Immunzytologie bei Patienten mit Klinisch Isoliertem Syndrom · Aus der Klinik fur Neurologie...
Transcript of Immunzytologie bei Patienten mit Klinisch Isoliertem Syndrom · Aus der Klinik fur Neurologie...
Aus der Klinik fur Neurologie
Direktor: Prof. Dr. Dr.h.c. Wolfgang H. Oertel
des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universitat Marburg
in Zusammenarbeit mit dem
Universitatsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg
Arbeitsgruppe Klinische Neuroimmunologie
Leiter: PD Dr. Bjorn Tackenberg
Immunzytologie bei Patienten mitKlinisch isoliertem Syndrom verdachtig auf
Multiple Sklerose
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der
gesamten Medizin
Dem Fachbereich Medizin der Philipps-Universitat Marburg vorgelegt von
Johannes Till Elzer
aus Frankfurt am Main
Marburg 2012
Angenommen vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universitat Marburg
am: 22.02.2012
Gedruckt mit Genehmigung des Fachbereichs.
Dekan: Prof. Dr. Matthias Rothmund
Referent: PD Dr. Bjorn Tackenberg
Koreferent: Prof. Dr. Dr. Heverhagen
Inhaltsverzeichnis
Stichwortverzeichnis vii
Abbildungsverzeichnis viii
Tabellenverzeichnis ix
Abkurzungsverzeichnis x
1. Einleitung 1
1.1. Epidemiologie und Verlauf der Multiplen Sklerose . . . . . . . . . 1
1.1.1. Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.2. Verlauf und Prognose der MS . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.3. Das klinisch isolierte Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2. Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.1. Magnetresonanztomografie . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.2. Liquoranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3. Immunpathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.1. Pathologie der MS-Lasion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.2. Die zellulare Immunantwort bei Multipler Sklerose . . . . 10
1.3.3. Immunhomoostase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.4. Ableitung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2. Material und Methoden 25
2.1. Patienten und Probanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.2. Skalen, Definitionen und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.2.1. Expanded Disability Status Scale Score (EDSS) . . . . . . 27
2.2.2. Die Diagnosekriterien nach McDonald . . . . . . . . . . . 27
2.2.3. Gerate und Verbrauchsmaterialien . . . . . . . . . . . . . 28
2.3. Probenasservierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.3.1. Gewinnung von mononuklearen Zellen aus peripher-ve-
nosem Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.3.2. Kryoasservierung von PBMCs . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3.3. Kryoasservierung von Liquor . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.4.1. Farbung von peripherem Blut . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.4.2. Farbung von Liquor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
v
Inhaltsverzeichnis vi
2.4.3. Auswertung im FACS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.5. Magnetresonanztomografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.6. Biostatistische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3. Ergebnisse 39
3.1. Patientenkollektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high) . . . . . . . . . . . 41
3.3. Farbung II: T-Zell Co-Rezeptor (CD28) . . . . . . . . . . . . . . 46
3.4. Farbung III: B-Zell-Reihe (CD27, CD138) . . . . . . . . . . . . . 49
3.5. Farbung IV: Thymusemigranten (CD45RA, CD62L) . . . . . . . 53
3.6. Farbung V: Monozyten (CD14, CD16) . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.7. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4. Diskussion 59
4.1. Diskussion des Studienkollektivs und Methodik . . . . . . . . . . 59
4.2. Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.2.1. Reduzierte Haufigkeit der TREG bei Patienten mit CIS . 63
4.2.2. Reduzierte MFI fur VLA-4 . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.2.3. Rezeptorverlust und Defekte in Adhasionsmolekulen . . . 68
4.2.4. Assoziation der TREG mit der Krankheitsaktivitat . . . . 71
4.2.5. Keine quantitativen Unterschiede fur CD28 . . . . . . . . 74
4.2.6. Erhohter Anteil von B-Zellen im CSF bei Patienten . . . 75
4.2.7. Assoziation von Plasmazellen mit dem Lasionsvolumen . . 78
4.2.8. Keine quantitativen Unterschiede fur Thymusemigranten 79
4.2.9. Quantitative Unterschiede fur Monozyten bei CIS . . . . 81
4.3. Vorschlage fur weitergehende Forschungsanstrengung . . . . . . . 82
4.4. Kritische Wurdigung und Grenzen der Studie . . . . . . . . . . . 85
5. Zusammenfassung/Summary 87
A. Anhang 91
Literatur 99
Curriculum Vitae (entfernt) 118
Verzeichnis der akademischen Lehrer 119
Danksagung 120
Ehrenwortliche Erklarung (entfernt) 122
Stichwortverzeichnis
Clinical isolated syndrome (CIS, klinisch isoliertes Syndrom)
EDSS
Immunhomoostase
Lasionslast im kranialen MRT
Liquorzytologie
Multiple Sklerose
Receiver-Operator-Characteristics (ROC)
Regulatorische T-Zellen (T-REG, CD25)
Very late antigen (VLA-4)
vii
Abbildungsverzeichnis
1.1. Verlaufsformen der MS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2. CIS und Konversion zu MS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.3. T-Zellrezeptor und CD28/B7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1. Fuchs-Rosenthal Zahlkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2. FACS: Hydrodynamische Fokussierung . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.3. FACS: Vollblutprobe im FSC/SSC Dotplot . . . . . . . . . . . . 31
2.4. FACS: Identifikation von CD25high TREG . . . . . . . . . . . . . 33
2.5. FACS: Berechnung des Quotienten QPBL:CSF . . . . . . . . . . . 34
2.6. Ubersicht der Farbungen im FACS . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.7. MS-Lasionen in verschiedenen MRT-Wichtungen . . . . . . . . . 36
3.1. Vergleich der Quotienten fur CD25high im Boxplot . . . . . . . . 42
3.2. Korrelations- und ROC-Analyse fur TREG . . . . . . . . . . . . 44
3.3. MFI fur VLA-4 (PBL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.4. MFI fur VLA-4 (CSF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.5. Vergleich der Quotienten fur CD28+ im Boxplot . . . . . . . . . 48
3.6. Vergleich der Quotienten fur CD19+ im Boxplot . . . . . . . . . 49
3.7. Korrelations- und ROC-Analyse fur CD19 . . . . . . . . . . . . . 52
3.8. Vergleich der Quotienten fur CD45 im Boxplot . . . . . . . . . . 53
3.9. Vergleich der Quotienten fur CD14+/CD16+ im Boxplot . . . . 55
3.10. Korrelations- und ROC-Analyse fur CD14 . . . . . . . . . . . . . 57
A.1. EDSS-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
viii
Tabellenverzeichnis
1.1. Studien zur prognostischen Wertigkeit des cMRT . . . . . . . . . 7
2.1. Antikorperpanels und untersuchte Zellpopulationen . . . . . . . . 30
3.1. Patientencharakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.2. Patientencharakteristik – Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.3. Deskriptive Statistik Farbung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.4. Ergebnisse Farbung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.5. Ergebnisse VLA-4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.6. Deskriptive Statistik Farbung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.7. Ergebnisse Farbung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
3.8. Deskriptive Statistik Farbung III . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.9. Ergebnisse Farbung III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.10. Deskriptive Statistik Farbung IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.11. Ergebnisse Farbung IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.12. Deskriptive Statistik Farbung V . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.13. Ergebnisse Farbung V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.1. Vergleich des Studienkollektivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2. Studienvergleich fur CD25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.3. Migrationspfade der Lymphozyten ins ZNS . . . . . . . . . . . . 70
4.4. Subpopulationen humaner regulatorischer T-Zellen . . . . . . . . 84
A.1. Expanded Disability Status Scale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
A.2. Diagnosekriterien nach McDonald . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
A.3. Verwendetes Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
ix
Abkurzungsverzeichnis
AK Antikorper
AG Antigen
APC antigenprasentierende Zelle
AUC area under curve, Flache unter der Kurve
BCSFS Blut-CSF-Scharanke
BHS Blut-Hirn-Schranke
ax. axial
CAM cellular adhesion molecule, Adhasionsmolekul
CDMS klinisch definitive MS
CI Konfidenzintervall
CIS clinical isolated syndrome, klinisch isoliertes Syndrom
CSF cerebrospinal fluid, Liquor cerebrospinalis
Cut Cut-off, Grenzwert
EAE experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis
EDSS Expanded Eisability Status Scale
FU Follow-Up
Gd Kurzform fur Gadopentetat-Dimeglumin
Gd-DTPA Gadopentetat-Dimeglumin
HR hazard ratio, Risikoquotient
IFN Interferon
Ig Immunglobulin
IL Interleukin
LHR likelihood-ratio, Likelihood-Quotient
MBP Myelin-basische Protein
x
Abkurzungsverzeichnis xi
MHC major histocompatibility complex
MS Multiple Sklerose
MW Mittelwert
NPV negativ pradiktiver Wert
NS Nicht signifikant
cMRT kraniale Magnetresonanztomografie
OKB oligoklonale Banden
PBL peripheral blood leukocytes, Leukozyten aus dem peripheren Blut
PBMCs peripheral blood momonuclear cells, Mononukleare Zellen
PD Protonendichtewichtung
PI Progressionsindex
PP-MS primar progrediente MS
PPV positiv pradiktiver Wert
ROC receiver operator characteristics
RR-MS schubformig remittierende MS
sag. saggital
SD Standarddeviation, Standardabweichung
Sens Sensitivitat
SP-MS sekundar progrediente MS
Spez Spezifitat
TCR T-Zell-Rezeptor
TREC T-cell receptor excision circle
T-REGs regulatorische T-Zellen
VLA-4 very late antigen 4
vs. versus
1. Einleitung
1.1. Epidemiologie und Verlauf der Multiplen Sklerose
1.1.1. Epidemiologie
Bei der uberwiegenden Zahl der Patienten1 manifestiert sich die Multiple Skle-
rose (MS) im Alter zwischen 20 und 40 Jahren (Goodkin u. a. 1989). Jedoch ist
mittlerweile bekannt, dass auch bei weniger als 10 % die Krankheit schon im
Jugendalter und bei ca. 15 % jenseits des 40. Lebensjahres auftritt und auch
Ausbruche bis hin zur 80. Lebensdekade dokumentiert wurden (Confavreux,
Vukusic 2006; Renoux u. a. 2008). Bei diesen beiden Extrema der Altersvertei-
lung ist die Geschlechtspravalenz mit ca. 3:1 deutlich ausgepragt und in der
Altersgruppe der 20 bis 40 jahrigen in Deutschland sind Frauen etwa 2,5-mal
haufiger betroffen als Manner (Flachenecker u. a. 2008).
Die globale Verteilung der MS ist ungleich, aber nicht zufallig. Die Pravalenz-
raten schwanken zwischen 1:100 000 in Japan und 300:100 000 auf den Orkney-
Inseln (Sadovnick, Ebers 1993), Schatzungen zufolge sind weltweit mehr als
eine Millionen Menschen betroffen (Compston, Coles 2002). Hein, Hopfenmuller
(2000) fanden auch innerhalb Deutschlands unterschiedliche Pravalenzraten von
50–170 pro 100 000 Einwohner. Insgesamt sind aktuell ca. 120 000 Patienten in
der BRD betroffen (Hein, Hopfenmuller 2000).
1.1.2. Verlauf und Prognose der MS
Der Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose ist variabel und im Einzelfall nur
schwer vorhersagbar. Das Spektrum reicht von einem einzigen Schub (klinisch
isolierte Syndrom) bis zur rasch progredienten chronischen Erkrankung. All-
gemein anerkannt sind folgende Verlaufsformen (siehe auch Abbildung 1.1 auf
Seite 2, nach Lublin, Reingold 1996):
1Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden durchgangig die maskuline Form ver-
wendent, beide Geschlechter sind jedoch gemeint
1
1.1. Epidemiologie und Verlauf der Multiplen Sklerose 2
� Schubformiger Verlauf (RRMS), klare Schube mit vollstandiger Re-
mission oder Residuen, keine Progression im Intervall
� Sekundar chronischer Verlauf (SP-MS), initial schubformig, dann
progressive Verschlechterung
� Primar chronischer Verlauf (PP-MS), progrediente Verschlechterung
von Beginn an mit Plateaus oder Verbesserungen
Uber 90 % der Patienten prasentieren sich
Abbildung 1.1.:
Verlaufsformen der MS, oben:
schubformiger Verlauf, mitte: se-
kundar chronischer Verlauf, un-
ten: primar chronischer Verlauf.
Abbildung: eigene Grafik, modifi-
ziert nach Lublin, Reingold (1996)
initial mit dem schubformigen Typ, nur ca.
10 % nehmen einen primar chronischen Ver-
lauf (Thompson u. a. 1997). Allerdings geht
ein Großteil der RRMS-Patienten in sekundare
Formen uber und nach durchschnittlich 10–
15 Jahren betragt der Anteil der SP-MS Pa-
tienten 30–40 %. Nach 20 Jahren Krankheits-
dauer sind bis zu 90 % der RRMS Patien-
ten korperlich behindert (Trojano u. a. 2003).
Scalfari u. a. (2010) fanden mediane Schub-
raten von 0,93 pro Jahr in einer großen ge-
mischten Patientenpopulation unter Thera-
pie. Haufige und prolongierte Schube mit in-
kompletter Remission sowie kurze Intervalle
zwischen erstem und zweitem Schub in den
ersten zwei Jahren waren im Hinblick auf spa-
tere Behinderung prognostisch ungunstig (Scal-
fari u. a. 2010). Der EDSS als Goldstandard
der validen Beschreibung eines neurologischen
Defizits weist eine bimodale Haufigkeitsver-
teilung auf: Es finden sich Maxima bei EDSS 1–1,5 und 6–6,5. Nach einer
mittleren Krankheitsdauer von ca. 13 Jahren sind noch etwa 70 % der Pati-
enten uneingeschrankt gehfahig (EDSS ≤ 4,0) und nur 3 % schwer behindert
(Flachenecker u. a. 2008). Eine Studie von Pittock u. a. (2004) an 161 Patienten
konnte eine Progression des EDSS um ca. einen Punkt uber zehn Jahre feststel-
len, die Mehrzahl blieb also stabil. 30 % der Patienten waren nach einer Dekade
auf Hilfsmittel angewiesen. 14 % der Patienten starben im Beobachtungszeit-
raum (Pittock u. a. 2004).
1.1. Epidemiologie und Verlauf der Multiplen Sklerose 3
1.1.3. Das klinisch isolierte Syndrom
Der Begriff CIS (zu deutsch”klinisch isoliertes Syndrom“) ist ein Fachtermi-
nus, der das Auftreten eines ersten fokal-neurologischen Defizits beschreibt und
verdachtig fur die Entwicklung einer Multiplen Sklerose ist. Es muss von der
Diagnose”MS“ abgegrenzt werden, denn
”nur“ 45–68 % der Patienten entwi-
ckeln in einem Zwei Jahres-Zeitraum nach Diagnosestellung des CIS eine kli-
nisch definitive MS (CDMS) nach Poser (Poser u. a. 1983; Kappos u. a. 2006).
Bei Anwendung der MRT-gestutzen McDonald-Kriterien bis zu 85 %. im Jahre
2001 wurden die Poser- von den McDonald-Kriterien abgelost, der Begriff der
CDMS nach Poser wird jedoch international noch verwendet und beschreibt
das Auftreten von zwei zeitlich getrennten, klinisch fassbaren Schuben oder das
Auftreten von einem klinischen Schub und eine weitere, paraklinische Evidenz.
Retrospektiv weisen 85 % der MS-Patienten eingangs ein akut oder subakutes
neurologisches Ereignis auf, das auf eine einzelne Lasion der weißen Substanz
zuruckzufuhren ist (Kappos u. a. 2006). Multifokalitat, hohe Schubrate, Affek-
tion des efferenten Systems und schnelle EDSS-Progression gehen mit einer
schlechteren Prognose einher (Comi u. a. 2001; Eriksson u. a. 2003; Weinshen-
ker u. a. 1989).
Anhand paraklinischer Befunde wie MRT
Abbildung 1.2.:
CIS und Konversion zu MS.
30–70 % der Patienten mit CIS ent-
wickeln eine MS, wahrend retro-
spektiv ca. 85 % der MS-Patienten
ein CIS in der Vorgeschichte hat-
ten. Abbildung: eigene Grafik
oder Liquoranalyse kann das Risiko fur den
Ubergang in eine MS abgeschatzt werden. Der
positiv pradiktive Wert fur die Entwicklung
einer CDMS ist fur das MRT mit 53 % am
hochsten, gefolgt von oligoklonalen Banden
(OKB) im Liquor mit 44 % und evozierten
Potentialen mit 26–50 % (Filippini u. a. 1994).
Weitere Pradiktoren scheinen u. a. die Geno-
typen HLA-DR2 oder DRB1∗15 zu sein (Bar-
cellos u. a. 2006). Etwa zwei Drittel der Pa-
tienten mit CIS prasentieren sich initial mit
oligoklonalen Banden im Liquor, diese stellen
dabei einen Risikofaktor fur die Entwicklung einer MS dar (Rojas u. a. 2010).
Eine neuere Studie konnte allerdings zeigen, dass die Abwesenheit oligoklonaler
Banden allein keinen benigneren Krankheitsverlauf bedeutet (Siritho, Freed-
man 2009). Zur prognostischen Wertigkeit des MRT siehe Abschnitt 1.2.1 auf
Seite 4.
1.2. Apparative Diagnostik 4
Die Diagnose des CIS/MS wird anhand klinischer, radiologischer und la-
borchemischer Kriterien gestellt. Es gelten die zweimal revidierten McDonald-
Kriterien nach Polman. Wesentliche Neuerungen umfassen dabei u. a. die Er-
fullung des Kriteriums der zeitlichen Dissemination im cMRT. Dieses ist gege-
ben bei Nachweis einer neuen Gadolinium-speichernden oder T2-hyperintensen
Lasion in einem Follow-Up MRT oder beim gleichzeitigen Vorliegen von asym-
ptomatischen Gadolinium-speichernden und nicht-speichernden Lasionen zu ei-
nem beliebigen Zeitpunkt (McDonald u. a. 2001; Polman u. a. 2011). Sensitivitat
und Spezifitat der McDonald-Kriterien im 1-Jahres Follow-Up fur die Voraus-
sage eine MS nach drei oder mehr Jahren nach CIS zu entwickeln, lag in ver-
schiedenen Studien bei 74 bis 86 % (Dalton u. a. 2002; Tintore u. a. 2003).
Viele Patienten erholen sich nach einem CIS bis zur Rekonvaleszenz. Im Optic
Neuritis Treatment Trial (ONTT) konnte fur das bestuntersuchte CIS, die Opti-
kusneuritis, eine dreitagige i.v. Prednisolontherapie gefolgt von einer elftagigen
oralen Steroidtherapie fur eine schnellstmogliche Besserung des Visus ermittelt
werden (Beck u. a. 1993). Eine langfristige Prognoseverbesserung konnte jedoch
nicht nachgewiesen werden (Beck, Cleary 1993). In besonders schweren Fallen,
vor allem bei Patienten mit hochgradiger Beeintrachtigung durch einzelne stra-
tegische Lasionen (im Gegensatz zu erworbener Behinderung durch kumulative
Lasionslast) oder Versagen der Therapie mit Steroiden muß eine Plasmapherese
in Erwagung gezogen werden (Ruprecht u. a. 2004).
1.2. Apparative Diagnostik
1.2.1. Magnetresonanztomografie
Das bildgebende Verfahren der Wahl zum Nachweis der Dissemination im Raum
ist die Magnetresonanztomografie. Sie ist das sensitivste Verfahren fur die De-
tektion demyelinisierender Lasionen im ZNS (Fazekas u. a. 1999).
Hohe T2- und PD-gewichtete Signalintensitat charakterisieren die akute sowie
die chronische MS-Lasion. Topografisch werden als Pradilektionsstellen subkor-
tikale, kortikale, juxtakortikale und periventrikulare Lasionen unterschieden.
Diese Einteilung findet sich in den sog. Barkhof-Kriterien (Barkhof u. a. 1997)
und ihrer modifizierten Version nach Tintore (Tintore u. a. 2003), die Eingang
in die diagnostischen Kriterien nach McDonald gefunden haben. Morphologisch
erscheint die MS Lasion in ihrem Signalverhalten meist homogen, sie weist
eine runde oder ovale Form auf. Abweichungen von Form oder Homogenitat
1.2. Apparative Diagnostik 5
konnen auf das Uberlappen mehrerer Lasionen zuruckzufuhren sein, was u. U.
die Identifikation und numerische Bestimmung erschweren kann. Im akuten Sta-
dium konnen die Lasionen auch von einem weniger signalintensiven Ring aus
Entzundungszellen und perifokalem Odem umgeben sein (Fazekas u. a. 1999).
Durch die Applikation des paramagnetischen Kontrastmittels Gadopentetat-
Dimeglumin (Gd) kann das MR-Signal verstarkt werden. Beinahe alle neu en-
standenen Lasionen speichern initial Kontrastmittel, das pathologische Korre-
lat dazu ist eine fruhe Storung der Blut-Hirn-Schranke (Tortorella u. a. 1999).
Einige Studien untersuchten die prognostische Wertigkeit der Gd-speichernden
Lasionen in Bezug auf Schubrate und Schwere der konsekutiven Schube und fan-
den allenfalls eine schwache Korrelation (Albert u. a. 1994; Kappos u. a. 1999).
Wahrend Daten existieren, die eine moderate Korrelation mit dem Grad der
Behinderung im kurzfristigen Krankheitsverlauf suggerieren (Losseff u. a. 2001),
konnte eine andere Studie diese Ergebnisse, gemessen an der kumulativen Gd-
speichernden Lasionslast und dem Behinderungsgrad nach acht Jahren fur den
Langzeitverlauf nicht bestatigen (Frank u. a. 1994).
Die prognostische Wertigkeit des cMRT
Als Resultat der hohen Sensitivitat fur die Detektion entzundlicher Lasionen
(s. o.) ist das MRT fur Diagnosestellung und als prognostischer Marker in der
initialen Krankheitsphase unverzichtbar. Sowohl als Pradiktor in Bezug auf
Haufigkeit und Schwere konsekutiver Schube als auch fur den spateren Grad
der Behinderung werden magnetresonanztomografische Befunde eingesetzt (Br-
ex u. a. 2002; Kappos u. a. 2006; Tintore u. a. 2003).
Fruhe Studien fanden in T2-gewichteten cMRT bei CIS eine Pravalenz ent-
zundlicher Lasionen von 50–70 % (Ormerod u. a. 1987). Das Risiko fur einen
zweiten Schub ist hoher beim Vorliegen einer abnormen MRT (Morrissey u. a.
1993; Minneboo u. a. 2004). Brex u. a. (2002) fanden im Jahre 2002, dass die
Konversionsraten in eine CDMS nach Poser bei Patienten mit CIS und Optikus-
neuritis bei initial unauffalligem MRT nach 5, 10 und 14 Jahren 6, 11 und 19 %
betrugen. Beim Vorliegen kernspintomografischer Lasionen entwickelten bis zu
72, 83 und 88 % einen zweiten Schub im gleichen Beobachtungszeitraum (Brex
u. a. 2002). Bei Beobachtung desselben Patientenkollektivs uber insgesamt 20
Jahre lag die Konversionsrate bei initial normalem Scan bei 21 %, bei patholo-
gischem Scan bei 82 %. Unter diesen behielten 39 % einen”benignen Verlauf“
bei (EDSS< 3,0), 42 % entwickelten eine SP-MS (Fisniku u. a. 2008).
1.2. Apparative Diagnostik 6
Die Auswertung der Daten der BENEFIT Studie an 468 Patienten mit CIS
zeigte, dass die Barkhof-Kriterien neun T2 gewichtete Lasionen (HR = 1,64)
und drei periventrikulare Lasionen (HR = 1,66) die starksten Pradiktoren fur
die Konversion zu MS sind, ungeachtet der erhaltenen Therapie (Interferone
vs. Placebo). Ein Follow-Up MRT nach neun Monaten zur Evaluierung der
Dissemination in Zeit bei Patienten ohne CDMS war im Vergleich zu Scans in
kurzeren Intervallen nach Diagnosestellung am Starksten mit einer Konversion
zu CDMS nach Poser assoziiert (Moraal u. a. 2009).
Jungere Auswertungen der Daten des Optic Neuritis Treatment Trial (ONTT)
konnten fur eines der haufigsten CIS, der Optikusneuritis (ON), ein kumulatives
Risiko von 50 % fur die Entwicklung einer MS in den ersten 15 Jahren nach ON
zeigen. Dabei waren Patienten mit mindestens einer Lasion im initialen cMRT
einem vielfach hoheren Risiko ausgesetzt als Patienten ohne sichtbare Lasionen
(25 % vs. 72 %) (ONTT 2008).
Rojas u. a. (2010) fanden in einer Kohorte von 40 Patienten mit CIS ein
signifikant erhohtes Risiko fur die Konversion zu definitiver MS nach Poser
in Abhangigkeit vom Liquor- und MRT Befund. Im Vergleich zu Patienten
ohne oder mit nur einem Risikofaktor stellt das Vorliegen positiver OKBs und
abnormer Baseline-MRT in Kombination ein signifikant erhohtes Risiko dar
(RR = 9,1). Die Zeitspanne bis zur Konversion betrug ca. sieben Monate fur
Patienten mit OKB und abnormem Scan und 19 Monate fur Patienten mit nur
einem Risikofaktor (Rojas u. a. 2010).
Korrelation von Lasionslast und Behinderungsgrad
Die Daten zur Korrelation von Lasionslast und Grad der Behinderung sind
nicht immer eindeutig und stark vom untersuchten Patientenkollektiv und dem
Beobachtungszeitraum abhangig. Die starkste Korrelation der Lasionslast mit
dem Behinderungsgrad liefern Longitudinalstudien uber funf Jahre. Sailer u. a.
(1999) bestimmten die Lasionslast im cMRT von 71 Patienten mit CIS zu Be-
ginn und nach einem 5- und 10-Jahres Follow-Up. Von 34 Patienten mit geringer
initialer Lasionslast (≤ 3 cm3) entwickelten 78 % eine definitive MS und 18 %
wiesen einen EDSS von sechs und mehr auf. Alle Patienten mit hoher initialer
Lasionslast entwickelten innerhalb von zehn Jahren eine CDMS und 45 % wiesen
einen EDSS von sechs oder mehr auf. Die Quantifikation der Lasionen vorallem
in den ersten funf Krankheitsjahren korrelierte signifikant mit der Zeitspanne
bis zur Entwicklung einer klinisch definitiven MS nach Poser (Sailer u. a. 1999).
1.2. Apparative Diagnostik 7
Tabelle 1.1.:
Studien zur prognostischen Wertigkeit des cMRT. Dargestellt ist eine Auswahl an
Studien, die die prognostische Wertigkeit der Lasionslast im T2-gewichteten cMRT in ver-
schiedenen Beobachtungszeitraumen untersucht haben. Auffallig ist eine Heterogenitat der
Ergebnisse in Abhangigkeit des gewahlten Follow-Ups und der untersuchten Studienpo-
pulation. Es finden sich schwache bis starke Korrelationen der initialen Lasionslast mit
dem EDSS im Follow-Up. K = Korrelation, r = Korrelationskoeffizient, TLV = total lesion
volume (Lasionsvolumen), † Diesen Studien liegt dieselbe Patientenpopulation zugrunde.
Studie Patienten Ergebnis (Korrelation)
Filippi
1995
n = 281 (RR, SP, PP)
2 Jahres-FU
Schache K. neuer Lasionen mit EDSS Veranderung
im 2-Jahres FU (r = 0,13)
Schache K. vergroßernder Lasionen mit EDSS
Veranderung im 2-Jahres FU (r = 0,13)
Mammi
1996
n = 130 (RR, SP,PP) Schwache K. von TLV mit EDSS (r = 0,3)
Sailer
1999
n = 58 (CIS)
10 Jahres-FU
K. TLV mit EDSS im 10-Jahres FU (r = 0,81)
keine K. von TLV im 5-Jahres FU zum 10-Jahres FU
Filippi†1994
n = 84 (CIS)
5 Jahres-FU
K. TLV mit EDSS nach 5 Jahren
K. TLV mit Zunahme der TLV nach 5 Jahren
Brex†2001
n = 79 (CIS)
14 Jahres-FU
K. TLV nach 5 Jahren mit EDSS nach 14 Jahren
(r = 0,60)
K. Zunahme des TLV uber 5 Jahre mit EDSS nach
14 Jahren
Fisniku†2008
n = 107 (CIS)
20 Jahres-FU
K. TLV mit EDSS nach 20 Jahren (r = 0,48–0,67)
K. Zunahme des TLV uber 5 Jahre mit EDSS nach
20 Jahren
Sormani†2009
n = 107 (RR, SP)
1 Jahre-FU
K. TLV mit EDSS bei Baseline (r = 0,39)
kein K. des TLV bei Baseline mit EDSS nach 1 Jahr
Zu ahnlichem Ergebnis gelangte eine fruhere Studie, im Rahmen derer 84
Patienten mit CIS uber funf Jahre kernspintomografisch untersucht wurden.
Obwohl nur 40 % der Patienten eine definitive MS entwickelten, war die kra-
niale Lasionslast bei dieser Subgruppe signifikant hoher als bei Patienten ohne
zweiten Schub. Weiterhin fanden die Autoren eine Korrelation der initialen
Lasionslast mit dem Zuwachs an Lasionen, sowie dem Grad der klinischen Be-
eintrachtigung im Follow-Up (Filippi u. a. 1994). Am gleichen Patientenkollek-
tiv fuhrten Brex u. a. (2002) das Follow-Up nach 14 Jahren bei 79 Patienten
und Fisniku u. a. (2008) nach 20 Jahren durch. Es wurde eine zwar schwache,
jedoch signifikante Korrelation der Lasionslast nach funf Jahren und der Zunah-
1.2. Apparative Diagnostik 8
me der Lasionslast in den ersten funf Jahren mit dem Grad der Behinderung
beim 14-Jahres-Follow-Up gefunden (Brex u. a. 2002) und im Langzeit-Follow-
Up bestatigt (Fisniku u. a. 2008).
Fur eine tabellarische Zusammenfassung relevanter Studien siehe Tabelle 1.1
auf Seite 7.
1.2.2. Liquoranalyse
In Deutschland wird i. d. R. eine einzelne Liquoruntersuchung wird zur Beginn
des diagnostischen Prozesses durchgefuhrt, serielle Untersuchungen sind nicht
vorgesehen. Sie dient der Abgrenzung zu anderen, infektiosen Erkrankungen wie
z. B. der Borreliose oder Lues und sollte Zytologie, Albumin- sowie IgG-, IgA-
und IgM-Bestimmungen nach dem Quotienten-Schema (Reiber-Felgenhauer-
Diagramm), den Nachweis oligoklonaler IgG- und IgM-Banden im Liquor und
ggf. Antikorper-Synthese-Indizes fur neurotrope Viren (Masern, Roteln, Zoster;
sog. MRZ-Reaktion) umfassen (Leitlinien der DGN 2008, http://www.dgn.
org/images/stries/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_034.pdf). Charakte-
ristisch ist eine leichte lymphozytare Pleozytose (R. Schmidt 1983). Eine intrat-
hekale IgG-Synthese liegt bei uber 90 % vor, in ca. einem Drittel der Falle wird
sie von einer IgM-Synthese begleitet (Pohl u. a. 2004). Als sensitivste Metho-
de der Wahl zur Detektion von OKB bietet sich in der Klinik die isoelektrische
Fokussierung (IEF) an, mit der bei ca. 95 % aller Patienten unspezifisches oligo-
klonales IgG im Sinne einer humoralen Entzundung nachgewiesen werden kann
(Andersson u. a. 1994).
Die Beteiligung des zellularen Immunsystems am Fortschritt der Entzundung
im Krankheitsverlauf gab Anlaß zur Hoffnung, mit seriellen Subgruppenanaly-
sen z. B. im FACS das Krankheitsstadium und den Erkrankungstyp definieren
zu konnen. Besonderes Interesse, sozusagen als Bruckenschlag zwischen klinisch
verwertbarer Diagnostik und pathogenetischer”Grundlagenforschung“, erlang-
ten Studien, die liquorzytologische Befunddifferenzen mit pathogenetischer He-
terogenitat zu erklaren versuchten. Cepok u. a. (2001) fanden z. B., dass das
Verhaltnis von B-Zellen zu Monozyten im Liquor bei bestimmten Patienten in-
traindividuell stabil bleibt. Es korrelierte mit der Krankheitsprogression, aber
nicht mit Beeintrachtigung gemessen am EDSS. Die Autoren stellten die Theo-
rie auf, dass diese Heterogenitat im Liquor einzelner Patienten das pathologische
Korrelat auf histologischer Ebene wiederspiegele (Cepok u. a. 2001). Studien zu
diesem Thema mit Schwerpunkt auf dem CIS finden sich leider im Vergleich zu
Publikationen zur definitiven MS nur sehr sparlich.
1.3. Immunpathogenese 9
1.3. Immunpathogenese
Das gegenwartige Verstandnis von Pathogenese und Immunreaktion bei MS ist
im Laufe der Jahre hauptsachlich aus Tierversuchen heraus entstanden. Myel-
inspezifische T-Zellen werden außerhalb des ZNS aktiviert und beginnen mit
der Aufregulation von Adhasionsmolekulen und Chemokinrezeptoren um zur
Adhasion,”rolling“ und schließlich Migration durch das Endothel befahigt zu
werden (Engelhardt, Ransohoff 2005). Im perivaskularen Raum werden auto-
reaktive T-Zellen von lokalen antigenprasentierenden Zellen, wie z. B. dendriti-
schen Zellen, re-aktiviert und wandern ins ZNS Parenchym ein. Von T-Zellen
und Mikroglia sezernierte proinflammatorische Zytokine fuhren zu einer weiter-
gehenden Rekrutierung inflammatorischer Zellen und konsekutiver Zerstorung
des Myelins (Greter u. a. 2005).
1.3.1. Pathologie der MS-Lasion
Die MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der autoreaktive T-Zellen einen
Entzundungsprozess gegen Myelinbestandteile des ZNS induzieren (Fletcher
u. a. 2010). Das histopathologische Korrelat dieser im gesamten ZNS zu fin-
denden Entzundung sind fokale, scharf begrenzte Entmarkungsherde mit astro-
zytarer Gliose und variabler Axondestruktion (McFarland 1999).
Postmortem-Studien an Lasionen in einem fruhen Stadium zeigten apopto-
tische Oligodendrozyten ohne Makrophageninfiltration, strukturellem Myelin-
schaden oder parenchymalen T-Zellen im Infiltrat. Signifikante Makrophagen-
und T-Zellrekrutierung als amplifizierende systemische Entzundungsreaktion
wurde erst bei demyelinisiertem, postphagozytotischem Gewebe beobachtet (Bar-
nett u. a. 2009b). T-Zellen werden entweder durch Selbst-Antigen aus dem
Oligodendrozyten/Myelin-Komplex oder durch Fremdantigen aktiviert und fuh-
ren zu axonaler und neuronaler Degeneration im Bereich demyelinisierender
Lasionen (Barnett, Sutton 2006). Ihr Ausmaß korreliert mit dem Grad der Be-
hinderung (Frischer u. a. 2009).
Aus dem Tiermodell der MS, der EAE, ergaben sich Hinweise, dass neben der
entzundlichen Komponente noch weitere, amplifizierende Faktoren vorhanden
sein mussen um zum typischen Bild der konfluierenden MS-Lasion zu fuhren.
Schon fruh wurde die Rolle gegen Epitope auf der Oberflache von Myelinschei-
den gerichteter demyelinisierender Antikorper erkannt. Eine Studie von 2003
zeigte, dass anti-Myelin AK (vorallem anti-MOG und anti-MBP) bei Patienten
1.3. Immunpathogenese 10
mit CIS einen prognostischen Faktor fur kurze Intervalle zwischen einzelnen
Schuben darstellt (Berger u. a. 2003). Eine ahnlich aufgebaute, doppelblinde
Studie vier Jahre spater konnte dieses Ergebnis allerdings nicht reproduzieren
(Kuhle u. a. 2007). Eine Analyse der Reaktivitat gegen MOG stratifiziert nach
dem klinischen Subtyp zeigte eine starkere Reaktion bei CIS und RR-MS als
bei gesunden Kontrollen (Lalive u. a. 2006). Diese Ergebnisse sprechen dafur,
dass anti-MOG AK fruhe Krankheitsstadien mit Immunantwort gegen intaktes
Myelin reprasentieren.
Histopathologische Studien konnten im Wesentlichen vier Entmarkungsty-
pen in Lasionen bei der MS identifizieren (Lucchinetti u. a. 1996; Lucchinetti
u. a. 2000). Neben einem durch T-Lymphozyten gepragten Bild, welches alle
Lasionstypen aufwiesen, konnten folgende Muster der Myelindestruktion iden-
tifiziert werden:
� (I) Makrophagen-assoziiert
� (II) Makrophagen assoziiert mit Antikorpern und Komplement
� (III) Distale Oligodendrogliopathie und Apoptose
� (IV) Primare Oligodendrozyendegeneration
Ergebnisse jungerer Studien fuhrten dazu, den Erklarungsansatz einer heteroge-
nen histopathologischen Atiologie zusehends in Frage zu stellen (Breij u. a. 2008;
Barnett u. a. 2009b). So scheint z. B. Probenentnahme aus aktiven Lasionen
zu spezifischen Zeitpunkten und die haufige Ubereinanderlagerung aktiver und
chronischer Lasionen im Biopsat eine wahrscheinlichere Erklarung pathogene-
tischer Heterogenitat zu sein anstatt das Vorhandensein einer quadritomen hi-
stopathologische Entitat (Barnett u. a. 2009a).
1.3.2. Die zellulare Immunantwort bei Multipler Sklerose
T-Zell Rezeptor und Aktivierung von T-Zellen mittels CD28
T-Zellen erkennen mit ihrem T-Zell-Rezeptor (TCR) ein antigenes Peptid, wel-
ches ihnen im Kontext von HLA-Molekulen von Makrophagen, dendritischen
Zellen und Mikrogliazellen in immunogener Form prasentiert wird. Im Ge-
gensatz zu B-Zellen sind sie nicht in der Lage, ein losliches Antigen zu er-
kennen (Aloisi u. a. 2000). Der Aktivierungsprozess einer naiven, d. h. noch
nicht Ag-erfahrenen T-Zelle erfordert neben dem direkten Kontakt uber den
1.3. Immunpathogenese 11
Abbildung 1.3.:
T-Zellrezeptor und CD28/B7. Links: Die Liganden fur CD28, z. B. B7, werden auf
speziellen APC exprimiert. rechts: Aktivierung der T-Zelle durch den CD3/MHC Komplex
sowie durch den 2. Signalweg mit CD28/B7 fuhrt zu einer intrazellularen Signalkaskade,
die in Zytokinsezernierung und Proliferationsmetabolismus resultiert. Abb.: Eigene Grafik,
modifiziert nach Janeway (2008).
TCR zusatzliche ko-stimulatorische Signale. Die erste Signalkaskade ist anti-
genabhangig und wird uber den TCR und peptidgebundenes MHC initiiert.
Der zweite Signalweg wird uber Proteinkomplexe, z. B. uber die Interaktion
von auf T-Zellen exprimierten CD28/CTLA-4 Molekulen mit Proteinen der
B7-Familie auf APC vermittelt (Bhatia u. a. 2005). Dieser”co-stimulatory pa-
thway“ ist notig zur Produktion von Interleukinen, Rezeptoren wie dem IL-2
Rezeptor (CD25, s. u.) und Zellproliferation. Der alleinige Kontakt des TCR
mit an MHC-Molekulen gebundenen Proteinen allein ist fur die Effektorfunk-
tion aktivierter T-Zellen ausreichend, allerdings induziert er Inaktivitat und
kann zu Anergie oder programmiertem Zelltod fuhren. Man geht davon aus,
dass Anergie ein wichtiger Faktor fur Immuntoleranz ist und entscheidend dazu
beitragt, die Aktivierung autoreaktiver T-Zellen in der Peripherie zu verhin-
dern, die nicht im Thymus negativ selektiert wurden (Lovett-Racke u. a. 1998).
Signale, die uber CD28 ins Zellinnere weitergeleitet werden, tragen durch Mo-
dulation des Zellzyklus zum Uberleben von aktivierten Zellen in vitro bei. Somit
spielt CD28 eine wichtige Rolle bei der Verstarkung der Aktivierung von Im-
munzellen (Reichert u. a. 2001; Kovalev u. a. 2001), siehe auch Abbildung 1.3.
1.3. Immunpathogenese 12
Bei MS wird die Beeinflussung des”co-stimulatory pathway“ mittels an
CTLA-4 gekoppelten Immunglobulin fur therapeutische Studien benutzt. CTLA-
4 blockiert die CD28-B7 Interaktion. Viglietta u. a. (2008) konnten eine re-
duzierte Proliferation von Major-basic-protien (MBP) und Interferon-γ nach
CTLA-4 Ig-Infusion nachweisen (Viglietta u. a. 2008). Daten aus Tierexperi-
menten der 1990er Jahre (z.B. Miller u. a. 1995) unterstutzen die Hypothese,
dass die ersten Schritte im Aktivierungsprozess naiver CD4+ T-Zellen durch
Deprivation des co-stimulatorischen Signals durch CD28/CD80 inhibiert wer-
den konnen (Podojil, Miller 2009). Klinisch fassbare MS-Schube gehen mit ei-
ner Aktivierung des Immunsystems, wobei die Datenlage uber die Rolle ko-
stimulatorischer Signale bei Patienten mit CIS in der Liquoranalyse schlecht
ist. Eine neuere Studie von Fransson u. a. (2009) fand signifikant hohere Antei-
le CD8+ CD28+ Zellen an allen CD8+ im Blut von Patienten mit RRMS im
Vergleich mit gesunden Kontrollpersonen, unabhangig vom Krankheitsstadium
oder erhaltener Therapie. Trotzdem waren T-Zellen von Patienten in Remission
anergisch, diese konnte durch die Zugabe von anti-CD28 aufgehoben werden.
Patienten im Schub zeigten bessere Proliferationskapazitat und die Autoren
schlussfolgerten, dass Anergie bei diesen Patienten durch bislang unbekannte
Faktoren durchbrochen wurde (Fransson u. a. 2009). Widerspruchliche Daten
lieferte eine andere Studie, die sowohl vor, als auch nach i. v. Steroidtherapie
bei RRMS-Patienten keine relevanten oder signifikanten Unterschiede im pro-
zentualen Anteil der CD28+ Zellen im Blut fand (Aristimuno u. a. 2008).
Aufrechterhaltung von Immuntoleranz
Das Immunsystem ist generell tolerant gegenuber Selbst-Antigenen (Ag) und
zentrale und periphere Toleranzmechanismen wirken der Induktion von Autoim-
munitat entgegen: T-Zellen mit hoher Affinitat gegenuber Selbst-Antigen wer-
den durch klonale Deletion im Thymus eliminiert (zentrale Toleranz), wahrend
T-Zellen mit niedriger Affinitat in die Zirkulation ausgeschuttet werden. Auto-
reaktive und myelinspezifische T-Zellen sind sowohl im Blut von MS-Patienten,
sowie auch bei Gesunden vorhanden (Meinl u. a. 1993). Dies ist hinweisend auf
das Vorliegen weiterer protektiver Faktoren um Immuntoleranz beim Gesunden
aufrechterhalten. Zusatzliche Mechanismen neben klonaler Deletion im Thy-
mus, wie z. B. die aktive Suppression durch regulatorische T-Zellen (periphere
Toleranz) scheinen eine wichtige Rolle in der Pathogenese autoimmunogener
Krankheiten zu spielen (Martinez-Forero u. a. 2008).
1.3. Immunpathogenese 13
Humane regulatorische T-Zellen (TREG) beinhalten sowohl naturliche als
auch adaptive TREG. Naturliche (n)TREG exprimieren CD25 (die α-Kette
des IL-2 Rezeptors) auf der Oberflache und den fur die regulatorische Funktion
essentiellen Transkriptionsfaktor FoxP3 (Hori, Sakaguchi 2004). Aufmerksam-
keit erlangten die T-Zellen durch ihre Funktion, Autoimmunitat durch die Ad-
aptation immunologischer Toleranz gegenuber Selbst-Antigen zu kontrollieren
(Sakaguchi u. a. 1995). Im Tierversuch mit CD4+ CD25+ depletierten Mausen
konnten schon fruh experimentell organspezifische Krankheiten induziert wer-
den (Sakaguchi u. a. 1985), umgekehrt verhinderte der Kotransfer CD4+ CD25+
und CD4+ CD25- (Responder-) Zellen die Entwicklung experimentell induzier-
ter autoimmunologischer Krankheiten (Viglietta u. a. 2004). Die bei unter steri-
len Umweltbedingungen gezuchteten Mausen gefundene CD4+ CD25+ Popula-
tion lasst sich beim Menschen daruber hinaus in eine CD25high-Population mit
gleichen Suppressorfunktionen und eine CD25med/low (Responder-)Population
unterteilen. Nach Aktivierung uber den TCR proliferieren diese Zellen nicht,
sondern inhibieren uber direkten Zell-Zell-Kontakt die Proliferation und Zy-
tokinsekretion aktivierter (HLA-II+, CD71+, CD45RA-) CD4+/CD8+ CD25-
Zellen (Baecher-Allan u. a. 2001). Neben der Phanotypisierung mit CD4 CD25high
und FoxP3 konnen weitere naturlich vorkommende TREG differenziert wer-
den. Zwei Subgruppen von CD25hi FoxP3+ Zellen werden anhand der Expres-
sion des co-stimulierenden Molekuls ICOS unterschieden. Der ICOS+ Phanotyp
sezerniert dabei TGF-β zur Suppression der T-Zell Funktion (Ito u. a. 2008).
Daruberhinaus gibt es Anhaltspunkte fur die Existenz CD25- und FoxP3- negati-
ver regulatorischer Zellen, z. b. CD4+/CD8+ HLA-G+ Lymphozyten (Feger
u. a. 2007b).
Weiterhin wird in adaptive und differenzierte TREG unterschieden. Adapti-
ve TREG beinhalten Tr1, Th3 und verschiedene CD8+ TREG und entwickeln
sich in der Peripherie unter dem Einfluss immunsuppressiver Zytokine wie IL-10
und TGF-β (Roncarolo u. a. 2006). Differenzierte nTREG entstehen im Thy-
mus, wenn CD4+ T-Zellen mit großer Affinitat fur Selbst-Ag durch positive
Selektion expandieren (Liston, Rudensky 2007). Gangige Hypothesen gehen da-
von aus, dass diese Selbst-Ag spezifischen nTREG eine dominante Rolle in der
Pravention von Autoimmunitat spielen und adaptive TREG wahrscheinlich im
Rahmen einer Immunantwort als Reaktion auf Fremdantigen wahrend einer
Infektion entstehen (Review in Lafaille, Lafaille 2009).
Erstmalig finden sich Hinweise fur eine gestorte Suppressorfunktion der TREG
bei Patienten mit MS bei Viglietta u. a. (2004). Obwohl gleiche Haufigkeiten der
1.3. Immunpathogenese 14
TREG im Vergleich mit Gesunden gefunden wurden, konnte eine reduzierte
Zytokinsekretion (z. B. IL-10) gezeigt werden. Dabei wurden Populationen aus
verschiedenen Verhaltnissen an CD4+ CD25high / CD4+ CD25med/low Zellen mit
unterschiedlichen Konzentrationen von anti-CD3 AK als APC-unabhangiger
Stimulus beschickt. Lagen bei hohen Konzentrationen noch keine Unterschiede
in der Zytokinsekretion vor, zeigte sich in starkerer Verdunnung eine Abnahme
der sekretorischen Kapazitat der CD25high Population. Die Forscher postulier-
ten, dass qualitative Unterschiede in der Starke des durch den TCR vermittelten
Signals an Responder-Zellen nach antigener Stimulation in vivo (z.B. mikrobiell
vs. autoantigen) fur den unterschiedlichen suppressiven Effekt verantwortlich
seien. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bei MS-Patienten die TREG in
ihrer Effektorfunktion behindert scheinen und nicht umgekehrt eine refraktare
Empfanglichkeit der Responderpopulation (CD25-) vorliegt, die selbst keine re-
gulatorische Funktion inne hat (Viglietta u. a. 2004). Weiterfuhrende Studien
fanden ebenfalls eine reduzierte Zytokinantwort der TR1-Zellen bei Patienten
mit MS (Martinez-Forero u. a. 2008) und unterstutzen die Resultate von Vi-
glietta u. a. (2004) (Venken u. a. 2008a; Frisullo u. a. 2009). Die Reduzierte Ef-
fektorfunktion kann ganz oder teilweise durch immunmodulatorische Therapie
wiederhergestellt werden (Korporal u. a. 2008).
Im Gegensatz dazu ist die Datenlage zur Haufigkeit der TREG im peripheren
Blut widerspruchlich. Es finden sich Studien, die einen erniedrigten Anteil wie
auch identische Haufigkeiten bei Patienten mit MS im Vergleich zu gesunden
Kontrollen fanden (Haas u. a. 2005; Feger u. a. 2007a; Venken u. a. 2008a). Ei-
ne großere Haufigkeit CD25+ FoxP3+ nTREG wurde im Liquor, aber nicht im
peripheren Blut von MS-Patienten gefunden (Feger u. a. 2007a). Vereinbar mit
der Heterogenitat in Pathogenese und Klinik der MS finden sich Studien, die
ein unterschiedliches Verhalten der TREG bei verschiedenen Krankheitsstadien
fanden. Obwohl die Haufigkeit der Zellen im PBL keine signifikanten Unter-
schiede bei Patienten mit RR-MS und SP-MS aufwies, konnte eine verminderte
Suppressorfunktion nur fur erste festgestellt werden. Somit scheint die Funk-
tionsbeeintrachtigung der TREG besonders im fruhen Krankheitsverlauf eine
Rolle in der Immunregulation zu spielen (Venken u. a. 2006). Die folgerichtige
Konsequenz ist die Betrachtung der TREG im fruhestmoglichen Krankheitssta-
dium, dem CIS. Erstaunlicherweise finden sich hierzu nur wenige Studien. Eine
altere Arbeit von Jensen u. a. (2004) untersuchte ebenfalls die Haufigkeit der
TREG im PBL und CSF und stellte diese der Krankheitsaktivitat gemessen
an der kranialen Lasionslast gegenuber. Die Autoren fanden signifikant großere
1.3. Immunpathogenese 15
Haufigkeiten CD4+ CD25+ TREG bei Patienten mit CIS im Vergleich zu nicht-
inflammatorischen neurologischen Krankheiten. CIS Patienten mit abnormem
cMRT wiesen niedrigere Haufigkeiten im PBL und CSF auf als Patienten mit
normalem cMRT (Jensen u. a. 2004).
Emigration und Reifung von T-Zellen
T-Zellen unterlaufen nach ihrer Reifung im Thymus und Kontakt mit ihrem
Antigen eine Reihe von Veranderungen in Bezug auf Rezeptorbesatz, Zytokinse-
kretionsmuster und Funktionalitat. Beim Menschen kann eine Phanotypisierung
anhand der Expressivitat fur die CD45 Isoformen RA und RO erreicht werden
(Baars u. a. 1995). Naive CD45RA+ T-Zellen haben die Fahigkeit, zu den se-
kundaren lymphatischen Organen zu wandern und dort durch Antigenkontakt
aktiviert zu werden. Memoryzellen stellen ein Repertoire an spezialisierten Ef-
fektorzellen dar, die nach Zweitkontakt mit ihrem Antigen fur eine schnelle und
effektive Immunantwort sorgen. Bei Patienten mit Autoimmunkranheiten und
chronischer Stimulation des Immunsystems wie bei MS ist eine Verschiebung
des Phanotyps vom naiven zum Memorytyp zu erwarten (Mikulkova u. a. 2010).
Anhand von Oberflachenmolekulen wie CCR7 (ein Zytokinrezeptor fur das
Homing in Lymphknoten durch hochendotheliale Venolen) und CD62L (ein L-
Selektin) konnten mindestens zwei Phanotypen von Memory T-Zellen definiert
werden: schnell reagierende CD45RA+CD62Lhi TEM Effektor-Memoryzellen
und langsamer reagierende CD45RA+/-CD62Llow TCM Central-Memoryzellen
(Seder, Ahmed 2003).
Muraro u. a. (2000) untersuchten die Fragestellung, aus welcher der beiden
Populationen CD4+ naiv vs. Memory sich autoreaktive Zellen bei Patienten mit
RR-MS rekrutieren. In der FACS-Analyse MBP- und Tetanus-Toxoid spezifi-
scher Zellklone aus CD4+ CD45RA+ CD45RO- und CD4+ CD45RA- CD45RO+
Populationen konnte gezeigt werden, dass demyelinisierende T-Zellen de novo
aus dem Pool der naiven CD45RA+ CD45RO- rekrutiert werden und anschlie-
ßend in doppelt-positive Effektorzellen oder langlebige Memoryzellen differen-
zieren. In der gleichen Studie wurde eine erhohte Expressivitat von CD62L auf
naiven Zellen im Vergleich zu Memoryzellen gefunden (Muraro u. a. 2000). Nai-
ve T-Zellen benotigen fur den Ubertritt aus dem Blut in Lymphknoten CD62L
um das sog.”rolling“ entlang der hochendothelialen Venolen zu ermoglichen
(Sallusto u. a. 1999). Mikulkova u. a. (2011) fanden eine negative Korrelation
CD4+ CD8+ CD45RA+ CCR7+ Zellen mit dem Lebensalter bei gesunden Kon-
1.3. Immunpathogenese 16
trollpersonen. Erwartungsgemaß zeigte sich ein Ruckgang naiver T-Zellen und
ein Anstieg von Memory T-Zellen mit fortschreitendem Alter. Fur MS konnte
diese Beobachtung nicht reproduziert werden (Mikulkova u. a. 2011).
Zum gegenwartigen Zeitpunkt sind keine Studien zu Immunphanotypisierung
mit CD45RA/CD62L bei Patienten mit CIS erschienen.
Die Rolle von B-Zellen und ihre Interaktion mit T-Zellen
Der Vorteil B-Zell depletierender Therapien bei Patienten mit MS zeigt, dass
B-Zellen eine zentrale Rolle in der Pathogenese innehaben (Hauser u. a. 2008).
Nachdem die initiale Entzundungsreaktion zu einer Schadigung der Blut-Hirn-
Schranke (BHS) gefuhrt hat, wandern B-Zellen und Antikorper ins ZNS ein und
partizipieren an der spezifischen Entzundungsreaktion durch verschiedene Me-
chanismen: Deregulation der Produktion von myelinspezifischen B-Zellen (Pas-
henkov u. a. 2003), Formierung ektoper lymphoider Strukturen in den Meningen
von MS-Patienten (Serafini u. a. 2004), Differenzierung in Plasmazellen mit Pro-
duktion von Autoantikorpern gegen Myelin und Oligodendrozyten-Antigenen
im ZNS (Sellebjerg u. a. 2000) und Antigenprasentation fur T-Zellen (Crawford
u. a. 2006). Die Rolle sezernierter Antikorper bei MS wird durch eine intrat-
hekale Antikorpersynthese von CD138+ Plasmazellen und dem Nachweis von
Ig-Ablagerungen in demyelinisierenden Lasionen im ZNS unterstutzt (Owens
u. a. 2007; Lucchinetti u. a. 2000).
CD27 als Marker fur Gedachtniszellen findet sich nicht nur auf B-Zellen.
Basierend auf der Analyse dieses Oberflachenmarkers konnen T-Zellen in eine
großere, aus Memory- und naiven T-Zellen bestehende und in eine Effektor-
population (CD27-) unterschieden werden. Untersuchungen, die den Rezeptor-
besatz der Effektorpopulation als gewebsspezifisch und weniger der Migrati-
on in Lymphknoten dienend klassifizierten, unterstutzen diese These. Es exis-
tiert eine Reihe von weiteren phanotypischen Markern fur Gedachtniszellen, wie
z. B. CD45RO und CCR7 (s. o. Giunti u. a. 2003). In-vitro Experimente haben
gezeigt, dass die Aktivierung von T-Zellen mittels dem TCR-CD3-Komplex
eine starke Hochregulierung von CD27 zur Folge hat, vor allem auf naiven
CD45RA+ Zellen, bevor diese zu CD45R0+ Memoryzellen werden. CD27+
T-Zellen sind in der Lage, uber Zytokinsekretion B-Zellen zu aktivieren. In-
teressanterweise verlieren sie ihren Rezeptorbesatz bei Dauerstimulation mit
Antigenen und andern ihren Phanotyp zu CD27-. Diese Effektorpopulation
unterscheidet sich im Hinblick auf Zytokinsekretion (vorallem IL-4 und 5),
1.3. Immunpathogenese 17
Integrin- und Selektinbesatz wie VLA-4 und VLA-5, einem Verlust an CD28
und einer damit verbundenen Aufregulierung von CD11b (Baars u. a. 1995).
Neuere Studien beleuchten das Zusammenspiel von B- und T-Zellen im Im-
munsystem (Harp u. a. 2008). Es konnte gezeigt werden, dass die Aktivierung
von B-Zellen durch T-Zell spezifische Zytokine, nicht aber unspezifische Stimuli
zur Myelin-Ag abhangigen Aktivierung der T-Zellen befahigt. Diese Ativierung
scheint wichtig fur die Ausubung der antigenprasentierenden Funktion der B-
Zelle zu sein. Somit stehen T- und B-Zellen in einem reziproken Verhaltnis
zueinander (Harp u. a. 2008). Auch regulatorische T-Zellen werden auf diesem
Weg aktiviert. Die Blockade des co-stimulatorischen CD86 in vitro verstarkte
die Fahigkeit von B-Zellen zur Induktion von TREG (Zhong u. a. 2007).
Nach der klassischen Theorie der klonalen Selektion nach Burnet reagiert das
Immunsystem nach primarer Immunisierung mit der Generierung eines großen
Pools an Memory-B-Zellen, die sich von naiven Zellen in Bezug auf Rezeptor-
repertoire, Antigenprasentation, intrinsische Aktivitat, Toleranz und Lebens-
spanne unterscheiden. Im Rahmen der spezifischen Immunantwort ist es nach
der initialen klonalen Expansion von großer Wichtigkeit, dass aktivierte Zellen
spezifisch auf ihr Antigen reagieren, ohne unbeteiligtes Gewebe (”bystander“)
zu schadigen (Burnet 1962).
Das lymphozytenspezifische CD27 aus der TNF-Rezeptorfamilie und sein Li-
gand CD70 haben eine Schlusselrolle in der Kontrolle der Differenzierungs-
und Effektorfunktion aktivierter (B-)Lymphozyten inne. Auf T-Zellen wirkt
die Aktivierung von CD27 ahnlich dem TCR-assoziierten CD28 (s. o.) prolife-
rationsfordernd. CD27 ist zusammen mit Interleukinen an der Weiterdifferen-
zierung zur CD138+ Plasmazelle beteiligt. CD27+ B-Lymphozyten finden sich
vor allem in Geweben, die reich an Memoryzellen sind (wie z. B. der Marginal-
zone der Milz) und tragen bereits Mutationen in der variablen Kette des IgD,
was sie von naiven B-Zellen unterscheidet (Lens u. a. 1998).
Corcione u. a. (2004) untersuchten die Differenzierung von B-Zellen bei MS.
Im CSF von MS-Patienten finden sich signifikant mehr Plasmazellen (CD138+)
und Memoryzellen (CD19+/-CD27+) als im PBL. Plasmazellen im Liquor fan-
den sich auch bei anderen entzundlichen Erkrankungen, jedoch zu einem ge-
ringeren Prozentsatz. Dies konnte Ausdruck des chronischen Verlaufs der MS
im Vergleich zu akuten Krankheiten, wie z. B. viraler Meningitis, sein, her-
vorgerufen durch persistierende antigene Stimulation und Defekte in der Im-
munantwort. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine kompartimentalisierte B-
Zellreaktion im ZNS stattfindet (Corcione u. a. 2004). Im Wesentlichen fehlen B-
1.3. Immunpathogenese 18
Zellen nahezu vollig im Liquor Gesunder, bei Patienten mit MS oder auch aku-
ten Infektionen wurden jedoch Expansionen von bis zu 30 % aller Zellen im CSF
gefunden. Dabei handelt es sich hauptsachlich um CD27+ Gedachtniszellen, die
schon Kontakt mit einem Antigen hatten (Cepok u. a. 2005).
Bei Patienten mit CIS ist die Rolle der B-Zellen weniger gut untersucht.
Kuenz u. a. (2008) konnten eine Akkumulation reifer B-Zellen (CD19+ CD1382)
und Plasmablasten (CD19+ CD138+) im CSF bei CIS und RR-MS, nicht aber
bei SP-MS nachweisen. B-Zellen korrelierten mit entzundlicher Aktivitat, ge-
messen an T2-hyperintensen und Gd-aufnehmenden Lasionen im cMRT und Li-
quorparametern (Leukozytenzahl, intrathekale Ig-Synthese) (Kuenz u. a. 2008).
Die Bedeutung von B-Zellen in fruhen Krankheitsstadien wird auch duch Stu-
dien unterstutzt, die das proinflammatorische Zytokinmilieu bei Patienten mit
CIS untersuchten (Sellebjerg u. a. 2009).
Die Rolle von Makrophagen in der Immunpathogenese
Die Prasenz von Makrophagen in demyelinisierenden Lasionen bei MS konnte
schon fruh in histopathologischen Studien gezeigt werden (Bruck u. a. 1995).
Hamatogene Makrophagen und Mikroglia als ihr Pendant im ZNS haben zahl-
reiche immunmodulatorische Funktionen. Makrophagen und Mikroglia dienen
als Antigenprasentation fur T-Zellen. MHC-II Molekule und co-stimulatorische
Molekule wie B7.1 werden verstarkt bei MS-Patienten exprimiert (Gobin u. a.
2001). Wahrend MHC-II Expression auf Mikroglia im ZNS moglicherweise eine
Dampfung der Immunantwort durch Aktivierung regulatorischer T-Zellen hat
(Almolda u. a. 2010), konnte der Expression auf perivaskularen Makrophagen
eine proinflammatorische Rolle in der EAE nachgewiesen werden (Hickey, Ki-
mura 1998). Makrophagen im ZNS konnen Myelinabbauprodukte phagpzytie-
ren und sezernieren eine Vielzahl an pro- und antiinflammatorischen Zytokinen
(Glim u. a. 2010).
Der klassische immunphanotypische Marker fur Monozyten ist CD14, der
Pattern-recognition-Rezeptor fur Lipopolysaccharide in der außeren Zellwand
gramnegativer Bakterien. Innerhalb dieser Population exprimieren ca. 10 %
zusatzlich zu CD14 CD16, den niedrig-affinen Fc-γ Rezeptor III. Diese unter-
scheiden sich in Bezug auf ihr Verhalten bei Immunstimulation von den”klassi-
schen“ Monozyten und wurden von einigen Autoren als”proinflammatorische“
Monozyten bezeichnet (Bergh u. a. 2004).
Obwohl die MS hauptsachlich eine T-Zell-mediierte Autoimmunerkrankung
1.3. Immunpathogenese 19
ist, spielen Monozyten bzw. Makrophagen als Vertreter des angeborenen Im-
munsystems eine wichtige Rolle in der Pathogenese. Vaknin-Dembinsky u. a.
(2008) konnten bei RR-MS Patienten ein verandertes, von Makrophagen se-
zerniertes Zytokinprofil im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen feststellen.
Insbesondere in sehr fruhen Krankheitsstadien war membrangebundenes IL-15
auf CD14+ Monozyten verstarkt exprimiert, analog dazu wurde eine erhohte
Anzahl an IL-15 Rezeptoren auf CD4+ T-Zellen bei MS-Patienten gefunden.
Die Autoren schlussfolgern daraus, dass IL-15 und Makrophagen besonders in
der Fruhphase (also beim CIS) einen wichtigen Faktor in der Unterhaltung
der T-Zellantwort darstellen und in Zukunft moglicherweise als Therapieansatz
dienen konnten (Vaknin-Dembinsky u. a. 2008). Weitere Studien unterstreichen
neben dem erworbenen Immunsystem immer auch die Rolle des angeborenen
Immunsystems bei der MS. Im Tiermodell wurde die immunmodulatorische
Funktion des CD14-Rezeptors auf Monozyten gezeigt. CD14 defiziente Mause
mit EAE prasentierten sich klinisch und histopathologisch mit starkerer neu-
ronaler Entzundung als die nicht-CD14 kompromittierten Tiere. Somit wurde
CD14 eine protektive Funktion, analog zu regulatorischen T-Zellen (s. o.), zuge-
schrieben. Weitere Studien sollten allerdings klaren, ob die artifizielle Depletion
von CD14 nicht eine uberschiessende Antwort des erworbenen Immunsystems
im Tiermodell nach sich zieht und so eine kunstliche Verschlechterung im Hin-
blick auf Entzundung und Beeintrachtigung nach sich zieht (Walter u. a. 2006).
Interessanterweise ist CD14 als glycosyl-phosphatidyl-inositol verankertes Mo-
lekul auf die Zusammenarbeit mit dem Co-Rezeptor TLR4 angewiesen, welcher
auch auf regulatorischen T-Zellen gefunden wurde und dem damit ebenso eine
regulatorische Funktion zugeschrieben wird (Pasare, Medzhitov 2004). Bis jetzt
existieren keine Studien uber einen moglichen synergistischen Effekt von CD25
und TLR4 bei Autoimmunerkrankungen und das Zusammenspiel von CD14,
CD25 und TLR4 bietet Raum fur weitere Forschung in der Zukunft.
Bei MS-Patienten, die mit Interferon-β behandelt wurden, konnte mithilfe
des FACS eine Expansion von CD14+ auf proinflammatorischen Monozyten zu
Lasten von CD16+ nach einem Monat antiinflammatorischer Therapie gefun-
den werden. Da die proinflammatorischen Monozyten eine Vorstufe im Entwi-
ckungszyklus zu dendritischen Zellen darstellen (s. o.), konnte dies ein weite-
rer Erklarungsansatz fur die Wirkungsweise von Interferonen bei MS Patienten
sein, indem das Gleichgewicht der differenzierten Monozyten durch die Therapie
zugunsten der Makrophagen verschoben wird (Bergh u. a. 2004). Eine ahnliche
Wirkung zeigen Monozyten bei MS-Patienten, die mit einer funftagigen hoch-
1.3. Immunpathogenese 20
dosierten Steroidtherapie behandelt wurden. Es zeigte sich ein Ruckgang der
CD14+ CD16+ Monozyten auf teils nicht mehr messbare Werte, wahrend die
Population der”klassischen“ Monozyten um fast 50 % expandierte. Allerdings
wurden in dieser Studie keine Liquorwerte erhoben, und war mit n = 10 relativ
klein bemessen (Fingerle-Rowson u. a. 1998). Studien zur Immunphanotypisie-
rung bei Patienten mit CIS und CD14/CD16 existieren nicht.
1.3.3. Immunhomoostase
Um ins ZNS einwandern zu konnen mussen zirkulierende Zellen die zellularen
Barrieren uberwinden, die fur die Aufrechterhaltung der Immunhomoostase ver-
antwortlich sind. Unspezifischer trans- und parazellularer Transport vom Blut
ins ZNS Parenchym wird durch die endotheliale Blut-Hirn-Schranke (BHS) ver-
hindert, die als einzigartige morphologische Charakteristika fehlende Fenestrati-
on und hocheffiziente tight junctions aufweist (Wolburg u. a. 2003). Eine zweite
Barriere stellt die Blut-CSF-Schranke (BCSFS), bestehend aus spezialisierten
Epithelzellen des Plexus choroideus dar, welche den Liquorraum gegen das pe-
riphere Blutkompartiment abschottet und in jungerer Zeit als mogliche Ein-
trittspforte fur Immunzellen ins ZNS diskutiert wurde (Reboldi u. a. 2009)
Initialer Kontakt der zirkulierenden Zellen wird durch die Interaktion von
Adhasionsmolekulen der Selektin- oder Ig-Superfamilie und ihrer Liganden auf
dem Gefaßendothel hergestellt. Es folgt das sog.”rolling“ mit verminderter
Fließgeschwindigkeit und zytokinvermittelter Konformitatsanderung der Ad-
hasionsmolekule. Beim Ubertritt ins ZNS befinden sich die T-Zellen nun im
Liquor-drainierten perivaskularen Raum, der von der glia limitans gegen das
Hirnparenchym abgegrenzt wird (Engelhardt 2010).
Erste Hinweise, dass T-Zellen beim Gesunden zur Uberwindung der BHS
und BCSFS fahig sind lieferten Studien mit radioaktiv markierten enzephalito-
genen T-Lymphoblasten. Sechs Stunden nach Injektion der Zellen konnte eine
Anreicherung im perivaskularen Raum bei Ratten nachgewiesen werden (Hickey
1991). Im Ruckenmark wurde ein VLA-4/VCAM-I (CD49d) abhangiger Trans-
port aktivierter, antigenspezifischer T-Zellen ins ZNS nachgewiesen (Vajkoc-
zy u. a. 2001). Neure Studien bestatgten diese Hypothesen und mittels intra-
vitaler Mikroskopie (IVM) konnten ovalbumin-spezifische T-Zellen nach ihrer
Diapedese uber meningeale Gefaße im Subarachnoidalraum, nicht aber Hirn-
parenchym beobachtet werden. Die Autoren leiteten daraus ab, dass T-Zellen
die Uberwachung des zentralnervosen Immunsytems im Subarachnoidalraum
1.3. Immunpathogenese 21
ausuben, in Abwesenheit spezifischer perivaskularer Antigene jedoch die notigen
Signale zur Migration uber die glia limitans fehlen (Bartholomaus u. a. 2009).
Das Uberwiegen von Memory T-Zellen im CSF gegenuber dem PBL bei Gesun-
den legt den Schluss nahe, dass Zellen direkt uber den Plexus choroidus und
die BCSFS in den Liquor ubertreten konnen (Kivisakk u. a. 2003). Hinweise
auf die Rolle bestimmter Zytokine wie CCL20 fur die Mediation der zellularen
Diapedese uber die BCSF sind Gegenstand aktueller Forschung (Reboldi u. a.
2009). Zusammengefasst findet also unter physiologischen Bedingungen eine
strikte Selektion immunkompetenter Zellen beim Ubertritt ins ZNS und Auf-
rechterhaltung einer zellularen Homoostase statt. Ohne antigene Aktivierung
pesistieren die T-Zellen nicht jenseits von BHS und BCSFS und imigrieren
nicht ins Hirnparenchym (Bartholomaus u. a. 2009).
Reaktivierung einer T-Zelle im Subarachnoidalraum fuhrt zu einer Aktivie-
rung der zellularen Schranken, was den weiteren Einstrom immunmodulato-
rischer Zellen uber die entzundete BHS bei MS erleichtert. Initiale Schritte
umfassen das α4-Integrin/VCAM-1 medierte”rolling“ in der Fruhphase des T-
Zell-Endothel Kontaktes (Battistini u. a. 2003) und Endothelin Interaktionen
nach initialem Kontakt (Bahbouhi u. a. 2009). In vitro Studien konnten zeigen,
dass T-Lymphozyten uber LFA-1 und α4-Integrine und ihre endothelialen Li-
ganden ICAM-I und VCAM-I an der entzundeten Gefaßwand haften (Man u. a.
2009) und die interzellularen Adhasionsmolekule wahrend EAE auf meninge-
alen und auf Endothelzellen des Plexus choroideus hochreguliert sind (Steffen
u. a. 1996). Der letzte Schritt, die Diapedese uber die zellulare Barriere, ist am
wenigsten gut erforscht. Es gibt allerdings Hinweise auf einen transzellularen
Mechanismus, der LFA-1/ICAM-I und ICAM-2 Interaktionen nahelegt (Green-
wood u. a. 2003).
Schlussendlich fuhrt die Produktion von Zytokinen und Metalloproteasen zur
Degradation der glia limitans und Einstrom encephalitogener Zellen ins Hirn-
parenchym (Agrawal u. a. 2006).
Spezielle Aspekte in der Homoostase der TREG
In der ersten Lebenswoche thymektomierter Mause entwickeln eine Autoimmu-
nekrankung ohne Beteiligung des ZNS (Sakaguchi u. a. 1985). Im Mausmodell
der MS, der EAE, konnte gezeigt werden, dass CD4+ CD25+ Lymphozyten
die Entstehung und Progression der Krankheit aufhalten konnen (Kohm u. a.
2002) und es fand sich eine Akkumulation peripher expandierter TREG im ZNS
1.3. Immunpathogenese 22
(Korn u. a. 2007). Es finden sich Studien, die eine Anreicherung auch im Liquor
von MS Patienten zeigen konnten (Feger u. a. 2007a), auch wenn die Studienlage
hierzu kontrovers diskutiert wird (siehe auch Abschnitt “Aufrechterhaltung von
Immuntoleranz“ auf Seite 12 und Tabelle 4.2 auf Seite 64). Diese Daten legen
die Vermutung nahe, dass TREG beim Menschen aktiv ins entzundliche Mi-
lieu rekrutiert werden konnen. Es existieren Studien zur Korrelation von Schub
und Remission mit der Haufigkeit von regulatorischen T-Zellen (Aristimuno
u. a. 2008). Fletcher u. a. (2010) formulieren die Hypothesen, dass Autoimmu-
nitat und konsekutive Entzundung von der Balance zwischen regulatorischer
und inflammatorischer Kapazitat auf zellularer Ebene abhangt. Wahrend die
entzundliche Komponente zu Beginn der Krankheit dominiert, kommt es zur
Expansion der regulatorischen Antwort (im Liquorkompartiment) zugunsten
von regulatorischen Zellen und Zytokinen wahrend der Remission (Fletcher u. a.
2010).
In jungerer Zeit wurden TREG aufgrund ihres Oberflachenbesatzes an Ad-
hasionsmolekulen klassifiziert. Diese ermoglichen T-Zellen den Ubertritt vom
Lymph- ins Blutkompartiment oder die Diapedese der Blut-Hirn-Schranke oder
sind fur die Retention der Zellen im entzundeten Gewebe verantwortlich. Soilu-
Hanninen u. a. (2005) fanden eine erhohte Expression von CD49d (α-4 Ket-
te des Very Late Activation Antigen, VLA-4) in der Gesamtpopulation der
T-Zellen bei Patienten mit MS im Schub (Soilu-Hanninen u. a. 2005). Eine
neuere Studie zeigte eine signifikant erhohte Haufigkeit CD49d+ Zellen unter
allen TREG bei Patienten mit RR-MS (nicht aber SP-MS) im Vergleich zu ge-
sunden Kontrollen (Venken u. a. 2008a). Stenner u. a. (2008) untersuchten den
Effekt einer VLA-4 Blockade mit dem monoklonalen Antikorper Natalizumab
auf CD25high FoxP3+ TREG bei Patienten mit RR-MS. Die Autoren konn-
ten zeigen, dass die Bindungskapazitat von Natalizumab bei TREG signifikant
schwacher ist und TREG weniger VLA-4 exprimieren als FoxP3- T-Zellen. Die-
se Ergebnisse fanden sich jedoch sowohl im Blut von RR-MS Patienten, als auch
bei gesunden Kontrollen (Stenner u. a. 2008). Allerdings untersuchte die Studie
kein Liquormaterial und beinhaltete keine Patienten mit CIS. Eine spatere Stu-
die aus der selben Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass TREG konstitutiv
eine hohere Zellmotilitat uber die BHS in vitro unter nicht-inflammatorischen
Bedingungen aufweisen, als CD4+ FoxP3- Effektorzellen. Es zeigte sich eine Ak-
kumulation der TREG in oder auf einer in vitro kultivierten Endothelschicht,
was hinweisend auf einen Vorteil in der Initiierung der fruhen Schritte der Diape-
dese uber die BHS ist. TREG von Patienten mit RR-MS wiesen eine reduzierte
1.4. Ableitung der Fragestellung 23
Fahigkeit zur Diapedese auf verglichen mit gesunden Kontrollen. Die Autoren
schlußfolgerten, dass die gesteigerte Migratonsfahigkeit der TREG unter physio-
logischen Bedingungen zum Erhalt der Immunhomoostase und eines regulatori-
schen Equilibriums im ZNS beitragt. Die beeintrachtige Migrationsfahigkeit bei
Patienten mit MS ist hinweisend auf zusatzliche Aspekte in der Pathophysiolo-
gie der TREG neben einer gestorten Effektorfunktion und konnte zur Bildung
fruher ZNS-Lasionen beitragen (Schneider-Hohendorf u. a. 2010).
1.4. Ableitung der Fragestellung
Aktuelle Hypothesen zur Immunpathogenese der MS beinhalten als zellulare
Komponente u. a. die Involvierung von regulatorischen T-Zellen, CD4+/CD8+
T-Zellen, Makrophagen und B-Zellen im ZNS. Autoreaktive T-Zellen aus der
Peripherie wandern ins ZNS ein, treffen dort auf ihr Antigen und sind fur
die neuroinflammatorische Reaktion verantwortlich, die uber humorale und
zellulare Immunreaktion zu Myelin- und Axonschaden fuhrt (Bhat, Steinman
2009). Dabei spielt die Aufrechterhaltung der zellularen Homoostase uber die
Blut-Hirn-Schranke und die Blut-CSF-Schranke eine entscheidende Rolle (En-
gelhardt 2010), auch uber quantitative Unterschiede einzelner Zellpopulationen
im CSF und PBL wurde bei Patienten mit definitiver MS berichtet (Feger
u. a. 2007a; Venken u. a. 2008a; Lee-Chang u. a. 2011). Das MRT als Surro-
gatparamter fur entzundliche Aktivitat erlaubt dabei eine Quantifizierung und
Objektivierung zerebraler Entzundung, gemessen an Lasionslast und Anzahl
T2-hyperintenser Lasionen (Fisniku u. a. 2008).
Diese Studie geht der Fragestellung nach, ob eine Dysbalance zwischen Blut-
und Liquorkompartiment bestimmter Immunzelltypen bei Patienten mit CIS im
Vergleich zu gesunden Kontrollen besteht und ob das Ausmaß einer moglichen
Dysbalance mit dem Grad der zentralnervosen Entzundung, gemessen anhand
der Lasionslast im cMRT, korreliert. Die Darstellungsweise der Haufigkeiten
durch Quotienten (PBL/CSF) erlaubt dabei ein relatives (Un)-Gleichgewicht
zwischen dem Blut- und Liquorkompartiment zu erfassen und Hypothesen zur
Immunhomoostase aufzustellen und wurde schon von fruheren Forschungsgrup-
pen zur Charakterisierung einer gestorten Zellhomoostase eingesetzt (Kleine
u. a. 1999). Aktualitat erlangt das Konzept der Dysbalance und Immunhomo-
ostase durch gegenwartige erfolgreiche Therapiestrategien, die eine Re-balan-
cierung pro- und antientzundlicher Zellen z. B. durch Transfer regulatorischer
Zellen im Tierversuch (Stephens u. a. 2009) oder Beeinflussung der Diapedese
1.4. Ableitung der Fragestellung 24
von Leukozyten uber die Blut-Hirn-Schranke (Horga, Tintore 2010) erfolgreich
einsetzen.
Wir entschieden uns fur eine Auswahl an immunphanotypischen Markern im
FACS fur T-, B-, Plasma- und Memoryzellen und Makrophagen wie in Tabel-
le 2.1 auf Seite 30 beschrieben, weil die kombinierte quantitative Analyse dieser
Zellpopulationen moglicherweise Schlusse auf ein fur das CIS charakteristisches
Immunzellprofil und seine Verteilung uber die Kompartimente erlaubt.
2. Material und Methoden
2.1. Patienten und Probanden
Die Studienkohorte setzt sich aus 46 Patienten mit CIS (CIS-I), 18 Patienten
mit MS und 25 gesunden Kontrollpersonen (KONTROLLE-I) zusammen. Die
Indikation zur Lumbalpunktion bei Patienten der Kontrollgruppe bestand aus
unklarem (Kopf)Schmerzsyndrom, Normaldruckhydrozephalus, Pseudotumor
cerebri, Verdacht auf Neuroborreliose und psychiatrischer Indikation. Durch-
flusszytometrisch wurden von allen Patienten Blut- und Liquorporoben in den
Farbungen I–V untersucht (siehe Tabelle 2.1 auf Seite 30). Nachdem sich in
Zwischenanalysen ein quantitativer Unterschied fur CD25+ TREGs abzeichne-
te, wurde das Antikorperpanel um eine weitere Farbung mit CD25 und CD49d
erweitert. Um genugend Zellmaterial an CD25high CD49d+ Zellen im FACS ein-
setzen zu konnen, wurde auf das bisherige Panel der Farbungen I–V in einer
zweiten Kohorte verzichtet. Diese VLA-4 Kohorte setzt sich aus n = 18 (CIS-II)
und n = 18 (KONTROLLE-II) Patienten zusammen, fur die nur Farbung VI
vorliegt. Es galten die selben Einschlusskriterien wie fur die Kohorten CIS-I,
MS-I und KONTROLLE-I.
Neben kranialer Magnetresonanztomografie nach standardisiertem Protokoll
(T2 Fast-spin-echo, T1 Spin-Echo, FLAIR, Protonendichtewichtung + T2 Fast-
spin-echo, T1 Spin-echo + Kontrastmittel, siehe Abschnitt 2.5 auf Seite 36),
Liquor- und Venenpunktion wurde von allen Patienten mit CIS bei Diagno-
sestellung und als Follow-up nach einem Jahr der EDSS-Score von zertifizier-
ten EDSS-Untersuchern (Expanded Disability Status Scale, EDSS, L. Kappos,
CH-4031 Basel, Schweiz, siehe http://www.neurostatus.net/index.php) er-
hoben.
Die Patientenrekrutierung begann im Jahr 2007 und endete im Jahr 2010.
Retrospektiv wurden alle Patienten eingeschlossen, welche die Einschlusskriteri-
en erfullten. Somit datieren die stationaren Aufenthalte der Patienten aus den
Jahren 2005 bis 2010. Einschlusskriterien fur die Kohorte der CIS-Patienten
waren folgende:
25
2.1. Patienten und Probanden 26
� Auftreten eines ersten fokal-neurologischen Defizits wie z. B. einer Opti-
kusneuritis, welches nicht durch andere Krankheiten erklart werden kann
und mindestens fur 24 Stunden persistiert
� Objektivierbarkeit des Defizits im Krankenhaus, z. B. durch eine klini-
sche Untersuchung mit Erhebung des EDSS-Scores oder Elektrophysiolo-
gie (anamnestische Defizite wurden nicht berucksichtigt)
� Fehlen einer anderen entzundlichen (chronischen) demyelinisierenden ZNS-
Erkrankung
� Keine Einnahme immunmodulatorischer Medikamente, wie z. B. Cortison
oder Interferone
� Liquor- und Venenpunktion zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
� Zeitnahes cMRT nicht spater als 90 Tage nach der Punktion in der neu-
roradiologischen Abteilung der Uniklinik Marburg mit”MS-Programm“,
bestehend aus Protonenwichtung, FLAIR-Sequenz, T1 und T2-Wichtung.
Einschlusskriterien fur die Kohorte der gesunden Kontrollpersonen waren fol-
gende:
� Fehlen einer zentral-neurologischen Erkrankung (z. B. Morbus Parkinson,
Schlaganfall, Gehirntumor, Meningitis) oder peripher-entzundlichen Er-
krankung
� Keine Einnahme einer immunmodulatorischen Therapie, wie z. B. Corti-
son oder Interferone
� Liquorpunktion und Venenpunktion zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
Alle Patienten wurden aus dem MS-Zentrum der Neurologischen Universitats-
klinik Marburg rekrutiert, es wurden keine Daten aus Drittlaboren oder von
niedergelassenen Arzten verwendet. Die Liquor- und Venenpunktion sowie das
cMRT und auch die klinische Untersuchung mit Erhebung des EDSS waren
regularer Bestandteil der diagnostischen Routine im Krankenhaus, somit wur-
den ausschliesslich Restproben im FACS verwertet und die Patienten keiner
zusatzlichen paraklinischen Diagnostik unterzogen.
Die Studie wurde von der Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der Phil-
ipps-Universitat Marburg gepruft (positives Ethikvotum vom 23.10.2000, Studie
126/00, liegt vor).
2.2. Skalen, Definitionen und Material 27
2.2. Skalen, Definitionen und Material
2.2.1. Expanded Disability Status Scale Score (EDSS)
Zur Erfassung der korperlichen Beeintrachtigung durch MS wurde eine von
Kappos (L. Kappos, Department of Neurology, University Hospitals, CH-4031
Basel, Version 11/99) leicht modifizierte Version des etablierten EDSS-Scores
(Kurtzke 1983) benutzt. Dieser beruht auf einer standardisierten neurologischen
Untersuchung, mit der sich anhand von Beurteilung in acht Funktionssystemen
ein nominaler Scorewert von eins bis zehn in Schritten von jeweils einem halben
Punktwert ableiten lasst. Es werden die Ergebnisse der neurologischen Untersu-
chung in den Bereichen Optik, Hirnstamm, Motorik, Cerebellum, Sensibilitat,
Blasen- und Mastdarmfunktion, mentaler Status und Gehstrecke berucksichtigt
und in Schweregrade unterteilt. Aus den Graden errechnet sich nach einem stan-
dardisierten Verfahren der EDSS-Score. Dabei bedeutet ein EDSS < 4,0 eine
weitgehend uneingeschrankte Gehstrecke, wahrend Patienten mit einem EDSS
> 4,0 abhangig von der Gehstrecke weiter differenziert werden. Ab einem Punkt-
wert von 7,0 ist der Patient auf einen Rollstuhl angewiesen, ab einem Wert von
8,5 uberwiegend bettlagerig. Ein Wert von 10 bedeutet den Tod durch MS. Fur
eine detailliertere Beschreibung und eine Kopie des in dieser Studie verwen-
deten Erfassungsbogens siehe Tabelle A.1 auf Seite 91 im Anhang. Ein EDSS
Score von 0–3 nach 10 Jahren weist auf eine langsam progrediente Erkrankung,
hin wie sie bei ca. 20 % der Patienten mit MS nach 10 Jahren Krankheitsdauer
vorliegt (Hawkins, McDonnell 1999).
2.2.2. Die Diagnosekriterien nach McDonald
Die Diagnose”MS“ ist eine klinische Diagnose, wobei nach Ausschluß aller an-
deren in Frage kommenden demyelinisierenden Erkrankungen die topische und
zeitliche Dissemination der Entmarkung ausschlaggebend ist. Fur die Diagno-
sestellung der in dieser Studie eingeschlossenen Patienten wurden die im Jahr
2001 von der internationalen Expertenkommission zur MS-Diagnostik erstellten
und 2005 und 2011 von Polman revidierten McDonald-Kriterien berucksichtigt
(McDonald u. a. 2001; Polman u. a. 2005; Polman u. a. 2011). Raumliche Dis-
semination bei CIS wurde nach Korteweg u. a. (2009) anhand einer klinischen
Untersuchung und eines initialen cMRT diagnostiziert. Fur eine detailliertere
Darstellung siehe auch Tabelle A.2 auf Seite 92 im Anhang.
2.3. Probenasservierung 28
2.2.3. Gerate und Verbrauchsmaterialien
Die verwendeten Gerate, Verbrauchsmaterialien und eingesetzten Computer-
programme sind in Tabelle A auf Seite 94 aufgefuhrt.
2.3. Probenasservierung
2.3.1. Gewinnung von mononuklearen Zellen aus peripher-venosem
Blut
Zur Gewinnung mononuklearen Zellen (PBMCs, peripheral blood mononucle-
ar cells = T-Lymphozyten, B-Lymphozyten, Makrophagen, Monozyten) wurde
das synthetische Polysaccharid BICOLL® (Eine Separationssolution mit ei-
ner Dichte von ρ=1,077 g/ml) verwendet: Peripher-venoses EDTA-Blut wur-
de im Verhaltnis 1:1 mit PBS (phosphate buffer saline, Phosphatgepufferte
NaCl-Losung) in einer 50 ml Greiner-Tube verdunnt und uber 10 ml steri-
lem BICOLL® mit einer 10 ml Pipette geschichtet. Aufgrund der geringeren
Dichte im Vergleich zum Trennmedium, bzw. der hoheren Dichte im Vergleich
zum Serum sammeln sich die PBMCs in einer Zwischenphase (Interphase), ge-
trennt von den restlichen zellularen Blutbestandteilen und dem Serum. Nach
35 minutiger Zentrifugation bei 1500 U/Minute ohne Bremse und maximaler
Auslaufzeit (verhindert die erneute Vermischung der eben getrennten Phasen)
wurde der Uberstand abgehoben, der oberhalb des Bicollpaques befindliche
Ring bestehend aus PBMCs abgeschopft und in ein neues 50 ml Greiner-Tube
uberfuhrt. Nach mehrmaligem Waschen (Resuspension mit 30 ml 4°C kaltem
PBS, Zentrifugieren bei 1500 U/Minute fur 12 Minuten bei 20°C mit Bremse,
Verwerfen des Uberstandes) erfolgte die Resuspension mit 20 ml RPMI (ein na-
tives Kulturmedium). Aufgrund der Zytotoxizitat des BICOLL® (es ist mit
uber 40 % Zellverlust zu rechnen) wurde darauf geachtet, moglichst wenig in
das neue Rohrchen mit zu uberfuhren. Die Zahl der PBMCs wurde ansch-
liessend mit Hilfe einer Fuchs-Rosenthal Zahlkammer (siehe Abb.2.1 auf Seite
29) unter Verwendung von 4 %igem Tryptanblau bestimmt und die bicolysierte
Blutprobe ggf. kryoasserviert. Zunachst wurden hierzu die Zellen im Verhaltnis
1:1 mit Tryptanblau versetzt. Durch ansetzen der Pipettenspitze an der Kante
zwischen Deckglas und Kammerboden wurde die Zellsuspension befullt, durch
Kapillarwirkung fullt sich der Spalt ohne Bildung von Luftblasen. Anschließend
werden alle Quadrate maanderformig in Doppelbestimmung (Auszahlen beider
Zahlnetze mit Bildung des Mittelwerts) ausgezahlt und die Zahl der PBMCs
2.3. Probenasservierung 29
Abbildung 2.1.:
Schematische Abbildung einer Fuchs-Rosenthal Zahlkammer. Fur die Zellzahlung
im Liquor wird am haufigsten die Fuchs-Rosenthal Kammer verwendet. Es wird die gesam-
te Flache, die 16 x 16 Großquadrate aufweist, ausgezahlt. Diese Zahlkammer unterschei-
det sich von den ublichen Kammern zur Blutzellenzahlung nicht nur durch den großeren
Flacheninhalt (16 mm2), sondern auch durch die großere Kammertiefe (0,2 mm) und damit
großeren Rauminhalt (3,2 ml). Bildquelle: http://www.zaehlkammer.de/deutsch/fuchs.
rosenthal.html
nach folgender Formel bestimmt:
ausgez. Zellen
ausgez. Flache (mm2) x Tiefe (mm) x Verdunnung ml Blut= Zellen pro ml Blut
Als Verdunnung durch das Tryptanblau gilt in diesem Fall ein Verhaltnis von 1:2.
2.3.2. Kryoasservierung von PBMCs
Zur Asservierung bei -140°C wurden die Zellen zentrifugiert (10 Minuten bei
1200 U/Minute), in 800µl CTM aufgenommen und bei Kuhlung auf Eis in Kryo-
rohrchen uberfuhrt. Anschliessend wurden 800µl steril filtrierte Einfrierlosung
(20 % DMSO, 80 % FCS) langsam hinzu gegeben. Die Rohrchen wurden ansch-
liessend in speziellen Nalgene®-Einfrierboxen zunachst uber Nacht bei -80°C
eingefroren und am darauf folgenden Tag auf -140°C heruntergekuhlt.
2.3.3. Kryoasservierung von Liquor
Zur Asservierung der Zellen des Liquor cerebrospinalis wurde die Probe (opti-
malerweise mindestens 15 ml fur eine ausreichende Zellzahl) bei 1200 U/Minute
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) 30
fur zehn Minuten abzentrifugiert. Nach Abwurf des Uberstandes wurde sie mit
500µl RPMI 1640 und 500µl Kryomedium (Exothermes Medium, bestehend
aus 50 % FCS, 30 % RPMI und 20 % DMSO) versetzt und in ein 20 ml Kryo-
Rohrchen uberfuhrt. In einer Einfrierbox wurde die Probe uber Nacht bei -80°C
auf Propanol tiefgefroren und anschliessend bei -140°C gelagert.
2.4. Durchflusszytometrie (FACS)
Tabelle 2.1.:
Antikorperpanels und untersuchte Zellpopulationen. Ein”+“ bedeutet die Expri-
mation der jeweiligen Zellpopulation fur das CD-Molekul, gegen das der Antikorper ge-
richtet ist. Fur eine tabellarische Darstellung der Klone und Firmen siehe Tabelle A auf
Seite 94
Antikorperpanel Untersuchte Zellpopulation
Farbung I CD3 (PerCP), CD4 (FITC), CD8
(APC), CD25 (PE)
CD4+ CD25high TREGs
Farbung II CD3 (PerCP), CD4 (APC), CD8
(FITC), CD28 (PE)
CD4+ CD28+ T-Zellen
CD8+ CD28+ T-Zellen
Farbung III CD4 (PerCP), CD19 (APC), CD27
(FITC), CD138 (PE)
CD19+ B-Zellen
CD19- CD138+ Plasmazellen
CD19+ CD27+ Memory B-Zellen
CD4+ CD27+ Memory B-Zellen
CD4+ CD27- Memory B-Zellen
Farbung IV CD4 (APC), CD8 (PerCP),
CD45RA (PE), CD62L (FITC)
CD4+ CD45RA+ CD62L+
Thymusemigranten
CD8+ CD45RA +CD62L+
Thymusemigranten
Farbung V CD3 (PerCP), CD14 (FITC), CD16
(PerCP), CD20 (APC),
CD14+ CD16- Monozyten
CD14- CD16+ Monozyten
CD14+ CD16+ Monozyten
Farbung VI CD3 (PerCP), CD4 (APC), CD25
(FITC), CD49d (PE)
CD4+ CD25high CD49d+ TREGs
CD4+ CD25med CD49d+ TREGs
CD4+ CD25low CD49d+ TREGs
Im FACS (Fluorescence Activated Cell Sorting; Durchflusszytometrie) konnen
Zellen anhand ihrer spezifischen Große, Struktur, Oberflachenbeschaffenheit
und intrazellularen Struktur unterschieden und gezahlt werden. Die Durchfluss-
zytometrie quantifiziert dabei im Vergleich zur Mikroskopie simultan mehrere
optische Eigenschaften (Parameter) kompletter Zellen mit hoher Durchsatzra-
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) 31
Abbildung 2.2.:
Hydrodynamische Fo-
kussierung in der Mess-
kuvette. Abb.: BD Bios-
ciences
Abbildung 2.3.:
FACS: Vollblutprobe im FSC/SSC Dotplot.
Im FSC/SSC Dotplot lassen sich folgende Zellpopu-
lationen erkennen, wenn man die Zellen nach Gra-
nularitat und Große trennt: Granulozyten, Mono-
zyten und Makrophagen, Lymphozyten und Zellde-
bris. Abb.: Eigene Grafik
te, indem diese nach Markierung mit einem Fluoreszenzfarbstoff (Fluorochrom)
an einem Laserstrahl vorbeigeleitet werden. Passieren die suspendierten Einzel-
zellen den Laserstrahl, senden sie dabei in Abhangigkeit vom Zelltyp und der
Probenvorbereitung charakteristische Lichtsignale aus, die mittels geeigneter
Detektoren nachgewiesen werden. Dabei entsteht zum einen Streulicht, welches
als Vorwarts- (Forwardscatter, FSC) sowie Seitwartsstreulicht (Sidewardscat-
ter, SCC) Aussagen uber folgende Zellparameter erlaubt:
� Ihre relative Große (im Vorwartsstreulicht)
� Ihre relative Granularitat (im Seitwartsstreulicht)
� Ihre spezifische Fluoreszenz (FL1, FL2, FL3, FL4 . . . ) und die entspre-
chende relative Fluoreszenzintensitat
Der Einsatz mehrerer verschiedener Fluorochrome erlaubt anhand ihres spe-
zifischen Absorptions- und Emissionsspektrums und der Zuordnung zu ober-
flachenspezifischen monoklonalen Antikorpern eine Bestimmung verschiedener
Zellcharakteristika (Zellpopulationen, siehe Abbildung 2.3 auf Seite 31). Die re-
lative Fluoreszenzintensitat ist dabei direkt proportional zur Menge der uber
Antikorper gebundenen Fluorochrommolekule. Zur Beschleunigung und Erzeu-
gung eines laminaren Stroms aus Zellen erfolgt in der Messkuvette eine Redu-
zierung des Querschnitts (hydrodynamische Fokussierung, siehe Abbildung 2.2
auf Seite 31). Fur eine Ubersicht der durchgefuhrten Farbungen, der dabei ver-
wendeten Antikorper und der untersuchten Zellpopulationen siehe Tabelle 2.1
auf Seite 30.
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) 32
2.4.1. Farbung von peripherem Blut
Sich an publizierten Methoden orientierend (Tackenberg u. a. 2007), wurde das
peripher-venose Blut nach Aufbereitung (siehe 2.3.1 auf Seite 28) wie im fol-
genden dargestellt fur die FACS-Analyse bearbeitet: Nach 1:1 Verdunnung mit
PBS wurden jeweils 200µl EDTA-versetztes Blut pro Well auf eine 96-well-
Rundboden-Mikrotiterplatte gegeben. Die Platte wurde anschliessend fur vier
Minuten bei 1200 U/Minute und 10°C zentrifugiert, der Uberstand verworfen
und die Platte z.B. mit Zellstoff getrocknet. Danach erfolgte die Farbung der
im Rundboden verbliebenen Blutzellen mit je 5µl pro Well des spezifischen
Antikorperpanels. Nach sorgfaltiger Resuspension mit einer Mehrkanalpipet-
te wurde die Platte fur 25 Minuten auf Eis in Dunkelheit inkubiert. Das Mi-
schungsverhaltnis der Antikorper war abhangig vom fluoreszierenden Farbstoff,
mit dem der Antikorper gekoppelt, war und betrug PerCP(1 Teil): APC(1 Teil):
PE(1,5 Teile):FITC(1,5 Teile). Die unter allen Zellen noch verbliebenen Ery-
throzyten wurden zweimal mit je 180µl Erythrozytenlyse (PharMingen Ly-
se; Ammoniumchloridlosung zu Aqua dest. im Verhaltnis 1:10) lysiert und im
Anschluß fur zehn Minuten im Dunklen bei Raumtemperatur inkubiert. Nach
vierminutiger Zentrifugation bei 1200 U/Minute und Abwurf des Uberstandes
wurden die Wells mit einer Waschlosung (4°C kaltes PBS mit 2,5 Fetal Calf
Serum [FCS]) einmal gewaschen und erneut fur vier Minuten zentrifugiert. Im
letzten Schritt wurden die jetzt gefarbten Zellen in 200µl CellWash® Losung
resuspendiert, in 5 ml Falcon-Rohrchen uberfuhrt und am Durchflusszytometer
mittels CellQuest® Software quantifiziert. Weisse Blutzellen konnen am Zyto-
meter durch die charakteristische Verteilung der Werte fur SSC/FSC (Granula-
ritat/Zellgrosse) identifiziert und entsprechend der Verwendung der monoklona-
len AK weiter spezifiziert werden. Aus statistischen Grunden bedarf es hierbei
einer Mindestmenge von ca. 5000 Lymphozyten pro Messung (Tackenberg u. a.
2007).
2.4.2. Farbung von Liquor
Die Aufbereitung der Zellen im Liquor fur die FACS-Analyse unterscheidet sich
nicht grundlegend von der Aufbereitung der Blutzellen: 15 ml Liquor wurden fur
10 Minuten bei 1200 U/Minute abzentrifugiert, der Uberstand abgehoben und
das Sediment auf dem Schuttler gelockert. Ohne Verdunnung erhielt jedes Well
der 96-well-Rundboden-Mikrotiterplatte 25µl der Zellen und je 5µl des spezifi-
schen Antikorperpanels (Siehe Tabelle 2.1 auf Seite 30), anschliessend gab man
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) 33
die Platte im Dunklen fur 25 Minuten auf Eis. Nach Ablauf der Zeit wurden
die wells mit je 150µl Cellwash oder Waschlosung (siehe Abschnitt 2.4.1 auf
Seite 32) beschickt und resuspensiert, fur vier Minuten bei 1200 U/Minute ab-
zentrifugiert und der Uberstand verworfen. Dieser Waschvorgang wurde zwei-
bis dreimal wiederholt. Zur Analyse im FACS-Gerat wurden die Zellen abpi-
pettiert und in ein Falcon-Rohrchen uberfuhrt.
2.4.3. Auswertung im FACS
Abbildung 2.4.:
Identifikation von CD25high TREG. Links: Es ist deutlich eine CD25high Population
zu erkennen, die sich von einer CD25med und einer CD25low Population unterscheidet.
Rechts: Farbung der TREG mit CD49d und Darstellung der MFI. Ein Marker selektiert
den Peak der VLA-4 Intensitat. Abb.: Eigene Grafik
In dieser Arbeit wurden die durch Venenpunktion gewonnen PBMCs und
der Liquor cerebrospinalis aller Probanden durchflusszytometrisch untersucht.
In die statistische Berechnung ging sowohl die Zellzahl einer bestimmten Zellpo-
pulation als Absolutwert, wie auch das Verhaltnis der Zellen in Blut und Liquor
(Quotient QPBL:CSF ) ein. Dabei wurde der relative Anteil der speziellen Po-
pulation an T-Zellen, B-Zellen oder Monozyten fur Blut und Liquor getrennt
bestimmt und anschliessend daraus der Quotient gebildet (siehe Abbildung 2.5
auf Seite 34). Somit lasst sich ein bestehendes relatives Ungleichgewicht der
Zellen uber die humoralen Kompartimente Blut und Liquor quantifizieren. Fur
die Angabe der Prozentwerte bei der Berechnung der Quotienten gilt, dass die
Bezugspopulation fur B-Zellen jeweils”alle Lymphozyten“, fur T-Zellen
”alle
CD4+ bzw. CD8+ Lymphozyten“ und fur Monozyten und Makrophagen”alle
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) 34
Abbildung 2.5.:
Berechnung des Quotienten QPBL:CSF am Beispiel der Farbung I. Linke Reihe
PBL, rechte Reihe CSF. Im FSC/SSC Dotplot (erste Bildreihe) wurden die Lymphozyten
ausgewahlt und hinsichtlich ihrer Exprimierung von CD3 und CD4 weiter differenziert
(zweite Bildreihe). Im letzten Schritt wurden die CD25high positiven Zellen sondiert und
ihr prozentualer Anteil an allen CD4 positiven Zellen errechnet. Aus den beiden Anteilen
in Blut und Liquor berechnet sich anschliessen der Quotient QPBL:CSF .
PBMCs“ ist. Die Angabe”5,6 % CD4+CD25+ Zellen“ liest sich also
”5,6 % al-
ler CD4+ Zellen waren CD25+“. Die Quotienten errechneten sich immer nach
der Formel ProzentwertPBLProzentwertCSF .
In Farbung I wurden CD4+ CD25high TREG untersucht. Im FSC/SSC Dot-
plot wurden alle Lymphozyten erfasst, R2 beinhaltete CD3+ CD4+ Zellen. R3
umfasste CD4+ CD25high Lymphozyten. Farbung VI untersuchte die mittlere
Fluoreszenzintensitat (MFI) der TREG. R1–R3 war identisch mit Farbung I.
Zusatzlich wurden die TREG mit CD49d gefarbt und die MFI aller Zellen be-
rechnet. Die gleiche Analyse wurde fur CD25med mit mittelstarker Expression
von CD25 und CD25low mit schwacher Expression von CD25 durchgefuhrt (sie-
he Abbildung 2.4 auf Seite 33). Fur eine Ubersicht der Farbungen im FACS
siehe Abbildung 2.6 auf Seite 35.
2.4. Durchflusszytometrie (FACS) 35
Abbildung 2.6.:
Ubersicht der Lymphozytensubpopulationen im FACS. A1, A2 (CD28): Im
FSC/ SSC Dotplot wurden alle Lymphozyten einbezogen. In R2 wurden CD3+ CD4+ und
CD3+ CD4- ( = CD8+) Zellen identifiziert (A1). Im 3. Gate lassen sich CD28+ Lympho-
zyten abgrenzen (A2). B1, B2 (Thymusemigranten): Im FSC/SSC Dotplot wurden
alle Lymphozyten erfasst, das zweite Gate wurde auf CD4+ bzw. CD8+ Zellen gelegt.
In R3 lassen sich CD4+ CD45RA+ CD62L+ und CD8+ CD45RA+ CD62L+ Lymphozyten
abgrenzen. C1, C2, C3, C4 (B-Zellreihe): Im FSC/SSC Dotplot wurden alle Lympho-
zyten erfasst, R2 enthielt alle CD4- CD19+ Zellen (C1). Es sind deutlich Populationen fur
CD19 und CD27 zu erkennen (C2). In R3 lassen sich CD19 CD27+ Memory B-Zellen ab-
grenzen (C3). Fur Plasmazellen umfasste R2 alle CD4- CD19- Zellen, in R3 wurden CD138+
Plasmazellen identifiziert (nicht dargestellt). Fur T-Zellen lag R2 auf CD19- CD4+ Zellen,
in R3 wurden dann CD27+ Memory-T und CD27- Effektor T-Zellen unterschieden (C4).
D1, D2 (Monozyten): Im FSC/SSC Dotplot wurden alle mononuklearen Zellen erfasst.
R2 lag auf CD3- CD20- Non-B-non-T-Zellen (D1). In R3 wurden die verschiedenen Mono-
zytensubpopulationen analysiert (D4). Abb.: Eigene Grafik
2.5. Magnetresonanztomografie 36
2.5. Magnetresonanztomografie
Abbildung 2.7.:
MS-Lasionen in verschiedenen MRT-Wichtungen. Links: Zwei periventrikulare
Lasionen einer Patientin mit CIS im T1-gewichteten MRT. Rechts: Volumetrische Bestim-
mung der Lasionslast in Protonenwichtung bei der selben Patientin. Samtliche Lasionen
wurden mithilfe eines Werkzeugs in der Workstation fur jede Schicht separat manuell um-
fahren um die kumulative Lasionslast in mm2 zu erhalten (unten rechts). Zur Errechnung
der kumulierten Lasionslast uber alle Schichten wurden die EInzellasionen addiert und mit
dem Faktor 6,6 mm multipliziert. Zu erkennen ist ausserdem das perifokale Odem. Abbil-
dung: eigene Grafik
Als Meßgerat diente ein Kernspintomograf der Firma General Electrics He-
althcare (Signa Horizon) mit 1,5 Tesla Feldstarke. Folgenden Sequenzen und
Parametern wurden bei Patienten mit CIS und MS gemessen:
� Sag. T2 Fast-spin-echo (TE 85 ms, TR 3000 ms, FOV 24 cm, Frequenz 320,
Phase 256, Schichtdicke 3 mm, gap 10 %)
� Ax. T1 Spin-Echo (TE Min Full, TR 475 ms, FOV 24 cm, Frequenz 320,
Phase 224, Schichtdicke 6 mm, gap 10 %)
� Ax. FLAIR (TE 80 ms, TR 10000, FOV 24 cm, Frequenz 256, Phase 192,
Schichtdicke 6 mm, gap 10 %)
� Ax. Protonendichtewichtung + T2 Fast-spin-echo (TE 25 ms, TR 3250 ms,
FOV 24 cm, Frequenz 320, Phase 256, Schichtdicke 6 mm, gap 10 %)
� Ax. T1 Spin-echo + Kontrastmittel (TE Min Full, TR 475 ms, FOV 24 cm,
Frequenz 320, Phase 224, Schichtdicke 6 mm, gap 10 %)
2.6. Biostatistische Methoden 37
Fur die quantitative Analyse wurden in PD und T2-Wichtung hyperinten-
se Lasionen berucksichtig, wie in der Literatur beschrieben (CHAMPS Study
Group, 2002) . Die FLAIR-Sequenz diente als Suchsequenz fur die Lasionen,
die eigentliche Volumetrie wurde in der Protonendichtewichtung (PD) mittels
des integrierten Werkzeuges der Advantage Workstation der Firma GE Heal-
thcare durchgefuhrt. Die Software erlaubt es dabei, Schichtbilder in PD und
T2-Wichtung simultan zu befunden um besser zwischen Lasionen und Liquor
diskriminieren zu konnen. Dabei wurden Lasionen ausgewertet, die sowohl in
der FLAIR, als auch in der PD-Sequenz erkennbar waren und manuell mithilfe
des integrierten Werkzeuges umfahren, um eine zweidimensionale Lasionsflache
pro Schicht zu erhalten. Zur Quantifizierung der kumulativen Lasionslast wur-
den die gesamten Lasionsflachen in mm2 aller Lasionen und aller Schichten
in PD-Wichtung addiert und mit dem Faktor 6,6 mm multipliziert, um eine
bestmogliche Naherung fur die Lasionslast in mm3 zu erhalten. Der Faktor
setzt sich aus 6mm Schichtdicke und einem nicht vom Scanner erfassten Zwi-
schenraum von 10 % (sog. Gap) zusammen. In Abbildung 2.7 auf Seite 36 sind
exemplarisch zwei Lasionen in T1-Wichtung und die volumetrische Bestimmung
in PD-Wichtung dargestellt.
In der Protonenwichtung lassen sich Lasionen durch den starken Kontrast der
Graustufen gut volumetrisch bestimmen. Die kumulative zerebrale Lasionslast
dient dabei der Quantifizierung und Objektivierung der entzundlichen Akti-
vitat bei Patienten mit MS und dient als Surrogatmarker fur die Evolution der
Krankheit (Brex u. a. 2002; Sormani u. a. 2009).
2.6. Biostatistische Methoden
Zur Uberprufung signifikanter Unterschiede zwischen der CIS, MS und Kontroll-
kohorte wurde der zweiseitige Mann-Whitney-U Test fur unverbundene Stich-
proben benutzt. Die Korrelationsanalyse der Quotienten mit der Lasionslast er-
folgte mittels dem bivariaten Korrelationskoeffizient Spearman´s rho. Die ROC-
Analyse der Quotienten beinhaltete die”Area under the curve“ als globaler
Paramter fur die Gute der ROC sowie den p-Wert. Der optimale Cut-off wur-
de aus dem maximalen Produkt aus Sensitivitat und Spezifitat aller moglichen
Cutoffs bestimmt und entspricht in der grafischen Auftragung der Sensitivitat
(Ordinate) gegen 1-Spezifitat (Abszisse) dem Scheitelpunkt der Kurve. Die
ROC wurde nur bei signifikantem Unterschied der Quotienten durchgefuhrt. Bei
samtlichen statistischen Vergleichen wurden zweiseitige Tests auf einem 5 %igen
2.6. Biostatistische Methoden 38
Signifikanzniveau durchgefuhrt, Konfidenzintervalle wurden auf dem 95 % Ni-
veau als signifikant betrachtet. Wenn notig, wurde die konservative Bonferroni-
Korrektur fur multiples Testen angewendet und der p-Wert entsprechend an-
geglichen. Fur samtliche statistische Auswertungen wurde SPSS®16.0 (Stati-
stical Package for the Social Sciences) benutzt, fur die Datenorganisation MS
Excel® 2007 und MS Word® 2007.
3. Ergebnisse
3.1. Patientenkollektiv
Insgesamt wurden 64 therapienaive Patienten mit CIS, 18 Patienten mit defini-
tiver MS und 43 Patienten mit nicht-inflammatorischen neurologischen Krank-
heiten eingeschlossen und in insgesamt funf Kohorten eingeteilt (CIS-I, CIS-
II, MS, KONTROLLE-I, KONTROLLE-II). Die MS-Kohorte setzt sich aus 11
Patienten mit RR-MS, 6 mit SP-MS und einem mit PP-MS zusammen. Die
Liquorpunktion wurde im Durchschnitt mit 15± 28 Tagen Abstand zum MRT
durchgefuhrt. Oligoklonale Banden im Liquor fanden sich in 98,8 % der Patien-
ten mit CIS und bei keinem Patient in der Kontrollkohorte.
Die mittlere Lasionslast im T2-gewichteten cMRT aller CIS-Patienten lag bei
3 188± 7 452 mm3. Insgesamt drei Patienten prasentierten sich mit initial un-
auffalligem MRT, die mittlere Lasionszahl betrug 17± 23. Es bestand kein si-
gnifikanter Unterschied zwischen den Kohorten CIS-I und CIS-II im Hinblick
auf Lasionsvolumen oder Anzahl der Lasionen (Daten nicht abgebildet).
Ein initialer EDSS lag von allen eingeschlossenen Patienten mit CIS und MS
vor. Der Median des initialen EDSS bei CIS lag bei 2,0. Der 1-Jahres Follow-
Up EDSS konnte von 50 (ca. 78 %) der Patienten mit CIS erhoben werden. Von
insgesamt 14 Patienten konnte kein Follow-up erhoben werden (lost to follow-
up) oder ihr Studieneinschluss lag zeitlich zu nah am Studienende, sodass das
1-Jahres Intervall nicht eingehalten werden konnte.
Fur eine umfassende Patientencharakteristik siehe Tabelle 3.1 auf Seite 40,
zum therapeutischen Vorgehen im Schub und Intervalltherapie Tabelle 3.2 auf
Seite 41.
39
n Geschlecht Alter CSF EDSS Klinik Multifokal
Jahre Zellen OKB Beginn FU PI ON S B P O
n (f:m) MW± SD,
range
MW± SD,
range
n, % MW±SD, range n, % n,%
Studienkohorte
CIS-I 46 35:11 31± 9,7
[17�52]
15± 13
[2�66]
45, 98 2,4± 1,0
[1�6]
1,8± 1,3
[0�6]
0,5± 1,1
[-3,5�2]
14, 30 23, 50 8, 17 9, 20 12, 26 13, 28
MS 18 13:05 37± 11,3
[18�56]
10± 8
[1�31]
17, 94 2,8± 1,4
[1�6]
1,8± 1,0
[0�3,5]
0,3± 1,4
[-3,0�1,8]
4, 22 9, 50 1, 7 2, 11 2, 11 0, 0
Kontrolle-I 25 15:10 49± 16,5
[19�74]
3± 1
[1�5]
0, 0 n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a.
VLA-4 Kohorte
CIS-II 18 13:5 35± 8,8
[18�48]
1± 16
[3�73]
18, 100 2,5± 0,81
[1�4]
1,8± 0,93
[0�3]
2,5± 1,9
[-5,0�0,0]
1, 7 10, 57 6, 33 3, 17 4, 22 3, 17
Kontrolle-II 18 06:12 44± 13,4
[22�66]
3± 1
[1�5]
0, 0 n.a. n. a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a.
Tabelle 3.1.:
Patientencharakteristik. Das Patientenkollektiv gliedert sich in die Studienkohorte mit insgesamt n = 89 und die VLA-4 Kohorte mit insgesamt n = 36 Pro-
banden. Fur Einzelheiten siehe Abschnitt 3.1 auf Seite 39, zur erhaltenen Therapie siehe Tabelle 3.2 auf Seite 41. Der EDSS Wert wurde bei Krankheitsbeginn
und als 1-Jahres Follow-Up (FU) erhoben. Fur Patienten, bei denen kein Follow-Up vorlag oder die innerhalb des letzten Jahres vor Studienende einge-
schlossen wurden, wurde der Progressionsindex (PI) berechnet. Es sind Doppelnennung bei Prozentangaben unter”Klinik“ moglich. ON = Optikusneuritis,
S = Sensibilitatsstorungen, B = Bulbare Symptome, P = Paresen, O = Andere
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high) 41
Tabelle 3.2.:
Patientencharakteristik – Therapie. In der Summe der Prozentwerte sind
Abweichungen von 100 % rundungsbedingt. Plasm = Plasmapherese, IF = Interferone,
Glat = Glatirameracetat, Nata = Natalizumab, Mitox = Mitoxantron
n Therapie
Im Schub Intervalltherapie
keine
n, %
Steroide
n, %
Plasma
n, %
keine
n, %
IF
n, %
Glat
n, %
Nata
n, %
Mitox
n, %
Studienkohorte
CIS-I 46 7, 15 37, 80 2, 4 23, 50 18, 39 3, 7 2, 4 0, 0
MS 18 4, 22 14, 78 0, 0 9, 50 5, 28 2, 11 0, 0 2, 11
VLA-4 Kohorte
CIS-II 18 6, 33 12, 66 0, 0 9, 50 6, 33 1, 6 1, 6 0, 0
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high)
Es wurden die Haufigkeiten der TREG unter allen CD4+ Lymphozyten im pe-
ripheren Blut und Liquor berechnet und zueinander ins Verhaltnis gesetzt. Der
fur die Kohorten getrennt berechnete Quotient Q wurde untereinander vergli-
chen, die Ergebnisse sind in Abbildung 3.1 auf Seite 42 und Tabelle 3.3 auf Sei-
te 42 dargestellt. Es findet sich ein signifikanter Unterschied der Quotienten im
Vergleich der Kohorten CIS-I und KONTROLLE-I (p≤ 0,001; Q = 1,6± 0,76 vs.
1,0± 0,78) mit einem großeren Quotienten in der CIS-Kohorte. Eine schwachere
Signifikanz lag fur den Vergleich von MS und KONTROLLE-I vor (p = 0,014;
Q = 1,5± 1,02 vs. 1,0± 0,78). Diese Ergebnisse sind hinweisend auf ein Ungleich-
gewicht zwischen Blut- und Liquorkompartiment mit relativem Uberwiegen der
TREG im peripheren Blut bei Patienten mit CIS und MS.
In der Korrelationsanalyse nach Spearman ergaben sich signifikante positive
Korrelationen in allen Stratifizierungen (keine, nach geringer Lasionslast und
nach EDSS Verbesserung im 1-Jahres FU). Die beste Korrelation konnte fur
die Stratifizierung nach Lasionslast gezeigt werden (r = 0,68; p≤ 0,001), die an-
deren Korrelationskoeffizienten waren mit 0,35 (keine Stratifizierung) bzw. 0,37
(EDSS Verbesserung) deutlich schwacher. Besonders fur Patienten mit eher
milder zerebraler Lasionslast besteht somit ein positiver Zusammenhang zwi-
schen Quotient und Lasionsvolumen. Je großer das Ungleichgewicht zwischen
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high) 42
Abbildung 3.1.:
Vergleich der Quotienten fur CD25high im Boxplot. Signifikante Unterschiede der
Quotienten fur den Vergleich der Kohorte CIS-I/MS mit KONTROLLE-I. Die Quotien-
ten fur CIS und MS sind erhoht und deuten auf ein relatives Uberwiegen der TREG im
peripheren Blut im Vergleich zum Liquorkompartiment bei Patienten mit CIS und MS hin.
Tabelle 3.3.:
Deskriptive Statistik Farbung I. Dargestellt sind die prozentualen Anteile der CD25high
Zellen an allen CD4+ Lymphozyten, getrennt fur Blut und Liquor sowie der Quotient
PBL/CSF. Angaben im Format MW± SD, [range]. p = Vergleich von CIS-I:KONTROLLE-
I, p†= Vergleich von CIS-I:MS, p‡= Vergleich von MS:KONTROLLE-I.
p
n % PBL % CSF Quotient p†
p‡
CD4+ CD25high
CIS-I 46 6± 3,0
[1�19]
4± 1,8
[0,5�9]
1,6± 0,76
[0,4�4,3]
≤ .001
MS 16 8± 3,7
[4�18]
6± 3,2
[2�14]
1,5± 1,02
[0,6�4,6]
NS
KONTROLLE-I 25 4± 2,0
[1�10]
6± 2,8
[1�11]
1,0± 0,78
[0,2�4,7]
.014
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high) 43
Tabelle 3.4.:
Ergebnisse Farbung I. Dargestellt ist die Korrelationsanalyse des Quotienten mit der
Lasionslast im cMRT. Es liegt eine positive signifikante Korrelation vor, der großte Kor-
relationskoeffizient findet sich in der Stratifizierung fur geringe Lasionslast (≤ 6 Lasionen,
p = 0,68). in der ROC finden sich fur alle Stratifizierungen annahernd identische signifikant-
signifikante AUC Werte und Sensitivitaten/spezifitaten. r = Korrelationskoeffizient nach
Spearman, AUC = Area under curve, Cut = errechneter Cut-off.
Stratifizierung Korrelation ROC
r p AUC p Cut Sens Spez PPV NPV LHR
CD4+ CD25high
keine 0,35 .007 0,79 ≤ .001 1,1 0,76 0,76 0,81 0,70 3,19
≤ 6 Lasionen 0,68 ≤ .001 0,77 ≤ .001 1,1 0,76 0,76 0,69 0,82 3,19
EDSS 0,37 .016 0,81 ≤ .001 1,1 0,79 0,76 0,77 0,78 3,30
Blut- und Liquorkompartiment mit relativem Uberwiegen der TREG im pe-
ripheren Blut ist, desto großer ist die kraniale Lasionslast im initialen cMRT.
In der ROC zeigte sich eine durchgangig gute und signifikante AUC zwischen
0,76 und 0,79, was einer Sensitivitat und Spezifitat von ca. 0,76 entspricht. Die
Berechnung ergab einen Cut-off von 1,1 fur den Quotienten. Werte oberhalb
des Cut-offs sprechen starker fur den”positiven Ist-Zustand“, in diesem Fall
die Diagnose”CIS“. Fur die Berechnung wurden deshalb Patienten mit CIS
und einem Quotienten großer als 1,1 als”richtig positiv“ zur Bemessung der
Testgutekriterien betrachtet, gesunde Kontrollpersonen mit einem Quotienten
kleiner 1,1 als”richtig negativ“. Ein Quotient fur TREG von 1,1 diskriminiert in
ca. 75 % der Falle erfolgreich zwischen den Diagnosen”CIS“ und
”kein CIS“. Bei
Betrachtung aller Patienten lag bei 81 % der Patienten mit einem Quotienten
großer als 1,1 tatsachlich ein CIS vor (positiv pradiktiver Wert, PPW), wahrend
bei 70 % mit einem Quotienten kleiner als 1,1 tatsachlich kein CIS diagnostiziert
wurde (negativ pradiktiver Wert, NPW). Die Ergebnisse der Korrelationsanaly-
se und der ROC sind tabellarisch auf Seite 43 und in Abbildung 3.2 auf Seite 44
dargestellt. Die Bonferroni-Korrektur betrug fur insgesamt neunfaches Testen
der TREG 0,05/9 = 0,0055. Deshalb wurde α= 0,55 % als signifikant betrachtet.
In CIS-II wurde die mittlere Fluoreszenzintensitat (MFI) fur VLA-4 (CD49d)
in Abhangigkeit der Expression fur CD25 untersucht. Sowohl im PBL als auch
im CSF wurde eine absteigende Tendenz der MFI mit steigender Expression von
CD25 beobachtet. Die großte MFI wurde bei CD4+ CD25low, die niedrigste fur
CD4+ CD25high TREG gefunden. Insgesamt war die MFI im PBL signifikant
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high) 44
Abbildung 3.2.:
Korrelations- und ROC-Analyse fur TREG. Links: Signifikante Korrelation nach
Spearman fur CD4+ CD25high TREG, stratifiziert nach Lasionslast (≤ 6 Lasionen).
Je großer das Ungleichgewicht zwischen Blut- und Liquorkompartiment mit relativem
Uberwiegen der TREG im peripheren Blut ist, desto großer ist die kraniale Lasionslast
im initialen cMRT. Rechts: Signifikante ROC fur die selbe Zellpopulation in gleicher Stra-
tifizierung.
Tabelle 3.5.:
Ergebnisse fur VLA-4. Dargestellt sind mittlere Fluoreszenzintensitaten (MFI) fur
VLA-4 der Kohorten CIS-II und KONTROLLE-II im PBL und CSF. Es zeigt sich eine
verminderte MFI fur alle Expressionsniveaus von CD25 bei Patienten mit CIS. Angaben
im Format MW± SD, [range]. p = Vergleich von CIS-II und KONTROLLE-II im PBL,
p†= Vergleich von CIS-II und KONTROLLE-II im CSF.
MFI PBL p MFI CSF p†
CIS-II KONTROLLE-II CIS-II KONTROLLE-II
CD25low
229± 98
[48�403]
338± 139
[167�726]
.029 543± 216
[92�988]
715± 235
[319�1 193]
.038
CD25med
185± 65
[65�286]
244± 69
[130�379]
.012 422± 145
[106�678]
539± 140
[281�806]
.017
CD25high
167± 65
[70�286]
232± 65
[140�396]
.010 431± 146
[107�650]
489± 111
[303�691]
NS
3.2. Farbung I: regulatorische T-Zellen (CD25high) 45
Abbildung 3.3.:
MFI fur VLA-4 im PBL stratifiziert nach Expressionsniveau fur CD25. Es finden sich
signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit CIS und Kontrollen fur CD25med und
CD25high CD4+ T-Zellen mit einem reduzierten Rezeptorbesatz fur VLA-4 bei Patienten
mit CIS, CD25low ist knapp nicht signifikant. Transparent hinterlegt: CD4+ CD25low-high
TREG im FACS .
niedriger als im CSF (Daten nicht gezeigt, p≤ 0,001), siehe Abbildungen 3.3
und 3.4 auf Seite 45 und 46. Signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit
CIS und Kontrollen wurden fur CD4+ CD25med und CD4+ CD25high T-Zellen
im PBL gefunden, CD4+ CD25low verpasste Signifikanz knapp (p = 0,029). Im
CSF war das Ergebnis fur CD4+ CD25med ebenfalls signifikant, auch hier war
CD4+ CD25low knapp nicht mehr signifikant (p = 0,038). Da die MFI ein in-
direktes Maß fur die Bindungsfahigkeit eines Antikorpers uber Rezeptoren auf
der Zelloberflache darstellt, scheint also der Rezeptorbesatz fur VLA-4 bei Pati-
enten mit CIS auf allen CD4+ T-Zellen erniedrigt zu sein. Fur eine detaillierte
Ubersicht der MFI siehe Tabelle 3.5 auf Seite 44. Angepasst fur die Testung von
je zwei Hypothesen fur VLA-4 betrug die Bonferroni-Korrektur 0,05/2 = 0,025.
Daher wurde im Folgenden α= 2,5 % als statistisch signifikant betrachtet.
3.3. Farbung II: T-Zell Co-Rezeptor (CD28) 46
Abbildung 3.4.:
MFI fur VLA-4 im CSF stratifiziert nach Expressionsniveau fur CD25. Es finden sich
signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit CIS und Kontrollen fur CD4+ CD25med
T-Zellen mit einem reduzierten Rezeptorbesatz fur VLA-4 bei Patienten mit CIS,
CD4+ CD25low verpasst knapp Signifikanz. Transparent hinterlegt: CD4+ CD25low-high
TREG im FACS.
3.3. Farbung II: T-Zell Co-Rezeptor (CD28)
Die prozentualen Anteile der CD28+ T-Lymphozyten an allen CD4+ bzw.
CD8+ Zellen wurden errechnet und jeweils der Quotient aus PBL und CSF
gebildet (siehe Tabelle 3.6 auf Seite 47 und Abbildung 3.5 auf Seite 48). Es
ergaben sich keine relevanten und signifikanten Unterschiede der Quotienten im
Vergleich der Kohorten CIS-I (1,0± 0,04 fur CD4+ und 1,0± 0,5 fur CD8), MS
(1,0± 0,05 fur CD4 und 0,9± 0,3 fur CD8) und KONTROLLE-I (1,0± 0,1 fur
CD4 und 0,8± 0,3 fur CD8). Diese Daten sprechen gegen das Vorliegen eines
relativen Ungleichgewichts im Blut- und Liquorkompartiment bei den Patien-
tenkohorten.
In der Korrelationsanalyse nach Spearman ergaben sich keine Hinweise auf
eine Korrelation der Quotienten mit der kranialen Lasionslast in beiden Zellpo-
pulationen und allen Stratifizierungen (siehe Tabelle 3.7 auf Seite 48). Es konnte
kein Zusammenhang zwischen der Verteilung der Zellen im PBL und CSF und
3.3. Farbung II: T-Zell Co-Rezeptor (CD28) 47
Tabelle 3.6.:
Deskriptive Statistik Farbung II. Dargestellt sind die prozentualen Anteile der CD28+
Zellen an allen CD4+ bzw. CD8+ Lymphozyten, getrennt fur Blut und Liquor sowie
der Quotient PBL/CSF. Angaben im Format MW± SD, [range]. p = Vergleich von CIS-
I:KONTROLLE-I, p†= Vergleich von CIS-I:MS, p‡= Vergleich von MS:KONTROLLE-1.
p
n % PBL % CSF Quotient p†
p‡
CD4+ CD28+
CIS-I 45 95± 3,6
[84�99]
95± 2,2
[90�99]
1,0± 0,04
[0,9�1,0]
NS
MS 18 94± 4,6
[82�98]
93± 4,8
[84�99]
1,0± 0,05
[0,9�1,1]
NS
KONTROLLE-I 24 91± 8,1
[70�99]
89± 7,4
[63�98]
1,0± 0,1
[0,7�1,2]
NS
CD8+ CD28+
CIS-I 45 54± 15,3
[14�88]
61± 11,7
[30�86]
1,0± 0,5
[0,3�2,7]
NS
MS 18 51± 12,3
[27�69]
56± 11,4
[29�78]
0,9± 0,3
[0,4�1,4]
NS
KONTROLLE-I 24 49± 15,5
[21�72]
60± 9,2
[41�77]
0,8± 0,3
[0,3�1,6]
NS
der kranialen Lasionslast als Surrogatparameter fur die Schwere der Erkran-
kung gezeigt werden. Auf eine ROC-Analyse wurde aufgrund des fehlenden
Unterschieds der Quotienten verzichtet. Angepasst fur die Testung von sechs
Hypothesen pro untersuchter Zellpopulation betrug die Bonferroni-Korrektur
0,05/6 = 0,0083. Daher wurde im folgenden α= 0,83 % als statistisch signifikant
betrachtet.
3.3. Farbung II: T-Zell Co-Rezeptor (CD28) 48
Abbildung 3.5.:
Vergleich der Quotienten fur CD28+ im Boxplot. Links: Boxplots fur CD4+ CD28+
Zellen. Rechts: Boxplots fur CD8+ CD28+ Zellen. Keine relevanten oder signifikanten Un-
terschiede in den Quotienten im Vergleich der Kohorte CIS-I, MS und gesunden Kontrollen
im zweiseitigen Mann-Whitney-U Test fur unverbundene Stichproben. Es liegt kein Un-
gleichgewicht zwischen dem Blut- und Liquorkompartiment vor.
Tabelle 3.7.:
Ergebnisse Farbung II.Dargestellt ist die Korrelationsanalyse der Quotienten mit der
Lasionslast im cMRT. r = Korrelationskoeffizienten nach Spearman, AUC = Area under cur-
ve, Cut = errechnete Cut-off. Keine Korrelation in allen Stratifizierungen. Es konnte kein
Zusammenhang zwischen der Verteilung der Zellen im PBL und CSF und der kranialen
Lasionslast als Surrogatparameter fur die Schwere der Erkrankung gefunden werden. Auf
die Durchfuhrung der ROC wurde verzichtet.
Stratifizierung Korrelation ROC
r p AUC p Cut Sens Spez PPV NPV LHR
CD4+ CD28+
keine -0,3 NS NA
≤ 6 Lasionen 0,1 NS NA
EDSS -0,1 NS NA
CD8+ CD28+
keine -0,2 NS NA
≤ 6 Lasionen 0,0 NS NA
EDSS 0,1 NS NA
3.4. Farbung III: B-Zell-Reihe (CD27, CD138) 49
3.4. Farbung III: B-Zell-Reihe (CD27, CD138)
Abbildung 3.6.:
Vergleich der Quotienten fur CD19+ im Boxplot. Links: Boxplots fur reife B-Zellen.
Rechts: Boxplots fur Memoryzellen. Signifikante Unterschiede der Quotienten im Vergleich
der Kohorten CIS-I/MS mit gesunden Kontrollen im zweiseitigen Mann-Whitney-U Test
fur unverbundene Stichproben. Die erniedrigten Quotienten in den Patientenkohorten re-
sultieren aus einem erhohten Zellanteil im Liquor.
In Farbung III wurde Blut und Liquor auf reife B-Zellen (CD19+), Memory-
B-Zellen (CD19+ CD27+), Plasmazellen (CD19- CD138+), Memory-T-Zellen
(CD4+ CD27+) und Effektor-T-Zellen (CD4+ CD27-) untersucht.
Die Quotienten und Prozentwerte sind in Tabelle 3.8 auf Seite 50 und Abbil-
dung 3.6 auf Seite 49 dargestellt. Nach Bonferroni-Korrektur mit 0,05/6 = 0,0083
fur multiples Testen der Quotienten und Korrelationen blieben als statistisch si-
gnifikant die p-Werte fur reife B-Zellen und Memory B-Zellen (jeweils p≤ 0,001).
Fur reife B-Zellen lag der mittlere Quotient bei 4,9± 5,5 (CIS) und 14,4± 13,2
(Kontrolle), fur Memory B-Zellen bei 1,8± 1,8 (CIS) und 6,1± 4,2 (Kontrol-
le). Die kleineren Quotienten in den Patientenkohorten resultieren aus einer
großeren Haufigkeit der Zellen im Liquor. Es fanden sich signifikant mehr CD19+
und CD19+ CD27+ Zellen im CSF von Patienten als in der Kontrollkohorte.Fur
reife B-Zellen und Memory B-Zellen wurde im folgenden die ROC Auswertung
durchgefuhrt und die Bonferroni-Korrektur betrug fur dreifach zusatzliche Tes-
tung 0,05/9 = 0,0055. Der p-Wert der Quotienten fur Plasmazellen wurde nach
Bonferroni-Adjustierung als nicht signifikant betrachtet.
In der ROC fur reife und Memory B-Zellen deuten kleinere Werte der Quo-
tienten starker auf den positiven Ist-Zustand hin, in diesem Fall die Diagnose
CIS. Das bedeutet, dass im folgenden Patienten mit einem Quotient kleiner
oder gleich als der errechnete Cut-off und der Diagnose CIS als”richtig positiv“
3.4. Farbung III: B-Zell-Reihe (CD27, CD138) 50
Tabelle 3.8.:
Deskriptive Statistik Farbung III. Dargestellt sind Prozentwerte und Quotien-
ten. Angaben im Format MW± SD, [range]. p = Vergleich von CIS-I:KONTROLLE-I,
p†= Vergleich von CIS-I:MS, p‡= Vergleich von MS:KONTROLLE-1.
p
n % PBL % CSF Quotient p†
p‡
CD19+ (reife B-Zellen)
CIS-I 45 12± 5,0
[5�35]
5± 5,6
[0,5�33]
4,9± 5,5
[0,7�25,0]
≤ .001
MS 16 12± 6,0
[6�25]
6± 4,7
[0,7�21]
4,3± 5,0
[0,9�21,2]
NS
KONTROLLE-I 23 13± 4,8
[4�28]
2± 1,5
[0,3�6]
14,4± 13,2
[1,4�49,5]
≤ .001
CD19- CD138+ (Plasmazellen)
CIS-I 45 0,3± 0,4
[0�3]
1± 2,7
[0�16]
0,4± 0,5
[0,0�2,8]
.021
MS 16 0,2± 0,1
[0,1�0,5]
1± 2,2
[0,1�9]
0,7± 1,3
[0,1�5,0]
NS
KONTROLLE-I 22 0,4± 0,7
[0�3]
2± 1,7
[0�5]
0,2± 0,2
[0,1�0,7
NS
CD19+ CD27+ (Memory-B-Zellen)
CIS-I 45 4± 2,0
[0,8�11]
4± 5,0
[0,3�23]
1,8± 1,8
[0,3�9,4]
≤ .001
MS 16 3± 1,6
[0,1�7]
4± 4,5
[0,2�19]
1,7± 1,9
[0,3�7,4]
NS
KONTROLLE-I 23 4± 3,0
[2�15]
1± 1,3
[0,1�6]
6,1± 4,2
[0,4�17,5]
≤.001
CD4+ CD27+ (Memory-T-Zellen)
CIS-I 30 92± 4,5
[81�97]
91± 6,6
[60�99]
1,0± 0,1
[0,9�1,6]
NS
MS 2 92± 0,6
[92�93]
88± 3,1
[86�91]
1,0± 0,04
[1,0�1,1]
NS
KONTROLLE-I 15 89± 7,1
[72�93]
85± 5,1
[74�90]
1,0± 0,1
[0,9�1,4]
NS
CD4+ CD27- (Effektor-T-Zellen)
CIS-I 30 8± 4,5
[3�19]
7,8± 3,1
[1�14]
1,2± 1,1
[0,4�6,1]
NS
MS 2 8± 0,5
[7�8]
10± 1,6
[9�11]
0,7± 0,2
[0,6�0,9]
NS
KONTROLLE-I 15 12± 7,3
[4�29]
14± 5,6
[4�25]
0,9± 0,5
[0,4�1,8]
NS
3.4. Farbung III: B-Zell-Reihe (CD27, CD138) 51
Tabelle 3.9.:
Ergebnisse Farbung III. Dargestellt ist die Korrelationsanalyse der Quotienten mit
der Lasionslast im cMRT und die ROC-Analyse. Es liegt eine signifikante Korrelation fur
Plasmazellen vor. Die ROC wurde fur reife B-Zellen und Memory-B-Zellen durchgefuhrt.
r = Korrelationskoeffizienten nach Spearman, AUC = Area under curve, Cut = errechnete
Cut-off.
Stratifizierung Korrelation ROC
r p AUC p Cut Sens Spez PPV NPV LHR
CD19+ (reife B-Zellen)
keine -0,07 NS 0,85 ≤ .001 4,4 0,74 0,92 0,94 0,68 9,44
≤ 6 Lasionen -0,24 NS 0,87 ≤ .001 4,4 0,78 0,92 0,90 0,82 9,78
EDSS -0,21 NS 0,83 ≤ .001 4,4 0,76 0,92 0,93 0,72 9,29
CD19- CD138+ (Plasmazellen)
keine 0,41 .006 NA
≤ 6 Lasionen 0,55 .007 NA
EDSS 0,26 NS NA
CD19+ CD27+ (Memory-B-Zellen)
keine -0,20 NS 0,84 ≤ .001 2,8 0,84 0,74 0,86 0,71 3,24
≤ 6 Lasionen -0,35 NS 0,86 ≤ .001 2,6 0,83 0,78 0,79 0,82 3,80
EDSS -0,24 NS 0,83 ≤ .001 4,6 0,91 0,65 0,80 0,83 2,63
CD4+ CD27+ (Memory-T-Zellen)
keine -0,01 NS NA
≤ 6 Lasionen 0,30 NS NA
EDSS 0,06 NS NA
CD4+ CD27- (Effektor-T-Zellen)
keine -0,02 NS NA
≤ 6 Lasionen -0,40 NS NA
EDSS -0,12 NS NA
betrachtet wurden, Patienten mit einem Quotienten kleiner als der Cut-off aber
ohne klinisch-isoliertes Syndrom als”falsch positiv“.
Fur reife B-Zellen erbrachte die ROC fur alle Stratifizierungen mit einer Sen-
sitivitat von ca. 0,78 und die Spezifitat von 0,92 ahnliche Werte. 92 % der
Probanden, bei denen ein Quotient kleiner als der errechnete Cut-off gefun-
den wurde, wurde tatsachlich die Diagnose”CIS“ gestellt (PPV, stratifiziert
nach Lasionslast). Bei 82 % der Probanden mit einem Quotienten großer als
der Cut-off konnte die Diagnose”CIS“ nicht gestellt werden (NPV). Fur Me-
mory B-Zellen ohne Stratifizierung lag die Sensitivitat bei 0,84 und Spezifitat
bei 0,74. PPV und NPV waren etwas schwacher als bei der Betrachtung aller
3.4. Farbung III: B-Zell-Reihe (CD27, CD138) 52
reifen B-Zellen. Die Quotienten waren damit in der Lage, zwischen Patienten
mit CIS und anderen neurologischen Krankheiten zu diskriminieren.
Die Korrelationsanalyse erbrachte schwache bis keine Korrelationen der Quoti-
enten mit der kranialen Lasionslast (nicht signifikant). Lediglich fur Plasmazel-
len deuten r≈ 0,5 und p-Werte kleiner als 0,008 auf eine mittelgradige positive
Korrelation des Quotienten mit der kranialen Lasionslast hin (siehe Tabelle 3.9
auf Seite 51 und Abbildung 3.7 auf Seite 52). Dies wurde paradoxerweise bedeu-
ten, dass je mehr Plasmazellen im Blut bzw. je weniger im Liquor vorhanden
sind, desto großer die Lasionslast ist.
Abbildung 3.7.:
Korrelations- und ROC-Analyse fur CD19. Links: signifikante Korrelationsanalyse
fur Plasmazellen. Rechts: ROC fur reife B-Zellen (Kreise) und Memory B-Zellen (Kreuze).
Beide ohne Stratifizierung.
3.5. Farbung IV: Thymusemigranten (CD45RA, CD62L) 53
3.5. Farbung IV: Thymusemigranten (CD45RA, CD62L)
Abbildung 3.8.:
Vergleich der Quotienten fur CD45 im Boxplot. Links: Boxplots fur CD4+ Thy-
musemigranten. Rechts: Boxplots fur CD8+ Thymusemigranten. Keine signifikanten Un-
terschiede der Quotienten und somit kein Dysaquilibrium fur Thymusemigranten in den
Patientenkohorten.
Fur eine Ubersichtliche Darstellung der Quotienten siehe Tabelle 3.10 auf
Seite 54 und Abbildung 3.8 auf Seite 53. Es ergaben sich keine relevanten und
signifikanten Unterschiede der Quotienten im Vergleich der Kohorten CIS-I, MS
und KONTROLLE-I. Somit liegt kein Dysaquilibrium fur Thymusemigranten
bei Patienten mit CIS oder MS vor.
In der Korrelationsanalyse ergaben sich keine Hinweise auf eine Korrelation
der Quotienten mit der Lasionslast fur CD8+ Zellen, jedoch eine schwache bis
mittelgradige negative Korrelation fur die CD4+ Population ohne Stratifizie-
rung (r = -0,38; p = 0,016, nicht mehr signifikant nach Bonferroni-Korrektur) so-
wie stratifiziert nach EDSS (r = -0,53; p = 0,004, signifikant), siehe Tabelle 3.11
auf Seite 54. Je haufiger Thymusemigranten im peripheren Blut bzw. je selte-
ner sie im Liquor vorkommen, desto geringer ist die kraniale Lasionslast. Auf
eine ROC-Analyse wurde aufgrund des fehlenden Unterschieds der Quotienten
verzichtet. Angepasst fur die Testung von sechs Hypothesen pro untersuchter
Zellpopulation betrug die Bonferroni-Korrektur 0,05/6 = 0,0083. Daher wurde
im folgenden α= 0,83 % als statistisch signifikant betrachtet.
3.5. Farbung IV: Thymusemigranten (CD45RA, CD62L) 54
Tabelle 3.10.:
Deskriptive Statistik Farbung IV. Dargestellt sind Prozentwerte und Quotien-
ten. Angaben im Format MW± SD, [range]. p = Vergleich von CIS-I:KONTROLLE-I,
p†= Vergleich von CIS-I:MS, p‡= Vergleich von MS:KONTROLLE-1.
p
n % PBL % CSF Quotient p†
p‡
CD4+ CD45RA+ CD62L+ (Thymusemigranten)
CIS-I 39 44± 16,0
[14�90]
2,8± 1,9
[0,6�11]
19,0± 8,9
[5,3�41,3]
NS
MS 16 41± 10,6
[27�57]
3,4± 1,7
[2�8]
14,4± 6,6
[4,2�27,1]
NS
KONTROLLE-I 17 43± 9,8
[22�56]
3,8± 3,4
[0,7�12]
18,7± 12,3
[3,6�51,7]
NS
CD8+ CD45RA+ CD62L+ (Thymusemigranten)
CIS-I 37 31± 14,0
[6�54]
12,3± 8,6
[2�47]
3,7± 3,8
[0,5�22,7]
NS
MS 17 25± 13,9
[3�54]
13± 6,0
[5�29]
2,3± 1,4
[0,1�5,2]
NS
KONTROLLE-I 17 28± 14,2
[6,4�55]
15± 8,8
[3�31]
2,5± 2,3
[3,6�51,7]
NS
Tabelle 3.11.:
Ergebnisse Farbung IV. Dargestellt ist die Korrelationsanalyse der Quotienten mit der
Lasionslast im cMRT. Schwache bis mittelgradige negative Korrelation fur CD4+ Thymuse-
migranten. Je haufiger Thymusemigranten im peripheren Blut bzw. je seltener sie im Liquor
vorkommen, desto geringer ist die kraniale Lasionslast. Auf eine ROC-Analyse wurde auf-
grund des fehlenden Unterschieds der Quotienten verzichtet. r = Korrelationskoeffizienten
nach Spearman, AUC = Area under curve, Cut = errechnete Cut-off.
Stratifizierung Korrelation ROC
r p AUC p Cut Sens Spez PPV NPV LHR
CD4+ CD45RA+ CD62L+
keine -0,38 .016 NA
≤ 6 Lasionen -0,3 NS NA
EDSS -0,53 .004 NA
CD8+ CD45RA+ CD62L+
keine 0,18 NS NA
≤ 6 Lasionen 0,21 NS NA
EDSS 0,15 NS NA
3.6. Farbung V: Monozyten (CD14, CD16) 55
3.6. Farbung V: Monozyten (CD14, CD16)
Abbildung 3.9.:
Vergleich der Quotienten fur CD14+/CD16+ im Boxplot. Links: Boxplots fur
CD14+ CD16- (linke Boxen, ausgefullt) und CD14- CD16+ (rechte Boxen, liniert), keine
signifikanten Unterschiede. Rechts: Boxplots fur CD14+ CD16+ Zellen. Signifikante Un-
terschiede der Quotienten fur CD14+ CD16+ Zellen im Vergleich von CIS-I:Kontrollen.
Bei Patienten mit CIS liegt somit ein Mißverhaltnis fur CD14+ CD16+ Monozyten mit
vermindertem Anteil im CSF vor. Zweiseitiger Mann-Whitney-U Test fur unverbundene
Stichproben.
Die Quotienten und Prozentwerte sind in Tabelle 3.12 auf Seite 56 und Abbil-
dung 3.9 auf Seite 55 dargestellt. Nach Bonferroni-Korrektur mit 0,05/6 = 0,0083
fur multiples Testen der Quotienten und Korrelationen blieben als statistisch si-
gnifikant die Werte fur CD14+ CD16+ Monozyten (p = 0,002) fur den Vergleich
der Quotienten der CIS-I und Kontrollkohorte; mit p = 0,049 war der Vergleich
der Kohorten MS und Kontrolle damit nicht mehr signifikant. Bei Patienten mit
CIS liegt somit ein Mißverhaltnis fur CD14+ CD16+ Monozyten mit verminder-
tem Anteil im CSF vor. Fur die anderen untersuchten Monozytenpopulationen
fand sich kein signifikanter Unterschied.
Die Korrelationsanalyse ergabe schwache bis keine Korrelationen der kra-
nialen Lasionslast mit den Quotienten fur alle Monozytenpopulationen (alle
nicht signifikant). Es ergaben sich somit keine Hinweise darauf, dass die Dys-
balance der CD14+ CD16+ Monozyten im Zusammenhang mit der kranialen
Lasionslast steht. Fur diese Population wurde die ROC durchgefuhrt und das Si-
gnifikanzniveau nach Bonferroni auf 0,05/9 = 0,0055 und α= 0,55 % angehoben.
Großere Werte der Quotienten deuteten dabei starker auf den positiven Zustand
(CIS) hin, kleinere Werte sprechen eher gegen das Vorliegen eines CIS. Die beste
Auswertung ergab die Stratifizierung nach Lasionslast (AUC = 0,78; p = 0,002
3.6. Farbung V: Monozyten (CD14, CD16) 56
Sensitivitat = 0,74; Spezifitat = 0,73). Der Quotient fur CD14+ CD16+ Mono-
zyten ist in ca. 75 % der Falle geeignet um zwischen der Diagnose”CIS“ und
”kein CIS“ zu unterscheiden. Bei der Stratifizierung nach EDSS-Verbesserung
war der p-Wert mit 0,008 nach Bonferroni-Korrektur knapp nicht mehr signi-
fikant. Knapp 80 % der Probanden, bei denen ein Quotient großer als der er-
rechnete Cut-off gefunden wurde, wurde tatsachlich die Diagnose”CIS“ gestellt
(PPV, stratifiziert nach Lasionslast). 67 % der Probanden mit einem Quotienten
kleiner als der Cut-off hatten die Diagnose”kein CIS“ (NPV). Fur eine kom-
plette Ubersicht der Ergebnisse der ROC und Korrelationen siehe Tabelle 3.13
auf Seite 57 und Abbildung 3.10 auf Seite 57.
Tabelle 3.12.:
Deskriptive Statistik Farbung V. Dargestellt sind Prozentwerte an allen CD3- CD20-
Zellen und Quotienten. Angaben im Format MW± SD, [range]. p = Vergleich von CIS-
I:KONTROLLE-I, p†= Vergleich von CIS-I:MS, p‡= Vergleich von MS:KONTROLLE-1.
p
n % PBL % CSF Quotient p†
p‡
CD14+ CD16- (Monozyten)
CIS-I 40 41± 11,2
[4�67]
9± 7,9
[0,6�32]
14,2± 19,37
[0,25�47,76]
NS
MS 15 36± 19,2
[2�76]
9± 9,0
[0,9�37]
9,9± 11,69
[0,4�41,2]
NS
KONTROLLE-I 22 36± 11,7
[5�53]
16± 14,5
[0,8�50]
7,3± 10,52
[0,3�42,6]
NS
CD14- CD16+ (Monozyten)
CIS-I 38 32± 11,7
[2�54]
4± 3,7
[0�13]
12,8± 11,47
[0,2�60,4]
NS
MS 15 26± 17,9
[1�76]
4± 3,8
[1�14]
10,9± 10,51
[0,5�33,8]
NS
KONTROLLE-I 18 33± 14,7
[3�60]
2± 2,0
[0�6]
21± 22,4
[1,5�74,4]
NS
CD14+ CD16+ (Monozyten)
CIS-I 40 6± 2,6
[1�13]
11± 6,2
[1�84]
2,1± 3,60
[0,1�20,2]
.002
MS 15 7± 9,8
[0�44]
13± 18,8
[1�62]
2,3± 2,86
[0,1�8,9]
NS
KONTROLLE-I 22 7± 3,7
[1�18]
26± 19,0
[1�64]
0,9± 1,6
[0,1�5,5]
.049
3.6. Farbung V: Monozyten (CD14, CD16) 57
Tabelle 3.13.:
Ergebnisse Farbung V. Dargestellt ist die Korrelationsanalyse der Quotienten mit der
Lasionslast im cMRT und die ROC-Analyse. Es liegt keine signifikante Korrelation fur
CD14+ CD16+ Monozyten vor. Fur die Population stratifiziert nach Lasionslast wurde die
ROC durchgefuhrt. r = Korrelationskoeffizienten nach Spearman, AUC = Area under curve,
Cut = errechneter Cut-off.
Stratifizierung Korrelation ROC
r p AUC p Cut Sens Spez PPV NPV LHR
CD14+ CD16- (Monozyten)
keine 0,09 NS NA
≤ 6 Lasionen 0,16 NS NA
EDSS 0,01 NS NA
CD14- CD16+ (Monozyten)
keine -0,22 NS NA
≤ 6 Lasionen 0,03 NS NA
EDSS -0,22 NS NA
CD14+ CD16+ (Monozyten)
keine -0,01 NS 0,73 .002 0,32 0,77 0,68 0,77 0,68 2,41
≤ 6 Lasionen 0,20 NS 0,78 .002 0,38 0,74 0,73 0,79 0,67 2,72
EDSS -0,09 NS 0,71 .008 0,38 0,74 0,73 0,79 0,67 2,72
Abbildung 3.10.:
Korrelations- und ROC-Analyse fur CD14. Links: Signifikante Korrelationsanalyse
fur CD14+ CD16+ Monozyten, stratifiziert nach Lasionslast (≤ 6 Lasionen). Rechts: ROC
fur die selbe Zellpopulation in gleicher Stratifizierung mit signifikanter AUC = 0,80.
3.7. Zusammenfassung der Ergebnisse 58
3.7. Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Analyse der Quotienten erbrachte nach Bonferroni-Korrektur signifikan-
te Unterschiede und somit einen Hinweis auf eine Dysbalance im Blut- und
Liquorkompartiment bei TREG (CD4+ CD25high), reifen B-Zellen (CD19+),
Memory B-Zellen (CD19+ CD27+) und Monozyten (CD14+ CD16+). Keine
Unterschiede wurden fur CD28 T-Zellen, Plasmazellen (CD138+, nicht signifi-
kant nach Bonferroni-Korrektur), T-Zellen (CD4+ CD27+ und CD4+ CD27-),
Thymusemigranten (CD45RA+ CD62L+) und Monozyten (CD14+ CD16- und
CD14- CD16+) gefunden. Fur TREG und Plasmazellen korrelierte der Quotient
positiv mit der kranialen Lasionslast im cMRT, das heisst, je großer die relative
Haufigkeit der Zellen im Blut im Vergleich zum Liquor bei Diagnosestellung
war, desto großer war die initiale kumulative Lasionslast. Fur CD4+ Thymu-
semigranten fand sich stratifiziert nach EDSS eine negative Korrelation mit
inverser Beziehung zwischen Quotient und Lasionslast. Die Analyse der TREG
hinsichtlich des Oberflachenbesatzes fur VLA-4 konnte eine signifikant vermin-
derte MFI bei Patienten mit CIS im Vergleich zu Kontrollen zeigen. Expression
fur VLA-4 war fur CD25high durchschnittlich bei allen Probanden schwacher als
fur CD25med und CD25low CD4+ T-Zellen. Diese Ergebnisse deuten auf einen
Veranderten Rezeptorbesatz auf CD4+ T-Zellen fur VLA-4 bei Patienten mit
CIS hin.
4. Diskussion
4.1. Diskussion des Studienkollektivs und Methodik
Tabelle 4.1.:
Vergleich des Studienkollektivs (CIS) mit dem Verumarm der BENEFIT-
Kohorte (CIS) und dem deutschen MS-Register. Es finden sich annahernd gleiche
demografische und klinische Charaktersitika der Probanden. Flachenecker u. a. (2008) eva-
luierten MS-Patienten (und nicht CIS-Patienten) in Deutschland, deshalb liegt der initiale
EDSS und der Anteil mit einem EDSS ≤ 4,0 uber dem in dieser Studie gefundenen. Auffallig
ist die hohere Lasionslast in der BENEFIT-Kohorte.
n weibl. Alter EDSS T2 MRT
Beginn ≤ 4,0 Lasionen Vol [mm3]
n, % MW±SD Median % Median Median
CIS I+II 64 48, 75 32± 9,6 2,0 91 6 914
Kappos u. a.
(2006)
292 207, 71 30± k.A. 1,5 k.A. 18 1 951
Flachenecker
u. a. (2008)
3 223 ?, 72 31± 10,2 3,5 51 k.A. k.A.
Demografische und klinische Variablen des Studienkollektivs im Vergleich
zum Verumarm der BENEFIT Kohorte (Kappos u. a. 2006) und des MS-Registers
in Deutschland (Flachenecker u. a. 2008) sind in Tabelle 4.1 auf Seite 59 dar-
gestellt. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung und die Geschlechtsverteilung
mit ca 70 % weiblichen Probanden in unserem Studienkollektiv spiegeln gut die
demografischen Verhaltnisse in Deutschland und im großen Patientenkollek-
tiv der BENEFIT-Studie wider. Die Kohorte der CIS-Patienten ist mit n = 64
groß genug, um statistische Aussagen treffen zu konnen. Fruhere Studien wie-
sen erheblich kleinere Probandenzahlen auf (Viglietta u. a. 2004; Aristimuno
u. a. 2008). In die MS-Kohorte (n = 18) konnte keine vergleichbare Zahl an Pa-
tienten rekrutiert werden, da zur Diagnosestellung”MS“ das Kriterium der
zeitlichen und ortlichen Dissemination erfullt sein muss, serielle Liquorpunktio-
nen aber in der Regel nicht duchgefuhrt werden. Somit musste auf Patienten
gewartet werden, welche aus anderen Grunden eine Liquorpunktion benotigten,
59
4.1. Diskussion des Studienkollektivs und Methodik 60
oder nicht im Stadium “CIS“ erstmalig zur Diagnostik erschienen und gleich-
zeitig die Einschlusskriterien beachteten. Der Unterschied in der Alters- und
Geschlechtsstruktur der CIS und Kontrollgruppe (31± 9,7 vs. 49± 16,5 Jahre;
f:m = 35:11 in CIS-I) begrundet sich in der Epidemiologie des CIS mit einer
Praferenz fur Frauen im jungeren Lebensalter (Flachenecker u. a. 2008). Die
klinische Prasentation der Patienten ist im Einklang mit dem Beschwerdeprofil
des Verumarms der BENEFIT-Kohorte. Die haufigsten Symptomkombinatio-
nen beinhalteten das optische System mit 25 % (BENEFIT: 29 %), den Hirn-
stamm mit 22 % (22 %) und spinale Symptome (monofokales CIS) mit 35 %
(34 %) (vgl. Kappos u. a. 2006).
Ein initialer EDSS lag von allen eingeschlossenen Patienten mit CIS vor. Der
Median des initialen EDSS lag bei 2,0. Damit liegt er 0,5 Punkte hoher als in
der BENEFIT-Kohorte (Kappos u. a. 2006). Eine Abweichung von 0,5 Punkten
liegt allerdings im Rahmen der interrater-Variabilitat fur den EDSS Score (1,5
Punkte, Goodkin u. a. 1992)). Die mediane Lasionslast der Patienten in die-
ser Studie lag unter der in der BENEFIT-Kohorte. Diese Abweichung ist am
ehesten zufallsbedingt und durch die Einschlusskriterien der beiden Studien
beeinflusst. Wahrend in dieser Studie keine Anforderungen fur den Studienein-
schluss an das initiale MRT geknupft wurden, wurden in der BENEFIT Studie
Bedingungen an Anzahl und Form der Lasionen gestellt, die Patienten mit sehr
niedriger oder keiner Lasionslast ausschließen (mindestens zwei T2-hyperintense
Lasionen großer als 3 mm, periventrikular oder infratentoriell, ovoide Form). Der
Einschluss von drei Patienten mit unauffalligem MRT in dieser Studie fuhrt
moglicherweise zu einer Unterschatzung der kranialen Lasionslast. Da die vor-
liegende Studie das Lasionsvolumen mit den Quotienten linear korreliert und
somit nur Hinweise auf proportionale Verhaltnisse liefert, fuhrt eine mogliche
Unterschatzung der Lasionslast im gesamten Patientenkollektiv nicht zu einer
Verfalschung der Ergebnisse. Bei einer Ubertragung der Absolutwerte auf die
Grundgesamtheit sollte allerdings eine mogliche Unterschatzung der Lasionslast
berucksichtigt werden.
Zusammengefasst ist das hier beschriebene Patientenkollektiv in der Lage,
charakterisiert durch demografische und klinische Variablen die Epidemiologie
des CIS in Deutschland weitestgehend unverzerrt wiederzuspiegeln und somit
wird davon ausgegangen, dass die erhobenen Ergebnisse reprasentativ fur die
Grundgesamtheit der Patienten mit CIS sind.
Die intra- und interrater Variabilitat zur Quantifizierung der Lasionen kann
durch den Einsatz von fast FLAIR Sequenzen, wie in dieser Studie, signi-
4.1. Diskussion des Studienkollektivs und Methodik 61
fikant gesenkt werden; ausserdem erbrachte eine Reduzierung von funf auf
drei Millimeter Schichtdicke keinen zusatzlichen diagnostischen Gewinn (Fil-
ippi u. a. 1998). Der Vorteil der FLAIR liegt dabei in der hoheren Sensiti-
vitat subkortikaler und liquornaher Lasionen aufgrund eines geringeren Liquor-
Partialvolumeneffekts. Die Verwendung von FLAIR-Sequenzen in der klinischen
Routinediagnostik rechtfertigen Studien in denen gezeigt werden konnte, dass
mit ihr im Gegensatz zu auf Spin-Echo basierenden Sequenzen ca. 30 % mehr
Lasionen detektiert werden konnten (Tubridy u. a. 1998).
Quotienten zur Beschreibung einer zellularen Dysbalance zwischen den Kom-
partimenten wurden schon fruher durchflusszytometrisch in klinischen Studien
bei Patienten mit MS beschrieben. Die Analyse der Quotienten bei CIS so-
wie die Korrelation mit der Lasionslast ist in der Literatur allerdings nicht
vorbeschrieben. Die Erfassung des Verhaltnisses von verbundenen Daten in
Blut und Liquor erlaubt dabei die Beurteilung der Kapazitat von BHS und
BCSFS zum Lymphozytentransfer und spiegelt somit die Immunhomoostase
wider (Kleine u. a. 1999; Kleine, Benes 2006). Die kumulative T2-gewichtete
Lasionslast wurde in der Vergangenheit zur Quantifizierung und Objektivie-
rung der entzundlichen Aktivitat bei Patienten mit MS eingesetzt und dient als
Surrogatmarker fur die Evolution der Krankheit; zahlreiche Forschungsgrup-
pen haben die volumetrische Bestimmung zerebraler Lasionen zu Beginn und
im Follow-up bei Patienten mit MS benutzt, um Aussagen uber Prognose und
Fortschritt der Erkrankung treffen zu konnen (z.B. Brex u. a. 2002). Verschie-
dene Studien erbrachten allerdings unterschiedliche Ergebnisse in Bezug auf
Korrelation der Lasionslast mit dem Grad der Behinderung bei MS mit meist
moderaten Korrelationskoeffizienten (Brex u. a. 2002; Fisniku u. a. 2008; Sor-
mani u. a. 2009). Diese Ergebnisse sind wahrscheinlich eine Reflexion der be-
grenzten Aussagekraft verfugbarer Scores (Willoughby, Paty 1988) sowie der
begrenzten Fahigkeit konventioneller MRT Techniken, entzundliches Gewebe
ausserhalb makroskopisch sichtbarer Lasionen zu quantifizieren und die hete-
rogene Pathogenese der MS zu berucksichtigen (Pirko u. a. 2007). Trotzallem
wird die kumulative Lasionslast in einer Vielzahl an klinischen Studien als Sur-
rogatparameter fur die Entwicklung und Aktivitat der Krankheit genutzt und
hat sich im Forschungsalltag etabliert.
Aus diesen Aussagen geht hervor, dass die Korrelation des Quotienten mit der
kumulierten Lasionslast eine zulassige Methode darstellt. Wenn die Lasionslast
im MRT als Maß fur Entwicklung und Schwere einer MS geeignet ist, liegt
der Schluß nahe, dass auch die Quotienten in Korrelation mit der Lasionslast
4.1. Diskussion des Studienkollektivs und Methodik 62
zur Quantifizierung geeignet sind. Somit stunde erstmalig ein laborchemischer
Parameter zur Erfassung klinischer Beeintrachtigung bei MS zur Verfugung.
Wie hoch allerdings eine mogliche Korrelation sein wird, wenn eine moderate
Korrelation eines Quotienten mit der Lasionslast vorliegt und die Korrelati-
on der Lasionslast mit der Schwere der Erkrankung ebenfalls (nur) moderat
ist, sollte in prospektiven Studien weiter geklart werden. Nach dem heutigen
Wissensstand ist dies die erste Arbeit, die eine Korrelation der Quotienten mit
MRT-Parametern zur Beschreibung eines proportionalen Verhaltnisses einsetzt.
In dieser Studie wurde eine Stratifizierung der CIS-Kohorten in Patienten mit
milder Krankheitsaktivitat anhand von initial sechs und weniger Lasionen und
einem verbesserten oder konstanten EDSS im 1-Jahres Follow-Up durchgefuhrt.
In der vorliegenden Studie wurde die Stratifizierung von sechs und weniger
Lasionen gewahlt, da dies der Definition einer großen Lasionslast in den deut-
schen AWMF-Leitlinien entspricht (siehe http://www.awmf.org/leitlinien/
detail/ll/030-050.html). Im Vorliegenden entspricht ein Grenzwert von sechs
dem Median fur die Lasionszahl im Studienkollektiv. Auch Brex u. a. (2002,
s. u.) wahlten in ihrer Studie diesen Cut-off. Es gibt Hinweise auf einen Zusam-
menhang zwischen Lasionszahl bei Patienten mit CIS, Konversion zu klinisch
definitiver MS und der Wahrscheinlichkeit, milde oder moderate Behinderung
zu entwickeln (Brex u. a. 2002).
ROC Kurven werden benutzt, um die Effektivitat eines diagnostischen Markers
(hier die Quotienten) in der Unterscheidung zwischen kranken und gesunden
Individuen zu beurteilen. Meistens werden kontinuierliche Messungen durch-
gefuhrt. Die”Area under the ROC curve (AUC)“ ist der gangigste Global-
parameter der diagnostischen Prazision. Werte nahe an 1 sind hinweisend auf
eine hohe, wahrend Werte um 0,5 auf eine niedrige diagnostische Genauigkeit
hindeuten (Farcomeni, Ventura 2010). In dieser Studie wurden im Falle von
Signifikanz durchweg gute Werte von 0,71 bis 0,87 gefunden. Dies ist die erste
Studie, die ROC-Kurven fur die Evaluation liquorzytologischer Befunde in der
Diagnostik der MS einsetzt.
4.2. Diskussion der Ergebnisse 63
4.2. Diskussion der Ergebnisse
4.2.1. Die Haufigkeit CD4+ CD25high TREG ist im Liquor von
Patienten mit CIS reduziert und konnte als diagnostisches
Hilfsmittel eingesetzt werden
In dieser Studie konnte ein signifikanter Unterschied in der Haufigkeit der
CD25high TREG bei Patienten mit CIS im Vergleich zu gesunden Kontroll-
personen gezeigt werden. Kein signifikanter Unterschied lag im Vergleich von
MS und CIS Patienten vor, was pathophysiologisch auch nicht zu erwarten ist.
Ein großerer Quotient bei Patienten mit CIS spricht fur einen großeren An-
teil der TREG im peripheren Blut als im Liquor im Vergleich mit Gesunden
oder im Umkehrschluß fur eine Verminderung der TREG im Liquor in der
Patientengruppe. Diese Beobachtung einer quantitativen Dysbalance ist ver-
einbar mit gangigen Hypothesen, die eine physiologisch protektive Funktion
der TREG in Bezug auf Kontrolle und Suppression von entzundlichen Reaktio-
nen postulieren (Venken u. a. 2010). Obwohl autoreaktive T-Zellen bei Gesun-
den sowie chronisch Kranken gefunden wurden, scheinen sie bei Patienten mit
Autoimmunkrankheiten leichter durch multilaterale Stimuli aktiviert werden
zu konnen (Lovett-Racke u. a. 1998). Diese Beobachtung veranlasste zahlrei-
che Forschungsgruppen der Frage nachzugehen, ob dies mit einer reduzierten
Funktion oder gestorten Homoostase regulatorischer Zellen erklarbar sei. Ei-
ne aktuelle Literaturrecherche erbrachte relativ eindeutige Ergebnisse in Bezug
auf eine reduzierte Effektorfunktion regulatorischer T-Zellen und somit eine
qualitative Storung bei Patienten mit MS (siehe auch Abschnitt 1.3.2 auf Sei-
te 12 der Einleitung und Viglietta u. a. 2004; Haas u. a. 2005; Venken u. a.
2006), obwohl diese Ergebnisse nicht in allen Studien validiert werden konn-
ten. So fanden Fransson u. a. (2009) z. B. eine normale Suppressionsfahigkeit in
CD25+ T-Zellen von MS-Patienten, wurden diese mit aktivierten Lymphozy-
ten von gesunden Kontrollpersonen inkubiert. Interessanterweise konnte dies fur
Patienten mit RR-MS, nicht aber fur SP-MS nachgewiesen werden (Fransson
u. a. 2009). Es wird mittlerweile davon ausgegangen, dass sich die Effektor-
funktion im spateren Krankheitsstadium rekonstituieren kann, obwohl spater
wahrscheinlich eher neurodegenerative als zellulare Prozesse eine Rolle fur die
Progression spielen (Venken u. a. 2008a). Weiterhin korrelierte die Funktions-
beeintrachtigung negativ mit der Krankheitsdauer, nicht jedoch mit dem Alter
der Patienten, was als Hinweis fur die Bedeutung der TREG im fruhen Krank-
heitsverlauf gewertet werden kann (Venken u. a. 2006). Haas u. a. (2005) fanden
4.2. Diskussion der Ergebnisse 64
eine identische reduzierte suppressive Kapazitat und Haufigkeiten der CD25+
TREG bei Patienten mit RR-MS in Remission sowie im Schub. Auch schien
diese nicht abhangig von der Schubrate und der klinischen Beeintrachtigung zu
sein. Diese Ergebnisse sprechen gegen eine Akkumulation der TREG im ZNS
wahrend eines Schubes und sind in Zusammenschau mit o.g. Studien als Hin-
wies darauf zu deuten, dass die beeintrachtigte Effektorfunktion weniger von der
kurzfristigen Krankheitsaktivitat, sondern eher vom naturlichen Krankheitsver-
lauf gemessen in Jahren und Jahrzenten abhangig ist (Haas u. a. 2005).
Tabelle 4.2.:
Studienvergleich fur CD25. Dargestellt sind Studien, die die Haufigkeit von TREG bei
Patienten mit MS und CIS untersucht haben. Auffallig ist eine Heterogenitat der untersuch-
ten Zellpopulation in phanotypischer Hinsicht und der eingeschlossenen Studienpatienten,
was die Vergleichbarkeit erschwert und fur die diskrepanten Ergebnisse mitverantwortlich
sein kann. CS = Corticosteroide, GK = gesunde Kontrollpersonen, ANK = andere neurolo-
gische Erkrankungen
Studie Patienten Material Ergebnis (Auszug)
Aristimuno
2008
MS (n = 20) im
Schub
GK (n = 18)
CD4+CD25high im
Schub und funf Tage
post i.v. CS; PBL
MS >GK bei Baseline
MS �GK post i.v. CS
Feger
2007
MS (n = 14)
ANK (n = 9)
CD4+CD25high
FoxP3+ PBL u. CSF
MS (CSF) >MS (PBL)
ANK (PBL) ≈ANK (CSF)
Fransson
2009
RR-MS (n = 48)
GK (n = 44)
CD4+CD25+
Foxp3+CD127- PBL
RR-MS < GK
Haas
2005
RR-MS (n = 73)
GK (n = 73)
(CSF n = 15)
CD4+CD25high,
PBL und CSF
RR-MS ≈GK (PBL)
RR-MS (PBL) ≈GK (CSF)
CD25med RR-MS ≈GK
Jensen
2004
CIS (n = 44)
ANK (n = 49)
CD4+CD25high PBL
u. CSF
CIS (PBL)≈GK (PBL)
CIS (CSF)<ANK (CSF)
Ma 2009 MS/EAE (n = 4)
GK (n = 4) im
Tierversuch
CD4+CD25high im
Schub, Remission
und bei gesunden
Primatenaffen; PBL
MS Im Schub <MS in
Remission
MS in Remission �GK
Viglietta
2004
RR-MS (n = 15)
GK (n = 21)
CD4+CD25high,
PBL
RR-MS ≈GK
Vudattu
2009
SP-MS (n = 13)
RR-MS (n = 9)
ANK (n = 9)
GK (n = 15)
CD4+CD25high und
Subgruppen, PBL
SP-MS, RR-MS, ANK
<GK
4.2. Diskussion der Ergebnisse 65
Eine reduzierte Haufigkeit der TREG im Liquor von CIS-Patienten, wie in
dieser Studie gefunden, liefert neben dem qualitativen Erklarungsansatz ei-
ner gestorten exekutiven Funktion einen zusatzlichen quantitativen Aspekt mit
moglicherweise gestorter Homoostase der TREG und unterstreicht die Rolle
dieser Zellen in der Pathogenese des CIS als Beginn des Paradigmas MS.
Studien, die sich mit der Quantifizierung der Zellen in Blut und Liquor beschaf-
tigten lieferten allerdings z. T. widerspruchliche Ergebnisse. In Tabelle 4.2 auf
Seite 64 ist eine Auswahl an Studien aufgefuhrt, die sich mit der Haufigkeit der
TREG bei MS beschaftigten. Studien zu anderen Autoimmunerkrankungen wie
z. B. Diabetes Mellitus oder Rheumatoide Arthritis wurden nicht berucksichtigt,
liefern aber z. T. ebenfalls widerspruchliche Ergebnisse (Haas u. a. 2005).
Soweit anhand aktueller Literaturrecherche beurteilbar, ist dies die erste Ar-
beit, die systematisch Blut- und Liquoruntersuchungen fur CD25 bei Patienten
mit CIS durchgefuhrt hat. Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstutzen die These,
daß regulatorische T-Zellen nicht ins ZNS emigrieren um lokal eine Dampfung
der Entzundungsantwort zu initiieren und somit aus dem peripheren Pool de-
pletiert werden; hierfur wurde ein kleinerer Quotient bei Patienten mit CIS
sprechen. Vielmehr sind zugrundeliegende pathogenetische Mechanismen, die
eine Erklarung divergierender Forschungsergebnisse darstellen konnten bis heu-
te leider kaum verstanden. Mogliche Ursachen fur diese Diskrepanz quantitati-
ver Studien konnten u. U. methodologischer Natur sein, z. b. war die Definition
eines Schubes im Rahmen einer RR-MS in den hier vorgestellten Studien nicht
identisch. Eine andere Fehlerquelle liegt in der immunzytologischen Auswahl
geeigneter Marker fur regulatorische Zellen (z. B. Foxp3), welche bis heute noch
nicht zufriedenstellend gelost ist (siehe auch Abschnitt 4.4 auf Seite 85) und
zwischen den Studien variiert. Andere Theorien, die den Einsatz von CD127 als
zusatzlichen immunphanotypischen Marker favoriseren, kritisieren eine Verun-
reinigung der TREG durch andere aktivierte T-Zellen aufgrund einer subopti-
malen Spezifitat existierender Marker wie CD25 und FoxP3 fur regulatorische
Zellen (siehe auch Seite 85 und Liu u. a. 2006).
Ein besseres Verstandnis der zugrundeliegenden kompromittierten Immun-
regulation ist wichtig fur die Entwicklung einer zukunftigen auf TREG basie-
renden Therapie. Die Schlusselfrage wird sein, ob es gelingen wird, die Balance
zwischen TREG und Effektorzellen zur richtigen Zeit und am richtigen Ort
wiederherzustellen. Venken u. a. (2010) sind der Ansicht, dass der gunstigste
Ansatz in einer Intervention im fruhen Krankheitsbeginn zwecks Wiederher-
stellung der Funktion und Homoostase der Zellen besteht (Venken u. a. 2010).
4.2. Diskussion der Ergebnisse 66
Um so erstaunlicher scheint es, daß bis dato kaum Forschungsanstrengungen
bei Patienten mit CIS unternommen wurden.
Erste therapeutische Ideen beinhalten die Isolierung von patienteneigenen TREG,
in-vitro Expansion und Refundierung der Zellen (Stephens u. a. 2009). Abgese-
hen von ethischen und technischen Problemen wirft dieser Ansatz eine Reihe
anderer Fragen auf: Welche phanotypischen Merkmale sollten zur Identifizie-
rung der Zellen benutzt werden? Welche Epitope sind am besten geeigent um
eine Expansion der Zellen zu erreichen? Aber auch die Applikation von etablier-
ten Immunmodulatoren hat signifikante Auswirkung auf TREG. So sind z.B.
Interferone und Glatirameracetat in der Lage, die Haufigkeit der RTE–TREG
bei MS-Patienten zu erhohen (Venken u. a. 2008b). Zusammengefasst bieten
TREG vielversprechendes Potential in der Therapie der MS, wobei die Mei-
nung vorherrscht, eine effiziente Therapie musse sowohl die Effektorfunktion,
als auch die Dysbalance uber die Kompartimente als Ziel haben.
4.2.2. Reduzierte MFI fur VLA-4 bei Patienten mit CIS
Um einen Erklarungsansatz fur die quantitativen Unterschiede der TREG bei
CIS und Kontrollprobanden zu liefern, wurde das Expressionsniveau fur CD49d
in Abhangigkeit von CD25 untersucht. Auf einem Signifikanzniveau von α= 5 %
fanden sich signifikant erniedrigte MFI fur die α-4 Kette von VLA-4 (CD49d)
im PBL fur alle CD4+ CD25low-high im Vergleich zu Kontrollen. Im CSF wurde
Signifikanz fur CD25low-med erreicht. Insgesamt war die MFI in allen Zellpopu-
lationen schwacher bei Patienten mit CIS im Vergleich zu Kontrollen (durch-
schnittlich um 28 % im PBL und 19 % im CSF). Es wurde daruberhinaus eine
abnehmende Tendenz der MFI mit zunehmender Expression fur CD25 uber das
gesamte Patientenkollektiv beobachtet.
Die MFI ist ein indirektes Maß fur den Oberflachenrezeptorbesatz auf Zellen.
Obwohl nach Bonferroni-Korrektur und α= 2,5 % knapp keine Signifikanz mehr
fur CD25low erreicht wurde (p = 0,029 im PBL und 0,038 im CSF), sind die-
se Ergebnisse hinweisend auf eine reduzierte Expression von VLA-4 auf CD4+
Lymphozyten bei Patienten mit CIS. Bei eindeutiger Tendenz zu erniedrigten
MFI bei Patienten sowohl im PBL, als auch im CSF fur alle Expressionsniveaus
von CD25 ist die Fallzahl von n = 18 moglicherweise nicht groß genug, um dem
nach Bonferroni korrigierten Signifikanzniveau standzuhalten. Da CD25high im
CSF der einzige Wert ist, fur den keine Signifikanz bei sonst eindeutigen Er-
gebnissen erreicht wurde, liegt hier moglicherweise ein zufalliges Ergebnis vor,
ebenfalls mitbedingt durch die Fallzahl. Hier sollte weitere Forschung erfolgen.
4.2. Diskussion der Ergebnisse 67
Besonders die Interaktion zwischen dem Integrin very late antigen (VLA)-4
und dem vascular cell adhesion molecule (VCAM)-1 auf dem Endothel konnte
als essentiell fur die Leukozytenadhasion- und Migration ins ZNS herausge-
stellt werden (z. B. Vajkoczy u. a. 2001). Dabei sind die beiden Proteine fur den
initialen Kontakt und folgende Anheftung der Lymphozyten ans Endothel ver-
antwortlich, die Transmigration wird an andere Stelle veranlasst, z. B. durch die
Interaktion von LFA-1 und ICAM-I (Vajkoczy u. a. 2001). Doerck u. a. (2010)
untersuchten das Migrationsverhalten proinflammatorischer und regulatorischer
T-Zellen bei Ratten mit EAE. Dabei folgte die Expression von VCAM-I dem
klinischen Verlauf von Schub und Remission und die Applikation von blockie-
renden Antikorpern fuhrte zu einer Aggravation im fruhen Krankheitsverlauf
der Tiere und ist hinweisend auf eine wichtige Rolle von VLA-4/VCAM-I Inter-
aktion in der Rekrutierung regulatorischer Zellen ins ZNS (Doerck u. a. 2010).
Bei Patienten mit CIS ist die Rolle von VLA-4 bisher noch nicht untersucht
worden. Es fand sich eine Verminderung von VLA-4 auf TREG des peripheren
Blutes von Patienten mit RR-MS (Stenner u. a. 2008) und eine gestorte Zell-
motilitat bei RR-MS im Gegensatz zu konstitutiv starkt ausgepragter Migra-
tionsfahigkeit von TREG unter normalen Bedingungen (Schneider-Hohendorf
u. a. 2010).
In der Zusammenschau der Ergebnisse konnte eine gestorte Homoostase der
TREG beim CIS mit verminderter Haufigkeit im CSF zumindest teilweise durch
eine reduzierte Expression von VLA-4 erklart werden. Da das absolute Expres-
sionsniveau fur VLA-4 auf CD25high TREG im Vergleich zu CD25med+lo nied-
riger ist (siehe Tabelle 3.5 auf Seite 44), fallt ein Verlust an Rezeptoren bei
TREG starker ins Gewicht als bei Populationen mit durchschnittlich hoherer
Expression des Rezeptors. Obwohl keine Signifikanz nach Bonferroni erreicht
wurde, lasst sich das Signifikanzniveau durch die Untersuchung einer großeren
Fallzahl moglicherweise verbessern. Mitverantwortlich fur eine Fehlfunktion der
CD25high Zellen bei Patienten mit CIS/MS konnte somit neben einer gestorten
Effektorfunktion auch eine gestorte Homoostase im Liquorkompartiment sein.
Trotzallem ist auch hier die Datenlage nicht immer eindeutig. Soilu-Hanninen
u. a. (2005) fanden eine erhohte Expression von CD49d auf allen T-Zellen bei Pa-
tienten mit MS im Schub, nicht aber in Remission (Soilu-Hanninen u. a. 2005).
Andere zeigtes eine gesteigerte Haufigkeit CD49d+ Zellen unter allen TREG bei
Patienten mit RR-MS (nicht aber SP-MS) im Vergleich zu gesunden Kontrollen
(Venken u. a. 2008a). Wie diese auf den ersten Blick divergierenden Erkenntnis-
se in den gesamten Prozeß der TREG Pathophysiologie zu integrieren sind und
4.2. Diskussion der Ergebnisse 68
ob eine Rekonstitution der Zellmotilitat im fortschreitenden Krankheitsverlauf
stattfindet, sollte Gegenstand zukunftiger Forschung sein.
4.2.3. Selektiver Rezeptorverlust fur IL-2 oder beeintrachtigte
Adhasionsmolekule als moglicher zugrundeliegender Defekt
Der hier gefundene Quotient von 1,0 in der Kohorte der Kontrollpersonen deu-
tet auf ein Aquilibrium zwischen dem Blut- und Liquorkompartiment mit wei-
testgehend ungehindertem Austausch der Zellen uber die Blut-Hirn-Schranke
(BHS) hin und erganzt die Ergebnisse einer alteren Studie, die ebenfalls glei-
che Haufigkeiten in Blut und Liquor bei Gesunden fand. Dort wurden aller-
dings alle aktivierten CD4+ Zellen untersucht (CD4+ CD25+) und die Auto-
ren argumentierten gegen damalige Hypothesen, die eine generelle Aktivierung
von Lymphozyten im ZNS selbst bei Gesunden postulierten (Svenningsson u. a.
1995). Feger u. a. (2007a) fanden ebenfalls ausgeglichene Haufigkeiten in Blut
und Liquor (Feger u. a. 2007a). Da eine Produktion von Lymphozyten im ZNS
ausgeschlossen ist und alle Lymphozyten somit ihren Ursprung im peripheren
Blut haben (Kleine u. a. 1999), konnte eine mogliche Erklarung fur den abwei-
chenden Quotienten bei Patienten mit CIS ein Rezeptorverlust fur IL-2 (CD25)
beim Ubertritt uber die BHS der regulatorischen T-Zellen sein.
Flugel u. a. (2001) untersuchten in einer Studie das Migrationsverhalten von
MBP-reaktiven T-Tellen im erweiterten Tiermodell der MS, der (transfer)-EAE.
Dabei wurden retrovirale Gene in die Zielzellen eingebracht, deren Translati-
on zur Expression des green fluorescent protein (GFP) fuhrt. Die transgene
Expression und somit Fluoreszenzintensitat des GFP kann dabei in Echtzeit
gemessen werden und ermoglicht die gezielte Identifikation und Isolierung der
Zellpopulation. Nach Injektion der Zellen umfasste ein fruher Migrationsweg
die parathymischen Lymphknoten, periphere Blut und Milz und schließlich das
ZNS. Interessanterweise unterliefen die ex vivo aktivierten T-Zellen wahrend
der Transmigration einer Reihe von Veranderungen ihrer Expressionsstruktur
an Aktivierungsmarkern und Rezeptoren, darunter auch fur den IL-2 Rezeptor,
CD25. Begleitet wurde dies von der Hochregulation anderer ZNS-spezifischer
Chemokinrezeptoren, die moglicherweise der Chemoattraktion der Zellen ins
ZNS dienen. In einer zweiten Migrationsphase ins ZNS am dritten Tag post
injectionem der Zellen reduzierte sich die Fluoreszenzintensitat von ca 90 %
auf 10 % der CD4+ Zellen im ZNS und lag damit etwas uber der in der Litera-
tur beschrieben Haufigkeit enzephalitogener Effektor-T-Zellen. Diese Reduktion
scheint hauptsachlich aufgrund apoptotischen Zelltodes stattzufinden. Die Au-
4.2. Diskussion der Ergebnisse 69
toren beschrieben somit einen komplexen Migrationsweg der Lymphozyten von
der Peripherie ins ZNS mit konsekutiver funktioneller Veranderung der Ober-
flachenbeschaffenheit und Apoptose (Flugel u. a. 2001).
Der großere Quotient in der Kohorte der CIS Patienten in dieser Studie setzt
sich sowohl aus einem hoheren Anteil im PBL (6 % vs. 4 %), als auch einem nied-
rigeren Anteil im CSF im Vergleich zu Gesunden zusammen (4 % vs. 6 %, vgl.
Tabelle 3.3 auf Seite 42). Weitere Untersuchungen zum Thema, ob der Ubertritt
der TREG bei Patienten mit CIS mit einem Rezeptorverlust oder vestarkter
Apoptose einhergeht, sind wunschenswert. Beide moglichen Erklarungsansatze
wurden eher einen reduzierten Anteil im CSF bei gleichem Anteil im PBL fa-
vorisieren.
Die ins Blut ausgeschutteten, aktivierten Lymphozyten rezirkulierenden zwi-
schen der Peripherie und dem ZNS in einem komplizierten Prozess, der das sog.
”rolling“, Anhaften der Zellen ans Endothel, Aktivierung, feste Adhasion und
Transmigration beinhaltet (Kleine, Benes 2006). Eine andere Forschungsgruppe
um Kleine u. a. (1999) untersuchte ebenfalls verschiedene Lymphozytensubpo-
pulationen mit Bildung des Quotienten PBL:CSF bei Patienten mit verschiede-
nen neurologischen Krankheiten. Die Autoren fanden signifikant unterschiedli-
che Quotienten, sowohl fur Zellen, als auch Proteine im inter- sowie im intrain-
dividuellen Vergleich. Eine andere mogliche Erklarung konnte in der Selekti-
vitat der BHS bzw. PBL-CSF-Schranke liegen. Die Selektion der Lymphozyten
scheint sich hauptsachlich am Kapillarendothel der BHS und der epithelialen
Blut-CSF-Barriere des Plexus choroideus abzuspielen. Dabei wird sie durch eine
Vielzahl von Transmigrationspfaden entlang der Kapillarwand ermoglicht, be-
stehend aus Rezeptor-Liganden Interaktionen von Adhasionsmolekulen der Zel-
loberflache und des Epithels (siehe Abschnitt 4.2.2 auf Seite 66). Ein Großteil
der Regulation des Leukozytentransfers konnte dabei uber die Rezeptor- und Li-
gandendichte geschehen, um die differenzierte Diapedese zu ermoglichen (Kleine
u. a. 1999). In der selben Studie wurde z.B. ein großerer Quotient fur aktivierte
T-Lymphozyten (CD3+ HLA-DR+) als fur nicht-aktivierte (CD3+ HLA-DR-)
gefunden und als Hinweis auf eine erschwerte Transmigration vom Blut- ins Li-
quorkompartiment gewertet. Dieses Ergebnis zeigte sich am ausgepragtesten in
der Gruppe der Patienten mit neuroimmunologischen Krankheiten (MS: n = 2;
Borreliose: n = 1) mit abnehmendem Unterschied bei Patienten mit subakuter
Entzundung, bis hin zum einem Quotienten Q≈ 1 bei Patienten mit Meningitis,
was hinweisend auf ein Aquilibrium der aktivierten T-Lymphozyten mit nahe-
zu komplettem Zusammenbruch der selektiven Funktion der BHS wahrend der
4.2. Diskussion der Ergebnisse 70
hochakuten Entzundungsphase ist. Mit n = 2 Patienten mit MS ist diese Studie
allerdings offensichtlich zu klein bemessen um eine allgemeingultige Aussage
treffen zu konnen.
Tabelle 4.3.:
Migrationspfade der verschiedenen Lymphozyten ins ZNS uber die BHS. Die
Migration der Immunzellen ins Liquorkompartiment gliedert sich in einen fruhen und
einen spaten Migrationsweg. BZ = B-Zelle, TZ = T-Zelle CAM =Cellular adhesion mole-
cule, Adhasionsmolekul. Auszug, in Anlehnung an Kleine, Benes (2006).
Expression auf
Endothel des Gehirns Lymphozyten B-Zellen
CAMs der spaten Lymphozyten-Endothel Interaktion auf kleinen Gehirngefassen
VCAM-1 (CD106) VLA-4 (CD49d/CD29) VLA-4 (CD49d/CD29)
Bp50 (CD40) CD40L (CD154) auf CD4+ Zellen und auf CD8+ (teilweise)
LFA-3 (CD58) LFA-2 (CD2)
ICAM-2 (CD102) LFA-1 (CD11a/CD18)
CAMs der fruhen Lymphozyten-Endothel Interaktion auf kleinen Gehirngefassen
Sgp90 (CD34)
(sLex (CD15s))
L-selectin (CD62L) auf naiven und
teilw. Memory TZ
L-selectin (CD62L) auf
naiven BZ
Junction adhesion molecules
(JAMs)
CD18 (integrin β2 Untereinheit)
P-Selectin (CD62P) CD162 (P-selectin Glycoprotein Li-
gand 1)
E-selectin (CD62E) CD162 (P-selectin Glycoprotein Li-
gand 1)
Eine mogliche Erklarung fur die reduzierte Haufigkeit der TREG im CSF bei
Patienten mit CIS in dieser Studie konnte ein selektiver Rezeptordefekt der in
die Transmigration involvierter Proteine, z. B. CD49d, sein (Siehe Tabelle 4.3
auf Seite 70).
Es soll hier nicht weiter im Detail auf die molekularbiologischen Mechanis-
men eingegangen werden, sondern vielmehr die Komplexitat dieses Vorgangs
verdeutlicht werden. Die Tabelle beschrankt sich auf einige wenige Transport-
proteine, außerdem gelten teilweise die gleichen Rezeptoren und Transporter
wie fur andere Leukozyten. Bei der Migration vom Liquor ins Hirngewebe uber
die Blut-CSF Barriere des Plexus choroideus gelten wiederum andere Mecha-
nismen (Kleine, Benes 2006).Wahrscheinlich sind noch eine Reihe weiterer Pro-
teine involviert und der komplette Mechanismus der Lymphozytenaktivierung
und ihrer Interaktion mit ebefalls aktiviertem Endothel, Lockerung der tight
junctions und anschliessender Diapedese ist im Detail noch wenig verstanden.
4.2. Diskussion der Ergebnisse 71
Eine differenzierte Betrachtung der in der Migration involvierten Proteine auf
T-Zellen ist notig um einen moglichen Erklarungsansatz fur das hier gefundene
Ungleichgewicht der Lymphozytensubpopulationen zu finden.
Aus bisher unbekannten Grunden ware es daruberhinaus moglich, dass sich
bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten die gestorte Homoostase in re-
lativ schneller Zeit selbst reguliert, wie auch anscheinend eine Rekonvaleszenz
der Effektorfunktion im Verlauf des Krankheitskontinuums vom CIS bis zur SP-
MS stattfindet (Venken u. a. 2006). Obwohl keine signifikanten Unterschiede in
der CIS und MS Kohorte bestanden und die Unterschiede der Quotienten eher
marginal sind (1,6 vs. 1,5), spricht die in dieser Studie gefundene absteigende
Tendenz ebenfalls fur eine Dynamik der Verteilung der TREG im fortschrei-
tenden Krankheitsverlauf und eroffnet neue interessante Forschungsansatze fur
longitudinale Studien mit Patienten mit CIS und ihrer Transformation zur MS.
4.2.4. Die quantitativen Unterschiede der TREG sind mit der
Krankheitsaktivitat assoziiert
Ein besserer Korrelationskoeffizient als bei Betrachtung des gesamten Patien-
tenkollektivs zeigte sich in der Stratifizierung nach geringer Lasionslast mit
weniger als sieben Lasionen im initialen cMRT (r = 0,68 und p≤ 0,001). Dies
lasst sich durch die Tatsache erklaren, dass nicht jede magnettomografisch de-
tektierte Lasion zu einem klinisch erfassbaren Defizit fuhren muss und z. B.
Lasionen an strategisch weniger wichtigen Punkten vom Patienten unerkannt
bleiben konnen; grade in fruhen Krankheitsstadien ist die Korrelation des La-
sionsvolumens mit dem EDSS schwacher als im Verlauf (Brex u. a. 2002). Somit
geht ein hoherer Quotient in einem linearen Zusammenhang mit einer großeren
Lasionslast und somit starkerer Entzundungsaktivitat im ZNS einher. Diese
Ergebnisse sind hinweisend auf einen direkten Einfluss einer Dysbalance fur
TREG im Liquor. Je geringer die Haufigkeit im CSF ist, desto großerer ist die
Lasionslast im MRT.
Obwohl die Korrelation von kranialer Lasionslast und dem subjektiven Be-
eintrachtigungsgrad der Patienten mit MS eher moderat ist, sind Anzahl und
Volumen initialer Lasionen bei Patienten mit CIS ein robuster Prediktor konse-
kutiver Defizite. Studien konnten zeigen, dass das Risiko mit großerer initialer
Lasionslast steigt (Brex u. a. 2002). Eine neuere Studie stratifizierte das Pati-
entengut von 181 RR-MS Patienten nach niedriger Lasionslast (≤ 2,0 cm3) und
fand eine signifikante negative Korrelation zu einer EDSS Verschlechterung im
4.2. Diskussion der Ergebnisse 72
funf-Jahres FU (Vaneckova u. a. 2009). Die klinische Relevanz eines fruhzeitigen
MRT bei Patienten mit CIS ist unbestritten und wird in Zukunft im Rahmen
verbesserter Technik und Diagnosekriterien vermutlich noch steigen.
In einer longitudinalen Studie von Rinaldi u. a. (2006) untersuchten die Auto-
ren verschiedene Lymphozytenpopulationen im Blut von 20 Patienten mit CIS
und fuhrten serielle MRT-Scans uber einen Zeitraum von einem Jahr durch.
Die Patientenkohorte wurde in Personen mit aktiven und inaktiven Lasionen
im MRT stratifiziert und hinsichtlich Unterschiede in den absoluten und relati-
ven Lymphozytenpopulationen untersucht. Es fand sich zwar kein signifikanter
Unterschied fur CD4+ CD25high, jedoch fur zwei andere Untergruppen mit re-
gulatorischer Kapazitat (CD8+ CD25high und DNαβ T-Zellen) Es wurden al-
lerdings nur Zellen des peripheren Bluts untersucht und die Studie ist mit n = 20
relativ klein. Daruberhinaus liefert diese Studie keine Hinweise auf Kausalzu-
sammenhange zwischen peripheren Zellen und zentralnervoser Pathophysiolo-
gie (Rinaldi u. a. 2006). Jensen u. a. (2004) fanden reduzierte Haufigkeiten an
TREG im CSF bei Patienten mit abnormen MRT im Vergleich zu Probanden
mit normalem Scan (Jensen u. a. 2004).
Zusammengefasst sind die Ergebnisse dieser Studie hinweisend fur die Exis-
tenz einer Assoziation zwischen systemischer Immunreaktion und Entzundung
des ZNS bei Patienten mit CIS. Erstmals wird die Rolle regulatorischer T-Zellen
in der fruhen Pathogenese gezeigt und mogliche Defekte in Molekulen der Dia-
pedese als Ursache dargestellt. Obwohl genaue Ursache-Wirkungsbeziehungen
der verschiedenen Lymphozytenpopulationen mit der Krankheitsaktivitat im
Gehirn nach wie vor nur wenig verstanden sind, belegen diese Resultate die
Wichtigkeit subtiler, aber komplexer Anomalien im Immunsystem mit hochster
pathologischer Relevanz.
Der hier untersuchte Quotient scheint daruber hinaus die Krankheitsaktivitat
gemessen am cMRT in positiver Korrelation widerzuspiegeln. Hieraus ergibt sich
moglicherweise ein neuer, relativ einfach bestimmbarer Surrogatlaborparameter
fur den Kliniker. Patienten mit besonders hohem Quotienten befinden sich in
einem aktiven Krankheitsstadium, oder sind moglicherweise einem hohen Risiko
fur entzundliche Aktivitat im Gehirn und damit kumulativer Beeintrachtigung
im Krankheistverlauf ausgesetzt.
Vor allem bei Patienten mit initial geringer Lasionslast scheint die Assoziati-
on starker zu sein. Gerade diese Patienten haben aber bei isolierter Betrach-
tung der Lasionslast ein eher niedrigeres Risiko, als z. B. Patienten mit hohem
Lasionsvolumen (s. o.). Die kombinierte Betrachtung strategischer Lasionen und
4.2. Diskussion der Ergebnisse 73
der Volumetrie in der Bildgebung zusammen mit liquorzytologischen Befunden
konnte also u. U. eine bessere Sondierung derjeniger Patienten ermoglichen, die
in besonderem Masse einer rascheren Konversion zu MS und klinischer Beein-
trachtigung ausgesetzt sind. Somit konnte der hier gemessene Quotient auch
eine Entscheidungshilfe fur eine immunmodulatorische Therapie darstellen und
auch solche Patienten selektieren, denen aufgrund geringer magnetresonanz-
tomografischer Befunde von einer Therapie abgeraten wurde. Ob die Bestim-
mung der Quotienten in der klinischen Routinediagnostik einsetzbar ist und
welches Potential sie als Prediktor fur den weiteren Krankheitsverlauf oder eine
Therapieentscheidung haben, sollte weiterhin Gegenstand intensiver Forschung
sein (siehe auch Abschnitt 4.3 auf Seite 82). Longitudinale Studien uber z. B.
funf Jahre konnten klaren, ob diese Patienten signifikant ofter Schube erlei-
den oder fruher in die sekundar-progressive Form der MS konvertieren; schon
heute weiß man, dass die T2-gewichtete Lasionslast bei SP-MS Patienten am
großten ist (Nijeholt u. a. 1998) und Assoziationen dieser weit fortgeschrittenen
Form der MS mit initialen Liquorbefunden stellen einen weiteren, interessanten
Forschungsansatz dar.
Die ROC-Analyse des Quotienten fur TREG bietet einen moglichen
Laborparameter fur die Diagnose
In dieser Studie wurde fur den Quotienten der TREG gute AUC von 0,79
bis 8,01 gefunden, mit geringfugig besseren Werten bei Patienten stratifiziert
nach EDSS Verbesserung im Follow-Up. Mit Werten fur Sensitivitat und Spe-
zifitat um 0,75 ist der Quotient daher moglicherweise geeignet, einen Laborpa-
rameter im Diagnosefindungsprozeß des CIS beizutragen. Stratifizierung nach
eher milder Krankheitsaktivitat erbrachten kaum diagnostischen Gewinn (siehe
auch Tabelle 3.4 auf Seite 43). Warum nicht noch bessere Werte fur Spezifitat
und Sensitivitat erreicht wurden, lasst sich moglicherweise durch die Tatsache
erklaren, dass TREG nicht nur in der Pathogenese der MS eine Rolle spie-
len. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass die Abwesenheit dieser Zellen
pradisponierend fur die Entwicklung auch anderer Autoimmunerkrankungen,
wie z. B. rheumatoide Arthritis, Diabetes Mellitus Typ I, systemischer Lupus
erythematosus, Thyreoiditis Hashimoto und Sjogren Syndrom, sein kann (Ma
u. a. 2009). Desweiteren konnte es noch andere krankhafte Zustande geben, in
denen die Haufigkeit der regulatorischen T-Zellen verandert ist, die aber in
dieser Studie nicht erfasst wurden.
4.2. Diskussion der Ergebnisse 74
4.2.5. Keine quantitativen Unterschiede fur die Expression von
CD28 bei Patienten mit CIS
Die Analyse der Quotienten fur CD28 ergab keine signifikanten und relevanten
Unterschiede im Kohortenvergleich. Fur CD4+ CD28+ Zellen wurden fur MS
und CIS Patienten sowie fur die Kontrollgruppe Quotienten von ca. 1,0 gefun-
den. Fur keine der teils marginalen Unterschiede bei CD8+ CD28+ im Vergleich
der CIS, MS und Kontrollkohorte wurde Signifikanz im nicht-parametrischen
Test erreicht. Der prozentuale Anteil aller T-Zellen von CD4+ CD28+ war da-
bei hoher als der Anteil der CD8+ CD28+ Zellen (ca. 90 % vs. 55 %). Auf eine
ROC-Analyse wurde wegen fehlender Diskriminationsmoglichkeit verzichtet.
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, daß sich T-Zellen in Bezug auf ihren Re-
zeptorbesatz mit CD28 bei Patienten mit CIS und Gesunden nicht unterschei-
den und dass ein weitestgehend ungehinderter Austausch uber die Blut-Hirn-
Schranke dieser Zellen stattfinden kann, bzw. keine Selektion beim Ubertritt
ins Liquorkompartiment anhand des Oberflachenbesatzes mit CD28 vollzogen
wird. Sollte ein quantitativer Unterschied in einer Lymphozytenpopulation mit
anderem Phanotyp vorliegen (s. o.), so sprechen diese Ergebnisse dafur, daß
zumindest keine nennenswerten Unterschiede im Expressionsniveau fur CD28
besteht. Weiterhin sprechen diese Ergebnisse gegen eine gesonderte Rolle von
CD28 in der Pathogene des CIS, soweit dies mit der hier durchgefuhrten Im-
munphanotypisierung erfassbar erscheint, d. h. diese Aussage gilt fur quantita-
tive Unterschiede und muss fur einen moglichen qualitativen Defekt relativiert
werden. Fur eine qualitative Beeintrachtigung ließ sich jedoch auch nach inten-
siver Literaturrecherche kein Anhaltspunkt finden.
Ubereinstimmende Daten lieferte eine Studie, die sowohl vor, als auch nach
i. v. Steroidtherapie bei RR-MS Patienten keine Unterschiede in der Haufigkeit
der CD28+ Zellen im Blut im Vergleich mit gesunden Kontrollpersonen fand
(Aristimuno u. a. 2008). Im Gegensatz dazu fanden Fransson u. a. (2009) in einer
kleinen Studie mit RR-MS eine verminderte Expression fur CD28+ im Blut auf
CD4+ und CD8+ Lymphozyten in der Kontrollgruppe (Fransson u. a. 2009). In
dieser Studie wurden zwar auch hohere Anteile in der CIS Kohorte gefunden, die
Unterschiede waren allerdings nicht signifikant und numerisch als unbedeutend
einzustufen (95 % vs. 91 % bei CIS und 54 % vs. 49 % bei Kontrollen).
CD28 als signaltransduzierendes Molekul auf der Oberflache der meisten T-
Zellen ist ein Marker fur die Aktivierungsfahigkeit der Zellen. Es initiiert ei-
ne aktivierende Signalkaskade und fuhrt u. a. zu Zellproliferation und Wachs-
4.2. Diskussion der Ergebnisse 75
tum (Reichert u. a. 2001). Auch fur CD25high TREG scheint die Interaktion
von CD28-CD80/86 notig fur Entwicklung und Reifung im Thymus zu sein
(Spence, Green 2008). Der genaue Mechanismus ist bis jetzt allerdings noch
unbekannt und die Ergebnisse dieser Studie liefern keinen Anhaltspunkt fur
einen pathophysiologisch relevanten Defekt in diesem co-stimulatorischen Pfad
der Signaltransduktion in Bezug auf Funktion der TREG und der Schwere der
Erkrankung, gemessen anhand magnetresonanztomografisch erkennbarer T2-
hyperintenser Lasionen.
4.2.6. B-Zellen finden sich verstarkt in Patientenliquor und konnen
diagnostische Hilfestellung bieten
Sowohl fur reife (CD19+) als auch fur Memory B-Zellen (CD19+ CD27+) fan-
den sich signifikant großere Quotienten in der Kontrollgruppe (p≤ 0,001). Nach
Bonferroni-Korrektur war der geringfugig großere Quotient fur Plasmazellen in
CIS-I nicht mehr als signifikant zu betrachten. Die unterschiedlichen Quotienten
resultieren bei annahernd identischen Haufigkeiten im PBL dabei ausschließlich
aus einer hoheren Pravalenz der B-Zellen im Liquor bei CIS Patienten, was sich
in einem erniedrigten Quotienten wiederspiegelt.
Insgesamt uberwiegen B-Zellen eindeutig im peripheren Blut im Vergleich
zum Liquor bei Patienten mit CIS sowie MS. Svenningsson u. a. (1995) fanden
im PBL von Gesunden einen Anteil von 14 % (hier 13 %) CD19+ Zellen an allen
Lymphozyten, im CSF betrug der Anteil 0,8 % (Svenningsson u. a. 1995, hier
1,5 %). Obwohl die MS als uberwiegend T-Zell mediierte Erkrankung angesehen
wird, ist schon seit Jahren die Rolle von B-Zellen in der Pathogenese erkannt
worden und Gegenstand intensiver Forschung. Klonal expandierte B-Zellen ak-
kumulieren im CSF und Lasionen der Patienten (Cepok u. a. 2001; Corcione
u. a. 2004). Corcione u. a. (2004) konnten zeigen, dass offenbar im ZNS von Pa-
tienten mit MS eine Rekapitulation der B-Zell-Differenzierung von naiven und
Memoryzellen bis hin zu CD19- Zentroblasten stattfindet. Die Autoren fanden
signifikant erhohte Level an CD138+ Plasmazellen und CD27+ Memoryzellen
im CSF bei MS-Patienten. Letztere zeigten eine starke Expression der Chemo-
kinrezeptoren CCR1, CCR2, und CCR4 im inflammatorischen Milieu, welche
fur die Chemotaxis naiver und Memory B-Zellen ins ZNS verantwortlich sein,
oder der Retention der Zellen im Liquorkompartiement dienen konnten (Corcio-
ne u. a. 2004). Die Autoren begrundeten daruber hinaus die Akkumulation von
Plasmazellen im Liquor mit der Chronizitat der Erkrankung, die im Verlauf zur
4.2. Diskussion der Ergebnisse 76
Enwicklung des 138+ Phanotyps gefuhrt haben konnte. Diese Aussage konnen
die Ergebnisse der vorliegenden Studie nicht bestatigen, da auch schon bei Pa-
tienten mit CIS erhohte Werte gefunden wurden. Es ware allerdings moglich,
das Plasmazellen schon vor dem ersten klinisch erfassbaren Defizit im ZNS ak-
kumulieren und dem Ausbruch der Krankehit vorangehen, bzw. dass sich naive
B-Zellen im ZNS in Plasmazellen umwandeln.
In einer anderen kleinen Studie wurden erhohte Haufigkeiten von CD19+ Zellen
im Liquor von MS Patienten gefunden und gegen niedriegere Haufigkeiten bei
Patienten mit anderen entzundlichen neurologischen Krankheiten abgegrenzt
(Oreja-Guevara u. a. 1998).
Die hier gefundenen Ergebnisse fur Patienten mit MS sind im Einklang mit
fruheren Forschungsanstrengungen (s. o.) und legen nahe, dass auch beim CIS
ahnliche pathogenetische Mechanismen in Bezug auf Expansion bzw. Rekru-
tierung von B-Zellen ins Liquorkompartiment verantwortlich sind. Obwohl ih-
re Rolle bei entzundlichen Nervenerkrankungen bewiesen wurde, ist die Stel-
lung von B-Zellen in der Evolution und Progression der MS noch wenig unter-
sucht. Im Gegensatz zu fruher RR-MS scheint die inflammatorische Reaktion
im spateren Krankheitsverlauf bei SP-MS in den Liquor kompartimentalisiert
zu sein (Kutzelnigg u. a. 2005). Dies spiegelt sich in der Bildung von aberrantem
lymphatischem Gewebe im Bindegewebe des ZNS (Hirngewebe, Meningen und
perivaskular) wieder. Diese ektopen follikularen B-Zell Strukturen entwickeln
sich im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf und konnten eine wichtige Rolle in
der Unterhaltung der B-Zellreaktion einnehmen (Serafini u. a. 2004). Die B-
Zellantwort bei Patienten mit MS stellt demzufolge einen dynamischen Prozess
dar und es ist wichtig, den Einfluss der B-Zellen schon in fruhestmoglichen
Krankheitsstadien zu untersuchen und Veranderungen in der quantitativen Zu-
sammensetzung der Subpopulationen im gesamten Krankheitsverlauf erfassen
zu konnen.
Bei einem kleinen Patientenkollektiv mit CIS fand eine Forschungsgruppe
ebenfalls erhohte Haufigkeiten fur reife B-Zellen und Zellen mit Memory-Pha-
notyp (CD27) im CSF. Weiterhin war α4-Integrin, ein Adhasionsmolekul fur
den Ubertritt von Lymphozyten uber die BHS, verstarkt exprimiert und korre-
lierte positiv mit der Krankheitsaktivitat. Somit konnte α4-Integrin fur die Ak-
kumulation der B-Zellen im Liquor verantwortlich sein (Lee-Chang u. a. 2011).
Die meisten B-Zellen haben den reifen CD19+ Phanotyp. Diese haben die
Fahigkeit, fur Jahre im ZNS zu persistieren (Kuenz u. a. 2008). Kuenz u. a.
(2008) fanden bei Patienten mit CIS ebenfalls signifikant erhohte Haufigkeiten
4.2. Diskussion der Ergebnisse 77
fur reife B-Zellen, Plasmazellen und kurzlebigere Plasmablasten (CD19+ CD138+)
im Liquor. Die Mehrheit der B-Zellen trug dabei den CD19+ CD27+ Memory-
Phanotyp, gleiche Ergebnisse wurden in der vorliegenden Studie (Daten nicht
gezeigt) und in der Literatur gefunden. Die Minderheit war vom naiven Typ
(CD19+ CD27-). Daruber hinaus fand sich ein Abwartstrend der Haufigkeiten
im CSF vom CIS uber RR-MS zur SP-MS (Kuenz u. a. 2008). Diese Resul-
tate und die Ergebnisse der vorliegenden Studie implizieren, dass die inflam-
matorische B-Zellreaktion besonders in fruhen Krankheitsstadien und akuter
Entzundung eine Rolle spielt und eine veranderte Homoostase von B-Zellen
schon bei Patienten mit CIS vorliegt. Hier konnte kein signifikanter Unterschied
der B-Zellen im Vergleich der Kohorten CIS und MS gefunden werden (12 %
vs. 12 %).
Die ROC-Analyse des Quotienten fur B-Zellen stellt einen
moglichen Laborparameter fur die Diagnostik dar
In der ROC-Analyse wurden signifikante Werte mit einer guten AUC von ca.
0,85 fur reife B-Zellen und Memoryzellen gefunden (p≤ 0,001). Bei Betrach-
tung aller reifen B-Zellen fand sich eine Sensitivitat von 0,78 und Spezifitat von
0,92 bei einem guten Likelhood-ratio von annahernd 10. Fur Plasmazellen lagen
die Werte durchschnittlich niedriger bei besserer Sensitivitat. Somit stellt die
Bestimmung des Quotienten, besondes fur reife B-Zellen, einen moglichen La-
borparameter im diagnostischen Prozess dar. Ein Quotient kleiner oder gleich
4,4 fur reife B-Zellen diskriminiert mit hoher Spezifitat zwischen CIS und ge-
sunden Kontrollen. Ca. neun von zehn Patienten mit einem Quotienten kleiner
oder gleich 4,4 hatten tatsachlich ein CIS. Es zeigt sich auch hier eine – wenn
auch geringfugig – bessere diagnostische Prazision bei Stratifizierung nach ei-
nem fruhen Krankheitsbeginn. Dies unterstreicht die Rolle von B-Zellen in der
Pathogenese ganz zu Beginn der Krankheit und unterstutzt die gegenwartige
Auffassung, moglichst fruh mit einer immunmodulatorischen Therapie zu be-
ginnen. Die bessere Spezifitat der B-Zellen als der TREG (0,92 vs. 0,76) liegt
moglicherwiese in der Tatsache begrundet, dass sich in klinischen Studien, in
denen B-Zellen bei MS Patienten mit anderen neurologisch-inflammatorischen
Krankheiten (OIND) verglichen wurden, eine Akkumulation der Zellen nur bei
MS fand, nicht jedoch in der OIND Gruppe oder bei gesunden Kontrollen;
fur TREG konnte diese Beobachtung teilweise nicht gemacht werden (Oreja-
Guevara u. a. 1998).
4.2. Diskussion der Ergebnisse 78
4.2.7. Positive Korrelation des Quotienten fur Plasmazellen mit der
kranialen Lasionslast
Die Korrelationsanalyse der Quotienten erbrachte eine allenfalls schwach- bis
mittelgradige Assoziation mit der Lasionslast.
In dieser Studie wurde eine reziproke Beziehung zwischen Haufigkeit der Plas-
mazellen im CSF und Lasionslast gemessen. Dieses Ergebnis erscheint paradox,
denn nach dem gegenwartigen Verstandnis von Plasmazellen in der Pathogenese
der MS ware eine negative Korrelation des Quotienten mit der Lasionslast zu
erwarten: Je großer die Haufigkeit fur Plasmazellen im CSF, desto großer die
kraniale Lasionslast. Das vorliegende Ergebnis ist am ehesten zufallsbedingt.
Hinweise dafur finden sich in divergierender Polaritat der Korrelationskoeffizi-
enten fur reife B-Zellen und Memory B-Zellen (negativ) und Plasmazellen (po-
sitiv). Beiden Zellpopulationen wird eine proinflammatorische Funktion in der
Pathogenese zugesprochen (Corcione u. a. 2004), demzufolge ware ein gleich-
sinniger Koeffizient zu erwarten. Weiterhin sind die Ergebnisse mit p = 0,006
(keine Stratifizierung) und p = 0,007 (stratifiziert nach Lasionen) auf dem Si-
gnifikanzniveau von α= 0,8 % nach Bonferroni allenfalls knapp signifikant und
stratifiziert nach EDSS nicht signifikant.
Zu einem abweichenden Ergebnis kamen auch Kuenz u. a. (2008), die eben-
falls den Zusammenhang von B-Zellen und Krankheitsaktivitat, gemessen am
cMRT, untersuchten. Es fanden sich positive Korrelationen fur reife B-Zellen
und Plasmablasten mit hoher Lasionslast (≥ 9 Lasionen) und neu aufgetretenen
Gd-speichernden Lasionen. Fur klinische Parameter wie den EDSS fand sich
keine Korrelation der B-Zellen im CSF (Kuenz u. a. 2008). Diese Ergebnisse
sind hinweisend auf eine direkte Beteiligung von Plasmazellen an entzundlichen
ZNS-Lasionen. Auch bieten sie einen Erklarungsansatz fur Erkenntnisse, die aus
Therapiestudien mit Natalizumab gewonnen wurden. Es fand sich eine signifi-
kante Reduktion der Haufigkeit von CD19+ B-Zellen und CD138+ Plasmazel-
len im CSF unter Natalizumab, welche in positivem Zusammenhang mit einer
Reduktion der Schubrate sowie entzundlicher Aktivitat im MRT stand (Stuve
u. a. 2006).
Zusammenfassend konnte in dieser Studie kein proportionaler Zusammen-
hang zwischen einer Dysbalance fur B-Zellen und Entzundungsaktivitat im ZNS
gezeigt werden.
4.2. Diskussion der Ergebnisse 79
4.2.8. Keine quantitativen Unterschiede der Quotienten fur
Thymusemigranten bei Patienten mit CIS
In der Analyse der CD4+/CD8+ Thymusemigranten fand sich kein signifikanter
Unterschied der Quotienten im Kohrtenvergleich. In allen Kohorten uberwiegt
der Anteil im peripheren Blut im Vergleich zum Liquor. Fur CD8+ Thymuse-
migranten lag der Quotient deutlich niedriger. Dies ist Resultat sowohl einer
großeren Haufigkeit der CD8+ Zellen im CSF, als auch niedrigerer Pravalenz
im PBL. Fur MS zeigte sich ein Trend zu geringfugig niedrigeren Haufigkeiten
der Thymusemigranten im Blut und Liquor. Aufgrund nicht-signifikanter Un-
terschiede wurde auf eine ROC-Analyse verzichtet.
Es lasst sich somit keine Aussage uber eine relevante Akkumulation oder Ver-
minderung der Thymusemigranten bei Patienten mit CIS oder MS treffen.
Auch scheint der Auswurf der naiven Zellen aus dem Thymus keiner signifi-
kanten Veranderung unterworfen zu sein, wie sich an annahernd identischen
Haufigkeiten im peripheren Blut zeigt (41–44 % fur CD4+ und 25–31 % fur
CD8+). Wurden die T-Zellen beim Ubertritt uber die BHS ihren Phanotyp
zu Ungunsten der Expression von CD45RA verandern, ware eine Depletion aus
dem peripheren Blutpool bei Patienten mit CIS/MS zu erwarten. Hierfur zeigte
sich weder fur CD4+ noch CD8+ eine Tendenz.
CD45RA wird auf naiven, also noch nicht antigen-stimulierten T-Zellen ex-
primiert. Ein Ruckgang der Expression ist im Ag-stimulierten Milieu bei chro-
nischen Autoimmunerkrankungenzu erwarten, wahrend unter denselben Be-
dingungen eine Augmentation von Memoryzellen folgerichtig erscheint (Mi-
kulkova u. a. 2011). In einer kleineren Studie fand sich ein Trend zur redu-
zierten Haufigkeit naiver CD4+ T-Zellen im PBL bei Patienten mit RR-MS
und Diabetes Mellitus Typ I. Memoryzellen, durch negative Expression fur
CD45RO phanotypisiert, fanden sich signifikant erhoht bei DM Typ I, nicht
aber bei MS (Mikulkova u. a. 2010). Die selbe Arbeitsgruppe erzielte spater in
einer ahnlich aufgebauten Studie signifikante Ergebnisse mit einer reduzierten
Haufigkeit CD4+ CD45RA +CCR7+ Zellen bei Patienten mit RR-MS (Mikul-
kova u. a. 2011). In der neueren Studie wurde allerdings eine zusatzliche Im-
munphanotypisierung mit dem Zytokinrezeptor CCR7 vorgenommen und die
nicht eindeutig reproduzierbaren Ergebnisse sowie die Resultate der vorliegen-
den Arbeit konnen eine veranderte Homoostase fur Thymusemigranten bei der
MS nicht sicher bestatigen.
Zusammengefasst unterstreichen diese Daten, sowie auch die hier gefundenen
4.2. Diskussion der Ergebnisse 80
Ergebnisse, die Rolle von Memoryzellen in der Immunpathogenese der MS. Mi-
kulkova u. a. (2011) fanden signifikant reduzierte Haufigkeiten naiver T-Zellen
bei MS, wahrend in der vorliegenden Arbeit und in fruheren Studien allenfalls
Trends aufgezeigt werden konnten. Beim CIS als fruhstmogliche Manifestation
der Krankheit scheint eine mogliche Transformation der naiven Zellen zuguns-
ten des Memoryphanotyps anscheinend noch nicht stattgefunden zu haben.
Die Bestimmung der CD45RA Expression spielt auch eine Rolle in der Eva-
luation der TREG in der Pathogenese. TREG aus Nabelschnurblut haben
hauptsachlich einen naiven Phanotyp und ein kleiner Anteil dieser CD45RA+-
CD45RO- Zellen findet sich immernoch bei gesunden Erwachsenen. Die Zel-
len zeigen hohe Level an TRECs (T-cell receptor excision circles, ein Mar-
ker fur den Ausstoß der naiven Zellen aus dem Thymus). Diese recent-thymic-
emigrants (RTE)–TREG reprasentieren Vorlaufer der adulten, AG-spezifischen
CD45RO+ Memory–TREG, welche die Mehrheit der zirkulierenden TREG
ausmachen und ein breites T-Zell Rezeptor Repertoire aufweisen. Aufgrund
physiologischer Immunoseneszenz und Involution des Thymus reduzieren sich
die RTE–T-REgs mit fortschreitendem Alter, wahrend das Gesamtlevel der
TREG annahernd konstant bleibt oder sogar steigt. Moglicherweise findet ei-
ne Neubildung der Zellen in der Peripherie aus aktivierten Effektor/Memory
T-Zellen statt (Venken u. a. 2010). Jungere Untersuchungen legen eine ver-
minderte Haufigkeit der RTE–TREG bei Patienten mit MS nahe und konn-
ten verminderte Level an TRECs aufzeigen, was eine dem Alter unangemesse
niedrige Auswurfleistung des Thymus mit konsekutiver gestorter Homoostase
der Zellen suggeriert. Daruberhinaus ist schon die Effektorfunktion der frisch
emigrierten Zellen gestort und Hypothesen wurden aufgestellt, daß diese fur
die beeintrachtigte Funktion unter allen CD25high TREG verantwortlich seien
(Haas u. a. 2007; Venken u. a. 2008b).
Mittelgradige bis schwache negative Korrelationen mit der Lasionslast wur-
den fur CD4+ Thymusemigranten gefunden. Nach Bonferronikorrektur blieb als
statistisch signifikant nur die Stratifizierung nach EDSS Verbesserung (p = 0,004).
Patienten mit einem niedrigen Quotienten und somit großerem relativen Anteil
im Liquor hatten somit eine großere Lasionslast im MRT. Diese Beobachtung
ist vereinbar mit der Tatsache, dass die MS eine T-Zell mediierte Erkrankung ist
und aktivierte CD4+ Memoryzellen mit Krankheitsschuben assoziiert werden
(Okuda u. a. 2005), welche aus dem Pool der naiven T-Zellen hervorgehen und
fur Demyelinisierung verantwortlich sind (Muraro u. a. 2000). Somit scheinen
schon naive CD45RA+ T-Zellen Einfluß auf Pathogenese zu spielen.
4.2. Diskussion der Ergebnisse 81
4.2.9. Quantitative Unterschiede fur CD14+CD16+ Monozyten bei
Patienten mit CIS
Fur CD14+CD16+ Monozyten wurde ein signifikant großerer Quotient bei CIS
im Vergleich zu Kontrollen gefunden. Nach Bonferroni-Korrektur knapp nicht
mehr signifikant war der Vergleich von MS und gesunden Kontrollen (p = 0,049).
Dabei resultieren die großeren Quotienten bei CIS und MS aus einer verminder-
ten Haufigkeit im Liquor bei identischen Haufigkeiten im Blut. Es liegt somit
eine veranderte Homoostase der Monozyten im Patientenliquor vor.
In dieser Studie fanden sich normale Serumhaufigkeiten der Monozyten. Mit
einem Anteil von ca. 14–19 % wurden geringfugig mehr CD14+ CD16+ Zel-
len gefunden als mit ca. 10 % in der Literatur beschrieben (Bergh u. a. 2004).
Fruhere Studien fanden ebenfalls normale relative und absolute Haufigkeiten
aller Monozytenpopulationen im peripheren Blut bei Patienten sowie gesunden
Kontrollen (Bergh u. a. 2004; Kouwenhoven u. a. 2001). Dies die erste Arbeit,
die in der Betrachtung der Monozyten auch die durchflusszytometrische Ana-
lyse des Liquors bei Patienten mit CIS berucksichtigt.
Aus oben genannten Ergebnissen wird deutlich, dass die Zahl der CD14+-
CD16+ Zellen im Patientenliquor vermindert ist. Obwohl ein signifikanter Un-
terschied nur fur den Vergleich der CIS Kohorte mit normalen Kontrollen und
(nach Bonferroni) nicht fur die MS Kohorte besteht, unterscheiden sich die bei-
den Quotienten der Patientenkohorten jedoch kaum voneinander (2,1 vs. 2,3;
p = 0,81; Daten nicht gezeigt). Es ist daher moglich, dass prinzipielle Unterschie-
de der Haufigkeiten ebenfalls fur MS Patienten gelten und kein CIS-spezifisches
Phanomen darstellen.
Obwohl Makrophagen/Monozyten proinflammatorisch in die Pathogenese der
MS eingreifen (Vaknin-Dembinsky u. a. 2008), gibt es jedoch auch Hinweise
auf einen protektiven Effekt. Interleukin-10, ein Zytokin mit immunregulato-
rischen Eigenschaften im Sinne einer Augmentation der antiinflammatorischen
TH2-Antwort und Suppression der TH1 assoziierten Zytokine wird von Makro-
phagen sezerniert und konnte eine begunstigende Rolle bei MS spielen (Ozenci
u. a. 2000). Piccio u. a. (2008) fanden zwar großere Haufigkeiten IL-10 sezer-
nierender Zellen im Liquor von MS-Patienten, allerdings schloss das Studien-
design sowohl RR als auch SP-MS ein und die mittlere Krankheitsdauer der
MS-Patienten betrug 13 Jahre. Es ware also moglich, dass die hier erniedrigten
CD14+CD16+ Zellen im Liquor uber erniedrigte antiinflammatorische Zytokin-
spiegel eine entzundungsfordernde Wirkung im Liquorkompartiment entfalten.
4.3. Vorschlage fur weitergehende Forschungsanstrengung 82
Eine neuere Studie fand erhohte Spiegel des antiinflammatorischen Rezeptors
sTREM-2 im Liquor, dessen membrangebundene Form auf CD14+CD16+ Ma-
krophagen im Liquor gefunden wurde. Die Autoren schlussfolgerten, dass die
losliche Form des Rezeptors die antientzundliche Funktion der Monozyten ne-
gativ beeinflusst (Piccio u. a. 2008). Die mogliche protektive Rolle der CD14+-
CD16+ Monozyten und ihre erniedrigte Haufigkeit im Liquor beim CIS sollte
in weiterfuhrenden Studien evaluiert werden.
Neben CD14 und CD16 zeigen Monozyten eine uberdurchschnittlich starke
Expression von Klasse II Antigenen auf der Zelloberflache (Ziegler-Heitbrock
u. a. 1993). Angesichts der wichtigen Rolle von MHC-II bei der Antigenprasen-
tation konnten diese Zellen eine entscheidende Funktion in der Immunmodulati-
on bei MS einnehmen. Es fand sich daruberhinaus auch eine erhohte Expression
von Oberflachenmolekulen fur die Integrin-assoziierte Zellmigration wie CD11a,
CD11c, CD18 und VLA-4 (Ziegler-Heitbrock u. a. 1993). Der schon in den Ab-
schnitten 4.2.3 und 4.2.2 auf Seite 68 ff diskutierte mogliche Erklarungsansatz
konnte also in ahnlicher Weise auch fur Monozyten gelten.
Wie bei den meisten anderen Farbungen erbrachte die ROC stratifiziert nach
Lasionslast die besten Ergebnisse. Mit einer signifikanten guten AUC von 0,78
und Sensitivitat und Spezifitat um 0,73 kann moglicherweise die durchflusszy-
tometrische Untersuchung der CD14+C16+ Monozyten diagnostisch eingesetzt
werden.
Die Korrelationsanalyse erbrachte fur keine der untersuchten Populationen
eine signifikante oder relevante Korrelation des Quotienten mit der Lasionslast.
Die Auspragung des Quotienten mit veranderter Homoostase scheint also in
keinem direkten Zusammenhang mit der Entzundungsaktivitat zu stehen. Ver-
gleichende Studien zur Korrelation von Monozyten mit MRT-Befunden bei Pa-
tienten mit CIS oder MS wurden nicht gefunden.
4.3. Vorschlage fur weitergehende Forschungsanstrengung
In jungerer Vergangenheit ist eine Weiterdifferenzierung der regulatorischen T-
Zellen ins Zentrum der Aufmerksamkeit geruckt, da auch aktivierte (CD25med)
und nicht nur regulatorische T-Zellen CD25 in unterschiedlich starker Aus-
pragung exprimieren konnen. Obwohl die CD25high-Population relativ homo-
gen zu sein scheint, finden sich aber auch regulatorische Zellen in der CD25med-
Population (Venken u. a. 2010). Die Messung des intrazellularen Transkripti-
onsfaktors FoxP3 auf T-Zellen erlaubt z. B. eine akkurate Untersuchung der
4.3. Vorschlage fur weitergehende Forschungsanstrengung 83
Haufigkeiten bei Patienten und Gesunden und das fur FoxP3 kodierende Gen
konnte als essentiell in der Entwicklung der TREG dargestellt werden. Vermin-
derte Expression von FoxP3 auf zellularer Ebene korrelierte mit der beschrie-
benen Dysfunktion regulatorischer Zellen bei Patienten mit RR-MS. Im Ge-
gensatz dazu konnte bei SP-MS Patienten keine verminderte Expression mehr
festgestellt werden; diese Beobachtung unterstutzt erneut die Hypothese einer
Rekonvaleszenz der Suppressorfunktion im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf
(Venken u. a. 2008a). Eine noch bessere Differenzierung konnte unlangst durch
den Einsatz von anti-CD127 AK erreicht werden. Die niedrige Expression von
CD127 auf CD4+ CD25high Zellen scheint besser zur Definition der TREG ge-
eignet zu sein als die Expression von FoxP3, da dieses als intrazellulares Protein
der forkhead Familie fur die Purifikation der Zellen im Labor aus technischen
Grunden nur bedingt geeignet ist. CD4+ CD25high CD127low zeigen eine hoch-
gradige suppressive Kapazitat (Seddiki u. a. 2006).
Folgerichtig sollte die Untersuchung der Liquorzytologie bei Patienten mit CIS
in Zukunft dem aktuellen Stand der Forschung folgen, um Populationen inner-
halb der TREG identifizieren zu konnen, die moglicherweise noch besser als
diagnostisches Hilfsmittel in Bezug auf Sensitivitat und Spezifitat geeignet sind
als die bloße Charakterisierung durch CD25high.
Desweiteren existiert eine Reihe anderer regulatorischer Zellen, die eine Rolle
in der Pathogenese des CIS oder der MS einnehmen konnten (siehe Tabelle 4.4
auf Seite 84), auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Dennoch
bieten sie Potential fur zukunftige Forschungsanstrengungen:
Das Datenmaterial der vorliegenden Studie liefert einen guten Ausgangspunkt
fur eine Langzeitbeobachtung der Patienten, um das gesamte Spektrum der
Entwicklung der Liquorzytologie vom CIS bis zur SP-MS erfassen zu konnen.
Mithilfe serieller MRT-Untersuchungen und moglicherweise Liquorpunktionen
konnten folgende Fragen erortert werden:
� Die Effektorfunktion der TREG scheint sich im naturlich Verlauf zur SP-
MS zu rehabilitieren (s. o.). Eine Arbeitshypothese konnte sein, dass auch
das quantitative Ungleichgewicht der Zellen sich normalisieren kann und
bei Patienten mit CIS am starksten im Vergleich zu spateren Krankheits-
stadien gestort ist. Wie stellt sich der Quotient bei vom CIS zur MS
konvertierten Patienten dar? Unterscheidet sich die Effektorfunktion der
TREG bei Patienten mit CIS im Vergleich zu RR-MS, gemessen am se-
zernierten Zytokinprofil (s. o.)?
4.3. Vorschlage fur weitergehende Forschungsanstrengung 84
Tabelle 4.4.:
Subpopulationen humaner regulatorischer T-Zellen. Wissenschaftliches und medizi-
nisches Interesse an den Mechanismen der Immuntoleranz fuhrte zur Entdeckung zahlreicher
immunregulatorischer Zellen mit jeweils eigenen suppressiven Mechanismen, die Aktivitat
autoreaktiver T-Zellen zu supprimieren. NKZ = naturliche Killerzellen, med. = mittelgradig,
TR1v=vTyp I regulatorische T-Zelle, TH3 =vT-Helfer 3 Zelle, RTE = recent thymus emi-
grant. Auszug, in Anlehnung an Venken u. a. (2010).
Regulatorische
Zellen
Phanotyp Ursprung moglicher
Suppressionsmechanismus
TREG CD4+CD25high FoxP3+ Thymus,
Peripherie
Zell-Zell Kontakt, IL-10,
TGF-β, IL-35,
Perforin oder Granzyme
NKZ CD4/8+, DN,
TCR: Vα24Jα18-Vβ11
Thymus IL-4, IFN-γ, IL-10 oder
Zytotoxizitat
TR1 CD4+CD25med Peripherie IL-10
TH3 CD4+CD25med Peripherie TGF-β
RTE–TREG CD4+ CD25high
CD45RA+CD45RO-
Thymus ??
� Welchen Wert haben die Quotienten im Rahmen einer Therapieentschei-
dung? Lasst sich, eventuell in Kombination mit magnetresonaztomografi-
schen Parametern, ein zuverlassigeres Urteil fallen, welche Patienten von
einer immmunmodulatorischen Therapie profitieren konnten?
� Welchen pradiktiven Wert haben die Quotienten in Bezug auf Schubfre-
quenz, Schwere der Schube, klinische Beeintrachtigung, Entwicklung des
EDSS oder Zunahme der kranialen Lasionslast?
� Welche Krankheitsprogression lasst sich bei den in dieser Studie erfassten
Patienten mit CIS feststellen? Stratifiziert nach der Entwicklung von kei-
ner MS, RR-MS und SP-MS, gibt es retrospektiv unterschiede der Quoti-
enten, die moglicherweise pradiktiven Wert fur den Konversionszeitraum-
und Typ darstellen?
� Profitieren Patienten mit extremen Auspragungen der Quotienten, z. B.
fur Plasmazellen oder reife B-Zellen in besonderem Masse von einer im-
munmodulatorischen Therapie (z. B. senkt Natalizumab erwiesenermas-
sen die Haufigkeiten bestimmter B-Zell Subtypen im CSF (Stuve u. a.
2006))?
� Jungere Hypothesen gehen von einer gestorten Effektorfunktion der Zel-
4.4. Kritische Wurdigung und Grenzen der Studie 85
len schon in einem sehr fruhen Entwicklungsstadium, der RTE–TREG,
aus (siehe Abschnitt 4.2.8 auf Seite 79). Lassen sich Unterschiede der
Haufigkeiten der RTE–TREG bei Patienten mit CIS feststellen, d. h. liegt
dem qualitativen Defekt moglicherweise auch ein quantitativer Defekt zu-
grunde?
� Die vorliegende Studie fand eine Dysbalance CD14+ CD16+ Zellen mit
reduzierten Haufigkeiten im Patientenliquor. Dies ist moglicherweise ein
Hinweis auf eine protektive Rolle dieser Monozytenpopulation, die auf-
grund der gestorten Homoostase nur eingeschrankt wahrgenommen wer-
den kann. Hinweise auf mogliche antiinflammatorischen Effekte sind in
der Literatur beschrieben (Piccio u. a. 2008; Ozenci u. a. 2000) und soll-
ten weiterfuhrend erortert werden.
Desweiteren sollte die Forschung auf dem Gebiet der Adhasionsmolekule in-
tensiviert werden (siehe Tabelle 4.3 auf Seite 70), um ein besseres Verstandnis
zugrundeliegender pathophysiologischer Mechanismen zu ermoglichen. Wenn es
gelange, Storungen auf molekularer oder genetischer Ebene zu identifizieren,
konnten gezielte Therapien z. B. in Form monoklonaler Antikorper entwickelt
werden. Protektiven Zellen konnte ein anderer Weg der Diapedese geschaffen
werden und proinflammatorische Zellen am Ubertritt gehindert werden, wie es
zum Teil in Form von Natalizumab in der Eskalationstherapie schon angewen-
det wird (Stuve u. a. 2006). So deuten jungere Forschungsanstrengungen z. B.
auf einen moglichen SNP (single nucleotide polymorphism) im fur die α-Kette
des IL-2 Rezeptors (CD25) kodierenden Gens und anderen Loci hin, die fur die
Aktivierung und Homoostase der T- und B-Zellen eine wichtige Rolle spielen
(Hafler u. a. 2007).
4.4. Kritische Wurdigung und Grenzen der Studie
Methodologische Probleme ergeben sich moglicherweise aus der Durchfuhrung
mehrerer Farbungen bei relativ geringem Zellmaterial im FACS. Durchschnitt-
lich werden bei Lumbalpunktion ca. 15 ml Liquor entnommen. Technisch be-
dingt ist dies jedoch nicht immer bei allen Patienten moglich und gerade bei
Materialgewinnung in der Kontrollgruppe mit (definitionsgemass) weniger als
sechs Zellen pro Mikroliter Liquor kann dies bei Aufteilung auf mehrere wells
zu statistischen Problemem in der Auswertung fuhren. Je mehr verschiedene
Antikorper bei der Farbung eingesetzt werden und je hoher eine spezifische
Zellpopulation differenziert wird, desto weniger Zellen gehen anschliessend in
4.4. Kritische Wurdigung und Grenzen der Studie 86
die Berechnung ein. Trotzallem wurde die Durchflusszytometrie in der Vergan-
genheit erfolgreich fur die Liquoranalyse auch mit geringem Zellanteil eingesetzt
(Kleine u. a. 1999). In dieser Studie wurde, wann immer moglich, die Mindest-
menge von ca. 5000 Lymphozyten pro Messung fur ein statistisch verwertbares
Ergebnis berucksichtigt (Tackenberg u. a. 2007).
Mogliche Strukturungleichheiten der Kohorten CIS und KONTROLLE wur-
den in dieser Arbeit zugunsten hoherer Fallzahlen in Kauf genommen. So wurde
z. B. auf ein Alters- und Geschlechtsmatching verzichtet. Auch bestand unsere
Kontrollkohorte nicht aus vollig gesunden Personen, sondern streng genommen
aus Personen mit”anderen neurologischen Krankheiten nicht-inflammatorischer
oder zentralnervoser Natur“. Dies liegt in der Gewinnung des Liquors begrundet,
da keine Lumbalpunktionen aus rein wissenschaftlicher Indikation an gesunden
Freiwilligen durchgefuhrt wurden. Dieses Vorgehen findet sich ebenfalls in der
Literatur, so z. B. bei Venken u. a. (2008a) und Jensen u. a. (2004).
Die volumetrische Analyse der kranialen Lasionslast birgt ein gewisses Maß an
Subjektivitat, da manuell einzelne Lasionen am Computer eingegrenzt werden
und sich inter- und auch intraindividuelle Schwankungen in Bezug auf die be-
stimmte (Lasions-)Flache ergeben konnen; fur diese Arbeit stehen bis jetzt noch
keine automatisierten und standardisierten Programmroutinen zur Verfugung.
Das gleiche trifft prinzipiell auch fur die Durchflusszytometrie zu, da hier Lym-
phozytenpopulationen mit einem gewissen Grad an Willkur gegeneinander gra-
fisch abgegrenzt werden und somit die Interrater-Variabilitat dementsprechend
zu erwarten ist. Leider konnten zu diesem Thema keine passenden Studien ge-
funden werden.
Als TREG vor ein paar Jahren ins Zentrum der Aufmerksamkeit immuno-
logischer Forschung ruckten und auch die ersten Patienten fur diese Studie
rekrutiert wurden, war die Charakterisierung allein durch die hohe Expression
vom CD25 standard. Heutzutage existieren weitere Marker wie FoxP3 sowie
andere regulatorische Subpopulationen (siehe Abschnit 4.3 auf Seite 82). Dar-
aus ergeben sich moglicherweise Abweichungen zu spateren Studien, die andere
Marker in der zytologischen Farbung verwendet haben. Studien uber humane
TREG konnen ausserdem durch die Tatsache divergieren, dass moglicherweise
nicht nur TREG, sondern auch andere aktivierte Effektor-T-Zellen bei alleini-
ger Differenzierung mit CD25 und FoxP3 erfasst werden. Aus diesem Grund
wird immer mehr CD127low als zusatzlicher Marker zur Identifikation humaner
TREG genutzt (Liu u. a. 2006). Dies sollte fur zukunftige durchflusszytometri-
sche Studien an TREG berucksichtigt werden.
5. Zusammenfassung/Summary
Einleitung Das Klinisch-Isolierte-Syndrom (CIS) bezeichnet das Auftreten
eines ersten fokal-neurologischen Defizits uber mindestens 24 Stunden und ist
verdachtig fur die Entwicklung einer Multiplen Sklerose (Kappos u. a. 2006).
Neben autoreaktiven, proinflammatorischen T-Zellen (Bhat, Steinman 2009)
spielen auch andere Komponenten des zellularen Immunsystems wie B-Zellen,
Plasmazellen, Monozyten und Makrophagen eine wichtige Rolle in der Patho-
genese (Schneider-Hohendorf u. a. 2010; Kuenz u. a. 2008; Walter u. a. 2006).
Insbesondere CD25high regulatorische T-Zellen sind aufgrund einer gestorten
Effektorfunktion bei der MS involviert (Venken u. a. 2010). Daruberhinaus exis-
tieren Hinweise auf eine Verminderung von VLA-4, ein Protein fur die Diape-
dese uber die Blut-Hirn-Schranke, auf TREG des peripheren Blutes von Pati-
enten mit RR-MS (Stenner u. a. 2008). Somit ist die Aufrechterhaltung einer
Immunhomoostase uber die humoralen Kompartimente von großer Wichtigkeit
fur Initiierung und Kontrolle der entzundlichen Reaktion im ZNS, dabei wird
die Quantifizierung von Leukozyten im Blut und Liquor bei Patienten mit MS
und CIS zur Charakterisierung einer moglichen Dysbalance eingesetzt (Engel-
hardt, Ransohoff 2005; Feger u. a. 2007a). Sowohl als Prediktor in Bezug auf
Haufigkeit und Schwere konsekutiver Schube als auch fur den spateren Grad der
Behinderung haben sich magnetresonanztomografische Befunde etabliert (Brex
u. a. 2002; Kappos u. a. 2006). Die vorliegende Arbeit untersucht die Fragestel-
lung, ob eine Dysbalance zwischen Blut- und Liquorkompartiment bestimmter
Immunzelltypen bei Patienten mit CIS besteht und ob das Ausmaß mit dem
Grad der zentralnervosen Entzundung, gemessen anhand der Lasionslast im
cMRT, korreliert. Material Blut- und Liquorproben von 64 unbehandelten
Patienten mit CIS, 18 mit MS und 43 mit anderen, nicht-entzundlichen neuro-
logischen Krankheiten (ANK) wurden mit Antikorpern gegen CD3, CD4, CD8,
CD14, CD16, CD19, CD20, CD25, CD27, CD28, CD45RA, CD49d, CD62L und
CD138 gefarbt und durchflußzytometrisch gemaß publizierter Methoden unter-
sucht (Tackenberg u. a. 2007). Die kumulative T2-hyperintense Lasionslast wur-
de von allen Patienten mit CIS in den Wichtungen sag. T2 FS, ax. T1 SE, ax.
FLAIR, ax. PD und T2, ax. T1 SE + KM bestimmt und mit dem Quotienten der
Haufigkeit bestimmter Leukozytensubpopulationen im Blut- und Liquor korre-
87
5. Zusammenfassung/Summary 88
liert. Weiterhin wurde der EDSS-Score bei Diagnosestellung erhoben und eine
ROC-Analyse bei divergierenden Quotienten der CIS- und Kontrollprobanden
durchgefuhrt. Bei einer Subgruppe der CIS-Patienten (n = 18) wurde die mitt-
lere Fluoreszenzintensitat (MFI) fur VLA-4 (CD49d) fur verschiedene Expressi-
onsniveaus von CD25 auf CD4+ T-Lymphozyten bestimmt. Ergebnisse Si-
gnifikante Unterschiede der Quotienten fanden sich fur regulatorische T-Zellen,
reife B-Zellen, Memory B-Zellen und CD16+ Monozyten im Vergleich von Pa-
tienten mit CIS und ANK. Bei den selben Zellpopulationen ergab die ROC-
Analyse der Quotienten signifikante Werte und es konnte ein Grenzwert errech-
net werden, um zwischen krank und gesund zu diskriminieren. Eine positive
Korrelation mit der kranialen Lasionslast fand sich fur regulatorische T-Zellen
(r = 0,68) und Plasmazellen (r = 0,55), eine negative Korrelation fur CD4+ Thy-
musemigranten (r = -0,53). Die beste Korrelation wurde meist fur die Stratifi-
zierung nach sehr fruhem CIS erreicht (≤ 6 Lasionen). Die MFI fur VLA-4
auf CD4+ CD25low-high Lymphozyten im PBL und CSF war signifikant hoher
bei Patienten mit ANK als bei CIS. Diskussion Im Gegensatz zu Kontroll-
personen ist bei CIS Patienten der relative Anteil von regulatorischen CD4+
T-Zellen im Liquorkompartiment im Vergleich zum peripheren Blut signifikant
erniedrigt und bei reifen B-Zellen, Memory B-Zellen und CD16+ Monozyten
erhoht. Neben einer exekutiven Dysfunktion fur regulatorische T-Zellen (Ven-
ken u. a. 2006) scheint auch ein quantitativer Defekt vorzuliegen, verantwortlich
ist moglicherweise eine reduzierte Expression des Zelladhasionsmolekul VLA-4
auf Lymphozyten bei Patienten mit CIS. Bei Patienten im fruhen Stadium
haben regulatorische Zellen im Liquor moglicherweise einen antiinflammatori-
schen Effekt und der Quotient kann einen labortechnischen Surrogatparameter
fur Diagnosestellung und Entzundungsaktivitat darstellen. Die Korrelation des
Quotienten fur Plasmazellen mit der Lasionslast ist am ehesten als zufalls-
bedingt zu werten. Aus der Korrelation fur naive Thymusemigranten ergibt
sich eine denkbare Rolle in der fruhen Pathogenese des CIS. Zusammenfassend
scheint eine Dysbalance in der Immunhomoostase verschiedener in die Pathoge-
nese involvierter Zellen beim CIS vorzuliegen, die moglicherweise auf Defekte in
Zelladhasionsmolekulen auf der Oberflache zuruckzufuhren ist. Die Auspragung
des relativen Ungleichgewichts im Blut oder Liquor kann dabei das Ausmaß der
zerebralen Entzundung im kranialen MRT bestimmen und eventuell zur Dia-
gnosestellung benutzt werden.
5. Zusammenfassung/Summary 89
Introduction The term ‘Clinically Isolated Syndrome’ (CIS) describes a
first focal-neurological, demyelinating event lasting for at least 24 hours and
is equivocal for the development of definitive Multiple Sclerosis (MS) (Kap-
pos et al. 2006). Besides peripherically activated autoreactive T-cells, who re-
encounter their specific antigen within the borders of human CNS and induce
proinflammatory tissue reactions (Bhat, Steinman 2009), other immune cells of
the innate and adaptive immunesystem like B-cells, plasmacells, monocytes and
macrophages play a major role in the pathogenesis of MS (Kuenz et al. 2008;
Schneider-Hohendorf et al. 2010; Walter et al. 2006). In particular, CD25high
regulatory T-cells (TREG) seem to be involved due to a hampered executive
cell function (Venken et al. 2010). In addition, there is mounting evidence
for a decreased cell surface expression of VLA-4 on CD25high TREG in the
blood of patients with RR-MS, a protein responsible for cell diapedesis across
the blood-csf-barriers (Stenner et al. 2008). Maintenance of immunehomeosta-
sis in the humoural compartments peripheral blood (PBL) and cerebrospinal
fluid (CSF) is crucial for initiation and control of inflammatory CNS reactions
and the quantification of leukocytes in peripheral blood and cerebrospinal fluid
in patients with CIS and MS has been used to describe a given dysbalance
(Engelhardt, Ransohoff 2005; Feger et al. 2007a). In the past, MRI findings
have been successfully introduced as a predictor of frequency and gravidity of
subsequent relapses and for the future degree of disability (Brex et al. 2002;
Kappos et al. 2006). The aim of the present study is to investigate if there is
an existing imbalance between leukocytes in PBL and CSF in patients with
CIS compared to controls and if the degree of a given imbalance correlates
with CNS inflammation, measured as T2-hyperintense total lesion volume load
in cranial MRI. Material Venous peripheral blood and cerebrospinal fluid
samples of 64 untreated patients with CIS, 18 patients with MS and 43 pa-
tients with other non-inflammatory neurological deseases (ONID) have been
stained with antibodies against CD3, CD4, CD8, CD14, CD16, CD19, CD20,
CD25, CD27, CD28, CD45RA, CD49d, CD62L and CD138 and analyzed flow-
cytometrically according to published methods (Tackenberg et al. 2007). MRI
T2-hyperintense total lesion volume of each single patient has been calcu-
lated in a standardized way (‘MS-programme’, sag. T2 FS, ax. T1 SE, ax.
FLAIR, ax. PD und T2, ax. T1 SE + CA) and correlated with the PBL/CSF
ratio of specific immunecell subsets. EDSS-score at desease onset has been
taken and a ROC analysis has been performed in cases of diverging ratios.
In a subgroup of CIS patients (n = 18), mean fluorescence intensity (MFI) for
5. Zusammenfassung/Summary 90
VLA-4 (CD49d) has been measured for different expression levels of CD25 in
CD4+ lymphocytes. Results Significant differences in CIS PBL/CSF ratios
have been found for regulatory T-cells, CD19+ B-cells and CD16+ monocytes
compared to ONID. ROC analysis for the same subsets revealed significance
and a specific cut-off has been determined to discriminate between ‘ill’ and
‘healthy’. Positive correlation with cranial total volume lesion load has been
found for regulatory T-cells (r = 0,68) and plasmacells (r = 0,55), a negative
correlation for CD4+ thymic emigrants (r = -0,53). Best correlation coefficients
could be achieved for stratification for early CIS (≤ 6 lesions). VLA-4 MFI on
CD4+ CD25low-high lymphocytes in PBL and CSF was significantly higher in
patients with OIND than in CIS. Discussion In contrast to controls, patients
with CIS seem to have a significantly reduced relative proportion of regulatory
T-cells in cerebrospinal fluid compared with peripheral blood and a significantly
higher relative proportion of CD19 B-cells, memory B-cells and CD16+ mono-
cyte. Apart from a known dysfunction in regard to executive features (Venken
et al. 2006), there seems to be a quantitative disorder in regulatory T-cells,
probably due to a reduced cell surface expression of the cell-adhesion molecule
VLA-4 on CD4+ lymphocytes of patients with CIS. In these patients, espe-
cially in an early CIS stage, regulatory T-cells might have an antiinflammatory
effect and the PBL/CSF ratio provides a surrogatemarker fur diagnosis and
desease activity. The correlation of plasmacells with the cranial total lesion
load is most probably considered an incidental result. The negative correlation
of naive thymic emigrants is indicating a possible role in early pathogenesis. In
conclusion, there seems to be a given dysequilibrium in immune homeostasis
of certain leukocytes involved in pathogenesis and pathophysiology of early MS
that is probably the result of a disturbed cell surface adhesion molecule expres-
sion. The numerical quantity of the relative dysbalances in peripheral blood or
cerebrospinal fluid represents cerebral inflammation measured in cranial MRI
and is probably suited as lab marker for diagnosis of CIS.
A. Anhang
Expanded Disability Status Scale Score (EDSS)
Tabelle A.1.:
Expanded Disability Status Scale (EDSS, nach Kurtzke 1983). Acht Funktionssysteme
FS (Optik, Hirnstamm, Motorik, Cerebellum, Sensibilitat, Blasen- und Mastdarmfunktion,
mentaler Status, Gehstrecke) werden untersucht und in Grade unterteilt: Grad 0 = normale
Funktion, Grad 1 = abnorme Funktion ohne Behinderung, Grad 2 = leichte Behinde-
rung, Grad 3-6 = mittelschwere bis schwere Behinderung. Die Werte der Funktionssysteme
werden integriert und ergeben den EDSS.
EDSS Behinderung
0,0 alle FS Grad 0
1,0 keine Behinderung, ein FS Grad 1
1,5 keine Behinderung, mehr als ein FS Grad 1
2,0 leichte Behinderung, ein FS Grad 2, andere 0 oder 1
2,5 leichte Behinderung, zwei FS Grad 2, andere 0 oder 1
3,0 massige Behinderung, ein FS Grad 3, andere 0 oder 1 oder drei oder vier FS Grad
2, Gehfahigkeit uneingeschrankt
3,5 massige Behinderung, ein FS Grad 3 und ein oder zwei FS Grad 2, Gehfahigkeit
uneingeschrankt
4,0 relativ schwere Behinderung, ein FS Grad 4 und andere FS Grad 0 oder 1, Geh-
strecke ohne Hilfe ca 500 m.
4,5 relativ schwere Behinderung, ein FS Grad 4 und andere FS Grad 0 oder 1, Geh-
strecke ohne Hilfe ca 300 m, voll arbeitsfahig aber evtl. mit geringgradiger Hilfe-
stellung
4,5 relativ schwere Behinderung, ein FS Grad 4 und andere FS Grad 0 oder 1, Geh-
strecke ohne Hilfe ca 300 m, voll arbeitsfahig aber evtl. mit geringgradiger Hilfe-
stellung
5,0 starke Behinderung, ein FS Grad 5 und andere FS Grad 0 oder 1, Gehstrecke ca.
200 m
5,5 starke Behinderung, ein FS Grad 5 und andere FS Grad 0 oder 1, Gehstrecke ca.
100 m
6,0 Gehhilfe notig um 100 m weit zu gehen
6,5 Gehhilfe beidseits notig, um 20 m ohne Pause zu gehen
7,0 Gehstrecke unter 5 m selbst mit Hilfe, sitzt ca. 12 Stunden pro Tag im Rollstuhl,
Transfer und Fortbewegung im Rollstuhl selbstandig
91
A. Anhang 92
Tabelle A.1.: Fortsetzung
EDSS Behinderung
7,0 Gehstrecke mit Hilfe nur ein paar Schritte, benotigt Hilfe beim Rollstuhltransfer,
fahrt selbst
8,0 uberwiegend auf Bett beschrankt, Armfunktion zur Korperpflege weitgehend er-
halten, kann auch ausserhalb des Bettes sitzen
8,5 uberwiegend Bettlagerig, einge Funktionen der Arme erhalten
9,0 bettlagerig und hilflos, essen und kommunizieren moglich
9,5 bettlagerig und vollkommen hilflos, essen und kommunizieren nur schlecht mog-
lich, unfahig zu schlucken
10,0 Tod durch MS
EDSS-Dokumentation
Eine Kopie der in dieser Arbeit benutzten EDSS-Dokumenation nach L. Kap-
pos, Department of Neurology, University Hospitals, CH-4031 Basel, Version
11/99 findet sich auf Seite 97 f.
Quelle: http://www.neurostatus.net/scoring/index.php
Diagnosekriterien nach McDonald
Am Ende des Schemas sollen sich die moglichen Diagnosen MS, keine MS und
mogliche MS formulieren lassen. Die Diagnose kann weiterhin allein aufgrund
objektivierbarer klinischer Befunde gestellt werden, der Nachweis zeitlicher und
topischer Dissemination ist zentraler Bestandteil. Paraklinische Befunde wie
das MRT, die Liquoranalyse sowie Elektrophysiologie gehen erganzend in die
Diagnoseroutine ein.
Tabelle A.2.:
MS-Diagnosekriterien nach McDonald et al. (McDonald u. a. 2001), in Anlehnung
an R. M. Schmidt (2006)
klinische Befunde weitere notwendige Befunde
2+ Schube und klinisch objektivier-
ter Nachweis von 2x Lasionen
keine
2+ Schube und klinisch objektivier-
ter Nachweis einer Lasion
durch MRT belegte topische Dissemination
oder
A. Anhang 93
Tabelle A.2.: Fortsetzung
klinische Befunde weitere notwendige Befunde
im MRT 2+ characteristische Lasionen und posi-
tiver Liquor
oder
erneuter klinischer Schub mit anderem Lasionsort
Ein Schub und klinisch objektivier-
ter Nachweis von 2+ Lasionen
duch MRT belegte zeitliche Dissemination
oder
zweiter klinische Schub
Ein Schub und klinisch objektivier-
ter Nachweis einer Lasion (CIS)
durch MRT belegte topische Dissemination
oder
2+ charateristische Lasionen im MRT und positi-
ver Liquor
und
durch MRT belegte zeitliche Dissemination
oder
zweiter klinischer Schub
seit Beginn schleichend progredien-
te neurologische Ausfalle, verdach-
tig auf MS
positiver Liquor
und
topische Dissemination im MRT, belegt durch 9+
T2 Lasionen im Gehirn oder 2+ Lasionen im
Ruckenmark oder 4-8 Lasionen im Gehirn und ei-
ne Lasin im Ruckenmark
oder
pathologischem VEP kombiniert mit 4-8 Lasionen
im Gehirn oder < 4 Lasionen im Gehirn und einer
spinalen Lasion im MRT
durch MRT belegte zeitliche Dissemination oder
anhaltende Progression uber ein Jahr
A. Anhang 94
Gerate und Verbrauchsmaterialien
Die verwendeten Gerate, Verbrauchsmaterialien und eingesetzten Computer-
programme sind in untenstehender Tabelle aufgefuhrt.
Tabelle A.3.: Liste der verwendeten Gerate und Verbrauchsmaterialien
Mikroskope
Axio Scope Zeiss Germany
Kuhlschranke
Gefrierschrank -20°C Liebherr (Ochsenhausen)
Gefrierschrank -78°C Heraeus Instruments (Hanau)
Gefrierschrank -136°C Nunc (Roskilde, Danemark)
Kuhlschrank 4°C Liebherr (Ochsenhausen)
Zentrifugen
Centrifuge 5415 D Eppendorf (Wesseling-Berzdorf)
Megafuge 1.0 Heraeus Instruments (Hanau)
Sterilbank (Bench)
Clean Bench Hera Safe Heraeus Instruments (Hanau)
FACS
FACSCalibur BD Pharmingen (Heidelberg)
Sonstige Gerate und Verbrauchsmaterialien
50 ml Rohrchen Greiner Bio-one (Frickhausen)
Deckglaschen Menzel (Braunschweig)
Einfrierboxen Nunc (Roskilde, Danemark)
Einmalpipetten Greiner Bio-one (Frickhausen)
Einmalspritzen Greiner Bio-one (Frickhausen)
Erlenmeyerkolben Kobe (Marburg)
Falcon-Rohrchen BD Pharmingen (Heidelberg)
Kolbenhubpipetten Eppendorf (Wesseling-Berzdorf)
Kryorohrchen Nunc (Roskilde, Danemark)
Neubauer-Zahlkammer Superior - Paul Marienfeld (Lauda-
Konigshofen)
Prazisionspipette Accu Jet Brand (Wertheim)
Prazisionspipette Finnpipette Thermo Labsystems (Vantaa, Finnland)
A. Anhang 95
Tabelle A.3.: Fortsetzung
Chemikalien
Aqua dest. Braun (Melsungen)
DMSO (Dimethylsulfoxid) Sigma (Steinkirchen)
EDTA Promega (Madison, WI, USA)
FCS (fetal calf serum) Biochrom (Berlin)
FICOLL Biochrom (Berlin)
Tryptanblau 4 % Gibco Invitrogen (Karlsruhe)
Zellkulturmedien
RPMI 1640 Gibco Invitrogen (Karlsruhe)
Puffer und Losungen
FACSFlow BD Pharmingen (Heidelberg)
FACSSafe BD Pharmingen (Heidelberg)
FACSRinse BD Pharmingen (Heidelberg)
CellWash BD Pharmingen (Heidelberg)
PBS (phosphate buffered sa-
line)
Gibco Invitrogen (Karlsruhe)
PharMingenLyse (NH4Cl-
Losung)
BD Pharmingen (Heidelberg)
TBE-Puffer 1x Gibco Invitrogen (Karlsruhe)
FACS-Antikorper
anti-CD3 PerCP Klon SK-7 (BD Pharmingen)
anti-CD4 APC Klon RPA-T4 (BD Pharmingen)
anti-CD4 FITC Klon RPA-T4 (BD Pharmingen)
anti-CD4 PerCP Klon SK-3 (BD Pharmingen)
anti-CD8 APC Klon RPA-T8 (BD Pharmingen)
anti-CD8 FITC Klon LT-3 (Immunotools)
anti-CD8 PerCP Klon SK-1 (BD Pharmingen)
anti-CD14 FITC Klon 18-D11 (Immunotools)
anti-CD16 PE Klon 3-G8 (BD Pharmingen)
anti-CD19 APC Klon HIB-19 (BD Pharmingen)
anti-CD20 APC Klon LT-20 (Immunotools)
anti-CD25 FITC Klon M-A251 (BD Pharmingen)
anti-CD25 PE Klon M-A251 (BD Pharmingen)
A. Anhang 96
Tabelle A.3.: Fortsetzung
anti-CD27 FITC Klon M-T271 (BD Pharmingen)
anti-CD28 PE Klon M-A251 (BD Pharmingen)
anti-CD45RA PE Klon MEM-56 (Immunotools)
anti-CD49d FITC Klon BU-49 (Immunotools)
anti-CD49d PE Klon 9F-10 (BD Pharmingen)
anti-CD62L FITC Klon LT-TD 180 (Immunotools)
anti-CD138 PE Klon DL-101 (Ebioscience)
Magnetresonanztomografie
Signa Horizon 1,5 Tesla GE Healthcare (United Kingdom)
Software
CellQuest 4.0.2 BD Pharmingen (Heidelberg)
Advantage Workstation
AW4.0 06
GE Healthcare (United Kingdom)
SPSS 16.0 SPSS (Chicago, Illinois, USA)
MS Excel 2010 Microsoft
MS Word 2010 Microsoft
LATEX Miktex 2.9 open source
1. VISUAL ( OPTIC ) FUNCTIONS
OPTIC FUNCTIONS
Visual acuity (corrected)
Visual fields
2. BRAINSTEM FUNCTIONS
CRANIAL NERVE EXAMINATION
Extraocular movements (EOM) impairment
Nystagmus
Trigeminal damage
Facial weakness
3. PYRAMIDAL FUNCTIONS
REFLEXES R > < L
Biceps
Triceps
Brachioradialis
Knee
Ankle
Plantar response
Cutaneous reflexes
* Palmomental reflex
LIMB STRENGTH R L
Deltoids
Biceps
Triceps
Wrist/finger flexors
Wrist/finger extensors
Hip flexors
* = optional1 = converted FS Score
Scotoma
* Disc pallor
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
Hearing loss
Dysarthria
Dysphagia
Other cranial nerve functions
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
Knee flexors
Knee extensors
Plantar flexion (feet/toes)
Dorsiflexion (feet/toes)
* Position test UE, pronation
* Position test UE, downward drift
* Position test LE, sinking
Able to lift only one leg at a time (grade in °)
* Walking on heels
* Walking on toes
* Hopping on one foot
SPASTICITY
Arms
Legs
Gait
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
OD OS
1. Visual 1
2. Brainstem
3. Pyramidal
4. Cerebellar
5. Sensory
6. Bowel/Bladder1
7. Cerebral
1 = converted FS Score
1
SYNOPSIS OF FS SCORES
PERSONAL INFORMATION
Patient
Date of Birth (04-Jun-1980)
Centre Nr/Country
Name of EDSS rater
Date of Examination
EDSS Step Signature
° °
2 0
--
--
STUDY NAME
Scoring Sheet for a standardised, quantified neurological examination and assessment of Kurtzke’s Functional Systems and Expanded Disability Status Scale in Multiple Sclerosis
SPECIMEN
A. Anhang 97
4. CEREBELLAR FUNCTIONS
CEREBELLAR EXAMINATION
Head tremor
Truncal ataxia
R L
Tremor/dysmetria UE
Tremor/dysmetria LE
5. SENSORY FUNCTIONS
SENSORY EXAMINATION
Superficial sensation UE
Superficial sensation trunk
Superficial sensation LE
Vibration sense UE
Vibration sense LE
6. BOWEL/ BLADDER FUNCTIONS
Urinary hesitancy/retention
Urinary urgency/incontinence
Bladder catheterisation
7. CEREBRAL FUNCTIONS
MENTAL STATUS EXAMINATION
+ Depression
+ Euphoria
8. AMBULATION
Walking range as reported (without help or sticks )
meters
in min
Distance able to walk without rest or assistance
≥ 100 meters, but < 200 meters
≥ 200 meters, but < 300 meters
≥ 300 meters, but < 500 meters
≥ 500 meters but not unrestricted
Unrestricted
Actual distance (obligatory up to 500 m if possible)
meters
* = optional 1 = converted FS Score+ Because depression, euphoria and fatigue are difficult to evaluate objectively, in some studies it does not contribute to the Cerebral FS score or EDSS step. Please adhere to the study’s specific instructions.
Rapid alternating movements UE impairment
Rapid alternating movements LE impairment
Tandem walking
Gait ataxia
Romberg test
Other, e. g. rebound
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
Position sense UE
Position sense LE
* Lhermitte’s sign
* Paraesthesiae UE
* Paraesthesiae trunk
* Paraesthesiae LE
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
Bowel dysfunction
* Sexual dysfunction
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
Decrease in mentation
+ Fatigue
FUNCTIONAL SYSTEM SCORE
Requires constant assistance to walk 100 meters
Unilateral assistance (in meters)
Cane/crutch
Other
Bilateral assistance (in meters)
Canes/crutches
Other
Assistance by another person (in meters)
LR
Standardised Neurological Examination and Assessment of Kurtzke’s Functional Systems and Expanded Disability Status Scale
Slightly modified from J.F. Kurtzke, Neurology 1983:33,1444-52
©2009 Ludwig Kappos, MD, Professor and Chair, Neurology, University Hospital Basel, 4031 Basel, Switzerland; Version 09/08
1
SPECIMEN
A. Anhang 98
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Curriculum Vitae (entfernt)
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Verzeichnis der akademischen Lehrer
Meine akademischen Lehrerinnen und Lehrer an der Philipps-Universitat Mar-
burg waren in alphabetischer Reihenfolge die Damen und Herren:
Adamkiewicz, Basler, Baum, Czubayko, Dabrock, Daut, Feuser, Gerdes, Gress,
Grundmann, Grzeschik, Herrmann-Lingen, Hertl, Hilt, Jungclas, Koolmann,
Krieg, Kutschenreuter, Lang, Leonhardt, Lill, Lohoff, Luers, Maier, Mandrek,
Moll, Mueller, Muller, Mutters, Oertel, Opitz, Plant, Renz, Richter, Riße, Ro-
ehm, Roper, Schafer, Schofer, Schrader, Tackenberg, Tibesku, Vogelmeier, Wag-
ner, Werner, Westermann, Wulf
Danksagung
An dieser Stelle mochte ich mich herzlich bei allen Menschen bedanken, die
mich in der Zeit meiner Dissertation mit Wort und Tat unterstutzt haben:
Bei PD Dr. Bjorn Tackenberg, meinem ehemaligen Betreuer und jetzigem
Doktorvater, fur die Uberlassung des Themas und die exzellente Betreuung
wahrend der Datenerhebung. Auch fur die konstruktive Kritik und stetigen
Verbesserungsvorschlage bei der Verschriftlichung bin ich dankbar. Ich habe
dadurch sowie wahrend des praktischen Jahres in der Klinik fur Neurologie ei-
ne Menge positive Erfahrung im Patientenumgang und in wissenschaftlichem
Arbeiten sammeln konnen. Genaugenommen kreuzten sich unsere Wege schon
wahrend meines Zivildienstes in Marburg und Herr Tackenberg hat meine Ent-
scheidung zum Medizinstudium damals schon unterstutzt und gefordert (-:
Herrn Prof. Dr. Wolfgang H. Oertel, Direktor der Klinik fur Neurologie des
Universitatsklinikums Marburg und Gießen, Standort Marburg, danke ich fur
die Bereitstellung des Arbeitsplatzes, der Laboreinrichtungen sowie der notigen
infrastrukturellen Vorraussetzungen.
Meinen Freunden und Komillitonen Axel John und Hannes Kenji Kubo
danke ich fur zahlreiche laienpsychologische Gesprache bei Kaffee und Kuchen
und fachmannischen Rat bei der Umsetzung der Verschriftlichung und nicht
zuletzt fur eine unvergessliche Zeit wahrend des Studiums. Wer weiss, wieviele
von uns ohne gegenseitige Unterstutzung die Flinte ins Korn geworfen hatten...
Meinen Freunden Philipp Rieß und Mirco Schulze danke ich fur unzahlige
technische Hilfestellungen bei der Erstellung der Verschriftlichung und fur den
selbstlosen Einsatz im Copyshop an den Druckmaschinen.
Bei Kerstin Schlegel und Michael Happel mochte ich mich ganz besonders
fur die nimmermude Unterstutzung am FACS bedanken. Ohne sie ware diese
Arbeit niemals in diesem Umfang moglich gewesen.
Allen sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AG Neuroimmunolo-
gie sei an dieser Stelle fur die hervorragende Arbeitsatmosphare und hilfreichen
Tipps gedankt: Rosi Burmester, Christian Eienbroker, Annette Hehenkamp (gut
Pfad!), Christine Hoft, Dr. Michael Putz, Florian Seitz, und Susanne Stei.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Poliklinik, ganz besonders Ba-
bette von Hagen und Ines Jackel fur Rat und Tat bei der Organisation der
Datenerhebung und Patientenuntersuchung.
Ich danke den Patienten fur ihre geduldige Mitarbeit und ihre Zeit bei der
Erhebung des EDSS Scores.
Mein großter Dank gilt meiner Familie und meiner Freundin. Ohne standigen
Zuspruch und Bekraftigungen, das stetige Vertrauen sowie die seelische und
materielle Unterstutzung ware mir dieses Studium und auch diese Arbeit nie
moglich gewesen.
Hamburg, den 17. Februar 2012
Johannes Till Elzer
Ehrenwortliche Erklarung (entfernt)
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