verfahren abgeschlossen hat, dürfendiesbezüglich auch keine Informationen mehr andie EU Kommission übermittelt werden".

4. Verwendung von Informationen(Art.8 des Abkommens)

Art. 8 des Abkommens hält ausdrücklich fest, dassInformationen, die eine Vertragspartei gestützt aufdas vorliegende Abkommen mit der Wettbewerbs­behörde der anderen Vertragspartei erörtert oder ihrübermittelt, nur für den Zweck der Durchsetzungdes Wettbewerbsrechts dieser Vertragspartei durchderen Wettbewerbsbehörde bzw. für die Durchset­zung ihres Wettbewerbsrechts hinsichtlich derse~­ben oder miteinander verbundener Verhaltenswei­sen oder Rechtsgeschäfte verwendet werden. SindInformationen ohne Zustimmung des betroffenenUnternehmens übermittelt worden, so dürfen diesenur für den in dem Ersuchen festgelegten Zweckverwendet werden.Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist auch

die Tatsache, dass die erlangten Informationen nichtfür die Verhängung von Sanktionen gegen natürli­che Personen verwendet werden dürfen.Es steht der Wettbewerbsbehörde einer Vertrags­

partei frei, zu verlangen, dass die von ihr übermittel­ten Informationen zu den von ihr festgelegten Be­dingungen verwendet werden. In solch einem Falldarf, ohne vorherige Zustimmung dieser Wettbe­werbsbehörde, die empfangende Wettbewerbsbe­hörde diese Information nicht in einer den Bedin­gungen zuwiderlaufenden Weise verwenden.

43 Botschaft, BBI 2013; 3973;DUCREY, Rz 40.44 MAMANE; EMCRI GOTIRET.45 EMcR/GoTIRET.46 EMcR/GoTIRET.47 Botschaft, BBl2013; 3977;DUCREY, Rz. 53.48 DUCREY, Rz 53.49 DUCREY, Rz 53.

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5. Schutz und Vertraulichkeitder Informationen(Art.9 und lOdes Abkommens)

Die Tatsache, dass ein Ersuchen nach Art. 7 des Ab­kommens gestellt worden und eingegangen ist, istvon der entsprechenden Wettbewerbsbehörde ver­traulich zu behandeln. Insbesondere dürfen die er­langten Informationen (mit wenigen Ausnahmen,wobei das Geschäftsgeheimnis durch die empfan­gende Wettbewerbsbehörde stets zu wahre~ ist)nicht gegenüber Dritten bzw. anderen öffentlichenStellen offengelegt werden (Art.9 des Abkom­mens).Bemerkenswert ist das Recht der Europäischen

Kommission, unter bestimmten Voraussetzungendie von der WEKO erlangten Informationen an dieMitgliedstaaten der EU weiterzuleiten (Art. 10 desAbkommens). Diese Informationen dürfen jedochnicht für eigene Verfahren der Mitgliedstaaten ver­wendet, sondern nur zum Zwecke der Durchsetzungdes Wettbewerbsrechts der Europäischen Uniondurch die Europäische Kommission verwendet undnicht offengelegt werden. Der Bundesrat führt inder Botschaft hierzu aus, dass falls Zweifel bestehen,dass vertrauliche Informationen aus der Schweiznicht genügend geschützt sein könnten, die WEKOvon einer Übermittlung so lange absehen werde, bisdie notwendigen Zusicherungen zur vertraulichenBehandlung vorliegen". Seitens der WEKO wirddieser Ansicht beigepflichtet und ausgeführt, dassbei einer Übermittlung die EU-Wettbewerbsbe­hörde durch die WEKO an ihre Pflichten erinnertwürde", Sollte die Weitergabe jedoch unter Verlet­zung dieser Pflichten erfolgen, so käme Art. 9 Abs. 2des Abkommens zum Zuge, wonach die andere Be­hörde unverzüglich informiert würde, um den Scha­den so gering wie möglich zu halten",

VI. Offene Fragen unter demAbkommen

1. Zeitlicher Geltungsbereich

Im Abkommen sind keine Bestimmungen zum zeit­lichen Geltungsbereich vorgesehen. Daher dürfte

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b«ABKOMMEN MIT DER EU ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT BEI DER ANWENDUNG VONWETTBEWERBSRECHTEN - ANALYSE UND GEDANKEN ZUR ZUKÜNFTIGEN PRAXIS DERWETTBEWERBSBEHÖRDEN IN EUROPA»

das Abkommen nach Inkrafttreten auf neue sowiebereits hängige Untersuchungen anwendbar sein".

2. Datenschutzrechtliche Bedenken

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das Abkommenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbe­sondere den Anforderungen des Bundesgesetzesüber den Datenschutz (DSG) standhäWl.Allerdingsgeht das DSG weiter als die meisten europäischenDatenschutzgesetze, indem es auch juristische Per­sonen erfasst. Bei Informationsübermittlungen indie EU ist daher unter Umständen zu befürchten,dass die Daten nicht äquivalent geschützt sind".Sodann stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit

der Übermittlung von Informationen, welche vomBankgeheimnis erfasst sind, und ob solch eine Über­mittlung nur erfolgen darf, wenn beide Wettbe­werbsbehörden ein Verfahren betreffend den glei­chen Sachverhalt führen". Fraglich ist, ob dieWEKOsolche Anfragen nicht ablehnen müsste, zumal indieser Hinsicht kein genügender Datenschutz in derEU gewährleistet ist",

3. Geschäftsgeheimnisse

Ebenfalls ist die Signifikanz des Abkommens fürvertrauliche Geschäftsgeheimnisse der Unterneh­men, welche nun ins Ausland übermittelt werdenkönnen, und deren Schutze-möglichkeiten) nochnicht geklärt. Problematisch erscheint, dass Unter­nehmen über die Übermittlung dieser Inforrnatio­nen vermutlich nicht rechtzeitig orientiert werdenbzw. dass eine Übermittlung bereits in einem Ver­fahrensstadium stattfinden kann, in denen nochkeine formelle Untersuchung eröffnet wurde".

4. Zeitpunkt der Orientierung

Unklar bleibt auch, wann und in welchem Verfah­rensstadium die betroffenen Unternehmen von denWettbewerbsbehörden informiert werden. Im Hin­blick auf die Ergreifung von Rechtmitteln ist diesein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Zu beach­teil gilt, dass Informationen bereits in einem Sta­dium erörtert werden können, wo noch keine for­melle Untersuchung eröffnet wurde und somit keinAkteneinsichtsrecht für die betroffenen Unterneh-

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men besteht, was die Reaktionsmöglichkeiten fürdie Betroffenen massgeblich einschränkt".

5. FehlendeRechtsschutzbestimmungen/Verwertbarkeit bei nicht rechtmässigübermittelten Informationen

Das Abkommen sieht keine Bestimmungen zumRechtsschutz bei nicht rechtmässig übermitteltenDaten vor", Die Übermittlung von Informationenstellt zudem keine anfechtbare Verfügung dar".Ebenfalls fehlen Bestimmungen für den Rechts­schutz bei Verwertung von Informationen, die aufunzulässige Art und Weise erlangt wurden (sog.Fruits of thepoisonous tree,bspw.bei einer unrecht­mässig durchgeführten Hausdurchsuchung)".In der Botschaft des Bundesrats steht hierzu le­

diglich, ein «Beschwerdeverfahren, das mehrere Mo­nate dauern könnte, würde das Abkommen seinesSinnes entleeren", In einem Bereich wie dem Kartell­recht erfordere die Wirksamkeit der Durchsetzungs­massnahmen einen schnellen und effizientenAustausch"» Sodann würden die betroffenen Un­ternehmen in Übereinstimmung mit der Daten­schutzgesetzgebung informiert und es bestünde dieMöglichkeit für die Betroffenen, gegen den Zwi­schen- oder Endentscheid der WEKO Beschwerdezu erheben und in der Beschwerde Rechtsverletzun­gen zu rügen", Wie aber bereits weiter oben er­wähnt, ist unklar, zu welchem Zeitpunkt die Betrof-

50 DUCREY,Rz 29; MATHYSIZOGG,4.51 Botschaft, BBI2013, 3976.52 MAMANE;JÜRGBORER/DAVIDMAMANEISAMUELJOST,Bila­

terales Abkommen im Wettbewerbsrecht, September 2013,2.2 (zitiert BORER/MAMANEIJOST).

53 BORERIMAMANEI JOST,2.2; EMcHI GOTTRET;MAMANE.54 BORER/MAMANE/JoST, 2.2.; DAVIDMAMANE/SAMUELJOST,

Let's work together - An EU ISwiss co-operation agree­ment has far reaching implications, Competition Law In­sight,13 November 2012, 8 ff., 9 (zitiert: MAMANEIJOST).

55 MAMANE/JoST, 9;EMcH/GoITRET.56 EMcH IGOITRET;MAMANE.57 BORER/MAMANE/JosT,2.3; DUCREY,Rz. 4l.58 Botschaft, BBI2013, 3973.59 EMcH/GoITRET.60 Botschaft, BBI2013, 3973.61 Botschaft, BB12013, 3973.62 Botschaft, BBI2013, 3973.

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Page 9: III - LALIVE · 2018. 6. 27. · Zusammenarbeit beiderAnwendung vonWettbewerbsrechten inmediasres Rechtsdenken und Gesellschaftsphilosophie im klassischen Indien,Teil1 derfall Grundlagen

fenen über den Informationsaustausch informiertwerden. Zudem werden betroffene Unternehmenkaum bis zum Erlass einer anfechtbaren Verfügungabwarten wollen, um einen Informationsaustauschzu verhindern bzw. im Nachhinein deren allfälligeUnrechtmässigkeit feststellen zu lassen. Es bleibtdaher abzuwarten, wie und mit welchen Rechtsmit­teln Betroffene unzulässige Informationsübermitt­lungen verhindern können.

6. Keine Pflicht zumInformationsaustausch

Es liegt im Ermessen der Vertragsparteien, Informa­tionen zu übermitteln. Es besteht jedoch keine Ver­pflichtung zum Informationsaustausch. Es stellt sichaus Schweizer Sicht somit die Frage, inwiefern dieEuropäische Kommission aus ihrem Interesse anSelbstanzeigen von Unternehmen gewillt sein wird,Informationen der WEKO zu übermitteln und obnicht faktisch primär die Informationsübermittlungvon Schweizer Seite stattfinden wird. Ein Ungleich­gewicht ist nicht auszuschliessen=.

VII. Gesamtwürdigung

Das Abkommen stellt sicherlich ein wichtiges Inst­rument für die Zusammenarbeit der Wettbewerbs­behörden dar. Es sorgt bildlich gesprochen fürWaffengleichheit mit Unternehmen, die dasWettbe­werbsrecht verletzen. Es ist davon auszugehen, dass

63 EMcH/GOTIRET;ANGELABARANDUN/STEFANSCHÜRER:KeineGeheimnisse vor der EU, Tagesanzeiger vom 13.August 2013,<http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft / konjunktur /Keine-Geheimnisse-vor-der-EU / story /22511876> (besuchtam 3. Januar 2014).

64 MAMANE;MAMANE/JOST,10.; zustimmend DUCREY,Rz 54.65 RENÉHÖLTSCHI,Zusammenarbeit gegen Kartelle, Schweiz

und EU unterzeichnen Abkommen mit Pioniercharakter,NZZ vom 17. Mai 2013, <http://www.nzz.ch/aktuell/wirt­schaft/ wirtschaftsnachrichten /wettbewerbs-abkommen-mit­der-eu-unterzeÍchnet-1.18083191> (besucht am 3.Januar 2014).

66 DUCREY,Rz 35.

die Erörterung von vertraulichen, dem Amts­geheimnis unterliegenden Informationen, welcheformlos möglich ist, die grösste praktische Bedeu­tung erlangen wird.Zudem wird das Abkommen unter anderem die

Koordination von Hausdurchsuchungen ermögli­chen, was zu wirksameren Untersuchungen führendürfte. Das Abkommen wird die Durchsetzung desWettbewerbsrechts in der Schweiz (und in der EU)erleichtern und in der Schweiz potentiell zu einerStärkung des Kartellrechts beitragen.Den Unternehmen ist daher zu empfehlen, ihre

Compliance-Bemühungen zu überprüfen und, wonotwendig, zu verstärken (bspw. durch Anpassungder Weisungen für Hausdurchsuchungen, durch ver­stärkte Schulung der Organe und Mitarbeiter unddurch Verbesserung der Kontrollen)".Problematisch dürfte sich die Tatsache gestalten,

dass bereits im Rahmen von Vorabklärungen Infor­mationen ausgetauscht werden können, zumal insolch einem frühen Stadium den betroffenen Par­teien kein Akteneinsichtsrecht zusteht. Wie Unter­nehmen im Rechtsalltag reagieren und allfällige«Rechtsmittel» an Rechtsmittelinstanzen zugelassenwerden, bleibt abzuwarten.Auf der anderen Seite besteht durchaus auch die

Möglichkeit, dass das Abkommen in der Praxis we­niger Bedeutung erlangen wird als erwartet. So lässtdie bisherige Erfahrung in der Luftfrachtuntersu­chung, in welcher gestützt auf das Luftverkehrsab­kommen ein Austausch von Beweismitteln möglichgewesen wäre, vermuten, dass nur beschränkt Infor­mationen ausgetauscht werden. Gemäss Patrick Duc­rey, Stv. Direktor im Sekretariat der WEKO, wirdvoraussichtlich der Informationsaustausch in paral­lellaufenden Verfahren in Zukunft nicht allzu häu­fig vorkommen". Seiner Ansicht nach besteht derMehrwert des Abkommens vor allem imAustausch­von Informationen, die bis anhin vom Amtsgeheim­nis geschützt waren, was die tägliche Arbeit derWettbewerbsbehörden erheblich erleichternsollte".Die Bedeutung des Abkommens für grenzüber­

greifende Wettbewerbsverfahren wird sodann weg­weisend sein für den Abschluss weiterer sog.secondgeneration agreements.

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