ILS Interkommunale Gewerbeflächenentwicklung

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trends ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung 1 / 11 Autor dieser Ausgabe: Dr.-Ing. Bernd Wuschansky [email protected] Fon + 49 (0) 231 9051-236 Interkommunale und regionale Gewerbeflächenentwicklung als zukunftsgerichtete Strategie Nachdem es um die interkommunalen und regionalen Gewerbegebietsplanun- gen etwas ruhiger geworden war, gibt es zurzeit einen Entwicklungsschub von innovativen gewerblichen Kooperations- projekten. Insbesondere in Nordrhein- Westfalen wird eine Anzahl neuer über- örtlicher Gewerbeflächeflächenprojekte entwickelt, die es wert sind, der interes- sierten Öffentlichkeit vorgestellt zu wer- den. Im nachfolgenden Beitrag werden neben den vom ILS in mehreren Unter- suchungen empirisch gewonnenen Er- kenntnissen zu interkommunalen und regionalen Gewerbegebietsprojekten vor allem diese neuen Initiativen näher beschrieben. Motive für die überörtliche Gewerbeflächenentwicklung Strukturpolitik Der globale Wettbewerb der konkurrie- renden Wirtschaftsregionen nimmt zu. Die Standortanforderungen von Gewer- bebetrieben werden differenzierter und anspruchsvoller. Interkommunale Ge- werbegebiete ermöglichen die Bünde- lung gemeinsamer Stärken und die glo- bale Profilierung von Standorten. Sie zeichnen sich durch ein klares Profil und ein professionelles Management aus und schaffen so die Basis für eine zu- kunftsgerichtete Ausrichtung der Unter- nehmen auf einen zentrierten Standort, der Fühlungsvorteile bietet und sich überregional vermarkten lässt. Auch der Abbau ruinöser interkommunaler Kon- kurrenz zu Gunsten des regionalen Kon- sens wird möglich. Flächenqualität Die Nachfrage nach großen zusammen- hängenden Industrie- und Gewerbeflä- chen mit optimalen Standorteigenschaf- ten nimmt zu. Gleichzeitig wächst der Wille, die andauernde ungewünschte Frei- flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke zu mindern. Durch interkommunale Zusammenarbeit werden „Flächenchancen“ realisierbar, die sich allein agierenden Kommunen nicht bieten. Im gemeindeübergreifen- den großen Suchraum lassen sich im Konsens hochwertige, regional bedeu- tende, verkehrsgünstig gelegene, auf Dauer konfliktarme Industrie- und Ge-

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ILS – Institut für Landes- undStadtentwicklungsforschung1/11

Autor dieser Ausgabe:

Dr.- Ing. Bernd [email protected] + 49 (0) 231 9051-236

Interkommunale und regionaleGewerbeflächenentwicklungals zukunftsgerichtete Strategie

Nachdem es um die interkommunalenund regionalen Gewerbegebietsplanun-gen etwas ruhiger geworden war, gibtes zurzeit einen Entwicklungsschub voninnovativen gewerblichen Kooperations-projekten. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen wird eine Anzahl neuer über-örtlicher Gewerbeflächeflächenprojekteentwickelt, die es wert sind, der interes-sierten Öffentlichkeit vorgestellt zu wer-den. Im nachfolgenden Beitrag werdenneben den vom ILS in mehreren Unter-suchungen empirisch gewonnenen Er-kenntnissen zu interkommunalen undregionalen Gewerbegebietsprojekten vorallem diese neuen Initiativen näherbeschrieben.

Motive für die überörtlicheGewerbeflächenentwicklung

StrukturpolitikDer globale Wettbewerb der konkurrie-renden Wirtschaftsregionen nimmt zu.Die Standortanforderungen von Gewer-bebetrieben werden differenzierter undanspruchsvoller. Interkommunale Ge-werbegebiete ermöglichen die Bünde-

lung gemeinsamer Stärken und die glo-bale Profilierung von Standorten. Siezeichnen sich durch ein klares Profil undein professionelles Management ausund schaffen so die Basis für eine zu-kunftsgerichtete Ausrichtung der Unter-nehmen auf einen zentrierten Standort,der Fühlungsvorteile bietet und sichüberregional vermarkten lässt. Auch derAbbau ruinöser interkommunaler Kon-kurrenz zu Gunsten des regionalen Kon-sens wird möglich.

FlächenqualitätDie Nachfrage nach großen zusammen-hängenden Industrie- und Gewerbeflä-chen mit optimalen Standorteigenschaf-ten nimmt zu. Gleichzeitig wächst derWille, die andauernde ungewünschte Frei-flächeninanspruchnahme für Siedlungs-und Verkehrszwecke zu mindern.

Durch interkommunale Zusammenarbeitwerden „Flächenchancen“ realisierbar,die sich allein agierenden Kommunennicht bieten. Im gemeindeübergreifen-den großen Suchraum lassen sich imKonsens hochwertige, regional bedeu-tende, verkehrsgünstig gelegene, aufDauer konfliktarme Industrie- und Ge-

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„Interkommunale Koopera-tionen bei der Ausweisungvon Gewerbe- und Indus-trieansiedlungsflächen sindzu fördern, da diese denFlächenverbrauch durcheine bessere Gebietsausla-stung reduzieren können.“(BUND NRW; LNU NRW; NABU NRW2009. Anforderungen an einen Landes-entwicklungsplan 2025 für Nordrhein-Westfalen: 9)

werbeflächen mit optimalen Standortei-genschaften entwickeln. Insbesonderedurch die räumliche Konzentration wer-den Fehl- und Mindernutzungen anmehreren isolierten Standorten und einedamit einhergehende weitere Freifläche-ninanspruchnahme vermieden.

KommunalfinanzenKommunen haben die Grenzen ihrerfinanziellen Leistungsfähigkeit erreicht.Selbst zwingend notwendige Maßnah-men und Investitionen sind kaum nochin angemessener Weise durchführbar.Durch die Entwicklung von regionalenund interkommunalen Gewerbestandor-ten werden die personellen und finanziel-len Leistungsmöglichkeiten der Kommu-nen gebündelt, die Kostenrisiken auf alleBeteiligten verteilt und die öffentlichenErschließungs- und Infrastruktureinrich-tungen effizient ausgelastet. Zusätzlichekommunale Einnahmen nebst Sekundär-effekten werden generiert und dadurchdie kommunalen Haushalte wirksamentlastet.

Bestandsaufnahme derinterkommunalen gewerb-lichen Kooperationsprojekte

Geschichtliche Entwicklung undräumliche VerteilungSeit Ende der 1980er Jahre entwickelnStädte und Gemeinden interkommunaleGewerbeflächenprojekte – anfangs vorallem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, später – zum Teil eher zö-gerlich und räumlich sehr ungleichmäßig– auch in anderen Teilen Deutschlands.Nach der großen ILS-Studie von 2006(Wuschansky/König 2006: 72), in derunter aktiver Mithilfe der betroffenenStädte alle 110 zu dem Zeitpunkt inDeutschland realisierten gewerblichen

Kooperationsprojekte beschrieben wer-den, liegen 37 in Nordrhein-Westfalen,27 in Baden-Württemberg, jeweils 9 inNiedersachsen und in Rheinland-Pfalz.Die übrigen 28 Projekte verteilen sichüber die restlichen Flächenländer (sieheAbb. 2).1

Ein Großteil der nachfolgend dargeleg-ten Bestandsdaten stützt sich auf dieAngaben der angesprochenen ILS-Stu-die. Zum einen, weil sie die bundesweiteinzige Studie ist, in der alle zu demZeitpunkt realisierten interkommunalenGewerbegebiete Deutschlands im Detaildargestellt sind, und zum anderen, weildie dort beschriebenen Angaben durchdie neue aktualisierte Studie des ILS fürNordrhein-Westfalen (Wuschansky 2011)bestätigt werden. Neben den 110 reali-sierten interkommunalen Gewerbegebie-ten befindet sich im Bundesgebiet auchnoch eine ganze Anzahl von interkom-munalen Gewerbegebieten in der Phaseder Überlegung, Abwägung und Pla-nung. In Nordrhein-Westfalen sind daszurzeit 28, wie die aktuelle Untersu-chung des ILS zeigt (siehe Abb. 1). Obdiese alle auch verwirklicht werden, istnaturgemäß noch offen.

FlächengrößeDie Flächengröße der interkommunalentwickelten Gewerbegebiete variiertsehr stark. Bundesweit liegt die Durch-schnittsgröße aller interkommunalen Ge-werbegebiete 2006 bei 96 ha (NRW 102ha). Der aussagekräftigere Median ist mit65 ha (NRW 85 ha) deutlich kleiner.2

Beteiligte KommunenBei 61I% der Gewerbegebietsprojektekooperieren zwei Kommunen miteinan-der. Wesentlich seltener arbeiten drei(21I%) oder vier (10I%) oder noch mehrKommunen partnerschaftlich zusammen.Üblicher Weise befindet sich die Flächedes gemeinsamen Gewerbegebietes aufder Gemarkung zweier Kommunen(55I%) oder nur in einer (33I%). Deutlichseltener steuern drei Kommunen (10I%)oder noch mehr (2I%) einen Flächenan-teil bei.

VornutzungEin oft genannter Kritikpunkt an gewerb-lichen Kooperationsprojekten ist der Vor-wurf, sie trügen zum Rückgang des Frei-raums bei – insbesondere durch die Nut-zung von Agrarflächen. In der Tat werden62I% der interkommunalen Gewerbe-

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Siegen

A

RealisierungsphasePlanungsphase

Münster Bielefeld

Düsseldorf

Paderborn

AachenBonn

Köln

Essen

Dortmund

Abb. 1: Interkommunale Gewerbegebiete inNordrhein-Westfalen

Datengrundlage: ILS 2011

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Abb. 3: Vornutzung interkommunalerGewerbegebiete in Deutschland

Datengrundlage: ILS NRW Schrift 200.2006

in Prozent

62

31

12

7

15Agrarwirtschaftliche FlächeForstwirtschaftliche Fläche

Industrielle Nutzung

Militärische Nutzung

Sonstiges

Kombinationen

Grundgesamtheit:110 interkommunale Gewerbegebiete

Abb. 4: Siedlungsbezüge der interkommunalenGewerbegebiete in Deutschland

Datengrundlage: ILS NRW Schrift 200.2006

in Prozent

Grundgesamtheit:110 interkommunale Gewerbegebiete

62

21

13

4

Isoliert

In unmittelbarer Nachbarschaft

Arrondiert

Gewerbefläche auf verschiedene Standorte verteilt

gebietsprojekte auf ehemaligen Land-wirtschaftsflächen entwickelt. Bei nur13I% werden Industriebrachen oderKonversionsflächen genutzt. In 22I% allerFälle besteht die vormalige Realnutzungaus einer Kombination unterschiedlicherNutzungsarten. Nur von 3 I% der Koope-rationsprojekte werden forstwirtschaft-liche Flächen für die Entwicklung vonGewerbeflächen benötigt (siehe Abb. 3).

Siedlungsbezüge62 % der interkommunalen Gewerbege-biete fügen sich nicht in das bestehen-de Siedlungsgefüge ein, sondern bildenneue isolierte Siedlungsansätze im Frei-raum. 21I% entstehen in räumlicherNähe zu einem bereits bestehenden Ge-werbegebiet und 13I% arrondieren esunmittelbar (siehe Abb. 4).

Diese Standortwahl im Freiraum wirdhäufig kritisiert. Bei der Beurteilung istaber zu bedenken, dass gerade regionalbedeutsame Gewerbegebiete sehr gro-ße, ebene, verkehrsgünstig gelegene undrestriktionsfreie Flächen benötigen. Die-se Standorteigenschaften sind selten imbestehenden Siedlungsgefüge zu finden.Insbesondere die in unmittelbarer Nähevon Autobahnanbindungen im freienRaum gelegenen Gewerbe- und Indu-striegebiete bieten darüber hinaus füremissionsintensive Industrie- und Ge-werbebetriebe, Logistikunternehmen undBetriebe mit hohen Mobilitätsanforde-rungen Vorteile:• Konflikte zwischen emittierendenUnternehmen und konkurrierendenNutzungen können im Sinne einesvorbeugenden Immissions- und Um-gebungsschutzes (z. B. durch vorge-gebene Abstandsflächen) problemloseingedämmt werden (IHK 2009: 18),

• die Akzeptanz neuer Gewerbegebiets-planungen steigt, da wegen der orts-durchfahrtsfreien Anbindungen lärm-und abgasintensiver Fahrzeugverkehrvon Wohnsiedlungen ferngehaltenwird,

• Verkehrswegekosten werden mini-miert und

• Ausweitungen der Gewerbegebietesind langfristig möglich.

Verkehrliche AnbindungMit 55I% liegen über die Hälfte der Ko-operationsprojekte unmittelbar an einerBundesstraße; 28I% sogar an einer Bun-desautobahn. In einem etwas größer ge-fassten Radius von 5 km verfügen 87I%der Projekte über eine Anbindung aneine Bundesstraße und 60I% über einesolche an eine Autobahn.

21I% der interkommunalen Gewerbe-standorte besitzen einen unmittelbarenGleisanschluss. Bei 32I% liegt er in einerEntfernung von unter 5 km.Ein Wasserstraßenanschluss ist in denGewerbegebieten meist nicht vorhandenoder befindet sich in einer Entfernungvon 20 km oder mehr.Die durchschnittliche Entfernung derGewerbegebiete zum nächsten, für Ge-schäftsflüge nutzbaren Flugplatz beträgt19 km.Mehr als die Hälfte der Gewerbestand-orte ist direkt in das ÖPNV-Netz ein-gebunden (54I%), bei weiteren 28I%beträgt die Entfernung zum nächstenHaltepunkt unter zwei km.

OrganisationsformenUm die interkommunale Zusammenar-beit zu organisieren, benötigen die betei-ligten Kommunen eine rechtlich verbind-liche Organisationsform. In 38I% allerFälle wird ein Zweckverband als Basisder Zusammenarbeit gewählt. Bei 9I%ist es eine öffentlich-rechtliche Verein-barung, bei 7I% eine privatrechtlicheGmbH, bei 5I% ein Planungsverbandund bei 3I% eine Kommunale Arbeits-gemeinschaft. Einen mit 29I% relativgroßen Anteil haben Kombinationen ver-schiedener Organisationsformen. Be-liebt sind beispielsweise Kombinationenaus öffentlich-rechtlicher Vereinbarung +GmbH oder Zweckverband + GmbH.Bei 25I% aller Kooperationsprojekte be-gleitet ein Gremium (Beirat, Lenkungs-gruppe) die Arbeit (siehe Abb. 5).

Gründe für die ZusammenarbeitWas die Gründe für die Zusammenarbeitanbetrifft, so fallen die bundesweit er-hobenen Befragungsergebnisse etwas

Abb. 2: InterkommunaleGewerbegebiete in Deutschland

Datengrundlage: ILS NRW Schrift 200.2006

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ILS – Institut für Landes- undStadtentwicklungsforschung4

anders aus als allgemein erwartet. Bei70I% der interkommunalen Gewerbege-biete ist die „Besondere Lagegunst derFläche“ ein sehr wichtiger Grund für dieKooperation. Eine ähnlich große Rollespielen bei 63I% „WirtschaftsstrukturelleÜberlegungen“. Dagegen sind „Flächen-engpässe“ nur bei einem Drittel der Pro-jekte ein wichtiger Grund für die Zusam-menarbeit (siehe Abb. 6).

Übereinkunft zu weiterenGewerbegebietenBei 19I% der Kooperationsprojekte gibtes eine Übereinkunft, wie über dasgemeinsame Gewerbegebiet hinaus mitden anderen kommunalen Gewerbege-bieten umzugehen ist. In weiteren 10I%ist eine derartige Vereinbarung geplant.

VermarktungAm häufigsten wird die Vermarktungder interkommunalen Gewerbegebietedurch ein neugegründetes interkommu-nales Gremium (19I%) oder eine Betrei-ber-Gemeinschaft (17I%) übernommen.In 9I% vermarktet eine kommunaleoder regionale Wirtschaftsförderungsge-sellschaft das Gebiet. Seltener (8I%) wirddie Vermarktung durch den jeweiligenZweckverband mit gemanagt.Bei 20I% der Kooperationsprojekte wirddie Vermarktung durch unterschiedlichzusammengesetzte Kombinationen vonOrganisationen vorgenommen.

Ansiedlung /Ausschluss bestimmterBranchenBei 45I% der interkommunalen Gewer-begebiete bestehen Vorgaben bezüglichder vorrangigen Ansiedlung bestimmterBranchen, wie Logistik und produzie-

rendes Gewerbe oder ein Branchenmixaus Dienstleistungs- und produzieren-dem Gewerbe. 38I% der interkommuna-len Gewerbegebiete schließen bestimm-te Branchen aus: am häufigsten Einzel-handel – sowohl innenstadtrelevantenals auch großflächigen. Manche auchLogistik und Abfallbeseitigung / Müllver-brennung.

Probleme und SchwierigkeitenWährend bei 29I% der Kooperations-projekte keinerlei Probleme aufgetretensind, hat es im Laufe der Zeit bei 55I%Projekten Hindernisse und Schwierigkei-ten der unterschiedlichsten Art gegeben.Einige seien genannt:• Geringere Gewerbeflächennachfrageals angenommen, dadurch Vermark-tungsprobleme,

• Konkurrenz durch andere Gewerbe-flächen – auch der beteiligten Kom-munen,

• Widerstand der Bevölkerung,• Auseinandersetzungen bei derVerteilung von Aufwand und Ertrag,

• Übertragung zusätzlicher Aufgabenauf die bestehende Organisation,

• Unterschiedliche Planungshoheiten,Rechtsaufsichtsbehörden, Energie-versorger sowie Finanzkraft.

Scheitern von KooperationenNatürlich gibt es eine ganze Anzahl vonProjekten, bei denen sich im Laufe derPlanungs- oder auch der Realisierungs-phase herausstellt, dass sie nicht weiter-geführt werden können. Von den vielenunterschiedlichen Gründen seien diewichtigsten genannt:• Flächenerwerb nicht möglich oder zuteuer,

• Fläche widerspricht landesplanerischenZielvorgaben,

• Umweltschutzbedenken sind nichtauszuräumen,

• Die „Animositäten“ zwischen denBeteiligten sind zu groß,

• Kooperation wird „von oben“ aufge-zwungen, von „unten“ aber nichtgelebt.

Erneute interkommunale KooperationTrotz aufgetretener Probleme gibt mit84I% eine deutliche Mehrheit der Be-fragten an, ein Gewerbegebiet erneut ininterkommunaler Kooperation mit einerNachbarkommune zu entwickeln, solltesich dazu die Möglichkeit bieten. Ledig-lich 4I% der Befragten würden von einererneuten interkommunalen Zusammen-arbeit absehen.

Rechts- und Organisations-formen interkommunalerGewerbegebiete

Die Wahl der geeigneten Rechtsformvon interkommunalen Gewerbegebietenist abhängig von der Lage und Größedes Projektes, den beteiligten Partnern,ihrer Finanz- und Verwaltungskraft, demAufgabenumfang und der angestrebtenZielsetzung.

Grundsätzlich stehen sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Or-ganisationsformen – und Kombinationendavon – zur Wahl, wobei zu beachtenist, dass privatrechtliche Organisationennicht mit gemeindehoheitlichen Aufga-ben betraut werden dürfen.Nachfolgend werden die wichtigsten öf-

Abb. 5: Organisation der interkommunalenGewerbegebiete in Deutschland

Datengrundlage: ILS NRW Schrift 200.2006

Grundgesamtheit:110 interkommunale Gewerbegebiete

38

28

9

7

6

53 3 1 Zweckverband

Kombinationenöffentlich-rechtliche VereinbarungGmbH

noch nicht entschieden

Planungsverband

Kommunale Arbeitsgemeinschaft

jede Kommune für sicheinzelvertragliche Lösungen

Abb. 6: Gründe für die Zusammenarbeit interkom-munaler Gewerbegebiete in Deutschland

Datengrundlage: ILS NRW Schrift 200.2006

in Prozent

Grundgesamtheit: 110 interkommunale Gewerbegebiete

0 20 40 60 80 100

unwichtigweniger wichtigneutralwichtigsehr wichtig

WirtschaftsstrukturelleÜberlegungen

Flächenengpässe

Besondere Anreize

Finanzielle Engpässe

Lagegunst der Fläche

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fentlich-rechtlichen Organisationsformeninterkommunaler Gewerbegebietsprojek-te erläutert (siehe Ab. 7).

Öffentlich-rechtliche Formen

Kommunale ArbeitsgemeinschaftIn einigen Bundesländern kann diegemeindliche Zusammenarbeit in derForm einer (inter)-kommunalen Arbeits-gemeinschaft ablaufen. Sie dient ledig-lich zur Abstimmung der Planungen, Be-ratung und der Information der Beteilig-ten. Da sie nur Anregungen geben undkeine bindenden Beschlüsse fassenkann, ist sie in der Praxis nahezu bedeu-tungslos.

ZweckverbandNach den Ländergesetzen über kommu-nale Gemeinschaftsarbeit dürfen sichKörperschaften des öffentlichen Rechtszu Zweckverbänden zusammenschlie-ßen und diese Aufgaben der öffentlichenVerwaltung übertragen. Die Zweckver-bände besitzen eine eigene Rechts-persönlichkeit und verwalten die ihnenübertragenen Angelegenheiten in eige-ner Verantwortung. Organe sind die Ver-bandsversammlung und der Verbands-vorsteher. Die Beschaffung von Kreditenist durch die Vorschriften der kommuna-len Haushaltswirtschaft eingeengt.

Öffentlich-rechtliche VereinbarungGemeindliche Zusammenarbeit kannnach den einschlägigen Ländergesetzenauch durch öffentlich-rechtliche Verein-barungen geregelt werden. Durch solcheVereinbarungen und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag können die Gemein-den beispielsweise vereinbaren, dasseiner der Beteiligten einzelne Aufgabender übrigen Beteiligten in seine Zustän-digkeit übernimmt oder sich verpflichtet,solche Aufgaben für die anderen durch-zuführen.

Im Unterschied zum Zweckverband ent-steht durch eine öffentlich-rechtlicheVereinbarung kein neues Rechtssubjekt,das mit neu zu bildenden Organen aus-gestattet ist.

Insgesamt können die Regelungen denspezifischen Bedürfnissen des Einzelfallsbesser angepasst werden als mit einemZweckverband, wobei bei der Beschaf-fung von Krediten auch hier die Vor-schriften der kommunalen Haushalts-wirtschaft wirken.

PlanungsverbandDie bauleitplanerischen Voraussetzun-gen für die Errichtung eines interkom-munalen Gewerbegebietes können nach§ 205 BauGB auch durch einen Pla-nungsverband geschaffen werden, zudem sich Gemeinden und sonstigeöffentliche Planungsträger zusammen-schließen. Aber auch hier sind weitereüber die Bauleitplanung hinaus gehendeBeschlüsse notwendig.

Landesplanerischer VertragDie Träger der Landes- und Regionalpla-nung sollen nach § 13 Raumordnungs-gesetz mit den maßgeblichen öffentli-chen Stellen und Personen des Privat-rechts zusammenarbeiten, um raumbe-deutsame Planungen und Maßnahmenvorzubereiten oder zu verwirklichen. Ins-besondere soll damit die Kooperationvon Gemeinden zur Stärkung teilräumli-cher Entwicklungen unterstützt werden.Ein landesplanerischer Vertrag dient fak-tisch der Vorbereitung der weiteren Zu-sammenarbeit, macht aber oft auch dielandespolitische Bedeutung der Maß-nahmen nach außen sichtbar (sieheAbb. 8).

Anstalt des öffentlichen RechtsEinige Bundesländer gestatten ihren Ge-meinden Unternehmen und Einrichtun-gen in der Rechtsform einer Anstalt desöffentlichen Rechts zu errichten, auf diesie einzelne oder alle mit einem be-stimmten Zweck zusammenhängendeAufgaben ganz oder teilweise übertra-gen können.

Eigene Zusammenstellung. Hier Angaben für Nordrhein-Westfalen

Rechtsformen der gemeindlichen ZusammenarbeitArt. 28 Abs. 2 GG, GO NRW, GkG, Bau GB

öffentlich-rechtliche Form privatrechtliche Form

Informelle Gremien

Gesellschaft mit beschränkterHaftung GmbHG

kommunalpolitische Gremien

verwaltungsinterne Gremien

Projektbeiträge

Koordinierungsbüros

Kommunale Arbeitsgemeinschaft§ 2-3 GkG

Zweckverband§ 4-22 GkG

öffentlich-rechtliche Vereinbarung§ 23-26 GkG

Planungsverband§ 205 BauGB

Landesplanerischer Vertrag§ 13 ROG

Anstalt des öffentlichen Rechts(AÖR) § 114a GO

Gemeinsamer Flächennutzungsplan§ 204 Abs. 1 BauGB

Regionaler Flächennutzungsplan§ 8 Abs. 4 ROG / § 204 Abs. 1 BauGB

Abb. 7

Abb. 8

Projektbeiräte

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6 ILS – Institut für Landes- undStadtentwicklungsforschung

Mit der Einführung dieser „Kommunalun-ternehmen“ verbanden die betroffenenLänder die Absicht, den Kommuneneine Rechtsform des öffentlichen Rechtsanzubieten, die mit einer GmbH ver-gleichbar ist und ähnlich große Selbstän-digkeit bietet.Die kommunale Anstalt öffentlichenRechts ist nur eingeschränkt als Instru-ment der interkommunalen Zusammen-arbeit geeignet, da Gewährsträger im-mer eine Gemeinde sein muss. Ergän-zend ist eine öffentlich-rechtliche Verein-barung mit Aufgabenübertragungen undMitwirkungsvereinbarungen notwendig.

Gemeinsamer FlächennutzungsplanNach § 204 Abs. 1 BauGB ist auch eingemeinsamer Flächennutzungsplan be-nachbarter Gemeinden denkbar, um dieplanerische Voraussetzung zur Entwick-lung eines interkommunalen Gewerbe-gebietes zu bieten. Darüber hinaus sinddann aber weitergehende übereinstim-mende Beschlüsse notwendig.

Regionaler FlächennutzungsplanNach § 8 Abs. 4 ROG kann ein Regio-nalplan zugleich die Funktion eines ge-meinsamen Flächennutzungsplanes nach§ 204 BauGB haben. Auch durch einensolchen regionalen Flächennutzungsplankönnen die planerischen Voraussetzun-gen für ein interkommunales Gewerbe-gebiet geschaffen werden.

Privatrechtliche Formen

Gesellschaft mit beschränkterHaftung – GmbHGrundsätzlich haben die Gemeinden dieBefugnis, zur gemeinsamen Wahrneh-mung von Aufgaben, die Gestaltungs-möglichkeiten des Privatrechts zu nut-zen. Voraussetzung ist aber, dass dieseGesellschaftsformen Haftungsbegrenzun-gen haben und die Gemeinden einenangemessenen Einfluss erhalten (bei-spielsweise § 108 Gemeindeordnung fürdas Land NRW).

Vor allem die GmbHs, deren Rechts-grundlagen im „Gesetz betreffend dieGesellschaften mit beschränkter Haf-tung-GmbHG“ geregelt sind, erfüllendiese Bedingungen. Sie werden deshalboft genutzt, um die nicht hoheitlichenAufgaben bei der Entwicklung von inter-

kommunalen Gewerbegebieten zu über-nehmen, wie beispielsweise die Ver-marktung der Flächen.

Informelle GremienBei der Entwicklung von interkommuna-len Gewerbegebieten spielen auch infor-melle Gremien eine wichtige Rolle. Ob-wohl sie keine Entscheidungsbefugnissehaben, tragen sie dazu bei, gegebenen-falls vorhandene Vorbehalte gegenüberübergemeindlicher Kooperation abzu-bauen, Akzeptanz bei allen Verantwortli-chen und der Öffentlichkeit zu schaffenund die Zusammenarbeit auf eine breiteBasis zu stellen.

In der Praxis sind dies:• Kommunalpolitische Gremien, indenen die politischen Repräsentantender jeweiligen Räte vertreten sind,

• Verwaltungsinterne Gremien, in denendie Umsetzung der politischen Vor-gaben im Detail vorbesprochen wird,

• Projektbeiräte, die insbesondere sol-che Projekte begleiten, die von einemexternen Entwicklungsträger bearbei-tet werden,

• Koordinierungsbüros, die als eine ArtGeschäftsstelle vor allem bei größerenMaßnahmen eingerichtet werden.

Finanzielle Ausgleichs-regelungen zwischen denPartnern

Fairer InteressenausgleichWesentliche Bestandteile sämtlicher Ver-einbarungen über die Entwicklung voninterkommunalen Gewerbegebieten sind

Abb. 9: Zusammensetzung der kommunalen Ein-nahmen in den Flächenländern Deutschlands 2009

Datengrundlage: Bundesvereinigung der kommunalenSpitzenverbände, Kommunalfinanzen 2009 bis 2011, S. 2

in Prozent15

14

2

6

932

5

17 Gewerbesteuereinnahmen

Einkommensteueranteil

Umsatzsteueranteil

Weitere Steuereinnahmen(z.B. Grundsteuer)

GebührenZuweisungen von Land/BundInvestitionszuweisungen Land/Bund

Sonstige Einnahmen

Rechtsformen interkommunaler Gewerbegebiete in Nordrhein-Westfalen 2010

Rechtsform Anzahl der Gebiete

Öffentlich-rechtliche Vereinbarung 18

Zweckverband 5

Kommunale Anstalt öffentlichen Rechts 1

Kommunale Arbeitsgemeinschaft 2

Planungsverband 2

Raumordnerischer Vertrag 3

GmbH 14

Noch nicht entschieden 7

Mehrfachnennungen sind möglich, da häufig Kombinationen aus öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Organisationsformen gewählt werden.Grundgesamtheit 37 Kooperationsprojekte (Eigene Erhebungen)

„Wenn Städte und Gemein-den ihre jeweiligen Auf-gaben nicht allein erfüllenkönnen, bieten geradeinterkommunale Koopera-tionen im Bereich derStadtentwicklung (gemein-same Gewerbegebietsaus-weisungen), [ … ] im Sinnedes Subsidiaritätsprinzipsdie Gewähr einer effektivenund bürgernahen Aufga-benwahrnehmung. [ .. ]Der Bund und die Ländermüssen interkommunaleKooperationen durch ver-stärkte Freistellung vonGenehmigungspflichtensowie auch durch eineprioritäre Berücksichtigungin Förderprogrammenunterstützen.““(Deutscher Städte- und Gemeindebund –DStTGB 2010. Forderungen für einezukunftsgerechte Stadtentwicklung: 6)

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Regelungen über Verteilung und Aus-gleich von Nutzen und Lasten, die durchdas gemeinsame Gebiet erzeugt wer-den. Sie sind auch notwendig, um vonvorneherein eine vertrauensvolle Grund-lage zu schaffen und spätere Ausein-andersetzungen zu vermeiden. Letztlichkann nur durch eine faire und trans-parente Regelung zur Kosten-Nutzen-Teilung der langfristige Erfolg des Koope-rationsprojektes gewährleistet werden.Aus den genannten Gründen vereinba-ren die Partner in ihren öffentlich-recht-lichen Vereinbarungen oder in denZweckverbandssatzungen zum Teil sehrdetaillierte Regelungen zur Verteilungvon Flächen, Kosten und Erträgen.3

Grundsätzliches Problem ist dabei, dasssich nur die direkten unmittelbarenEffekte wie Planungs-, Grunderwerbs-,Erschließungskosten, Einnahmen ausGrund- und Gewerbesteuer und Erlöseaus Grundstücksverkäufen relativ exaktbestimmen lassen. Die Berechnung undZuordnung indirekter Effekte wie Schaf-fung von Arbeitsplätzen, Zuzug von Ar-beitskräften und dadurch induzierte Er-höhungen der Einkommenssteueranteile,Zuwächse der Kaufkraft und Impulse fürdas lokale Gewerbe lassen sich dagegennur schwer ermitteln. Deshalb werden dieindirekten Effekte bisher auch nicht inden Vorteils-/Nachteils-Ausgleich einbe-zogen. Gegenstand der vertraglichen Re-gelungen sind insbesondere Vereinbarun-gen über die Verteilung der Kosten fürGrunderwerb, Baureifmachung und Er-schließung auf der einen Seite und die zuerwartenden Einnahmen aus Grund- undGewerbesteuer auf der anderen Seite.

Bei Gewerbegebietsplanungenwird die Bedeutung der Gewerbe-steuer häufig überschätztFür die deutschen Städte und Gemein-den ist die Gewerbesteuer weiterhin diewichtigste Steuerquelle (siehe Abb. 9).Im Jahre 2010 lag die Gewerbesteuer-einnahme beispielsweise bei insgesamt26,75 Mrd. Euro. Damit war sie gegen-über 2009 um 8,6 Prozent gewachsen.Sie wird sich auch 2011 voraussichtlichähnlich gut entwickeln (Bundesvereini-gung der kommunalen Spitzenverbände2011).Im Einzelfall – beispielsweise bei Gewer-begebietsplanungen – werden die Ge-werbesteuermehreinnahmen durch dieGebiete aber meist völlig überschätzt,

denn die Gemeindefinanzierungsgesetzeder Länder sorgen dafür, dass erhebli-che Teile der zusätzlichen Steuereinnah-men durch die kommunalen Finanzaus-gleichssysteme abgeschöpft werden (Ifo.Institut für Wirtschaftsforschung 2008:83).Denn bei zusätzlichen „Gewerbesteuer-einnahmen kommt es beispielsweise zu• einem Anstieg der Gewerbesteuerum-lage,

• einem Anstieg der Kreis- bzw. Land-schaftsumlage und

• einem Rückgang der Schlüsselzuwei-sungen aus dem kommunalen Finanz-ausgleich.

Hierbei ist zu beachten, dass die einzel-nen Komponenten sich gegenseitig be-einflussen“ (Ifo. Institut für Wirtschaftsfor-schung 2008: 141f).

So sorgten beispielsweise die Parame-ter des Gemeindefinanzierungsgesetzes(GfG) NRW 2007 dafür, dass voneinem Euro zusätzlicher Gewerbesteuer-einnahmen durchschnittlich 89 Centdurch das Finanzausgleichssystem ab-geschöpft wurden. Dabei lässt sich beider Abschöpfungsquote ein deutlicherNiveauunterschied zwischen den 47abundanten Gemeinden (Abschöpfungs-quote 57I%) und den 349 nicht-abun-danten Gemeinden (Abschöpfungsquo-te 93%) ausmachen (InnenministeriumNordrhein-Westfalen. 2011. Ifo. Institutfür Wirtschaftsforschung 2008: 143ff).(Abundante Gemeinden erhalten keineSchlüsselzuweisungen, da ihre Steuer-kraft(-messzahl) die Ausgangsmesszahlerreicht bzw. übersteigt (Innenministeri-um Nordrhein-Westfalen 2011).

Bei sechzehn Gemeinden lag dieAbschöpfungsquote über 100%. Dassind Gemeinden, die eigenverantwortlicheinen deutlich unter dem fiktiven Hebe-satz liegenden niedrigen Gewerbesteu-erhebesatz gewählt haben. Sie erleidensogar einen Einkommensverlust, wennsie zusätzliche Gewerbesteuereinnah-men generieren. „Denn je niedriger eineGemeinde ihren Hebesatz im Vergleichzum fiktiven Hebesatz wählt, umsohöher fällt die Abschöpfungsquote aus“(Ifo. Institut für Wirtschaftsforschung2008: 144).

Der fiktive Hebesatz bei der Gewerbe-steuer wird im Entwurf des Gemeindefi-nanzierungsgesetzes 2011 von 403 auf411 angehoben, da „infolge der gestie-genen tatsächlichen Realsteuersätze inden vergangenen Jahren und darausresultierend dem höheren gewogenenLandesdurchschnitt [...] eine Anpassungder fiktiven Hebesätze erforderlich“ ist(Innenministerium Nordrhein-Westfalen2010: 5).

Da nach aktuellem Stand 190 von 396Kommunen einen Steuersatz unterhalbdes neuen fiktiven Hebesatzes von 411erheben, werden die Abschöpfungsquo-ten entweder noch höher als bisher oderdie Gemeinden passen ihre tatsäch-lichen Steuersätze nach oben an diefiktiven an (Berude 2011: 21).

Grundsätzlich ist zu kritisieren, dass fürdie Kommunen durch das kommunaleFinanzausgleichssystem und seine hohenAbschöpfungsquoten kaum noch Anrei-ze bestehen, Gewerbegebiete auszuwei-sen. Hier wäre eine grundsätzliche Struk-

Grafschafter Gewerbepark Genend der Städte Moers, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg

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turreform erforderlich, um die Erfolge lo-kaler Standort- und Wirtschaftspolitik vorOrt auch wieder zu belohnen (Industrieund Handelskammern NRW 2009: 9).

Empfehlungen für die Verein-barungen zum InteressenausgleichDa die Realsteuermehreinnahmen aus(interkommunalen) Gewerbegebieten we-gen des kommunalen Finanzausgleichs-systems oftmals sehr gering sind, lohntes sich meist nicht, sie mit großem Erhe-bungs- und Verrechnungsaufwand über-haupt zu erfassen. Der Aufwand stündein keinem Verhältnis zum Ertrag. Statt-dessen sollte so pragmatisch verfahrenwerden, wie das im Grafschafter Gewer-bepark Genend schon lange getan wird:Die Investitionskosten werden zwischenden Partnern aufgeteilt, laufende Erträgein das Gebiet zur Deckung der Kosten(der Unterhaltung und Erneuerung öf-fentlicher Anlagen) eingesetzt (Kaiser2007).

Alternativ könnte auch eine Vorgehens-weise genutzt werden, die im Landes-planerischen Vertrag für den Gewerbe-flächenpool Kleve festgelegt ist. „Etwai-ge verbleibende zwischengemeindlicheVor- und Nachteile sehen die Vertrags-partner über den kommunalen Finanz-ausgleich, die Kreisumlage sowie dieEffekte der Schaffung zusätzlicher Ar-beitsplätze auf die sozio-ökonomischeEntwicklung des Kreisgebietes insge-samt als ausgeglichen an“ (Land NRWund Kreis Kleve 2010: § 1 Abs. 4).

VermarktungVor Planung eines neuen interkommuna-len Gewerbegebietes sollten die Kern-kompetenzen der Gesamtregion ermitteltund für das konkrete Projekt entspre-chende Branchenschwerpunkte und Un-ternehmenssegmente ausgemacht wer-den. Auf der Basis dieser Analyse kannein gezieltes Vermarktungskonzept fürdie qualitativ hochwertigen und bedeut-samen interkommunalen Gewerbestand-orte entwickelt werden. Dabei sollte derAspekt der Cluster- und Netzwerkbil-dung eine große Rolle einnehmen: Effi-ziente Netzwerke fördern wirkungsvollKooperationen und unterstützen dieInnovationskraft und Wettbewerbsfähig-keit der regionalen Unternehmen (AGIT2009: 16).

Um für Investoren den Zugang zur Regi-on zu erleichtern, muss für sie einzentraler Ansprechpartner zur Verfügungstehen. Auch das Angebot weitergehen-der Serviceleistungen „aus einer Hand“ –z. B. Unterstützung bei Behördenkontak-ten, Fördermittel- und Existenzgründer-beratung – erhöht die Attraktivität desGebietes.

Die weitaus meisten Gewerbeflächenan-käufe tätigen – neben den Existenzgrün-dern – die lokal oder regional schonansässigen Unternehmen für Betriebser-weiterungen und Betriebsverlagerungen.Dagegen genießen internationale Un-ternehmensansiedlungen in Politik undWirtschaftsförderung zwar besondereAufmerksamkeit und hohe Priorität, inder Praxis bilden sie jedoch nur ein klei-nes Segment des gesamten regionalenGewerbeflächenmarktes ab. Das zeigenu.a. die Ergebnisse des Gewerbeflächen-monitorings der Region Aachen: Dortspielten sich von 2003 bis 2009 über95 % der Grundstücksverkäufe auf loka-

ler und regionaler Ebene ab, währendder Anteil der Ansiedlungen von außer-halb Nordrhein-Westfalens bei unter 5I%lag (AGIT 2009: 16).

Marketingmaßnahmen dürfen deshalbnicht nur auf Neuansiedlungen ausge-richtet sein, sondern müssen minde-stens gleichrangig die eigene Regioneinbeziehen. Die Bestandspflege derortsansässigen Unternehmen ist vongroßer Bedeutung, damit sie bei einerggf. notwendigen Standortverlagerung inder Region gehalten werden. In jedemFall sollten Vermarktungsrichtlinien undMaßgaben für die Behandlung von An-siedlungs-, Verlagerungs- oder Erweite-rungsnachfragen erarbeitet und verein-bart werden.

Grundsätzlich sollte eine gemeinsameVermarktungsstrategie darauf abzielen,Konkurrenzen um Ansiedlungen abzu-bauen und gemeinsame Stärken heraus-zustellen. Das Standortmarketing müss-te zu einem umfassenden, alle Maßnah-men im Raum integrierenden und koor-dinierenden Regionalmarketing entwik-kelt werden. Nicht zuletzt sollten durchaktive Presse- und Öffentlichkeitsarbeitund Werbeaktivitäten potentiellen Nach-fragern die Standortvorteile der Regionnähergebracht werden.

Finanzielle FörderungDas Operationelle Programm des Lan-des „NRW-EU Ziel 2-Programm 2007 –2013“ im Rahmen der EU-Strukturpoli-tik stellt im Schwerpunkt „NachhaltigeStadt- und Regionalentwicklung“ für dasZiel, Entwicklungshemmnisse zu beseiti-gen und die Standortfaktoren so zu ver-bessern, dass die Attraktivität für wis-sensbasierte Ökonomien steigt, Förder-mittel von jährlich etwa 32 Mio. € zur

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Empfehlungen für eine erfolgreicheEntwicklung interkommunalergewerblicher Kooperationsprojekte

Frühzeitig verbindliche Vereinba-rungen treffen

Übergeordnete Planungsebeneneinbinden

Fairen Nutzen-/Lastenausgleichgewährleisten

Verlässliche Kooperations- undNetzwerkstrukturen schaffen

Koordinierungsstelle einrichten

Arbeitsebene und Steuerungs-ebene schaffen

Entscheider einbinden

Team und Teamgeist entwickeln

Information und Mitsprache allerBeteiligten gewährleisten

Kontinuität in der Besetzung derGremien sicherstellen

Gemeinsame und abgestimmteVermarktung organisieren

Neben internationalen Neuansied-lungen auch an Betriebsverlage-rungen aus der Region denken

Aktive Öffentlichkeitsarbeitbetreiben

Weitere, über die Gewerbeplanun-gen und -vermarktungen hinaus-gehende Kooperationen prüfen

ILS – Institut für Landes- undStadtentwicklungsforschung

„Die MKRO spricht sichdafür aus, dass: [ .. ] dieinterkommunale und regio-nale Kooperation bei derAbstimmung des Siedlungs-flächenbedarfs, bei derUmsetzung stadtregionalerFreiraumkonzepte sowiebei der Entwicklunginterkommunaler Gewerbe-gebiete gestärkt wird“.(Ministerkonferenz für Raumordnung2010: 5)

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Verfügung. Sie sollen auf solche Stand-orte konzentriert werden, die erkennbareDefizite und Bedarfe aufweisen, die daswirtschaftliche Wachstum behindern(Scholz 2007: 5).

Für die bevorzugt interkommunalenund interregionalen Projekte sind vordem Hintergrund der aktuell ausreichendverfügbaren Gewerbeflächen regionalabgestimmte Konzepte, nachgewieseneBedarfe und Umsetzungsstrategien För-dervoraussetzungen. Förderpriorität desSchwerpunkts haben Projekte in re-gionaler Trägerschaft, interkommunaleProjekte und Public-Private-Partnership-Projekte (Scholz 2007: 6).

Interkommunale undregionale Gewerbegebiets-projekte – Gute Beispiele

Interkommunales GewerbegebietGrevenbroich – RommerskirchenIn unmittelbarer Nachbarschaft zu denBraunkohlenkraftwerken, die der RWE-Konzern zurzeit in Grevenbroich – Neu-rath errichtet, ist ein 15,3 ha großesinterkommunales Gewerbegebiet in Pla-nung (IHK Mittlerer Niederrhein 2010).

Partner sind die Stadt Grevenbroich, dieGemeinde Rommerskirchen und RWEPower. Planung, Grundstückserwerb und

Erschließung des Gebietes will der RWE-Konzern übernehmen. Hauptziel desProjektes ist die Nutzung der Synergieef-fekte, die sich durch die räumliche Nähedes künftigen Gewerbe- und Industrie-gebietes mit den Braunkohlekraftwerkenund insbesondere ihrer Abwärme erge-ben werden. Das Areal ist deshalb pri-mär für solche Unternehmen gedacht,die entweder für die Produktion IhrerErzeugnisse viel Strom oder Wärmebenötigen (beispielsweise eine Papierfa-brik) oder die Zulieferer oder Dienst-leister für die RWE-Kraftwerke sind.Wenn alles planmäßig läuft, werdennach Angaben des StadtplanungsamtesGrevenbroich ab 2012 auf dem Gebieteinige hundert neue Arbeitsplätze ent-stehen (Sommerfeld 2010).

Grafschafter Gewerbepark Genend –Gelungenes Modellprojekt für eininterkommunales GewerbegebietDer Grafschafter Gewerbepark Genendwurde Anfang der 1990er Jahre ge-meinsam von den vier niederrheinischenStädten Moers, Kamp-Lintfort, Neukir-chen-Vluyn und Rheinberg konzipiert. Erumfasst eine Bruttofläche von 110 haund erstreckt sich zu 75I% auf Moerserund zu 25I% auf Neukirchen-VluynerStadtgebiet.

1992 bekundeten die Räte der vierStädte durch Ratsbeschlüsse ihren ge-

meinsamen Willen zur Entwicklung desGewerbeparks.1996 unterzeichneten sieeine öffentlich-rechtliche Vereinbarungzur Realisierung des Gemeinschaftspro-jektes „Grafschafter Gewerbepark Ge-nend“. Mit diesem Projekt verfolgten siedas Ziel, die regionale Branchenvielfaltzu fördern, das Arbeitsplatzangebot zusichern und zu erweitern. Die StadtMoers als einwohnerstärkste Stadt über-nahm zunächst die Federführung fürdie Zusammenarbeit. Eine Vier-Städte-Arbeitsgruppe begleitete die Arbeit(Kamp-Lintfort, Moers, Neukirchen-Vluynund Rheinberg 1996: Präambel).

Ab 1996 übernahm eine gemeinsameProjektgesellschaft die operativen Aufga-ben der Entwicklung wie Grunderwerbund Erschließung. Durch das gemein-schaftliche Vorgehen ist zwischenzeitlichein zusammenhängender, stadtnaher Ge-werbepark mit optimaler Lage und her-vorragender Verkehrsanbindung (A 57)entstanden. Schon das Verhältnis von60 ha Baufläche zur 110 ha großenGesamtfläche macht deutlich, dass vielWert auf eine hochwertige Gestaltungs-qualität mit umfangreichen Grünpoten-tialen gelegt worden ist. Auf der Grund-lage des vorhandenen Rahmenplans,dem sog. „Grünen Rahmen“, sind über-schaubare Gewerbeeinheiten für ver-schiedene Branchen und Nutzergrup-pen gebildet worden, die ansiedlungs-

Angesiedelte Betriebe

Abb. 10: Gewerbepark GenendVermarktungsstand 2011

Angesiedelte BetriebeQuelle:Grafschafter GewerbeparkGenend GmbH, LEG NRW

Abb. 11: newPark Datteln undregionale Kooperationspartner

Kartengrundlage: ILS

0 5 10 15 20 Kilometer

newParknewParknewPwPwP rknnnnn

Dortmund

HalternDorsten

Marl

Kreis Unna

WerneSelm

Lünen

Datteln

Olfen

BönenKamen

Herten Waltrop

Schwerte

Fröndenberg

KreisRecklinghausen

Bergkamen

Glad-beck Castrop-

Rauxel

Oer-Erken-

schwick

Holz-wickede

Ruhr

Emscher

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10

Regional bedeutsameGewerbeflächen

Kreis Euskirchen

Kreis Düren

Kreis

Aachen

Erftkreis

BELGIEN

Kreis Heinsberg

K

Kreis Neuss

K

Köln

D

Aachen

Mönchen-Gladbach

Regional bedeutsameGewerbeflächen

BELGIEN

ErftkreiskreiErftkreis

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Kreis Düren

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Aachen

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0 5 10 15 20 Kilometer

NIEDERLANDE

Abb. 12: Region AachenBewertungskriterien für eine „Regional bedeutsame Gewerbefläche“– nach AGIT 2010

Kategorie Kriterien

Fläche Verfügbare GewerbeflächenEntwicklungsreserve und -potenzialVeräußerungsaktivitätFlexibilität und Restriktionen

Infrastruktur Überörtliche Erreichbarkeit (insb. Autobahnanschluss)Erschließung des Gewerbegebietes

Wirtschaft Bedeutung des WirtschaftsstandortesAusreichend qualifiziertes PersonalRegional bedeutsame UnternehmenRegionalwirtschaftliches ProfilVermarktungspolitik

Raum/ Gestalt- und AufenthaltsqualitätNachhaltigkeit Gewerbegebietsspezifische Kooperationen/Organisation

Ansätze nachhaltiger EntwicklungRestriktionen durch SchutzzweckeSiedlungsstrukturelle/landschaftliche Einbindung

Eigene Darstellung nach AGIT (2010)Regionales Gewerbeflächenkonzept für die Region Aachen Fortschreibung 2009. S. 17

willigen Unternehmen zu einem Preisvon 30,50 € je qm angeboten werden(„wir4“ 2011).

Die Vermarktung des Gewerbeparkswurde 2000 von der neugegründeten„wir4 – Wirtschaftsförderung für Moers,Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn undRheinberg“ übernommen. Seit dem Zeit-punkt nimmt „wir4“ als eine rechtlichselbständige Anstalt öffentlichen Rechts(nach § 114 a GO NRW) auch Aufgabender Wirtschaftsförderung für die beteilig-ten Städte wahr und vermarktet alleGewerbeflächen der vier Partnerstädte(„wir4“ 2000).

Die städteübergreifenden Vermarktungs-aktivitäten führten zu wachsender Nach-frage und deutlich gestiegenen Vermark-tungserfolgen in der gesamten wir4-Region (siehe Abb. 10). „Ausschlagge-bend ist die Standortqualität mit der her-vorragenden Infrastruktur, der Nähe zuden Wirtschaftszentren an Rhein undRuhr, dem hohen Potenzial an qualifizier-ten Arbeitskräften und dem sehr gutenPreis-Leistungsverhältnis der Gewerbe-flächen“ („wir4“ 2011).

NewPark Datteln – „Premium-Standort für großflächige Industrie“Mit newPark Datteln entsteht in derEmscher-Lippe-Region ein gewerblichesKooperationsprojekt von landesweiter

Bedeutung. 22 Städte (darunter Dort-mund mit einem Gesellschaftsanteilvon 15I% an der newPark GmbH) undzwei Kreise (Unna und Recklinghausen)haben sich zusammengetan, um aufdem Gebiet der Stadt Datteln dennewPark als herausragenden Standortfür flächenintensive industrielle und ge-werbliche Großvorhaben mit besondererBedeutung für die wirtschaftliche Ent-wicklung des Landes zu positionieren(Datteln 2011).

Zielsetzung aller Projektbeteiligten ist es,großflächigen Industrieunternehmen imnewPark einen attraktiven Standort inder Metropole Ruhr zu bieten und durchUnternehmensansiedlungen neue Ar-beitsplätze und Ausbildungsplätze zuschaffen. Ein ganzes Bündel von Stand-ortvorteilen soll helfen, dieses Ziel zuerreichen. Dazu gehören flexible Nut-zungsstrukturen, ein hoher Gestaltungs-wert und ein Parkmanagement mitumfassenden Dienstleistungsangeboten(Datteln 2011).

Der Kernbereich des Gesamtareals (136ha vermarktbare Fläche) ist Industriebe-trieben vorbehalten, die größer als 10 hasind. Ein angrenzender Ergänzungsbe-reich soll kleineren Industrie- und Gewer-beunternehmen Platz bieten, die zwi-schen 3 und 10 ha Fläche benötigen.Um keine Konkurrenzsituation mit den

Nachbarstädten herbeizuführen, darf essich hierbei aber ausschließlich um Zu-lieferbetriebe handeln (Dortmund 2010).Das Flächenangebot wird durch einenForschungs- und Technologiebereich ab-gerundet. Die Anbindung an das über-regionale Verkehrsnetz wird durch dieB 474n erfolgen. Erste Ansiedlungenwerden voraussichtlich ab 2013 möglichsein (Datteln 2011).

Das Rheinisch-Westfälische Institut fürWirtschaftsforschung hat ermittelt, dassdurch die Entwicklung von newPark15.000 bis 23.000 Arbeitsplätze entste-hen können, davon etwa 13.000 auf dernewPark-Fläche Datteln/Waltrop (Dort-mund 2010).

Regionales Gewerbeflächenkonzeptfür die Region AachenMit dem „Regionalen Gewerbeflächen-konzept für die Region Aachen“ (Fort-schreibung 2009) werden drei Ziele ver-folgt: Aussagen zum regionalen Flächen-angebot und Flächenbedarf zu treffen,Kriterien für die Auswahl „Regionalbedeutsamer Gewerbeflächen“ zu be-nennen und zentrale Zukunftsfragen derGewerbeflächenentwicklung anzugehen(AGIT 2010: 4).

Was das erste Ziel anbetrifft, so habendie Berechnungen der AGIT ergeben,dass die Gewerbeflächenreserven für

ILS – Institut für Landes- undStadtentwicklungsforschung

Kartengrundlage: ILSDatengrundlage: AGIT mbH,Regionales Gewerbeflächenkonzeptfür die Region Aachen 2009

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15 bis 22 Jahre reichen, sich aber sehrungleichmäßig über die Region verteilen(AGIT 2010: 13).

Bei den Kriterien für die Auswahl derGewerbeflächenstandorte kann in derRegion Aachen auf zwei wichtige Vorar-beiten zurückgegriffen werden: dem„Anforderungsprofil für regional bedeut-same Gewerbeflächen“ von 2006 undden Überlegungen des ersten regionalenGewerbeflächenkonzepts von 1998. Da-rüber hinaus kann auf die im Rahmendes AGIT-Gewerbeflächen-Monitoringserfassten Veräußerungen abgehobenwerden (AGIT 2010: 15ff).

Gerade weil sich die Region Aachen ineinem europäischen und globalen Wett-bewerb befindet, halten die Konzepter-steller es für wichtig, die für die (inter-)nationale Ansiedlungswerbung beson-ders geeigneten und qualitativ hochwer-tigsten Gewerbeflächenstandorte her-auszuarbeiten. Nach den Erkenntnissender AGIT spielen zwei Faktoren dabeieine entscheidende Rolle: Die Bereitstel-lung eines in quantitativer Hinsicht aus-reichenden, flexiblen und infrastrukturellvoll ausgestatteten Flächenangebotessowie eine optimale überregionale Er-reichbarkeit des Standortes. Mit Hilfedieser beiden Faktoren ergibt sich für dieRegion Aachen ein Ranking von insge-samt vierunddreißig relevanten Gewer-

begebieten. Davon werden jeweils drei-zehn Standorte als „Regional bedeutsa-me Gewerbefläche“ und als „Überörtlichbedeutsame Gewerbefläche“ eingestuftund die restlichen acht als zu „Entwik-kelnde regional und überörtlich bedeut-same Gewerbeflächen“ (AGIT 2910: 20ff).Um auch das dritte Ziel des Gewerbeflä-chenkonzepts zu erreichen, nämlich dierichtungsweisenden Zukunftsfragen derGewerbeflächenentwicklung anzugehen,will die AGIT im Rahmen von „Zukunfts-foren“ den Know-how-Transfer aus an-deren Ländern, Regionen und Gemein-den zu aktuellen und wichtigen Themen-feldern anregen (AGIT 2010: 31f).

Virtueller Gewerbeflächenpoolim Kreis KleveIm Jahr 2010 schließen das Land Nord-rhein-Westfalen (Bezirksregierung Düs-seldorf) und alle Städte und Gemeindendes Kreises Kleve einen landesplaneri-schen Vertrag zur Entwicklung und Rea-lisierung des „Virtuellen Gewerbeflächen-pools“ im Kreis Kleve ab (Land NRWund Kreis Kleve 2010) (siehe Abb. 8).

Mit diesem Pool streben sie eine inter-kommunal abgestimmte Steuerung derGewerbeflächenentwicklung an. Damitsoll im Interesse der wirtschaftlichen Ent-wicklung der Region räumlich und zeit-lich flexibler auf Nachfragen nach Ge-

werbeflächen reagiert wer-den können – natürlichinnerhalb eines vorge-gebenen Mengengerüsts.Darüber hinaus soll gera-de dieser nachfrageorien-tierte Ansatz auch dazudienen, die Inanspruch-nahme neuer, freier Flä-chen für Siedlungs- undVerkehrszwecke zu redu-zieren und damit den Frei-raum zu schützen (Be-zirksregierung Düsseldorf2010: Anlage 2).

Mit dem landesplaneri-schen Vertrag werdenauch die Voraussetzungenzur Änderung der regio-nalplanerischen Gewerbe-flächendarstellung durchein neues, vom Regional-rat Düsseldorf für denKreis Kleve aufzustellen-des textliches Ziel der

Raumordnung geschaffen. Gegenstanddieses textlichen Ziels ist ein Flächenkon-to, das die Städte und Gemeinden desKreises Kleve in Anspruch nehmen kön-nen, um gewerbliche und industrielle Nut-zungen bauleitplanerisch zu entwickeln.Beim Anpassungsverfahren nach § 34Landesplanungsgesetz (LPlG) bedarf esbei Abbuchungen aus diesem Flächen-konto dann keiner weiteren regional-pla-nerischen Bedarfsprüfung mehr (Bezirksr-egierung Düsseldorf 2010: Anlage 3).

Das Flächenkonto bildet einen virtuellenMengenpool ab, dessen Gesamtgrößesich aus den von den vertragschließen-den Kommunen zum Startzeitpunkt ein-gebuchten Flächen (194 ha) bestimmt.Diese bisherigen GIB werden im Re-gionalplan zeichnerisch nun nicht mehrals Siedlungsbereiche, sondern als Frei-raum dargestellt. Das Flächenkonto wirdim Rahmen des RegionalplanerischenSiedlungsflächenmonitorings durch dieRegionalplanungsbehörde geführt (LandNRW und Kreis Kleve 2010: 7).

Ein- und abbuchungsberechtigt sind allevertragsunterzeichnenden Städte undGemeinden des Kreises Kleve. Abbu-chungen sind grundsätzlich nur vom vor-handenen Umfang des Flächenkontos,nicht jedoch vom Umfang der individuellvorgenommenen Einbuchungen von Flä-chen abhängig. Die Obergrenze für eineeinzelne Abbuchung beträgt 10 ha (LandNRW und Kreis Kleve 2010: 9).

Abbuchungen sind bei der Regionalpla-nungsbehörde anzuzeigen und unterlie-gen zudem spezifizierten Voraussetzun-gen: Die abzubuchende Fläche darf nichtBestandteil eines Restriktionsraums sein,soll bestehende Siedlungen abrundenund vor allem muss ein konkretes tat-sächliches Nutzungsinteresse eines odermehrerer Investoren vorliegen.

Die Regionalplanungsbehörde wird nachvierjähriger Laufzeit des Gewerbeflächen-pools eine Evaluierung durchführen undeine Empfehlung über die Weiterführungoder das Auslaufen des Modells abge-ben. Eine Weiterführung des vorerst auffünf Jahre abgeschlossenen Vertrageswürde automatisch erfolgen. Bei einemAuslaufen bedürfte es einer angemesse-nen Rückabwicklung durch die Betei-ligten und der Wiederherstellung desfrüheren Zustands (Land NRW und KreisKleve 2010: 10).

Abb. 13: Kreiskarte WFG Kleve

Quelle:Wirtschaftsförderung Kreis Kleve GmbH

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12 trends 1/11

Fazit und Ausblick

Die Bereitstellung von nachfragegerech-ten Gewerbeflächen bleibt eine wichtigeAufgabe der kommunalen und regiona-len Wirtschafts- und Beschäftigungs-förderung, weil sie eine unabdingbareVoraussetzung für die Ansiedlung neuerund die Bestandssicherung ansässigerUnternehmen ist. In vielen Regionen gibtes zwar genügend Gewerbeflächen. Dasie häufig aber nicht bedarfsgerecht undwenig profiliert sind, birgt ihre Nicht-oder Unternutzung die Gefahr, dass sielangfristig das Kapital der Kommunenbinden, ohne dass sie einen erkennba-ren Nutzen für die Wirtschaft erbringen.Interkommunale Gewerbegebiete dage-gen spielen eine immer wichtiger wer-dende Rolle, da sie im Idealfall vorhan-dene Brachen nutzende, regional be-deutende, verkehrsgünstig gelegene, aufDauer konfliktarme, hochwertige Indu-strie- und Gewerbeflächen mit optimalenStandorteigenschaften sind. Durch dieBündelung gemeinsamer Stärken schaf-fen sie die Basis für eine zukunftsgerich-tete Ausrichtung der Unternehmen aufeinem zentrierten Standort, der Füh-lungsvorteile bietet und sich global ver-markten lässt.

Vor Planung und Entwicklung von inter-kommunalen und größeren kommunalenGewerbegebieten sollte mit der gesam-ten Region ein umfassendes Gewerbe-flächenkonzept erarbeitet und abge-stimmt werden, das neben dem Nach-weis des regionalen Flächenbedarfs, derDarstellung der bedeutsamen Gewerbe-flächen auch eine Entwicklungsstrategieenthält, mit welchen Instrumenten undFinanzierungshilfen das Konzept umge-setzt werden kann. Darüber hinaussollten vorab die Kernkompetenzen derGesamtregion ermittelt, entsprechendeBranchenschwerpunkte und Unterneh-menssegmente ausgemacht und daraufaufbauend gezielte Vermarktungskon-zepte für die hochwertigen und be-deutsamen Gewerbestandorte entwik-kelt werden, die letztlich in ein umfas-sendes, alle Maßnahmen im Raum inte-grierendes und koordinierendes Regio-nalmarketing münden.

Anmerkungen1 Wuschansky, Bernd (2011): Interkommunale Gewer-begebiete in NRW. Aktualisierung. UnveröffentlichtesManuskript. ILS. 42 S.; Wuschansky Bernd, KönigKristina (2006): Interkommunale Gewerbegebiete inDeutschland. Grundlagen und Empfehlungen zur Pla-nung, Finanzierung, Organisation, Vermarktung – 146Projektbeschreibungen und abgeleitete Erkenntnisse“.ILS NRW Schrift 200; Holtel, Wuschansky (2002):„Interkommunale Gewerbegebiete in Nordrhein-West-falen“. ILS NRW Schrift 162;2 Der Median ist deshalb aussagekräftiger, weil er dieGrundgesamtheit aller Gewerbegebiete in zwei gleichgroße Hälften teilt und so den hohen Anteil relativgroßer Gewerbeflächen außen vorlässt.3 In der ILS-Schrift 182 sind 25 Verträge im Wortlautabgedruckt.

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ISSN: 1867-6790