Innerbetriebliche Burnout -Prävention: Relevanz von ...€¦ · Burnout Research 3.2 (2016):...
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Innerbetriebliche Burnout-Prävention: Relevanz von Führungsstil und
individuellen Persönlichkeitsfaktoren
Dr. med. Hildburg Porschke Stv. CEO/Medizinische Direktorin
Dr. med. Doris Straus CEO/Medizinische Direktion
Oberwaid Kurhotel & Privatklinik
Copyright by Hildburg Porschke

Was erwartet Sie?
1. In Kürze: Was ist ein Burnout? 2. Die persönliche Resilienz 3. Burnout relevante Persönlichkeitsfaktoren 4. Resilienz im Team und Unternehmen stärken

eine kontroverse Situation… Idealisierung der Effizienzsteigerung
Die mittlere nächtliche Schlafdauer hat in den westlichen Industrienationen im letzten Jahrhundert um 2 Std. abgenommen
Die Produktivität pro Arbeitsstunde hat um 255% seit 1960 zugenommen

Steigendes Stressniveau in der Schweizer Erwerbsbevölkerung
34 % der Schweizer Erwerbsbevölkerung fühlen sich branchenunabhängig häufig oder sehr häufig gestresst (2000 waren es 27%)
25% berichten das Gefühl, bei der Arbeit emotional verbraucht zu sein (=Indiz für Burnout-Gefährdung)
Quellen: Stress Studie 2010: Stress bei Schweizer Erwerbstätigen - Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen, Personenmerkmalen, Befinden und Gesundheit (SECO)

Steigendes Stressniveau in der Schweizer Erwerbsbevölkerung
Stress bedingter Präsentismus & Absentismus kostet Schweizer Unternehmen jährlich ca. 5 Mrd. CHF
Job-Stress-Index 2015. Kennzahlen zu psychischer Gesundheit und Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz.

Burnout-Prozess
Erste Warnzeichen: gesteigerter Einsatz für Ziele, Überstunden, Erschöpfung oder vegetative Überreaktion
Reduziertes Engagement: neg. Einstellung zur Arbeit, reduzierte soziale Interaktionen, „Dienst nach Vorschrift“
Emotionale Reaktionen: Selbstzweifel, Pessimismus, Leere, Energiemangel, Schuldzuschreibung an andere
Abnahme von... Kognitiven Fähigkeiten, Motivation, Kreativität
Abflachen ... des emotionalen und sozialen Lebens und von Interessen
Psychosomatische Reaktionen Schlafstörungen, Schmerzen, Sucht
Depression und Verzweiflung Gefühl von Sinnlosigkeit, Selbstmordgedanken
Stress
Burnout
Depressive
Symptomatik
Klinische
Depression
nach Burisch 2005, Shirom & Melamed 2005

Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen nach Siegrist 1996
Extrinsisch Anforderungen Zeitdruck Verantwortung
Intrinsisch Persönliche Initiative Kompetenzen Kompensationen
Entlohnung Anerkennung / Wertschätzung Arbeitsplatzsicherheit

Das Anforderungs-Kontroll-Modell
nach Karasek / Theorell 1990
Geringe
Identifikation?
Sandwhich Position
?
Keine
Grenzen ?
Bore-out
?

Stressmodell nach Lazarus
Situation (Stressor)
Person
Kann ich mit meinen Ressourcen diesen Stressor bewältigen?
Ja nein
Adäquates Coping Stress
Interpretation
Wahrnehmung

Stress- und Resilienz-relevante
Persönlichkeitsfaktoren

Was ist Resilienz?
Belastbarkeit, Elastizität, Spannkraft Die Fähigkeit von Individuen oder Systemen
(z.B. Betriebe) mit belastenden Situationen umzugehen ohne wesentlichen Schaden zu nehmen

Die Quellen unserer Resilienz persönliche Erfahrung Situationsbewertung Selbsteinschätzung
soziale Unterstützung
psychovegetative Regulation

Persönliche Grundstruktur
Genetik / Epigenetik Stressverarbeitung: Stresstoleranz und Selbstberuhigung
Bindungserfahrungen Grundsicherheit «Urvertrauen» soziale Kompetenz
Grundstruktur der Resilienz

Grundbedürfnisse
Selbstwert – Vergleich mit anderen Orientierung (Sinn) - Zweifel Kontrolle (Sicherheit) - Neugier Bindung - Autarkie Versorgung/Abhängigkeit - Unabhängigkeit Wohlbefinden, Ruhe - Aktivität Freude, Anerkennung – Konkurrenz, Konflikte
Resilienz bedeutet: Aushalten von Ambivalenz / inneren Konflikten

Grundbedürfnisse
Psychodynamik der Konflikte, Beispiele
« die Macher », « die Einzelkämpfer » Anerkennung vs. Ruhebedürfnis Selbstwertstabilisierung über extreme Selbst- & Leistungserwartung über die eigenen Grenzen gehen, häufig ohne es zu merken « die Team-Mami », Altruistische Kontrolle vs. Versorgung, Unabhängigkeit vs. Beliebtheit/Bindung das Umfeld über Versorgung kontrollieren, Sicherheit, Anerkennung, Macht
« die Perfektionisten » Sicherheit vs. Schuld und Scham Selbstwertstabilisierung über Perfektion, ja keine Fehler machen

Untersuchung von Burn-out relevanten
Regulationsmustern

Narzissmus und Burnout
Narzissmus ist klar mit Burnout korreliert
Narzissmus erklärt auch nach statistischer Kontrolle von sozioökonomischem Status und anderen psychischen Variablen einen klinisch relevanten Anteil des Burnouts
Schwarzkopf, K, Straus D, Porschke H, von Känel R. "Empirical evidence for a relationship between narcissistic personality traits and job burnout." Burnout Research 3.2 (2016): 25-33. Schwarzkopf K, Straus D, Porschke H, von Känel R. Einmal Burnout ist nicht immer Burnout: Eine stationäre multimodale Psychotherapie ist eine effektive Burnout-Behandlung. Praxis 2016; 105 (6): 315–321.

Klassisch Narzisstisches Selbst Eigene Grandiosität, idealisierte Vorbilder, Gier nach Bestätigung, Wut/Racheimpulse
Das bedrohte Selbst Fragilität, Impulskontrollverlust, Negatives Körperselbst, sozialer Rückzug
Hypochondrisches Selbst Ängste um körperliche Integrität, Körperliche Störungen sind verantwortlich für persönliches Versagen
Idealistisches Selbst Autarkie- und Werte-Ideal
Daig I et al, (NI-20), Psychopathology 2010;43: 150-158

Alexithymie Schwierigkeiten bei Wahrnehmung,
Beschreibung und Ausdruck von Gefühlen Gefühlsbedingten Körperreaktionen werden
als angstbesetze Störung / Krankheit erlebt Extern orientierter Denkstil: Einschränkung des
analytischen Interesses und der Reflexion problematischer Situationen
Frage: Abwehrmodus oder Risikofaktor? Vom Erfolgskonzept zur Falle?
Deutsche Version von Kupfer J., Brosig B., Brähler E. 2001

Alexithymie Prävalenz (Fähigkeit zur emotionalen Selbstwahrnehmung)
Franz et al. 2008: Alexithymia in the German general population. In: Social Psychiatry &Psychiatric Epidemiology, JG.43, H1, S.54-62
0% 10% 20% 30% 40%
Burnout
Allgemeinbevölkerung

Persönlichkeitsfaktoren wie emotionale und Selbstwertregulation beeinflussen
bei uns allen Stresserleben und Resilienz stark
Sie können Schutz oder Risiko sein
Wir nutzen sie im Selbstmanagement und in der Führung

Gute Führung als Stresspuffer Die Management-Tools:
Positives Feedback Klare Aufgabenbereiche und Erwartungen Wertschätzung Gestaltungsmöglichkeit Autonomie und
Selbstständigkeit Soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und
Kollegen

Berücksichtigung von Persönlichkeitsfaktoren in der Burnout-Prävention
Individualisierte Führung, insbesondere bei neuen Arbeitsformen (Homeoffice, Fluide Teams, etc.)
Konflikte und Ambivalenzen bei sich selbst und anderen Wahrnehmen und akzeptieren

Berücksichtigung von Persönlichkeitsfaktoren in der Burnout-Prävention
«die Macher» - brauchen Anerkennung und Begrenzung
ein «bedrohtes Selbst» Transparenz, bestätigende und fordernde feedback-Schleifen, nicht ängstigen und kränken
soziale Unterstützung im Team fördern und der «Team-Mami» andere Aufgaben zugestehen

Neue Führungskompetenzen
Selbstwahrnehmung Selbstregulation
soziale Kompetenz

Prävention der Führungskraft ...von der persönlichen zur Team-Resilienz
Selbstwahrnehmung -> Empathie
Selbstregulation -> Sozialkompetenz
Selbstsorge -> Soziale Unterstützung
Individuelles Coaching

Prävention der Führungskraft ...von der persönlichen zur Team-Resilienz
Selbstwahrnehmung -> Empathie
Selbstregulation -> Sozialkompetenz
Selbstsorge -> Soziale Unterstützung
Training sozialer Kompetenz z.B. Balint Gruppen für Führungskräfte

Take Home Messages
Selbstwahrnehmung & Selbstregulation sind Voraussetzungen guter Führung
Berücksichtigung von Persönlichkeitsfaktoren (u.a. Ambivalenzen und innere Konflikte der Mitarbeitenden) kann helfen die Identifikation und Mitarbeiterbindung zu fördern
Einzel- & Gruppen-Coaching kann zur eigenen Entlastung, Stärkung der Selbstwertregulation und Training der sozialen Kompetenz beitragen
Persönlichkeitsfaktoren Narzissmus und Alexithymie sind veränderbar

Die Gesundheit des Menschen ist kein Kapital,
das man aufzehren kann, sondern sie ist überhaupt nur dort vorhanden,
wo sie jeden Augenblick neu erzeugt wird
Viktor von Weizsäcker

Prävention der Führungskraft ...von der persönlichen zur Team-Resilienz
Selbstwahrnehmung -> Empathie
Selbstregulation -> Sozialkompetenz
Selbstsorge -> Soziale Unterstützung
Training sozialer Kompetenz z.B. Balint Gruppen für Führungskräfte


Prävention der Führungskraft ...von der persönlichen zur Team-Resilienz
Selbstwahrnehmung -> Empathie
Selbstregulation -> Sozialkompetenz
Selbstsorge -> Soziale Unterstützung
Individualisiertes Coaching für Mitarbeitende & Unternehmung

Stressreaktion- die Stress-Achsen
Stress
Stressreaktion: • Anstieg Blutdruck,
Herzfrequenz, Blutzucker und Muskeltonus
• Angst und kognitive Einengung
«Fight or Flight»
Kampf - Aggression oder
Rückzug - Depression
Nebenniere
1. Sympathicus Adrenalin Noradrenalin
2. HHN-Achse

Dauerstress – chronische Stressreaktion
Stress
• Hypertonus • Herz-Kreislauf-Erkrankungen • Thromboseneigung
• Stoffwechselstörung/Risiko • Diabetes • Osteoporose • Adipositas
• Schlafstörungen • Immunsuppression • Chronische Entzündung • Autoimmunerkrankungen • Allergien
Nebenniere
1. Sympathicus
2. HHN-Achse

Die Gegenspieler bei der Stressregulation
vegetatives Nervensystem & Hormone
Balance zwischen Aktivität und Passivität
Sympathikus «Action»
Adrenalin Kampf, Flucht
Cortisol Energiebereitstellung
Parasympathikus Ruhe
Oxytocin Soziale Bindung
Wachstumshormon Regeneration Melatonin
Schlaf


Das Anforderungs-Kontroll-Modell
Besonders wichtig: soziale Unterstützung (Vorgesetzte, Kollegen, persönliches Umfeld)

Wann gerate ich in Stress? Zeitdruck, Konflikte... Womit setze ich mich selbst unter Druck? „ich muss …“
Wie reagiere ich auf Stress? Körperlich & psychisch
Stressoren
Erwartungen Einstellungen
Stressreaktion
Dauerstress
Erschöpfung/Krankheit
Einfluss von Persönlichkeit auf Stresserleben

Selbstmanagement zur Prävention von Dauerstress
Wann gerate ich in Stress? Zeitdruck, Konflikte... Womit setze ich mich selbst unter Druck? „ich muss …“
Wie reagiere ich auf Stress? Körperlich & psychisch
Stressoren
Erwartungen Einstellungen
Stressreaktion
Erholung
Erschöpfung/Krankheit
Selbstwertregulation
Entspannungsfähigkeit & Selbstfürsorge
Abgrenzung
Selbstwertregulation

Was ist Coaching?
Selbstentlastung
Stärkung der eigenen Persönlichkeit
Eigene Motivation und Konflikte kennenlernen
Stärkung der Selbstwertregulation & (dadurch) der sozialen Kompetenz

Was sind Balint Gruppen?
Selbstentlastung
Stärkung der eigenen Persönlichkeit
Eigene Motivation und Konflikte kennenlernen
Stärkung der Selbstwertregulation & (dadurch) der sozialen Kompetenz

Stress ist nicht gleich Stress
Die akute Stressreaktion ist überlebenswichtig Stress ist unvermeidlich
Stress macht kreativ
Dauerstress kann krank machen muss er aber nicht

Burnout-Symptome nach Maslach* chronisches Erschöpfungssyndrom „Ich kann nicht mehr“
Depersonalisierung und Zynismus gegenüber der Arbeit „Wozu mache ich das alles?“
reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit „Schaffe ich das alles noch?“
Psychosomatische Beschwerden
(individuelle Stressreaktion) *Operationalisierung - Maslach-Burnout-Inventar

aktuelle medizinische Perspektive
Das Burnout-Syndrom als stressinduzierte Systemerkrankung
betrifft Körper, Geist und Seele
Es bezeichnet sowohl einen Risikozustand als auch einen Prozess

Burnout erkennen - typische (Früh)Warnsymptome
Gehetztheit, Nervosität und chronische Anspannung Verminderte Emotionskontrolle (Reizbarkeit, Tränen, Apathie) Sozialer Rückzug Schwierigkeiten beim Zuhören, Ungeduld Leistungsabfall (Konzentration↓, Verzettelung) Nachlassendes Engagement Unfähigkeit abzuschalten nach Burisch 2011