Innovationssystem in centrope - wien.gv.at · Innovationssystem in centrope Regionale Perspektiven...

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Innovationssystem in centrope Regionale Perspektiven für den FTI-Standort Wien Studie des europaforum wien und des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF im Auftrag der Stadt Wien MA 23 Wirtschaft, Arbeit und Statistik AutorInnen: Barbora Chen europaforum wien Donia Lasinger WWTF Johannes Lutter europaforum wien Michael Stampfer WWTF Michael Strassnig WWTF Alexander Wolffhardt europaforum wien Juni 2014 Vienna Innovation System Endbericht Juni_2014.docx 1

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  • Innovationssystem in centrope Regionale Perspektiven fr den FTI-Standort Wien

    Studie des europaforum wien und des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF im Auftrag der Stadt Wien MA 23 Wirtschaft, Arbeit und Statistik

    AutorInnen: Barbora Chen europaforum wien Donia Lasinger WWTF Johannes Lutter europaforum wien Michael Stampfer WWTF Michael Strassnig WWTF Alexander Wolffhardt europaforum wien

    Juni 2014

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  • Inhalt

    0 English summary 3

    1 Hintergrund & Executive Summary 4

    2 Regionale Perspektiven des FTI-Standorts Wien SWOT-Analyse 10

    3 Europische Erfahrungen grenzberschreitender FTI-Kooperation: Zwlf Lektionen aus den vier Vergleichsregionen 18

    4 Optionen fr die Rolle regionaler Kooperation im Wiener FTI-System 20

    5 Modulare Optionen fr grenzberschreitende Kooperationsmanahmen 31

    Anhang 1 Dossier fact-finding in vier Vergleichsregionen 40

    Anhang 2 FTI-Profil des centrope-Raumes 73

    Anhang 3 Literatur 118

    Anhang 4 Liste der GesprchspartnerInnen 122

    Anhang 5 Abkrzungsverzeichnis 125

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  • 0 English summary

    Science region Vienna in international perspective. The position of Vienna as a supraregional science location and of Viennas nodal functions for research, technology and innovation in the centrope region is the focus of the study. Results are based on a comprehensive assessment of strengths and weaknesses, in combination with a comparative analysis of four European cross-border innovation systems: the Upper Rhine region (CH, DE, FR), the Lake Constance region (AT, CH, DE, LI), the Eindhoven-Leuven-Aachen triangle (BE, DE, NL) and the resundregion (DK, SE).

    Lead principles for future cooperation efforts. Taking into account the SWOT analysis of centrope and the lessons learnt from the experiences in the peer regions, future cooperation efforts of Vienna in its region should be based on nine lead principles. Among them, taking Viennas existing strengths as a starting point for cross-border measures and here in scientific basic research in particular ranks among the most important. Cooperation is most likely to succeed along functional axes between complementary partners and by strengthening the primary institutions in the RTI field. A strong motivation beyond the region, like a joint internationalisation strategy, can propel the cooperation. On the other hand, top-down definition of a cross-border region without regard for actual accessibility as well as overambitious governance, strategy and marketing efforts can be detrimental.

    Recommendations for Vienna. Four modular recommendations for action follow from this.

    1 Opportunity-driven activities can capitalise from possibilities emerging on short notice, while based on clear criteria for cross-border engagement derived from Viennas RTI strategy.

    2 Selective measures have a focused impact, like networking/matchmaking events for scientists or support for cross-border student mobility.

    3 Structural measures aim for sustainable results over the medium term, like crossborder dual career initiatives, research funding or the institutionalisation of networking/matchmaking and student mobility. Joint creation and use of middle-sized research infrastructures in the applied field (e.g. KIC-bid in the EIT framework) would also represent such a structural measure. Strategic cross-border initiatives are to be launched in the post-2020 period, but require essential preparatory activities starting now. In particular, a strategic measure could be the joint acquisition of an EU co-funded Large Research Infrastructure.

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  • 1 Hintergrund & Executive Summary

    Die aus dem Jahr 2007 stammende Wiener Strategie fr Forschung, Technologie und Innovation steht vor einer Neuauflage. Als einer der Vorbereitungsschritte nimmt die vorliegende Studie die Position Wiens als berregionaler Innovationsstandort und Netzwerkknoten insbesondere in der Region centrope in den Blick.

    Die Ergebnisse basieren auf einer eingehenden Strken-Schwchen-Analyse des berregionalen FTI-Standorts Wien sowie der vergleichenden Untersuchung von vier europischen Vergleichsregionen mit ausgeprgten grenzberschreitenden Innovationssystemen, nmlich die Regionen Oberrhein (DE, CH, FR); Bodenseeraum (DE, CH, LI, AT), das Dreieck Eindhoven, Leuven und Aachen (NL, DE, BE) sowie die resundregion (DK, SE). Auf Basis dieser Analysen werden Manahmen fr Wien vorgeschlagen. Die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Studie sollen die knftige Wiener FTI-Strategie inhaltlich unterfttern und grenzberschreitende Handlungsoptionen aufzeigen.

    1 Optionen fr die Rolle regionaler Kooperation im Wiener FTI-System

    Der Bericht schlgt vier modulare Optionen fr grenzberschreitende Manahmen im FTI-Bereich vor. Diese sind vor dem Hintergrund von neun bergreifenden Grundstzen zu sehen. Diese wren:

    1 Der Referenzrahmen fr grenzberschreitende FTI-Manahmen soll auf erfolgversprechenden funktionalen Achsen zwischen starken und komplementren Partnern basieren.

    2 Der regionale Kooperationsraum in der Wiener FTI-Strategie soll nicht von top-down definierten Regionsvorstellungen abhngen, sondern ber die innere Erreichbarkeit definiert werden.

    3 Fr die Entfaltung einer grtmglichen Wirkung ist es entscheidend, auf gegebene Wiener Strkefelder zu setzen, diese mit solchen in der Region zu verbinden und dabei die Primrinstitutionen direkt ins Visier zu nehmen und in ihren grundlegenden Kompetenzen zu strken.

    4 Grenzberschreitende Manahmen der Kooperation im FTI-Bereich bieten sich insbesondere dort an, wo die betrchtlichen Strken Wiens in der wissenschaftlichen Forschung den Ausgangspunkt bilden.

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  • 5 Innovations- und forschungsstarke Institutionen brauchen fr ein starkes Engagement Motive jenseits der Region. Regionale Kooperationen als Hebel fr Internationalisierung bilden ein wichtiges derartiges Motiv.

    6 Bescheidenes Marketing bis sich gute grundlegende Strukturen etabliert haben, um Erwartungsmanagement betreiben zu knnen.

    7 Zum gegebenen Zeitpunkt keine umfassenden Strategiebildungsprozesse und

    Governancestrukturen.

    8 Bei der Implementierung der Manahmen sollte rechtzeitig auf ein sparsames, aber zielgerichtetes Monitoring sowie eine konsequente Evaluierung nach Ergebnissen Wert gelegt werden.

    9 Einwirken auf Aspekte nationaler Politik, die fr den Wiener FTI-Bereich relevant sind.

    Auf diesen Grundstzen bauen modular folgende vier Vorschlge fr grenzberschreitende Kooperationsmanahmen auf:

    Opportunittsorientierte Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit. Diese nutzen kurzfristig auftauchende Mglichkeiten fr grenzberschreitende Kooperationsmanahmen unter Zuhilfenahme von klaren, von den strategischen Zielen der FTI-Strategie abgeleiteten Kriterien fr ein Engagement.

    Punktuelle Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit. Diese haben einen kurzfristigen Realisierungshorizont und entfalten unmittelbare, punktuelle Wirkungen: z.B. Networking Events fr die wissenschaftliche Forschung, Frderung grenzberschreitender studentischer Mobilitt.

    Strukturelle Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit. Diese haben einen mittelfristigen Zeithorizont mit dem Ziel, dauerhafte Wirkungen zu erzielen (unter der Magabe externer Finanzierung): z.B. grenzberschreitende Initiativen fr Dual Career Paare, Institutionalisierung von Networking Manahmen sowie studentischer Mobilitt, grenzberschreitende Forschungsfrderung sowie Etablierung und Nutzung mittelgroer Forschungsinfrastrukturen in interdisziplinren Bereichen mit starker Anwendungsrelevanz, Bewerbung um ein KIC (Knowledge and Innovation Communities) im Rahmen der EIT.

    Strategische Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit. Diese sind von der Realisierung her unsicher und stellen auf eine Umsetzung in der Periode nach 2020 ab, aber mit wichtigen, jetzt zu legenden Weichenstellungen: Vorbereitende Manahmen fr eine europisch ko-finanzierte Groforschungsinfrastruktur mit Wien, Programmierung fr die nchste Strukturfondsperiode nach 2020.

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  • 2 Regionale Perspektiven des FTI-Standorts Wien SWOT-Analyse in Hinblick auf gegenwrtige Strken und Schwchen sowie knftig absehbare Chancen und Risiken

    Strken

    Starke Konzentration von FTI-Institutionen in Wien sowie in der Region

    Islands of Excellence Hohe Forschungsausgaben Hoher Anteil von F&E Beschftigen in

    Wien und der Region Ausgeprgte regionale FTI-Politik Regionale Exzellenzprogramme Weiche Standortfaktoren als Zusatz-

    Asset

    Opportunities

    Hohe Zahl Studierender Universitre Spin-offs Ausbaufhige Netzwerke bei

    internationalen Forschungskooperationen Leadership im Bereich Smart City

    Strategie Zuzug von hochqualifizierten Personen Clusterbildung Komplementaritt von Strkefeldern und

    Infrastruktur Groe Bandbreite an Frderoptionen

    Schwchen

    Keine Top-Universitten Innovation Follower statt Leader Ernchternde Forschungsquoten im

    Wiener Umfeld Kaum Infrastruktur fr Spitzenforschung Kaum Innovationstreiber im

    Unternehmensbereich Brain Drain in der Spitzenforschung Geringe innerregionale studentische

    Mobilitt Keine abgestimmte regionale/nationale

    Innovationspolitik Kaum innerregionale

    Forschungskooperationen

    Threats

    Schleppende Hherqualifizierung Ausgeprgte Brain Drain-Gefahr in

    Nachbarlndern Erodierende F&E-Finanzierung auf

    nationaler Ebene Gering ausgeprgter gemeinsamer Wille

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  • 3 Europische Erfahrungen grenzberschreitender FTI-Kooperation Zwlf Lektionen aus den vier Vergleichsregionen

    1 Endogene Treiber als Voraussetzung. Jede erfolgreiche grenzberschreitende Wissensregion verfgt ber eine komplementre Interessenskonstellation, eine gemeinsame Problemlage oder ein gemeinsames Narrativ, die Kooperationen nahelegen nur das stellt sicher, dass sich wichtige FTI-Akteure die Agenda zu eigen machen und Risiko und Verantwortung bernehmen.

    2 Auenlogik gewinnt zunehmend Vorrang vor Binnenlogik. Die Strkung des eigenen Standorts gegenber anderen Wissensregionen durch die Gewinnung von Talenten, greren Infrastrukturen und Forschungsmitteln sind der gemeinsame Nenner der Motive, die regionale Kooperationen aktuell vorantreiben diese Auenlogik der internationalen Positionierung tritt gegenber herkmmlichen Binnenlogiken (wie Zusammenwachsen, gemeinsame Arbeitsmrkte, Bildungs- und Beschftigungschancen etc.) zunehmend in den Vordergrund (ohne dass die Binnenlogik als wichtiges Motiv verloren gehen wrde).

    3 Starke Akteure als Kristallisationspunkte der Zusammenarbeit. Anknpfungspunkte der Kooperation sind stets starke, handlungsfhige Primrakteure wie Universitten, Forschungszentren oder Grounternehmen; diese bilden oft Kernachsen, um die herum sich weitere Kooperationen anlagern sehr starke Akteure sind jedoch bei ihren Kooperationen besonders selektiv und kalkulieren Kosten und Nutzen genau.

    4 Mglichkeiten, nicht Zwnge schaffen. Kooperationsagenden sind hufig dann am erfolgreichsten, wenn sie gerade nicht im Zentrum der Entwicklungsstrategien der beteiligten Akteure stehen und lediglich eine zustzliche Option darstellen werden sie hingegen mit Erwartungen und Verbindlichkeiten berladen, scheitern sie an ihrer Ambition.

    5 Interreg: unabdingbares Instrument mit hohem Anpassungsbedarf. Interreg-Mittel der EU sind ein zentraler Katalysator fr grenzberschreitende Wissensregionen. Damit kommt man von 0 auf 1. Die Administration der Mittel muss aber nutzerfreundlich gehandhabt und den jeweiligen Kontexten angepasst werden (z.B. der wettbewerblichen Logik von Forschungsfrderung mit entsprechender Flexibilitt und sparsamer Administration), damit sie ihre Wirkung entfalten knnen, fr FTI-Akteure berhaupt brauchbar sind und effizient genutzt werden.

    6 Good governance: mageschneidert, relevant und autonom. Eine ber Partikularinteressen stehende, schlanke Governance- und Support-Struktur ist fr dauerhafte Kooperation unabdingbar doch sind Strukturen und Prozesse, die an Kernanliegen der Akteure vorbeilaufen, mitunter die grten Stolperdrhte.

    7 Rolle der Politik: anstoen, nicht (her)umstoen. Die Politik scheitert, wenn sie versucht, Themen, Schwerpunkte und Formate zu steuern sie kann aber ein Umfeld schaffen, in dem regionaler Zusammenarbeit ein hoher Stellenwert zukommt, sie kann

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  • einen Kooperationsrahmen initiieren, good governance im FTI-Bereich anregen,

    Frdermittel bereitstellen und sie kann administrative Hrden berwinden helfen.

    8 Forschung bei Kooperationen gegenber Bildung auf der berholspur. Reine Bildungskooperationen, die in der Anfangszeit der europischen Studierendenmobilitt bzw. des Bologna-Prozesses noch eine wichtige Treiberfunktion hatten, verlieren relativ zu Forschungskooperationen an Bedeutung der Schnittstelle von Ausbildung und Forschung (d.h. Doktorandenkollegs, Graduate Schools) kommt heute jedoch eine hhere Bedeutung zu.

    9 Kontextfaktoren sind erfolgsrelevant. Alle grenzberschreitende Wissensregionen sind in ihr Umfeld eingebettet: bestehende Traditionen der Kooperation und Pfadabhngigkeiten, mental-sprachliche Nhe, spezifische Akteurskonstellationen, der unterschiedliche Einfluss der nationalen Ebene u.a.m. sind entscheidende Determinanten fr Entwicklung und Erfolg von anderen lernen geht ber simples Kopieren vermeintlicher Erfolgsmodelle hinaus.

    10 Gegenseitige Erreichbarkeit definiert Wissensregion. Die faktische innere Erreichbarkeit ist die Hauptdeterminante fr die Reichweite regionaler FTI-Kooperationen, die 90-Minuten-Region gilt als Voraussetzung fr verschiedenste Aktivitten politisch definierte Kooperationsrume, die darber hinausgehen, verfangen in der Praxis nicht. Durch verkehrspolitische Manahmen knnen aber neue Mglichkeiten der Kooperation geschaffen werden, indem die innere Erreichbarkeit verbessert wird.

    11 Funktionale Regionen basieren auf gemeinsamen Arbeitsmrkten. Substanziell integrierte und funktional echte Europaregionen basieren im Kern auf gemeinsamen Arbeitsmrkten und kennen signifikante Pendlerstrme. Diese Mobilitt, die auch fr den hoch und hchst qualifizierten Bereich relevant ist, wird aber erst durch untersttzende arbeitsmarktpolitische Manahmen bzw. eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur und dichte Angebote im grenzberschreitenden ffentlichen Verkehr mglich.

    12 Markenbildung nachrangig. Bemhungen, die Wissensregion als internationale Marke zu positionieren, stehen nur bedingt im Zentrum der Kooperationen. Teilweise sind die grenzberschreitenden Agenden zu nachrangig, um imageprgend zu wirken, teilweise sollen sie strkeren Standortmarken innerhalb der Region auf die Dauer nicht im Weg stehen, teilweise sind sie global schwer vermittelbar als ergnzender Aspekt von bestehenden Standortmarken ist die regionale Zusammenarbeit am nachhaltigsten gebrandet.

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  • 4 Erfolgsfaktoren fr grenzberschreitende Innovationssysteme Vergleich von resundregion, Eindhoven-Leuven-Aachen triangle (ELAt), Trinationaler Metropolregion Oberrhein (TMO), Bodenseehochschule (IBH) und centrope

    Externe Faktoren resund ELAt TMO IBH centrope

    Rumliche Nhe (Gravitationszentrum, polyzentrische Region)

    Innere Erreichbarkeit

    Sprache/Sprachkompetenzen

    Kompatible institutionelle Strukturen (Kompetenzlage, institutionelle Kapazitten, finanzielle Ressourcen)

    Hohe strukturelle Integrationsdichte (gemeinsame Mrkte, Unternehmensverflechtung, Whrung, Mobilitt, grenzberschreitende Raumentwicklung,)

    hnliches sozio-konomisches Entwicklungsniveau

    Interne Faktoren resund ELAt TMO IBH centrope

    Vorhandensein eines politischen Commitment auf allen Seiten

    Engagement charismatischer Schlsselfiguren (change agents, policy entrepreneurs)

    n/a

    Kooperationskultur und -tradition, Vertrauensbasis

    Gemeinsames Narrativ (berwindungnatrlicher Barrieren, berwindung historischer Konflikte,)

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  • 2 Regionale Perspektiven des FTI-Standorts Wien SWOT-Analyse

    Die folgende SWOT-Analyse speist sich aus einer umfassenden Erhebung der Spezifika des FTI-Standorts Wien/centrope (siehe Anhang 2 FTI-Profil des centrope-Raumes). Zielsetzung war dabei weniger eine mglichst ausgewogene Betrachtung aller Teilregionen von centrope, als vielmehr eine Analyse aus einer explizit Wiener Perspektive: Welche Strken und Schwchen, welche Chancen und Risiken weist der FTI-Standort Wien inklusive seines funktionalen Umfelds in der Region centrope auf?

    Die Strken und Schwchen beziehen sich auf den Ist-Zustand zum gegenwrtigen Zeitpunkt; die Chancen und Risiken zeigen gnstige bzw. ungnstige Entwicklungsoptionen fr die nahe Zukunft auf.1

    Strken

    1 Starke Konzentration von FTI-Institutionen in Wien sowie in der Region Wien: Die Stadt verfgt ber neun ffentliche Universitten, einige FHs und Privatuniversitten. Zudem ist sie Zentrum der ffentlichen aueruniversitren Forschung in sterreich mit einem Groteil der Institute der sterreichischen Akademie der Wissenschaften, den vielen Ludwig-Boltzmann-Instituten sowie dem Hauptstandort des Austrian Institute of Technology (AIT). centrope: Allein die drei stdtischen Ballungszentren Wien, Bratislava und Brno sind Standort von insgesamt mehr als 40 (vorwiegend ffentlichen) Hochschulen, darunter 25 Universitten. Das Hochschulsystem weist eine starke Diversifizierung nach Sparten auf.

    2 Islands of Excellence Wien: Vor allem im Bereich der Grundlagenforschung verfgt der FTI-Standort Wien ber einige ausgezeichnete Forschungsinstitutionen sowie ausgewiesene Strkefelder: Diese umfassen u.a. die Life Sciences, Teile der Physik (z.B. Quantenphysik), Mathematik (zunehmend auch im angewandten Bereich), Teilbereiche der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie ausgewhlte Teilfelder in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (z.B. Demographie). centrope: In einigen ausgewhlten Bereichen kann die Region centrope auch mit Wien vergleichbaren Strkefeldern aufwarten. Hohe Forschungsausgaben Wien: Sowohl im Unternehmenssektor als auch im Universittsbereich liegt die Wiener

    1 Damit unterscheidet sich die Analyse von klassischen SWOT-Formaten aus der Wirtschaftsanalyse, die im Bereich Strken/Schwchen interne, unter Chancen/Risiken externe Einflussfaktoren in den Blick nehmen.

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  • Forschungsquote unter den zehn besten Stdten Europas. Wien profitiert durch den hohen Anteil an Forschungsorganisationen (im universitren und aueruniversitren Bereich) bzw. Forschungseinheiten im Unternehmensbereich berproportional von ffentlichen Mitteln, sodass ffentliche Impulse im F&E-Bereich vergleichsweise krftig ausfallen.

    4 Hoher Anteil von F&E Beschftigen in Wien und der Region Wien & centrope: Nicht nur bei den Humanressourcen im unmittelbaren F&E-Bereich (Forschungspersonal an Hochschulen, aueruniversitren Einrichtungen sowie in der Industrie), sondern auch bei Beschftigten in der Hochtechnologiefertigung und hochtechnologischen wissensintensiven Dienstleistungen liegt die centrope-Region ber dem EU-Schnitt. Dabei ragen insbesondere die drei Stdte Wien, Bratislava und Brno auch innerhalb der jeweiligen nationalen Innovationssysteme heraus; Wien bzw. Bratislava beschftigen rund 40-50% des Forschungspersonals sterreichs bzw. der Slowakei.

    5 Ausgeprgte regionale FTI-Politik Wien: Wien betreibt eine eigenstndige regionale Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik, die sich auf regionale FTI-Strategieprozesse sttzt. centrope: Synergiepotenziale ergeben sich insbesondere mit der umfassenden regionalen Innovationsstrategie der Region Sdmhren sowie (in Teilbereichen) mit den FTI-Politiken von Niedersterreich und dem Burgenland (Innovationsoffensive Burgenland 2020).

    6 Regionale Exzellenzprogramme Wien: Als besonderes Charakteristikum und spezifischen Schwerpunkt weist die Wiener FTI-Strategie regionale Exzellenzprogramme in der Forschung aus. Whrend regionale Innovationssysteme meist auf den angewandten Bereich zu stark gesellschaftlich relevanten Themen (Umwelt, Gesundheit) setzen, hat Wien aufgrund seiner Strke und Vielzahl von Institutionen im Grundlagenbereich ausgezeichnete Voraussetzungen fr Exzellenzinitiativen in der Forschung. Durch regional gesetzte Akzente in diesem Bereich knnen Standortvorteile im Wettbewerb um die besten Kpfe erreicht werden.

    7 Weiche Standortfaktoren als Zusatz-Asset Wien: Internationale Stdterankings attestieren Wien regelmig eine sehr hohe Lebensqualitt. Auch Bewertungen des Forschungsstandorts fallen gnstiger aus, wenn harte F&E-Indikatoren um die Attraktivitt der Stadt fr die/den individuellen ForscherIn ergnzt und die Lebensqualitt, aber auch Einkommens- und Karriereperspektiven mit bercksichtigt werden. Wo im Sinne der creative city kulturelle Dichte, Diversitt und eine Vielfalt urbaner Milieus als Innovationstreiber gewichtet werden, punktet Wien in Rankings mitunter sehr hoch wenngleich der

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  • Einfluss dieser Faktoren auf die tatschliche Standortwahl von Forschenden/Forschungseinrichtungen nicht berbewertet werden darf.

    Schwchen

    1 Keine Top-Universitten Wien: Wien verfgt derzeit nicht ber eine Universitt oder Forschungsinstitution, die mit dem internationalen Spitzenfeld mithalten kann. Am besten schneidet in internationalen Rankings die Universitt Wien ab, die sich im europischen Mittelfeld etabliert hat, in den vergangenen Jahren aber eher Positionen verloren hat. Auch die Performance der anderen Wiener Universitten lassen keinen Entwicklungspfad in den absoluten Spitzenbereich erkennen. centrope: In der Region ist ebenfalls keine Spitzenuniversitt vorhanden. Die groen Universitten in Bratislava und Brno werden in den meisten Rankings nicht angefhrt.

    2 Innovation Follower statt Leader Wien: Das Innovation Union Scoreboard, das die Innovationsfhigkeit eines Landes auf der Basis von 24 Indikatoren misst, weist sterreich als Innovation Follower aus. Seit der Krise der Jahre 2008/09 hat sterreich sogar eher an Boden verloren. Das in der Forschungsstrategie des Bundes definierte Ziel, vom Innovation Follower zum Innovation Leader zu werden, ist auf Basis des aktuellen Pfades bis 2020 nicht absehbar, da andere Lnder z.T. deutlich strkere Wachstumsraten aufweisen. centrope: Die anderen centrope-Lnder, Tschechien, Slowakei und Ungarn, liegen bei den Indikatoren des Scoreboards weit hinten.

    3 Ernchternde Forschungsquoten im Wiener Umfeld Wien: sterreich, und hier insbesondere Wien, weist im EU-Vergleich eine verhltnismig hohe Forschungsquote auf ( Strken), aber centrope: das Geflle zu den centrope-Nachbarregionen ist enorm: Sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene kommt am ehesten Tschechien an sterreich heran, die Forschungsausgaben in Ungarn und selbst in der slowakischen Hauptstadtregion Bratislava liegen unter 1% des BIP.

    4 Kaum Infrastruktur fr Spitzenforschung Wien: Mit einigen Ausnahmen (etwa dem Wiener Biocenter) ist der Infrastrukturbestand in Wien nicht stark genug, um durchgngig Spitzenforschung zu befrdern. Es fehlen grere Forschungsinfrastrukturen mit internationaler Relevanz im Vergleich zu den Innovation Leadern, organisationsbergreifende Kooperationen fr die Anschaffung und den Betrieb von Forschungsinfrastrukturen werden erst teilweise genutzt. centrope: Der weitgehende Mangel an ausgezeichneter Forschungsinfrastruktur trifft

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  • auch auf den centrope-Raum zu (jedoch punktuelle Ausnahmen wie dem Central European Institute of Technology in Brno).

    5 Kaum Innovationstreiber im Unternehmensbereich Wien: Im Gegensatz zu erfolgreichen europischen Innovationsregionen (wie etwa resund) fehlen in Wien weitgehend F&E-Zentralen grerer internationaler Konzerne, die als Innovationstreiber fungieren knnten. (zu den Ausnahmen gehren in Wien u.a. Siemens sterreich, Boehringer Ingelheim oder auch Kapsch). centrope: Auch in der Region gibt es solche greren Forschungszentralen nicht. Zu den wenigen Ausnahmen gehrt etwa Honeywell in Brno, das mit 1.000 ForscherInnen 70% all seiner Forschungsaktivitten konzentriert hat.

    6 Brain Drain in der Spitzenforschung Wien: Im Vergleich zu Lndern wie den USA, Grobritannien, der Schweiz, den Niederlanden und Schweden erweist sich sterreich als nur mig attraktiver Karrierestandort fr wissenschaftliche Spitzenkrfte. Als entscheidende Faktoren haben sich u.a. die Qualitt der FachkollegInnen, mit denen man am Standort interagieren kann, und die Verfgbarkeit von externer Drittmittelfrderung insbesondere fr Infrastruktur-intensive Forschung herausgestellt, whrend die weichen Standortfaktoren, bei denen Wien punkten kann ( Strken) eine untergeordnete Rolle spielen. Generell verlassen mehr UniversittsabsolventInnen sterreich als zuziehen. centrope: Brain Drain ist fr die Institutionen in der Region ein noch greres Problem als in Wien ( Threats).

    7 Geringe innerregionale studentische Mobilitt Wien: Die studentische Mobilitt von Wiener Universitten ist recht gut ausgeprgt. Ziellnder sind aber vor allem Westeuropa (Deutschland, Grobritannien). centrope: Innerhalb der centrope-Region ist die Studierenden-Mobilitt nur schwach ausgeprgt. Erasmus-Studierende zieht es vorwiegend nach Grobritannien, Deutschland, Finnland und Frankreich, nur ein geringer Teil der Wiener StudentInnen kann sich ein Auslandsemester in Tschechien, der Slowakei oder Ungarn vorstellen und umgekehrt.

    8 Keine abgestimmte regionale/nationale Innovationspolitik Wien: Die Integration des sterreichischen Innovationssystems ist relativ gering, es gibt zahlreiche Doppelgleisigkeiten und Kompetenzberschneidungen. centrope: berregionales Denken und Handeln von FTI-relevanten Akteuren wird in den regionalen FTI-Strategien (sowohl auf sterreichischer als auch z.B. tschechischer Seite) zunehmend angesprochen aber bis dato noch kaum praktiziert. Gesamtregionale Perspektiven fr den centrope-Raum fehlen.

    9 Kaum innerregionale Forschungskooperationen centrope: Die bisher geringe Vernetzung der regionalen Innovationslandschaften des

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  • centrope-Raums zeigt sich auch anhand der geringen Zahl tatschlicher Forschungskooperationen. Netzwerkanalysen (beispielhaft fr FP7-Projekte sowie Patenteinreichungen durchgefhrt) zeigen in allen Teilregionen eine Ausrichtung nach Westeuropa, Kooperationen zwischen Partnern aus der centrope-Region bilden eher die Ausnahme wenn auch einzelne Knotenpunkte in der Forschungszusammenarbeit (Universitten, Agenturen und Programme fr Innovations- und Forschungsfrderung) untereinander zunehmend vernetzt sind.

    Opportunities

    1 Hohe Zahl Studierender Wien: Wien gilt gemessen an der Zahl der Studierenden als grte Universittsstadt im deutschsprachigen Raum. centrope: Die centrope-Region weist mit insgesamt rund 423.000 Studierenden (2009) eine beachtliche Konzentration auf. Die offensichtliche Attraktivitt des Hochschulstandorts centrope kann eine enorme Humankapitalbasis fr den FTI-Sektor schaffen sofern in ausreichendem Ma in die Qualitt der Ausbildung investiert wird. Derzeit steht die hohe Zahl von Studierenden in einem krassen Missverhltnis zum Ausbildungspersonal (vgl. Schwchen). Darber hinaus wird besonderes Augenmerk auf die Frage zu legen sein, wie gerade auswrtigen Studierenden in Zukunft attraktive Karriereoptionen (insbesondere Zugang zum Arbeitsmarkt fr AbsolventInnen aus Drittstaaten) in Wien geboten werden knnen.

    2 Universitre Spin-offs Wien: Einige Wiener Universitten, allen voran die Technische Universitt, zeigen ein gutes Potenzial fr die Entwicklung von Spin-offs wenn es gelingt, einige Hemmnisse zu beseitigen. Diese bestehen u.a. in einem Mangel an Risikokapital sowie an Anreiz- und Frderstrukturen an den Universitten selbst, in mangelhaft ausgestatteten Infrastrukturen und der Unterfinanzierung der Einrichtungen, die schon bei den Primrfunktionen der Universitten in Forschung und Lehre eine Herausforderung nach sich zieht.

    3 Ausbaufhige Netzwerke bei internationalen Forschungskooperationen Wien: sterreich weist fr ein kleines Land eine beachtliche Anzahl an grenzberschreitenden Kooperationsprojekten sowie Abkommen in der Forschungsfrderung auf. Die Herausforderung der kommenden Jahre besteht darin, speziell im grer strukturierten Spitzenbereich der kommenden EU Forschungsfrderung (z.B. Knowledge Innovation Centers KICs) vertreten zu sein. Horizon 2020 beinhaltet sehr gute Mglichkeiten, kooperative Forschung ber Einzelprojektteilnahmen hinaus in Wien, in der Region und weiter zu ermglichen, es erfordert aber auch grere Anstrengungen in der Anbahnung.

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  • 4 Leadership im Bereich Smart City Strategie Wien: Die Stadt setzt derzeit mit der neuen Smart City Rahmenstrategie klare politische Akzente, die angesichts der starken Innovationsorientierung der Strategie auch einen deutlichen Impuls fr das FTI-System haben knnen. centrope: ber die Stadtgrenzen hinweg bestehen im Feld der Smart City einige Synergiepotenziale etwa mit dem Burgenland, das auf nachhaltige und smarte Umwelttechnologien als Kernelement seiner Innovationsstrategie setzt, oder mit den slowakischen centrope-Regionen.

    5 Zuzug von hochqualifizierten Personen Wien: Sptestens seit der Ostffnung Europas erfhrt Wien eine in ihrer Qualifikationsstruktur sehr ausdifferenzierte Zuwanderung, die betrchtliche Anteile von gut bis sehr gut ausgebildeten Personen umfasst und dem in Wien vorhandenen Humankapital wertvolle Potenziale hinzufgt. Voraussetzung fr deren Ausschpfung ist es, Dequalifizierung aktiv entgegenzuwirken, bei der aus dem Ausland mitgebrachte Ausbildungen und Berufserfahrungen am heimischen Arbeitsmarkt nicht anerkannt und verwertet werden. Eine spezielle Situation entsteht durch die geographische Nhe der Hauptstdte Wien und Bratislava, zwischen denen zunehmend funktionale Netzwerkbeziehungen entstehen: Insbesondere die wechselseitigen Pendlerstrme erzeugen einen zunehmend integrierten Arbeitsmarkt hochqualifizierter Arbeitskrfte.

    6 Clusterbildung centrope: In der centrope-Region gibt es einige relevante, gut funktionierende Cluster in wissensintensiven Sektoren (Life Sciences, IKT, Mechatronik etc.). Diese stellen eine Chance auf ein strker integriertes, berregionales Innovationssystem auf Unternehmensebene dar, sofern sie tatschlich von Unternehmensnetzwerken bottom-up getragen werden und sich auf komplementre Bereiche und vergleichbare Ziele konzentrieren (und nicht nur die Ziele einer von der regionalen Wirtschaftsfrderung getragenen Regionalentwicklung widerspiegeln).

    7 Komplementaritt von Strkefeldern und Infrastruktur Wien & centrope: Life Sciences, Physik/Materialwissenschaften und IKT sind Wiener Strkefelder, die nicht nur am IST Austria sondern zunehmend auch in Brno ein quivalent im regionalen Umfeld finden. Bei der Infrastrukturausstattung zeigt sich diese Komplementaritt ebenfalls, wobei das CEITEC in Brno und einige andere Zentren in Sdmhren fr das Bespielen der Kooperation zwischen Wien und Brno in ausgewhlten Forschungsfeldern besonders interessant sind. Neue interdisziplinre Kollaborationen mit Anwendungsrelevanz knnten entstehen, wenn zu den genannten Disziplinen querliegende Themen forciert werden.

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  • 8 Groe Bandbreite an Frderoptionen centrope: EU-Frderungen spielen in allen grenzberschreitenden Wissensregionen eine zentrale Rolle als Katalysator bzw. Finanzierungsquelle der Kooperation. Durch die Teilnahme an mehreren grenzberschreitenden und transnationalen EFRE-Frderprogrammen mit ausgewiesenen Priorittsachsen im F&E-Bereich bietet sich fr den FTI-Standort Wien eine gute Ausgangsposition, vor allem wenn es gelingt, die Programme (und deren Regularien) besser als bisher auf den F&E-Kontext abzustimmen.

    Threats

    1 Schleppende Hherqualifizierung Wien: Im Gegensatz zum vergleichsweise hohen Anteil von Beschftigen im F&E-Bereich ( Strken) schneidet Wien beim Anteil der Erwerbspersonen mit Hochschulabschluss im europischen Stdtevergleich deutlich unterdurchschnittlich ab. Auch schreitet die Hherqualifikation der Wiener Bevlkerung nur langsam voran und der Anteil von Personen mit niedriger Ausbildung sinkt weniger stark als im Durchschnitt vergleichbarer Stdte. Allerdings gibt es und das ist als Strke zu sehen schon jetzt einen relativ geringen Anteil von Personen mit niedriger Ausbildung in Wien.

    2 Ausgeprgte Brain Drain-Gefahr in Tschechien und der Slowakei centrope: Strker noch als Wien ( Schwchen) laufen die tschechischen und vor allem slowakischen centrope-Teilregionen Gefahr, gut ausgebildete Fachkrfte und HochschulabsolventInnen zunehmend an das Ausland zu verlieren. Allein in der Slowakei verlsst rund ein Viertel der AbsolventInnen jedes Jahr das Land. Die Grnde dafr sind neben den niedrigen Verdienstaussichten vor allem sinkende Investitionen und Budgets fr Wissenschaft und Forschung. Da schon die lokal Ausgebildeten nicht am Standort gehalten werden knnen, gibt es kaum bis gar kein Potenzial, hochqualifizierte Fachkrfte und insbesondere SpitzenforscherInnen aus dem Ausland anzuziehen.

    3 Erodierende F&E-Finanzierung auf nationaler Ebene Wien: Die Finanzierung des Bundes fr den tertiren Bereich und insbesondere die Grundlagenforschung in Wien stagniert. Bereinigt um die Teuerung ist in den vergangenen Jahren sogar ein realer Rckgang zu verzeichnen mit absehbaren direkten negativen Konsequenzen fr den Standort Wien, da Wien von Investitionen im Grundlagenbereich berdurchschnittlich profitiert (von jedem Euro fr die sterreichische Grundlagenforschung gehen 2/3 nach Wien). centrope: In den drei Nachbarlndern stagnieren die ffentlichen Ausgaben fr

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  • Forschung und Universitten ebenfalls. Bestehende Leistungs- und Entwicklungsgeflle drohen langfristig eingefroren und perpetuiert zu werden.

    4 Gering ausgeprgter gemeinsamer Wille Wien & centrope: Groforschungsanlagen und Infrastrukturen von europischer Relevanz spielen als Katalysatoren fr Weiterentwicklung und Exzellenz von FTI-Standorten eine zunehmende Rolle. Ihre Einwerbung setzt aber auch ein hohes Ma an koordiniertem Vorgehen, Lobbying und einen gemeinsamen Willen aller Schlsseleinrichtungen am Standort sowie politischer Akteure voraus. Auch innerhalb von Horizon 2020 wird kooperative Beteiligung, Vernetzung und Lobbying zu einem immer wichtigeren Kriterium fr erfolgreiche Mitteleinwerbung. Hier sind andere Standorte wie Regionen weit besser aufgestellt und die mangelnde Kapazitt in diesem Bereich droht zu einem echten Standortnachteil zu werden.

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  • 3 Europische Erfahrungen grenzberschreitender FTI-Kooperation: Zwlf Lektionen aus den vier Vergleichsregionen

    1 Endogene Treiber als Voraussetzung. Jede erfolgreiche grenzberschreitende Wissensregion verfgt ber eine komplementre Interessenskonstellation, eine gemeinsame Problemlage oder ein gemeinsames Narrativ, die Kooperationen nahelegen nur das stellt sicher, dass sich wichtige FTI-Akteure die Agenda zu eigen machen und Risiko und Verantwortung bernehmen.

    2 Auenlogik gewinnt zunehmend Vorrang vor Binnenlogik. Die Strkung des eigenen Standorts gegenber anderen Wissensregionen durch die Gewinnung von Talenten, greren Infrastrukturen und Forschungsmitteln sind der gemeinsame Nenner der Motive, die regionale Kooperationen aktuell vorantreiben diese Auenlogik der internationalen Positionierung tritt gegenber herkmmlichen Binnenlogiken (wie Zusammenwachsen, gemeinsame Arbeitsmrkte, Bildungs- und Beschftigungschancen etc.) zunehmend in den Vordergrund (ohne dass die Binnenlogik als wichtiges Motiv verloren gehen wrde).

    3 Starke Akteure als Kristallisationspunkte der Zusammenarbeit. Anknpfungspunkte der Kooperation sind stets starke, handlungsfhige Primrakteure wie Universitten, Forschungszentren oder Grounternehmen; diese bilden oft Kernachsen, um die herum sich weitere Kooperationen anlagern sehr starke Akteure sind jedoch bei ihren Kooperationen besonders selektiv und kalkulieren Kosten und Nutzen genau.

    4 Mglichkeiten, nicht Zwnge schaffen. Kooperationsagenden sind hufig dann am erfolgreichsten, wenn sie gerade nicht im Zentrum der Entwicklungsstrategien der beteiligten Akteure stehen und lediglich eine zustzliche Option darstellen werden sie hingegen mit Erwartungen und Verbindlichkeiten berladen, scheitern sie an ihrer Ambition.

    5 Interreg: unabdingbares Instrument mit hohem Anpassungsbedarf. Interreg-Mittel der EU sind ein zentraler Katalysator fr grenzberschreitende Wissensregionen. Damit kommt man von 0 auf 1. Die Administration der Mittel muss aber nutzerfreundlich gehandhabt und den jeweiligen Kontexten angepasst werden (z.B. der wettbewerblichen Logik von Forschungsfrderung mit entsprechender Flexibilitt und sparsamer Administration), damit sie ihre Wirkung entfalten knnen, fr FTI-Akteure berhaupt brauchbar sind und effizient genutzt werden.

    6 Good governance: mageschneidert, relevant und autonom. Eine ber Partikularinteressen stehende, schlanke Governance- und Support-Struktur ist fr dauerhafte Kooperation unabdingbar doch sind Strukturen und Prozesse, die an Kernanliegen der Akteure vorbeilaufen, mitunter die grten Stolperdrhte.

    7 Rolle der Politik: anstoen, nicht (her)umstoen. Die Politik scheitert, wenn sie versucht, Themen, Schwerpunkte und Formate zu steuern sie kann aber ein Umfeld schaffen, in dem regionaler Zusammenarbeit ein hoher Stellenwert zukommt, sie kann

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  • einen Kooperationsrahmen initiieren, good governance im FTI-Bereich anregen,

    Frdermittel bereitstellen und sie kann administrative Hrden berwinden helfen.

    8 Forschung bei Kooperationen gegenber Bildung auf der berholspur. Reine Bildungskooperationen, die in der Anfangszeit der europischen Studierendenmobilitt bzw. des Bologna-Prozesses noch eine wichtige Treiberfunktion hatten, verlieren relativ zu Forschungskooperationen an Bedeutung. Der Schnittstelle von Ausbildung und Forschung (d.h. Doktorandenkollegs, Graduate Schools) kommt heute jedoch eine hhere Bedeutung zu.

    9 Kontextfaktoren sind erfolgsrelevant. Alle grenzberschreitenden Wissensregionen sind in ihr Umfeld eingebettet: bestehende Traditionen der Kooperation und Pfadabhngigkeiten, mental-sprachliche Nhe, spezifische Akteurskonstellationen, der unterschiedliche Einfluss der nationalen Ebene u.a.m. sind entscheidende Determinanten fr Entwicklung und Erfolg von anderen lernen geht ber simples Kopieren vermeintlicher Erfolgsmodelle hinaus.

    10 Gegenseitige Erreichbarkeit definiert Wissensregion. Die faktische innere Erreichbarkeit ist die Hauptdeterminante fr die Reichweite regionaler FTI-Kooperationen, die 1 -Stunden-Region gilt als Voraussetzung fr verschiedenste Aktivitten politisch definierte Kooperationsrume, die darber hinausgehen, verfangen in der Praxis nicht. Durch verkehrspolitische Manahmen knnen aber neue Mglichkeiten der Kooperation geschaffen werden, indem die innere Erreichbarkeit verbessert wird.

    11 Funktionale Regionen basieren auf gemeinsamen Arbeitsmrkten. Substanziell integrierte und funktional echte Europaregionen basieren im Kern auf gemeinsamen Arbeitsmrkten und kennen signifikante Pendlerstrme. Diese Mobilitt, die auch fr den hoch und hchst qualifizierten Bereich relevant ist, wird aber erst durch untersttzende arbeitsmarktpolitische Manahmen bzw. eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur und dichte Angebote im grenzberschreitenden ffentlichen Verkehr mglich.

    12 Markenbildung nachrangig. Bemhungen, die Wissensregion als internationale Marke zu positionieren, stehen nur bedingt im Zentrum der Kooperationen. Teilweise sind die grenzberschreitenden Agenden zu nachrangig, um imageprgend zu wirken, teilweise sollen sie strkeren Standortmarken innerhalb der Region auf die Dauer nicht im Weg stehen, teilweise sind sie global schwer vermittelbar als ergnzender Aspekt von bestehenden Standortmarken ist die regionale Zusammenarbeit am nachhaltigsten gebrandet.

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  • 4 Optionen fr die Rolle regionaler Kooperation im Wiener FTI-System

    4.1. Verhltnis der vorgeschlagenen Optionen zum Wiener FTI-System

    Im Folgenden werden auf der Basis von ausfhrlichen Analysen der Region Wien-Umland bzw. centrope und der vier grenzberschreitender Regionen in Europa Vorschlge fr berregionale Manahmen gemacht, deren Bercksichtigung wir fr Diskussionen zum FTI-Standort Wien empfehlen. Diese Manahmen werden nur auf die Sinnhaftigkeit ihres grenzberschreitenden Einsatzes untersucht und sind somit keinesfalls als Qualifizierung in positiver wie negativer Hinsicht von rein inner-Wiener FTI-Manahmen zu verstehen. Vor dem Hintergrund dieser Studie sehen wir die innerregionalen Manahmen des Wiener FTI-Systems klar im Zentrum. Die grenzberschreitenden Aktivitten knnen diese untersttzen und sinnvoll ergnzen, wie dies auch die OECD fr grenzbergreifende FTI-Aktivitten feststellt: The success of making the crossborder instruments work is likely to be greater when they contribute to a broader strategy (OECD 2013b, S. 25).

    Wir prsentieren im Folgenden vier Module grenzberschreitender Zusammenarbeit, die sich in der Intensitt grenzberschreitender Manahmen (und damit auch des Einsatzes, der auf Wiener Ebene zu leisten wre), nach den Zeithorizonten der Realisierung und letztendlich auch den zu erwartenden Wirkungen, die diese Manahmen auf die Region und auf Wien entfalten sollen, unterscheiden. Die Vorschlge werden durch die Vergleichsstudien der vier europischen grenzberschreitenden Regionen sowie die Analyse der Strken und Schwchen der centrope-Region untermauert. Davor definieren wir einige elementare allgemeine Grundstze, die fr die vorgeschlagenen Manahmen zentral sind und wichtige Rahmenbedingen fr grenzberschreitende Manahmen darstellen.

    4.2. bergreifende Grundstze und Empfehlungen fr grenzberschreitende Kooperationsmanahmen

    4.2.1. Achsenstruktur statt Flche

    Historisch ist centrope keine gegebene, funktionale Region mit entsprechender Kooperationskultur und integrierten Strukturen, sondern ein relativ junges politisches Konstrukt, das erst langsam beginnt, funktionale Aspekte zu entwickeln. Viele der Elemente einer funktionierenden Region sind bei weitem nicht so etabliert, dass man darauf in die Flche greifende FTI-Kooperationsmanahmen aufbauen knnte. Fr von alleine von Wien ausgehende FTI-Manahmen ist die Gesamtregion schlicht zu gro, um sichtbare Wirkungen im gesamten Raum erzielen zu knnen. Anstatt also regionale Kooperation in der Flche zu denken, empfehlen wir, von funktionalen Achsen auszugehen. Diese sind notweniger Weise

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  • selektiv, sowohl was die geographische Richtung als auch die inhaltliche Dimension der Kooperation betrifft. Konkret heit dies, in der Region dynamische Innovationsfelder zu definieren (sowohl vom Thema her als auch vom Standort/von den adressierten Institutionen) und diese auf Komplementaritten und potenziellen Nutzen fr Wien zu analysieren. Damit soll man sich bewusst an den Standortinteressen Wiens orientieren und v.a. gegebene Strken fr den Aufbau grenzberschreitender Kooperationen nutzen, auch wenn diese Strkefelder nur einen Teil der Region betreffen.

    Auch die europischen Vergleichsregionen weisen oftmals tragende Achsen auf, um die herum sich viele Wirkungen der grenzberschreitenden Kooperation entfalten.2 Zudem knnen sie im Gegensatz zu centrope meist auf eine lange Tradition und Kultur der Zusammenarbeit als auch auf eine starke Integration in zentralen Aspekten der regionalen Zusammenarbeit wie z.B. dem Arbeitsmarkt aufwarten und haben dort daher hhere Erfolgschancen.

    Empfehlung: Als Referenzrahmen fr grenzberschreitende Manahmen im Wiener FTI-System, empfehlen wir, auf erfolgversprechende funktionale Achsen zwischen starken und komplementren Partnern aufzubauen.

    4.2.2. Funktionale Definition des Kooperationsraums

    Eng zusammenhngend mit der erstgenannten Empfehlung schlagen wir vor, die Orientierung weniger entlang einer imaginierten Gesamtregion laufen zu lassen, sondern funktionale Grenordnungen heranziehen, die stark mit Personenmobilitt zu tun haben. Die vier europischen Vergleichsregionen verfgen ber eine Grenordnung, in der miteinander kooperierende Standorte in maximal 1 Stunden erreichbar sind und somit einen guten persnlichen Austausch ermglichen. Dies spielt insbesondere bei gemeinsam genutzten Forschungsinfrastrukturen eine entscheidende Rolle. Regionsgren, die diese 1 Stunden-Regel berschreiten beispielsweise scheint dies etwa bei der Region Oberrhein in der Nord-Sdachse der Fall zu sein neigen eher dazu, intern Teilregionen auszubilden; bzw. verlieren die Vorteile der Region im Vergleich zu Internationalitt (weltweite Kooperationssuche) stark an Bedeutung. Auch steigt mit dem Integrationsgrad grenzberschreitender Regionen die Bedeutung der inneren Erreichbarkeit (vgl. Lundquist & Trippl 2011); sichtbar u.a. am Beispiel der resundverbindung durch die ein gemeinsamer Arbeitsmarkt fr SpezialistInnen etwa im Life Sciences Bereich geschaffen wurde.

    2 In der resundregion ist die Achse zwischen Kopenhagen und Lund sehr stark ausgeprgt, bei ELAt die Achse zwischen Eindhoven und Leuven, im Oberrhein zwischen Freiburg und Strasbourg.

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  • Fr von Wien ausgehende grenzbergreifende FTI-Manahmen ist daher nicht die Gesamtgre der anvisierten Region (hier berschreitet centrope die 1 Stunden Gre in der Nord-Sd-Achse wie z.B. von Brno nach Gssing bei weitem) entscheidend, sondern die Erreichbarkeit von Wien aus entlang definierter Kooperationsachsen sowie die Relevanz der in regionale Kooperation einbezogenen Akteure. Darber hinaus muss grenzbergreifend nicht notwendigerweise das berschreiten nationalstaatlicher Grenzen bedeuten. Der ausschlaggebende Blickwinkel unserer Empfehlungen ist der Wiener FTI-Standort und seine Reichweite und aus dieser Sicht sind bereits Kooperationen mit Institutionen in angrenzenden Bundeslndern als grenzbergreifend zu verstehen.3

    Empfehlung: Wir empfehlen, regionale Kooperationsrume fr den FTI-Standort Wien nicht von top-down definierten Regionsvorstellungen aus zu sehen, sondern den Faktor innere Erreichbarkeit (1 Stunden Region) strker zu bercksichtigen. Daraus ergibt sich, dass auch Kooperationen mit den angrenzenden Bundeslndern als grenzberschreitend zu verstehen sind und damit auch fr etwaige Manahmen bercksichtigt werden knnen.

    4.2.3. Fokus auf Strkefelder und deren institutionelle Trger

    Wir empfehlen, Manahmen der Kooperationsfrderung vorwiegend in jenen thematischen Bereichen durchzufhren, in denen es in den von Wien ausgehenden Achsen ausgewiesene Strkefelder gibt, um mit den dafr zur Verfgung stehenden Mitteln sichtbare Wirkungen erzeugen zu knnen. Zudem zeigen die in den europischen Vergleichsregionen gesetzten Manahmen, dass man auch dort von Strken in bestimmten Bereichen ausgeht und diese fr weitere Kooperationen nutzt. Ziel dabei ist es meist, den berregionalen Standort auf einer globalen Karte sichtbarer zu machen. Damit leisten Kooperationsmanahmen Untersttzung bei der Internationalisierung der beteiligten Institutionen im weltweiten Wettbewerb, indem komplementre Strukturen genutzt werden.

    Die Fokussierung auf bestimmte Strkefelder in der regionalen Zusammenarbeit im FTI-Bereich bringt auch eine Reihe von Konsequenzen mit sich, mit denen man bewusst umgehen

    3 Dies wirft die Frage auf, inwiefern centrope als Referenzrahmen fr Kooperationsmanahmen berhaupt noch bei Diskussionen zum FTI-Standort eine Rolle spielen soll, da die Verwendung des Begriffs Erwartungen produziert, die durch die konkreten und damit finanzierbaren Manahmen wahrscheinlich nicht abgedeckt werden knnen. Die aktuelle FTI-Strategie Wien denkt Zukunft hat sich zwar rhetorisch auf centrope bezogen, es gab aber kaum Manahmen, die darauf ausgerichtet waren. centrope als Begriff knnte aber dann glaubwrdig neu belebt werden, sofern sich stabile Achsen der grenzberschreitenden Kooperation herausgebildet haben, um von dort aus einen Erwartungshorizont fr centrope als Gesamtregion aufzumachen.

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  • soll: (1) Mit Strkefeldern sind solche gemeint, die auch international (und nicht nur im regionalen Vergleich mit anderen in dieser Region vorhandene Feldern) kompetitiv sind und von auen als solche wahrgenommen werden. Daher knnen Elemente der Kooperationsfrdermanahmen auch eine starke Orientierung hin zu Exzellenz aufweisen. Damit werden vorrangig jene Institutionen adressiert, die ausgewiesene Player in definierten Strkefeldern sind und folglich wrde die Grundgesamtheit der mit den Manahmen adressierten Institutionen eher enger sein. (2) Die Strkefelder Wiens mssen fr die Herausbildung einer Achse mit jenen an anderen Standorten in der Region korrespondieren. Fr grenzberschreitende regionale Kooperation bringt es nichts, wenn in einem Feld nur Wien stark ist. In einem solchen Fall mssten Kooperationsmanahmen international angegangen werden. Ideal wre, eine mglichst groe Anzahl an Wiener Institutionen anzusprechen, die in einem Schwerpunkt Strken aufweisen. (3) In den Strkefeldern muss es gengend Komplementaritt bei den beteiligten Institutionen geben (d.h. die Institutionen drfen nicht nur in unmittelbarer Konkurrenz stehen und mssen sich gegenseitig etwas bieten knnen), damit Kooperation auch einen Mehrwert im internationalen Wettbewerb darstellt.

    Ausgehend von beispielhaften Strkefeldern knnen in der greren Region folgende relevante Themenbereiche fr Kooperationsmanahmen definiert werden. Dies sind jene Felder, von denen es jetzt schon ausreichend Evidenz gibt, dass sie in Wien und auf 1-2 Achsen stark sind:

    Strkefelder Wien Potenzielle regionale Kooperationspartner

    Life Sciences Seit langem ein Strkefeld Wiens mit einer Vielzahl von Institutionen (Universitten, AW, AIT), die international relevante Forschung durchfhren. Auch im daran anschlieenden Unternehmensbereich gibt es eine gewisse Dynamik, in dem es auch einige internationale Player gibt (Boehringer, Baxter, etc.).

    IST Austria: ein substanzieller Anteil der Arbeitsgruppen ist in den Life Sciences angesiedelt; gute Komplementaritt zu Gruppen in Wien.

    Sdmhren: Brno: Einige Universitten, die im Life-Sciences-Bereich aktiv sind. Hervorzuheben ist das Central European Institute of Technology CEITEC, mit einer durch EU-Mittel ausgezeichnet ausgestatteten Infrastruktur.

    Vereinzelte Gruppen in Krems; Standorte von BOKU und AIT in Niedersterreich

    Subfelder Wien + IST Austria sind aufgrund der Vielfalt der Gruppen sehr breit aufgestellt. Strken der Life Sciences in Brno sind z.B. Systembiologie, Pflanzenbiologie, medizinische Forschung (Onkologie, Kardiologie), kotoxikologie, Biostatistik

    Physik/Materialwissenschaften

    Mittleres Strkefeld in Wien, insbesondere an Universitt Wien, TU, AIT von Grundlagen bis zum eher angewandten Bereich. Auch

    Sdmhren: Brno: CEITEC: Relevante Forschung im Bereich der Materialwissenschaften (z.B.

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  • einige gute Gruppen im NanoBereich/Grapheme (u.a. Teilnahme am EU-Flagship Grapheme an der TU).

    Wiener Gruppen sind im Bereich der Quantenphysik/Quantenoptik weltweit fhrend.

    Charakterisierung von Metallen).

    N/Technopolstandort Wiener Neustadt: angewandter Bereich: Kompetenzzentren zu Materialtechnologien

    Subfelder In Brno: Mikro- und Nanoelektronik, Material- und Nanowissenschaften

    Informations-und Kommunikationstechnologien

    In Wien sowohl institutionell als auch inhaltlich breit aufgestellter Bereich. Insbesondere an der TU, aber auch Universitt Wien, AIT, Kompetenzzentren VRVis und ftw; Dies inkludiert auch Subfelder in der Mathematik als ein Strkefeld in Wien; Im Software-Bereich viele KMUs, aber keine wirklichen internationalen Player

    Sdmhren: Brno: Gute Forschungsexpertise v.a. in den Bereichen Internetsicherheit und Visualisierung

    West-Slowakei: Gut ausgebaute IKT v.a. im Unternehmensbereich

    Subfelder Visualisierung; Internetsicherheit

    Diese Zusammenstellung beruht aus dem Erfahrungswissen der AutorInnen (z.B. Kooperationsworkshops Wien-Brno) sowie Interviewaussagen mit Gesprchspartnern aus der Region. Sie deckt groe Strkefelder ab, weitere solche gemeinsamen Felder sind nicht ausgeschlossen und mssten noch systematisch gesucht werden.

    All diese Felder weisen konsequent weiter gedacht eine sehr starke mittel- bis langfristige Anwendungsrelevanz auf und bieten gute Anschlussfhigkeiten an den angewandten Bereich. Darber hinaus weisen die oben genannten Bereiche einige Schnittmengen auf, auf die mgliche Frdermanahmen zielen knnten, um insbesondere interdisziplinre Themenfelder anzusprechen. Eine noch zu leistende Arbeit wre damit die Identifikation und Entwicklung institutionen- und grenzbergreifender interdisziplinrer Themenfelder mit gesellschaftlicher Relevanz mit mittel- bis langfristigem Anwendungshorizont unter Einbeziehung der entsprechenden Stakeholder.

    Als Beispiel sei der Komplex Imaging/Visualisierung z.B. in den Life Sciences genannt, an dem alle in der Region relevanten Strkefelder beteiligt sein knnten (inklusive Materialwissenschaften und zustzlich Optik in der Physik). In Brno bilden optische Gerte und wissenschaftliche Instrumente auch ein relevantes Forschungsgebiet im Unternehmensbereich (z.B. www.fei.com). Ein weiterer Bereich, der international sehr stark im Kommen und teilweise dort auch schon institutionell etabliert wurde , aber als solcher (trotz der vorhandenen grundlegenden Kompetenzen und einigen hervorragenden Beitrgen zum Thema) von den Wiener Institutionen kaum adressiert wird, ist Big Data. Hier wre eher an eine mittel- bis langfristige Perspektive zu denken, und da es im internationalen Vergleich einen groen Vorsprung gibt, kann Wien bzw. die Region hier bestenfalls als Innovation Follower auftreten.

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    http:www.fei.com

  • In Summe knnten grenzbergreifende Kooperationsmanahmen dazu dienen, klassische Disziplinengrenzen aufzubrechen und die vorhandenen Strken in den oben vorgeschlagenen Feldern zu nutzen, um neue, interdisziplinre Kombinationen mit Anwendungsrelevanz auszutesten. Dadurch wrde man einerseits eine kritische Masse an beteiligten Akteuren schaffen, andererseits wrden durch den Fokus bzw. die Problemorientierung eine hhere Sichtbarkeit erreicht werden.

    Empfehlung: Fr die Entfaltung einer grtmglichen Wirkung insbesondere in einem globalen Wettbewerbsumfeld ist es entscheidend, auf gegebene Wiener Strkefelder zu setzen und diese mit solchen in der Region zu verbinden. Dabei stechen vorab jedenfalls drei Felder heraus: Life Sciences, Physik/Materialwissenschaften und IKT. Dabei ist eine Option, unter Bercksichtigung dieser Disziplinen querliegende Themen zu suchen, die ggf. eine Anwendungsrelevanz haben und zu neuen interdisziplinren Kollaborationen fhren knnten. Wichtig dabei ist, dass mit den Manahmen die Primrinstitutionen direkt ins Visier genommen und in ihren grundlegenden Kompetenzen gestrkt werden. Die Grndung und Untersttzung neuer intermedirer Institutionen sehen wir eher skeptisch.

    4.2.4. Ansetzen bei der Strke Wiens in der Grundlagenforschung

    Alle zentralen Indikatoren machen deutlich, dass Wien in sterreich und auch in der weiteren centrope-Region das Zentrum fr Grundlagenforschung ist. Etwa 60% der vom FWF vergebenen Frdermittel gehen an Wiener Institutionen und dieser Anteil ist im Laufe der Jahre noch gestiegen. Dasselbe gilt, wenn man die vom European Research Council vergebene Frderungen als Indikator heranzieht. Bis Ende Januar 2014 hat der ERC insgesamt 115 ForscherInnen an sterreichischen Institutionen ausgezeichnet, 76 davon gingen an ForscherInnen an Wiener Institutionen, das sind ca. 67%. Nimmt man noch das nhere institutionelle Umfeld in der Wiener Region, sprich das IIASA in Laxenburg und das IST Austria in Klosterneuburg hinzu, kommt man auf 83% aller ERC-Vergaben in sterreich. Die Anzahl der ERC-Grants ist auch verglichen mit anderen Regionen in Europa ein Spitzenwert. Die resund-Region (Standorte Kopenhagen und Umland sowie Lund und Malm) hat von 2010-2013 55 ERC-Grants zuerkannt bekommen. Wien kommt fr diesen Zeitraum auf 59 ERC-Grants4 und schneidet damit im Bereich der Grundlagenforschung ungefhr gleich gut ab wie diese Top-Region (allerdings bei einer weit greren Zahl von ForscherInnen).

    4 Eigene Auswertung auf der Basis der Vergabelisten des ERC.

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  • Auch im Bereich der angewandten Forschung ist Wien relativ gut aufgestellt, kommt allerdings bei den Mittelvergaben, etwa der FFG, nur auf den sterreichischen Durchschnitt.5 Aufgrund der zur Verfgung stehenden Basisressourcen der Primrinstitutionen scheint es momentan unmglich, sowohl im Grundlagen- als auch im angewandten Bereich berdurchschnittliche Leistungen zu erbringen. Fr Wien kann man daher mit einer ausgeprgten Strke im Grundlagenbereich rechnen, mit einigen Spitzen im Exzellenzbereich der wissenschaftlichen Grundlagenforschung. Der FTI-Standort kann durch die komplementre Ergnzung im Grundlagenforschungsbereich weiter gestrkt werden. Auf dieser Basis knnen selektiv und vor Ort entsprechende Spin-off Aktivitten entwickelt werden. Diese sind aber kein natrliches Thema fr grenzberschreitende Kooperation.

    Empfehlung: Grenzberschreitende Manahmen der Kooperation im FTI-Bereich bieten sich insbesondere dort an, wo die betrchtlichen Strken Wiens in der wissenschaftlichen Forschung den Ausgangspunkt bilden.

    4.2.5. Internationalisierungsstrategien als Mehrwert regionaler Kooperation

    Etwas paradox klingend, verweist dieser Grundsatz auf die Tatsache, dass fr die FTI-Akteure (wie innovative Unternehmen oder wissenschaftliche Forschungsinstitutionen) die Region an sich von untergeordneter Bedeutung ist, da heute gerade in innovationsintensiven Branchen Ressourcen (d.h. insbesondere Wissen) und Mrkte global gesucht werden. Das gilt fr Innovationsfhrer im Unternehmensbereich ebenso wie fr Universitten und Forschungsinstitutionen, die ihr Wissen und ihre Produkte weltweit verbreiten. Damit sich diese Akteure regional engagieren, muss fr sie ein deutlicher Mehrwert in ihrer internationalen Ausrichtung erkennbar sein.

    So spielen in drei der vier Vergleichsregionen grenzberschreitende regionale Kooperationen eine wichtige Rolle fr Internationalisierungsstrategien von tertiren Bildungsinstitutionen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Regionale Zusammenarbeit ist hier der Hebel, der diese Institutionen bei ihren primren Missionen untersttzt: Oberrhein wie resund haben bereits oder versuchen, von europischer Seite ko-finanzierte Groforschungsinfrastrukturen in der Region anzusiedeln, die ihrerseits ein Gravitationszentrum fr internationale Spitzenkrfte und weitere Forschungsressourcen

    5 Dahingegen schneiden die Steiermark und Obersterreich im angewandten Bereich besonders gut ab. Umgekehrt sind die Indikatoren im Grundlagenbereich fr diese Bundeslnder nicht ausgeprgt hoch: die Steiermark mit zwei ERC-Grants (bei fnf Universitten) und Linz mit drei ERC-Grants (alle im Bereich der Physik).

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  • darstellen. Der interregionale Aspekt spielt bei der politisch gefhrten Mittelzuweisung auf europischer Ebene eine entscheidende Rolle und kann eine kritische Masse an regionalen Akteuren mobilisieren, an unterschiedlichen Stellen dafr zu lobbyieren. Gerade dieser Aspekt wird im aktuellen EU-Rahmenprogramm Horizon 2020 zunehmend wichtiger.

    Empfehlung: Innovations- und forschungsstarke Institutionen brauchen fr ein starkes Engagement Motive jenseits der Region. Regionale Kooperationen als Hebel fr Internationalisierung bilden ein wichtiges derartiges Motiv.

    4.2.6. Substanz vor Marketing

    In den vier Vergleichsregionen spielt Standortmarketing zumeist eine wichtige Rolle allen voran in der resundregion. Viele der hinsichtlich der regionalen Kooperation verbreiteten Erwartungen sind dem Marketing geschuldet, allerdings aufbauend auf den real vorhandenen guten Kooperationsstrukturen, gemeinsamen Problemsichten und dem relativ hohen Integrationsgrad der beteiligten Regionen. Die ber das Standortmarketing generierten Erwartungen in den Vergleichsregionen knnen also weitgehend erfllt werden und tragen zu einer gemeinsamen Vision bei, um ambitionierte Ziele zu erreichen.

    In der Region centrope hingegen ist der Abstand zwischen kommunizierter Vision und tatschlicher Realisierung bisher sehr gro. Die konkreten Manahmen und dafr zur Verfgung stehenden Mittel entsprechen nicht dem Umfang der Region und dem tatschlichen Commitment der Akteure. Die Empfehlung lautet daher, fr die grere Wiener Innovationsregion zuerst einige starke Achsen der Kooperation zu entwickeln und erst auf der Basis vorhandener Substanz Entscheidungen ber das Branding bzw. Marketing zu treffen Fr ein erfolgreiches Branding ist nicht zuletzt ein nachhaltiges Investment von besonderer Bedeutung. Das zeigen die Beispiele der vier europischen Vergleichsregionen, aber auch das Wien-eigene lngerfristige Engagement in den Life Sciences, womit ein sehr starkes Standort-Branding begrndet werden konnte.

    Empfehlung: Bis sich tragfhige Kooperationsachsen etabliert haben die einen entsprechenden Impact zeitigen, sollten ber Marketingmechanismen keine berzogenen Erwartungen ber die regionale Entwicklung generiert werden.

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  • 4.2.7. Vorlufiger Verzicht auf umfassende grenzberschreitende Strategiefindungsprozesse und Governancestrukturen

    Von umfassenden, greren Strategiefindungsprozessen unter Einbeziehung einer Vielzahl von Akteuren ist zum jetzigen Zeitpunkt abzuraten, da es dafr noch kein hinreichendes Potenzial an existierender Zusammenarbeit gibt, auf das man aufsetzen knnte. Ein umfassender Prozess wrde sehr viele Ressourcen und Energien binden, die stattdessen fr die konkrete Entwicklung funktionaler Achsen der Kooperation genutzt werden sollten. Mit weiter reichenden Strategiefindungsprozessen wrden auch Erwartungen generiert werden, die mit dem realistischerweise erwartbaren finanziellen Ressourcen kaum erfllt werden knnten. Ein grerer Strategieprozess kann aber initiiert werden, sollten sich stabile Kooperationsachsen von Wien in die Region ausgehend entwickelt haben und der Wunsch nach weiterer Entwicklung bei allen Akteuren gro sein. In den europischen Vergleichsregionen findet man umfassendere Strategiefindungsprozesse, diese bauen aber alle auf bereits lnger bestehende Kooperationen in Teilbereichen auf und knnen so eine Gesamtstrategie begrnden.

    Gleiches gilt fr die unmittelbare Etablierung von umfassenderen Governance-Strukturen, denn es ist momentan einfach nichts an grenzbergreifenden Manahmen da, was avancierter Steuerungsprozesse bedrfte. Solche Strukturen mssen on the go, mit den im Laufe der Zeit immer greren Manahmen entwickelt werden und hngen stark mit Komplexitt und Umfang der angedachten Manahmen zusammen. Je mehr die Manahmen in Richtung struktureller und strategischer Vorhaben gehen, desto wichtiger ist dann aber auch, dass diese in einer entsprechenden Governance abgebildet werden. Analog zu den Erfahrungen der Vergleichsregionen mssten diese auf einem starken politischen Commitment, schlanken und dabei effektiven Managementstrukturen, akteursnahen Servicestellen und handhabbaren gemeinsamen Frdertpfen basieren.

    Empfehlung: Zum gegenwrtigen Zeitpunkt und bis sich funktionierende Achsen der grenzberschreitenden Kooperation mit der Region als Kristallisationskeime herausgebildet haben, sollte auf umfassendere, regionenbergreifende, und viele Akteure einbeziehende Strategiefindungsprozesse verzichtet werden. hnliches gilt fr Governancestrukturen, die mit den durchgefhrten Manahmen wachsen mssen, aber keinesfalls in einem luftleeren Raum etabliert werden drfen.

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  • 4.2.8. Monitoring und Evaluierung

    Bei jeder Form der strategisch gesetzten Manahmen berregionaler Kooperation im FTI-Bereich ist an ein angemessenes Monitoring und Evaluierungsmanahmen zu denken. Gerade wenn Institutionen aus dem Forschungsbereich involviert sind, ist dabei auf die Eigenlogik der damit einhergehenden Prozesse und des Systems Rcksicht zu nehmen. Evaluierungen sollten eher auf Wirkungen und Ergebnisse fokussieren, als auf die Kontrolle der Prozesse laut Plan, um damit die fr Innovation ntige Flexibilitt zu schaffen. Dafr sollten Evaluierungen (interim und insbesondere ex-post) Manahmen auf Projekt- und Programmebene auf die anvisierten Ziele und Wirkungen hin beurteilen. Die Wirkungen sollten dabei mittel- bis langfristig beurteilt werden, damit die Manahmen ausreichend Zeit haben, sich zu entfalten und eine nachhaltige Entwicklung zu frdern. Wichtig ist aber auch, dass bei Nicht-Erreichung der Ziele die richtigen Konsequenzen gezogen werden.

    Empfehlung: Bei der Implementierung der Manahmen sollte rechtzeitig auf ein sparsames, aber zielgerichtetes Monitoring sowie eine konsequente Evaluierung nach Ergebnissen Wert gelegt werden.

    4.2.9. Lobbying fr verbesserte Rahmenbedingungen fr den Wiener Innovationsraum

    Nicht alles kann durch lokale FTI-Standortpolitik adressiert werden. Dennoch besteht die Mglichkeit, fr die Verbesserung entscheidender, die grenzbergreifende Kooperation untersttzender Rahmenbedingungen zu lobbyieren und damit Verbesserungen fr den Standort und die Region zu erreichen. Zwei zentrale Bedingungen seien dabei besonders hervorgehoben.

    Nationale FTI-Politik: Nach gut einem Jahrzehnt Wachstum im FTI-Bereich hat die Krise 2008 einen Knick insbesondere in der Entwicklung im Grundlagenforschungsbereich und bei den Universitten nach sich gezogen. Da Wien der nationale und regionale Standort fr wissenschaftliche Forschung ist, ist der Standort besonders davon betroffen. Ein strkeres Einwirken auf die nationale Ebene, die entsprechenden Schritte in der Forschungs- und Universittsfinanzierung zu setzen, hat unmittelbar positive Auswirkungen auf das Wachstum des Forschungsstandortes Wien. Von jedem zustzlichen Euro, der in die Grundlagenforschung und in die Universitten investiert wird, profitiert Wien berproportional, da ca. 2/3 jedes Euros in diesem Bereich an Wiener Institutionen flieen.

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  • Verkehr und Mobilittsinfrastruktur: Im Vergleich zu anderen Regionen verfgt die grere Wiener Innovationsregion, die eingangs mit einer Erreichbarkeit ab Wien von etwa 1 Stunden definiert wurde, nicht ber umfassende, hervorragende Verkehrsverbindungen. Whrend die Straeninfrastruktur noch relativ gut ausgebaut ist, mangelt es v.a. an hochrangigen Verbindungen im ffentlichen Verkehr in Richtung Brno und Bratislava. Die Mglichkeit der Mobilitt von Personen ist ein entscheidender Faktor fr die Herausbildung funktionaler Regionen und Wien sollte auf die Bundesregierung einwirken, diese Verkehrswege prioritr auszubauen.

    Empfehlung: Wir empfehlen ein verstrktes Einwirken auf Aspekte nationaler Politik, die unmittelbar und in einem berdurchschnittlichen Ausma Wien (und der regionalen Zusammenarbeit Wiens) zu Gute kommen, insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Forschung, aber auch der nach Norden und Osten gerichteten verbesserten Mobilittsstrukturen.

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  • 5 Modulare Optionen fr grenzberschreitende Kooperationsmanahmen

    Wir bieten nun vier Optionen fr grenzberschreitendende Manahmen in der FTI-Zusammenarbeit an, die einerseits modulartig in verschiedenen Kombinationen verwendet werden knnen, andererseits auch unterschiedliche Zeithorizonte in der Umsetzung darstellen. Die dahinterstehende Logik ist, dass Intensitt der Kooperation und die dafr notwendige Zeit in einem Zusammenhang stehen, wie folgende Grafik (exemplarisch) verdeutlichen soll:

    5.1. Opportunittsorientierte Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit

    Offenheit und Aufnahmefhigkeit fr zeitnahe Entwicklungen sollten bei Diskussionen zum FTI-Standort bercksichtigt werden. Dabei wre jeweils zu entscheiden, ob und welchen Beitrag die Politik fr grenzberschreitende Manahmen leisten kann und will. Die in Kapitel 4 angesprochenen allgemeinen Grundstze knnen dafr eine Entscheidungsgrundlage sein. Es ist daher empfohlen, im Rahmen einer kommenden FTI-Strategie ein Set von Kriterien fr grenzberschreitenden Kooperationen zu definieren, nach denen man entscheiden kann, ob eine bestimmte Kooperationsidee von der Stadt Wien wahrgenommen und untersttzt werden soll. Diese Kriterien sollten mit den Zielen der FTI-Strategie abgestimmt sein. Die zu erzielenden Wirkungen und die dafr notwendigen finanziellen Mittel sind nicht absehbar. Die

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  • Mittel dafr knnten teils aus dem Stadtbudget zu bezahlen sein, teils knnten EU-Interreg-Mittel kurzfristig mobilisiert werden (abhngig von einer geeigneten Trgerstruktur und dem aktuellen Ausschpfungsgrad). Die operativen Instrumente mssten ad hoc entwickelt werden.

    M 1 Offenheit gegenber zeitnahen Gelegenheiten fr grenzberschreitende Kooperationen und dabei Etablierung eines Sets von Entscheidungskriterien fr bottom-up entstehende Initiativen der grenzberschreitenden Kooperation. Diese Kriterien sollen eine Abschtzung erlauben, inwiefern an die Stadt herangetragene Ideen mit den Zielen des FTI-Standorts vereinbar sind trotz des Fehlens expliziter, vorab definierter Manahmen.

    5.2. Punktuelle Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit

    Punktuelle Kooperationsmanahmen im FTI-Bereich haben einen relativ kurzfristigen Realisierungshorizont und bedrfen nicht besonders groer Abstimmung mit Akteuren in anderen Regionen, insbesondere auf einer Policy-Ebene. Sie eignen sich dazu, wenige Akteure miteinander in Verbindung zu bringen, damit daraus eine Wirkung entsteht. Von der Finanzierungsseite her sind dies Initiativen, die ber regulre Budgets der beteiligten Regionen bzw. auch der Institutionen sowie ber etablierte Frderinstrumente von Bund und Lndern (inklusive EU-Interreg-Mitteln) realisiert werden knnen. Punktuell heit aber auch, dass diese Manahmen zwar eine unmittelbare Wirkung entfalten, lngerfristige, strukturelle nderungen jedoch nicht zu erwarten sind (auer dies wird durch weitere, daran anschlieende Manahmen und Instrumente gefrdert). Sie machen daher insbesondere dann Sinn, wenn sie in einem Zusammenhang mit strukturellen Manahmen stehen.

    Folgende Manahmen knnen im Rahmen von Diskussionen zum FTI-Standort bercksichtigt werden:

    M 2 Fortfhrung der bereits erfolgreich durchgefhrten Networking Events im Bereich der wissenschaftlichen Forschung zwischen Wien und Brno (bisher im Bereich Life Sciences, Materialwissenschaften und IKT), in welchen ForscherInnen aus beiden Innovationsregionen (auch unter Beteiligung von Nachbarregionen wie N oder Bratislava) gemeinsame Forschungsinteressen ausloten konnten. Diese Veranstaltungen kompensieren traditionell vorhandene Informationsdefizite zwischen den beteiligten Regionen, lassen aber wichtige strukturelle Fragen unbeantwortet insbesondere die Frage der weiteren Finanzierung von kooperativen

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  • Forschungsvorhaben6. Je nach Themengebiet kann eine verstrkte Einbindung industrieller Akteure relevant werden, um speziell Forschungsinstitutionen mit der Industrie zu vernetzen. Einige Regionen wie z.B. der Oberrhein oder auch die Bodenseehochschule setzten mit sog. Wissens- und Technologietransfer-Tagungen und Workshops Aktivitten in diese Richtungen.

    M 3 Manahmen zu Frderung studentischer Mobilitt: Diese Manahmen knnen das Potenzial schaffen, in spteren Karrierestadien grenzbergreifende Kooperationen zu initiieren. Dabei bieten sich unter anderem zwei Optionen an: (1) Die Frderung der Organisation grenzbergreifender Summer Schools in Schwerpunktbereichen, um grenzbergreifend Lehrende und Studierende zusammenzubringen. Sofern Summer Schools auf regelmiger Basis institutionalisiert werden, werden daraus strukturelle Manahmen. Beginnen knnte man mit einem punktuellen Pilotprojekt. Solche Summer Schools werden etwa bei der Bodenseehochschule seit Jahren erfolgreich durchgefhrt. (2) Etwas lngerfristiger in der Wirkung ist die Anschubfinanzierung fr die Entwicklung grenzberschreitender Joint Degrees auf Master oder PhD-Ebene zwischen Wiener und wie wir zunchst empfehlen Brnner Universitten zu sehen. Auch hier empfiehlt es sich, von den definierten Strkefeldern auszugehen und punktuell zu beginnen. Die Erfahrungen aus den anderen europischen Vergleichsregionen zeigen, dass grenzbergreifende Ausbildungsprogramme zum Instrumentenmix einer erfolgreichen Region dazugehren, manchmal aber nicht die Erwartungen erfllten, die in sie gesetzt wurden bzw. soweit normalisiert sind, dass daraus kein groer Innovationsschub mehr erwartet wird. Stattdessen setzt man in den Regionen, die ursprnglich v.a. als Bildungskooperationen begonnen wurden (teilweise resund, EUCOR-Universittsverbund am Oberrhein sowie die IBH) vermehrt auf Forschung. Ausgehend von diesen Erfahrungen sollte man bei grenzberschreitenden Joint Degrees den Forschungsaspekt (d.h. die PhD-Ebene) strker betonen, um Grundsteine fr sptere Forschungskooperationen zu legen. Finanzierungsoptionen dafr sind sowohl eigene Mittel der Institutionen, Mittel der beteiligten Regionen sowie EU-Mittel aus Interreg 2015+.

    6 Bilaterale Frdermglichkeiten auf nationaler Ebene gibt es ber den FWF im Rahmen von bilateralen Lead Agency-Verfahren zwischen Tschechien und sterreich. In Horizon 2020 sind zumindest drei Partner aus drei unterschiedlichen Nationen notwendig.

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  • 5.3. Strukturelle Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit

    Strukturelle Kooperationsmanahmen stellen auf einen mittelfristigen Zeithorizont in der konkreten Umsetzung sowie in den Wirkungen ab. Sie wren innerhalb einer FTI-Strategie-Periode realisierbar, aber erfordern Manahmen, die mehrere Governance-Ebenen involvieren und Abstimmungsarbeit regional, national und grenzbergreifend zwischen verschiedenen Akteuren geleistet werden muss. Strukturell heit in diesem Zusammenhang, dass mit den Manahmen eine dauerhaftere Wirkung angestrebt wird bzw. eine grere Zahl von Akteuren organisiert und auf Ziele ausrichtet wird. Zum gegenwrtigen Zeitpunkt sind entsprechende Strukturen dafr allerdings schwach bis gar nicht ausgeprgt. Strukturelle Manahmen fr die grenzbergreifende Frderung von FTI sind dafr prdestiniert, vor allem ber die externe Finanzierung durch EU-Mittel getragen zu werden. Im Operationellen Programm der Europischen Territorialen Zusammenarbeit (ETZ)/Interreg zwischen Tschechien und sterreich 2014 bis 2020 sind Strengthening research, technological development and innovation bzw. Investing in skills, education and lifelong learning by developing education infrastructure wichtige thematische Ziele. Es wurde also schon Vorarbeiten in der Programmierung geleistet, so dass ein Finanzierungsrahmen fr strukturelle Manahmen voraussichtlich ab Anfang 2015 abrufbar wre. Konkrete Projekte mssen allerdings noch entwickelt werden.

    M 4 Dual Career Service Support: Damit soll erreicht werden, herausragende ForscherInnen aus dem Ausland fr die Region anzuziehen, indem ihren PartnerInnen Untersttzung bei der Suche nach einem adquaten Job geboten wird. Der WWTF hat (in Zusammenarbeit mit der sterreichischen Universittenkonferenz) 2013 eine Dienstleistung in dieser Richtung gestartet und arbeitet bereits grenzbergreifend, d.h. auch Institutionen aus Niedersterreich involvierend (IST Austria, Donau Universitt Krems). Nach einer gelungenen Etablierungsphase wrde sich der weitere Ausbau empfehlen, sowohl hinsichtlich der in der Region beteiligten Institutionen als auch hinsichtlich der Vermittlungsaktivitten in weitere Berufsfelder hinein. Dadurch, dass das Service inter-institutionell, inter-regional und teilweise Sektor bergreifend organisiert ist, ergibt sich ein Vorteil bei der internationalen Anwerbung von hervorragenden WissenschaftlerInnen. Die zu setzenden Manahmen sind hier weniger finanziell, sondern zielen auf politische Untersttzung fr die Teilnahme zustzlicher Sektoren und Institutionen, in denen Jobs gefunden werden knnen.

    M 5 Eine lngerfristige Institutionalisierung der Manahmen im Rahmen des Networkings und der studentischen Mobilitt (M2/M3) knnte strukturelle Effekte nach sich ziehen und auch im Rahmen von Interreg-Mitteln finanziert werden. Auf

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  • jeden Fall sind diese Manahmen zuerst punktuell zu setzen und auf Machbarkeit in einem greren Ausma zu berprfen.

    M 6 Grenzberschreitende Zusammenarbeit in der Forschungsfrderung knnte ein wichtiger Kristallisationskeim fr den Aufbau eines gemeinsamen Forschungs- und Innovationsraums sein. Dabei muss man auf eingespielte Strukturen aufsetzen, etwa durch ein sog. Lead-Agency Verfahren, d.h. die Einreichberechtigung bei Frderprogrammen knnte auf Institutionen der Nachbarregion ausgedehnt werden. Die Ausschreibung wird von der lead agency abgewickelt und im Falle der Frderung einer Institution in der Nachbarregion wrde die Nachbarregion die Finanzierung der Forschung an ihren Institutionen bernehmen. Die Vorteile liegen dabei darin, durch den Wettbewerb einen guten Qualitts-Benchmark zu erreichen, gleichzeitig aber auch Kooperation in der Region zu frdern. Eine andere Mglichkeit wre, dass die ffentliche Hand einen gemeinsamen Frdertopf schafft (entweder eigene Mittel oder, wenn nationale Grenzen berschreitend, durch ETZ/InterregMittel).7 Es knnten dafr Mittel der EU-Regionalfrderung genutzt werden, um entlang der eingangs erwhnten Achsen grenzbergreifende Forschungsprojekte in ausgewhlten Schwerpunkten zu frdern. Dabei bietet sich insbesondere die Achse Wien Brnn/Brno an (unter Beteiligung des Wiener Umlandes, aber auch von Linz und Olomouc/Olmtz) an, und zwar in den bereits definierten Strkefeldern wie z.B. Life Sciences, Materialwissenschaften und IKT oder auch in diese Felder bergreifenden Fragestellungen. Vorstellbar ist dies im Rahmen von kompetitiven Projektausschreibungen und externer Qualittssicherung (Peer-Review Verfahren) durchzufhren, da diese Form der Auswahl im wissenschaftlichen Kontext auf groe Akzeptanz stt und die Auswahl kompetitiv erfolgen kann. Partner an einer Institution in der jeweils anderen Region wren eine Grundbedingung, um Kooperationen zu frdern. Ein derartiger Forschungsfrderungstopf im Interreg-Rahmen steht, wie oben schon erwhnt, bereits ab 2015 zur Verfgung und soll dafr mglichst rasch abgerufen werden.

    Solche Instrumente knnen stark dazu beitragen, dass die beteiligten Regionen als gemeinsamer Forschungsraum wahrgenommen werden, da die Gruppen/Institutionen sowohl in einem Konkurrenz- als auch Kooperationsverhltnis zueinander stehen. Auch die OECD sieht darin einen besonderen Mehrwert: Allowing cross-border actors to participate in programmes in the neighbouring

    7 Siehe z.B. die Initiativen von NordForsk, einer Organisation unter dem Nordic Council of Ministers, welche Forschungsfrderungsmittel fr die nordischen Lnder bereitstellt. Von 2005-2011 sind mehr als 130 Mio. Euro in einen fr Forschungsfrderung vorgesehenen gemeinsamen Topf geflossen. Siehe http://www.nordforsk.org/files/grand-challenges-responding-research-seminar-brussels-28.2.2012presentations/gunnel-gustafsson

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    http://www.nordforsk.org/files/grand-challenges-responding-research-seminar-brussels-28.2.2012

  • country, subject to the demonstration of co-operation benefits, is a powerful means to stimulate and support cross-border collaboration (OECD 2013b, 27). Im Rahmen der von uns zum Vergleich herangezogenen europischen grenzbergreifenden Regionen ist dies durchaus bereits eine bliche Praxis, etwa am Oberrhein (Wissenschaftsoffensive), in der resundregion oder an der IBH. Dafr werden sowohl regionale Beitrge als auch EFRE-Mittel (ETZ/Interreg) fr Calls genutzt und die beteiligten Behrden sind bemht, administrative Hrden fr die einzelnen Projektdurchfhrenden mglichst abzubauen. Zustzlich gibt es (etwa in Geschftsstellen) Supportstrukturen bei Antragstellung und Projektabwicklung ein Punkt, der sicher auch im Wiener Innovationsraum bedeutend wird, wenn eine solche Manahme ins Visier genommen wird. Auf der Governance-Ebene erfordern derartige Calls Strukturen, in denen inhaltliche Schwerpunktdefinition und Projektauswahl unabhngig von regionalpolitischen berlegungen stattfinden knnen und durch die der/die individuelle WissenschaftlerIn bei einer Teilnahme nicht unmittelbar mit der Interreg-Programmbrokratie konfrontiert ist (vgl. die Struktur und Leistungsvereinbarung der Bodensee-Hochschule). Wichtig ist aber, eine gute Schnittstelle zwischen politischen Entscheidungsprozessen und der Auswahl auf der Basis wissenschaftlicher Expertise zu etablieren, damit einerseits ein politisches Commitment fr das Vorhaben sichergestellt ist, andererseits wissenschaftliche Qualittskriterien auf der Basis unabhngiger wissenschaftlicher Expertise mglich sind (etwa in Form von Jurys, die Frderempfehlungen aussprechen). Die Steuerungsstruktur sollte auf jeden Fall mglichst sparsam, transparent und bersichtlich, aber doch in ihren Entscheidungen eindeutig sein.

    M 7 Grenzbergreifende Etablierung und Nutzung mittelgroer Forschungsinfrastrukturen in interdisziplinren Bereichen mit starker Anwendungsrelevanz kann eine wichtige Manahme sein, um die internationale Wettbewerbsfhigkeit des Forschungsstandortes weiter zu entwickeln. Forschungsinfrastrukturen mittlerer Gre bieten sich deswegen an, weil kleinere Infrastrukturen an Institutionen oder auch institutionenbergreifend ber die Leistungsvereinbarungen und Hochschulraumstrukturmittel finanziert werden knnen. Wirklich groe Infrastrukturen sind bis 2020 kaum machbar. Allerdings bieten auch mittelgroe Infrastrukturen ein enormes Potenzial fr bestimmte Forschungsbereiche. Ein Bereich, der aktuell besondere internationale Relevanz besitzt (und auch fr Wien-interne Manahmen in der kommenden Wiener FTI-Strategie diskussionswert wre) ist Big Data. Whrend in anderen europischen Nationen bereits entsprechende Center etabliert wurden, ist sterreich noch

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  • weitgehend in der Explorationsphase8 und wird hier kaum mehr zu einer Innovationsfhrerschaft gelangen. Es knnte aber bei entsprechender Investition der Rckstand relativ rasch aufgeholt werden, da es sich nicht um wissenschaftliche Frontier-Bereiche handelt, sondern schon um sehr anwendungsnahes Wissen. Bei einer grenzberschreitend etablierten Infrastruktur wre der finanzielle Hebel etwas grer, wie auch die Anzahl relevanter und interessierter Forschungsakteure in Unternehmen und Wissenschaft. Etwaige Entwicklungsprozesse sowie Steuerungs- und Finanzierungsstrukturen mssen an dieser Stelle offen gelassen werden, da dies entscheidend vom Commitment der Primrakteure in Wissenschaft und Industrie abhngt. Auf jeden Fall braucht es entsprechende Treiber in Politik, Forschung und Wirtschaft.

    M 8 Ein Instrument auf europischer Ebene im Rahmen der European Institute of Innovation and Technology (EIT) sind Knowledge and Innovation Communities (KICs) an denen sterreichische Institutionen bisher nicht partizipieren konnten.9

    Wien knnte sich zum Ziel setzen, eine Beteiligung an KICs nach 2014 zu erreichen, etwa zum 2018 stattfindenden Call zu Urban Mobility. Dafr knnten von der Stadt entsprechende Initiativen gesetzt werden, Forschungsinstitutionen zu motivieren, auch grenzberschreitende Initiativen fr eine Bewerbung zu setzen. Dabei knnte das Thema Urban Mobility ein guter Anlass sein, auch mit Bratislava in eine verstrkte Kooperationsbeziehung zu treten; anknpfend an Fragen der Mobilitt im gemeinsamen Agglomerationsraum der Twin Cities. In den bisher drei etablierten KICs (2009) gibt es keine sterreichische Beteiligung. Eine fehlende Beteiligung von Wiener Institutionen in kommenden KICs wre ein klarer Indikator dafr, dass sterreich einen weiteren Rckstand zu den Innovation Leadern aufbaut. Auch hier ist es schwierig, in diesem Stadium konkrete Manahmen vorzuschlagen, auf jeden Fall sollte Wien einen entscheidenden Beitrag leisten, damit sich Wiener Institutionen um eine Beteiligung bewerben.

    5.4. Strategische Manahmen der grenzberschreitenden Zusammenarbeit

    Die in diesem Abschnitt vorgeschlagenen Manahmen sind strategischer Natur und zielen auf tatschliche Realisierung nach 2020 ab. Wenn solche Manahmen angedacht werden, mssten in den kommenden Jahren aufgrund der langen Planungsfristen wichtige erste

    8 IDC Central Europe und das AIT fhren im Moment von bmvit und FFG gefrderte Studie zum Thema Big Data in Austria durch, siehe http://bigdataaustria.wordpress.com/

    9 Nur ein momentan von steirischen Forschungsinstitutionen getriebenes KIC zu raw materials hat aktuell reale Umsetzungschancen.

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    http:http://bigdataaustria.wordpress.com

  • Schritte gesetzt werden, damit eine Chance auf Realisierung besteht. Zugegebenermaen sind manche Ziele sehr ambitioniert und mit eher geringen Chancen der Umsetzung, aber grere Flagship-Projekte sind aber wichtig, um fr den Standort weiter reichende Visionen zu entwickeln. Auch bei gleichbleibend guter Performance von Wien als FTI-Standort ergeben sich Platzverluste, da andere (auch grenzbergreifende) Regionen sich ambitionierte Ziele in Wissenschaft und Forschung stecken, die ihnen einen wichtigen Vorteil im globalen Wettbewerb um die besten Kpfe sichert. So konnte die resundregion mit europischen Mitteln mit MAX IV und ESS zwei Groforschungsinfrastrukturen in der Physik (Synchrotron-Strahlung und Neutronenquelle) etablieren. Die Oberrheinregion strebt im Verbund der dortigen fnf Universitten die Einrichtung einer grenzbergreifenden europischen Groforschungseinrichtung im Bereich der Life Sciences, Mikroelektronik oder Materialwissenschaften an.

    M 9 Vorbereitende Manahmen fr eine europisch ko-finanzierte Groforschungsinfrastruktur mit Wien als bedeutendem Standort mit einer Realisierung nach 2020 als Triebfeder fr den Innovationsstandort. Grenzberschreitende Zusammenarbeit kann dabei die Chancen erhhen, bei der Ansiedlung zum Zug zu kommen. Die Ideenentwicklung und der Antrieb dafr mssen aus der Forschungscommunity in Wissenschaft und Industrie kommen. Die konkrete Umsetzung knnte im Strategiezeitraum 2020+ erfolgen. Damit ergibt sich ein realistischer Umsetzungszeitraum von zehn Jahren und mehr. In der Region wurde mit dem MedAustron in Wiener Neustadt eine erste Groinfrastruktur realisiert (mit baldiger Aufnahme des operativen Betriebs), die ein Beispiel dafr abgibt, dass bei entsprechend gemeinschaftlicher Anstrengung auch in Wien eine Groforschungsanlage realisiert werden knnte.

    M 10 Bei den Diskussionen zum FTI-Standort sollte bercksichtigt werden, innerhalb der kommenden Strategieperiode entsprechende Schritte zu setzen, um bei der Programmierung fr die nchste Strukturfondsperiode nach 2020 Manahmen im FTI-Bereich stark zu positionieren, damit der Fokus verstrkt auf langfristige Wachstumstreiber gesetzt wird.

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