im fokus - IEF...2017/04/08  · 2 Verlagssonderseiten Die Tagespost Samstag,8.April 2017 Nr.42/Nr....

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Abtreibung in Deutschland Trauriges Alltagsphänomen: Seite 2 Wie Abtreibungen unser Leben verändern – ein Essay Kompromisslos für das Leben: Seite 3 Warum der heilige Johannes Paul II. Recht hatte Frauen hinter den Zahlen: Seiten 4 und 5 Schwangerschaftskonflikte und ihre Ursachen Positiv, ermunternd, ermutigend: Seite 6 Eine Pro Femina-Beraterin gibt Einblick in ihre Arbeit Von der Peripherie ins Zentrum: Seite 7 Babyflaschen-Aktion zeigt Not ungewollt Schwangerer Die absolut beste Entscheidung: Seite 8 Wie Frauen die Beratung von Pro Femina wahrnehmen Allein im Jahr 2016 wurden dank 1000plus weit über 3 500 Frauen beraten. Fotos: 1000plus Hilfe statt Abtreibung Wie sich das Projekt 1000plus definiert 1000plus ist ein Kooperationsprojekt der Vereine Pro Femina e.V., Die BIRKE e.V. und der Stiftung Ja zum Leben. Ziel dieser Ko- operation ist es, eine Beratungsstruktur für viele tausend Frauen im Schwangerschafts- konflikt aufzubauen. Durch das Angebot objektiver Infor- mation, bestmöglicher Beratung und kon- kreter Hilfe sollen Entscheidungen für das Leben ermöglicht werden. Daneben hat 1000plus es sich zur Aufgabe gemacht, mit- hilfe öffentlichkeitswirksamer Wort-, Bild- und Informationskampagnen einerseits auf die Not von Schwangeren im Konflikt, an- dererseits auf die Würde, den Wert und die Schönheit jedes Menschen aufmerksam zu machen. Im Jahr 2016 wurden im Rahmen von 1000plus insgesamt 3 628 Schwangere von zuletzt 21 Beraterinnen beraten. Die Bera- tungsorganisationen von 1000plus stellen keine Beratungsscheine nach § 219 StGB aus. Die Beratung wird zu 100 Prozent aus Spenden finanziert. Kristijan Aufiero. Abtreibung in Deutschland – interessiert es uns? Liebe Leserinnen und Leser der Tagespost, es stockt einem der Atem beim Gedanken an die Millionen von ungeborenen Kin- dern, die in den vergangenen Jahrzehnten noch im Mutterschoß getötet worden sind. Ich habe keine Zweifel daran, dass unsere Welt wärmer, schöner, fröhlicher, dass es einfach eine bessere Welt wäre, wenn all diese Menschen am Leben geblie- ben wären. Wie viel Liebe ist verloren gegangen? Wie viel Freude? Wie viel Freundschaft, Zärtlichkeit und Wärme, wie viel Dankbar- keit und Wertschätzung fehlen, weil die Menschen nicht mehr da sind, die sie hät- ten schenken können? Wie viel Glück konnte nicht vergrößert werden und wie viel Leid nicht geschmälert, weil niemand da war, um es zu teilen? Wie viel Großzü- gigkeit fand keine Beschenkten, wie viele Träume konnten nicht in Erfüllung ge- hen? Wie viele Wünsche konnten nicht Wirklichkeit, wie viel Lebenssinn nicht ge- stiftet werden? Sie fehlen uns, diese Kleinen, die alle einmal „groß und stark“ geworden wären. Diese Väter und diese Mütter, diese Brüder und diese Schwestern, diese Freundinnen und Freunde, diese Liebenden und Gelieb- ten, diese Schenkenden und Beschenkten. Was wäre aus ihnen allen geworden? Wir werden es nie erfahren. Was wir aber sicher wissen: Auch ihr Fehlen hat unsere Gesellschaft fundamental verändert. Als wir uns im Herbst 2009 gemeinsam mit der Stiftung „Ja zum Leben“ vorge- nommen haben, mit 1000plus ein Koope- rationsprojekt zu starten, um eines Tages 1 000 Frauen im Schwangerschaftskonflikt jährlich zu beraten, erschien das nicht we- nigen als eine – gelinde gesagt – verwegene Idee. So ein Wachstum innerhalb weniger Jahre? So viele Schwangere erreichen ohne staatliche „Beratungsscheine“? So ein gro- ßes Hilfsprojekt ohne staatliche Gelder, ohne kirchliche Trägerschaft und nur von Spenden finanziert? Wir haben fest daran geglaubt, dass Gottes Segen auf dem Vorhaben liegt, durch kompromisslose, tätige Barmherzig- keit die Abtreibung tausender ungebore- ner Kinder zu verhindern. Wir waren ent- schlossen, mutig neue Wege zu gehen, um viel mehr Schwangere erreichen und bera- ten zu können! Wir haben fest auf die Großherzigkeit vieler Menschen vertraut, die unser Anliegen teilen und sich ent- schieden hinter diese Frauen stellen wür- den! Wider Erwarten hatten wir unser Ziel schon im dritten Projekt-Jahr erreicht. Nicht nur das, bis heute erreichen uns so viele Beratungsanfragen, dass wir unsere Werbemaßnahmen im Internet regelmä- ßig einstellen müssen. Weil mehr Frauen anrufen oder E-Mails schreiben, als wir mit unseren personellen und finanziellen Ressourcen beraten können! Sie sehnen sich so sehr nach Anteilnahme, nach Wertschätzung, nach Freundschaft und nach einem Menschen, der ihnen sagt: „Du schaffst es!“ In ihren Herzen wün- schen sie sich, sie könnten das Geschenk des Lebens doch weitergeben. Sie sind ge- kränkt und verletzt, allein und gedemü- tigt. Sie sagen und schreiben uns, dass sie so gerne auf ihr Herz hören würden, dass sie ihre Babys schon fühlen können und furchtbare Angst vor der Abtreibung ha- ben. Und dann kommen immer wieder diese niederschmetternden Sätze: „Es gibt niemanden, der mich versteht“, „es tut wahnsinnig weh und ich habe keine Kraft mehr“ oder „ich schaffe es einfach nicht, ich kann nicht mehr“. Wenn man diese Sätze jeden Tag hört und liest, klingt das Gerede von „Neut- ralität“ und „Entscheidungsfreiheit“ nur noch wie Hohn und Zynismus. Bei 1000plus sind wir nicht neutral, und wir werden es niemals sein! Einer verzweifel- ten Frau im Schwangerschaftskonflikt zu sagen, dass man neutral ist, bedeutet in Wahrheit nichts anderes, als zu sagen: „Es ist mir egal, wie Du Dich entscheidest!“ Niemals wird es uns egal sein, wie diese Frauen sich entscheiden. Was wir diesen Frauen und den Babys schulden, die sie unter ihren Herzen tragen, ist nicht Neut- ralität, sondern Nächstenliebe! Deshalb werden wir weiterhin alles in unserer Macht stehende tun, um diesen Frauen zu helfen und mit ihnen gemeinsam tragfä- hige Lösungen erarbeiten, damit Entschei- dungen FÜR das Leben möglich werden. Bitte unterstützen Sie uns dabei! Kristijan Aufiero ist Initiator des Pro- jekts 1000plus und Vorsitzender des Vorstands von Pro Femina e.V. im fokus

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Page 1: im fokus - IEF...2017/04/08  · 2 Verlagssonderseiten Die Tagespost Samstag,8.April 2017 Nr.42/Nr. 14 ASZ November-Motiv des 1000plus-Kalenders 2017. Die königliche Würde des (geborenen

Abtreibungin Deutschland

Trauriges Alltagsphänomen: Seite 2Wie Abtreibungen unserLeben verändern – ein Essay

Kompromisslos für das Leben: Seite 3Warum der heilige JohannesPaul II. Recht hatte

Frauen hinter den Zahlen: Seiten 4 und 5Schwangerschaftskonflikteund ihre Ursachen

Positiv, ermunternd, ermutigend: Seite 6Eine Pro Femina-Berateringibt Einblick in ihre Arbeit

Von der Peripherie ins Zentrum: Seite 7Babyflaschen-Aktion zeigtNot ungewollt Schwangerer

Die absolut beste Entscheidung: Seite 8Wie Frauen die Beratungvon Pro Femina wahrnehmen

Allein im Jahr 2016 wurden dank 1000plus weit über 3 500 Frauen beraten. Fotos: 1000plus

Hilfe statt AbtreibungWie sich das Projekt 1000plus definiert

1000plus ist ein Kooperationsprojekt derVereine Pro Femina e.V., Die BIRKE e.V. undder Stiftung Ja zum Leben. Ziel dieser Ko-operation ist es, eine Beratungsstruktur fürviele tausend Frauen im Schwangerschafts-konflikt aufzubauen.

Durch das Angebot objektiver Infor-mation, bestmöglicher Beratung und kon-kreter Hilfe sollen Entscheidungen für dasLeben ermöglicht werden. Daneben hat1000plus es sich zur Aufgabe gemacht, mit-hilfe öffentlichkeitswirksamer Wort-, Bild-

und Informationskampagnen einerseits aufdie Not von Schwangeren im Konflikt, an-dererseits auf die Würde, den Wert und dieSchönheit jedes Menschen aufmerksam zumachen.

Im Jahr 2016 wurden im Rahmen von1000plus insgesamt 3628 Schwangere vonzuletzt 21 Beraterinnen beraten. Die Bera-tungsorganisationen von 1000plus stellenkeine Beratungsscheine nach § 219 StGBaus. Die Beratung wird zu 100 Prozent ausSpenden finanziert.Kristijan Aufiero.

AbtreibunginDeutschland –interessiert es uns?Liebe Leserinnen und Leser der Tagespost,es stockt einem der Atem beim Gedankenan die Millionen von ungeborenen Kin-dern, die in den vergangenen Jahrzehntennoch im Mutterschoß getötet wordensind. Ich habe keine Zweifel daran, dassunsere Welt wärmer, schöner, fröhlicher,dass es einfach eine bessere Welt wäre,wenn all diese Menschen am Leben geblie-ben wären.

Wie viel Liebe ist verloren gegangen?Wie viel Freude? Wie viel Freundschaft,Zärtlichkeit undWärme, wie viel Dankbar-keit und Wertschätzung fehlen, weil dieMenschen nicht mehr da sind, die sie hät-ten schenken können? Wie viel Glückkonnte nicht vergrößert werden und wieviel Leid nicht geschmälert, weil niemandda war, um es zu teilen? Wie viel Großzü-gigkeit fand keine Beschenkten, wie vieleTräume konnten nicht in Erfüllung ge-hen? Wie viele Wünsche konnten nichtWirklichkeit, wie viel Lebenssinn nicht ge-stiftet werden?

Sie fehlen uns, diese Kleinen, die alleeinmal „groß und stark“ geworden wären.Diese Väter und diese Mütter, diese Brüderund diese Schwestern, diese Freundinnenund Freunde, diese Liebenden und Gelieb-ten, diese Schenkenden und Beschenkten.

Was wäre aus ihnen allen geworden?Wir werden es nie erfahren. Was wir abersicher wissen: Auch ihr Fehlen hat unsereGesellschaft fundamental verändert.

Als wir uns im Herbst 2009 gemeinsammit der Stiftung „Ja zum Leben“ vorge-nommen haben, mit 1000plus ein Koope-rationsprojekt zu starten, um eines Tages1000 Frauen im Schwangerschaftskonfliktjährlich zu beraten, erschien das nicht we-nigen als eine – gelinde gesagt – verwegeneIdee. So ein Wachstum innerhalb wenigerJahre? So viele Schwangere erreichen ohnestaatliche „Beratungsscheine“? So ein gro-

ßes Hilfsprojekt ohne staatliche Gelder,ohne kirchliche Trägerschaft und nur vonSpenden finanziert?

Wir haben fest daran geglaubt, dassGottes Segen auf dem Vorhaben liegt,durch kompromisslose, tätige Barmherzig-keit die Abtreibung tausender ungebore-ner Kinder zu verhindern. Wir waren ent-schlossen, mutig neue Wege zu gehen, umviel mehr Schwangere erreichen und bera-ten zu können! Wir haben fest auf dieGroßherzigkeit vieler Menschen vertraut,die unser Anliegen teilen und sich ent-schieden hinter diese Frauen stellen wür-den!

Wider Erwarten hatten wir unser Zielschon im dritten Projekt-Jahr erreicht.Nicht nur das, bis heute erreichen uns soviele Beratungsanfragen, dass wir unsereWerbemaßnahmen im Internet regelmä-ßig einstellen müssen. Weil mehr Frauen

anrufen oder E-Mails schreiben, als wirmit unseren personellen und finanziellenRessourcen beraten können! Sie sehnensich so sehr nach Anteilnahme, nachWertschätzung, nach Freundschaft undnach einem Menschen, der ihnen sagt:„Du schaffst es!“ In ihren Herzen wün-schen sie sich, sie könnten das Geschenkdes Lebens doch weitergeben. Sie sind ge-kränkt und verletzt, allein und gedemü-tigt. Sie sagen und schreiben uns, dass sieso gerne auf ihr Herz hören würden, dasssie ihre Babys schon fühlen können undfurchtbare Angst vor der Abtreibung ha-ben. Und dann kommen immer wiederdiese niederschmetternden Sätze: „Es gibtniemanden, der mich versteht“, „es tutwahnsinnig weh und ich habe keine Kraftmehr“ oder „ich schaffe es einfach nicht,ich kann nicht mehr“.

Wenn man diese Sätze jeden Tag hörtund liest, klingt das Gerede von „Neut-ralität“ und „Entscheidungsfreiheit“ nurnoch wie Hohn und Zynismus. Bei1000plus sind wir nicht neutral, und wirwerden es niemals sein! Einer verzweifel-ten Frau im Schwangerschaftskonflikt zusagen, dass man neutral ist, bedeutet inWahrheit nichts anderes, als zu sagen: „Esist mir egal, wie Du Dich entscheidest!“

Niemals wird es uns egal sein, wie dieseFrauen sich entscheiden. Was wir diesenFrauen und den Babys schulden, die sieunter ihren Herzen tragen, ist nicht Neut-ralität, sondern Nächstenliebe! Deshalbwerden wir weiterhin alles in unsererMacht stehende tun, um diesen Frauen zuhelfen und mit ihnen gemeinsam tragfä-hige Lösungen erarbeiten, damit Entschei-dungen FÜR das Leben möglich werden.

Bitte unterstützen Sie uns dabei!

Kristijan Aufiero ist Initiator des Pro-jekts 1000plus und Vorsitzender desVorstands von Pro Femina e.V.

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2 Verlagssonderseiten Die Tagespost Samstag, 8. April 2017 Nr. 42 / Nr. 14 ASZ

November-Motiv des 1000plus-Kalenders 2017. Die königliche Würde des (geborenen wie ungeborenen) menschlichen Lebens muss heute mehr denn je proklamiert werden. Foto: 1000plus

DerWert des Lebens sinktWie Abtreibungen unser Leben verändern – Und das, was wir darunter verstehen. Ein Essay VON JOSEF BORDAT

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.Die beiden jungen Damen kreuzten ur-plötzlich meinen Weg, bauten sich vor

mir und einigen Kindern, die neben mirgingen, auf und deuteten auf ein Plakat, dasein Farbfoto eines vielleicht zehn Wochenalten Fötus in der Fruchtblase zeigte. „Dasist widerlich!“ – sagten sie mit entsprechen-der Miene und verschwanden zur anderenStraßenseite hin. Ich sah die Kinder an, diesichtlich stolz waren, beim „Marsch für dasLeben“ mit einer so wichtigen Aufgabe wiedem abwechselnden Tragen des Plakats be-traut worden zu sein. Ich wollte ihnen et-was sagen. Doch ich wusste nicht, was. „Esist nicht so schlimm!“? Das wäre gelogengewesen. „Macht euch nichts draus!“? Daswäre der falsche Ratschlag. „Es ist gut, dassihr hier seid!“? Das wussten sie ja selbst.

Die Szene ging mir noch lange nach –wie man merkt: bis heute – und vergeblichversuchte ich, der Botschaft irgendeinenSinn abzuringen. Das Bild des Lebens, die-ses wundervolle Geschöpf namens Menschim Leib seiner Mutter, die Ruhe, die Kraft,die Schönheit, die es ausstrahlt – widerlich?Kann es einen größeren Irrtum geben? Erst,als ich gebeten wurde, ein paar Zeilen zuverfassen, entlang der Frage, wie uns Abtrei-bungen in den letzten Jahrzehnten verän-dert haben, wird mir klar: So, gerade so.Wirhaben den Wert des Lebens aus dem Blickverloren.

Abtreibungen sind ein Alltagsphäno-men. Wie viele Abtreibungen in Deutsch-land jährlich durchgeführt werden, istnicht bekannt, zumindest sind die offiziel-len Zahlen umstritten, und das auch beiAbtreibungsbefürwortern (vgl. „Abtrei-bung: Zahlen stimmen nicht“, DT vom 9.Februar 2017). Doch selbst die offizielleZahl von etwa 100000 Abtreibungen jähr-lich muss erschrecken. Und: Was inDeutschland werktäglich rund 400 malpassiert, ist Alltag. Die Folgen der Abtrei-bung als Alltagsphänomen sind mannigfal-tig. Zugleich gibt es verstärkende Rückwir-kungen des Zeitgeists, ein Teufelskreis – imwahrsten Sinne des Wortes. Bleiben wir beiden Folgen. Wie die geschilderte Begeben-heit zeigt: der Wert des Lebens sinkt. DerMensch steht grundsätzlich zur Disposi-tion, wenn sein Lebensrecht nicht mehrunbedingt gilt, wenn stattdessen die Tö-tung eines Menschen sanktionslos möglichwird.

Der heilige Papst Johannes Paul II.sprach in seiner Enzyklika „Evangelium

vitae“ (1995) von einer „Kultur des Todes“,die sich ausbreite: „Mögen auch viele undernste Aspekte der heutigen sozialen Prob-lematik das Klima verbreiteter moralischerUnsicherheit irgendwie erklären undmanchmal bei den Einzelnen die subjektiveVerantwortung schwächen, so trifft es tat-sächlich nicht weniger zu, dass wir einerviel weiter reichenden Wirklichkeit gegen-überstehen, die man als wahre und ausge-sprochene Struktur der Sünde betrachtenkann, gekennzeichnet von der Durchset-zung einer Anti-Solidaritätskultur, die sichin vielen Fällen als wahre ,Kultur des Todes‘herausstellt“ (EV, Nr. 12).

Ich möchte im Anschluss an PapstBenedikt XVI. von einer „Kultur des Wert-relativismus“ sprechen, die sich auch undgerade in Bezug auf das Leben auswirkt,den absoluten Grund aller Werte und allerKultur. Wenn schon das LebensrechtGegenstand eines Abwägungsprozesses sei,wenn sich der Mensch für oder gegen dasLeben entscheiden kann, dann ist nichtsmehr sicher. Dann ist der totale Sieg des li-beralistischen Utilitarismus greifbar nahe,der alles mit einem Preisschild versieht, derin der praktischen Konsequenz seiner Ma-xime vom größtmöglichen Nutzen zwi-schen Opportunismus und Egoismus oszil-liert. Dann gibt es keine absoluten Wertemehr, keine unbedingte Pflicht. Und dasAbsolute? Gott? Bewahre! Mit der Abtrei-bung, der systematischen Einrichtung zurTötung des eigenen Nachwuchses, stehtalles zur Disposition.

Moralische Maßstäbe gehenverloren, Gut und Böse verlie-ren ihre Bedeutung. Denn wo

sonst ist die Zuschreibung zeit-, raum- undkulturübergreifend so eindeutig wie beimLebensrecht des Menschen beziehungswei-se beim Tötungsverbot? Wer dafür ist, han-delt gut, wer dagegen handelt, ist böse. Dassteht nun in Frage. Die philosophischeEthik heute versucht ohne sie, ohne Gutund Böse auszukommen, sucht die Morali-tät „jenseits“ der grundlegendenWerturtei-le (Nietzsche), analog zur Epistemologie,die vor 80 Jahren das Konzept „Wahrheit“verabschiedet hat. Der Subjektivismus hatauf beiden Gebieten eine Wüste der Belie-bigkeit hinterlassen. Unsere Vernunft undunser Gewissen, menschliche Instanzen,die hierbei die rettende Oase bilden sollten,sind überfordert und unvorbereitet. Es gibtin dieser Wüste kein Wasser des Lebens.

Der Verlust der moralischen Maßstäbezeigt sich am Lebensbeginn, aber auch amLebensende – Abtreibung und Sterbehilfefußen auf einer kulturellen Grundlage: dasLeben ist verfügbar. Und es zeigt sich auchimmer mehr mitten im Leben, amUmgangmit Behinderung. Gerade dann, wenn an-hand pränataler Testergebnisse zur Abtrei-bung motiviert wird, besteht die Gefahr,dass diejenigen, die ihre Geburt erleben,schließlich nichts weiter ernten als Herzlo-sigkeit, oder auch Bemerkungen der Art,„so etwas“ müsse doch heute „nicht mehrsein“, dafür gebe es doch diese Tests, um„rechtzeitig“ zu handeln. Das Leben an sichsteht zur Disposition und das verändertden Blick auf das Leben selbst – es ist nichtmehr selbstverständlich, sondern bedarfeiner Rechtfertigung.

Eine solche Kultur des Wertrelativismushat jedoch auch Auswirkungen auf einzel-ne Lebensbereiche. Wenn die Würde desMenschen vor der Geburt nicht absolut ist,so wird es immer schwerer, eine solche Ab-solutheit nach der Geburt zu behauptenund aufrechtzuerhalten. Unmittelbar er-sichtlich am Umgang mit Krankheit undBehinderung (über die Tötung behinderterNeugeborener wird wieder in aller Ruhenachgedacht), mittelbar aber auch am Um-gang der Menschen miteinander: ob in derWirtschaft, die tötet (so Papst Franziskus)oder in den Sozialen Medien, in denenHass und Verachtung um sich greifen.

Das Thema Abtreibung als Alltagsphä-nomen führt mithin zu einer anderen an-thropologischen Wahrnehmung. Was istder Mensch? Von der Ehrfurcht dem Heili-gen gegenüber, das dem menschlichen Le-ben innewohnt, ist im vorherrschendenMenschenbild der Gegenwart kaum etwasgeblieben, im Gegenteil: Der schöpfungs-theologische Gedanke eines gottebenbildli-chen Wesens jedes Menschen wird als „un-angebrachter Respekt vor der Lehre von derHeiligkeit des menschlichen Lebens“ (PeterSinger) verhöhnt. Die Würde des Men-schen wird somit nicht über den Begriff derWürde, sondern über das Konzept desMen-schen ausgehebelt: Nicht der Gegenstandselbst wird in Abrede gestellt („Würde“),sondern dessen Geltungsbereich beschnit-ten („Mensch“).

Es ändert sich aber auch noch etwas an-deres, es ändert sich nämlich auch die Ach-tung vor der grundlegenden Methode,überhaupt zu moralischen Maßstäben zugelangen, konkret: es ändert sich die Ausle-

gung des Konzepts der Gewissensfreiheit.Sich bei so etwas „Alltäglichem“ wie Abtrei-bungen unter Berufung auf das Gewissenzu verweigern, muss in der „Kultur des To-des“ unverstanden bleiben. Erkennbar wirddas daran, wie die Öffentlichkeit mit „Ver-weigerern“ umgeht. Sie gelten als verant-wortungslos und selbstherrlich, weil sie derFrau die „nötige“ medizinische „Dienstleis-tung“ verweigern, auf die sie nun mal ein„Recht“ habe. Zumindest habe derjenige,der die Abtreibung vornimmt oder an ihrmitwirkt, nichts zu befürchten, denn das –die Durchführung einer Abtreibung – wirdzweifelsfrei (unter den Bedingungen des §218 StGB) hierzulande als rechtens wahrge-nommen.

Die Gewissensentscheidung istdiskreditiert dadurch, dass sievor allem auch bei der Abtrei-

bungsthematik eine Rolle spielt, wo sie – inden Augen der Gegenwartsgesellschaft –keine Rolle spielen sollte. Ihr wird allenfallsnoch eine historische Funktion zugeschrie-ben (im Reformationsgedenkjahr ist es Lu-ther, sonst der Widerstand gegen den Na-tionalsozialismus, der mit „Gewissen“ posi-tiv assoziiert wird), aber heute ist sie – zu-mal nach dem Wegfall der Wehrpflicht –scheinbar überflüssig. Wir haben doch einfunktionierendes System, und daran hatman sich zu halten. Punkt. Die Regelungder Abtreibung im „Kompromiss“ des § 218StGB leistet einem Rechtspositivismus Vor-schub, der jedes Differenzempfinden vonGesetz und Gerechtigkeit pathologisiert.Systematisch wird übersehen, dass „rech-tens“ kein Synonym ist für „gut“. Es magein Töten geben, das als „rechtens“ wahrge-nommen wird, doch: „Es gibt kein gutesTöten“ (Spaemann). Es ist wichtig, dieseDifferenz offenzuhalten, gerade als Christ.Das christliche Gewissen wird von Gott hergebildet, und es gilt in ihm der Grundsatz:„Man muss Gott mehr gehorchen als denMenschen“ (Apg 5,29). Das erfordert Mut,ja, man kann sagen: es ist heldenhaft. Nocheinmal Papst Johannes Paul II.: „Jenseitsaufsehenerregender Taten gibt es den He-roismus im Alltag, der aus kleinen und gro-ßen Gesten des Teilens besteht, die eineechte Kultur des Lebens fördern“ (EV, Nr.86). Lebensförderliches Teilen – das Teilenmaterieller Dinge, vor allem aber das Teilenvon Sorgen, Ängsten, Nöten und Zeit. DieMenschen, die bei 1000plus wirken, wissensehr genau, was damit gemeint ist.

ABTREIBUNG IN DEUTSCHLAND:ZAHLEN UND FAKTEN

Nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB) ist einSchwangerschaftsabbruch grundsätzlichfür alle Beteiligten strafbar. Es gelten fol-gende Ausnahmen:1) Beratungsregelung (§ 218a Abs. 1 StGB)Ein Schwangerschaftsabbruch bleibtstraflos, wenn

– die Schwangerschaft innerhalb von12 Wochen nach der Empfängnis durcheinen Arzt abgebrochen wird,

– die schwangere Frau den Abbruchverlangt und

– sie dem Arzt durch die Bescheini-gung einer anerkannten Beratungsstelleeine mindestens drei Tage zurückliegendeSchwangerschaftskonfliktberatung nach§ 219 StGB nachgewiesen hat.

2) IndikationsstellungEin Schwangerschaftsabbruch ist

nicht rechtswidrig im Falle– einer medizinischen Indikation (§

218a Abs. 2 StGB), wenn der Schwanger-schaftsabbruch unter Berücksichtigungder gegenwärtigen und zukünftigen Le-bensverhältnisse notwendig ist, um Le-bensgefahr oder die Gefahr einer schwer-wiegenden Beeinträchtigung des körperli-chen oder seelischen Gesundheitszustan-des der schwangeren Frau abzuwenden;in diesen Fällen besteht keine zeitlicheBegrenzung,

– einer kriminologischen Indikation(§218a Abs. 3 StGB) bis zur 12. Wochenach der Empfängnis, wenn dringendeGründe für die Annahme sprechen, dassdie Schwangerschaft auf einem Sexualde-likt (sexueller Missbrauch von Kindern,Vergewaltigung, sexuelle Nötigung odersexueller Missbrauch Widerstandsunfähi-ger) beruht.

Über die unter den Voraussetzungendes § 218a Abs. 1–3 StGB vorgenomme-nen Schwangerschaftsabbrüche wird eineBundesstatistik durchgeführt. Diese Sta-tistik wird in den §§ 15 bis 18 Schwanger-schaftskonfliktgesetz (SchKG) geregeltund vom Statistischen Bundesamt erho-ben und aufbereitet.

RückläufigeAbtreibungszahlen?

Ein Rückgang der gemeldeten Abtrei-bungszahlen bedeutet nicht automatisch,dass auch tatsächlich seltener abgetrie-ben wird. Das wird deutlich, wenn mandie absoluten Abtreibungszahlen in Bezie-hung zu anderen aus Wiesbaden gemel-deten Zahlen setzt, wie der Zahl derFrauen im gebärfähigen Alter und derZahl der Lebendgeburten. Ein Beispiel:Zwischen 1996 und 2004 sank laut demStatistischen Bundesamt die Zahl derFrauen im gebärfähigen Alter (15–45Jahre) von 17,11 auf 16,58 Millionen. Imgleichen Zeitraum sanken die Lebendge-burten von 796013 (1996) auf 705622(2004). Folglich stieg der Anteil der Abtrei-bungen an den Lebendgeburten zwischen1996 und 2004 von 16,4 Prozent auf 18,4Prozent. Das bedeutet, dass bereits nachder offiziellen Abtreibungsstatistik zwi-schen 1996 und 2004 jedes sechste Kind,das hierzulande gezeugt, auch abgetrie-ben wurde.

HoheDunkelziffer

Das Bundesinstitut für Bevölkerungs-wissenschaft (BiB) beim StatistischenBundesamt in Wiesbaden geht davonaus, dass die offizielle Abtreibungsstatis-tik nur rund 60 Prozent der Abtreibungenerfasst. Von 1996 bis zum Jahr 2000 warn-te das Statistische Bundesamt in seineneigenen Mitteilungen jedes Jahr selbstdavor, die von ihm veröffentlichten Zah-len als zuverlässig zu betrachten. LautManfred Spieker, emeritierter Professorfür Christliche Sozialwissenschaften ander Universität Osnabrück, lässt sich bei-spielsweise für das Jahr 1996 „ein Melde-defizit von rund 55 Prozent“ bei Abtrei-bungen „nach medizinischer und krimino-logischer Indikation nachweisen“: „Wäh-rend das Statistische Bundesamt 4874Abtreibungen verzeichnete, wurden alleinbei den gesetzlichen Krankenkassen, diediese Abtreibungen bis 1997 zu zahlenverpflichtet waren, 7530 Fälle abgerech-net.“ DT

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Wir schreiben fürMenschen, die bewegen

Kristijan Aufiero, Initiator von 1000plus, präsentiert PapstFranziskus die Arbeit des Projekts für das ungeborene Leben.Er ist Tagespost-Leser seit 2001.

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SPEZIALwww.die-tagespost.de/1000plus

Die Tagespost Samstag, 8. April 2017 Nr. 42 / Nr. 14 ASZ Verlagssonderseiten 3

Papst Johannes Paul II. küsst bei einer Generalaudienz im Vatikan ein Baby. Das Foto stammt aus dem Jahr 2001. Foto: dpa

Weihbischof Renz beim 1000plus-TAG 2015in München. Foto: 1000plus

„Der Heilige Vaterwill, dass die Kircheein Beispiel großerTransparenz gibt“

„Seine klare Haltungwar tief in seinem

theologischenDenken verwurzelt“

Echte Beratung braucht keinen ScheinDer Einsatz für das ungeborene Leben ließ für ihn keine Kompromisse zu – Warum der heilige Johannes Paul II. Recht hatte VON WEIHBISCHOF THOMAS MARIA RENZ

Das Jahr 1999 und die Frühjahrsvoll-versammlung der Deutschen Bi-schofskonferenz in Lingen markie-

ren einen schmerzhaften Einschnitt imVerhältnis der deutschen Bischöfe zumNachfolger Petri und zur Universalkirche.Schmerzhaft waren die Auseinandersetzun-gen um das künftige Mitwirken der katholi-schen Kirche an der Schwangerschaftskon-fliktberatung in Deutschland ausnahmslosfür alle Beteiligten. In dieser Auseinander-setzung, die in den Jahren 1995 bis 2002und besonders 1999 zur größten inner-kirchlichen Zerreißprobe seit „Humanaevitae“ führte, gab es letztlich weder Siegernoch Besiegte, sondern nur Verwundeteund Enttäuschte. Auch für mich waren die-se Anfangsjahre als jungerWeihbischof vonden Kämpfen um den richtigen Weg derKirche in schmerzhafter Weise geprägt. ImNachhinein aber bin ich davon überzeugt,dass alle nur das Beste für die Frauen inSchwangerschaftskonflikten und für derenungeborene Kinder wollten. Aber nicht allekonnten Recht haben und daher war derShowdown unausweichlich, an dessen En-de ein klarer Schnitt mit der bisherigen Pra-xis stand, bei der die Kirche in einem Sys-tem mitwirkte, in dem die bloße Bescheini-gung über eine erfolgte Konfliktberatungeine rechtlich zwingende Voraussetzung füreine zwar rechtswidrige, aber straffreie Ab-treibung ist. Aber dieser klare Schnitt warum der Klarheit und Glaubwürdigkeit wil-len unausweichlich geworden.

In seiner Einführung zur Beratung desThemas auf der Frühjahrsvollversammlungder deutschen Bischöfe in Lingen brachteder Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bi-schof Karl Lehmann, die komplexe Proble-matik so auf den Punkt: „Die elementareNot unseres Themas besteht weitgehenddarin, dass das Bewusstsein vom Lebens-schutz des ungeborenen Kindes und vombleibenden Unrechtscharakter jeder Abtrei-bung im faktischen Bewusstsein unsererGesellschaft immer schwächer gewordenist.“ Das Bewusstsein des Unrechtscharak-ters der Tötung von menschlichem Lebenim Mutterleib „ist immer mehr abgebrö-ckelt. Es ist manchmal wie ein unbegreifli-cher blinder Fleck in der Gesellschaft, diehier offenbar ein fundamentales Wahrneh-mungsdefizit offenbart.“ Diese Einschät-zung hat sich heute, 18 Jahre nach Lingen,noch einmal dramatisch verschärft. In derTat hat sich der gesetzlich verbriefte Un-rechtscharakter einer Ab-treibung nie wirklich ineinem adäquaten gesell-schaftlichen Unrechtsbe-wusstsein abgebildet undwidergespiegelt. Ganz imGegenteil: Heute wird be-reits offen einem „Men-schenrecht auf Abtrei-bung“ das Wort geredet,das allen gesetzlichen Vor-gaben widerspricht, denen das fundamen-tale Recht auf Leben und Unversehrtheitgerade auch des ungeborenen Menschenzugrunde liegt.

Um sich ganz und gar und in jedem ein-zelnen Fall zur Anwältin der Schwächstenim Mutterleib zu machen, war der Ausstiegder Katholischen Kirche aus dem staatli-chen Beratungssystem unausweichlich ge-worden. Zu eng war das Korsett, in das sichdie Kirche durch die Vorgaben des Gesetz-gebers hatte zwängen lassen, zu zweifelhaftdie Dialektik zwischen der generellen Straf-bewehrtheit der Abtreibung und den Aus-

nahmen ihrer Straffreiheit, zu wenig dis-tanziert das Verhältnis zwischen Kircheund Staat in ihrer Zusammenarbeit, dieauch die straffreie Tötung ungeborenen Le-bens tangierte. So berechtigt und verständ-lich der Wunsch einer Mehrheit der deut-schen Bischöfe zunächst auch war, mög-lichst viele schwangere Frauen in Konflikt-situationen zu erreichen und ihnen mit al-len Mitteln und Möglichkeiten zu helfen,ihr Kind annehmen zu können, so berech-tigt und verständlich war auch der Wunschvon Papst Johannes Paul II., in dieser zent-ralen Frage der kirchlichen Lehre über dieHeiligkeit, Würde und Unverfügbarkeit desmenschlichen Lebens in all seinen Phasenjegliche Zweideutigkeit und Unglaubwür-digkeit mit Entschiedenheit auszuschlie-ßen. Hier war jeder Dissens zwischen Wort

und Tat der Kirche unter al-len Umständen zu vermei-den. Daher geriet immermehr der Beratungsscheinins Visier, den auch diekirchlichen Schwanger-schaftskonfliktbera-tungsstellen gemäß den ge-setzlichen Vorgaben nacherfolgter Beratung auszu-stellen hatten und der zu-

gleich die Voraussetzung für eine straffreieAbtreibung ist. Doch diese Mitwirkung derKirche in Deutschland an straffreien Abtrei-bungen musste nach der festen Überzeu-gung von Papst Johannes Paul II. um derEinheit und Glaubwürdigkeit des kirchli-chen Zeugnisses für die Heiligkeit und Un-antastbarkeit des menschlichen Lebens wil-len ein Ende haben. Daher galt es, „einenWeg zu finden, auf dem die Kirche der ein-dringlichen Bitte des Heiligen Vaters ent-spricht und gleichzeitig wirkungsvoll in derSchwangerenkonfliktberatung präsent zubleiben vermag“ (Brief von StaatssekretärKardinal Sodano an Bischof Lehmann imFebruar 1998).

Doch dieses Ansinnen erwies sich im-mer mehr als eine Quadratur des Kreises.Um aus diesem Dilemma einen Ausweg zufinden, wies der Heilige Vater die deutschenBischöfe schließlich an, den Beratungs-schein mit dem Zusatz zu versehen: „DieseBescheinigung kann nicht zur Durchfüh-rung straffreier Abtreibungen verwendetwerden.“ Man erhoffte sich, anstatt mitdem bisherigen „Schein solcher Art“ künf-tig mit einem neuen „Schein anderer Art“die Quadratur des Kreises zu schaffen,sprich das Verbleiben im staatlichen Bera-tungssystem bei gleichzeitiger Verweige-rung der Kooperation am Abtreibungsvor-gang. Aber beides gleichzeitig war schlech-terdings nicht möglich. Für Papst JohannesPaul II. war völlig klar und nicht verhandel-bar, dass „der unbedingte Einsatz für jedesungeborene Leben, dem sich die Kirche von

Anfang an verpflichtet weiß, keine Zwei-deutigkeiten oder Kompromisse zulässt.Hier muss die Kirche in Wort und Tatimmer und überall mit ein und derselbenSprache sprechen“ (Brief des Papstes an diedeutschen Bischöfe vom 3.6.1999).

Entscheidend für den Heiligen Vaterwar, dass die kirchlichen oder der Kirchezugeordneten Beratungsstellen keine Be-scheinigung mehr ausstellen, die zurDurchführung straffreier Abtreibungen ver-wendet werden kann. „Dem Heiligen Vaterliegt es außerordentlich am Herzen, dassdie Kirche ein Beispiel großer Transparenzgibt und alles meidet, was als Doppeldeu-tigkeit oder Mangel an Klarheit interpre-tiert werden könnte. Dies ist wichtig nichtnur für die Glaubwürdigkeit der Kirche,sondern auch für die Bildung der Gewis-sen“ (Schreiben von Kardinal Ratzinger undKardinal Sodano an die deutschen Bischöfevom 18.9.1999). In der Tat wäre es wedernach außen (Glaubwürdigkeit) noch nachinnen (Transparenz) zu vertreten gewesen,wenn die Katholische Kirche einerseits ander klaren Überzeugung festhalten wollte,dass Abtreibung ein „verabscheuungswür-diges Verbrechen“ (II. Vaticanum) ist undbleibt, andererseits aber an Abtreibungenmitwirken würde, indem sie Schwangerenden nach geltendem deutschen Recht füreine straffreie Abtreibung erforderlichenBeratungsschein aushändigt. So hehr auchdie Intention der Mehrheit der deutschenBischöfe gewesen ist, durch den Verbleib imstaatlichen Beratungssystem die größtmög-liche Anzahl von Schwangeren in Konflikt-situationen erreichen und damit möglichstviele ungeborene Kinder retten zu können,so problematisch war die damit verbunde-ne faktische Mitwirkung in einem System,das letztlich die straffreie Tötung ungebore-nen Lebens ermöglicht. Denn die Beschei-nigung, dass sich die schwangere Frau min-destens drei Tage vor der Abtreibung ihresKindes hat beraten lassen, ist Vorausset-zung für deren Straflosigkeit. Aus diesemcirculus vitiosus gab es kein Entrinnen.Deshalb musste letztlich der Papst für seine„im System gefangenen“ deutschen Bischö-fe entscheiden, indem er für sie den gordi-schen Knoten durchschlug.

Diese klare Haltung des Heiligen Papstesin der Frage der Abtreibung war tief in sei-nem religiösen, theologischen und philo-sophischen Denken verwurzelt und prägteseinen Glauben und seine christlichenGrundüberzeugungen von Anfang an. Be-reits fünf Jahre vor der Frühjahrsvollver-sammlung der Deutschen Bischofskonfe-renz in Lingen hat er in seinem Interview-buch „Die Schwelle der Hoffnung über-schreiten“ jene Linie vorgezeichnet, derdann 1999 die Deutschen Bischöfe nolensvolens folgenmussten. Seine klare Haltung,

dass sich die Kirche niemals mit der Tötungungeborenen Lebens abfinden, geschweigedenn in deren Vorgang involvieren lassendürfe, gründete in seiner Überzeugung:„Die Frage nach dem gezeugten und unge-borenen Kind ist ein ganz besonders heik-les und doch eindeutiges Problem. Die Le-galisierung des Schwangerschaftsabbruchsist nichts anderes als die dem erwachsenenMenschen gegebene Ge-nehmigung, den ungebore-nen und damit zur Vertei-digung unfähigen Men-schen mit der Bürgschaftdes geltenden Gesetzes sei-nes Lebens zu berauben.Eine ungerechtere Situa-tion ist kaum vorstellbar.“Und daher duldete derPapst in dieser Frage keineZweideutigkeiten und Unsicherheiten.

Bereits in diesem Interview unter-streicht der Papst, wie wichtig der Dienstder Kirche in der Beratung von schwange-ren Frauen für das Leben ist und wie not-wendig auch ihre vielfältigen Hilfsangebotesind: „Indem wir das Pro-Choice-Prinzip

(für die freie Entscheidung) eindeutig vonuns weisen, müssen wir uns allerdings mu-tig zum Pro-Woman-Prinzip bekennen, dasheißt zu der Entscheidung, die wirklich zu-gunsten der Frau getroffen wird. Sie hatnämlich den höchsten Preis zu zahlen:nicht nur für ihre Mutterschaft, sondernauch für deren Zerstörung, das heißt für dieBeseitigung des Lebens des empfangenenKindes. Die einzig rechtmäßige Haltung istin diesem Fall die der radikalen Solidaritätmit der Frau. Es ist nicht zulässig, sie so al-lein zu lassen.“

Diese Grundüberzeugung, dass die Kir-che schwangere Frauen in Konfliktsituatio-nen unter keinen Umständen allein lassendürfe, hat wohl auch eine Mehrheit derDeutschen Bischöfe 1999 bewogen, füreinen Verbleib der Katholischen Kirche imstaatlichen Konfliktberatungssystem zukämpfen. Doch irrtümlicherweise gingensie davon aus, dass dies nur innerhalb desbestehenden staatlichen Beratungssystemsmöglich wäre. Die dringende Bitte desPapstes, dass gerade nicht der in Aussichtgestellte Beratungsschein Frauen inSchwangerschaftskonflikten in die kirchli-chen Beratungsstellen führen dürfe, son-dern dass das unwiderstehlich Attraktivekirchlicher Angebote ausschließlich dieQualität ihrer Beratung und die Vielfaltihrer Hilfsangebote sein müsse, spielte inder Entscheidungsfindung der Bischöfe zu-nächst keine zentrale Rolle. Doch längst hatsich das von den Befürwortern für den Ver-bleib der Katholischen Kirche im staatli-chen Beratungssystem als Hauptargumentins Feld geführte Junktim „Ohne Ausstel-lung des Beratungsscheins erreichen wirkeine Frauen in Schwangerschaftskonflik-ten mehr“ als nicht stichhaltig, ja als falscherwiesen. Schon damals war dieses Argu-ment eine bloße Vermutung und eine un-bewiesene Behauptung. Heute belegen Be-ratungsangebote, die sich ganz nahe an denkonkreten Sorgen und Konflikten unge-wollt Schwangerer bewegen und die inno-

vative, positiv motivieren-de und ungewöhnlicheWege finden, um dieseFrauen zu erreichen, dasssolche Beratungsangeboteboomen, und zwar ohnedass es dort einen Bera-tungsschein geben würde.Solche Beratungsangebote,die ganz im Sinne der Kir-che für das Leben beraten

und nichts unversucht lassen, sowohl dasgefährdete Leben der Ungeborenen zu ret-ten, als auch den vielfältigen Nöten ihrerMütter mit konkreten Hilfsangeboten zubegegnen, sind ein Erfolgsmodell, das demmehrfach von Papst Johannes Paul II. geäu-ßerten Wunsch voll entspricht.

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5Wegewie Sie Schwangerenin Not helfen können

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Direkt helfenWerden Sie Teil unseres Netzwerkes und helfen SieSchwangeren in Not konkret und vor Ort! Pro Fe-mina nimmt Kontakt mit Ihnen auf, wenn eine Frauin Ihrer Nähe einen Ansprechpartner sucht:www.1000plus.de/botschafter-werden

SpendenWir finanzieren Information, Beratung und Hilfefür ungewollt Schwangere zu 100 % aus Spenden.Wir sind dankbar für jeden, der sich finanziell be-teiligt: www.1000plus.de/spenden

Die Babyflaschen-AktionLaden Sie uns in Ihre Kirchengemeinde ein! Siehelfen damit, die Not schwangerer Frauen in po-sitiver Weise ins Gespräch zu bringen und tragenzur finanziellen Unterstützung unserer Arbeit bei:www.1000plus.de/bfa

Geburtstag fürs LebenFeiern Sie einen Geburtstag fürs Leben! WünschenSie sich zu Ihrem nächsten Geburtstag Spendenstatt Geschenke, damit aus Ihrem Geburtstag ganzviele Geburts-Tage werden:www.1000plus.de/geburtstag

Beter werdenWerden Sie einer von inzwischen 2.500 Betern! Sieerhalten jeden Monat unseren Gebetsbrief, in demganz konkret für die vielen Schwangeren aus derPro Femina - Beratung gebetet wird:www.1000plus.de/botschafter-werden

Die Frauen hinter den Zahlen:Schwangerschaftskonflikte und ihre Ursachen*

GrundNr. 1PartnerschaftskonfliktIm Jahr 2016 wurden im Rahmen von 1000plus3.628 Frauen beraten, davon waren über 85% imexistenziellen Schwangerschaftskonflikt. Die Kon-fliktfelder, in denen ungewollt Schwangere stehen,sind so vielfältig und individuell wie die Frauenselbst. Trotzdem treten gewisse Grundkonstellati-onen häufiger auf als andere:

Partnerschaftsprobleme

36 %

Biographische Gründe

28 %

Überforderung

12 %

Äußerer Druck

6 %

Materielle Sorgen

4 %Medizinische Gründe (Mutter)

5 %

Medizinische Gründe (Kind)

8 %

Vergewaltigung

1 %

?/Mann weg oder Kind opfern

„Was soll ich jetzt tun? Ich bin in der 11. Wocheschwanger und weiß es seit der 8. Erst jetzt habich mich getraut, es meinem Mann zu sagen.Er sagt, er steht zu dem Kind, aber die Haupt-verantwortung sieht er bei mir … Er meinte, erwürde wohl gehen, wenn ich das Kind bekäme!Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera!Das kleine Mäuschen in mir ist doch schon völ-lig entwickelt und lebt! Und jetzt? Mann wegund alleine mit 3 Kindern oder hoffen, dass erbleibt???? Oder das Kind opfern????? Bin völligam Ende.“

Ständig Streit mit dem Mann„Ich habe ständig Streit mit meinem Mann, seitich schwanger bin. Ich will nicht alleinerziehen-de Mutter sein und das habe ich oft zu ihm ge-sagt, bevor ich schwanger war. Ich habe keineLust auf weiteren Streit mit ihm. Er hat nocheine Tochter und die Beziehung, die er mit sei-ner Ex und Tochter hat, will ich nicht. Ich würdegerne abtreiben und diese Beziehung zu einemEnde bringen. Ich kann es nicht mehr, die Be-leidigungen sind sehr schmerzhaft. Ich bitte umIhre Unterstützung.“

Konkrete undnachhaltige

Hilfe für vieleTausend Frau-en, Kinder undFamilien ist nurmöglich, wennsich viele Men-

schen daranbeteiligen.

Angst vor „sozialer Ächtung“„Brauche dringend Rat. Habe heute positiv ge-testet. Bin 46, mein Mann 59. Vor zehn Jahrenwollten wir Kinder, es klappte aber nicht. DerGynäkologe sagte, dass es auf natürlichemWege nicht ginge. Und jetzt das … Was soll ichnurmachen???Wir leben auf einem kleinen Dorf.Ich fürchte mich vor der sozialen Ächtung. Weißgerade gar nicht, was ich denken soll. Irgendwiegeht das alles gar nicht. Was soll ich bloß tun?“

Jährlich sehenmindestens 150.000schwangere Frauen in Deutschland,Österreich und der Schweiz keinenanderen Ausweg als eine Abtreibung.Das wollen wir ändern!

Pro Femina e.V.Projekt 1000plusWidenmayerstr. 1680538 München

[email protected].: 089 / 540 410 50

1000plus.net

5 Faktenüber unsere Beratung

Nur 1% fragt nach BeratungsscheinVon allen beratenen Frauen fragten uns imJahr 2016 nur 1%, ob wir den Beratungsscheinausstellen. Ungewollt Schwangere wollenkeine Schein-Beratung. Sie wollen Lösungen!

123 Beraterinnen für SchwangereDerzeit sind im Rahmen des Projekts 1000plus23 hauptamtliche Beraterinnen angestellt.Tendenz steigend!

265% sagen JA zum KindVon den Frauen, die wir im existenziellenSchwangerschaftskonflikt beraten haben, hatsich im Jahr 2016 eine überwältigende Mehr-heit von 65% für ein Leben mit ihrem Kindentschieden. Wunderschön!

3Hilfe für 3.628 FrauenIm Jahr 2016wurden imRahmenvon1000plus3.628 Frauen beraten, wovon sich über 85%im existenziellen Schwangerschaftskonfliktbefanden. Auch 2017 geben wir alles für „un-sere“ Schwangeren!

5543 Mal helfende Hände1000plus kann auf 543 ehrenamtliche Perso-nen zurückgreifen, die ungewollt Schwange-ren in Not beistehen durch persönliche Be-gleitung unterschiedlicher Art. Damit keineSchwangere allein bleibt!

4

Kurz vor der Prüfung**„Ich habe einen Schwangerschaftstest ge-macht, dieser war positiv. Aber meine jetzigeSituation gibt es einfach nicht her, dass ichein Kind bekomme. Stehe kurz vor meinen Ab-schlussprüfungen der Ausbildung. Würde ichdenn einen Abbruch bezahlt bekommen?“

Meine Mutter will, dass ich abtreibe„Ich bin noch sehr jung, doch ich bin schwanger. MeinFreund weiß es bereits und unterstützt mich sehr, dochmeine Mutter will, dass ich abtreibe. Ich wäre zu jung undwir hätten nicht genug Geld (mein Freund verdient sehrgut). Ich weiß nicht, was ich machen soll, sie redet mirständig ein, dass ich es nicht behalten kann. Die Elternmeines Freundes sind eigentlich recht nett und ich habemit ihnen ein gutes Verhältnis und sie akzeptieren es undwollen natürlich nicht, dass ich abtreibe. Helft mir bitte,ich weiß nicht weiter.“

Nein!

Wir können uns kein 3. Kind leisten„Ich bin 28 Jahre alt, habe einen 6-jährigen Sohn und ei-nen 13 Monate alten Sohn! Ich lebe mit meinem Freundzusammen, der Vollzeit (ca. 1.300 €) arbeitet. Jetzt habeich vor drei Tagenwieder einen positiven SS-Test gehabtund weiß nicht, was ich tun soll! Finanziell haben wirdas Gefühl, uns kein 3. Kind leisten zu können, aber ichkann mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, es ab-zutreiben! :( Schon beim Gedanken daran breche ich inTränen aus! Können Sie mir einen Rat geben, ob es eineLösung FÜR unser 3. Kind gibt? Bin wirklich verzweifelt!“

* Alle Prozentangaben beziehen sich auf die Anzahl der Schwangeren, die zu dem jeweiligen Kriterium Angaben gemacht haben. ** Sämtliche Beratungsanfragen sind Originalzitate aus der Pro Femina - Beratung.

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6 Verlagssonderseiten Die Tagespost Samstag, 8. April 2017 Nr. 42 / Nr. 14 ASZ

Dr. Barbara Dohr: „Frauen sehnen sich nachder Lösung ihrer eigentlichen Probleme, diedem Schwangerschaftskonflikt zugrundeliegen.“ Foto: 1000plus

Logotherapie-Begründer Viktor Frankl:„Grundüberzeugung, dass das Leben einenAufgabencharakter hat“. Foto: IN

Drei U-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt befindet sich die Pro Femina-Beratung in München. Foto: 1000plus

„Tapfere, mutige Löwinnen!“Ein Gespräch mit Dr. Barbara Dohr, Leiterin der 1000plus-Beratungsstelle Bayern, über die Pro Femina-Beratung VON FRIEDRICH REUSCH

Liebe Frau Dr. Dohr, im Jahr 2015 haben Siedie Leitung der neu eröffneten 1000plus-Be-ratungsstelle Bayern übernommen. Zuvorhaben Sie jahrelang als Ärztin und Logo-therapeutin gearbeitet. Was hat Sie amArbeitsfeld der Schwangerschaftskonfliktbe-ratung besonders gereizt?Die unverändert extrem hohen Abtrei-bungszahlen haben mich über viele Jahrehinweg erschreckt und beunruhigt, aberich habe keinen Platz gefunden, wo ich die-ser Unruhe oder diesem Erschrecken ir-

gendwie hätte abhelfen können. Als ichdann 2013 das Konzept der Pro Femina-Be-ratung näher kennengelernt habe, hatmich das derart fasziniert, dass mir das Auf-geben meiner bisherigen ärztlichen Tätig-keit kein bisschen schwergefallen ist. Wirarbeiten hier Tag für Tag mit Frauen, diewirklich „echt in Not“ sind, sehr vergleich-bar mit „echt kranken“ Patienten. DiesenFrauen fehlt es an Unterstützung, an Zu-wendung, an Ermutigung. Es ist niemandda, der ihnen wirklich hilft, die Krise alsChance zu begreifen, an der man auchwachsen kann. Es handelt sich um ein totalvernachlässigtes Arbeitsfeld, ein Gebiet,das ausgeblendet wird von der Gesellschaft,auch von der Politik natürlich, was ja sehrerstaunlich ist angesichts der rein quantita-tiv enormen Relevanz. Als ich von ProFemina erfuhr, dachte ich mir: „Für michist das seit Jahrzehnten das beste, was ichgefunden habe, um dem Massenphäno-men der Abtreibung wirklich etwas Effekti-ves und Professionelles entgegenzusetzen!“Ein Teil davon zu sein hat mich gereizt.

Worin sehen Sie die Vorteile einer Beratungwie der von Pro Femina, die ohne Bera-tungsschein auskommt?Der größte „strukturelle“ Vorteil ist, dasswir lösungsorientiert arbeiten. Denn es istunsere Erfahrung, dass keine Frau gerne ab-treiben will. Sie will also keine „Lizenz zurAbtreibung“, wie sie der Beratungsscheindarstellt. Diese Frauen sehnen sich nachder Lösung ihrer eigentlichen Probleme,die dem Schwangerschaftskonflikt zugrun-de liegen. Bei der Lösung dieser individuel-len Probleme arbeiten wir nicht irgendwel-che Listen ab oder ziehen fertige Lösungenaus der Schublade, sondern gehen davonaus, dass jede Frau einmalig und einzigartigist, und genau deshalb einmalige, einzig-artige Unterstützung braucht. Gerade dasmacht die Arbeit mit ungewollt schwange-ren Frauen in Not spannend, herausfor-dernd und befriedigend. Denn so hilft manFrauen bei der Lösung genau der Probleme,die sie selbst benennen. Die Frau mit ihrenProblemen alleine zu lassen und sie miteinem Beratungsschein „abzuspeisen“ hie-ße, letztlich „Egal-Beratung“ zu betreiben.Auch das unmittelbare Umfeld der Frau re-agiert oft mit einer Art neutralistischer Ig-noranz. So hören wir oft: „Mein Partner hatmir gesagt, ich stehe hinter dir, egal wie dudich entscheidest.“ Und erstaunlicherweisefolgt auf diese Aussage dann der Satz: „Dasist gar nicht das, was ich hören wollte.“Was will eine Frau in dieser Situation denneigentlich hören? Sie will hören, dass derPartner sagt: „Du, damit haben wir jetztnicht gerechnet, aber ich freue mich. Wirkriegen das hin, du wirst eine gute Muttersein. Wir schaffen noch ein Kind mehr.“Das ist das, was die Frauen hören wollen!Somit ist es gerade eine positive Beratung,eine ermunternde, ermutigende, die dieFrauen dringend benötigen.

Pro Femina beschreitet innovative Wege imInternet, um von ungewollt Schwangerengefunden zu werden. Sorgt das dafür, dassSie vor allem sehr junge Frauen beraten?Nicht vor allem, sondern auch! Aber diemeisten Frauen, die sich an uns wenden,sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, liegenalso mitten im sogenannten gebärfähigenAlter. All diese Frauen bewegen sich miteiner für sie größten Selbstverständlichkeitim Internet, um nach Informationen rundum das Thema Schwangerschaftsabbruchzu suchen. An dieser Stelle setzt unser Bera-tungsangebot an, vom Telefon über E-Mailbis hin zu den „klassischen“ Gesprächenvon Angesicht zu Angesicht. Am Telefoneine Stimme zu haben, die zuhört und beider man sich jederzeit melden kann, ohneVoranmeldung und Wartezeiten – das wirdgut angenommen und sehr geschätzt. Für

viele Frauen bleiben wir monatelang einerder wichtigsten Ansprechpartner. Auf dieseWeise entsteht oftmals auch über die Ge-burt des Kindes hinaus ein regelmäßigerKontakt. Damit so etwas entstehen kann,ist ein Grundsatz von Pro Femina entschei-dend: Der Frau alle zeitgemäßen Kommu-nikationskanäle anbieten, die möglichsind. Und die Frau selber über die Art undden Umfang ihrer Beratung entscheidenlassen.

Grundlegend für die Beratungsphilosophievon Pro Femina ist die vom Wiener Psychia-ter Viktor Frankl (1905–1997) entwickelteLogotherapie. Was macht diese Therapie-form aus und inwiefern können Frauen imSchwangerschaftskonflikt von ihr profitie-ren?Die Logotherapie und Existenzanalyse vonFrankl ist eine ausgesprochen wirksamePsychotherapieform für Kurzzeittherapien.Diese Kurzzeittherapie, wie das mal einKollege sehr schön formulierte, macht, dassdie Klienten mit einer anderen Körperhal-tung ihren Therapeuten verlassen, als sie zuihm gekommen sind: aufrecht, mit geho-benem Blick, das Rückgrat viel gerader. Vik-tor Frankl hat sich sehr darum bemüht, diespezifisch menschliche Dimension, die derPsychotherapeut vor Augen behaltenmuss,wieder in die Psychotherapie zurückzuho-len. Die Logotherapie baut auf einem sehrgesunden Menschenbild auf, das mit demchristlich-jüdischen Menschenbild gut zu-sammenpasst. In der Logotherapie gehenwir davon aus, dass der Mensch als ein frei-es Wesen agiert und dass er da, wo er freiist, gleichzeitig auch verantwortlich ist,dass er also Antworten geben darf. Undhier kommt der Bogen zu den Schwanger-schaftskonflikten: Ein Schwangerschafts-konflikt ist etwas, was die Frau vor eine Fra-ge stellt, die eine baldige Entscheidung er-zwingt: Ein Ja zum Kind oder ein Nein zumKind. Das Leben stellt an diese Frau eineFrage, diese Frage ist da und verlangt zwin-gend nach einer Antwort. Frankl geht da-von aus, dass es eigentlich im Leben immerso ist: Nicht wir befragen das Leben, warumes uns das Eine oder Andere gibt oder an-tut, sondern das Leben fragt uns stets aufsNeue: „Diese Situation lege ich dir vor, wasmachst du daraus?“ Und aus dieser Grund-überzeugung heraus, dass das Leben diesenAufgabencharakter hat, versuchen wir denFrauen zu helfen. Wir befähigen sie, die fürsie richtige Antwort zu geben. Eine Ant-wort, die in ihrem Leben stimmig er-scheint, die zu dieser Herausforderungpasst. Eine Antwort, die nicht sagt: „Kannich nicht, ich gebe ein leeres Blatt ab“, son-dern vielmehr: „Ich antworte auf diese Auf-gabe, die mir hier gestellt ist, indem ich sieerfülle.“

Frankl hat gesagt: „Der Mensch ist dasjeni-ge Wesen, das jetzt entscheidet, was es ineiner Viertelstunde sein wird.“ Das ist einetiefe Wahrheit! Jeder kann immer anders,mag er noch so geprägt sein in eine be-stimmte Richtung, mag er noch so vieleDinge bisher immer auf eine bestimmteWeise gemacht haben – er kann anders,immer. Und dieser Gedanke ist sehr positivund sehr ermutigend und entspricht derWürde des Menschen. Die Grundüberzeu-gung, die hinter der Logotherapie liegt, lau-tet, dass der Mensch immer nach demSinnvollen strebt, dass er immer Sinnvollestun will, dass ihm das Sinnwidrige wirklichentgegengesetzt ist. Und ich denke, wirsind uns alle einig: Das Leben ist sinnvoll,der Tod ist sinnwidrig.

Welche beruflichen Eignungen bringen dieBeraterinnen bei Pro Femina in ihre Arbeitmit Schwangeren ein?Bei Bewerberinnen setzen wir ein einschlä-giges Studium der Humanwissenschaftenvoraus. Das heißt ganz konkret, dass wir so-wohl Sozialarbeiterinnen, Medizinerinnen,Psychologinnen, Pädagoginnen als auchTheologinnen mit pastoraler Vertiefung inunserem Beratungsteam haben. Unser Be-ratungsalltag ist zudem von Supervisionund Intervision sowie regelmäßigen fachli-chen Fortbildungen geprägt. Wichtig fürPro Femina als Beratungsorganisation mitchristlichem Menschenbild ist, dass jedeunserer Beraterinnen ein bedingungslosesJa zum Leben hat. Wir verstehen uns alsDiener am Leben.

Haben Sie aus den zwei Jahren, in denen Sienun schon für Pro Femina beraten, eine Art„Lieblingsfall“, von dem Sie uns berichtenmöchten?Diese Frage ist schwierig, weil ich etlicheLieblingsfälle habe und es schwer ist, zuwählen. Ich habe mich in den letzten zweiJahren mit zahlreichen Frauen beschäfti-gen dürfen. Das waren wirklich tapfere,mutige Löwinnen, die, wenn sie ein biss-chen Rückendeckung, ein bisschen Ermuti-gung bekommen, entschlossen für ihreKinder kämpfen, und dann überglücklichsind, wenn diese Kinder erst einmal dasLicht der Welt erblickt haben. Besondersgerne denke ich an eine alleinerziehendeSchwangere, die schon zwei Schulkinderhatte und ein drittes Kind erwartete. Sie hatsich eines Montags mit einer verzweifeltenMail an uns gewandt. Bereits für den da-rauffolgenden Freitag war der Abtreibungs-termin vereinbart. Der Eingriff schien ihrin ihrer ersten E-Mail völlig alternativlos.Bei einer anderen, schein-ausstellenden Be-ratungsstelle war ihr wörtlich gesagt wor-den, für sie wäre „kein Licht am Ende desTunnels“ zu sehen. Ich muss zugeben, dass

mich diese Aussage enorm geärgert hat.Gleichzeitig hat mich jene Licht-Metapherherausgefordert und motiviert, und sohaben wir gemeinsam Licht gesucht undviel Licht gefunden. Das Mädchen ist in-zwischen geboren, entzückt ihr ganzesUmfeld und ist quietschfidel. Und ich binin einigen Wochen dort zur Taufe eingela-den. Dieser spezielle Fall zeigt exempla-risch, wie bei 1000plus die Arbeit für unge-wollt schwangere Frauen in Not Hand inHand geht. So war die Schwangere aufunsere Beratung gestoßen, weil eine Freun-din von ihr unseren Gebetsbrief abonnierthatte und deshalb um Art und Ausrichtungder Pro Femina-Beratung wusste. Währenddes monatelangen Kontakts haben mehre-re Beraterinnen mit der schwangeren FrauKontakt gehabt. Unsere beiden englisch-sprachigen Beraterinnen waren involviert,weil der Kindsvater nur Englisch spricht.Außerdem wurden seitens unseres Vor-stands Mittel aus dem hausinternen För-derprogramm bereitgestellt, um der Selbst-ständigen auch materiell Aussicht auf einLicht am Ende des Tunnels zu geben. Wirhatten vor Ort ein wunderbares Ehepaaraus unserer Helferkartei, das sich sehr liebe-voll engagiert hat für die beiden Eltern.Und schließlich waren die Schwestern

eines wunderschön gelegenen Klosters, dieüber unseren Newsletter von diesem Fall er-fuhren, so gerührt, dass sie die Mutter mitihren jetzt drei Kindern dieses Jahr zumUrlaub eingeladen haben – als Geschenk!Eine unglaubliche „1000plus-Welle“ derSolidarität mit dieser verzweifelten Frau,und gerade deshalb: Licht am Ende desTunnels. Das ist einermeiner Lieblingsfälle.

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Die Tagespost Samstag, 8. April 2017 Nr. 42 / Nr. 14 ASZ Verlagssonderseiten 7

Kleine Flaschen, große Wirkung – die Babyflaschen-Aktion von 1000plus. Fotos: L’Osservatore Romano / 1000plus

Abtreibung zum ThemamachenDie Babyflaschen-Aktion von1000plus bietet die Chance, dasvernachlässigte Thema Abtrei-bung von der Peripherie insZentrum zu holenVON BETTINA SKADE

Papst Franziskus wird nicht müde zuwiederholen, wie wichtig es ist, andie Ränder zu gehen. Die Ränder, das

bedeutet, sich vernachlässigter Themenund Menschen anzunehmen und die Sorgeum diese Menschen mitten in unsere Ge-meinden vor Ort zu holen. Ich bin der Mei-nung, dass die Babyflaschen-Aktion von1000plus (BFA) eine große Chance für unse-re Kirchengemeinden ist, ein sehr vernach-lässigtes Thema von der Peripherie mittenins Zentrum zu holen: das Thema der Ab-treibung und die Frage, wie Hilfe für ver-zweifelte Schwangere in Not aussehenkann!

Ein Pastor schreibt an das 1000plus-Team: „Die Babyflaschen-Aktion ist inunserer Gemeinde sehr gut angenommenworden. Durch die Aktion ist uns als Ge-meinde die Not und Problematik rund umdas Thema Abtreibung und Schwanger-schaftskonfliktberatung neu bewusst ge-worden. Deshalb ist es für uns wichtig, dieAktion 1000plus so gut es uns möglich istzu unterstützen, denn die Arbeit von1000plus ist sehr wertvoll. Wir brauchen inunserem Land wieder ein neues positivesBewusstsein für den Wert vom menschli-chen Leben. Wir wünschen uns, dass durch1000plus Gott noch vielen weiteren Ge-meinden seinen Segen schenkt.“

Rückmeldungen wie diese gehen regel-mäßig bei 1000plus ein. Die Babyflaschen-Aktion ist seit 2010 ein wichtiges Instru-ment, um in einprägsamer Weise auf die Si-tuation von ungewollt Schwangeren auf-merksam zu machen und Unterstützer fürdie Beratung und Hilfe zu finden. Für vieleGemeinden ist die BFA auch eine willkom-mene Möglichkeit, das Thema Schwanger-schaftskonflikt in einer einfühlsamen Wei-se ins Gespräch zu bringen. So bildet dieBabyflaschen-Aktionmehrere Ziele des Pro-jekts 1000plus ab: Zum einen ermöglichtsie maßgeblich die Beratung, Informationund Hilfe für derzeit über 3600 schwangereFrauen im Jahr. Zum anderen hilft sie, dasDenken und Sprechen über Frauen imSchwangerschaftskonflikt in unserer Ge-sellschaft zu verändern.

Die Stimmender FrauenGerade beim Thema Abtreibung ist es

fatal, wenn über betroffene Frauen gespro-chen wird, aber nicht mit ihnen. Das führtdazu, dass viele Vor- und Fehlurteile entste-hen und kultiviert werden. Keiner hört sodie Stimmen ungewollt schwangererFrauen im Konflikt, aus denen wir heraus-hören, was Frauen in dieser Situation fehltund wie wir ihnen helfen können. Durchdie Babyflaschen-Aktion bekommen dieseFrauen in den Kirchengemeinden eineStimme. Während der Aktion werden Ori-ginalzitate aus der im Rahmen von1000plus stattfindenden Beratung vorgetra-gen und unsere Arbeitsweise kurz umrissen.Die Reaktionen darauf sind oftmals sehr be-wegend, wie uns immer wieder die Mit-arbeiter unseres „Babyflaschen-Teams“ be-richten: „Einmal kam einMann zumir undbedankte sich nach meinem Vortrag für dieArbeit, die wir da machen. Er sei selbst alsBaby fast abgetrieben worden und sei des-halb nun so dankbar für das Leben, das ihmgeschenkt worden ist. Tränen liefen ihmdabei über die Wangen. Ich selber warsprachlos und so berührt – ich hätte ihn amliebsten umarmt!“ Die Babyflaschen-Aktio-nen sind somit viel mehr als eine Spenden-aktion. Sie sensibilisieren nicht nur für dasThema, sie bauen auch vielen Menscheneine Brücke, um über das sonst so tabuisier-te Thema der Abtreibung zu reden. Wie es1000plus gelingt, durch die Fokussierungauf die Hilfe für Frauen in Not auch Betrof-fene anzusprechen, zeigt folgender Berichteiner BFA-Teamerin: „Vor ein paar Monatenwar ich auf einer BFA in Norddeutschland.Nach dem Gottesdienst kam eine Frausichtbar aufgewühlt zu mir, nahm michspontan in den Arm und flüsterte mirschluchzend ins Ohr: ,Wo seid ihr vor 25Jahren gewesen, als ich abgetrieben habe?‘

Noch bevor ich irgendwie reagieren konn-te, sagte sie: ,Danke, dass es euch jetzt gibt!Und dass keiner Frau mehr das passierenmuss, was ich erlebt habe. Danke, Gott!‘ Da-raufhin beteten wir gemeinsam für alleSchwangeren, die Hilfe brauchen.“

Abtreibungsthema von derPeripherie holenPapst Franziskus hat durch verschiede-

ne Worte und Taten gezeigt, wie wichtigihm das Thema Abtreibung ist. Das giltzum einen für verwundete Frauen nacheiner Abtreibung, wie seine Erteilung derAbsolutionsvollmacht an alle Priester welt-weit zeigt, die von dieser Sünde lossprechendürfen. Zum anderen wurde der Wille desHeiligen Vaters deutlich, den Frauen bereitsim Schwangerschaftskonflikt adäquate Hil-fe zukommen zu lassen. Das verdeutlichteer bereits in seiner Antrittsenzyklika „Evan-gelii gaudium“, in der es über dieses Themaheißt: „Es ist nicht fortschrittlich, sich ein-zubilden, die Probleme zu lösen, indemman ein menschliches Leben vernichtet.Doch es trifft auch zu, dass wir wenig getanhaben, um die Frauen angemessen zu be-gleiten, die sich in sehr schweren Situatio-nen befinden.“ Und dann gab es auch nochdie Privataudienz, die Franziskus vergange-nen Juni 1000plus als der Organisation ge-währte, die sich nicht durch das Abhaltenvon Demonstrationen oder politische Lob-byarbeit, sondern durch echte Beratungund konkrete Hilfe für ungewollt schwan-gere Frauen auszeichnet. Das alles sprichteine deutliche Sprache: Franziskus als derPapst, der an die Ränder geht, möchte auchdas Thema Abtreibung und die Hilfe fürSchwangere in Not zu einem zentralenThema der Gemeindepastoral machen. Da-zu kann die Babyflaschen-Aktion von1000plus einen wichtigen Beitrag leisten.

Bettina Skade koordiniert von Heidel-berg aus die Babyflaschen-Aktion® von1000plus.

HINTERGRUND

Die 1000plus-Babyflaschen-Aktion wurde2010 ins Leben gerufen. Mittlerweilewurde sie über 1500 Mal durchgeführt.Die Spenden aus der Babyflaschen-Ak-tion ermöglichen Beratung und Hilfe fürungewollt schwangere Frauen in Not.Der Ablauf einer 1000plus-Babyflaschen-Aktion gestaltet sich wie folgt: Katholi-sche, evangelische und freikirchliche Ge-meinden laden 1000plus ein, am Endedes Gottesdienstes einen kleinen Vortragüber die Situation schwangerer Frauen inNot zu halten. Nach dem Gottesdienstdürfen die Besucher sich eine zur Spen-dendose umfunktionierte 1000plus-Baby-flasche mitnehmen. Nachdem sie im pri-vaten Kreis oder am Arbeitsplatz gesam-melt haben, geben sie in der Regel nachdrei Wochen die gefüllte Babyflasche imGemeindesekretariat wieder ab. AufWunsch erhalten die Teilnehmer eineSpendenquittung und weitere Informa-tionen über 1000plus.

Neugierig? Wenn Sie sich für dieDurchführung einer Babyflaschen-Aktionin Ihrer Gemeinde interessieren, er-reichen Sie die zuständigen 1000plus-Mitarbeiter telefonisch unter06221/6067-800. Unter dieser Nummererhalten Sie auch weitere Informationen,wenn Sie sich eine Mitarbeit im deutsch-landweiten „BFA-Team“ vorstellen könn-ten.

Erstaunliches zur Babyflaschen-Ak-tion: Prominentester Kenner der Babyfla-schen-Aktion ist Papst Franziskus, demdie Aktion während der 1000plus-Privat-audienz am 17. Juni 2016 vorgestellt wur-de. „Soldini invecce del latte, che bello!“,zu Deutsch: „Spenden anstelle der Milch,wie schön!“, kommentierte Franziskusdie Babyflaschen-Aktion von 1000plussichtlich angetan.

Für viele Gemeinden gehört die Baby-flaschen-Aktion schon fest zum „Kirchen-jahr“, da sie die Aktion immer wiederdurchführen. Pro Wochenende finden biszu 15 Babyflaschen-Aktionen gleichzeitigstatt. Auch wenn Ihre Gemeinde keineBabyflaschen-Aktion durchführt, könnenSie bei 1000plus eine oder mehrere Baby-flaschen bestellen und privat für Bera-tung und Hilfe für ungewollt schwangereFrauen in Not sammeln.

Page 7: im fokus - IEF...2017/04/08  · 2 Verlagssonderseiten Die Tagespost Samstag,8.April 2017 Nr.42/Nr. 14 ASZ November-Motiv des 1000plus-Kalenders 2017. Die königliche Würde des (geborenen

Dankeschön!

Beratung & Hilfe 2016Auszüge aus unserer 1000plus-Beratung 2016

! Insgesamt konnten im Rahmen von 1000plus vergangenes Jahr 3.628 Frauen beraten werden.

! 3.098 dieser Frauen befanden sich im existenziellen Schwangerschaftskonflikt (85 %).

! 1.358 Frauen wurden ausschließlich über das Internet beraten. 1.144 Frauen wurden telefonisch beraten, 1.099ausschließlich über E-Mail und 27 suchten eine unserer Beratungsstellen persönlich auf.

! Im Rahmen unserer Beratung haben wir vergangenes Jahr 5.042 Postings und direkte Nachrichten in Internetfo-ren verfasst, 2.155 Telefonate geführt und 3.690 E-Mails geschrieben.

! UnsereWebsite www.profemina.org wurde im vergangenen Jahr von 318.437 Einzelpersonen besucht.

! Der häufigst genannte Grund für den Schwangerschaftskonflikt waren Partnerschaftsprobleme (36 %). Danebenwaren biografische Motive (28 %), die Angst vor Überforderung (12 %) und medizinische Ursachen bzw. Befürch-tungen (13 %) die meistgenannten Gründe für den Schwangerschaftskonflikt.

! Materielle Sorgen nannten 4 % der ungewollt Schwangeren als Ursache für ihren Konflikt.

! 49 % der Frauen, die dazu Angaben machten, verfügten über einen sogenannten Beratungsschein.

! Von den Frauen, die uns ihre endgültige Entscheidungmitteilten, haben sich 65% definitiv für ein Lebenmit ihremKind entschieden.

*Ohne Sie undenkbar!Diese Information, Beratung und Hilfe zu leisten war nurmöglich, weil so viele Freunde, Unterstützer und Spender an un-serer Seite standen.Wir wünschten, wir könnten an dieser Stelle die tiefe Dankbarkeit, die wir erfahren durften, die vielenbewegenden Zeilen der Freude und ganz, ganz viele zuckersüße Baby-Fotos, die uns erreicht haben, mit Ihnen teilen.

*Bitte spenden Sie für Beratung und Hilfe 2017Pro Femina e.V. | IBAN DE 47 7002 0500 0008 8514 00 | BIC BFSWDE33MUE

Kontakt: 1000plus | Pro Femina e.V.Beratungsstelle Heidelberg | Bergstraße 114 | 69121 HeidelbergBeratungsstelle München |Widenmayerstraße 16 | 80538 Münchenwww.1000plus.net | [email protected] | Tel. 089 – 540 410 50 1000plus.net

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8 Verlagssonderseiten Die Tagespost Samstag, 8. April 2017 Nr. 42 / Nr. 14 ASZ

IMPRESSUM

Verantwortlich für die Verlagssondersei-ten ist der Verein Pro Femina e.V., 69121Heidelberg.Redaktionelle Umsetzung: Oliver Maksan

*Die Veröffentlichung der Texte undBilder erfolgt mit Einverständnis der be-ratenen Frauen. Persönliche und zeitlicheAngaben wurden anonymisiert.

„Das Beste, wasman Frauen geben kann“Wenn man verzweifelt ist, braucht es Mut und Unterstützung – Rückmeldungen von Frauen, die im Rahmen von 1000plus beraten worden sind*

Immer wieder schicken stolze Mütter Bilder wie diese an die Pro Femina-Beratung. Fotos: 1000plus

„Das war dieabsolut besteEntscheidung!“Als ich Anfang des Jahres einen positi-ven Schwangerschaftstest in den Hän-den hielt, war ich geschockt. Zwei Kin-der waren schon eine enorme finanzielleBelastung, nun ein drittes?

Wie soll das funktionieren? Ruinierteich die Leben von uns allen? Nach vie-len Diskussionen mit meinem Mann

und weiteren Tränen sahen wir nureinen Ausweg – Abtreibung. Wochen-lang sah ich mir Videomaterial dazu an,habe geheult und mich elend gefühlt,wie eine Rabenmutter, die einfach ent-scheidet: Zwei dürfen leben, eins musssterben...

Der Abtreibungstermin stand schonfest, rückte immer näher. Zwischen-durch rief ich aus Verzweiflung bei ProFemina an. Mit meiner Pro Femina-Bera-terin eruierte ich in aller Ruhe die Prosund Contras in meiner Situation, völligwertfrei.

Ich wand mich innerlich sehr beidem Gedanken, dieses Baby einfach aus

meinem Leben zu wischen! Am Morgender Abtreibung brachen wir daheim zu-sammen. Wir brachten es einfach nichtüber uns, sagten den Termin ab und be-schlossen, die uns eröffnete Hilfe vonPro Femina anzunehmen. Das war dieabsolut beste Entscheidung! Natürlichsind nicht alle Sorgen verschwunden,aber große Hürden wurden dank ProFemina aus dem Weg geräumt, um Platzfür Pläne zu machen.

Wir sind nun stolze Eltern von dreiwunderbaren Kindern und die Jungs lie-ben ihre kleine Schwester sehr! Ich kannjeder Frau nur raten, sich auch an ProFemina zu wenden! DANKE!

„Manchmalversteht manGottes Plan erstspäter...“Auch ich möchte „Danke“ sagen und Euchan meiner Geschichte teilhaben lassen. Imletzten Sommer traf mich die Nachricht wieein Schlag: Ich bin mit Baby Nummer Dreischwanger. DieWelt ging fürmich unter. Fi-

nanziell ging es uns zu diesem Zeitpunktgar nicht gut. Mein Mann: Alleinverdiener– jeder Cent musste umgedreht werden.Psychisch war ich an Depressionen er-krankt – und jetzt auch noch schwanger.Ich war wie gelähmt. Habe nur noch ge-weint und betete, dass ich eine Fehlgeburterleide. Wie sollte ich das schaffen? Nochein Kind! Nochmal alles von vorne. Ich kamja schon mit den Zweien an meine Grenze.

Viele Stunden habe ich im Internet inverschiedenen Foren verbracht. Und ir-gendwann bin ich dann auf Profemina.orggelandet. Ich nahm meinen Mut zusam-men und wandte mich per E-Mail an dieBeratung. Ich schüttete mein ganzes Herzaus, was meiner Natur eigentlich gar nichtentspricht – aber ich brauchte Hilfe. So be-gann eine ganz vertrauensvolle Beziehungzu meiner Pro Femina-Beraterin. Sie hat mirso viel Kraft und Zuversicht gegeben. Siehatte aber auch Verständnis für meineÄngste und hat sie nicht einfach abgetan.

Die Schwangerschaft schritt immer wei-ter vor, und so wurde die Zeit immer knap-per. Dann der Entschluss, das Baby zu be-kommen. Nun ja, was soll ich sagen: Freudewollte trotzdem nicht aufkommen!

Ich schämte mich für meine (wirklich)nicht netten Gedanken. Und schrieb auchdiese wieder meiner Pro Femina-Beraterin!Die Reaktion von Außenstehenden, wennman sagt, man freue sich nicht auf dasBaby, sind meist von Unglauben, Ableh-nung und Unverständnis geprägt. Dochauch hier reagierte meine Pro Femina-Bera-terin ganz anders. Und ich? Ich fühlte michein wenig weniger schlecht. Viele, vieleE-Mails schrieben wir, mal einfach „nur“Smalltalk, mal E-Mails voller Angst und Ver-zweiflung. Irgendwann (der Bauch wurdeauch immer dicker) entschloss ich mich,eine Beziehung zu dem Wurm aufzubauen.Ich begann, mit ihm zu sprechen... Und sowurden aus den E-Mails voller Angst plötz-lich Mails, die mit Vorfreude gefüllt waren.Ich fing an, mich zu freuen. Die Ängstewurden weniger, die Mamagefühle kamenendlich auf!

Es gab immer wieder Tage, an denen ichgezweifelt habe, an denen ich am liebstenweggelaufen wäre. Meine Pro Femina-Bera-terin holte mich immer genau da ab, wo ichstand, und zeigte mir immer auf ganz liebe-volle Art und Weise: Alles ist gut!

Die Wochen vergingen wie im Flug mit

Höhen und Tiefen, mit Freude und Angst.Heute ist mein Baby 12 Wochen alt. Ichschaue es oft an und weine. Weine, weil ichGedanken gehabt habe, für die ich michschäme.Weine, weil ichmit demGedankengespielt habe, es abzutreiben. Und ichschaue auf diesen kleinen Menschen unddenke: „Du kamst genau richtig. Du hastmir noch gefehlt. Schön, dass DU da bist.“

Und wenn ich manchmal noch eineE-Mail vonmeiner Pro Femina-Beraterin be-komme, freue ich mich, sie ein kleinesStück an meinem Glück teilhaben lassen zukönnen. Denn wer weiß, ob es ohne sie sogelaufen wäre. Sie ist ein Engel auf Erden.Sie ist mir so vertraut wie nur wenige Men-schen in meinem echten Leben. Ich werdedas Schreiben vermissen.

Ich kann jedem nur raten: Wendet euchan Pro Femina! Entscheidungen können dieeuch zwar nicht abnehmen, aber sie beglei-ten euch durch diese schwere Zeit. Undauch hier möchte ich noch einmal DANKEsagen. Manchmal versteht man Gottes Planerst später...

„Dank ProFemina habe ichnun einenweiteren Engel“Hallo ihr Lieben,ich bin 22 Jahre jung und seit 16 TagenMa-ma von drei Kindern. Als ich vor einigenMonaten erfahren habe, dass ich schwan-ger bin, habe ich gedacht, dass es das Endefür mich sei und ich definitiv abtreibenmuss. Ich hatte schon zwei Kinder (vier undzwei Jahre), und eines davon ist unheilbarkrank. Wie sollte man das schaffen?

Ich war schon stolz, mit meinen zweiSöhnen alles hinzubekommen. Wie solltedas mit drei Kindern funktionieren? Nachlangem Googeln, Lesen und Weinen habeich mich entschieden, bei Pro Femina an-zurufen und hatte eine ganz liebe Frau amTelefon. Meine Pro Femina-Beraterinsprach sehr viel mit mir. Am Anfang erzähl-te ich ihr erst einmal unsere ganze Situationund die Umstände, dann durfte sie mir sa-gen, was sie für Ideen hat.

Ich wandte mich unzählige Male an ProFemina, und jedes Mal hatte man ein offe-nes Ohr für mich. Als meine Pro Femina-Beraterin im Urlaub war, sprach ich sehr oftund lange mit ihrer Vertretung. Sie hatteebenfalls viel Verständnis und immer einoffenes Ohr.

Dank Pro Femina habe ich einen weite-ren Engel neben mir liegen, 50 Zentimetergroß und 3250 Gramm schwer. Sie ist sehrzierlich und wunderschön. Kleine blaue

Augen, und das braun-schwarze Haar ihresVaters. Ihre Brüder vergöttern sie und rau-fen sich darum, wer ihr die nächste Flaschegeben darf. Ich danke Pro Femina für dieUnterstützung und Hilfe. Durch Eure Hilfeist mein Leben nun erfüllt und noch schö-ner!

„Manchmal kannich mein Glückkaum fassen“Hallo Martina,der kleine Tom kam am vor wenigen Tagenkomplikationslos zur Welt. Er ist zuckersüß,und ich liebe ihn sehr. Manchmal kann ichmein Glück kaum fassen, nun drei Kinderzu haben. Es ist zwar oft anstrengend – alsoer weniger, aber der Zweijährige und derDreizehnjährige – aber irgendwie ist alleszu schaffen. Vielen Dank, dass Sie mir sosehr Mut gemacht haben. Das ist das Beste,was man Frauen geben kann, die verzwei-felt sind: Mut, Mut, Mut.

Liebe GrüßeEmanuela