Inneren Widerstand verstehen - Tabula...

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1 Inneren Widerstand verstehen Wer eine bedeutsame Veränderung durchführen möchte, trifft dabei mit großer Wahrscheinlichkeit auf Widerstand. Es kommt häufig vor, dass sich betroffene Personen gegen Veränderungen wehren. Hausbewohner stellen sich gegen Renovierungsarbeiten, weil diese eine Mieterhöhungen mit sich bringt oder Arbeitnehmer sehen den Nutzen in Reorganisationen nicht. Dies wirft die Frage auf, ob die Art zu kommunizieren ein Faktor beim Auftreten von Widerstand ist. Mit anderen Worten, können Kommunikationsberater dafür sorgen, dass Widerstand keinen Nährboden findet oder ist die Entstehung von Widerstand unvermeidlich? Natürlich kann man Widerstand als ein unvermeidbares Phänomen akzeptieren. Dies ist sicherlich anzuraten, wenn es um Situationen geht bei denen Widerstand nicht zu vermeiden ist. Wie zum Beispiel der Bau einer Anlaufstelle für Drogenabhängige in einer Wohngegend. In anderen Situationen kann man Widerstand jedoch vorbeugen, zügeln oder neutralisieren. In manchen Fällen ist das Vorbeugen von Widerstand sinnvoll sowie legitim. Zum Beispiel kann eine kleine Gruppe von Personen eine Entwicklung blockieren, was zur Folge hat, dass eine große Gruppe Personen behindert wird oder Schaden nimmt. Ein gutes Beispiel für so eine Situation ist eine kleine Gruppe Personen die eine finanziell nötige Verkleinerung eines Betriebs aufhalten. Eine Verkleinerung, die wenn sie gar nicht oder zu spät durchgeführt wird, zur Entlassung einer großen Anzahl Mitarbeiter führt. Wer nicht sachgemäß mit Widerstand umgeht, läuft Gefahr, dass zwei Lager entstehen. In Sozialpsychologischem Jargon nennt man dies in- und outgroup. In diesem Fall dringen die Argumente der einen Gruppe nicht mehr zu der anderen Gruppe durch. Außerdem neigt man in diesem Fall dazu an seinem einmal öffentlich geäußertem Standpunkt festzuhalten. Dies ist eine Eigenschaft von Menschen: Wir wollen konsequent (konsistent) sein in unserem öffentlichen Handeln. Die Folge davon ist jedoch, dass Situationen sich festfahren. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen haben wichtige neue Erkenntnisse und Interventionen hervorgebracht über das Vermeiden oder Neutralisieren von Widerstand (natürlich innerhalb gewisser Grenzen). Jeder kann sich vorstellen, dass sozialpsychologische Interventionen um Widerstand zu zügeln nicht sonderlich viel Effekt hat bei drastischen Kürzungen und Sparmaßnahmen in EU-Ländern, die einen Teil der Bevölkerung in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringt. Ebenfalls bei einem Thema wie dem Lagern von CO 2 im Erdboden, wie zum Beispiel im holländischen Ort Barendrecht, können sozialpsychologische Interventionen nicht viel ausmachen. Wer wartet denn schon darauf, dass seine Wohngegend als Versuchs(gebiet) genutzt wird?

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Inneren Widerstand verstehen

Wer eine bedeutsame Veränderung durchführen möchte, trifft dabei mit großer Wahrscheinlichkeit auf Widerstand. Es kommt häufig vor, dass sich betroffene Personen gegen Veränderungen wehren. Hausbewohner stellen sich gegen Renovierungsarbeiten, weil diese eine Mieterhöhungen mit sich bringt oder Arbeitnehmer sehen den Nutzen in Reorganisationen nicht. Dies wirft die Frage auf, ob die Art zu kommunizieren ein Faktor beim Auftreten von Widerstand ist. Mit anderen Worten, können Kommunikationsberater dafür sorgen, dass Widerstand keinen Nährboden findet oder ist die Entstehung von Widerstand unvermeidlich? Natürlich kann man Widerstand als ein unvermeidbares Phänomen akzeptieren. Dies ist sicherlich anzuraten, wenn es um Situationen geht bei denen Widerstand nicht zu vermeiden ist. Wie zum Beispiel der Bau einer Anlaufstelle für Drogenabhängige in einer Wohngegend. In anderen Situationen kann man Widerstand jedoch vorbeugen, zügeln oder neutralisieren. In manchen Fällen ist das Vorbeugen von Widerstand sinnvoll sowie legitim. Zum Beispiel kann eine kleine Gruppe von Personen eine Entwicklung blockieren, was zur Folge hat, dass eine große Gruppe Personen behindert wird oder Schaden nimmt. Ein gutes Beispiel für so eine Situation ist eine kleine Gruppe Personen die eine finanziell nötige Verkleinerung eines Betriebs aufhalten. Eine Verkleinerung, die wenn sie gar nicht oder zu spät durchgeführt wird, zur Entlassung einer großen Anzahl Mitarbeiter führt. Wer nicht sachgemäß mit Widerstand umgeht, läuft Gefahr, dass zwei Lager entstehen. In Sozialpsychologischem Jargon nennt man dies in- und outgroup. In diesem Fall dringen die Argumente der einen Gruppe nicht mehr zu der anderen Gruppe durch. Außerdem neigt man in diesem Fall dazu an seinem einmal öffentlich geäußertem Standpunkt festzuhalten. Dies ist eine Eigenschaft von Menschen: Wir wollen konsequent (konsistent) sein in unserem öffentlichen Handeln. Die Folge davon ist jedoch, dass Situationen sich festfahren. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen haben wichtige neue Erkenntnisse und Interventionen hervorgebracht über das Vermeiden oder Neutralisieren von Widerstand (natürlich innerhalb gewisser Grenzen). Jeder kann sich vorstellen, dass sozialpsychologische Interventionen um Widerstand zu zügeln nicht sonderlich viel Effekt hat bei drastischen Kürzungen und Sparmaßnahmen in EU-Ländern, die einen Teil der Bevölkerung in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringt. Ebenfalls bei einem Thema wie dem Lagern von CO2 im Erdboden, wie zum Beispiel im holländischen Ort Barendrecht, können sozialpsychologische Interventionen nicht viel ausmachen. Wer wartet denn schon darauf, dass seine Wohngegend als Versuchs(gebiet) genutzt wird?

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Drei Arten von Widerstand

In den letzten Jahren wurde in dem Bereich der Sozialpsychologie viel nach Widerstand geforscht. Man unterscheidet drei Arten von Widerstand: Reaktanz, Skepsis und Inertia. Die Art und Weise wie Widerstand sich manifestiert und wie man darauf reagieren sollte, bietet eine Handlungsstrategie für Kommunikationsberater. Die Kernbotschaft ist: Stimmen Sie Ihre Kommunikationsstrategie auf die Art des Widerstandes ab, der auf der Lauer liegt. So kann eine effektive und für alle Beteiligten zufrieden stellende Lösung gefunden werden.

Reaktanz

"Du nimmst mir was weg" Reaktanz kommt zum Vorschein, wenn Menschen sich in Ihren Möglichkeiten eingeschränkt fühlen: Dies führt zu Bemühungen um die ‚verlorene Freiheit’ wieder herzustellen. Zum Beispiel, wenn die Parkmöglichkeiten von Hausbewohnern eingeschränkt zu werden drohen durch den Bau eines Altenheimes auf der anderen Straßenseite. Das bringt selbstverständlich auch viele Besucher mit sich, die Parkplätze benötigen. Es besteht die subtile Chance, dass Bewohner sich versuchen gegen den Bau des Altenheimes zu wiedersetzten und versuchen andere Nachbarn zu mobilisieren um sich zu beschweren. Je wichtiger die bedrohte Freiheit für jemanden ist, desto größer der Widerstand. Wenn zum Beispiel die Parkmöglichkeiten in dem Gebiet sowieso schon beschränkt sind, dann wird der Widerstand um so größer sein. Gibt es effektive Möglichkeiten um diese Form von Widerstand zu vermeiden? Kann man verhindern, dass der nicht zu vermeidende Widerstand (denn erfreulich ist es natürlich nie wenn Parkplätze eingeschränkt werden) von einem schwelenden Feuerchen zu einem lodernden Brand ausartet? Es folgen ein paar wissenschaftlich fundierte und in der Praxis bewehrte Techniken.

Widerstand erkennen

Wenn eine Maßnahme nicht erfreulich ist oder Nachteile für den Gesprächspartner mit sich bringt, kann es effektiv sein den Widerstand selbst zur Sprache zu bringen. Diese Strategie ist zu empfehlen, wenn schon Widerstand vorhanden ist oder dieser schwierig zu vermeiden scheint. Wie zum Beispiel in dem Fall von starker Lärmbelästigung durch längerfristige Bauarbeiten. Die Effektivität von dieser Strategie wurde mit einem amüsanten Experiment bewiesen, in dem die Untersuchungsleiterin eine Person auf dem Weg zur Post ansprach. Die Untersuchungsleiterin erzählte, dass Sie spät dran sei für eine Vorlesung aber der Brief unbedingt heute noch zur Post müsse. Danach fragte Sie: "Ich habe es sehr eilig. Könnten Sie diesen Brief für mich in einen Briefkasten werfen?" 71% der Versuchspersonen stimmte zu. In der anderen Versuchsgruppe formulierte die Untersuchungsleiterin ihre Bitte folgendermaßen: "Ich habe es sehr eilig. Ich verstehe wenn Sie dies nicht machen wollen, aber könnten Sie diesen Brief für mich in einen Briefkasten werfen?" In diesem Fall stimmten 100% der Versuchspersonen zu (Knowles & Riner, 2007).

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Unhöfliches und direktives Auftreten vermeiden

Im Gegenteil zu der Überzeugung, dass man schlechte Neuigkeiten gleich überbringen sollte, ist es kontraproduktiv um Botschaften auf eine unhöfliche oder direktive Weise zu vermitteln. Im Stile von: „Ich sage es Ihnen lieber gleich, Sie müssen in innerhalb von einem Jahr aus ihrem Haus ausziehen." Der Widerstand ist in diesem Falle größer, als wenn man die Botschaft subtiler kommuniziert hätte. Zum Beispiel durch den Widerstand erst zu erkennen.

Die Bitte minimalisieren

Die even-a-penny-technique ist eine Möglichkeit um eine große Bitte zu minimalisieren. Diese Intervention bietet gute Möglichkeiten für das Gesundheitswesen. Wer Übergewicht hat, und sich viel bewegen muss anstelle von auf dem Sofa zu sitzen und fernsehen, wird nicht erfreut sein wenn er vier Abende pro Woche intensiv in Fitnessstudio trainieren soll. Wenn er jedoch den Ratschlag bekommt, jeden Abend ein Viertelstunde in Ruhe spazieren zu gehen, wird dies weniger Widerstand hervorrufen. Dieses erhöht die Chance für eine erfolgreiche Verhaltensänderung: Wer merkt, dass eine Viertelstunde spazieren gehen gut zu schaffen ist, macht eher weiter, als wenn er schon nach fünf Minuten intensivem Training im Fitnessstudio außer Atem ist. Eine andere bekannte Technik schließt hier gut an, die foot-in-the-door-technique. Wer eingestimmt hat um jeden Abend eine Viertelstunde spazieren zu gehen, stimmt wahrscheinlich auch schneller zu um zum Beispiel auch am Wochenende zwei Spaziergänge zu machen. Und danach um die Dauer des Spaziergangs zu verlängern.

Skepsis

"Du kannst mir viel erzählen" Es wird von Skepsis gesprochen, wenn die Zielgruppe die Botschaft nicht glaubt (zum Beispiel bei einer Reorganisation) oder über die Richtigkeit davon zweifelt (zum Beispiel Outsourcing der Produktion in ein Entwicklungsland). Eine Möglichkeit um Widerstand durch Skepsis zu vermeiden, ist öffentlich Garantien zu geben: "Es wird keine Entlassungen geben." "Wir garantieren Ihnen, dass nach den Renovierungsarbeiten zurück in Ihre Wohnung können ohne eine Mieterhöhung zu bekommen." Bei einigen Menschen resultiert dies in der Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Am besten ist es natürlich, wenn man sich inhaltlich nicht festlegen muss, durch Beschwerden der anderen Partei zu widerlegen. Wer starke Argumente hat um dem Widerstand des anderen entgegen zu setzen, sollte hier vorsichtig mit umgehen. Jemandem mit starken Gegenargumenten zu konfrontieren birgt ein großes Risiko. Der andere fühlt sich möglicherweise in die Enge getrieben oder (noch schlimmer) lächerlich gemacht. Der Abstand zwischen den Lagern wird dadurch größer und es wird immer schwieriger um zueinander durch zu dringen. Kurzfristiger Gewinn wird so zu langfristigem Verlust. Wenn Sie also über starke Gegenargumente verfügen, ist es empfehlenswert auf eine Art und Weise zu kommunizieren, dass eine Konfrontation vermieden wird.

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Inertia

"Warum sollte ich etwas verändern?" In dem Falle von Inertia haben Menschen kein Bedürfnis für Veränderung. Manchmal wollen Menschen einfach keine Veränderung. Sie wollen in Ruhe gelassen werden: "Wir haben schon so viele Reorganisationen mitgemacht, reicht das jetzt nicht mal?" Oder sie wollen die jetzige Situation beibehalten: "Es ist doch gut so wie es ist? Warum müssen wir uns unbedingt mit der anderen Firma zusammenschließen?" Mit Inertia umzugehen ist nicht einfach. Vor allem, weil Menschen meistens kein ausreichendes Interesse haben für Veränderung. Auch starke Argumente helfen hier nicht weiter: denn damit stößt man nicht auf Interesse. Kleine Schritte machen anstelle von einer großen Veränderung können in diesem Falle eine gute Strategie sein. Die Zielgruppe kann sich so langsam an die Veränderung gewöhnen. Außerdem ist es wichtig, nicht gleich zurückgewiesen zu werden (lattitude or rejection). Das ist nämlich der Fall, wenn die Veränderung einen größeren Rahmen annimmt als für die Zielgruppe akzeptabel ist.

Die Psychologie des Widerstands ist unentbehrlich

Aus den drei Arten von Widerstand die hier beschrieben worden sind, wird deutlich dass Kommunikationsberater es sich schwieriger machen können als es nötig ist. Bei der Durchführung von Veränderungen kann man auf vermeidbaren Schwierigkeiten stoßen, vor allem wenn man die Psychologie des Widerstands nicht kennt. Ungeschickte Kommunikation oder eine nicht gut überlegte Kommunikationsstrategie kann sogar Widerstand hervorrufen und bringt einen so vom Regen in die Traufe. dr. Bert Pol