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Ingrid Plath · Ines Graudenz · Heiko Breit (Hrsg.) Kultur – Handlung – Demokratie

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Ingrid Plath · Ines Graudenz · Heiko Breit (Hrsg.)

Kultur – Handlung – Demokratie

VS RESEARCH

Ingrid Plath · Ines GraudenzHeiko Breit (Hrsg.)

Kultur – Handlung – DemokratieDreiklang des Humanen

VS RESEARCH

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Christina M. Brian / Anita Wilke

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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-531-15889-1

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Festschrift

anlässlich der Emeritierung von

Lutz H. Eckensberger

gewidmet vom

Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung

Inhalt

Kontext und Rückblick Symposium Kultur – Handlung – Demokratie zu Ehren von Lutz H. Eckensberger Heiko Breit, Ingrid Plath, Ines Graudenz 11

A relativist in pursuit of the truth: Eckensberger's contribution to the study of psychology and culture Ype H. Poortinga 25

Kultur – Handlung – Demokratie: Eckpfeiler der kulturpsychologischen Handlungstheorie von Lutz H. Eckensberger Heiko Breit 43

Funktional ausdifferenzierte Gesellschaften und keine Moral? Ziviltugendhaftigkeit als notwendige Bedingung der Stabilisierung demokratischer Gesellschaften Gertrud Nunner-Winkler 67

„Von dem erlaubten moralischen Schein“ – Zur Bedeutung von Zivilität und Anstand Roland Reichenbach 89

Constructing competence: Discourse, identity and culture Helen Haste 109

Missionarisches Handeln: das religiöse Selbst in interkultureller Praxis Handlungs- und kulturpsychologische Analysen autobiographischer Erzählungen von Protestanten Jürgen Straub und Maik Arnold 135

EpilogDank – Rückblick – Diskussion Lutz H. Eckensberger 195

Autorenverzeichnis 243

Kontext und Rückblick

Symposium Kultur – Handlung – Demokratie zu Ehren von Lutz H. Eckensberger

Heiko Breit, Ingrid Plath, Ines Graudenz

Am 26. März 2007 richtete das Deutschen Institut für Internationale Pädagogi-sche Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main anlässlich der Emeritierung von Lutz H. Eckensberger ein Symposium zum Thema „Kultur – Handlung – Demo-kratie“ aus. Lutz Eckensberger ist eine Persönlichkeit, die die wissenschaftliche Landschaft bisweilen belebend irritiert. Er weckt Aufmerksamkeit und Wider-spruch zugleich. Er knüpft seine Forschungsinteressen fundiert an anerkannte Theorietraditionen (z. B. Piaget, Boesch, Kohlberg) an, bleibt aber dabei nicht stehen, sondern entwickelt diese weiter, um sie daraufhin empirisch zu validieren und bei Bedarf zu verändern und der neuen Erkenntnislage anzupassen.

Nach seinem Psychologiestudium in Göttingen und in Saarbrücken bei Ernst E. Boesch lehrte Lutz Eckensberger an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken von 1977 bis 1996 Kultur- und Entwicklungspsychologie. Danach wechselte er an das DIPF in Frankfurt, dem er von 1998 bis 2004 als Direktor vorstand. Wissenschaftlich setzte Lutz Eckensberger im DIPF als Leiter der Ab-teilung Bildung und Kultur die in Saarbrücken begonnenen Forschungsarbeiten zu kulturpsychologischen Theorien und Methoden sowie zur Kontextualisierung moralischer Urteile fort. Das übergreifende Motiv dieser wissenschaftlichen Ar-beit bildet das Konzept der Handlung in Kultur und Entwicklung – und nun auch in Bildung, der sich Eckensberger vor allem unter der Perspektive von „Demo-kratieerziehung“ zuwandte. Beispielsweise untersuchte er mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Vorformen der Entwicklung von Rechtsnormen, den Zusam-menhang unterschiedlichster Regelsysteme wie Recht, Moral und Konvention und übertrug Erkenntnisse aus der kontextualisierten Moralforschung auf politi-sche Bildung (Breit/Döring/Eckensberger 2003; Eckensberger 1999, 2002; Eckensberger/Breit 2004, 2006; Weyers/Sujbert/Eckensberger 2007).

Die Beschäftigung mit Kultur und Normativität führt zwangsläufig zu me-thodischen Konsequenzen. Soziokulturelle Bedingungen werden theoretisch nicht als (ursächliche) Wirkbedingungen oder Hintergrundvariablen für die

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Entstehung/Entwicklung psychischer Prozesse und Leistungen verstanden und methodisch nicht als „Varianzquellen“ z. B. in Mehrebenenanalysen aufgefasst. Eckensberger orientiert sich vielmehr an Handlungs-, Interpretations-, Verste-hens- und Wissensstrukturen, die sich in erster Linie durch qualitative sozialwis-senschaftliche Methoden erschließen lassen, die nicht auf die Erfassung von Re-gelmäßigkeit des Verhaltens zielen, sondern auf die Deutungsregeln und -strukturen der Subjekte selbst.

Die zentralen Themen in Eckensbergers Denken, an denen sich auch das Symposium ausrichtete, stellen deshalb keine vereinzelten Stationen einer For-schungsbiographie dar. Lutz Eckensberger hat keine Reise angetreten, in der Zie-le angesteuert, erreicht und dann wieder verlassen werden. Es gibt Konzepte, die immer wiederkehren. Daraus resultiert weder eine Rückkehr noch eine Kreisbe-wegung. Ein eher treffendes Bild wäre ein sich zu einer Spirale öffnender Kreis, der sich mit zunehmenden Erkenntnissen – oftmals durchaus mühselig gewonnen – höher schraubt. Auch wenn Eckensberger seinen Themen treu ist, begegnet man ihnen meist in neuem Licht. Entwicklung stellt somit nicht nur den wissen-schaftlichen Gegenstand des Entwicklungspsychologen Eckensberger dar, son-dern ist auch treibende Kraft seines wissenschaftlichen Denkens, in dem sich ständig deduktive und induktive, theoretische und empirische Schritte abwech-seln.

Schon allein durch dieses Vorgehen ist das abgesteckte Terrain alles andere als übersichtlich. Es umfasst ein breites Gebiet mit blühenden Landschaften, aber auch undurchdringliches Gelände mit Kratern und Löchern, die der detailverlieb-te Lutz Eckensberger tief ausgegraben hat. Manch ein Zuhörer/Leser vermag dann auch seinen bunten in die Breite und Tiefe weisenden Artikeln, Abbildun-gen und Powerpoint Landkarten schwer zu folgen, was zur Konsequenz hat, dass der eine oder andere die Grundlagenforschung von Eckensberger als abgehoben und dem Elfenbeinturm zugehörig versteht.

Zugegebenermaßen sind die Gegenstände, denen sich Eckensberger wid-met, abstrakt und kompliziert. Das liegt in der Sache begründet, in einen Elfen-beinturm führt der eingeschlagene Weg dennoch nicht. Im Gegenteil, das Werk von Lutz H. Eckensberger verbürgt sowohl Aktualität als auch Kontinuität. Sein frühes Interesse an moralischer Kompetenz, Handlung und Kultur hat nicht nur die engen Grenzen seiner Disziplin gesprengt, sondern auch zur Reflexion von methodischen Fragen geführt und die Grenzen eines variablenorientierten Ansat-zes aufgezeigt. Eckensbergers vorrangiges Interesse richtet sich darauf, Regelun-gen menschlicher Handlungen, Alltagstheorien und Deutungssysteme auch und gerade in ihren normativen Aspekten zu verstehen und in ihren Grundlagen zu

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analysieren. Den Kern von Eckensbergers theoretischer und empirischer Arbeit konstituieren Lebenskontexte und soziale Praxis mit ihren unterschiedlichen normativen Bezugssystemen, die den Blick auf die Welt leiten, unabhängig da-von, ob es sich um den des Experten oder des Laien handelt. Die ins Zentrum der Betrachtung rückende Analyse und Rekonstruktion der Handlung und ihrer Re-gulationen, die nur in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext rekonstruiert werden können und in denen die Faktizität von Normen eine treibende Kraft bedeutet, erfordert ein anderes Vorgehen als Fragmentierung und Quantifizierung psycho-logischer Phänomene mit operationalen Definitionen, Kovariationen, Korrelatio-nen, Regressions-, Varianz- und Faktorenanalysen. Kulturelle Regeln besitzen keine naturgesetzliche Qualität, sondern sind selbst Ergebnisse von Handlungen, die den Handelnden nicht kausal beeinflussen, sondern in kulturellen Zusam-menhängen interpretiert und gedeutet werden müssen. Diese Deutungsmuster sind nicht statisch, sie entwickeln sich soziogenetisch sowie ontogenetisch. So verändern sich im Laufe der Zeit Vorstellungen darüber, wie eigene Handlungen und die anderer Personen, Gruppen oder gar Institutionen interpretiert und ver-standen werden; wie Menschen über sich, andere und ihre Beziehungen denken; wie sie soziale Informationen auswählen, interpretieren, behalten, verwenden und bewerten, um Urteile über sich selbst und die soziale Welt zu fällen und Ent-scheidungen zu treffen; wie Menschen sich in der sozialen Welt orientieren, sie konstruieren und welche Folgen sich daraus ergeben (Eckensberger/Plath 2006).

Auch die aktuelle Debatte über den Zusammenhang von Demokratie und Bildung muss von ihrer kulturellen und normativen Seite her betrachtet und in ihren Entwicklungsdimensionen reflektiert werden. Hinter dem Demokratiebe-griff verbergen sich unterschiedliche philosophisch-politische wie kulturelle Demokratieverständnisse, die ihrerseits Grund für Auseinandersetzungen sind (Gutmann/Thompson 1997). Vor allem impliziert „Demokratie“ in all ihren Schattierungen mehr als eine Regierungsform; sie hat den Stellenwert eines Weltbildes bzw. eines „Ethos“, mit dem auf Lebenserfahrungen mit wider-sprüchlichen Realitäten und vielfältigen Deutungsmöglichkeiten reagiert wird, und die als Lebensform zur Voraussetzung für eine moderne zivilgesellschaftli-che Demokratie wird. So begrifflich ausgedehnt, beinhaltet der Begriff Demo-kratie eine Reihe von zentralen Polarisierungen:

Horizontalität vs. Vertikalität. Die zunehmende Verflechtung von kooperativen Handlungen auf horizontaler Ebene ist für viele Bereiche nicht nur aufgrund de-mokratischer Überzeugungen angemessener, sondern auch effektiver und effi-zienter als hierarchische Beziehungen. Konsens und Allgemeininteresse, aber

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auch individuelle Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen, werden durch ho-rizontal verknüpfte kooperative Handlungen zu funktionalen Voraussetzungen moderner Gesellschaften (Giddens 2001; Nunner-Winkler 2002). Allerdings werden neue kommunikative und kooperative Strukturen oft auch als Zerschla-gung traditioneller Lebenswelten erfahren und bringen „Modernisierungsverlie-rer“ mit autoritären (vertikalen) Tendenzen hervor (Ideologie der Ungleichheit) (Loch/Heitmeyer 2001).

Globalisierung vs. Regionalisierung. International führen die geopolitische Lage („clash of cultures“, Säkularität vs. Sakralität), die Entnationalisierung von Staaten sowie das Auftreten von Modernisierungsverlierern auch zu gegenläufi-gen Trends in Form von regionalen Auseinandersetzungen. Traditionale Eigen-ständigkeiten bilden Barrieren gegen die neo-liberale Entgrenzung des internati-onalen Marktes und führen zum Widerstand gegen „liberale“ und auch „demo-kratische“ Politiken (Decker 2004). Das Auftreten von religiösem Fundamenta-lismus ist z. B. in diesem Kontext zu verankern.

Verallgemeinerung vs. Partikularisierung. Solche Gegensätze führen auf einer abstrakteren Ebene zu grundsätzlichen Fragen nach der Verallgemeinerbar-keit westlicher Ethiken und Regierungsformen und zum Vorwurf des Ethno-zentrismus. Inwieweit nämlich Vorstellungen von Demokratie die Gleichwertig-keit der Geschlechter, Religionen, Generationen usw. voraussetzen, kulturell auf entgegenkommende Strukturen oder auf Hindernisse stoßen, muss empirisch er-kundet werden (Kim 2004; Poortinga 2003), u. a. auch auf der konkreten Hand-lungsebene im Kontext des individuellen Umgangs mit der Mehrkulturalität (Pragmatik des Alltags).

Individuum vs. Gesellschaft. Die zentrale Dimension, die hinter solchen und ähnlichen Polarisierungen steht, ist das Verhältnis von Individuum und Kultur bzw. Individuum und Gesellschaft. Interaktiv konstituierte Lebenswelten mit ih-ren spezifischen Formen von sozialem Leben und persönlicher Erfahrung werden von gesellschaftlichen Subsystemen – Recht, Verwaltung, Technik, Politik – ge-trennt. Das Individuum erhält hierbei gleichzeitig eine zentrale und eine schwa-che Position (Touraine 2000) und muss in der Lage sein, kognitiv und moralisch unterschiedliche Deutungsräume des Handelns zu bewältigen, die zum einen konkrete interaktive Handlungskontexte und zum andern die abstrakte Welt for-maler Institutionen wie Recht, Politik und Wissenschaft (Breit/ Döring/ Eckens-berger 2003; Breit 2007) umfassen.

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Hinter diesen Polaritäten, die die gegenwärtige gesellschaftliche Erfahrung kon-stituieren, steckt ein untrennbarer Zusammenhang von Kultur, Handlung und Demokratie. Dieser lässt sich weder auseinanderdividieren noch durch die Ag-gregation einzelner korrelierter Daten abbilden. Eine komplexe Theorie und Em-pirie, wie sie in der kulturpsychologischen Handlungstheorie von Eckens- berger vorliegt, bereichert daher die gegenwärtige Diskussion und ist auch inter-disziplinär anschlussfähig. Hierbei stellt Eckensberger sich auch dem wissen-schaftlich schwer greifbar zu machenden Umgang mit normativen Regelsyste-men und den vertrackten Themenbereichen von Normativität und Faktizität, Ur-teilen und Handeln, Emotionalität und Rationalität.

Der Diskurs über „demokratische Kompetenz“, der nur auf den ersten Blick das Verständnis des Umgangs mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen und kul-turellen Herausforderungen erleichtert, erhält durch die kulturpsychologische Handlungstheorie ebenfalls mehr an Substanz. Individuen sollen eigenverant-wortlich handeln und Vertrauen zu Personen und Institutionen entwickeln. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, Verantwortlichkeiten gerecht verteilt sind, und die sozialen Akteure an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Hinzu kommt, dass demo-kratische Kompetenz notwendigerweise in soziale und symbolisch verankerte Netzwerke eingebettet ist, die das Fundament von Kultur und Handlung bilden. Kultur konstituiert hierbei nicht allein den Kontext von Handlungen, sondern muss selbst durch zielgerichtete Handlungen immer wieder neu hervorgebracht und initiiert werden, auch wenn die Handlungen wegen kultureller Routinen und Skripte sowie etablierter Institutionen und Normen keineswegs immer „bewusst“ ablaufen. Der Mensch ist ein potentiell selbstreflexives Subjekt (Eckensberger 1995). Diese Fähigkeit zur Selbstreflexion entwickelt sich sowohl ontogenetisch wie soziogenetisch in spezifischen Kontexten. Erst diese Annahme gibt der Fra-ge nach Handlungsverantwortung und damit auch nach demokratischer Kompe-tenz Sinn und ermöglicht eine Integration der individuellen und kulturellen Deu-tungs- und Regelsysteme. Gerade aus der Perspektive von Bildung und Erzie-hung sollten danach Handlungsziele und ihre Vernetzung mit den Zielen anderer Individuen, mit Regelsystemen, Institutionen, gesellschaftlichen Subsystemen usw. sowohl ontogenetisch als auch soziokulturell in ihrer Entwicklungslogik und -dynamik betrachtet werden, umso mehr weil die oben genannten Spannun-gen und Konfliktpotentiale vielfach kulturelle Selbstverständlichkeiten betreffen, von Vorstellungen über Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit bis hin zu reli-giösen Wertvorstellungen unter anderem.

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Was aber bedeutet überhaupt „demokratische Kompetenz“, und wie entwi-ckelt sie sich? Wie können demokratische Fähigkeiten festgestellt, bewertet und gefördert werden, was steht ihnen entgegen? Durch welche Kontextbedingungen wird demokratisches Denken und Handeln gefördert bzw. bedroht? Bestehen je nach kulturellen Kontexten unterschiedliche Auffassungen über das, was verall-gemeinert werden kann, und darüber, wer oder was bei diesen Verallgemeine-rungen einbezogen oder ausgeschlossen wird?

Wie demokratische Kompetenz und Verantwortung angesichts dieser kom-plizierten Sachverhalte inhaltlich eingegrenzt und empirisch erfasst werden kön-nen, ist eine offene Frage und muss in einem breiteren Rahmen analysiert wer-den. Trotz aller unterschiedlichen einzelwissenschaftlichen Perspektiven bzw. unterschiedlichen Paradigmen in den Sozialwissenschaften gibt es dabei gemein-same Anknüpfungspunkte. Einig sind sich die verschiedenen Ansätze darin, dass „demokratische Kompetenz“ neben kognitivem Wissen um institutionelle Regel-systeme wesentlich auf sozialen Fähigkeiten aufbaut: sich mit anderen Menschen in Beziehung setzen, kommunizieren, kooperieren, Verantwortung übernehmen und gewaltfrei Konflikte lösen. Unterschiede zwischen den Ansätzen bestehen vor allem in der Gewichtung der Bedeutung von individueller Verantwortung, Diskurs und politischer Reflexion, von formalen und informalen Institutionen sowie im methodologischen Zugang zur Fragestellung. Während derzeit in der Bildungs- und Entwicklungsforschung quantitative Zugangsweisen dominieren, wird bei der Frage nach demokratischer Kompetenz und Verantwortung durch die Betonung von Normen und intersubjektiven Beziehungen eine Bezugnahme auf kulturelle Kontexte und soziale Handlungsstrukturen erforderlich, deren Komplexität und Variabilität einen (auch) qualitativen kulturwissenschaftlichen Zugang unabdingbar macht (Straub/Layes 2002). Allerdings ist hier ein intensi-ver sub- und interdisziplinärer Austausch einzufordern.

Die Beschäftigung mit dem Thema „Demokratie“ und „demokratischer Kompetenz“ verschont deshalb auch nicht das Selbstverständnis der untersu-chenden Wissenschaften. Die Methoden und Paradigmen, die im wissenschaftli-chen Diskurs selbstverständlich geworden sind, müssen überprüft, reflektiert und gegebenenfalls verändert werden, u. a. durch Erweiterung des Kreises beteiligter Disziplinen sowie der theoretischen und methodologischen Zugänge. Der Sach-verhalt, dass demokratische Kompetenzen sowie individuelle, kollektive und in-stitutionelle Verantwortung eng mit ethisch-moralischen Haltungen verknüpft sind, die normativ und symbolisch strukturierte Sollensvorstellungen enthalten, bildet eine besondere Herausforderung für den sozialwissenschaftlichen Diskurs,

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vor allem im Kontrast zu einem an naturwissenschaftlichen Idealen orientierten, nomothetischen Wissenschaftsverständnis.

Vor diesem Hintergrund wurde als Ausgangspunkt des Symposiums „Kul-tur – Handlung – Demokratie“ folgende These vertreten: Empirische Konzepte, die der Frage nach demokratischer Kompetenz, Verantwortung und Solidarität nachgehen, müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass die grundlegenden Be-grifflichkeiten große normative Anteile haben. Sie implizieren eine Auseinander-setzung mit philosophischen und kulturwissenschaftlichen Grundbegriffen (Nunner-Winkler 2003; Reichenbach 2001). Im Mittelpunkt der Betrachtung ste-hen soziale Beziehungsqualitäten, die nur vor dem Hintergrund kultureller Selbstverständnisse und Regelsysteme verstanden werden können (Haste 2001, 2004).

Für diesen Diskurs über Definitionen, Kompetenzen, Verwirklichungs-bedingungen und -ansätze sowie Formen demokratischen Handelns unter lokalen und globalen Aspekten konnten für das Symposium international ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen werden. Die Referenten vertreten zwar primär einen kulturwissenschaftlichen Ansatz, beleuchten den Zu-sammenhang von Kultur, Handlung und Demokratie jedoch aus verschiedenen Blickwinkeln mit unterschiedlichen methodologischen und theoretischen Schwerpunktsetzungen: aus der Perspektive der Soziologie, Kulturpsychologie, Entwicklungspsychologie und der Erziehungswissenschaft. Durch die Zusam-mensetzung des Referentenkreises ergab sich die seltene Gelegenheit, eine Ver-ständigung über unterschiedliche theoretische und methodische Forschungsan-sätze hinweg anzuregen und zu vertiefen.

Im Diskurs konnten nicht nur die Komplexität der Thematik herausgearbei-tet, sondern auch weitere analytische und empirische Perspektiven aufgezeigt werden, z. B. in Ergänzung der quantitativen Ansätze der IEA Studie zur interna-tionalen Erfassung demokratischer Bürgerkompetenzen (Torney-Purta/Lehmann/ Oswald/Schulz 2001). Schon in seiner Begrüßungsrede demonstrierte Professor Dr. Eckhard Klieme, Direktor des DIPF, wie quantitative Analysen großer Stich-proben einer Untersuchung zum Thema Schuldemokratie und qualitative, hand-lungstheoretisch fundierte Einzelfallanalysen der beteiligten Schulen aufeinander bezogen werden können. Als Beispiel diente dabei die Erforschung von Schul-kultur und demokratierelevanten Einstellungen von Schülern im Rahmen des BLK-Modellprogramms „Demokratie lernen und leben“ sowie ein europäisches Projekt „The development of active citizenship on the basis of informal learning at school“ (Abs/Breit/Huppert u. a. 2007; Klieme/Abs/Diedrich 2004). Die Aus-wertung von qualitativen Fallstudien und quantitativen Fragebogenerhebungen

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unterstützt sich wechselseitig. Erstens können Parallelen in den dichten Be-schreibungen von einzelnen Schulen und deren Verortung im Datensatz hinsicht-lich relevanter Variablen aufgezeigt und zweitens können Bedingungsverhältnis-se, die in den Fallstudien als Hypothesen formuliert werden, teilweise in Regres-sionsmodellen dargestellt werden. Die Analyse zeigt zudem, dass durch die Ver-knüpfung der beiden Ansätze – das „Variablenmodell“ und die Rekonstruktion von Handlungsnormen aus Interviewdaten – sich produktiv ergänzende Erkennt-nisse jenseits meta-theoretischer Kontroversen ergeben können.

Die folgenden Beiträge dieser Festschrift dokumentieren ausschnittsweise die Vielfalt der diskutierten Aspekte. Ype H. Poortinga geht der grundsätzlichen Frage nach, welchen Einfluss der geisteswissenschaftliche kulturpsychologische Forschungsansatz von Lutz H. Eckensberger aus der Perspektive der eher na-turwissenschaftlich arbeitenden Kulturvergleichenden Psychologie hat. Zur Be-arbeitung dieser Thematik gibt er einen Überblick über Eckensbergers Sicht der Beziehung zwischen psychologischen Prozessen und kulturellem Kontext. Dabei greift er drei Themen auf: Zuerst werden die wichtigsten Ideen aus Eckensber-gers Schlüsselpublikationen umrissen. Zweitens werden diese Vorstellungen mit anderen Konzeptionen über die Beziehung von Kultur und Verhalten verglichen. Drittens wird aufgezeigt, weshalb die Kulturvergleichende Psychologie es sich in ihrer zukünftigen Entwicklung kaum erlauben kann, Eckensbergers Ansichten zu ignorieren. Das ist umso bemerkenswerter als Poortinga Eckensbergers Werk über die Jahre hinweg kritisch begleitet hat und selbst einen konkurrierenden theoretischen und methodologischen Ansatz vertritt.

Heiko Breit, langjähriger Mitarbeiter von Eckensberger, erläutert in seinem Beitrag, inwiefern Kultur, Handlung und Demokratie aktuelle gesellschafts- und bildungspolitische Themen sind, und dass sie im Werk von Lutz H. Eckensber-ger einen prominenten Rang einnehmen. Der mit einer Entwicklungsdimension verknüpfte kulturpsychologische Ansatz Eckensbergers ist äußerst fruchtbar für die Klärung der Voraussetzungsbedingungen (enabling conditions) moderner Demokratien. Er rekonstruiert an der Schnittstelle von Individuum und Kultur mögliche Lernchancen und Blockaden für die normativen Grundlagen, die hinter Begriffen wie Kompetenz, Selbstverantwortung, Vertrauen, Solidarität usw. ste-hen. Hierbei geht Breit auf Forschungsarbeiten ein, die die zwei basalen Stränge Eckensbergers Theorie – die Entwicklung moralischer Urteile sowie die Analyse individueller wie kultureller Handlungsebenen und -regulationen – miteinander verknüpfen und dadurch zu einer Kontextualisierung moralischer Urteile führen. Dieser Ansatz ist gerade im Hinblick auf die Debatte über demokratische Kom-petenz sehr vielversprechend.

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Gertrud Nunner-Winkler teilt mit Eckensberger das Bemühen, aufzuzeigen, welchen zentralen Stellenwert normative Regelsysteme, insbesondere Moral, in komplexen Gesellschaften einnehmen. Sie grenzt sich dabei stark von der Be-hauptung Luhmanns ab, in modernen funktional ausdifferenzierten Gesellschaf-ten, die weder Spitze noch Zentrum besäßen, sei Moral weder länger möglich noch nötig. Gegen diese These spricht zunächst, dass eine moderne Minimalmo-ral einer (religiösen) Spitze nicht mehr bedarf und rechtsstaatlich verfasste De-mokratien mit der Öffentlichkeit ein Zentrum haben. Die Fundierung eines in-nerweltlichen Moralverständnisses 'in unser aller Wollen' (Tugendhat) ist struk-turgleich mit den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaats. An eini-gen Beispielen illustriert Nunner-Winkler sodann empirisch, dass die Erhaltung oder Fortentwicklung demokratischer Gesellschaften auf die Ziviltugendhaftig-keit der Bürger notwendig verwiesen ist. Sie unterstreicht damit, wie sinnvoll die Verknüpfung individueller und gesellschaftlicher Aspekte ist.

Ein besonderes normatives Regelsystem nimmt Roland Reichenbach ins Vi-sier: Es wird aufgezeigt, dass die Bedeutung der Zivilität und des Anstands für das demokratische Zusammenleben in modernen Gesellschaften unterschätzt wird. Im demokratiepädagogischen Bereich gehören sie zu den ignorierten und missverstandenen Selbstverständlichkeiten. Der Beitrag diskutiert das Parado-xon, dass einerseits ziviles und anständiges Verhalten als Vorbedingung von Mo-ral, Recht und Politik gelten, dies andererseits jedoch einen Täuschungsethos im sozialen Zusammenleben impliziert. Demokratische Politik kann aber gerade oh-ne Anerkennung fundamentaler Tatsachenwahrheiten oder Wahrhaftigkeit nicht bestehen. Zivilität als Anstand, Abstand von authentischen Gefühlsausdrücken und "schönem Schein" ist mehr als bloße Konvention, denn sie spielt trotz bzw. auch wegen der mit ihr implizierten Täuschung eine entscheidende Rolle im de-mokratischen Gemeinwesen, da ein schonungsloser Wahrheitsanspruch durchaus destruktiv wirken kann. Obschon also der moralische Schein in zivilen Gesell-schaften zulässig oder sogar notwendig ist, bleibt die Überprüfbarkeit von Wahr-heitsansprüchen jedoch unabdingbar.

Wie Eckensberger hat Helen Haste im Verlauf ihrer Forschungsarbeiten ih-re Fokussierung geändert, weg von der individuellen geistigen Entwicklung hin zum Kontext, in dem sich die geistige Entwicklung vollzieht. Sie widmet sich der Frage, wie es zu einem kontinuierlichen Dialog und einer Dialektik zwischen individuellen Gedanken und Kulturprozessen kommen kann. In ihrem Beitrag lo-tet sie Vorstellungen über Kompetenz und die sie umgebenden kulturellen Pro-zesse aus. Das Konzept Kompetenz bedeutet mehr als Fertigkeiten; es ist die Fä-higkeit zur konstruktiven Anpassung an eine sich verändernde Welt sowie zur

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Aufrechterhaltung von Kontinuität in diesem Rahmen. Haste beschreibt und un-tersucht empirisch fünf Schlüsselkompetenzen, die für Bürger des 21. Jahrhun-derts notwendig sind. Hierzu gehören die Bewältigung von Ambiguität und Viel-falt. Agency und Verantwortung, Suchen und Aufrechterhalten von Gemein-schaft, Handhabung/Bearbeitung von Emotionen und technologische Fertigkei-ten. Über die Beschreibung individueller Persönlichkeitsmerkmale hinaus ist ei-ne Analyse nötig, wie das Individuum dialogisch (und dialektisch) mit dem kul-turellen und historischen Kontext interagiert. Diese Kompetenzen sind nicht le-diglich Qualitäten des Individuums; sie sind Qualitäten kultureller Institutionen. Um sie zu verstehen, werden die diskursiven Prozesse genauer analysiert, durch die sie ermöglicht und reproduziert werden.

Jürgen Straub und Maik Arnold präsentieren in ihrer Abhandlung Überle-gungen und Befunde, die in der Tradition einer handlungstheoretisch und kultur-psychologisch orientierten, narrativen Biographieforschung stehen. Die Ausfüh-rungen widmen sich dem missionarischen Handeln von gläubigen Protestanten. Missionarisches Handeln mit dem Ziel der Verbreitung religiösen Glaubens ist zutiefst kulturell geprägt. Seine möglichen Bedeutungen sind sowohl kultureller als auch persönlicher Art. Nach Anmerkungen zum Begriff und zur Praxis der „Mission“ und zum theoretisch-methodischen Rahmen präsentieren sie erste, in-terpretative Analysen ausgewählter Passagen aus narrativen Interviews, die Auf-schluss über wesentliche Motive und Intentionen, Orientierungen, (Selbst- und Welt-)Erfahrungen in interkulturellen Kontexten missionarischen Handelns ge-ben können. Abschließend wird noch die Frage bedacht, was das fragliche Han-deln mit „interkultureller Kompetenz“ zu tun haben könnte – oder ob es mit die-ser Fähigkeit und Fertigkeit, jedenfalls mit den geläufigen theoretischen Be-stimmungen dieser „Disposition“, eher unverträglich und unvereinbar ist. Damit führt die Analyse biographischer Interviews und religiös begründeter Missionen ins Zentrum jener öffentlichen Diskurse unserer Zeit, in welchen Fragen der Achtung und Anerkennung von Anderen und Fremden debattiert werden. Diese Fragen sind nicht allein Angelegenheiten des „objektiven Geistes“ einer Zeit, der in den „säkularisierten“ Gesellschaften längst eine unerwartete „Rückkehr der Religion“ bescheinigt wird. Sie treiben nämlich gerade auch jene Menschen um, die die „Gebote“ der Achtung und Anerkennung von Anderen und Fremden ver-innerlicht haben und dennoch darauf aus sind, just diese Anderen und Fremden im Sinne des missionarischen Auftrags ihrer Religion zu bekehren. Es stellt sich somit die Frage, ob der damit einhergehende Widerstreit vielleicht ein psycholo-gisches Merkmal einer komplexen kulturellen Lebensform ist, die keineswegs nur religiöse und missionarische Gläubige teilen.

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In seinem Epilog reflektiert Lutz H. Eckensberger, biographisch eingebettet, die Beiträge dieser Festschrift aus zwei für ihn grundlegenden Perspektiven: aus einer methodologischen Reflexion auf die Humanwissenschaft (speziell auf die Psychologie) und aus der Bereichsspezifizität sozialer Kognitionen. Die systema-tisierende und integrierende Sicht auf diese Thematik macht deutlich, wie sehr wissenschaftlicher Diskurs weiterhin notwendig ist und wie wichtig es ist, ver-schiedene Ansätze im interdisziplinären Diskurs zu befragen, zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Die Beiträge des Symposiums können ein kleines Stück da-zu beitragen.

Literatur

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22 Heiko Breit/Ingrid Plath/Ines Graudenz

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Abstract/Zusammenfassung

In honour of Lutz H. Eckensberger: Symposium "Culture – Action – Democracy" Context and retrospective

The introductory article presents the concept of the symposium in the context of the cul-tural psychological and action theoretical work of Eckensberger as well as the resulting consequences for a scientific debate on democracy and democratic competency. Demo-cracy implies more than a way of government, it is simultaneously also a lifestyle and worldview that forms an interpretational horizon in which culture, action and democracy are inextricably entwined.

Der einleitende Beitrag stellt die Konzeption des Symposiums im Kontext der kulturpsy-chologischen handlungstheoretischen Arbeiten von Eckensberger und der sich daraus er-gebenden Konsequenzen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über Demokratie und demokratische Kompetenz dar. Demokratie impliziert mehr als eine Regierungsform, sie ist zugleich auch Lebensform und Weltanschauung, die einen Deutungshorizont bildet, in dem Kultur, Handlung und Demokratie untrennbar zusammenhängen.

A relativist in pursuit of the truth: Eckensberger's contribution to the study of psychology and culture

Ype H. Poortinga

Even though the examples on occasion may appear somewhat exotic, they should stimulate reflection on whether the processes, structures or contents involved in them are not significant in counseling generally and, thus, in the German cultural context too (Eckensberger/Plath 2006a: 71; translation, YHP)

This contribution deals with Eckensberger's writings on the relationship between behavior and culture. Throughout his career this has been a central theme, mak-ing up a large part of his work. To keep the argument focused I distinguish three topics: (i) actions as the subject matter of psychology, (ii) ontological and epis-temological considerations, and (iii) morality as a crucible. I will finish with some concluding comments.

The title reflects the outcome of my analysis: In my opinion Eckensberger has been making an important contribution that deserves the attention of all stu-dents of behavior-culture relationships. It is my goal to convey arguments for this opinion and to show that it holds well beyond the social demands and expec-tations of the festive occasion at which I originally presented this paper.

Actions: The subject matter of psychology

For an international audience Eckensberger's orientation to psychology and its subject matter needs to be elucidated, because it deviates fundamentally from what is called "mainstream" psychology. Most central in his work is the notion of a human action, which serves as the conceptual and empirical unit of analysis. To communicate a bit of the flavor of the action concept I will quote from an ar-ticle by Eckensberger and Meacham published in 1984 (167)1:

1 The same quotation can also be found in a textbook on cross-cultural psychology (Berry et al., 2002).

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... imagine a tree. Standing next to the tree is a person. The person has an axe and is chopping down the tree. What is happening here? How can we as social scientists understand the situation? ... We can begin by assuming that the chopping of the tree relates to a future goal of this person, for example, so that the tree can be cut into boards to build a house. Further, we can assume that the person has considered vari-ous means by which the tree might be chopped down. For example, a saw might be used instead of an axe. After considering these and other means for chopping down the tree, the person made a free choice among these, and chose the axe. Now the person is chopping. He or she may be thinking about many things, ... [but when asked] the person will be able to set aside these thoughts of other things, and become conscious of the fact that he or she is chopping down the tree ... he or she under-stands that if, as an unintended consequence of chopping down the tree, birds lose their home, then he or she would be responsible for this, for he or she has made the decision to chop down the tree.

This example portrays that an action is structured by some future goal; that there is a choice among alternative means to reach the goal; that the acting person can be aware of the goal and the means employed; and that the actor can anticipate the consequences, intended as well as unintended, and will accept the responsi-bility for these. Neither the individual nor the situation can be considered in iso-lation; the action encompasses both (e.g., Eckensberger 1979a, 1989).

Actions are intentional: the intent of an action is the intended consequence or goal (Eckensberger 2001a). An intentional state implies a content (e.g., a tree) and a psychic mode (i.e., the person can wish to chop a tree, imagine the chop-ping, etc.). Intentions are goal directed (i.e., they have finality) and should be understood in terms of reasons rather than causes.

Following Janet and Boesch, Eckensberger distinguished two levels of ac-tions, primary actions directed towards the outside world and secondary or regu-lative actions concerned with the regulation of actions (including norms, laws, and moral standards). Later he added a third level, tertiary actions that are con-cerned with reflections on the self (e.g., Eckensberger 1990, 1995,1996a). Hu-mans, and only humans, have control over their actions, subjectively perceived as free will, they can reflect on their actions and on themselves as agencies. Thus, there is a potential for self-reflexivity. Our species is the only one that can decide not to follow natural laws (Eckensberger 2001a: 46). However, humans as autonomous agents follow cultural rules. Cultures are considered as action fields or, in Shweder's (1990) terminology, as "intentional worlds".

Following Habermas (1981), Eckensberger (e.g., 1996b) has drawn a sharp distinction between interactions with the natural environment and with the social environment by defining two types of human agency. The first type of action is effect oriented and instrumental, involving causal explanation. The second type

A relativist in search of the truth 27

is oriented towards the social environment (the others with whom you interact); it is geared towards communication and understanding. Agents have goals, con-victions, intentions, and action readiness.

The centrality of the action concept is perhaps most clearly elucidated in a review chapter by Eckensberger and Plath (2006b), in which human action and its development are presented as the systematic framework for social cognition. Most of the distinctions mentioned so far are also found here. Perhaps worth not-ing is the explicit recognition in this work of the elusiveness of actions. Eckensberger and Plath (2006b: 433, translation YHP) argue:

The content [of an action] cannot be directly derived from the flow of behavior, be-cause each action can be based on several intentions, and each intention can be reali-zed through several modes of behavior (the action is underdetermined, open to mul-tiple interpretations).

All in all, the concept of action is at the core of an elaborate analytic approach to everyday overt and covert behavior and how it appears to us when we try to make sense of it. Eckensberger aspires to be comprehensive and to capture human activity and contemplation in all its elaborations. In one schematic over-view (Eckensberger 1995, 1996b) one finds 19 frames (mostly nested), 25 arrows and close to 100 concepts and terms. Eckensberger is well aware that his conceptualizations far exceed those of a theory; his work constitutes an attempt to formulate a meta-theory.

There are two points I wish to submit. First, the action concept is extensive and this makes it difficult to derive necessary and sufficient conditions for test-ing ideas which derive from the concept and its theoretical elaborations. Second, this analytic orientation has a strength that is seriously lacking in much of con-temporary psychology.

If we look at the subject matter of chemistry and biology, the periodical sys-tem of elements or the structure of DNA are certainly not less complex than Eckensberger's rich schemes defining action. However, in these sciences the various elements are demonstrably tied to the lead structure in ways that are replicable across studies and across researchers. The construction of a theory of actions can be considered as an action itself; there is a goal, an intention, an ac-tion with respect to the world, etc. If so, this action comes with all the character-istics of an action, including a choice of alternatives, as explicitly mentioned in the cited example, as well as in other places (e.g., Eckensberger/Reinshagen 1980: 110). The point is that in a complex action the number of steps and choices is so large that it is beyond control or validation. In other words, methodological

28 Ype H. Poortinga

standards to decide between two interpretations of an action become elusive. Eckensberger and Meacham (1984) argue that minor changes in a situation can lead to major changes in its meaning. In my view this elusiveness is not merely a logical paradox (of the type that the Cretan is saying that all people from Crete are lying), but a real problem of empirical research on actions that needs further elucidation.

Let me turn to the second point (my perception of the major strength of Eckensberger's theorizing). There is much more to an action than to a stimulus-response (S-R), or a stimulus-organism-response (S-O-R) configuration. More-over, many mainstream theories about complex behavior take a rather simple viewpoint on how psychological functioning can be compartmentalized. Often research is carried out on a presumed attribute, quality or style of the person (called a "hypothetical construct") that is examined in isolation from other con-structs. A construct tends to be defined in first instance on the basis of some re-searcher's insights. A set of items is then written which together supposedly rep-resent it. Even limited evidence of coherence between the items is interpreted as support for "construct validity"; on this basis the set of items is considered to form an "operationalization" of the concept. Such ideas rightly have been criti-cized by Eckensberger (2002). Bridgman (1961), the father of operationalism, originally emphasized measurement operations as the defining characteristic of concepts. However, the items of a questionnaire for a postulated personality trait, cognitive style or social attribute provide at best a survey of a domain of behav-iors. This is a form of representation hardly deserving the qualification "mea-surement" and certainly not the qualification "operational measurement". Of course, this is widely realized; we tend to use the more innocuous term "assess-ment" to cover the underlying problems.

In summary, action is a rich concept with greater scope for precision than the more neutral term behavior. Psychology defined as the science that analyzes actions provides an alternative to currently dominant approaches. The specific contribution of Eckensberger to this lies in the depth of penetration of his analy-ses, of which examples are given below.

Ontological and epistemological considerations

Reasons for actions imply meaning; the analysis of meaning requires interpreta-tive methods of scientific analysis (e.g., Eckensberger 2001a). Actions and meaning were introduced forcefully in the cross-cultural arena by Eckensberger's (1979b) contribution to the proceedings of an international conference that he

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himself organized in 1977 (i.e., thirty years ago). This chapter entitled: "Ametamethodological evaluation of psychological theories from a cross-cultural perspective", I still see as a magnum opus. Eckensberger described five meta-physical "world views", called "models of man", that each lead to a distinct sci-entific paradigm, or family of theories. For a model to be acceptable for cross-cultural research (i) it has to be able to explain both culture and behavior, (ii) it has to incorporate development at both the individual and the cultural level, and (iii) it has to maintain the uniqueness of a concrete event for a specific person within general laws or concepts. This is a steep order.

The first model that Eckensberger distinguishes entails descriptions in for-mal (i.e., mathematical) language of relationships between the individual and the environment. There is no substantive psychological theory. The second model postulates causal relationships between the environment and the individual; clas-sical learning theories in which the environment is antecedent and the behavior or behavior change is the outcome are a good example. The third model incorpo-rates ontogenetic development; Piaget's theory of cognitive development is the most outstanding case. Here the relationship between environment and indivi-dual is functional. The fourth model considers the relationship between indivi-dual and environment as part of a system with a strong phylogenetic component. Psychobiological theories belong to this model. Having culture is human and cultural patterns are explained as adaptations to the environment. Relationships between individual and environment can be analyzed in both functional and causal terms.

The fifth model is the model of potentially self-reflexive humans who can think about themselves and about their own actions. This model specifies a dia-lectic relationship between the environment and the individual. Eckensberger is explicit in his preference for this model. In his view it is the only one of the five models that meets the three conditions mentioned at the outset.

First, the theoretical basis of this model is action theory, which allows analysis of concrete events, as demonstrated in the example of the tree chopping. At the same time, culture is also the result of human action, made explicit, for example, in Herskovits' (1948) well-known definition of culture as the man-made part of the environment.

Second, development is incorporated in the model at three levels, (i) as the goal-setting, or genesis of the concrete action, (ii) as ontogeny (individual deve-lopment) in changes of frames of reference associated with stages and age levels (see below for levels of moral judgment), and (iii) as cultural change over his-torical time.