Integration im Fokus 04/11

5
Entgeltliche Beilage im 15. Dez. 2011 Österreicher loben Integration – Heinz Fassmann erklärt wieso. Was Sebastian Kurz bisher er- reicht hat – und was noch nicht. Advent und Weihnachten bei Deutschen, Serben und Türken. ÖIF ÖIF Der will sich ganz einfach nicht anpassen . . . PAMMESBERGER ÖVP-FOTODIENST/JAKOB GLASER 02 04 02 COVER: ELIZA MAYER 06 Die Fiakerin aus Indien Migranten sind längst auch in „typisch österreichischen“ Berufen angekommen. Lesen Sie vier Portraits auf Seite 8.

description

Sonderbeilage des ÖIF im KURIER

Transcript of Integration im Fokus 04/11

Page 1: Integration im Fokus 04/11

Entgeltliche Beilage im 15. Dez. 2011

Österreicher loben Integration– Heinz Fassmann erklärt wieso.

Was Sebastian Kurz bisher er-reicht hat – und was noch nicht.

Advent und Weihnachten beiDeutschen, Serben und Türken.

ÖIF

ÖIF

Der will sich ganz einfach nichtanpassen . . .

PAM

MES

BER

GER

ÖVP

-FO

TOD

IEN

ST/J

AKO

BG

LASE

R

02 0402

CO

VE

R:E

LIZ

AM

AYE

R

06

Die Fiakerinaus Indien

Migranten sind längst auchin „typisch österreichischen“

Berufen angekommen.Lesen Sie vier Portraits

auf Seite 8.

Page 2: Integration im Fokus 04/11

DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 20112 INTEGRATION IM FOKUS DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 2011

59 Prozent der Österreichersind also der Meinung, dassdas Zusammenleben gutfunktioniert. Das ist einschöner Erfolg – doch auchdie 37 Prozent, die dasnicht so sehen, müssen wiransprechen. An diesemWert zeigt sich, dass dasbloße Zusammenleben undder Kontakt mit Menschenaus unterschiedlichen Län-dern nicht automatisch da-zu führt, dass man einanderbesser kennen lernt undsich über kulturelle Unter-

schiede und Gemeinsamkeiten austauscht.Deshalb ist „Interkultureller Dialog“ beimExpertenrat für Integration ein zentraler Punkt:Er wird zugleich als Querschnittsmateriebehandelt, die alle Arbeitsbereiche betrifft,als auch als eigenes Thema. Wir müssen inÖsterreich Formen und Räume fördern, in de-nen interkultureller Dialog zustande kommt –denn er ist für ein gutes Zusammenlebenunverzichtbar.

[email protected]

Prof. Dr. Gün-ther Kienast istMitglied desExpertenratsfür Integrationfür „Interkultu-rellen Dialog“

Den Rest überzeugen

KOMMENTARErstaunlichselbstkritisch

Unter den Ergebnissen deraktuellen Umfrage des Öster-reichischen Integrations-fonds (ÖIF) zum Integrati-onsklima (siehe Interviewrechts) überrascht eines be-sonders: Auf die Frage, ob dieÖsterreicher es den Zuwan-derern erschwerten, sich zuintegrieren, antworten 59 Pro-zent der Befragten mit „Ja“.Nur 36 Prozent sind der Mei-nung, dass die Österreicherkeinesfalls ein Hindernis fürIntegration darstellten. Diese

erstaunlich selbstkritische Haltung zeigt: DieÖsterreicher wissen, dass Integrationsarbeit dieAufnahmegesellschaft miteinschließen muss.Dieses Ziel verfolgen wir beim ÖIF bereits seitJahren: Sachliche Information über Chancenund Herausforderungen von Integration stattverkürzter Schwarz-Weiß-Malerei, lautet dasPrinzip. Auf diese Weise arbeiten wir für mehrOffenheit bei den Österreichern – denn ohne siekann Integration nicht funktionieren.

[email protected]

P A M M E S B E R G E R

Integriert – nicht angepasst!

Neue Beratung 1:Burgenland

Das Burgenland hatmit 9,4 Prozent denniedrigsten Migranten-anteil im Länderver-gleich. Dementspre-chend gering ist dasBeratungsangebot – zugering, wie Robert Tau-ber, zuständiger Landes-amtsdirektor, bestätigt.Das Integrationszent-rum Wien bietet seit No-vember nun neben Nie-derösterreich auchBeratung in Eisenstadtan – vorerst einmal imMonat, bei Bedarf öfter.Das Service steht sowohlMigranten als auch derAufnahmegesellschaftoffen. Tauber: „Wir freu-en uns, dass der ÖIF seinKnow-how zur Verfü-gung stellt.“www.integrationsfonds.at/burgenland

„Die Integrationspolitik

FOKUS: Herr Fassmann, 59Prozent der Befragten den-ken, dass das Zusammenle-ben in Österreich sehr odereher gut funktioniert – voreinem Jahr waren es nur 51Prozent. Wie erklären Siesich die Verbesserung?Heinz Fassmann: Dafür seheich drei Gründe: Erstenshat sich die Zuwanderungin den letzten Jahren struk-turell verschoben. Stattniedrig qualifizierter Ar-beitskräfte kommen heutemehrheitlich gut qualifi-zierte Zuwanderer aus EU-Staaten – also Personen,von denen die Österreichermeinen, dass sie zumWohlstand beitragen.Zweitens haben wir aktuellkeine Wahlkämpfe, in de-nen „Integration“ medialoft negativ inszeniert wird.Und drittens wurde die In-tegrationspolitik in denvergangenen Jahr neu auf-gestellt. Auf Länder- undBundesebene wurdenKommissionen und Beirätefür Zuwanderung und Inte-gration eingerichtet undmit Staatssekretär Kurz hatdas Thema ein politischesGesicht bekommen. Auchdas trägt dazu bei, dass dieMenschen Integration po-sitiver bewerten. Integrati-on funktioniert im Alltagsehr viel besser, als es derpolitische Jammer-Diskursvermuten lässt. Die Inte-gration in Österreich istbesser als ihr Ruf.

Gibt es einen Maximal-wert an Zustimmung, denman bei einem so emotio-nalen Thema wie Integrati-on nie überschreiten wirdkönnen?

Ich fürchte, es wird im-mer Menschen geben, dienicht zufrieden sind. Ver-

gleicht man die vorliegen-den Ergebnisse mit ande-ren empirischen Um-fragen, dann sehe ich einViertel bis ein Drittel derBevölkerung, das auch län-gerfristig Zuwanderungund Integration skeptischbeurteilt. Umgekehrt heißtdas: Rund zwei Drittel sindfür eine positive Einschät-zung zu gewinnen.

Was auffällt: 37 Prozentbewerten das Zusammen-leben als schlecht, aber nur20 Prozent können dasauch mit persönlichen,schlechten Erfahrungenmit Zuwanderern belegen.

Menschen bilden sichihre Urteile eben nicht nuranhand von persönlichenErfahrungen, sondernauch auf Basis von vorge-

fertigten Meinungen. Undes spricht abermals vieldafür, dass Zuwandererund die schon Dagewese-nen im Alltag sehr vielhäufiger konfliktfreie Ar-rangements finden, als wires vermuten.

Sind die Medien schuldam unbegründet schlech-ten Urteil?

Die Medien haben eineMitschuld. Wenn von Zu-wanderung in einer Zei-tung berichtet wird, dannzeigt das entsprechendeBildmaterial häufig einekopftuchtragende Frau mitKindern. Das verstärkt Ste-reotype, obwohl die Struk-tur der Zuwanderungheute ganz anderes Bild-material erforderlich ma-chen würde. Man darf dieMedien aber auch nichtüberschätzen. Sie könnenStimmungen verstärkenoder auch schwächen,aber Stimmungsbildernicht vollkommen auto-nom schaffen.

58 Prozent sagen, Aus-länder bereichern den All-tag in Österreich. Eine ähn-lich große Mehrheit von 54Prozent hält Migrantengrundsätzlich für bereit, et-was zu leisten und zum All-gemeinwohl beizutragen.Ist das eine Überraschungfür Sie?

Ja, das ist es auf den ers-ten Blick. Setzt man das Er-gebnis aber mit einem an-deren Wert inZusammenhang (sieheKasten „Weitere Ergebnis-se“), ergibt das Sinn: 74Prozent haben persönli-chen Kontakt zu Migran-ten, für sie ist IntegrationTeil des Alltags. Die tägli-che Begegnung in derNachbarschaft, in derSchule oder am Arbeits-platz bewirkt ganz offen-sichtlich, dass man dieLeistungsbereitschaft, denökonomischen Nutzen undden gesellschaftlichen

Mehrwert anerkennt.Kritik kommt an der Po-

litik: 62 Prozent denken, siemüsste mehr tun. Aller-dings war der Wert vor ei-nem Jahr mit 74 Prozentnoch höher. Wie bewertenSie das?

Der Wert ist gesunken,aber immer noch hoch.Wie schon gesagt: DieMenschen bewerten dasZusammenleben vor Ortgut, die Integrationspolitikaber schlecht. Daran ist diePolitik selbst schuld: DerDiskurs, den sie über Inte-gration geführt hat, warvoller Konflikte, zum Teilbeleidigend. Die Bevölke-rung will unzweifelhaftweniger parteipolitischenStreit, sondern mehr ge-meinsames Handeln. Die-se Unzufriedenheit nimmtaber ab, auch dank der In-stallierung des neuenStaatssekretariats . . .

. . . dessen Einführungzwei Drittel der Befragtenfür richtig halten.

Ja, es wird als gut emp-funden, dass die Integrati-onspolitik jetzt ein Gesichthat. Frei nach Henry Kis-singer, der einmal nachder Telefonnummer deseuropäischen Außenmi-nisters gefragt hat: Integra-tionspolitik hat in Öster-reich nun eineentsprechende Telefon-nummer. Der allgemeineEindruck von der Politik istaber noch ein negativer.Ich hoffe auf Fortschritte.

Auf die Frage, welche In-tegrationsmaßnahmen sie

Sechs von zehn Österreichern denken, dass das Zusammenleben in Österreich gutfunktioniert – so eine aktuellen Umfrage zum Integrationsklima. Experte HeinzFassmann kommentiert die überraschend guten Ergebnisse.

D ie neue ÖIF-Umfrage zeigt: VieleÖsterreicher sind mit der Inte-gration unzufrieden – obwohl sie

auf Nachfrage selbst keine negativenErfahrungen mit Migranten gemachthaben (siehe Diagramme unten undInterview links). Ein zentraler Grundfür die offenbar unbegründetschlechte Stimmung ist, dass die In-tegrationsdebatte meist polemischgeführt wird: Migranten sind entwe-der Täter oder Opfer. Ziel des ÖIF istes, den Diskurs zu versachlichen.

Statistiken gut aufbereitet Als Grundla-ge für eine nüchterne Diskussionüber Integration bereitet der ÖIFZahlen und Fakten auf. Neben dembewährten Statistischen Jahrbuch er-

schienen 2011 zwei Ableger zu wich-tigen Spezialthemen: Ein Band ver-gleicht zentrale Integrationsindi-katoren wie Migrantenanteil oder Ar-beitslosigkeit auf Bundesländerebe-ne, ein zweiter beleuchtet die speziel-le Situation von Frauen mitMigrationshintergrund.

Islam & Schule Zum Reizthema Islamhat der ÖIF eine Broschüre veröffent-licht, die etwa rechtliche Hintergründezu Fragen wie Kopftuch, Moschee undMinarett oder Religionsunterricht ver-ständlich erklärt. Eine in Buchformpublizierte ÖIF-Studie untersucht „In-tegration im Klassenzimmer“ – also obund wie der Migrantenanteil das Kli-ma in den Schulen beeinflusst.

„Mehr Information, weniger Emotion“ – diesem Prinzipfolgen die Publikationen des Österreichischen Integra-tionsfonds (ÖIF).

Die Debatte versachlichen

INTEGRATION IM FOKUS 3

ÖIF

für wichtig halten, nennendie Befragten zuerstDeutschkurse, dann dieVermittlung von Wertenund Rechtskultur, die Öff-nung von Vereinen für Mi-granten und die Verbesse-rung ihrer Bildungs-chancen. Sind Sie als Ex-perte mit diesen Prioritäteneinverstanden?

Ja, das bin ich. Nach mei-nem Integrationsbegriffsoll die Politik helfen, damitZuwanderer fit für die ös-terreichische Gesellschaftwerden – und umgekehrtgilt es, die österreichischeGesellschaft auch bereit fürZuwanderung zu machen.Dafür sind Deutschkennt-nisse zentral, möglichst vielan Bildung, aber auch akti-ves Hereinholen in gesell-schaftliche Strukturen. DieBefragten geben hier sehrpraktische und lebensnaheAntworten. Das kann als ei-ne solide Basis gewertetwerden, um eine konkretePolitik mit breiter Zustim-mung zu machen.

Wie bewerten Sie dieseUmfrage über das Integra-tionsklima insgesamt?

Die Integrationspolitikhat in den letzten JahrenTritt gefasst, das ist zu be-merken. War Integrations-politik zuvor ein hochgra-dig konfliktreicherPolitikbereich, so ist sienun auf dem Weg, sichselbst zu konsolidieren.Damit verbessert sich dasIntegrationsklima insge-samt und das Zwischen-hoch stabilisiert sich. Ichbin zufrieden.

• 74 Prozent der Be-fragten geben an, be-ruflich und/oder pri-vat Kontakt zuMigranten zu haben.• 54 Prozent sind derAnsicht, dass Migran-ten im Großen undGanzen bereit sind,etwas zu leisten undzum Gemeinwohlbeizutragen.• 66 Prozent gebenan, persönlich ehergute Erfahrungen mitMigranten gemachtzu haben. 20 Prozentsagen das Gegenteil.• Zielführende Maß-nahmen sind für dieBefragten Deutsch-kurse (92 Prozent),die Vermittlung ös-terreichischer Werteund der Rechtskultur(81 Prozent), die stär-kere Öffnung vonVereinen (79 Prozent)und eine Verbesse-rung der Bildungs-chancen von Migran-ten (78 Prozent).

WeitereErgebnisse

hat Tritt gefasst“

Neue Beratung 2:Salzburg

Seit Ende Novemberist der ÖsterreichischeIntegrationsfonds (ÖIF)auch in Salzburg vertre-ten. Auf Initiative vonLandesrätin Tina Wid-mann bietet das Teamdes Integrationszent-rums Oberösterreichnun zweimal pro WocheIntegrationsberatung inSalzburg-Stadt an.www.integrationsfonds.at/salzburg

Landesrätin Tina Wid-mann (Mitte), stv. ÖIF-GF Elena Kalogeropou-los (2. v. links)

Habibi:2.300 Migrantenprofitierten

Erfolgreiche Jahres-bilanz für Habibi, dasHaus der Bildung undberuflichen Integration:2011 fanden in Wien-Landstraße 184 Kursestatt. Von den Deutsch-,Computer- und berufs-spezifischen Kursenprofitierten insgesamt2.338 Migranten. „Spra-che und Bildung sindzwei Schlüsselfaktorenfür gelungene Integrati-on. Es ist sehr erfreu-lich, dass so viele Mi-granten unsere Kursan-gebote nützen und sichso einen besseren Startin Österreich ermögli-chen“, zieht Leiterin Sa-bine Schöffthaler zufrie-den Bilanz.www.integrationsfonds.at/habibi

Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration: „Esgibt Fortschritte, aber auch noch viel zu tun“

AlexanderJanda,Geschäftsfüh-rer des Österr.Integrations-fonds (ÖIF)

Alle vorge-stellten Publikationen sind im Webshopauf www.integrationsfonds.at erhältlich

HEL

MR

EIC

HK

IEN

AST

&K

IEN

AST

ÖIF

ÖIF

ÖIF (4)

Page 3: Integration im Fokus 04/11

DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 20114 INTEGRATION IM FOKUS DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 2011 INTEGRATION IM FOKUS 5

Leistungscheck für Kurz

N icht die Herkunft, sonderndie Leistung zählt“, sagt Se-bastian Kurz häufig, „denn

Integration gelingt durch Leis-tung.“ Mit diesem Motto hat derneue Staatssekretär (ÖVP) die öf-fentliche Debatte, in der Migran-ten zuvor meist entweder nur alsOpfer oder als Täter auftauchten,zweifellos in eine neue Richtunggedreht (siehe S. 2 und 3). Auchin der politischen Sacharbeitfolgt Kurz dem Prinzip, die An-

strengungen von Migranten glei-chermaßen zu fordern und för-dern. Doch wie sieht seinepersönliche Leistungsbilanz aus?

Deutsch als Basis Deutschkennt-nisse sind ein Schlüsselfaktor fürerfolgreiche Integration, bestäti-gen zahlreiche Experten. TrotzSparkurses der Regierung ist esKurz gelungen, die Sprachförde-rung im Kindergarten für Kindermit Deutschproblemen wieder-

zubeleben (siehe S. 7). Das er-möglicht ihnen einen besserenStart in ihre Bildungskarriere.Auch in den Schulen haben Kin-der mit Migrationshintergrundhäufig Schwierigkeiten. In Grazhat die Caritas deshalb ein„Lerncafé“ eingerichtet.

Dort werden Kinder – nichtnur, aber vor allem jene mit Mi-grationshintergrund – am Nach-mittag bei den Hausaufgabenoder beim Lernen unterstützt.

Staatssekretär Kurz hat das Kon-zept aufgegriffen und in den ver-gangenen Monaten Lerncafésin allen Bundesländern eröffnet.

Jobeinstieg vorantreiben Eine ge-sellschaftliche Herausforderungist die hohe Zahl an Schulabbre-chern mit Migrationshinter-grund. Sie beenden die Schuleviermal häufiger ohne Ab-schluss. Dank einer gemeinsa-men Initiative von Kurz und demBildungsministerium werden bis2014 über 50 Millionen Euro fürdas Nachholen von Bildungsab-schlüssen investiert. In eine ähn-liche Richtung zielt der neue Mi-grantenindex beim Arbeits-marktservice (AMS). Nun wirdder Migrationshintergrund vonAMS-Kunden erfasst, was geziel-te Fördermaßnahmen ermögli-chen soll. Nach Schätzungen derStatistik Austria sind Migrantenknapp doppelt so oft wie Einhei-mische auf AMS-Unterstützungangewiesen.

100 beruflich erfolgreiche Mi-granten besuchen seit einemMonat im Auftrag des Staatsse-kretärs Schulen. Diese Integrati-onsbotschafter sollen Jugendli-che zu Leistung imBildungsbereich motivieren.

Förderung für 143 Projekte ImSommer wies Kurz darauf hin,dass Menschen mit nicht-öster-reichischer Staatsbürgerschaftnicht der Freiwilligen Feuerwehrbeitreten durften. Die unisonoals unnötig empfundene Barrie-re wurde rasch abgeschafft. Zu-gleich setzt sich der Staatssekre-tär für die österreichischeRechts- und Werteordnung ein,wenn kulturelle Traditionen von

Zuwanderern gegen sie versto-ßen: Seit kurzem sind Zwangs-heirat und Genitalverstümme-lung auch dann strafbar, wennsie im Ausland durchgeführtwerden. Bei seinen Projektförde-rungen setzt das Staatssekretari-at auf die Schwerpunkte Spra-che, Arbeitsmarkt, Kinder undJugendliche, Frauen und Ge-meinden. Die 143 gefördertenProjekte reichen vom Deutsch-kurs für Mütter mit parallelerKinderbetreuung über Stipendi-en für engagierte Schüler hin zurBeratung für Frauen, die Opfervon Gewalt in der Familie sind.

Viel bleibt zu tun Trotz punktuel-ler Verbesserungen bleibt imbreiten Feld der Integrationspo-litik viel zu tun. Ein Beispiel istdas Zusammenleben mit Musli-men, der zweitgrößten religiösenGruppe in Österreich. Hier plantKurz einen institutionalisiertenDialog mit der Islamischen Glau-bensgemeinschaft, dessen Er-gebnisse man vor einer Bewer-tung abwarten wird müssen. Dievon Kurz im Juli präsentiertenVorschläge des Expertenrats fürIntegration sind ambitioniertund werden bis zur vollständi-gen Umsetzung einiges Durch-haltevermögen verlangen.

Bilanz. Seit April hat Österreich erstmals einen Integrationsstaatssekretär. Was hat Sebastian Kurz 2011 erreicht? Eine Bilanzzwischen Sprachförderung und Lerncafés, Schulabbrechern und Zwangsehen.

Sebastian Kurz hat 2012 rund 37 Millionen Euro und damit um 5 Millionen mehr als im Vorjahrzur Verfügung – in Krisenzeiten ein politischer Erfolg, der die Bedeutung des Themas Integra-tion unterstreicht

Eine der Maßnahmen, die Sebastian Kurz (rechts) bereits umgesetzt hat, sind die 100 „Integrationsbotschafter“: Beruflich erfolgreicheMigranten motivieren Schüler mit Migrationshintergrund zu mehr Leistung

Diversity:Was ist das?

Diversity heißt übersetzt„Vielfalt“. Das Konzeptkommt aus den USA, wo manmit diversity managementden offenen, positiven Um-gang mit Unterschieden in-nerhalb der Gesellschaftmeint, anstatt sie als Schwä-chen zu betrachten. Das wirdumso wichtiger, je vielfältigereine Gesellschaft ist – wie inÖsterreich, wo 18,6 Prozenteinen Migrationshintergrundhaben. Diversity manage-ment wird im privaten wie imöffentlichen Sektor immerwichtiger – damit von denChancen gelungener Integra-tion alle profitieren.

Alexander Janda ist Geschäftsfüh-rer des Österreichischen Integrati-onsfonds und Herausgeber vonIntegration im Fokus

Vielfalt rentiert sich

W ie heißen Ihre Arbeits-kollegen? VielleichtNikolić, vielleicht Öztürk

oder Kowalski? In vielen öster-reichischen Unternehmen sindMitarbeiter mit Migrationshin-tergrund längst fixer Bestand-teil des Teams. Bereits knappein Fünftel der Bevölkerungzählt dazu, ist also entwederselbst zugewandert oder Kindvon Zuwanderern.

Beim Österreichischen In-tegrationsfonds (ÖIF) sind Mi-granten mit einem Anteil von38 Prozent stark vertreten –und das auf allen Hierarchiee-benen, von der stellvertreten-den Geschäftsführerin bis zumZivildiener.

Der ÖIF spiegelt damit dieGesellschaft wider, die sichdurch Migration und Globali-sierung stärker differenziert –sprachlich, ethnisch und kul-turell. Mit dieser Vielfalt pro-duktiv umzugehen ist eine derzentralen Herausforderungen,vor denen wir im 21. Jahrhun-dert stehen. Denn richtig ge-nützt kann diversity manage-ment (siehe Kasten) großeVorteile für Wirtschaft und Ge-sellschaft bringen.

Unterschiede anerkennen Dabeigeht es nicht darum, die unter-schiedliche Herkunft von Mit-arbeitern zu ignorieren odergar zu versuchen, ihnen ihreIndividualität zu nehmen.Auch starre Quoten führennicht zum Ziel.

Der richtige Ansatz ist viel-mehr, Unterschiede anzuer-kennen und die Kenntnisseund Fähigkeiten, die sich dar-aus ergeben, als Chance zu be-greifen.

Ein Beispiel: Bei einem an-deren Aspekt, dem Alter, zeigtsich in der beruflichen Praxisklar, dass der frische Blick derJüngeren und die größere Er-fahrung der Älteren in Summeein besseres Ergebnis bringen.

So sollten wir auch mit Migra-tionshintergrund umgehen:Die Kombination von Mitar-beitern unterschiedlicher Her-kunft kann, richtig gemanagt,ein ungeahntes Potenzial ent-falten. Dazu muss die Vielfaltder Sprachen, kultureller Er-fahrungen und Zugänge posi-tiv genützt werden.

Vorteil im Wettbewerb DieseVielfalt hat natürlich auch ih-ren Preis: Die interne Kommu-nikation wird aufwendiger, diebewusste Auseinandersetzungmit den unterschiedlichen

Hintergründen der Mitarbeiterkostet Zeit und Ressourcen. Je-der Einzelne ist gefordert, Sen-sibilität für das Thema zu ent-wickeln, anstatt etwa un-hinterfragt davon auszugehen,dass alle Kollegen Alkohol trin-ken und Weihnachten feiern.Doch diese Anstrengungensind wichtig und sollten vonoben gefördert werden – nichtzuletzt, weil funktionierendesdiversity management sichauch wirtschaftlich rentiert.Richtig eingesetzt, kann es dieinternationale Wettbewerbsfä-higkeit österreichischer Unter-

Kommentar. Eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhundert ist es, die neue Verschiedenheitder Gesellschaft zu managen. Mit der richtigen Strategie wird Diversity zum Wettbewerbsvorteilfür Österreichs Unternehmen.

nehmen sichern. Denn vielfäl-tige Belegschaften sindflexibler und können sich bes-ser an veränderte Marktbedin-gungen anpassen.

Die Kenntnisse und Fähig-keiten von Mitarbeitern mitMigrationshintergrund lassensich in bare Münze umsetzen:ob im Außenhandel, etwa mitder aufstrebenden Wirtschafts-macht Türkei, oder im Inland,wo die Konsumenten selbstimmer diverser werden unddanach verlangen, im Rahmenihrer vielfältigen Identitätenangesprochen zu werden.

Der ÖIF nützt die Hintergründe seiner Mitarbeiter zur Verbesserung seiner interkulturel-len Kompetenz. Im Bild sind etwa Kollegen mit philippinischen, polnischen, afghanischen,türkischen und österreichischen Wurzeln zu sehen

Maßnahmenauf einen Blick• Sprachförderung imKindergarten: 10 Millio-nen Euro, um Kindernmit Deutschproblemeneinen besseren Start indie Schule zu ermögli-chen.•Lerncafés bundesweitausgebaut: Platz zumLernen und Üben fürSchüler aus bildungsfer-nen Familien.• Neue Chancen fürSchulabbrecher: 50-Mil-lionen-Paket für dasNachholen von Bil-dungsabschlüssen.• AMS-Migrantenindex:Ermöglicht spezielleMaßnahmen für Migran-ten auf Arbeitssuche.• 100 Integrationsbot-schafter: Beruflich erfolg-reiche Migranten vermit-teln in Schulen, dass manmit Leistungsbereitschaftviel erreichen kann.• Migranten bei Freiwilli-ger Feuerwehr: Verbotaufgehoben, damit hel-fen kann, wer helfen will.• Zwangsverheiratungenund Genitalverstümme-lung: Jetzt auch strafbar,wenn sie im Ausland be-gangen werden.• Förderung für 143 In-tegrationsprojekte: Maß-nahmen vor Ort zu denSchwerpunkten Sprache,Arbeitsmarkt, Kinderund Jugendliche, Frauenund Gemeinden.

ÖV

P-FO

TO

DIE

NST

/JA

KO

BG

LASE

R

HE

LMR

EIC

H(2

)

HE

LMR

EIC

H

Page 4: Integration im Fokus 04/11

DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 20116 INTEGRATION IM FOKUS DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 2011 INTEGRATION IM FOKUS 7

„Sprachförderung ist notwendig“FOKUS: Wie viele Kinder be-nötigen gezielte Deutsch-förderung im Kindergar-ten?

E. Stanzel-Tischler: Misstman ein Jahr vor Schulein-tritt, sind das rund 10 Pro-zent der deutschsprachi-gen Kinder und rund 60Prozent der Kinder mit an-derer Erstsprache.

Wie wirken sich man-gelnde Deutschkenntnisseauf die spätere Bildungs-karriere aus?

Kinder mit nicht-deut-scher Umgangssprachesind leider insgesamt we-niger erfolgreich in derSchule. So stellen sie etwa23 Prozent der Volksschü-ler, aber 28 Prozent derSonderschüler. Sie sind al-so in der Sonderschuleüberrepräsentiert. Das hatsicher auch mit denDeutschkenntnissen zutun. Um das zu ändern, istSprachförderung im Kin-dergarten notwendig.

Was bringt in dieser Si-tuation der Kindergarten?

Die wichtigste Rollebeim Spracherwerb hatnatürlich die Familie. Aberwenn sie die Entwicklungdes Kindes nicht ausrei-chend fördert, ist der Kin-dergarten unersetzlich, umdas auszugleichen. Studi-en zeigen: Kindergarten-besuch wirkt sich positivauf alle Fähigkeiten derKinder aus – nicht nur aufdie Sprachkenntnisse. Dasgilt übrigens für alle Kin-der, auch die mit deut-scher Muttersprache.

Also würden Sie einzweites verpflichtendesKindergartenjahr befür-worten, wie es etwa Staats-sekretär Kurz fordert?

Ja, das wäre für alle Kin-der wichtig. Die Elternsehen das ohnehin so:Schon heute besuchen 96Prozent aller 4-Jährigen ei-ne Kinderbetreuungsein-richtung.

Und was bewirkt nunkonkret die Sprachförde-rung?

Das zeigen Ergebnisseaus Wien. Ab 2008 wurdenzum ersten Mal Kinder mitsprachlichem, sozialemoder motorischem Förder-bedarf im letzten Kinder-gartenjahr gezielt geför-dert (siehe Hintergrundrechts). Im Herbst 2009konnte immerhin die Hälf-te ohne weitere Förderungauf der Vorschulstufe ein-geschult werden.

Eine häufige Kritik lau-

tet: Sprachförderung kostetdie Steuerzahler viel Geld,dabei sind doch die Elterndafür verantwortlich, dassihre Kinder vor derEinschulung ausreichendDeutsch lernen.

Die Eltern haben dieVerantwortung, es ihrenKindern zu ermöglichen,Deutsch zu lernen. Dasheißt, die Eltern sollen siemöglichst früh für denKindergarten anmelden.Selber können sie dieseAufgabe kaum überneh-men, dazu fehlen ihnen oftselbst die nötigenDeutschkenntnisse. Es istgut, wenn die Eltern mitihren Kindern in ihrer Fa-miliensprache sprechen,ihnen vorlesen oder Ge-schichten erzählen. JedeFamilie hat das Recht aufihre Familiensprache – obdas jetzt Deutsch oder Al-banisch ist.

Warum sehen das vieleLeute anders?

Leider haben in Öster-reich nicht alle Sprachendasselbe Ansehen. Wennein Kind Englisch undDeutsch spricht, bekommtes dafür mehr Anerken-nung, als wenn es etwaSerbisch und Deutschspricht. Wir sollten dieErstsprachen von Migran-tenkindern mehr wert-schätzen, sie sind eine tol-le Ressource.

Sie sagen, dass 60 Pro-zent der Kinder mit nicht-deutscher Erstsprache För-derbedarf haben. Gibt esUnterschiede je nach Spra-che?

Die Untersuchungenzeigen, dass Kinder austürkischsprachigen Famili-en häufiger Förderbedarfhaben als jene, deren El-tern aus Ex-Jugoslawienkommen. Das hat damit zutun, dass diese Kinder teil-weise ihre Erstsprache –Türkisch – nicht gut ge-lernt haben. Sie stammenaus sprachlichen Minder-heiten – davon gibt es inder Türkei viele – in denenbis zu ihrer Elterngenerati-on niemand Türkisch ge-sprochen hat. Durch die-sen Sprachwechsel inn-erhalb der Familie lernendie Kinder ihre Erstspra-che nicht perfekt und ha-ben ergo auch Problememit dem Deutschlernen.

Das heißt: Die Kindersollten ihre Muttersprachegut beherrschen, um besserDeutsch lernen zu können?

Grundsätzlich ja. DieErstsprache ist eng mit derIdentität der Kinder ver-

bunden. Es hilft auch beider Eingewöhnung in denKindergarten, wenn es ei-ne Ansprechperson in dereigenen Sprache gibt.

Aber das führt doch da-zu, dass die Kinder nurnoch ihre Muttersprachebenützen.

Das hängt von der Zu-sammensetzung der Grup-pe ab. Sprachlich durch-mischte Gruppen, indenen Deutsch die ge-meinsame Sprache ist, bie-ten die beste Lerngelegen-heit – auch für Kinder mitdeutscher Muttersprache.

Wie sollte die Sprachför-derung ab 2012 idealer-weise gestaltet sein?

Wir brauchen qualifi-zierte Pädagoginnen undPädagogen, die ausrei-chend Zeit bekommen, in-dividuell auf die Kindereinzugehen. Wichtig istauch, dass der Spracher-werb nicht mit einzelnenFörderstunden abgetan,sondern als Querschnitts-materie gesehen wird.Spracherwerb passiertüberall, im ganzen Kinder-gartenalltag!

2012 startet die Sprachförderung im Kindergarten neu. Warum türkischsprachige Kinder sie häufiger brauchenund weshalb ein zweites Kindergartenjahr sinnvoll ist, erklärt Expertin Elisabeth Stanzel-Tischler.

23 Prozent aller Kindergartenkinder brauchen extra Sprachförderung.Unter Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch sind es sogar 58Prozent. Das hat die 2008 durchgeführte „Sprachstands-Feststellung“ er-geben. Dabei wurden Kinder ein Jahr vor der Einschulung getestet. Dieje-nigen, bei denen Förderbedarf bestand, wurden anschließend im letztenKindergartenjahr speziell gefördert. Die Sprachförderung war für zwei Jah-re budgetiert und lief danach aus. Im Oktober dieses Jahres gelang esStaatssekretär Sebastian Kurz, sie wiederzubeleben: Er wird jeden Euro,den die Bundesländer für Sprachförderung zur Verfügung stellen, verdop-peln - bis auf insgesamt 10 Millionen Euro im Jahr. Die Finanzierung istvorerst bis 2014 gesichert.

Kindergarten gut für Entwicklung Was die Sprachstands-Feststellung auchzeigt: Kinder, die einen Kindergarten besuchen, sind in ihrer Sprachent-wicklung fortgeschrittener. Unter den getesteten Kindern mit nicht-deut-scher Erstsprache, die keine Kinderbetreuungseinrichtung besuchten, hat-ten sogar 80 Prozent Förderbedarf. Kurz fordert deshalb ein zweitesverpflichtendes Kindergartenjahr.

10 Millionen für die Kinder

Zur PersonElisabeth Stanzel-

Tischler forschtam Bildungsfor-schungs-Institut

BIFIE in Graz unteranderem zur frühenSprachförderung im

Kindergarten.

Stanzel-Tischler: „Durchmischte Gruppen mit Deutsch als gemeinsamer Sprache bietendie beste Lerngelegenheit“

So feierndie Migranten

Advent und Weihnachten sind hierzulande mit vielen Traditionen verbunden. Doch welche Bedeutunghaben sie für die 1,4 Millionen Menschen ausländischer Herkunft? Die drei größten Migrantengruppen im Feiertags-Check.

M it 220.000 Menschen deut-scher Herkunft – also deut-sche Staatsbürger oder in

Deutschland geborene Österrei-cher – sind unsere nördlichenNachbarn die größte Migranten-gruppe. Deutschland ist, wasWeihnachten betrifft, zweigeteilt:Während im Süden und Westendas Christkind Geschenke bringt,ist im protestantischen Ostenund Norden dafür der Weih-nachtsmann zuständig. Dabeiwar das Christkind ursprünglicheine protestantische „Erfindung“:

Deutsche: Christkind versus WeihnachtsmannIm Mittelalter war es üblich ge-wesen, Kinder am Tag des Heili-gen Nikolaus – am 6. Dezember –zu beschenken.

Luthers Erfindung Martin Luther,der die Heiligenverehrung ab-lehnte, wollte die Aufmerksam-keit auf Christus lenken und er-setzte den Nikolaus durch dasChristkind, das am 25. Dezemberseine Geschenke verteilte. Erst im19. Jahrhundert wurde derBrauch auch von der katholi-schen Kirche übernommen, wäh-

rend sich im protestantischen Be-reich nach und nach – auchdurch Einfluss aus dem angloa-merikanischen Raum – der „säku-larisierte“ Weihnachtsmanndurchsetzte. Auch der Advent-kranz stammt aus dem pro-testantischen Deutschland:Erdacht hat ihn der TheologeJohann Hinrich Wichern im 19.Jahrhundert. Nach Österreichkam der Adventkranz erstnach 1945 – er ist hierzu-lande also „Migrant“.

Serben: Zweimal Silvester, einmal Geschenke

M igranten serbischer Her-kunft sind mit rund 209.000Personen die zweitgrößte

Gruppe Österreichs. Für sie giltgegen Jahresende eine „doppelte“Zeitrechnung:

Julianischer Kalender Denn obwohlSerbien bereits seit Jahrzehntenden auch hierzulande üblichen

gregorianischen Kalender ein-

geführt hat, gilt im religiösen Be-reich noch der julianische. Dem-entsprechend wird Weihnachtenam 6. bzw. 7. Jänner gefeiert –und Silvester sogar zweimal: ein-mal mit der Mehrheitsbevölke-rung am 31. Dezember, ein zwei-tes Mal am 13. Jänner, wiederumnach dem alten Kalender. Zumin-dest im serbischen Heimatlandist Silvester auch das Fest, an dem

Serben: Zweimal Silvester, einmal Geschenke

MGruppe Österreichs. Für sie giltgegen Jahresende eine „doppelte“Zeitrechnung:

Julianischer KalenderSerbien bereits seit Jahrzehntenden auch hierzulande üblichen

gregorianischen Kalender ein-

man einander beschenkt. Ge-bracht werden sie von „VäterchenFrost“, einer ähnlichen Figur wiedem Weihnachtsmann, die in sla-wischen Ländern verbreitet ist. InÖsterreich haben sich die Tradi-tionen teilweise angepasst: Hier-zulande gibt es Geschenke bereitshäufig zu Weihnachten, der glo-balisierte Weihnachtsmann hatVäterchen Frost abgelöst.

An dritter Stelle liegen die185.000 Migranten türkischerHerkunft. Für die mehrheit-

lich muslimische Gruppe istWeihnachten kein religiöser Fei-ertag. Laut einer Umfrage des In-stituts Ethnopinion zelebrieren85 Prozent der türkischen Mi-granten in Österreich das Festnicht. In der Türkei sind der 24.und 25. Dezember normale Ar-

Türken: Aus dem Land von Santa Clausbeitstage, groß gefeiert wird derJahreswechsel am letzten Tag desJahrs. Jesus – arabisch Isa – wirdallerdings auch im Islam als Pro-phet verehrt, die Weihnachtsge-schichte im Koran erzählt.

Türkische Stadt Myra Allerdings fin-det man in der Türkei, insbeson-dere in westlich orientierten Städ-ten wie Istanbul, sehr wohl

kommerziell eingesetzteSymbole wie Christ-baum, Lichterkettenoder Weihnachts-mann. Letzterer geht aufden Heiligen Nikolaus zu-rück. Dieser stammte aus My-ra, dem heutigen Demre an dertürkischen Südküste. Santa Claushat also seine Wurzeln in der Tür-kei.

kommerziell eingesetzte

mann. Letzterer geht aufden Heiligen Nikolaus zu-rück. Dieser stammte aus My-ra, dem heutigen Demre an dertürkischen Südküste. Santa Claushat also seine Wurzeln in der Tür-

GR

AFI

KE

N:Ö

IF

Deutsche: Christkind versus Weihnachtsmannrend sich im protestantischen Be-reich nach und nach – auchdurch Einfluss aus dem angloa-merikanischen Raum – der „säku-larisierte“ Weihnachtsmanndurchsetzte. Auch der Advent-kranz stammt aus dem pro-testantischen Deutschland:Erdacht hat ihn der TheologeJohann Hinrich Wichern im 19.Jahrhundert. Nach Österreichkam der Adventkranz erst

ELI

SAB

ET

HST

AN

ZE

L-T

ISC

HLE

R

IST

OC

K

Page 5: Integration im Fokus 04/11

DONNERSTAG, 15. DEZEMBER 20118 INTEGRATION IM FOKUS

Typisch österreichischMigrantinnen und Migranten sind längst in der Mitte der Gesellschaft

angekommen – auch in höchst traditionellen Berufen. Vier austro-exotische Portraits.

Fiakerin aus Indien

Vom Waisenhaus in Mumbai aufden Kutschbock eines Fiakers amWiener Stephansplatz – so abenteuer-lich ist die Lebensgeschichte von Re-nuka Schnieder (22). Im Alter vonzwei Jahren kam sie zu ihren Adoptiv-eltern nach Wien. „Schon als Kind habich Tiere sehr gern gehabt“, erzähltsie, und aus Tierliebe hat sie sich auchentschlossen, Fiakerin zu werden.Dementsprechend wichtig ist esSchnieder, ihre Pferde gut zu behan-deln. Immer wieder streichelt siewährend des Gesprächs ihre Mähnen.„Ich genieße jede Minute mit den Tie-ren.“ Wie es ihr als Frau in diesemmännerdominierten Beruf geht? „DieKollegen gewöhnen sich schon“, lä-chelt die Jungfiakerin, „ich finde esauf jeden Fall gut, wenn Frauen in dieBranche dazukommen.“

Exotik-Bonus Manchmal wird sie vonKunden auf ihre Hautfarbe angespro-chen. „Damit habe ich kein Problem“,lächelt Schnieder, „ab und zu werdeich sogar gebucht, weil eine indischeFiakerin für die Leute etwas Exoti-sches hat.“ Am liebsten fährt sie mitihren Gästen die Ringstraße entlang:„Burgtheater, Rathaus, Parlament –einfach eine tolle Architektur!“

Aus Tierliebehat sich Re-nuka Schnie-der dazu ent-schieden, amKutschbockPlatz zunehmen

Algerier serviert Schnitzel

„An die Kälte musste ich mich erstgewöhnen“, sagt Abdulkader Madani(38), aber bis auf die klimatische Um-stellung ist ihm die Integration in Ös-terreich problemlos geglückt. Vor achtJahren kam der gebürtige Algerier, derauch in Frankreich und Spanien ge-lebt hat, nach Wien – und fand baldeinen Job als Kellner beim Traditions-Wirtshaus Figlmüller, berühmt fürseine Wiener Schnitzel.

Wiener Schmäh Den für den Job nöti-gen Schmäh hat Madani sich raschangeeignet, er scherzt viel mit denGästen. Deutsch hat er in einigen Kur-sen, vor allem aber durch Gesprächemit seiner Frau, einer Kärntnerin,gelernt. An seinem Geburtstag imNovember hat Madani schließlich dieösterreichische Staatsbürgerschaft er-halten – ein schönes Geschenk. „Fürdie Prüfung musste ich außer denDeutschkenntnissen auch Landes-kunde lernen“, erzählt er, „es war sehrinteressant, Österreichs Geschichteund das demokratische System ge-nauer kennenzulernen.“ In seinerFreizeit zieht es Madani und seineFamilie in die Berge: „Wir wanderngerne, aber Skifahren hab ich mich bisjetzt nicht getraut“, lacht er.

AbdulkaderMadani wan-dert gerne,das Skifahrenwagt er(noch) nicht

Grüner Daumen aus Brünn

Als 16-Jährige kam Veronika Fuchs-bauer, geboren als Veronika Musilovain Brno, nach Österreich. Ihre Familiewar nach der Niederschlagung desPrager Frühlings aus der Tschechoslo-wakei geflohen.

Gefragtes Gemüse „Bereits als Kind ha-be ich es geliebt, Pflanzen anzubauenund ihnen beim Wachsen zuzuschau-en“, erzählt sie. Um so glücklicherwar Fuchsbauer, als sie Mitte der 90erJahre auf einem Bauernhof lebenkonnte. 2003 heiratete sie Franz,einen Biobauern – und ist seitherselbst Landwirtin in Inzersdorf beiHerzogenburg in Niederösterreich. Zuden Produkten der Fuchsbauers, diesie ab Hof, in Bioläden der Regionoder am Markt in St. Pölten verkau-fen, zählen Dinkel, Erdäpfel undGemüse. „Es ehrt mich, wenn ichmanchmal höre, dass Kunden imBioladen gezielt die Fuchsbauer-Erd-äpfel bestellen.“ In ihrem Beruf istFuchsbauer hochzufrieden, sie ge-nießt die Arbeit mit der Natur. „Ichempfinde es immer wieder als Wun-der, wenn aus einem kleinen Samen-korn eine Pflanze wird. Ich freuemich, am Kreislauf der Natur teil-haben zu können.“

VeronikaFuchsbauer,naturverbun-den seit jun-gen Jahren,ist Biobäuerinmit ganzemHerzen

Bosnische Bergtouren

Am interessantesten ist für RusmiraBesic (41) das Kartenlesen. „Es ist fas-zinierend, nur mit einer Landkartemeine Position, die Seehöhe und dieLandschaft um mich herum zu be-stimmen“, erklärt sie. Gelernt hat Be-sic das im Rahmen der ÖIF-Wander-führer-Ausbildung des Integrations-zentrums Oberösterreich. Im Haupt-beruf im Einzelhandel tätig, hat sichdie gebürtige Bosnierin zu dieserZusatzausbildung entschieden: „Zumeinen, weil ich selbst die Berge liebe,zum anderen, um meine Landsleuteaus ihrem Alltag herauszureißen unddazu zu bewegen, mehr Zeit in derNatur zu verbringen.“ Neben Anfra-gen aus der bosnischen Communityhat Besic, die ihre Ausbildung zurWanderführerin im Frühling abschlie-ßen wird, auch bereits einige Interes-sierte aus der Aufnahmegesellschaft.

Zahlreiche Anfragen „Die GemeindeEnns hat angefragt, ob ich nicht für sieGruppen führen will – ob jetzt Elternmit Kindern oder Pensionisten.“ Pri-vat schöpft Besic gerne Kraft im Salz-kammergut, im Toten Gebirge und inden Kalkalpen. „Am liebsten habe ichOrte, wo Wasser fließt. Das genießeich am meisten.“

Rusmira Besicbringt Men-schen in dieNatur – so-wohl aus derbosnischenCommunityals auch ausder Aufnahme-gesellschaft

Ihre Meinung interessiert uns!Schicken Sie uns Ihre Leserbriefe mit Anregungen, Kritik oder Lobpostalisch an:Österreichischer Integrationsfonds, Wien 3, Schlachthausgasse 30,eMail: [email protected]: www.integrationsfonds.at

Ausgezeichnetes Interview mit Wolfgang LutzIch habe Ihre Beilage heute erstmalig „genossen“. Sehrinformativ. Da ich mit einer Finnin verheiratet bin, fürmich doppelt interessant. Speziell das Interview mitWolfgang Lutz fand ich ausgezeichnet.

Gerhard Weber, 8530 Deutschlandsberg

Sachfragen mit Ausländerthema vermischtIhr Interview mit Thomas Schäfer-Elmayer hat michnachdenklich gemacht. Seine Tipps unterstützen teil-weise ein „Wir-und-die-anderen“-Bild, das einem Mit-einander nicht dient. Ein Beispiel: Sie stellen die Frage,ob Sie einen „ausländischen“ Gast mit „Bussi-Bussi“ be-grüßen dürfen. Schäfer-Elmayer antwortet, dass Sie dasbei einem „unbekannten ausländischen“ Gast keines-

falls tun dürfen. Und was ist mit unbekannten „inländi-schen“ Gästen? Das hat doch nichts mit In- oder Aus-länder zu tun, sondern damit, wie vertraut mir einMensch ist. Es geht hier um ein anderes Sachthema, dasnichts mit „Inländer- oder Ausländer“ zu tun hat. Esmag schon sein, dass sich Menschen diese Frage so stel-len – aber man muss doch nicht immer die Fragen derMenschen 1:1 beantworten.

Interessanter wäre es doch, dahinter zu schauen, wiediese Fragen entstehen und zu irritieren bzw. einzula-den, die Fragen zu überdenken. Es gibt keinen Crash-Kurs im Umgang mit Vielfalt und das schafft auch keinHerr Schäfer-Elmayer. Wir müssen immer neugierigbleiben, nachfragen und herausfinden, wie jeder einzel-ne Mensch ist.

Elisabeth Sechser, Sichtart-Beratung, 1010 Wien

L E S E R B R I E F E + + + L E S E R B R I E F E + + + L E S E R B R I E F E + + + L E S E R B R I E F E

· ························································································································

Wissenswertes Material, breites Spektrum„Integration im Fokus“ zeichnet sich durch ihren mehr-perspektivischen Blick aus. Ob Interviews mit verschie-denen Berufsgruppen, Meinungsumfragen oder dieHelden von nebenan – das ist wissenswertes Materialfür die Leserschaft. Das breite Spektrum lässt sich zei-gen! Željko Dragić, 1160 Wien

IMPRESSUMMedieninhaber: Österreichischer Integrationsfonds – Fonds zur Integration von Flüchtlin-gen und MigrantInnen (ÖIF). Herausgeber: Alexander Janda.Redaktion: Valentin Schwarz, Ursula Schallaböck. Lektorat: Franziska Troger. Alle: Wien 3,Schlachthausgasse 30, Tel. 01/710 12 03-100, eMail: [email protected]: Mediaprint Zeitungsdruckerei GmbH & Co. KG, 1230 Wien, Richard-Strauß-Straße 23.Verlags- und Herstellungsort: Wien.

Artikel der Gastautoren drücken deren persönliche Meinung aus und müssen nicht denPositionen des ÖIF entsprechen.

ELI

ZA

MA

YER

ELI

ZA

MA

YER

BIO

AU

STR

IA

PRIV

AT