Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr...für den Start am 01.01.2005 zunächst auf jene...

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§ § § Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr Rückblick und Ausblick aus Sicht der süddeutschen Kommunen München, Nürnberg und Stuttgart Dokumentation der Fachtagung im März 2006 in München

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Integrationskurse – Bilanz nach einem JahrRückblick und Ausblick aus Sicht der süddeutschen Kommunen München, Nürnberg und Stuttgart

Dokumentation der Fachtagung im März 2006 in München

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Impressum

+ Herausgeberin:

Landeshauptstadt MünchenStelle für interkulturelle Arbeit SozialreferatFranziskanerstraße 881669 MünchenSekretariat:Tel.: +49 89 233-40542Fax: +49 89 233-40543E-Mail: [email protected]

+ März 2007

+ Tagungsleitung und Redaktion:

Dr. Margret Spohn, Stelle für interkulturelle Arbeit der Landeshauptstadt München

+ Gestaltung, Satz und Korrektorat:

Heike Tiller, München

Die Broschüre ist als PDF erhältlich unterwww.muenchen.de/interkult

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§§Inhalt

+ Einführung 2

Dr. Margret Spohn, Stelle für interkulturelle Arbeit, Sozialreferat, Landeshauptstadt München

+ Bilanz aus Sicht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

Harald Ryfisch, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Vortrag 3Diskussion 9

+ Bilanz aus Sicht der Landeshauptstadt München

Dr. Margret Spohn, Stelle für interkulturelle Arbeit, Sozialreferat, Landeshauptstadt München

Vortrag 12Diskussion 20

+ Bilanz aus Sicht der Landeshauptstadt Stuttgart

Martha Aykut, Stabsstelle des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Stuttgart, Abteilung Integrationspolitik

Vortrag 23Diskussion 27

+ Bilanz aus Sicht der Stadt Nürnberg

Dr. Ursula Brock, Stadt Nürnberg

Vortrag 28Diskussion 32

+ Evaluation der Integrationskurse

Tobias Stern, Rambøll Management

Vortrag 39Diskussion 43

+ Podiumsdiskussion 49

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Einführung

„Deutschland ist von jeher ein Land,das stark von Zuwanderung geprägtist.“ 1

Bis dieser Satz auf der Homepage eines Bundesamtes erscheinen konnte, sind 50 Jahre Zuwanderungins Land gegangen. 50 Jahre, in denendie offizielle Politik die Tatsache ge-leugnet hat, dass Deutschland einEinwanderungsland ist, und in denenes infolgedessen auch keine Konzeptegab für die Integration von Neuzuwan-derinnen und Neuzuwanderern sowieMenschen, die schon vor Jahren nachDeutschland eingewandert sind. Umsoerfreulicher, dass mit dem Zuwande-rungsgesetz vom 01.01.2005 erst-mals staatliche Strukturen geschaffenwurden, die Integrationsprozesse initiieren und steuern.

Kernstück des neues Gesetzes sinddie Integrationskurse, die es Neu-und Altzuwanderinnen und -zuwan-derern ermöglichen, in 600 StundenDeutsch zu lernen. In 30 weiterenStunden werden die Grundlagen zuPolitik, Geschichte, Kultur und Gesell-schaft Deutschlands vermittelt. Diesstellt einen Paradigmenwechsel in derMigrations- und Integrationspolitik darund ist uneingeschränkt zu begrüßen.Dieser Neustart war und ist allerdingsmit einer Vielzahl tief greifender Ver-änderungen verbunden, deren Um-setzung Kommunen, Bundesamt, Ausländerbehörden, Migrationserst-beratungen und Integrationskursträgerweiter in Atem hält. Hier muss sich die Zusammenarbeit erst einspielen.Auch wenn die Kommunen in denersten Konzepten des Bundesamtesals wichtige Koordinationsträger nichtvorgesehen waren, hat sich schnellgezeigt, dass dort das Zusammenspielaller Akteure am besten funktioniert,wo eine Kommune koordinierendeFunktion übernimmt.

Drei süddeutsche Kommunen – Mün-chen, Nürnberg und Stuttgart – habenden Prozess von Anfang an koordiniertund gesteuert. Alle drei Kommunen,die seit Längerem im Bereich der In-tegration zusammenarbeiten, begreifenIntegration als eines der Zukunfts-themen moderner Stadtpolitik.

Ein Jahr nach Einführung der Integra-tionskurse war es Zeit, Bilanz zu zie-hen: Was lief gut? Was lief schlecht?Was kann, was muss geändert werdenund wie? Die unter dem Motto „Integrations-kurse – Bilanz nach einem Jahr“stehende Fachtagung im März 2006gab zunächst dem Bundesamt fürMigration und Flüchtlinge die Mög-lichkeit, seine Erfahrungen zusammen-zufassen. Von Interesse war insbeson-dere die Frage, an welchen Punktendas Amt Veränderungsbedarf sieht. Danach erhielten die drei Kommunenausführlich Gelegenheit, ihr Resümeezu ziehen. Wo lagen aus ihrer Sichtdie schwierigen Punkte in der Um-setzung? Welche regionalen Antwortengab es auf generelle Fragen? Anschließend stellte die Firma RambøllManagement erstmals das Konzeptzur Evaluation der Integrationskurseauf einem öffentlichen Podium vor.Dabei ging es vor allem um die Frage,was im Hinblick auf eine Evaluationsinnvoll, wünschenswert, realistisch,machbar und bezahlbar ist. Den Abschluss der Tagung bildeteeine Podiumsdiskussion, an der Ver-treterinnen und Vertreter der Städte,des Bundesamtes sowie der InitiativePro Integration teilnahmen und bei derzukünftige Perspektiven von Integra-tion im Vordergrund standen.

Entscheidend ist, wie die Qualität derIntegration trotz abnehmender finan-zieller Mittel gesichert und ausgebautwerden kann. Letztendlich steht dieFrage im Raum, was Integration kostendarf und wie sich die Kosten verteilen.

Dr. Margret SpohnStelle für interkulturelle Arbeit

1 www.bamf.de/cln_042/nn_566316/DE/Integration/integration-node.html__nnn=true

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§Fachtagung: Bilanz Bundesamt

§Bilanz aus Sicht des Bundesamtes fürMigration und Flüchtlinge (BAMF)

Harald Ryfisch, Bundesamt fürMigration und Flüchtlinge

VORTRAG

+ Einführung

Das Zuwanderungsgesetz trat am01.01.2005 in Kraft. Die Ausgangs-situation 2005 stellt sich wie folgt dar:Mit dem Zuwanderungsgesetz wurdeerstmals ein Mindestrahmen staat-licher Integrationsangebote geschaffen.Den Kern dieser staatlichen Integra-tionsangebote bildet der Integrations-kurs, bestehend aus einem 600-stündigen Sprachkurs und einem 30-stündigen Orientierungskurs. DieIntegrationskursverordnung, die demBundesamt in der gültigen Fassungerst Mitte Dezember 2004 bekanntgegeben wurde, enthält detaillierteVorgaben für die Durchführung der Integrationskurse.Ziel des Integrationskurses ist der Erwerb ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache (dies ent-spricht dem Niveau B1 des GERR 2)sowie die Vermittlung von Alltags-wissen und von Kenntnissen derRechtsordnung, der Kultur und der Geschichte Deutschlands, ins-besondere auch der Werte unseresdemokratischen Staatswesens.Zielgruppen der Integrationskurse sind seit dem 01.01.2005 neu zuge-wanderte Ausländerinnen und Aus-länder, die einen gesetzlichen Anspruchauf Teilnahme an einem Integrations-kurs haben. Schon vor dem 01.01.2005eingereiste Ausländerinnen und Aus-

länder haben die Möglichkeit, auf Antrag im Rahmen verfügbarer Kurs-plätze an einem Integrationskurs teil-zunehmen. Das Gleiche gilt für Bür-gerinnen und Bürger der EuropäischenUnion. Für Spätaussiedlerinnen undSpätaussiedler ergibt sich die Berech-tigung zur kostenlosen Teilnahme aneinem Integrationskurs aus demBundesvertriebenengesetz (BVFG).

Für das Jahr 2005 wurden an Teilneh-merinnen und Teilnehmern erwartet:+ 98.000 Ausländer/innen,+ 40.000 Aussiedler/innen und+ 56.000 bereits länger im Lande

lebende Ausländer/innen.Die Bemessungsgrundlage lag damitbei insgesamt 194.000 Teilnehmerinnenund Teilnehmern.

Da bereits zum 01.01.2005 für eineflächendeckende Versorgung mit Integrationskursen in ausreichendemUmfang Kursträger zur Verfügung stehen mussten, griff das Bundesamtfür den Start am 01.01.2005 zunächstauf jene Kursträger zurück, die bereitsim Jahr 2002 einen Antrag auf Zu-lassung gestellt hatten. Von diesenTrägern hatten 1.661 eine Zulassungfür die Übergangsphase des Jahres2005 erhalten.Für die inhaltliche Ausgestaltung derIntegrationskurse hat das Bundesamtin Zusammenarbeit mit Expertinnenund Experten aus Wissenschaft undPraxis ein Konzept entwickelt, daserstmals bundesweit einheitliche Qua-litätsstandards zur Vermittlung vonSprachkenntnissen und Orientierungs-wissen für alle Zuwanderergruppenfestlegte.

2 GERR: Gemeinsamer Europäischer Referenz-rahmen für Sprachen. Wurde vom Europarat ent-wickelt und teilt die Sprachen in sechs Niveau-stufen ein (bezeichnet mit A1, A2, B1, B2, C1,C2), indem er die erreichten Fertigkeiten in denBereichen Hören, Lesen, Sprechen, Schreibendefiniert. Dabei entspricht B1 einem mittlerenSprachniveau.

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+ Entwicklung 2005

Schwerpunkt der Tätigkeit des Bundes-amtes zu Beginn des Jahres 2005 wardie Information aller mit der Durch-führung der Kurse beauftragten Stellen,insbesondere der Ausländerbehördenund der Kursträger. Hierzu haben diein den Außenstellen des Bundesamtestätigen Regionalkoordinatorinnen und -koordinatoren wesentlich beigetragen,deren Arbeit von allen Seiten positivaufgenommen wurde.Der Beginn der Kurse und die Teilneh-merzahlen gestalteten sich Anfang2005 zunächst sehr zögerlich, wasnicht zuletzt auf die äußerst kurzfris-tige Einführung der Kurse zurückzu-führen ist. Dies änderte sich jedochschnell – Ende 2005 sah die Situationganz anders aus.

Statistik und Bilanz 2005

Wie die Tabelle zeigt, haben im Jahr2005 insgesamt mehr als 215.000Personen eine Berechtigung zur Teil-nahme an einem Integrationskurs erhalten. Davon wurden mehr als103.000 bereits vor 2005 in Deutsch-land lebende Personen allein durchdas Bundesamt zugelassen. Dies entspricht einem Anteil von 47,8Prozent aller ausgestellten Berechti-

gungen und zeigt deutlich das Inte-resse der bereits in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Aus-länder an der freiwilligen Teilnahme an einem Integrationskurs.Die Zahl der 2005 neu eingereistenAusländerinnen und Ausländer mitTeilnahmeanspruch lag mit 61.000unter dem prognostizierten Wert von 98.000. Ihr Anteil am Gesamt-volumen der Teilnahmeberechtigtenfiel mit 28,3 Prozent damit deutlichgeringer aus als erwartet. Mehr alszwei Drittel davon (42.453) wurdenaufgrund fehlender oder mangelnderSprachkenntnisse zur Teilnahme aneinem Integrationskurs verpflichtet.Der Zahl der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler lag mit 33.241ebenfalls deutlich unter der Prognosevon 40.000.Aufgrund der niedrigen Zahlen für Neuzuwanderinnen und Neuzu-wanderer war es entgegen derursprünglichen Annahme möglich, in verstärktem Maße bereits seit längerem in Deutschland lebendeMigrantinnen und Migranten in dieIntegrationskurse aufzunehmen.

Teilnahmeberechtigungen absolut Prozent

durch das BAMF zugelassene Ausländer/innen seit 27.01.2005

103.146 47,8

durch Ausländerbehörden verpflichtete Ausländer/innen (bereits in Deutschland ansässig)

18.330 8,5

durch Ausländerbehörden bestätigte Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer

60.934 28,3

davon verpflichtet 42.453

Spätaussiedler/innen (Bundesverwaltungsamt) 33.241 15,4

insgesamt 215.651 100,0 §

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §

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§Kursteilnehmer/innen nach Staatsangehörigkeit im Jahr 2005(ohne Spätaussiedler/innen)Was die Staatsangehörigkeit der Kurs-teilnehmer/innen angeht, stellen Tür-kinnen und Türken mit 20,8 Prozentden größten Anteil, gefolgt von An-gehörigen der russischen Föderation mit 17,7 Prozent. Danach folgen Teil-nehmer/innen aus der Ukraine mit 8,3 Prozent und aus Kasachstan mit 7,3 Prozent. Der hohe Anteil türkischer Kursteilneh-mer/innen entspricht der hohen Zahlder türkischen Mitbürgerinnen undMitbürger in Deutschland (hierzulandeleben rund 1,8 Millionen Türkinnenund Türken). Mehr als die Hälfte (60.803) der115.158 Kursteilnehmerinnen undKursteilnehmer waren bereits dauer-haft in Deutschland lebende Aus-länderinnen und Ausländer, die vomBundesamt auf Antrag hin zugelassenwurden.

Kursträger

Das Bundesamt hat mit seinen Kurs-trägerzulassungen im Jahr 2005 fürein flächendeckendes Angebot anIntegrationskursen gesorgt. ZumJahresende 2005 besaßen bundes-weit 2.042 Träger mit 6.063 Stand-orten eine Zulassung. Die flächen-deckende Versorgung mit Integrations-kursangeboten war und ist damitsichergestellt. Die Verteilung derKursträger deckt sich in etwa mit der Verteilung der Teilnehmer/innenauf das Bundesgebiet. So hat zumBeispiel Nordrhein-Westfalen alsbevölkerungsstärkstes Bundeslandauch den höchsten Trägeranteil.

§§Kursteilnehmerinnen undKursteilnehmer

Von den mehr als 215.000 teilnahme-berechtigten Personen haben ins-gesamt über 115.000 Personen dasAngebot angenommen und einen der8.196 Integrationskurse besucht, die2005 begonnen haben. Die überwiegende Mehrheit hat dabeian allgemeinen Integrationskursen teil-genommen (mehr als 90 Prozent derKurse). Dies ist unter anderem daraufzurückzuführen, dass der Schwerpunktim Jahr 2005 zunächst auf die Ein-führung der Kurse allgemein gesetztworden und das Kursangebot für spe-zielle Zielgruppen unterrepräsentiertwar, da Konzepte für diese Zielgruppennoch ausstehen.Allerdings konnten doch aufgrund derlangjährigen Erfahrungen mancherKursträger bereits einige spezielle Ziel-gruppenkurse angeboten und durch-geführt werden. Dabei handelte essich um 113 Jugendintegrationskursefür jugendliche Teilnehmer/innen, 456Eltern- bzw. Frauenintegrationskursefür Personen, die aus familiären oderkulturellen Gründen keinen allgemeinenIntegrationskurs besuchen konnten,sowie um 227 Alphabetisierungskurse. Erfreulich ist, dass prozentual mehrFrauen als Männer an den Kursen teilgenommen haben, da Frauen, ins-besondere Mütter, eine wichtige Ziel-gruppe im Rahmen der Integrations-bemühungen darstellen. Die Verteilung der Teilnehmer/innenauf die Bundesländer entspricht inetwa der allgemeinen Bevölkerungs-verteilung in Deutschland und spiegeltauch die Verteilung der ausländischenMitbürgerinnen und Mitbürger inDeutschland wider. Mehr als ein Fünf-tel aller Kursteilnehmer/innen stammtaus Nordrhein-Westfalen, gefolgt vonBayern und Baden-Württemberg. Nuretwa zwölf Prozent der Teilnehmer/in-nen kommen aus den neuen Bundes-ländern (ohne Berlin).

Fachtagung: Bilanz Bundesamt

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Integrationskurse

Das bundesweit einheitliche Integra-tionskurskonzept sieht für die Durch-führung der Kurse ein flexibles Systemvon Kursmodulen mit unterschiedlichenLernprogressionen und damit ein aufdie individuellen Bedürfnisse der Mig-rantinnen und Migranten zugeschnit-tenes Angebot an Kursen vor. Unterden verfügbaren Integrationskursenkönnen die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer – je nach Angebot der Kurs-träger – entsprechend ihres Alters,ihres Bildungsstandes, ihrer sprach-lichen Vorkenntnisse und ihrer Lern-befähigung einen für sie passendenKurs auswählen, sofern ein solcher in räumlicher Nähe angeboten wird.

Abschlussprüfungen

Im Jahr 2005 haben 17.482 Personenan der Abschlussprüfung zum ZertifikatDeutsch und zum Orientierungskursteilgenommen. Da sehr viele Kurseerst im zweiten Halbjahr begonnenhaben und zum Jahreswechsel 28.898Teilnehmerinnen und Teilnehmer denKurs beendet hatten, zeigt dies dieBereitschaft, sich bald nach Kursendeder Prüfung zu unterziehen. 12.151Prüfungsteilnehmer/innen (69 Prozent)haben die Prüfung mit Erfolg abge-schlossen, davon 41 Prozent mit derNote gut oder sehr gut.Besonders erwähnenswert ist, dass43 Prozent der Teilnehmerinnen undTeilnehmer jünger als 30 Jahre sind und 74 Prozent von ihnen die Prüfungbestanden haben. Dies zeigt, dass ein frühzeitiger Beginn von Sprach-schulungen mit einem hohen Erfolgeinhergeht und damit für die Integra-tion sehr förderlich ist.

Tätigkeit derBewertungskommission

Die fachliche Arbeit des Bundesamteswurde und wird von der Bewertungs-kommission begleitet. Mit Inkrafttretender Integrationskursverordnung am01.01.2005 wurde auch die rechtlicheGrundlage für die Bewertungskom-mission geschaffen. Die Zusammen-setzung der Mitglieder orientiert sichan einem ausgewogenen Verhältniszwischen Wissenschaft, Praxis undstaatlichen Stellen.Durch die Einrichtung der Bewertungs-kommission wird die fachliche Beglei-tung und Bewertung der Kursdurch-führung sichergestellt. Danach ist esAufgabe der Bewertungskommission,die Lehrpläne, die Lehr- und Lernmittelder Integrationskurse sowie die Inhalteder Abschlusstests zu beurteilen. Hinzukommt die Entwicklung von Verfahrender Qualitätskontrolle und die Fortent-wicklung des Integrationskurskonzepts. Am 08.04.2005 fand die konstituieren-de Sitzung der Bewertungskommissionin Berlin statt. Themen waren die Kon-zeption spezieller Integrationskurse,eine Konzeption für den Orientierungs-kurs und die Evaluation der Integra-tionskurse im Jahr 2006.Am 08.07.2005 tagte die Bewertungs-kommission ein zweites Mal im Bun-desamt in Nürnberg. Schwerpunkteder Tagung waren die Vorbereitungeines Expertenseminars zu denSprachprüfungen im Integrationskurssowie Erfahrungsberichte und einPraxisaustausch zur Durchführung der Integrationskurse. Eine dritte Sitzung der Bewertungs-kommission fand am 14.10.2005 in München statt (Fortsetzung derThemen vom Juli und Festlegung der Arbeitsschwerpunkte 2006). Die nächste Sitzung ist für den07.04.2006 vorgesehen.

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§§festgelegt, für Jugendliche, die aneinem jugendspezifischen Kurs teil-nehmen möchten, eine Fahrtkosten-erstattung zu ermöglichen. Eine weitere Verbesserung wurde mitWirkung vom 01.03.2006 eingeführt.So konnte für Alphabetisierungskurseerreicht werden, dass diese Kurse mitmaximal zwölf Teilnehmerinnen undTeilnehmern durchgeführt werden dürfen, hierfür aber eine Vergütung für 15 Teilnehmer/innen garantiertwird. Dies wurde von den Kursträgernsehr positiv aufgenommen.Ein weiterer Kritikpunkt ist die teil-nehmerbezogene Finanzierung derKurse und der Umstand, dass dieFinanzierung mit 2,05 Euro pro Teil-nehmerstunde nicht ausreichend sei.Davon sind vor allem die Lehrkräftebetroffen, die immer schlechterbezahlt werden. Im November 2005hat auf Einladung des Bundesamtesein Treffen der Lehrkräfte in Nürnbergstattgefunden. Die hieraus resultieren-den Erkenntnisse hat das Bundesamtaufgegriffen und aufgrund der Gefahrsinkender Qualität in den Kursen einenHandlungsbedarf erkannt. Allerdingshat das Bundesamt in dieser Fragekeinen Handlungsspielraum. Im Übrigen ist die Finanzierung derKurse wesentlicher Bestandteil derEvaluation und wird dabei mit über-prüft. Die Frage der Finanzierung istderzeit auch Gegenstand von Gesprä-chen im politischen Raum und esbesteht die Hoffnung, dass in dieseAngelegenheit Bewegung kommenwird.Hinsichtlich weiterer Verbesserungenzum Verfahren hat das Bundesamtdem Bundesministerium des InnernVorschläge zur Änderung der Integra-tionskursverordnung unterbreitet.

Workshops

In zeitlichem Zusammenhang mit denSitzungen der Bewertungskommissionfanden jeweils zweitägige Workshopsstatt, in denen intensiv fachliche In-halte insbesondere zu den speziellenIntegrationskursen diskutiert wurden (Alphabetisierungskurse, Frauenkurse,Jugendkurse). Weitere Themen warenMöglichkeiten und Grenzen neuer Testverfahren für Integrationskursesowie Testinhalte. Die Fortsetzung dieser fachlichenArbeiten in einem weiteren Workshopist für den 05. und 06.04.2006 vorgesehen.

Probleme und Handlungsfelder

Trotz aller Erfolge gibt es in zweiPunkten fortwährende und intensiveKritik an den Integrationskursen, dienicht verschwiegen werden sollen. Zum einen handelt es sich um denVorwurf der übermäßigen Bürokratie,die mit der Abwicklung des Integra-tionskursverfahrens verbunden sei. Die Ursache ist in den kleinteiligenVorgaben der Integrationskursverord-nung zu sehen. Das Bundesamt ist als Behörde verpflichtet, diese Vor-gaben umzusetzen. Dennoch hat sichdas Bundesamt ständig bemüht, auchhier Stück für Stück Verbesserungenzu erreichen. So hat am 23. und 24.06.2005 auf Einladung des Bundesamtes ein Prak-tikertreffen mit Vertreterinnen und Ver-tretern von Kursträgern, des Bundes-innenministeriums und des Bundes-amtes stattgefunden. Während derzweitägigen Veranstaltung wurden zahlreiche Arbeitsschritte des Integra-tionskursverfahrens diskutiert undbewertet. Konkret ergaben sich einigeÄnderungen im Verfahren bei derDurchführung der Integrationskurse.Beispielsweise wurde erreicht, dassdas Bundesamt eine Verwaltungs-kostenpauschale in Höhe von siebenEuro pro Teilnehmer/in gewährt unddiverse Meldepflichten und Formulareverschlankt wurden. Ferner wurde

Fachtagung: Bilanz Bundesamt

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §+ Ausblick 2006:

Sachstand und Konzepte

Orientierungskurs

Bereits seit Ende 2004 existieren Vor-gaben für Orientierungskurse in Formeines „Konzepts für einen bundeswei-ten Integrationskurs“, das die Lernziele,-inhalte und -methoden beschreibt.Eine Empfehlung für Kursträger istseit Mai 2005 auf der Homepage desBundesamtes als Download verfügbar.Seit November 2005 läuft eine Evalu-ation abgeschlossener Orientierungs-kurse. Hierzu wurden über die Regio-nalkoordinatorinnen und -koordinatorenmehr als 240 Prüfungen gesammelt.Eine differenzierte Auswertung inForm eines Berichts ist in Arbeit. Zielist die Ermittlung der Schwerpunkt-setzungen bei den Prüfungsfragenund die Ermittlung von Unterschiedenim Schwierigkeitsgrad der Prüfungen.Seit Januar 2006 werden Lernziel-beschreibungen (Kernkonzept) für denOrientierungskurs als Vorbereitung aufden Workshop am 05. und 06.04.2006sowie für die Vorbereitung der Aus-schreibung eines Rahmencurriculumserarbeitet.

Jugendkurse

Auf der Grundlage von Vorarbeiteneines Workshops in Bamberg vom 06. bis 07.07.2005 wurde im Dezem-ber 2005 eine Leistungsbeschreibung für eine Ausschreibung zur Erstellungeines Konzepts für einen Jugendinteg-rationskurs verfasst. Diese Leistungs-beschreibung wurde Ende Dezember2005 mit dem Bundesministerium desInnern abgestimmt. Im Zuge der Aus-schreibung erfolgte die Auftragsver-gabe an einen kompetenten Bieter. EinZwischenbericht zum Konzept wird zurnächsten Sitzung der Bewertungskom-mission im April bereits vorliegen. AlsAbgabetermin für das Konzept wurdeder 13.04.2006 festgelegt. Mit einerVeröffentlichung ist im Juni zu rechnen.

Alphabetisierungskurse

Im Februar 2006 wurde der Auftragfür die Erstellung eines Konzepts fürAlphabetisierungskurse erteilt. Bis31.03.2006 muss ein Zwischenberichtabgegeben werden, der der Bewer-tungskommission zur Beratung am07.04.2006 vorgelegt wird. Bis EndeMai 2006 wird das Konzept vom Bun-desamt abgenommen sein. Im Vorgriff auf dieses zukünftige Kon-zept wurde eine verbesserte Finan-zierung der Alphabetisierungskurse mitWirkung vom 01.03.2006 vorgezogen(sie ermöglicht Kleingruppen von achtbis zwölf Teilnehmerinnen und Teil-nehmern bei einer Garantieförderungvon 30,75 Euro pro Unterrichtseinheitund einem Aufwandszuschlag von4,25 Euro pro Unterrichtseinheit).

Frauenkurse

Die Aufgabe der Entwicklung einesbundesweit anwendbaren Konzeptsfür einen Frauenintegrationskurs verbleibt im Bundesamt. Bei einementsprechend ausgerichteten Work-shop vom 06. bis 07.07.2005 in Bam-berg wurden von den Expertinnen und Experten sowie Verbandsvertre-terinnen und -vertretern bereits Vor-überlegungen zur Ausgestaltung einesspezifischen Integrationskurskonzeptsfür die Zielgruppe der Frauen angestellt.Die Ergebnisse dienen als Grundlagefür die Arbeit des Bundesamtes. Um darüber hinaus die Sach- und Vor-Ort-Kenntnis von Trägern, die bereitsseit Langem mit der Zielgruppe arbei-ten, für die Konzepterstellung nutzenzu können, wurden Mitte Dezember2005 122 beim Bundesamt registrierte

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§Fachtagung: Bilanz Bundesamt

§ Frage:

Im Jahr 2005 haben also 115.000Teilnehmerinnen und Teilnehmereinen Kurs begonnen; davon haben29.000, also ein Viertel, den Kursabgeschlossen und davon wiederum69 Prozent bestanden. Was ist mitden übrigen drei Vierteln der Teilneh-merinnen und Teilnehmer, die denKurs nicht abgeschlossen haben –sind sie abgesprungen oder legen sie eine Pause ein?

Antwort:

Die Kurse haben kein festes Anfangs-oder Enddatum – jedenfalls nicht inder Gesamtbetrachtung –, sondernstellen sozusagen ein „laufendesGeschäft“ dar. Daher sind wir dazuübergegangen, nicht die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer insgesamt zuzählen, sondern die aktuelle Teilnehmer-zahl der Kurse zu betrachten. Dazumuss natürlich erfasst werden, wieviele Teilnehmerinnen und Teilnehmermit einem Kurs angefangen und wieviele ihn tatsächlich abgeschlossenhaben. So erhält man einen Überblickdarüber, wie viele Personen an denlaufenden Kursen teilnehmen. Dieswar erst zum Jahreswechsel möglich.Für die Betrachtung des Jahres 2005war dies nicht erforderlich, weil für diesen Zeitraum die Anzahl der ins-gesamt ausgestellten Berechtigungenbekannt war. Von den 115.000 Teil-nehmerinnen und Teilnehmern, die2005 mit einem Kurs begonnenhaben, haben 29.000 den Kurs im selben Jahr bereits wieder beendet.

Träger von Frauen- bzw. Elterninteg-rationskursen um die Erstellung eineszwei- bis dreiseitigen Erfahrungsbe-richts gebeten. Bis Ende Januar 2006gingen etwa von einem Viertel der an-geschriebenen Träger Rückmeldungenein, in denen sich die Träger durch-gehend positiv über die in Bambergerarbeiteten Ansätze und Neuerungenäußern. Die aus den Berichten hervor-gehenden Einschätzungen zu Fragender Zielgruppe, des Lernverhaltens, der Unterrichtsmethodik sowie der zu vermittelnden Themen und Inhaltefließen in die weitere Konzeptaus-arbeitung mit ein.Der Zeitplan sieht einen Konzept-vorschlag bis Mitte April 2006 vor.

DISKUSSION

Frage:

Werden im Jahr 2006 tatsächlich 30 Prozent der geplanten Gelder ein-gespart? Mit welcher Begründung?

Antwort:

Im Jahr 2005 stand ein Etat von über200 Millionen Euro für die Integrations-kurse zur Verfügung. Dieser Etat ist imJahr 2006 auf 140 Millionen Euro ge-sunken. Allerdings wurde hier keineStreichung vorgenommen, sondern im Jahr 2005 wurden nur etwa 100Millionen Euro für Sprachkurse aus-gegeben. Insofern hat der Finanzmi-nister veranlasst, die Mittel dement-sprechend zu kürzen. Es besteht je-doch kein Anlass zur Sorge, denn dieIntegrationskurse sind gesetzlich ver-ankert. Sollte es sich erweisen, dassdie Mittel nicht ausreichen, bestehtdie Zusicherung einer unproblemati-schen Erhöhung.

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Frage:

Glauben Sie nicht, dass die Einspa-rungen auf Kosten der Kursteilneh-mer/innen gehen, die nicht genügendStunden bekommen, ebenso derTräger, die in finanzielle Schwierig-keiten geraten, und vor allem derLehrkräfte, die zu sehr niedrigenStundenlöhnen arbeiten müssen?Obwohl von unserer Seite aus dasganze Jahr auf diese Situation hin-gewiesen wurde, wurden die Geldereingespart.

Antwort:

Diese Einsparungen sind nicht imZusammenhang mit der Bezahlungder Lehrkräfte oder der Situation derKursteilnehmer/innen zu sehen. DieSituation ist folgendermaßen: Für2005 wurde ein Betrag x für die Kursezur Verfügung gestellt. Gleichzeitigwurde festgelegt, unter welchenRahmenbedingungen die Bezahlungder Kurse und damit der Kursträgerund Lehrkräfte stattfindet. Nach diesen Kriterien sind Mittel in Höhevon etwa 100 Millionen Euro ab-geflossen. Die nicht in Anspruchgenommenen übrigen 100 MillionenEuro sind an das Finanzministeriumzurückgegangen. Dies ist aber unab-hängig von der Frage zu betrachten,ob 205 Millionen Euro insgesamt fürdie Bezahlung der Kursträger undLehrkräfte prinzipiell ausreichen oder nicht.

Frage:

Wie ist es um die Fortbildung fürLehrkräfte bestellt? Wurden ent-sprechende Maßnahmen bei derKonzeptausarbeitung berücksichtigt?

Antwort:

Was die Zusatzqualifikation für Lehr-kräfte angeht, so müssen diese jabereits eine gewisse Zusatzqualifikationvorweisen, um die Kurse überhauptbetreuen zu können; für diejenigen,die eine solche Zusatzqualifikationnicht mitbringen, gibt es entsprechendeMaßnahmen, die vom Bundesamt inbestimmter Höhe bezuschusst werden;dafür wurden Mittel zur Verfügunggestellt. Mittlerweile bieten auchandere Institute solche Maßnahmenan; welche dies im Einzelnen sind,können Sie auf unserer Homepagenachlesen.

Frage:

Wie ist es zu erklären, dass die eigent-liche Hauptzielgruppe, nämlich Neu-zuwanderinnen und Neuzuwanderer,bislang nur unzureichend erreichtwurde?

Antwort:

Dafür mag es viele Erklärungen geben.Zum einen haben Neuzuwanderinnenund Neuzuwanderer nach ihrer Ankunftüber einen Zeitraum von zwei Jahrendie Möglichkeit, einen Integrationskursin Anspruch zu nehmen. Für einengroßen Teil der Zielgruppe ist dieseFrist also noch gar nicht abgelaufen.Die Zahl der Neuzuwanderungen insgesamt lässt sich ja schlecht beeinflussen. Berücksichtigt werdenmuss auch, dass neu in ein Land kommende Menschen zunächst mit anderen Dingen beschäftigt seinkönnten, als gleich einen Sprachkurs

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Rückfrage:

Mich stellt die Antwort nicht ganzzufrieden. Insgesamt wurden also215.000 Teilnahmeberechtigungenausgesprochen, wovon 103.000„Altausländer/innen“ waren. Die andere Hälfte setzt sich aus Neuein-reisenden und Spätaussiedlerinnenund Spätaussiedlern zusammen. Tatsächlich angenommen haben abernur 115.000 das Kursangebot; dasheißt, die Zahl der teilnehmenden Neueinreisenden und Spätaussied-ler/innen ist äußerst gering. Geht mandavon aus, dass von den Neueinrei-senden zwei Drittel verpflichtet wur-den, an einem Kurs teilzunehmen,sind auch von den Verpflichteten nichtso viele hingegangen, wie eigentlichhätten hingehen müssen. Es ist sehrwichtig, die Ursachen hierfür heraus-zufinden. Ein Grund liegt meines Er-achtens in der Tatsache, dass die Mig-rationserstberater/innen in die Abläufebislang nicht so einbezogen wurden,wie sie eigentlich einbezogen werden müssten – auch in Ihrer Bilanz erschei-nen sie nicht. Die Schlüsselrolle dieserBerater/innen wurde bislang nicht aus-reichend genutzt. Und das, obwohl esein sehr wichtiger Aspekt ist, geradedie Zielgruppe der Neueinreisenden zu erreichen.

Antwort:

Dies unterstützt meine Aussage, dassdie Koordination vor Ort verbessertwerden muss. Dabei stehen die Mig-rationserstberatungen eindeutig imMittelpunkt – aber auch alle weiterenStellen gehören dazu.

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§§zu beginnen: Sie müssen sich vielleichterst eine Wohnung oder Arbeit suchen.Diese Faktoren darf man nicht außerAcht lassen. Dennoch muss ein Schwerpunkt unse-rer Arbeit in den nächsten Monatendarin liegen, die Koordination im Be-reich dieser Zielgruppe zu verbessern,und zwar in dem Sinne, dass das Bun-desamt sowohl Ausländerbehörden alsauch Sprachkursträger besser infor-miert. Das gilt auch für die ARGE, dieja für Neuzuwanderungen keine großeRolle spielt. Hier muss die Kommuni-kation untereinander verbessert wer-den, damit klar wird: Hier kommt je-mand in unser Land. Er/sie hat dieMöglichkeit, in die Migrationserst-beratung zu gehen. Er/sie bekommteine Bestätigung, mit der er/sie an der Beratung teilnehmen kann. Dannmuss er/sie entscheiden, wo er/siehingehen möchte. Diese Schritte müssen besser ineinandergreifen;dafür gibt es ja einige gute Beispiele,etwa aus Nürnberg. In anderen Kom-munen dagegen ist das Vorgehen nochverbesserungswürdig.

Fachtagung: Bilanz Bundesamt

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§

§§

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Dr. Margret Spohn, Stelle für interkulturelle Arbeit, Sozialreferat

VORTRAG

+ Einführung

Den Münchner Part möchte ich mitzwei Zitaten beginnen: „Ich muss Deutsch lernen. In jedemLand gibt es Richtlinien und kulturelleGegebenheiten, das muss man respektieren, man muss sich den Verhältnissen anpassen. Wer hier lebt, muss sich deutsch ausdrücken können – auf der Straße, in der Arbeit.Ich möchte auch die Mentalität ver-stehen; deutsche Witze verstehen,mich einzuordnen wissen. Ich möchtealles über dieses Land wissen und es kennen lernen: die Geschichte, dieReligion, die Sitten, das politischeSystem, die Mentalität. Ich möchtemich hier sicher bewegen können –nicht nur sprachlich, auch kulturell. Ich will meine türkische Kultur nichtabschaffen, aber wenn ich aus derHaustür trete, muss ich mich zubewegen wissen.“

„Ich habe das Gefühl bekommen,dass die Deutschen sich bemühen,dass wir uns hier einfacher zurecht-finden und bessere Chancen in dieserGesellschaft haben. Das merken wiruns. Und wir tun dann auch unserBestes dafür.“

Vielleicht kommen dem einen oderder anderen diese Zitate bekannt vor.Sie stammen aus der Evaluation derOrientierungskurse 3, die die Stelle für interkulturelle Arbeit im Sommer

2002 mit Trägern, die auch jetzt Integ-rationskurse anbieten, in Münchendurchgeführt hat. 50-stündig und in der Muttersprache sollten diese Kursedamals Neuzuwanderinnen und Neu-zuwanderer über + das Leben in München,+ das soziale System,+ Arbeit, Beruf, Ausbildung,+ eine persönliche Perspektive

(„Förderplan“),+ lokale Beratungsangebote,+ finanzielle Angelegenheiten,+ Geschlechterverhältnis und + interkulturelles Zusammenlebeninformieren. Die Reaktionen der beiden interviewten Teilnehmerinnenzeigten uns damals, dass dieser Wegrichtig war. Die Stadt, die Kommune,sollte Neuzugewanderten ein Integra-tionsangebot unterbreiten, sie sollteihnen zeigen, dass sie willkommensind, und sie sollte es fördern, dassdiese Menschen einen Platz in derGesellschaft bekommen. Das Angebotwurde mit Begeisterung und Freudeaufgenommen. Leider war es unsfinanziell bisher nicht möglich, dasModellprojekt auszubauen und in dieRegelförderung zu übertragen. Wirsind nach wie vor davon überzeugt,dass sich diese Investition gleich zuAnfang der Migration langfristig sowohlfür die Migrantinnen und Migrantenselbst als auch für die Stadt auszahlenwürde.

3 www.muenchen.de/Rathaus/soz/wohnenmigration/interkulti/119794/publikation.html

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Bilanz aus Sicht der Landeshauptstadt München

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§+ Statistische Bilanz der Landeshauptstadt München

Bis Februar 2006 wurden rund 2.500Teilnahmeberechtigungen ausgespro-chen. Davon wurden 1.640 Neuzu-wanderinnen und Neuzuwanderer zurTeilnahme verpflichtet. 750 Personenhatten einen Teilnahmeanspruch ohneVerpflichtung, 50 Migrantinnen undMigranten erhielten einen Berech-tigungsschein für eine Teilnahme aneinem Orientierungskurs. Über dieARGE (§44 Abs.3 Satz1 Nr.3) wurdenbislang 60 Personen verpflichtet.Ende Februar 2006 zeigte sich folgen-des Bild: In München gibt es 36 Integ-rationskursträger, von denen 26 Kurseanbieten. 342 Kurse haben begonnen,davon (Stand 15.03.2006) 44 Frauen-integrationskurse (Stand Februar 2006),zwei Jugendintegrationskurse sowieneun Alphabetisierungskurse. Es ist gegenwärtig nicht möglich, ein-deutig festzustellen, wie viele Personentatsächlich an den Kursen teilnehmen.Ginge man rein statistisch davon aus,dass in jedem der 311 Kurse 18 Teil-nehmer/innen wären, ergäbe sich eine Zahl von etwa 5.598 Personen;diese übersteigt jedoch die Zahl derVerpflichtungen in München. DieDatenlage wird derzeit vom Bundes-amt verbessert. Im Folgenden werde ich Probleme,Fragestellungen und Lösungen –soweit bereits vorhanden –, die sichaus den Integrationskursen und derenOrganisation in München ergebenhaben, stichpunktartig behandeln.

§Fachtagung: Bilanz München

§Diesen Weg der gezielten Förderungvon Neuzuwanderinnen und Neuzu-wanderern schlug im letzten Jahr erstmals eine Bundesregierung ein.Das öffentliche Eingeständnis einerseit Langem bekannten Tatsache –dass Deutschland ein Einwanderungs-land ist – führte zu einem Paradigmen-wechsel in der Politik und zur Einfüh-rung der Integrationskurse. DiesesAngebot ist per se sehr zu begrüßen,wenngleich die Umsetzung die betei-ligten Gruppen – Integrationskursträger,Migrationserstberatungen, Ausländer-behörden,Regionalkoordinatorinnenund -koordinatoren und die ARGE –vor riesige Vernetzungsaufgaben stellt.Interessanterweise waren die Kom-munen in die ersten Überlegungennicht als wichtige Partner einbezogen– dabei haben gerade sie die Möglich-keit, die unterschiedlichen Gruppen an einen Tisch zu bekommen.

+ Statistische Bilanz bundesweit

Geplant hatte man die Kurse ausgehend von folgenden Zahlen:+ 100.000 Neuzuwanderer/innen,+ 40.000 Spätaussiedler/innen,+ 50.000 bis 60.000 Altzuwande-

rer/innen.

Doch rückblickend zeigt sich eineandere Verteilung:+ 60.000 Neuzuwanderer/innen,+ 33.000 Spätaussiedler/innen,+ 120.000 Altzuwanderer/innen. 4

Der Anteil der Neuzugewandertenwurde also über- und der Anteil derAltzuwanderinnen und -zuwandererunterschätzt.

4 Quelle: Bundesamt für Migration und Flücht-linge, Rede von Dr. Schmid am 14.03.2006 inTutzing

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Vernetzung

Eine Vernetzung erfolgt auf zweiEbenen:+ zwischen den Integrationskurs-

trägern und den Migrationserst-beratungen sowie+ auf der Ebene der Kommune

(mit allen Akteuren).Die Integrationskurse trafen in Mün-chen auf gewachsene Strukturen.Viele Integrationskursträger kanntensich bereits und arbeiteten in verschie-denen Gremien zusammen, beispiels-weise im Rahmen von AKIA (Arbeits-gemeinschaft Kooperation im Auslän-derbereich). Dieses stadtweite undträgerübergreifende Netzwerk existiertseit 1979. Ähnliches gilt auch für dieMigrationserstberatungen. Damit ist es – trotz aller nach wie vorbestehenden Schwierigkeiten – inMünchen leichter als in anderen Städ-ten, aus vorhandenen Strukturen einNetzwerk aus- und aufzubauen. Bun-desweit sieht die Situation anders aus: In einigen Städten brechen zweiDrittel der gerade zugelassenen Trägernach einem Jahr Laufzeit weg. Ungeachtet der positiven Ausgangs-situation gab und gibt es auch in Mün-chen Probleme im Zusammenwirkender unterschiedlichen Gruppen. Trotzaller Freundschaft, trotz des Wun-sches, positiv und effektiv zusammen-zuarbeiten, begegnen sich die Integra-tionskursträger und die MEB sowohluntereinander als auch gegenseitig alsKonkurrenten, die mit den äußerstknappen Ressourcen haushalten müssen. Hinzu kommt, dass viele Sprachkurs-träger über die Jahre hinweg hoheQualitätsstandards für ihre pädago-gische Arbeit, in der Regel kursbe-gleitend, festgelegt haben und nunerst mit den veränderten Beratungs-strukturen zurechtkommen müssen.So hat sich für die seit Langem in derMigrationsarbeit tätigen Sprachkurs-träger eine durchgehende sozialpäda-gogische Betreuung in den Kursenbewährt. Die Sozialpädagoginnen undSozialpädagogen vor Ort kennen dieTeilnehmer/innen und können punkt-genau und anlassorientiert intervenie-ren. Durch den Wegfall der finanzierten

sozialpädagogischen Betreuung unddurch Einführung der Migrationserst-beratung in den Kursen ist dieserStandard nicht mehr zu halten. Hiererfolgt ein schmerzhafter Prozess des„Herunterschraubens“ der eigenenAnsprüche auf eine Lösung, die nurals zweitbeste angesehen wird. Die MEB auf der anderen Seite sehensich mit 33 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern 311 Kursen gegenüber undmüssen nun gemeinsam mit denIntegrationskursträgern Standards der gemeinsamen Arbeit entwickeln.Es stellt sich die Frage, was von denMEB an durchgehender Betreuungeines Kurses geleistet werden kann.Für Kurse mit Benachteiligten – unddiese machen einen großen Teil derTeilnehmer/innen der Integrations-kurse aus – ist aus pädagogischerSicht eine „Geh-Struktur“ erforderlich.Doch wie ist dies angesichts der knappen Ressourcen und beengtenRäumlichkeiten bei vielen Sprachkurs-trägern umsetzbar? Erste Schritte indiese Richtung haben soeben MEBund Integrationskursträger unter-nommen, die im Rahmen von AKIAunter Moderation der Stelle für inter-kulturelle Arbeit Standards für dieZusammenarbeit erarbeiten werden.Im Spätherbst 2006 sollen die Ergeb-nisse vorgestellt werden. Ergänzendhierzu fördert die LandeshauptstadtMünchen unter dem Schlagwort„Integrationshilfe nach Zuwanderung“die Migrationsberatungen (Caritas,Innere Mission, Israelitische Kultus-gemeinde, IG-InitiativGruppe – Inter-kulturelle Begegnung und Bildung e.V.,Bayerisches Rotes Kreuz (BRK), Arbei-terwohlfahrt (AWO)) für die Menschen,die bereits seit vielen Jahren in Mün-chen leben, die sogenannten Alt-zuwanderinnen und Altzuwanderer, in Höhe von rund 600.000 Euro. Obwohl die Kommunen zunächst nichtals Akteur oder gar Koordinator vorge-sehen waren, initiierte die Stelle fürinterkulturelle Arbeit im Jahr 2005 dreiVernetzungstreffen, zu denen die Integ-rationskursträger, die Kreisverwaltungs-behörde, die MEB, später die Regional-koordinatorinnen und -koordinatorenund nun auch die ARGE eingeladenwurden, um sich auszutauschen.

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§Hinweis auf die Beratung in den Räumlichkeitender Kreisverwaltungsbehörde

Suchmaske auf der Websitewww.muenchen.de/interkult: Suche nach Kursarten und Stadtteilen

Suchmaske auf der Websitewww.muenchen.de/interkult: Suche nach Migrationserstberatungen undJugendmigrationsdiensten und Stadtteilen

Fachtagung: Bilanz München

§Beim ersten Treffen lag der Schwer-punkt auf dem immensen Verwal-tungsaufwand. Wer muss welchePapiere wie häufig in welchem Abstandin welcher Ausführung wohin schicken?Die Kritik an dieser überbordendenBürokratie ist trotz Nachbesserungenbis heute nicht verstummt und klingteinstimmig auch bei bundesweitenTreffen immer wieder an.

Beim zweiten Treffen stand die Verzahnung zwischen Integrations-kursträgern und MEB im Vordergrund.Wie kann gewährleistet werden, dassNeu- und Altzuwanderinnen und -zuwanderer in den Kursen eine qua-lifizierte und passgenaue Beratungbekommen – eingedenk der Tatsache,dass die Kursträger über das gesamteStadtgebiet verteilt sind? 35 zugelas-sene Kursträger in München bietenzudem unterschiedliche Kurse an:Alphabetisierungskurse, Frauenkurse,Jugendkurse etc. – auch hier müsstegewährleistet werden, dass die Mig-rantinnen und Migranten genau dieBeratung bekommen, die sie benöti-gen. Die Integrationskursträger müss-ten wissen, an welche MEB sie sichin speziellen Fällen wenden können,wer beispielsweise entsprechendeSprachkompetenzen vorweisen kann.Wenngleich die alte Aufteilung nachSprachen aufgehoben ist, zeigt sichdoch in der Praxis, dass zumindestanfangs muttersprachliche Beratunggewünscht ist.

LösungsansatzNach einem langen internen Diskus-sionsprozess haben sich die Mün-chner MEB zusammengeschlossenund werben nun in einem gemein-samen Flyer münchenweit für ihreDienstleistungen. Unter dem Titel„Neu in München“ stellen sich dieMEB mit ihren Aufgabengebieten vor – ein erster Schritt, sich und seine Angebote bekannt zu machen. Die Kreisverwaltungsbehörde stellt seitMai 2005 in ihren Räumlichkeiten ei-nen Raum zur Verfügung, der von allenMEB in einem Rotationsverfahren ge-nutzt wird, um Neuzuwanderinnen undNeuzuwanderer vor Ort über die Be-treuungsmöglichkeiten zu informieren.

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Befürchtungen dieser Art existiertenauch im Hinblick auf das ähnlich konzipierte Projekt „Mama lerntDeutsch“; im Gegensatz zu „Schulemal anders“ findet es nicht zwangs-läufig an Schulen statt und setzt einen stärkeren Schwerpunkt imBereich der beruflichen Integration.

LösungsansatzIn Gesprächen zwischen der Stelle für interkulturelle Arbeit, dem Schul-referat und Vertreterinnen und Ver-tretern des Bundesamtes für Migrationund Flüchtlinge verlieh die Stadt Mün-chen ihrem Anliegen Ausdruck, dieniedrigschwelligen, effektiven und ziel-gruppenorientierten Kurse zu erhalten.Das Bundesamt sicherte die Finanzie-rung im Rahmen der Integrationskursezu. In der Praxis bedeutet dies, dassanerkannte Integrationskursträger indie Schulen gehen und wie gewohntund nach den bewährten Curricula dieDeutschkurse für Frauen im Rahmender Integrationskurse anbieten. DieKosten für die Kinderbetreuung wer-den nach wie vor vom Schulreferatgetragen. Derzeit stehen rund 44.000Euro aus dem Haushalt des Schul-referates zur Verfügung, um finanzielleLücken abzudecken, die durch dieBundesfinanzierung entstehen, wennbeispielsweise nicht genügend Teil-nehmerinnen für die vom Bund ge-förderten Kurse zusammenkommen.„Schule mal anders“ und „Mama lerntDeutsch“ werden gegenwärtig an 14 Einrichtungen von fünf Trägern (IG-InitiativGruppe – Interkulturelle Begeg-nung und Bildung e.V., Volkshochschule(VHS), Internationaler Bund e.V. (IB),Hilfe von Mensch zu Mensch, ander-werk) angeboten und von 194 Teilneh-merinnen besucht.

Die Stelle für interkulturelle Arbeit hat unter Einbeziehung des Bundes-amtes sowie unter Mitarbeit derSprachkursträger und der MEB eineWebsite gestaltet, die es ermöglicht,Kurse und Beratungen nach verschie-denen Suchfunktionen ausfindig zumachen. So kann stadtteilbezogennach Frauen-, Alphabetisierungs-, Eltern- oder Jugendkursen sowie allgemein nach Integrationskursengesucht werden. Die Website ist abrufbar unterwww.muenchen.de/interkult,Stichwort Integrationskurse.

Frauenkurse

Im Jahr 2002 entstand in Münchenunter dem Titel „Schule mal anders –Eltern lernen Deutsch“ ein Verbund-projekt von der Stelle für interkulturelleArbeit, dem Staatsinstitut für Schul-pädagogik und Bildungsforschung, demGoethe-Institut, der Initiativgruppe undder Münchner Volkshochschule. Damitsollte ausländischen Müttern die Mög-lichkeit gegeben werden, an der Schuleihrer Kinder Deutsch zu lernen. Speziellausgebildete Lehrkräfte arbeiteten imTeam Teaching, wobei eine der Lehr-kräfte selbst einen Migrationshinter-grund aufwies. Da der Kurs in denRäumlichkeiten der Schule der eigenenKinder stattfand, wurde gleichzeitigdie Schwellenangst überwunden, eineSchule zu betreten, und der Kontaktzu den Lehrkräften wurde intensiviert. Die Kurse liefen mit großem Erfolg.Nach einer Initialfinanzierung durch die Stelle für interkulturelle Arbeit gingdas ehemalige Modellprojekt in dieRegelförderung des Schulreferatesüber. Finanziert werden nicht nur dieKurse, sondern auch eine Kinderbe-treuung. Die Kurse waren zielgruppen-spezifisch und passgenau ausgerichtet.Es bestand die Befürchtung, dass dasäußerst erfolgreiche Modell nicht mehrgefördert werden könnte – ungeachtetdessen, dass Frauen eindeutig alsZielgruppe der Integrationskurse definiert worden waren.

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§Fachtagung: Bilanz München

§ LösungsansatzDie Stadt München kam mit demBundesamt überein, dass in Münchenvon einer langwierigen Einzelfallprüfungabgesehen und grundsätzlich dieSituation „keine Betreuungsmöglichkeitgegeben“ angenommen werden kann. Noch keine zufriedenstellende Lösungexistiert im Hinblick auf die Form derKinderbetreuung. Bisher wird ehervon einer „Betreuung“ als von einerFörderung gesprochen. Doch geradebei kleinen Kindern, die sich übereinen längeren Zeitraum in einer Ein-richtung befinden, wäre es äußerstsinnvoll, ihre Betreuung so zu gestalten,dass mit ihnen auch in sprachlicherHinsicht gearbeitet wird. Hier gilt esnachzubessern und Gelder für einequalifizierte sprachlich-pädagogischeBetreuung zur Verfügung zu stellen,um nicht die Möglichkeit einer sinn-vollen Frühförderung zu verschenken.

ARGE §44

Die Bemühungen der Stadt Münchenzur Sprachförderung erstreckten sichnicht nur auf den beschriebenen Be-reich der Frauenförderung. 1,9 Millio-nen Euro stellte die Stadt aus ihremeigenen Etat für berufsbezogeneSprachkurse für Migrantinnen undMigranten, die SGB-II-Leistungenbeziehen, zur Verfügung. Ausgehendvon den unterschiedlichen sprach-lichen, beruflichen und sozialenVoraussetzungen der Migrantinnenund Migranten wurden von dreiSprachkursträgern 35 verschiedene,teilweise aufeinander aufbauendeKursangebote entwickelt. Rund 1.300Personen wurden in etwa 300 Kursepro Jahr vermittelt. Die eingangs vorgestellten Zahlenmachten deutlich, dass derzeit vorallem Altzuwanderinnen und Alt-zuwanderer die Integrationskursebesuchen. Viele von ihnen beziehen

Nach Absprache mit dem Bundesamtwurde das Angebot auf die städtischenKindergärten ausgedehnt. Derzeit fin-den in acht Kindertagesstätten durchdas Bundesamt finanzierte „Kinder-garten mal anders“-Kurse statt. Es gibtBestrebungen, auch die städtischenKinderkrippen in das Modell einzu-beziehen. In diesem Fall ist es der Stadt Mün-chen also gemeinsam mit dem Bun-desamt gelungen, eine bewährteForm der Sprachvermittlung für einebesonders im Fokus stehende Ziel-gruppe zu erhalten.

Kinderbetreuung

Nur wenn keine andere Möglichkeit der Unterbringung für ein Kind besteht,übernimmt das Bundesamt in be-stimmten Fällen die Kosten für dessenBetreuung. Dies sicherzustellen warein mühsames Unterfangen. Auch hierkonnte die Stelle für interkulturelleArbeit in Zusammenarbeit mit demBundesamt eine zufriedenstellendeLösung erarbeiten. Kindergartenplätze sind in MünchenMangelware. Trotz großer Bemühungender Landeshauptstadt, das Angebotauszubauen, gibt es nicht genügendKinderkrippenplätze. Die Wartezeit aufeinen Platz liegt bei eineinhalb Jahren– oft auch darüber. Derzeit ist dieHälfte des vom Stadtrat festgelegtenPlanungsrichtwertes erreicht. DieserRichtwert besagt, dass für 20 Prozentder bis zu dreijährigen Kinder einKrippenplatz zur Verfügung stehenmuss. Die Verteilung erfolgt nach einem an Dringlichkeitsstufen angelehntenPrioritätenprinzip. Ähnliches gilt für die Unterbringung von Kindern in der Altersgruppe der Drei- bisSechsjährigen. Es ist daher davon auszugehen, dass insbesondere nicht berufstätigeMütter, die an einem Integrations-kurs – freiwillig oder verpflichtet – teilnehmen, für ihre Kinder keineandere Betreuungsmöglichkeit habenals die vom Bundesamt finanzierte.

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Leistungen nach dem SGB II. ImRahmen von Eingliederungsver-einbarungen kann die ARGE ihreKlientinnen und Klienten verpflichten,an einem Deutschkurs teilzunehmen,wenn der/die Case Manager/in derMeinung ist, dies fördere die Integra-tion in den Arbeitsmarkt.Bundesweit – von wenigen Ausnahmenabgesehen – erfolgt eine Verpflichtungüber die ARGE zur Teilnahme an einemIntegrationskurs noch in viel zu gerin-gem Umfang. Die Ursachen, warumdies auch in München der Fall war, liegen zum einen in der bereits beste-henden guten Infrastruktur sowie inden finanziellen Mitteln, welche dieARGE intern für die Sprachkurse auf-wenden konnte. 1.300 Personen wur-den in Sprachkurse vermittelt, vondenen eine nicht unerhebliche Anzahlauch über Integrationskurse hättenfinanziert werden können.Das Sozialreferat erhielt vom Stadtratden Auftrag, gemeinsam mit demBundesamt und den Sprachkursträgerndafür zu sorgen, dass die Integrations-kurse auch stärker von Migrantinnenund Migranten in ALG-II-Bezug in An-spruch genommen werden. Wie alledeutschen Städte muss auch Münchenden eigenen Haushalt ständig konsoli-dieren – und so ist der Posten dieserSprachkurse ins Augenmerk des Käm-merers geraten, der zu Recht eineEntlastung durch Bundesmittel ver-mutet. Es geht hier nicht um einenKahlschlag der städtisch finanziertenKurse, sondern um eine sinnvolleNutzung des vom Bund bereitgestell-ten Systems geförderter Sprachkurse. Das herkömmliche Antragsverfahrenzwischen Teilnehmer/in, ARGE undKreisverwaltungsbehörde ist jedochhöchst kompliziert.

LösungsansatzMit dem Bundesamt wurde vereinbart,dass alle von der ARGE in Kurse ver-mittelten Migrantinnen und Migrantendurch die Sprachkursanbieter an dasBundesamt weitergeleitet werden. Das Bundesamt prüft die Fälle und leitet die Entscheidungen an denTräger weiter. Damit ist sichergestellt,dass alle infrage kommenden Perso-nen die Integrationskurse des Bundes-amtes besuchen. Vonseiten des So-zialreferates bzw. der ARGE wurdevorgeschlagen, lediglich die nicht mit-wirkungsbereiten Personen durch dieARGE an die Kreisverwaltungsbehördezu melden, mit der Anregung, diese zueinem Integrationskurs zu verpflichten.Die auf diesem Weg von der ARGEvermittelten Personen besuchen spe-ziell für diese Zielgruppe entwickelteKurse. In diesen Kursen, die nach wievor von der Stadt subventioniert sind,lernen weniger Teilnehmer/innen proKlasse als in den Integrationskursen.Das Curriculum wurde speziell an derZielgruppe orientiert und die Stunden-vergütung der Lehrkräfte ist höher alsin herkömmlichen Kursen. An den Kur-sen nehmen auch solche Menschenteil, die bereits Sprachkurse absolvierthaben oder einen deutschen Pass be-sitzen. Die Kurse werden also misch-finanziert. Eine effektive Qualifizierung derMigrantinnen und Migranten erhöhtihre Chancen auf eine spätere Ver-mittlung in den Arbeitsmarkt. Hier sollten die Kommunen zu Investitionenbereit sein, da sich die zunächst zuerbringenden Kosten auf lange Sichtauszahlen. Nur durch Qualität könnenentsprechende Ergebnisse erzielt werden. Bisher stammt das Kursangebot vondrei Sprachkursanbietern. In der zwei-ten Jahreshälfte 2006 werden dieKurse erstmals frei ausgeschrieben,sodass sich dann beim Bundesamtzugelassene Sprachkursträger be-werben können.

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+ Die Reduzierung des Verwaltungs-aufwands ist dringend erforderlich.+ Anzustreben ist eine klare Trennung

zwischen Einzel- und Kursförderung. Die jetzige Mischform ist nicht zu-friedenstellend. Eine reine „Kurs-förderung“ würde den Verwaltungs-aufwand sowohl für das Bundesamt als auch für die Träger reduzieren. + Der Eigenbeitrag der Teilnehmer/in-

nen sollte überdacht werden. Insbe-sondere den zu einer Kursteilnahme verpflichteten Personen muss die Möglichkeit gegeben werden, den Kurs auch finanzieren zu können. Gerade wenn mehrere Familienmit-glieder oder Jugendliche an Kursen teilnehmen müssen, ist dies kaum machbar.

Beratung und Begleitung+ Für die Kinder der Teilnehmer/innen

ist eine sprachbegleitende und finanzierte Kinderbetreuung nötig. (Das Kinderbetreuungsgesetz sieht 1,30 Euro pro Kind vor, doch davon ist man gegenwärtig weit entfernt; hier könnten Verbundprojekte angedacht werden.)+ Innerhalb der Kurse muss die sozial-

pädagogische Betreuung und Bera-tung für Zielgruppen (Frauen und Jugendliche) – unabhängig von den MEB – wieder finanziert werden.+ Die Zahl der Teilnehmenden sollte

auf 15 Teilnehmer/innen bei ent-sprechender Vergütung beschränkt werden. Mit bis zu 25 Personen in den Kursen ist kein kommunikativer und differenzierter Unterricht mehr möglich. + Es muss die Möglichkeit zur stärke-

ren Differenzierung im Hinblick auf unterschiedliche Sprachniveaus der Teilnehmer/innen bestehen.+ Bislang sind die Zuschüsse für Kin-

derbetreuung auf reine Frauenkurse beschränkt – doch auch Männer mit zu betreuenden Kindern nehmen an Kursen teil. Diese Beschränkung ist nicht mit Genderrichtlinien vereinbar und muss überdacht werden.

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§§Beratung von EU-Bürgerinnen undEU-Bürgern

In München trat die Frage auf, inwie-weit auch EU-Bürger/innen durch Mig-rationserstberatungen zu betreuensind. Aus Sicht der Landeshauptstadtsollte dies selbstverständlich der Fallsein. Dieser Position schloss sich dasBundesamt an.

Forderungen der Arbeitsgruppe„Sprache“

Im Vorfeld dieser Tagung trafen sich in der politischen Akademie in TutzingVertreter/innen von Integrationskurs-anbietern, Migrationserstberatungen,städtischen Referaten sowie Regional-koordinatorinnen und -koordinatoren,um aus ihrer jeweiligen Sicht ein lokales Resümee der Integrations-kurse zu ziehen. Die Ergebnisse sindim Folgenden kurz zusammengefasst:

Finanzierung+ Da die vom Bundesamt gesteckten

Ziele mit 600 Unterrichtsstunden nicht zu erreichen sind, sollte das Stundenkontingent erhöht werden. + Der nach wie vor geltende und

(gerade angesichts des erhöhten Verwaltungsaufwands) als zu gering erachtete Satz von 2,05 Euro pro Unterrichtseinheit und Teilnehmer/in sollte aufgestockt werden.+ Für Lehrkräfte sollte ein Mindest-

honorar festgelegt werden.+ Lehrkräfte sollten einen Anspruch

auf finanzierte Fortbildungen haben. + Kosten sollten auch lokale Beson-

derheiten (etwa extrem hohe Miet-kosten in Städten wie München) berücksichtigen. + Bei der Auswahl der Lehrkräfte

sollte neben einer einschlägigen Studienqualifikation auch die bis-herige Berufspraxis berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten zur Nachqualifi-zierung verbessert werden. + In der Kostenkalkulation des Bundes-

amtes müssten auch die Verwal-tungs- und Infrastrukturkosten berücksichtigt werden.

Fachtagung: Bilanz München

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Zertifizierung+ Es sind differenziertere Abschlüsse

je nach Lernprogression nötig (zum Beispiel für Menschen, die an Alpha-betisierungskursen teilnehmen).

Konzeption+ Für die Vermittlung von Deutsch-

kenntnissen an Menschen mit un-gesteuertem Spracherwerb müssenneue Methoden entwickelt werden.+ Zumindest bei Alphabetisierungs-

kursen, Jugendkursen (hier auch im Hinblick auf berufliche Qualifizierung)und Kursen mit lernungewohnten Menschen ist eine Erhöhung des Stundenkontingents erforderlich (eventuell „Umschichtung“ von Stunden, die schneller Lernende nicht brauchen).+ Für Statusdeutsche sowie Altzu-

wanderinnen und Altzuwanderer sollte ein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an den Kursen verankert werden.

DISKUSSION

Frage:

Sie sagten, in den bisherigen Sprach-kursen habe es durchgehende sozial-pädagogische Begleitung gegeben.Sie sprechen hier über die Sprach-kurse des Sprachverbandes – dochauch in diesen Kursen fand dieBetreuung nur stundenweise statt. So schlecht ist also ein Umstieg vonder bisherigen sozialpädagogischenBegleitung auf die flächendeckendeMigrationserstberatung nicht. Natürlichmuss überlegt werden, wie die Migra-tionserstberatung besser mit den zahl-reichen Integrationskursanbietern verzahnt werden kann. Diesbezüglichfinden auf Landesebene Gesprächemit den Wohlfahrtsverbänden statt.

Ich möchte noch einmal auf die vonder Stadt angebotenen zusätzlichenLeistungen eingehen, und zwar zumeinen im Hinblick auf die 1,9 MillionenEuro, die insbesondere für Sprachkurseaufgewendet wurden. Sie berichten,dass diese Gelder sukzessive zurück-gefahren werden, weil man versuchenmöchte, stärker die Finanzierung desBundes über die ARGE zu nutzen.Doch auch landesweit sollte die ARGEin größerem Ausmaß Verpflichtungenaussprechen.

Des Weiteren zu den „Mama lerntDeutsch“-Kursen. Laut Ihren Aus-führungen hat das Bundesamt offen-sichtlich die Durchführung solcherniedrigschwelliger Angebote, die (be-züglich des Abschlusses, der Stunden-zahl etc.) nicht den normalen Integra-tionskursen entsprechen, akzeptiert.Dies wäre zu begrüßen, weil es hiereinen großen Bedarf gibt. Trifft esdenn wirklich zu?

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Antwort:

Zwar war auch zu „Sprachverbands-zeiten“ keine hundertprozentigesozialpädagogische Betreuung möglich, aber zumindest konnte eine Vor-Ort-Betreuung zu rund 20 Prozent gewährleistet werden.Darin besteht der wesentlicheUnterschied zur jetzigen Situation.

Frage an Aykut:

Wird in den Kursen „Mama lerntDeutsch“ und „Schule mal anders“nach dem normalen Lehrwerk unter-richtet, das auch in den Integrations-kursen zur Anwendung kommt?Arbeitet man in diesen Kursen auchauf den Abschluss B1 hin oder liegthier ein anderes Curriculum zugrunde?

Antwort:

Natürlich wird mit den vorgeschriebe-nen Lehrwerken gearbeitet und dasZiel ist tatsächlich B1 – allerdings miteiner langsamen Progression. Es istvon vornherein klar, dass die Teilneh-mer/innen in 600 Stunden den Ab-schluss B1 nicht erreichen werden.

Frage:

Inhaltlich unterscheiden sich dieseKurse also nicht von „normalen“Integrationskursen?

Antwort:

Selbstverständlich wird versucht, auchinhaltlich auf Frauen einzugehen, dochwir würden uns wünschen, wiederwesentlich stärker zielgruppenspezi-fisch arbeiten zu können.

21

§§Antwort:

Ja. Noch ein Wort zu den finanziellenMitteln: Es geht tatsächlich um eineRückführung der Gelder, nicht umeinen Kahlschlag – sie sollen nichtkomplett gestrichen, aber doch umeinen erheblichen Teil gekürzt werden.Die dann noch verbleibenden Mittelsollen in weitere flankierende Sprach-maßnahmen fließen.

Frage:

Es geht um die sozialpädagogischeBetreuung bei Jugendkursen. In Zu-sammenarbeit mit Jugendmigrations-diensten werden bei uns zwei Integ-rationskurse, ein Modellprojekt undein berufsförderndes Zusatzangebotdurchgeführt. Derzeit nehmen mehrals 30 Jugendliche an den Maßnahmenteil. Das Problem: Der Migrationsdienstist nicht vor Ort, sondern betreibt inerster Linie Case Management, wievom Konzept vorgesehen – die Kolle-ginnen und Kollegen machen das auchsehr gut. Doch wir haben Jugendlichezwischen 15 und 18 Jahren mit Mig-rationshintergrund und den entspre-chenden Problemen im Haus – ohneSozialpädagoginnen oder Sozialpäda-gogen vor Ort ist damit die Arbeitunmöglich. So haben wir ja beispiels-weise eine Aufsichtspflicht inne: Werübernimmt die Pausenaufsicht? Mitdiesen Problemen kämpfen wir täglich.Wer solche Situationen kennt, weiß,dass dann nicht gewartet werden kann,bis ein Migrationsdienst vor Ort ist. Unsere ehemaligen Standards könnenwir unter keinen Umständen halten.Immerhin können wir noch Mindest-standards halten, weil unsere fest an-gestellten Mitarbeiter/innen die Arbeitzusätzlich übernehmen. Doch aufDauer ist dies nicht tragbar. Derzeitfindet eine Diskussion darüber statt,ob die Jugendintegrationskurse unterdiesen Bedingungen überhaupt durch-geführt werden können. Der/die sozial-pädagogische Betreuer/in muss fest inden Unterrichtsalltag integriert sein.

Fachtagung: Bilanz München

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Frage:

Ich bin vom Caritasverband, ein An-bieter von Migrationserstberatung und als solcher derzeit oft mit demVorwurf konfrontiert, dass das Systemnicht funktioniert, weil die Migrations-erstberatungen nicht vor Ort sind.Doch es besteht – auch vonseiten der anderen Verbände – durchaus dieBereitschaft, Sprechstunden anzubietenund sich vor Ort aufzuhalten. Allerdingsmüssten die Sprachkursträger Räumezur Verfügung stellen. Es wäre dochbeispielsweise möglich, nach demIntegrationskurs eine halbstündigeSprechstunde anzubieten. UnsereKapazitäten sind aber eben nicht so groß, dass wir ständig vor Ortanwesend sein könnten. Übrigens weist das neue System durch-aus auch einen Vorteil gegenüber demalten System auf: Es hat zwar früherim Rahmen der Kurse eine sozialpäda-gogische Betreuung gegeben, dochwar diese mit Beendigung des Kursesdurch den/die Sprachlernende/n eben-falls beendet. Doch erfahrungsgemäßtauchen viele Probleme erst dann auf,wenn die Menschen den Sprachkursbeendet haben. Anfangs ist alles neu– es gibt viele Fragen und im Kurs dieentsprechenden Antworten. Doch mitdem Kursende fallen auch die An-sprechpartner/innen weg. Im Gegen-satz dazu ist die jetzige Migrations-erstberatung auf drei Jahre angelegt.

Es wäre also durchaus sinnvoll, eineAnlaufstelle für die Migrationserst-beratung zu schaffen. Doch es musseine gemeinsame Lösung entwickeltwerden; zum Beispiel könnte zu einembestimmten festen Zeitpunkt eineBeraterin oder ein Berater vor Ortsein. Doch dazu müssen die Sprach-kursträger den Bedarf zunächst konkretisieren.

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§Fachtagung: Bilanz Stuttgart

§ + Integrationskurse

Statistik 2005

Im Jahr 2005 haben in Stuttgart 99Bundes-Integrationskurse begonnen,davon sieben Jugendkurse, siebenFrauen-Integrationskurse und fünfAlphabetisierungskurse. Nur siebenKurse wurden mit Kinderbetreuungangeboten.Insgesamt haben im Jahr 2005 rund2.000 Personen an den Integrations-kursen in Stuttgart teilgenommen. Derzeit sind für Stuttgart 19 Sprach-kursträger vom Bundesamt zugelassen.

Positive Aspekte

Heterogene Teilnehmergruppen Ausländer/innen und Aussiedler/innenwerden gemeinsam unterrichtet, nicht wie früher in separierendenProgrammen (Garantiefonds, SGB-III-Kurse, BAMF, Sprachverband).Einziges Kriterium für die Zusammen-setzung der Klasse ist das Sprach- und Bildungsniveau. Diese sprachlichheterogenen Teilnehmergruppen wirken sich fördernd auf das Lern-klima aus.

Einheitliche Kursmodule Das modular aufgebaute Kurssystemermöglicht bei Bedarf einen Wechselder Teilnehmer/innen (Arbeitsaufnahme,Wohnortwechsel, Progression im Kurszu langsam oder zu schnell etc.).

Außenstellen des Bundesamtes fürMigration und FlüchtlingeDie Außenstellen des Bundesamtesbieten den Sprachkursträgern guteUnterstützung vor Ort. Die Zusammen-arbeit mit der für Stuttgart zuständigenAußenstelle in Reutlingen ist sehrpositiv zu bewerten.

Martha Aykut, Stabsstelle des Ober-bürgermeisters der LandeshauptstadtStuttgart, Abteilung Integrationspolitik

VORTRAG

+ Sprachförderung in Stuttgart: Das

„Stuttgarter Modell“

Die Förderung der Chancengleichheitdurch Sprach- und Integrationskurseist ein zentrales Handlungsfeld imIntegrationskonzept der Landeshaupt-stadt Stuttgart. Der Stabsstelle desOberbürgermeisters, Abteilung Integ-rationspolitik, obliegt die Entwicklungeines Gesamtsprachkonzepts, dieKoordination des KooperationsnetzesIntegrationskurse und die Berichter-stattung gegenüber dem Gemeinderat.Sie setzt sich für die Optimierung derBundeskurse ein, zeigt Lücken imFördersystem von Land und Bund aufund sorgt für ergänzende kommunaleAngebote, wie stadtteilorientierte, niederschwellige Alphabetisierungs-und Deutschkurse sowie „Mama lernt Deutsch“-Kurse an den Schulen.

Bilanz aus Sicht derLandeshauptstadt Stuttgart

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Aspekte mit Nachbesserungsbedarf

Bedarf einer koordinierenden Stellein der KommuneDas Bundesamt geht von der Vor-stellung aus, dass sich die Migrantinnenund Migranten selbst zurechtfindenund es ausreicht, wenn ihnen von derAusländerbehörde eine Liste aller zu-gelassenen Kursträger ausgehändigtwird. Die Erfahrung zeigt jedoch, dassinsbesondere bildungsferne Menschendamit alleine nicht zurechtkommen:Sie stehen zunächst orientierungslosvor der Vielzahl von Kursangebotenund benötigen Hilfestellung beimFinden des richtigen Kurses. Die Aus-länderbehörde selbst kann jedochkeine differenzierte Beratung leisten –sie hat weder die Zeit dafür noch dasPersonal mit dem entsprechendenfachlichen Know-how. Zudem geht das jetzige System davonaus, dass der freie Markt alles regelt:Wie viele Sprachkursträger Kurse an-bieten, an welchen Standorten, fürwelche Zielgruppen. Dies führt zueiner unübersichtlichen Träger- undKurslandschaft: Ständig kommen neue Träger hinzu, andere scheidenwieder aus, manche sind zwar zuge-lassen, bieten jedoch keine Kurse an.Um die Umsetzung der Integrations-kurse zu unterstützen, wurde in Stutt-gart bereits Ende 2004 das Koope-rationsnetz Integrationskurseaufgebaut. Unter Federführung derAbteilung Integrationspolitik wurdenmittlerweile gute Strukturen für dieKooperation zwischen Ausländer-behörde, Sozialamt, Migrationserst-beratung (MEB), Sprachkursträgern,Bundesamt und ARGE geschaffen.Das Kooperationsnetz trifft sich regel-mäßig im zweimonatigen Abstand imRathaus.Die Träger der MEB haben sich unter-einander verständigt, wer die Betreu-ung welches zugelassenen Sprach-kursträgers übernimmt. Jeder Trägerhat einen MEB-Partner, mit dem er die Kooperationsstrukturen selbst vereinbart. Dabei bieten die MEBregelmäßige Sprechstunden beimTräger oder Besuche nach Bedarf an.

Beratung aller Migrantinnen undMigrantenEin wichtiges Anliegen der StuttgarterIntegrationspolitik ist es, die Integra-tionschancen dadurch zu verbessern,dass die Zuwanderinnen und Zuwan-derer einen schnellen Zugang zu individuell abgestimmten Integrations-angeboten erhalten. Daher wurde imApril 2005 die Erstberatungs- undClearingstelle eingerichtet, einKooperationsmodell zwischen denTrägern der freien Wohlfahrtspflegeund dem Sozialamt der Stadt Stuttgart.Diese zentrale Anlaufstelle ist imSozialamt in unmittelbarer Nähe zurAusländerbehörde untergebracht.Durch diese beispielhafte Zusammen-arbeit können wir in Stuttgart allenMigrantinnen und Migranten, seienes Neuzuwanderinnen und Neuzu-wanderer oder bereits länger hierlebende Migrantinnen und Migranten,eine Beratung zu den Integrations-kursen anbieten.Der Bund stellt mit der Finanzierungder Migrationserstberatung Neuzu-wanderinnen und Neuzuwanderern einumfassendes Beratungsangebot zurVerfügung. In der Erstberatungsstellesind abwechselnd verschiedene Mit-arbeiter/innen der freien Träger, insge-samt im Umfang einer Personalstelle,tätig. Sie bieten vorrangig Neuzuwan-derinnen und Neuzuwanderern eineOrientierungshilfe an, bei Bedarf auchein weiterführendes Beratungsangebotim Rahmen der MEB. Allerdings haben wir festgestellt, dassauch bereits länger hier lebende Mig-rantinnen und Migranten einen Bera-tungsbedarf aufweisen, insbesonderedie arbeitslosen unter ihnen. Daherübernehmen Mitarbeiter/innen desSozialamtes mit zwei Stellenanteilenin der Clearingstelle diese Aufgabe.

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§§Sie sorgen für die Transparenz desKursangebotes, indem sie folgendeInformationen ermitteln und für dieVermittlungstätigkeit – auch der Erst-beratungsstelle – vorhalten: + Wann starten wo welche Kurse

oder Kursmodule? + Wie sehen die Profile der Sprach-

kursträger aus? + Gibt es in den Kursen noch freie

Plätze?Darüber hinaus berät die Clearingstelleselbst bereits länger in Deutschlandlebende Migrantinnen und Migrantensowie EU-Angehörige im Hinblick aufpassende Integrationskurse. Seit dem01.01.2005 können Ausländer/innenmit schlechten Deutschkenntnissen,die Arbeitslosengeld II beziehen, aufAnregung der JobCenter von der Aus-länderbehörde zum Besuch eines Integ-rationskurses verpflichtet werden. InStuttgart übernimmt dabei die Clearing-stelle für das dezentral organisierteJobCenter Stuttgart mit seinen 23Dienststellen die Anregung bei derAusländerbehörde, hierfür notwendigeSprachstandstests und sonstige For-malitäten. Dies erleichtert Migrantinnenund Migranten den Zugang zu denIntegrationskursangeboten und führt zueiner deutlichen Entlastung des Job-Centers sowie der Ausländerbehörde.

Kooperation mit ARGEDie JobCenter-Dienststellen waren2005 bis ins zweite Halbjahr hineinausschließlich durch die Leistungs-gewährung in Anspruch genommen.Nach diesen Anfangsschwierigkeitengestaltet sich die Kooperation nunrecht positiv. Die Mitarbeiter/innen der Clearingstelle und der AbteilungIntegrationspolitik besuchen bei Be-darf die Außenstellen der JobCenterund informieren die persönlichen Ansprechpartner/innen über die Neuregelung der Sprachförderung.Insgesamt konnten im Jahr 2005 183 Verpflichtungen zum Besucheines Integrationskurses auf Anregungder JobCenter veranlasst werden.Die Fahrtkostenübernahme fürArbeitslosengeld-II-Bezieher/innen ist bisher auf Bundesebene nicht geregelt – doch man kann nichtMenschen zur Kursteilnahme ver-pflichten, ohne für ihre Fahrtkostenaufzukommen. In Stuttgart wurde mit den JobCentern vereinbart, dasssie für den Zeitraum 2005/2006 dieFahrtkosten der verpflichteten Teil-nehmer/innen übernehmen.Schon relativ früh erstellte die ARGEStuttgart ein Konzept zu den Einglie-derungsleistungen für Migrantinnenund Migranten. Auf Anregung desKooperationsnetzes Integrationskursefinanziert die ARGE Stuttgart aus demEtat der Eingliederungsleistungen Aufbaukurse für Jugendliche. DieseKurse werden im Anschluss an denIntegrationskurs angeboten und dienen der Vorbereitung auf einenHauptschulabschlusskurs oder eineBerufsausbildung.

Fachtagung: Bilanz Stuttgart

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Mangelhafte Finanzierung derKurse (2,05 Euro pro Unterrichts-einheit und Teilnehmer/in)Bis Ende 2004 gab es für die Kursträgerdie verbindliche Vorgabe (Sprachver-bands-, Bundesamtskurse), ein Lehr-kräftehonorar von 23 Euro zu bezahlen.Im Zuge der Neuregelung der Sprach-förderung wurde dieser Passus ersatz-los gestrichen. Nun führt der Kosten-druck bei den Sprachkursträgern zunehmend zu sinkenden Kurslei-terhonoraren. Es ist äußerst fraglich,wie die Qualität des Unterrichts aufDauer sichergestellt werden soll.Um kostendeckend arbeiten zu kön-nen, müssen die Träger über hoheTeilnahmezahlen verfügen und dem-entsprechend große Klassen bilden. In der Regel werden die Kurse mit 18 bis 20 Teilnehmerinnen und Teil-nehmern durchgeführt, nicht seltensogar mit bis zu 25. Insbesondere fürlernungewohnte Personen ist ein ver-nünftiges Lernen bei einer solchenGruppengröße nicht möglich, denneine Sprache lernt man bekanntlicham besten, wenn man möglichst vielGelegenheit zum Sprechen hat. Dochin einer 45-minütigen Unterrichtsstundekommt bei 20 Teilnehmerinnen undTeilnehmern jede/r gerade mal zweiMinuten zu Wort; der Lehrkraft stehendann nur noch fünf Minuten für Er-klärungen zur Verfügung.

Bedarf an weiteren, auch dezentralen KursstandortenIn Stuttgart werden die Integrations-kurse überwiegend in der Stadtmitteangeboten; in den Außenbezirkenkommen kaum Kurse zustande. Zumeinen finden sich oft nicht 20 bis 25Teilnehmer/innen, zum anderen ist für die Träger der hohe bürokratischeAufwand nur an zentralen Kursstand-orten zu bewältigen.

Ungenügende Rahmenbedingungenfür Frauenkurse Im Rahmen eines Modellprojekts desLandes Baden-Württemberg wurdenvon 2001 bis 2004 Integrationskursein Stuttgart durchgeführt. Die Kursewaren stadtteilorientiert und konntenin nahezu jedem Stadtbezirk angebotenwerden. Die Finanzierung der Kursewar so ausgelegt, dass nur zehn bis15 Teilnehmer/innen pro Kurs auf-genommen werden mussten. Von den 50 Kursen im Jahr 2004 wurdeetwa die Hälfte mit Kinderbetreuungangeboten. Mit diesem Modellprojekterreichten wir vor allem bildungsferneMigrantinnen und Migranten gut; zweiDrittel davon waren der nachholendenIntegration zuzurechnen, der Frauen-anteil in den Kursen betrug 80 Prozent.Bei den Bundesamtskursen erreichenwir bereits länger in Deutschland le-bende Frauen mit Kleinkindern nichtim gewünschten Ausmaß. Der Auf-wand und die Kosten für die Fahrt zueinem entfernten Kursort mit einemKleinkind sind vielen zu hoch. Stadt-teilorientierung ist aber in diesemSystem nicht vorgesehen. Zudem gibtes kaum Kurse mit Kinderbetreuung(nur in sieben von 99 Kursen), da essich für die Träger nicht lohnt, dieseeinzurichten: Für sie bedeutet es zu-sätzlichen Aufwand und sie erhaltenkeine Kostenerstattung für Organi-sation und Räume; lediglich das Honorar für die Betreuungspersonwird erstattet.

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§§Ungenügende Rahmenbedingungenfür AlphabetisierungskurseAlphabetisierung kann bei einerKlassengröße von bis zu 25 Teilneh-merinnen und Teilnehmern nicht sinnvoll stattfinden – die Gruppen-größe muss dringend reduziert unddie Finanzierung verbessert werden.Außerdem benötigen Analphabetinnenund Analphabeten mehr Stunden(das B1-Niveau ist für sie mit 630Stunden (600 Stunden Sprachkurs +30 Stunden Orientierungskurs) nichtzu erreichen). Sinnvoll erscheint unsfür die Alphabetisierung ein (zusätz-liches) Vorschalten von mindestens 300 Unterrichtsstunden vor den ei-gentlichen Integrationskurs.

Bedarf an Aufbaukursen fürJugendlicheAuch für Jugendliche ist die vorge-gebene Stundenzahl von 630 Unter-richtsstunden nicht ausreichend. Sieerhalten durch die Integrationskurselediglich ein Basisangebot, das jedochnicht die Voraussetzungen zur Auf-nahme einer Berufsausbildung schafft.Das angestrebte Sprachniveau B1genügt nicht zur Eingliederung in denArbeitsmarkt.

Enormer bürokratischer AufwandDas Hauptproblem der Sprachkurs-träger liegt in der bürokratischen undaufwendigen Abwicklung der Integra-tionskurse. Die Stuttgarter Trägergehen bei einem Kurs mit 630 Unter-richtseinheiten bei 20 Teilnehmerinnenund Teilnehmern von einem Verwal-tungsaufwand von 105 Stunden aus(= 3045 Euro Verwaltungskosten proTräger und Kurs). Erstattet werdenden Sprachkursträgern sieben Europro Teilnehmer/in (= 140 Euro bei 20Teilnehmenden). Das umständlicheVerfahren der Teilnehmerzulassungbehindert immer wieder den Beginnvon Kursen. Kursmeldungen undZulassungsverfahren sollten dringendvereinfacht und die vielen Formulareauf ihren tatsächlichen Nutzwert überprüft werden.

FazitErforderlich sind vor allem+ realistischere Rahmenbedingungen,+ weniger Bürokratie,+ eine stärkere Einbindung der

Kommunen und+ die Anerkennung der Kommunen

als kompetente Partner.

DISKUSSION

Nach dem Vortrag gab es keineFragen.

Fachtagung: Bilanz Stuttgart

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§

§§

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Bilanz aus Sicht der Stadt Nürnberg

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Dr. Ursula Brock, Stadt Nürnberg

VORTRAG

Nürnberg weist – wie die meistendeutschen Städte – eine lange Ge-schichte der Migration auf. Schon in seiner Blütezeit profitierte es vonder Zuwanderung, aber auch von langjährigen Auslandsaufenthalten seiner Bürgerinnen und Bürger, die frischen Wind, zusätzliche Kompe-tenzen und neue Gedanken in dieStadt brachten. So hatten auch einigeder berühmtesten Nürnberger Migra-tionserfahrung: Albrecht Dürers Vaterwar aus Ungarn eingewandert, VeitStoß lebte lange Zeit seines Lebens in Krakau, Konrad Celtis starb in Wien.Reger Handel mit vielen europäischenGroßstädten, etwa Venedig, Prag und Straßburg, ließen Nürnberg nichtnur in wirtschaftlicher Hinsicht vom„Fremden“ profitieren. Der ständigeAustausch mit „anderen Kulturen“öffnete den Blick der Stadt über deneigenen Tellerrand hinaus und trug zuihrer Kreativität und ihrem Erfolg bei. Auch heute ist Nürnberg eine Stadt,für die Einwanderung Gewinn bedeu-tet. Dabei geht es nicht nur um dieSicherung des demografischen Gleich-gewichts, sondern ganz besondersum die vielfältigen und weitreichendenPotenziale, die Zuwanderinnen undZuwanderer mitbringen.

In der Stadt Nürnberg leben derzeitrund 500.000 Menschen aus 162Nationen, davon haben 18 Prozent keinen deutschen Pass. In den letztenJahren sind etwa 40.000 Spätaussied-ler/innen in die Stadt gezogen, die zwareinen deutschen Pass besitzen, derenMigrationshintergrund aber von derMehrheitsgesellschaft häufig deutlichwahrgenommen wird. Dazu kommennoch viele „Gastarbeiterfamilien“, dienun bereits in der vierten Generation inder Stadt leben und arbeiten und ihrenBeitrag zu einer bunten Stadtgesell-schaft leisten. Fasst man all dieseGruppen zusammen und zählt nochdie Ehegattinnen und -gatten nicht-deutscher Herkunft dazu, erreichen wireinen geschätzten Anteil von mehr als40 Prozent Nürnbergerinnen undNürnbergern mit Migrationshintergrund.Wir brauchen diese Menschen undihre Potenziale. Daher ist es uns einAnliegen, ihnen alle Chancen zu öffnen, die eine Kommune bietenkann.

Die Stadt Nürnberg hat im Jahr 2002die Kommission für Integration insLeben gerufen, die von Verwaltungs-seite von der Koordinierungsgruppefür Integration unterstützt wird. DieKoordinierungsgruppe hat die Aufgabe,das Integrationsprogramm der StadtNürnberg zu entwickeln und zu imple-mentieren. 2004 wurden von dieserGruppe formulierte Leitlinien zur Integration vom Stadtrat beschlossen.Diese Leitlinien dienen als Grundlagesowohl für den innerstädtischenDiskurs als auch für Politik undVerwaltungshandeln.

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§Fachtagung: Bilanz Nürnberg

§Ein wichtiger Bestandteil der frühenFörderung ist das Elternempower-ment. Die Kinder brauchen die Unter-stützung ihrer Eltern und ihrer Familien,um einen erfolgreichen Start ins Lebenzu haben. Niemand wird heute mehrernsthaft das alte Vorurteil vertreten,Eltern mit Migrationshintergrund hätten weder Zeit noch Interesse ander (Aus-)Bildung ihrer Kinder. Aucheine im Jahr 2005 vom BeruflichenQualifizierungsnetzwerk Nürnberg-Fürth-Erlangen (BQN) herausgegebeneStudie hat bestätigt, dass gerade diesen Eltern besonders viel an einerguten und fundierten (Aus-)Bildungihrer Kinder liegt. Dennoch ist es fürviele Eltern mit Migrationshintergrundnicht leicht, am Alltag ihrer Kinder inKindertagesstätten und Schulen teil-zuhaben oder sich dort gar zum Wohleihrer Kinder zu engagieren. Vermeint-liche oder reale Sprachbarrieren blo-ckieren den Willen zur Partizipationund wirken sich negativ auf den Erfolgder Kinder aus. Neben bewährten Maß-nahmen wie „Mama lernt Deutsch imKindergarten“, „Mama lernt Deutsch inder Schule“, „Hippy“, „Opstapje“ oder„Parents as Teachers“ sehen wir dieIntegrationskurse als einen wichtigenBeitrag seitens des Bundes zum Eltern-empowerment und zur ökonomischenStabilisierung der Familien, von deneneine hohe Zahl an oder unter derArmutsgrenze lebt, weil ihnen derZugang zur Erwerbstätigkeit verwehrtbleibt.

Die Stadt Nürnberg ist sich bewusst,dass nicht nur das in der Präambel der Leitlinien formulierte Ziel des fried-lichen Zusammenlebens in der Stadtgrundlegender Antrieb aller Bemü-hungen um Integration ist, sondernauch die Chancen, die eine vielfältigeStadtgesellschaft birgt. Die Koordi-nierungsgruppe für Integration widmetsich insbesondere der Chancengleich-heit im Bildungssystem, die zugege-benermaßen noch lange nicht gewähr-leistet ist. Eine aktuelle Erhebung ausdem Jahr 2006 zeigt, dass Menschenmit Migrationshintergrund trotz vielerBemühungen im Bildungssystem nochimmer nicht gleichberechtigt sind unddass ihnen der Zugang zum Arbeits-markt nicht in gleichem Maße offensteht wie den anderen Nürnbergerinnenund Nürnbergern.

In der Stadt ist derzeit ein Paradigmen-wechsel zu beobachten: Der Schwer-punkt der Bildungspolitik wandert vom „Krisenmanagement“, also derkompensatorischen Unterstützungnach einer missglückten Bildungs-karriere und/oder Schwierigkeitenbeim Eintritt in den Arbeitsmarkt, hinzu frühkindlicher und vorschulischerFörderung, also einem präventivenAnsatz, der zu einer raschen Integrationin das Regelsystem führen soll. DieserWechsel ist nicht nur aus finanziellenGründen notwendig – wenngleich derfrühzeitige Einsatz von Mitteln lang-fristig kostengünstiger sein wird. Derpräventive Ansatz führt auch dazu,dass alle Kinder zusammen im Schul-alltag lernen, spielen und sich dabeikennen und schätzen lernen können.Dies scheint ein wichtiger Beitrag zurNormalität der Vielfalt zu sein.

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Die Stadt Nürnberg hat daher beschlos-sen, vielen Menschen einen einfachenZugang zu den Integrationskursen an-zubieten und auch – im Rahmen ihrerMöglichkeiten – eine Qualitätssiche-rung anzustreben.

Das Bildungszentrum der Stadt Nürn-berg – die kommunale Volkshochschuleund damit ein wichtiger städtischerBildungsträger – hat im Dezember2004 in enger Absprache mit der Aus-länderbehörde und auch mit deren tatkräftiger Unterstützung alle in derStadt zugelassenen Sprachkursträgereingeladen und ein Trägernetzwerkinitiiert. Alle Träger haben Interesse an einer Kooperation gezeigt undschon vor dem Inkrafttreten desZuwanderungsgesetzes Rahmenver-einbarungen unterzeichnet, in denenZiele und Richtlinien des Netzwerksfestgelegt sind.Das Bildungszentrum hat sich – als vormals größter Anbieter von Deutsch-kursen – verpflichtet, selbst keine Integrationskurse anzubieten, dafüraber das Netzwerk zu managen.Im Frühjahr 2005 stellte das Bildungs-zentrum im Namen der Stadt Nürnbergden Verbänden, die die Migrations-erstberatung durchführen, ein Büro in dem Gebäude zur Verfügung, indem auch die Koordinationsstelle fürIntegrationskurse untergebracht ist.Die räumliche Nähe führt nicht nur zu einer intensiven Zusammenarbeitder beiden Stellen, sondern auch zukurzen, niederschwelligen Wegen fürdie Kursteilnehmer/innen. Im April2005 konnte die Zentrale Anlaufstellefür Migranten (ZAM) – also der Zu-sammenschluss von Koordinations-stelle und Migrationserstberatung –von Innenminister Dr. Beckstein derÖffentlichkeit vorgestellt werden.

Das Bundesamt für Migration undFlüchtlinge, das Bundesverwaltungs-amt und die Ausländerbehörde derStadt Nürnberg, also all jene Institu-tionen, die zur Teilnahme an einemIntegrationskurs berechtigen oder verpflichten können, „schicken“ dieTeilnehmerinnen und Teilnehmer be-reits mit Zuteilung der Berechtigungoder Verpflichtung zur ZentralenAnlaufstelle. Dort absolvieren alle Teilnehmer/innenden standardisierten Einstufungstest.Schon zu diesem Zeitpunkt haben sie Gelegenheit, zur Migrationserst-beratung Kontakt aufzunehmen. Nachdem Einstufungstest werden die Teilnehmer/innen informiert, welcherTräger wann und wo einen für sie passenden Kurs anbietet. DiesesVorgehen hat sich mehr als bewährt,erspart es doch den Teilnehmerinnenund Teilnehmern langes Herumirren in der Stadt auf der Suche nach einemTräger und lange Wartezeiten auf denKursbeginn. Die Träger wiederum umgehen das mitunter mühevolle„Teilnehmersammeln“. So wird dieBereitstellung eines bedarfsgerechtenAngebotes ermöglicht. Bei den vonder Koordinationsstelle organisiertenNetzwerktreffen, an denen auch die Regionalkoordinatorinnen und -koordinatoren sowie die Ausländer-behörde teilnehmen, werden zu-sätzliche Kursangebote aufeinander abgestimmt und gegebenenfalls Teilnehmer/innen „getauscht“.

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§Fachtagung: Bilanz Nürnberg

§Alle Teilnehmer/innen legen, nachdemsie bei den verschiedenen Trägern dieIntegrationskurse besucht haben, beider ZAM die B1-Prüfung und eineneinheitlichen schriftlichen Abschluss-test der Orientierungskurse ab. Auchhier hat sich die räumliche Nähe zurMigrationserstberatung bewährt, dasich die Absolventinnen und Absol-venten so über weitere Integrations-maßnahmen informieren können.Neben dem Standardangebot an vomGesetzgeber vorgesehenen Prüfungenbietet die Koordinationsstelle weitereQualifizierungsmöglichkeiten an, bei-spielsweise das Zertifikat „Deutschfür den Beruf“.

Es hat sich gezeigt, dass die ZAMnicht nur von vielen Teilnehmerinnenund Teilnehmern als Anlaufstelle beieiner Vielzahl unterschiedlichsterProbleme aufgesucht wird, zumBeispiel bei Unzufriedenheit mit derQualität eines Integrationskurses,einem gewünschten Trägerwechseletc., sondern dass sie auch von denzugelassenen Trägern als Informations-quelle, Hilfe stellende und beratendeStelle frequentiert wird. Die ZAM istsomit zu einem Knotenpunkt zwischenTeilnehmerinnen und Teilnehmern,Trägern und Behörden geworden. Für das Jahr 2006 ist neben der Lehr-kräftequalifizierung sowie der Fort- und Weiterbildung der Kursleiter/innenauch ein flankierendes Angebot fürTeilnehmer/innen geplant: Prüfungs-vorbereitung, ergänzende Angebotesowie Maßnahmen, die den Integra-tionskursen nachgeschaltet werdenkönnen. Auch ein kulturelles Angebot,zum Beispiel Ausstellungen, ist vor-gesehen.

Für all diese Leistungen hat die StadtNürnberg eine Vollzeitstelle und eineTeilzeit-Verwaltungsstelle zur Verfü-gung gestellt. Die Stadt unterstützt die Arbeit der ZAM in hohem Maßeund die enge Kooperation mit anderenReferaten und Dienststellen der Stadt-verwaltung trägt zu deren Etablierungund Erfolg bei.

Selbstverständlich kann ein Rück-blick auf das erste Jahr der ZAM nicht nur positiv sein. Wie alle neuenProjekte musste sich auch die ZAMAnfangsschwierigkeiten, steinigenWegstrecken und alltäglichem Wahn-sinn stellen. So haben die Vielzahl der zugelassenen Träger, die Mengeder neuen Bestimmungen und ins-besondere die vielen „Sonderfälle“,der hohe Verwaltungsaufwand, dersich schon allein durch die Formular-flut ergibt, die unangemessene Ver-gütung für die B1-Prüfungen und dieanfangs nicht unproblematische, weilneue und ungewohnte Kooperationzwischen Trägern und Behörden immer wieder zu Verwirrung, Verärgerungund Reibungen geführt, was wiede-rum eine hohe Belastung der Mitar-beiter/innen der ZAM mit sich bringt. Dennoch ziehen wir nach dem erstenJahr eigentlich ganz zufrieden Bilanz:2.581 Einstufungstests, die Vermittlungvon 2.043 Teilnehmerinnen und Teil-nehmern in 128 Kurse und schon imersten Jahr 140 Absolventinnen undAbsolventen der B1-Prüfung mit einerErfolgsquote von 76 Prozent. Dazueine breite Akzeptanz bei allen Betei-ligten, ein funktionierendes Koopera-tionsmodell zwischen Koordinations-stelle und Migrationserstberatung, ein kundenorientierter Service, der rege in Anspruch genommen wird – all dasfest eingebettet in die gesamtstädti-schen Integrationsbemühungen …Dies lässt uns mutig ins zweite Jahrdes „Nürnberger Modells“ gehen.

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§

§§

32

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §DISKUSSION

Frage:

Es besteht also die Möglichkeit, bei der ZAM das Zertifikat und dieEinstufung durchzuführen?

Antwort:

Ja.

Frage:

Haben Sie mit der Vermittlung in passgenaue Module mithilfe desEinstufungstests gute Erfahrungengemacht?

Antwort:

Unsere Zuordnung erweist sich letztlich als verhältnismäßig gut. Alle Teilnehmer/innen durchlaufen das gleiche Prozedere, sodass dieErgebnisse vergleichbar sind.

Frage:

Wir finden den Einstufungstest relativschwierig, insbesondere die Anfor-derung, damit dann tatsächlich eineEinstufung vorzunehmen. Daher habenwir mit Schrecken vernommen, dassdieser Test in Stuttgart sogar „außerHaus“ und nicht beim Träger selbstdurchgeführt wird.

Antwort Aykut:

Die Situation in Stuttgart stellt sich folgendermaßen dar: Wir als Trägerführen unabhängig von der Clearing-stelle eigene Einstufungstests durch.Unsere Erfahrungen dabei sind ähnlichwie Ihre. Und auch wir finden die Testsproblematisch – allerdings aus demGrund, dass wir damit in Funktion derClearingstelle für die Ausländerbehördetätig werden, sozusagen eine Service-leistung für die Ausländerbehörde erbringen. Dabei werden dann Empfeh-lungen für eine Einstufung, aber auch

für eine eventuelle Verpflichtung abgegeben. Diese Tests werdenjedoch nicht von der Clearingstellebeim Bundesamt abgerechnet, sondern bei ihnen handelt es sich um eine Serviceleistung der StadtStuttgart.

Frage:

Welcher Prozess hat zu dieser speziellen Situation geführt? Warum lassen Sie sich als Träger auf eine derartige Kooperation mit der Clearingstelle ein, anstatt daraufzu bestehen, die Einstufungstests auf eigene Rechnung durchzuführen, weil es ja schließlich Ihre Verdienst-möglichkeit ist?

Antwort:

Drei Dinge haben dazu beigetragen: Erstens durften wir – da wir vor Ortsind – mit dem Bundesamt ein Plan-spiel durchführen. Auffällig war, wieschwierig solche Projekte in einerStadt zu realisieren sind, wenn mehrals 20 Träger – jeder für sich allein –„vor sich hinwursteln“. Was die Einstufung je nach Bedarf angeht, so möchte man als Trägernatürlich einen Kurs vollbekommen –das heißt, von 20 Bewerberinnen undBewerbern werden alle möglichstgleich eingestuft. Drittens ist es das Ziel der StadtStuttgart, die Kurse in den gesamtenIntegrationsprozess einzubinden. Als kommunaler Träger sind wir dieerste Adresse, wenn es um die ent-sprechende Koordination und Ver-netzung geht – die Übernahme desProjektmanagements durch uns lagalso auch im Interesse der Stadt-verwaltung.

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§§Frage:

Stellt die Stadt finanzielle Mittel zurVerfügung?

Antwort:

Die Stadt finanziert die Räume sowie die Vollzeitstelle und dieTeilzeit-Verwaltungsstelle.

Frage:

Bekommt der/die Kursinteressent/innach Durchführung des zentralen Ein-stufungstests bei Ihnen und entspre-chender Einstufung von Ihnen eineListe oder sogar eine Empfehlung,welchen Träger er/sie wählen kannoder soll?

Antwort:

Natürlich werden die potenziellen Teil-nehmer/innen nach dem Einstufungs-test nicht an irgendeine beliebigeStelle vermittelt. Die Träger meldenuns, welcher Kurs wann wo beginnt.Unter Zuhilfenahme eines Stadtplans,in den die Kursorte eingetragen sind,können wir den Interessentinnen undInteressenten sagen, wo für sie inWohnortnähe der nächste passendeKurs beginnt. Aber wir geben keineeinseitige Empfehlung ab nach demMotto: „Geh zu A oder B“. DieseNeutralität ist auch Bestandteil dervom Netzwerk getroffenen Rahmen-vereinbarung.Übrigens ist der Test für den Orientie-rungskurs weder schwierig nochumfangreich. Stellen Sie sich darunterbitte nicht einen so umfangreichenund schwierigen Test vor wie die„Hundert Fragen“, die in der Zeitungstanden (gemeint sind die Fragen zumgeplanten Einbürgerungstest in Baden-Württemberg, Anm. d. Red.). Er ist mitden Trägern abgesprochen, sodassdiese wissen, womit sie zu rechnenhaben – denn sie können und sollendas ja auch wissen.

Frage:

Wird in Nürnberg bezüglich derOrientierungskurse nach einem einheitlichen Curriculum vorgegangenoder bestimmt der Träger selbst dieInhalte?

Antwort:

Ursprünglich war die Verwendungeines einheitlichen Curriculums geplant,und zwar aus folgendem Grund: ImJahr 2001 war beim Bildungszentrumein Modellprojekt durchgeführt worden,für das wir – in Kooperation mit demEuropäischen Forum für Migrations-studien in Bamberg – bereits Orientie-rungskurse entworfen hatten. Diesewollten wir nun „aus der Schubladeholen“ und erneut einsetzen. Dochdann ist uns aufgefallen, dass diedamaligen Kurse unter den heutigenVoraussetzungen viel zu anspruchs-voll sind (sie gehen in Richtung derbereits erwähnten „Hundert Fragen“)und wir sie zunächst grundlegendüberarbeiten müssten. Damit warenwir einfach zu langsam – mittler-weile haben uns alle Verlage überholt.Daher benutzen die Träger jeweils das Material, das ihnen am meistenentspricht.

Fachtagung: Bilanz Nürnberg

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Frage:

In Nürnberg gibt es zahlreiche Bildungs-träger, die als solche bereits vor Ein-führung der Integrationskurse existier-ten. Können sich die Teilnehmer/innenauch direkt an die Bildungsträgerwenden? Führen diese auch selbstEinstufungstests durch?

Antwort:

Wir haben eine Trägervereinbarung,nach der alle Teilnehmer/innen zu uns kommen und bei uns den Einstu-fungstest machen müssen. Vorherkönnen sie nicht zu den Trägern gehenund den Kurs beginnen. Danach abersteht ihnen die Entscheidung frei, bei welchem Träger sie den Kurs machenwollen. Zu uns kommen übrigens auch Men-schen, die davon ausgehen, dass es nur einen Träger gibt, der für sieinfrage kommt – wir machen ihnenklar, dass sie die freie Wahl haben.Darüber hinaus informieren wir sieumfassend über den Kursablauf, überdie Möglichkeiten eines Kurswechselsetc. Dieses Vorgehen wird von allenKursträgern akzeptiert.Die Interessentinnen und Interessentendürfen, damit sie alle Informationenverstehen können, auch Begleit-personen mitbringen. Diese sind dannanfangs immer dabei und erklären alles.

Frage:

Welche Erfahrungen haben Sie mit derVerteilung der Kurse auf die Träger gemacht? Sie sagten, alle Träger seien mit der Verteilung zufrieden,aber gibt es in Nürnberg nicht auchRückmeldungen von Sprachkurs-trägern, die darüber klagen, dass sie von den Teilnehmer/innen bei derKurswahl nicht berücksichtigt werden? Äußerungen wie: „Wir kommen nichtan die Teilnehmer/innen ran“ hörenwir nämlich oft.

Antwort:

Zum Thema Konkurrenz: Bei denersten Treffen mit den Trägern habenwir die Bildung eines Netzwerks vorgeschlagen – und alle haben dieseIdee unterstützt. Meines Erachtenswar dies auch bedingt durch dendamaligen hohen Konkurrenzdruck der Träger untereinander. Vielen warklar, dass sie nur dann auf diesemMarkt bestehen und ihn unter sichaufteilen können, wenn sie koope-rieren. In unserer relativ kleinen Stadtsind verhältnismäßig viele Träger zuge-lassen – in anderen Städten gleicherGrößenordnung gibt es viel wenigerzugelassene Träger –, sodass soetwas nur im Rahmen eines Netz-werks funktionieren kann.

Nachfrage:

Gibt es eine Anlaufstelle für Rückmel-dungen, wenn sich jemand benach-teiligt fühlt?

Antwort aus dem Publikum:

Wir als Nürnberger Integrationskurs-träger profitieren von der ZAM; siestellt ja eine Schnittstelle zwischenallen Behörden dar, zwischen Regional-koordinatorinnen und -koordinatorenund Ausländerbehörde. So bekommenwir immer alle Informationen. Einige Sprachkursträger haben Prob-leme, was Informationen oder orga-nisatorische Dinge angeht. Doch durchdie ZAM werden die Wege verkürztund von der Koordination durch diesezentrale Stelle profitieren alle. So wer-den auch Lücken geschlossen.

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§§Frage:

Was können Sie zur Zusammenarbeitzwischen den Sprachkursträgernund den Migrationserstberatungensagen?

Antwort:

Dieser Teil wird bei uns nicht direktüber die Träger abgewickelt, sondernüber die Koordinationsstelle. Das Vorgehen ist folgendermaßen: DieTeilnehmer/innen kommen zu uns und machen einen Einstufungstest.Zwischen der schriftlichen Prüfungund den Gesprächen müssen die Teil-nehmer/innen jedoch eine gewisseWartezeit überbrücken. In dieser Zeit ist die Migrationserstberatunggeöffnet, sodass die Anwesendenpraktisch nicht umhin können, diesesBüro zu besuchen. Besetzt wird dasBüro von den vier in Nürnberg zustän-digen Trägern für die Migrationserst-beratung, die dort abwechselnd dieBeratungen durchführen. Weitergeleitetund durch die Kurse begleitet werdendie Teilnehmer/innen in erster Linienach Sprachen. Die Träger selbst haben mit den Mig-rationserstberatungen nicht so viel zutun, da die Teilnehmer/innen bereitsbei uns vermittelt werden. Der ersteKontakt mit der Migrationserstberatungfindet ja bei uns statt – die Trägerbegleiten sie dann weiter. Unter-einander stehen wiederum alle überTrägernetzwerktreffen in Kontakt.

Frage:

Wie sieht die Zusammensetzung derNürnberger Kurse aus? Wie viele Teil-nehmer/innen waren Neuzuwande-rinnen und Neuzuwanderer, wie viele„Bestandsausländer/innen“? Wie vielewurden über die ARGE vermittelt?

Antwort:

Insgesamt sind es 2.581 Teilneh-mer/innen, wovon 70 durch das Bundesamt zugelassen wurden. 26 Prozent sind neu zugewandert, vier Prozent waren Aussiedler/innen.Von den Neuzuwanderinnen und Neu-zuwanderern hatten 82 eine Berech-tigung, 493 eine Verpflichtung und 393 waren auf Empfehlung der ARGE verpflichtet. Der Frauenanteil betrug 64 Prozent.

Statement:

Bemerkenswert ist doch der hoheFrauenanteil, der sich in allen Kursensowohl bundesweit wie auch in denvorgestellten Städten zeigt.

Antwort:

In der Tat – es ist ganz erstaunlich: Von140 B1-Prüflingen waren 73 ProzentFrauen. Es stellt sich natürlich auchfür uns die interessante Frage, wieviele Kursteilnehmer/innen einen Kurstatsächlich abschließen und wie vielevon denen wiederum die B1-Prüfungabsolvieren. Dazu einige Zahlen: ImJahr 2005 waren 76 Prozent allerPrüflinge erfolgreich. Anfangs habenrund 95 Prozent die B1-Prüfungenbestanden, allerdings wissen wirnicht, in welcher Relation diese Zahlzur Zahl der Teilnehmer/innen an den Integrationskursen steht. Wenn76 Prozent die Prüfung bestehen,heißt das ja nicht, dass es sich dabeium 76 Prozent derjenigen handelt,die den Kurs angefangen haben.

Fachtagung: Bilanz Nürnberg

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§

§§

36

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Statement:

Insgesamt besteht ein sehr großerBedarf an Daten, die allerdings sehr schwierig zu beschaffen sind.Während in anderen Bereichen dieZusammenarbeit mit dem Bundesamt sehr gut funktioniert, ist es äußerst schwierig, regionale und kommunaleZahlen vom Bundesamt abzufragen.Diese Daten wären aber auch für unsinteressant, um den Erfolg unsererArbeit einschätzen zu können.

Frage:

Haben sich die vier Nürnberger Trägerim Hinblick auf die Migrationserst-beratung inhaltlich verständigt? Wennja, in welcher Form? Gibt es dies-bezüglich schriftliche Vereinbarungen?

Antwort Lang:

Die freien Träger, welche die Migra-tionserstberatung durchführen, alsoCaritas, Arbeiterwohlfahrt (AWO), StadtMission und Evangelische Jugend,haben sich untereinander verständigtund ein Konzept zur sozialpädagogi-schen Beratung erarbeitet.

Statement:

In Nürnberg beschäftigt uns folgendesProblem: Durchgeführt wurden rund2.500 Einstufungstests, an den Kursenhaben dann aber nur knapp über 2.000Personen teilgenommen – zwischenEinstufungstest und Kursbeginn sinduns also 500 Leute „abhandenge-kommen“. Wie könnte man dieseLücke schließen? Vielleicht könnte manfür die Berechtigten eine kürzere Fristansetzen?

Statement:

Diese Diskussion ist immer wiederüberraschend. Wir haben in den Kursendie Erfahrung gemacht, dass mancheMigrantinnen und Migranten zunächstZeit brauchen, um anzukommen. Erstnach einiger Zeit können sie sich fürden Spracherwerb öffnen. Die Vor-stellung, dass jemand, der heute hierankommt, morgen sofort Deutschlernt und integriert ist, ist eine sehrdeutsche Vorstellung, entspricht abernicht der Realität der Migrantinnenund Migranten. Bei manchen magdies sogar funktionieren, bei anderenaber nicht unbedingt. Wir sind jeden-falls froh, dass es ein Zeitfenster vonzwei Jahren gibt, in dem die Leuteentscheiden können, wann sie denDeutschkurs machen.

Statement:

Bei genauerer Betrachtung der Zahlenfällt aber auf, dass 70 Prozent derTeilnehmer/innen Migrantinnen undMigranten sind, die schon länger hierleben – sie sind also nicht gerade erstgekommen. In diesem Fall erscheintmir die Frist dann doch sehr lang.

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§§Frage:

Warum müssen die Orientierungs-kurse eigentlich auf Deutsch statt-finden? Als ich nach Deutschlandgekommen bin, hätte ich gerne – vor dem Deutschkurs – zunächsteinen Orientierungskurs in meinerMuttersprache gemacht, damit ichmich in Deutschland überhaupt zu-rechtfinden kann. Wenn dieser Kursaber gleich in der fremden Sprache, in diesem Fall also Deutsch, abge-halten wird, versteht man ja erst einmal nichts.

Antwort Dr. Spohn:

Einerseits freut es mich immer wieder,andererseits macht es mich gleichzeitigetwas traurig, dass das, was die Stellefür interkulturelle Arbeit vor drei Jahrenkonzipiert hat, nämlich muttersprach-liche Orientierungskurse, nicht weitergefördert werden konnte. Bei diesenkostenlosen, 50-stündig konzipiertenKursen, die dem deutschen Sprach-kurs vorgeschaltet waren, handelte es sich um ein Modellprojekt 5. DieKurse kamen sehr gut an, aber es istuns trotz zahlreicher Gespräche mitdem Bundesamt nicht gelungen,sicherzustellen, dass unser Modellauch in die Konzeption der Integra-tionskurse einfließt. Ähnlich wie Siebin auch ich der Meinung, dass man –ehe man die neue Sprache beherrscht– in der Lage sein muss, sich ein Ticketfür die U-Bahn zu kaufen oder zu ver-stehen, warum die Nachbarin sauerist, wenn man den Müll in die brauneTonne wirft, obwohl die doch leer ist.Hier könnte wirklich viel getan werden.

Antwort Ryfisch:

Orientierungskurs ist nicht gleich Orientierungskurs. Die von Ihnenangesprochenen Orientierungskursedienen der Erstorientierung unmittel-bar nach der Ankunft der Neuzuwan-derinnen und Neuzuwanderer. Soetwas wurde auch früher schon vondiversen Kommunen angeboten.Diese Zielsetzung entspricht jedochnicht der Zielsetzung des Orientie-rungskurses im Rahmen der Integ-rationskurse. Wie bereits erwähnt,verfolgt der neue Orientierungskursein anderes Ziel: Er dient sowohl derVermittlung von Alltagswissen alsauch von Kenntnissen über Rechts-ordnung, Geschichte und Kultur. Dies sind vermutlich Themen, die für Neuzuwanderinnen und Neuzu-wanderer direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland nicht besonders interessant sind. Genau die jetzige Ausrichtung lag aberim politischen Interesse des Gesetz-gebers. Aufgrund dieser Ausrichtungfindet der Orientierungskurs auchnicht vor, sondern im Anschluss aneinen Sprachkurs statt. Er stellt in-sofern eine gewisse Ergänzung desSprachkurses dar und bietet natürlichzudem die Gelegenheit, die Sprach-kenntnisse zu festigen und zu vertiefen.Gleichzeitig wird Hintergrundwissenvermittelt, das über das Alltagsinte-resse ausgeht. Genau darin liegt dieZielsetzung des Orientierungskurses.

Fachtagung: Bilanz Nürnberg

5 Die Dokumentation „Orientierung in München“kann heruntergeladen werden unter: www.muenchen.de/Rathaus/soz/wohnenmigration/interkulti/119794/publikation.html

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§

§§

38

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Frage:

Wir von der Diakonie Stuttgart bietenFrauenkurse und insbesondere auchKinderbetreuung an. Für die Kinder-betreuung erhalten wir vom Bundes-amt 7,70 Euro – Sie können sich vor-stellen, dass für diesen Betrag keinpädagogisches Personal zu finden ist.Eine Sachkostenpauschale bekommen wir nicht. Dennoch möchten wir unseren Honorarkräften, den Kinder-betreuerinnen, ein angemessenesHonorar bieten können, doch das istbei 7,70 Euro auf Dauer nicht möglich. Der Bedarf an Unterrichtsstunden inFrauenkursen ist höher, als es der„normale“ Kurs vorsieht: Wir brauchenmindestens 200 bis 300 Stunden zu-sätzlich. In den Kursen befinden sichFrauen mit sehr niedrigem Bildungs-niveau, die in ihrem Heimatland in derRegel nicht länger als fünf Jahre dieGrundschule besucht haben. Dem-entsprechend schwer fällt es diesenFrauen, eine Sprache zu erlernen. Dasheißt: Für diese Frauen brauchen wirzusätzliche Stunden. Zum Thema Kostenbefreiung:ALG-II-Empfänger/innen sind von denKosten befreit; zudem existieren Härte-fallregelungen. Dennoch frage ich dasBundesamt: Wenn eine Familie einEinkommen von 800 bis 900 Euro imMonat hat und davon eine Miete inStuttgart oder München sowie Fahrt-

kosten zu zahlen hat – wie soll dieseFamilie noch Kursstunden bezahlen?Natürlich gibt es ein entsprechendesVerfahren, dennoch bitte ich das Bun-desamt, auf diese Gruppen gesondertRücksicht zu nehmen. Wie kann diesenFrauen geholfen werden? Sie wurden,weil sie Neuzuwanderinnen sind, zurKursteilnahme verpflichtet, sind aberaufgrund der geschilderten Situationselbst nicht in der Lage, für die ent-sprechenden Gebühren aufzukommen.

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§Fachtagung: Evaluation der Integrationskurse

§ VORTRAG

Wir wurden vom Bundesministeriumdes Innern mit der Evaluation derIntegrationskurse nach dem Zuwan-derungsgesetz beauftragt. Die Evalu-ation läuft seit Anfang des Jahres2006 und wird noch bis zum Jahres-ende andauern, das heißt, das, waswir heute präsentieren werden, istdas, was wir vorhaben – es sind nichtdie Ergebnisse dessen, was wir bereitshinter uns haben. Nach einer kurzen Vorstellung unseresUnternehmens möchte ich Ihnen dasgeplante Vorgehen im Evaluationspro-zess erläutern, etwa welche Schrittedurchgeführt werden sollen und mitwem im Zuge dessen Kontakt aufge-nommen werden soll. Und schließlichwird es natürlich um die angestrebtenErgebnisse gehen. Bei dem Unternehmen RambøllManagement handelt es sich um eineuropäisches Beratungsunternehmenmit skandinavischem Hintergrund, dasin Dänemark, Schweden, Norwegen,Belgien und seit sechs Jahren auch in Deutschland – Berlin, Hamburg undMünchen – vertreten ist. Spezialisiert ist Rambøll Managementauf die Beratung des öffentlichen Sektors, also von staatlichen und halb-staatlichen Institutionen – Privatunter-nehmen gehören nicht dazu. In Däne-mark sind wir in diesem Bereich schonlänger tätig. Bei Rambøll Management handelt essich um eine Stiftung; deren Gründer,Herr Rambøll, war erklärter Vegetarierund Pazifist, sodass die unternehme-rischen Grundregeln ausdrücklich dieFleischgroßindustrie und das Militärals Zielgruppen ausschließen.

Tobias Stern, Rambøll Managementweitere/r Teilnehmer/in von RambøllManagement: Katja Kokolin, TobiasBergmann

+ Einführung

(Dr. Spohn)Der kommende Teil der Veranstaltungwurde von vielen mit Spannung erwar-tet, weil es in Diskussionen gegen-wärtig immer heißt: „Wir können derzeit nichts tun, nichts verändern,weil wir die Ergebnisse der Evaluationabwarten wollen.“ Es handelt sich hier um eine Premiere:Erstmals präsentiert sich das Unter-nehmen Rambøll Management mitdem von ihm erstellten Konzept zurEvaluation der Integrationskurse. DieFirma hat sich auf eine Ausschreibungdes Innenministeriums beworben, diemit sehr klaren Zielvorgaben versehenwar. Das heißt: Anders als bei anderenEvaluationen, bei denen man als Eva-luatorin oder Evaluator selbst bestim-men kann, wie man was evaluierenmöchte, und wo das Evaluationskon-zept in Absprache mit allen Beteiligtenentwickelt werden kann, war der Eva-luation der Integrationskurse von An-fang an ein enger Rahmen gesetzt.Der Spielraum der Firma selbst warund ist also relativ begrenzt.

Evaluation der Integrationskurse

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Der Aufgabenbereich von RambøllManagement umfasst verschiedeneEbenen: + Entwicklung von Strategien

für den öffentlichen Sektor, + Analyse und Reform von

Verwaltungsprozessen, + Evaluation. So haben wir beispielsweise im Jahr2005 das Zuwanderungsgesetz inDänemark evaluiert – was jedoch nichtheißt, dass wir verantwortlich sind fürdie dänische Integrationspolitik.

In Deutschland beschäftigen wir unsseit zwei Jahren im Auftrag des Bun-desministeriums für Arbeit und Sozialesmit der Evaluation des Bundespro-gramms „Xenos“, dessen Zielgruppeunter anderem Menschen mit Migra-tionshintergrund sind und das zumAbbau von Fremdenfeindlichkeit undRassismus beitragen soll. Darüber hinaus waren wir im Rahmen dersoeben abgeschlossenen Evaluationdes Akademikerprogramms der Otto-Beneke-Stiftung für das Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschungtätig. Dieses Akademikerprogrammkümmert sich um die Integration vonSpätaussiedlerinnen und Spätaussied-lern sowie jüdischen Zuwanderinnenund Zuwanderern in den deutschenArbeitsmarkt. Weitere Projekte warenoder sind die Evaluation der Ihneneventuell aus eigener Erfahrung be-kannten „Lernenden Regionen“, dieEvaluation des Europäischen Flücht-lingsfonds über mehrere europäischeLänder hinweg sowie die Evaluationdes Projekts „Equal“ und eine Studieder Bildungsberatung.

Das Projektteam zur Evaluation derIntegrationskurse im Rahmen desZuwanderungsgesetzes besteht auszehn Mitgliedern. Um eine Betrachtungaus möglichst unterschiedlichen Blick-winkeln zu gewährleisten, ist das Teamentsprechend vielfältig zusammen-gesetzt aus Politologinnen und Polito-logen, Erziehungswissenschaftlerin-nen und -wissenschaftlern, Betriebs-und Volkswirtinnen und -wirten, Juris-tinnen und Juristen, Soziologinnenund Soziologen sowie Kulturwissen-schaftlerinnen und -wissenschaftlern.

Die Evaluation wird bis Ende 2006abgeschlossen sein und dann dieGrundlage bilden für die Berichter-stattung an den Bundestag, die durchdas Bundesinnenministerium vorge-nommen wird. Mitte 2007 wird derBundestag über die zukünftige Integ-rationspolitik Deutschlands befinden –das Gesetz schreibt dafür die Ergeb-nisse der Evaluation als Grundlage vor.Gegenstand der Evaluation ist aus-drücklich nicht, das Zuwanderungs-gesetz zu hinterfragen und zu beur-teilen – ob es also in seiner jetzigenForm gut oder schlecht ist –, sondernes geht ausschließlich um die bis-herige Umsetzung. Das Projektdesign umfasst konkretdrei Ebenen: erstens die Effizienz des Verfahrens, zweitens die Finan-zierung und drittens die zugrunde liegende Methodik und Didaktik.Diesen Bereichen können auch allevon Ihnen angesprochenen Aspektezugeordnet werden.

Im Hinblick auf die Verfahrenseffi-zienz steht die Frage im Mittelpunkt,was bei der Umsetzung des Zuwan-derungsgesetzes nicht optimal läuft und warum – stets unter der Voraus-setzung, dabei realistisch zu bleiben.Im Hinblick auf die Finanzierung wirddas derzeitige Finanzierungsmodellbewertet. Und im methodisch-didak-tischen Bereich wird analysiert, in-wieweit die Kurse ihr Ziel erreichen beziehungsweise wie die Aussichtenauf Erfolg verbessert werden können.

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§Fachtagung: Evaluation der Integrationskurse

§statt. Dies soll erstmals einen quanti-tativen Überblick ermöglichen über die bisher durch die Integrationskurseerreichten Ziele. So wird auch deut-lich, welche Aspekte einer tieferenAnalyse bedürfen. Das Vorgehen, erstin die Breite und dann in die Tiefe zugehen, macht also durchaus Sinn. Unsere weitere Teilnahme an Veran-staltungen wie dieser soll dazu beitra-gen, stets über den aktuellen Standder Umsetzung in der Praxis auf demLaufenden zu sein und zu erfahren, in welchen Bereichen Verbesserungs-bedarf besteht – und in welchen posi-tive Erfahrungen gemacht wurden. Im Rahmen der Evaluation sollen insgesamt 20 bis 30 regionale Vor-Ort-Analysen durchgeführt werden.Dabei werden 80 Träger persönlichaufgesucht und auf verschiedenenEbenen einbezogen: Management,Kursleiter/innen, Teilnehmer/innen und – sofern vorhanden – sozialpäda-gogische Betreuung. Auch ein Kontaktzu den Migrationserstberatungen istvorgesehen. Darüber hinaus werdendie Ausländerbehörden einbezogen,die ARGE, die Optionskommunensowie die Bundesanstalt für ALG-II-Empfänger/innen und die Regional-koordination im Bundesamt. Um auchin dieser Phase die wichtige kommu-nale Sichtweise berücksichtigen zukönnen, werden auch kommunalgesteuerte Netzwerkstrukturen in dieUntersuchung einbezogen. Ebenfallsdazu gehören Vor-Ort-Analysen imBundesamt und bei der BVA.

Das Vorgehen im Rahmen des Evalu-ationsprozesses erfolgt in mehrerenSchritten: Am Anfang steht die Projektetablierung,gefolgt von der Bestandsaufnahme.Diese sollte durch ein multiperspek-tivisches Vorgehen einen ersten Eindruck vom Stand der derzeitigen Umsetzungspraxis vermitteln. ImRahmen der Bestandsaufnahme wurden bislang zum einen Interviewsim Bundesamt für Migration undFlüchtlinge geführt, zum anderen um-fangreiche Dokumenten- und Daten-analysen erstellt, die aber noch fort-gesetzt werden müssen. Bestandteilwaren und sind auch Interviews mitzentralen Akteurinnen und Akteurenaus der Praxis; dazu gehören unteranderem Vertreter/innen der Kommu-nen und der Ministerien sowie Kurs-träger. Auch der vom Bundesamtorganisierte Austausch der Kommu-nen wurde einbezogen. Zusätzlich wurden zwei explorativeVor-Ort-Analysen durchgeführt, dasheißt, es wurde die regionale Um-setzung zweier Sprachkurse – einmalin Hamburg, einmal in einem Land-kreis in Thüringen – vor Ort beobachtetund die wichtigsten Beteiligten dazubefragt. Dies dient übrigens auch derÜberprüfung und eventuellen Anpas-sung des Untersuchungsdesigns.Im nächsten Schritt, der bis Ende Mai 2006 ansteht, erfolgt eine großangelegte Befragung aller Integrations-kursträger. Im Rahmen einer Online-befragung werden verschiedene Aspekte der Umsetzung, welche dieTrägerebene betreffen, abgefragt.Jeder Kursträger hat die Möglichkeit,an dieser Erhebung teilzunehmen.Derzeit laufen entsprechende Vortests,um die Befragung – zum Beispiel im Hinblick auf mögliche Antwort-kategorien – auf die Bedürfnisse der Träger zuschneiden zu können. Daneben findet eine Auswertung dervom Bundesamt erhobenen Daten

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Abgerundet wird die Evaluation durcheine parallel stattfindende internatio-nale Vergleichsanalyse in den Nieder-landen, Österreich, Dänemark undSchweden. Sie soll einen Blick überdie Situation in Deutschland hinausermöglichen, gute Beispiele andern-orts vorstellen und eventuell alterna-tive Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Bis November 2006 wird ein Gutachtenerstellt, das auf der Grundlage vonInterviews mit Expertinnen und Exper-ten sowie der bis dahin gesammeltenErfahrungen und Ergebnisse ein Modellmit potenziellen Alternativen vorstellt –auch im Hinblick auf Verfahrensschritteund Finanzierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ist ein Abschlussberichtvorgesehen. Die Erarbeitung alternativer Vorschlägeist aber natürlich nur möglich, wennder Status quo erfasst und im Hinblickauf Stärken und Schwächen analysiertist. Darauf aufbauend können dann beispielsweise vereinfachte Verfahrens-abläufe oder ein neues Finanzierungs-modell entwickelt werden. Um die Verfahrenseffizienz bei den ein-zelnen Akteuren beurteilen zu können,ist eine detaillierte Analyse ihrer Ko-operations- und Umsetzungsverfahrenerforderlich. Darunter fallen beispiels-weise auch die Organisationsstruktu-ren. Nach den bisherigen Eindrückensind die Träger sehr unterschiedlichorganisiert, stehen jedoch denselbenProblemen gegenüber – und könnenaufgrund ihrer unterschiedlichen Orga-nisationsstruktur auch unterschiedlichgut mit diesen Problemen umgehenund sie bewältigen. Manche Träger-strukturen funktionieren also besserals andere. Auch der bei den beteilig-ten Akteuren – Kursträger, Bundesamtetc. – entstehende (Verwaltungs-)Auf-wand ist letztlich mitbestimmend fürdie resultierende Verfahrenseffizienz.

Im Hinblick auf die Finanzierung gehtes zunächst um eine Überprüfung des derzeitigen Modells, wobei stetsder Qualitätsaspekt – also die Qualitätder Kurse – im Mittelpunkt steht: Wosteht die Finanzierung dem Qualitäts-anspruch entgegen? Darüber hinaussoll das Finanzierungsverfahren be-schrieben und eruiert werden, inwie-weit die damit verbundenen Aktivitätenvom Aufwand her gerechtfertigt sindbeziehungsweise wie sie effizientergestaltet werden könnten.

Im Bereich Methodik und Didaktikwerden die Wirkungszusammen-hänge hinsichtlich des Kurserfolgsbetrachtet, das heißt: Was machteinen erfolgreichen Kurs aus? Dazuwerden unter anderem Erfolgsfak-toren identifiziert und vorbildlicheAnsätze benannt – und schließlichwird überprüft, inwieweit solcheerfolgreichen Ansätze übertragbarsind.

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§Fachtagung: Evaluation der Integrationskurse

§ Frage:

In vielen Fällen hängt die Qualität derArbeit von den einzelnen Einrichtungenund ihrer Vernetzung innerhalb einerKommune ab. Es wäre also sinnvoll,Kommunen im Hinblick auf dieseStrukturen miteinander zu verglei-chen. Schließlich kann man von den Nachbarn lernen, die es bessermachen – oder umgekehrt.

Antwort:

Auch diesen Aspekt berücksichtigenwir gerne bei der Evaluation, ins-besondere, da Rambøll Managementsehr stark kommunal orientiert und„dicht an den Kommunen dran“ ist.

Frage:

Kann sich jede Lehrkraft bei Interessean der Evaluation beteiligen, zumBeispiel durch Ausfüllen eines ent-sprechenden Formulars?

Antwort:

Auch Lehrkräfte werden in bestimmteEvaluationsschritte miteinbezogen. So fand beispielsweise bereits einInterview mit der „Aktion Butterbrot“in München statt. Allerdings ist keinegezielte Befragung aller Lehrkräfte geplant. Vielmehr sollen die entspre-chenden Informationen im Rahmenanderer Analyseschritte eruiert wer-den. Beispielsweise beinhalten dieVor-Ort-Analysen bei den 80 Trägernimmer auch Gespräche mit den Lehrkräften.

DISKUSSION

Frage:

Einigen der beteiligten Akteure wurdevon Anfang an eine feste Rolle in demProzess zugesprochen: Kursträger,Migrationserstberatungen, Ausländer-behörden – die Kommunen hingegenwurden als Akteure zunächst nichtmitgedacht, obwohl gerade sie sehrviel Kooperationsarbeit leisten.

Antwort:

Die Kommunen sind ein zentraler Er-folgsfaktor – dies haben die bisherigenAnalysen eindeutig ergeben – und sollen und müssen aus diesem Grundmiteinbezogen werden, auch wennsie anfangs nicht explizit als Beteiligtevorgesehen waren. Im Rahmen der Evaluation waren zunächst isolierte Fallstudien vonTrägern, Ausländerbehörden und der ARGE geplant. Doch schon nachkurzer Zeit musste das Evaluations-design angepasst und die Fallstudienregional geclustert werden, als sichherausstellte, dass insbesondere das Beziehungsgeflecht in einerKommune oder in einer Region eineentscheidende Rolle in dem ganzenProzess spielt. Gegenstand der Unter-suchung wurden dementsprechendeinzelne Regionen einschließlich allerdort an der Umsetzung der Integra-tionskurse beteiligten Akteure – unterBerücksichtigung ihrer Netzwerke undder Art und Weise ihrer Zusammen-arbeit. So lassen sich dann möglicher-weise Rückschlüsse ziehen, warumdie Abläufe in manchen Regionen sehr gut funktionieren und in anderenweniger gut.

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§

§§

44

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Frage:

Wie wird das Ergebnis einer Bera-tung oder auch der sozialpädago-gischen Betreuung evaluiert?

Antwort:

Leider ist es nicht möglich, tatsächlichalles zu erfassen und zu evaluieren, soauch alle Einzelberatungen. Es könnenaber sicherlich generelle Erfolgsfakto-ren bei Beratungen identifiziert werden– vielleicht ist dies politisch sogar vorteilhafter, als alle Einzelberatungenzu evaluieren.

Frage:

Nach welchen Kriterien werden die80 Träger für die Vor-Ort-Analysenausgewählt?

Antwort:

In den nächsten Monaten findet eineBefragung aller Kursträger über dasInternet statt. Auf der Grundlage die-ser Befragung sowie der Auswertungder vom Bundesamt erhobenen Datenwerden dann die teilnehmenden Trägerausgewählt. Dabei wird auch auf einemöglichst repräsentative Zusammen-setzung geachtet: Es sollen Träger aus allen Bundesländern vertretensein, gleichermaßen aus West undOst, sowohl große als auch kleine,gemeinnützige wie private.

Frage:

Viele Träger haben sich spezialisiertund bieten Kurse für spezifische Ziel-gruppen an, zum Beispiel Kurse fürFrauen aus bildungsfernen Milieus.Letztendlich erzielen die Teilnehme-rinnen eines solchen Kurses natürlichein anderes Ergebnis als anderszusammengesetzte Kurse andererTräger. Die Beurteilung eines Trägersoder seiner Kursqualität aufgrundeines reinen Ergebnisvergleichs, etwa bezogen auf das erreichteSprachniveau, ist damit eigentlichnicht möglich. Das wäre ja wie einVergleich von Äpfeln und Birnen.

Antwort:

Der Vergleich und die Schlussfolge-rung, ein Träger sei besser als derandere, bezieht sich auch nicht alleindarauf, welcher Träger mit seinenKursen beispielsweise B1 erreicht hat.Dennoch ist ein Vergleich auch hiermöglich, allerdings müssen weitereFaktoren miteinbezogen werden – das erreichte Sprachniveau ist nur ein Kriterium von vielen.

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§Fachtagung: Evaluation der Integrationskurse

§ Frage:

Die Ist-Analyse der Evaluation wirdmöglicherweise Defizite veranschau-lichen, Handlungsbedarfe und poten-zielle Lösungswege aufzeigen, Best-Practice-Beispiele anführen etc. Aberwäre es theoretisch auch denkbar,sogar die gesetzliche Grundlageinfrage zu stellen, wenn festgestelltwerden sollte, dass unter den gege-benen gesetzlichen Voraussetzungendas gesteckte Ziel nicht erreicht wer-den kann?

Antwort:

Wie bereits erwähnt, ist es nichtunsere Aufgabe, das Zuwanderungs-gesetz zu evaluieren, sondern dessenUmsetzung. Diese Unterscheidung istsehr wichtig. Die gesetzliche Grund-lage wird durch die Ergebnisse derEvaluation nicht infrage gestellt. Dochim Hinblick auf die Umsetzung ist esnatürlich möglich, innerhalb eines rea-listischen Rahmens Verbesserungs-vorschläge zu machen, insbesondereweil der Spielraum innerhalb der Ver-ordnung relativ groß ist und durchausgestaltet werden kann.

Frage:

Die Evaluation der Integrationskursefindet in einem vorgegebenen, sehrengen Rahmen statt. Wie groß ist IhrSpielraum, wenn sich im Verlauf derEvaluation neue Aspekte ergeben, diein der Ausschreibung nicht enthaltenwaren? Und was genau ist unter dervon Ihnen erhobenen Kursqualitätzu verstehen?

Antwort:

Unser Angebot zur Ausschreibungumfasste etwa 100 Seiten und gingüber den Ausschreibungstext hinausbeziehungsweise definierte ihn näher.Im Hinblick auf das Untersuchungs-design ist ja nicht alles vorgegeben,sondern aufbauend auf den Rahmen-vorgaben erarbeitet die beauftragteFirma ein eigenes Konzept, das nachihrer Einschätzung möglichst alle relevanten Aspekte berücksichtigt.Sollte sich dennoch im Verlauf derEvaluation in einigen Punkten Nach-besserungsbedarf ergeben, ist diesnatürlich machbar. Was die Kursqualität angeht, so sindeinige Qualitätskriterien per Verord-nung festgelegt, die auch durch dasBundesamt sowie die Regionalkoordi-natorinnen und -koordinatoren bei Vor-Ort-Kontrollen überprüft werden. Den-noch ist eine Beurteilung der Kursqua-lität anhand dieser Kriterien nicht ohneWeiteres möglich. Daher muss es Teilder Evaluation sein, zu überprüfen, in-wieweit diese Indikatoren die richtigensind und inwieweit zusätzlich Anre-gungen von Trägerseite berücksichtigtwerden können, um Qualität klarer alsbisher zu definieren.

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§

§§

46

Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Frage:

Aus „Equal“ und anderen EU-Pro-jekten ist mir bekannt, dass „Erfolg“für die Teilnehmer/innen oft etwasanderes bedeutet als für die Auftrag-geber. Beispielsweise sind viele Equal-Projekte auf eine Vermittlungder Teilnehmer/innen in den Arbeits-markt ausgerichtet; würden nur zehnProzent der Teilnehmer/innen vermit-telt, wäre es aus Projektsicht kein sogroßer Erfolg wie die Vermittlung von80 Prozent. Die Teilnehmer/innen wür-den den Erfolg jedoch anders definie-ren, nämlich: etwas Sinnvolles zu tun,die häusliche Isolation durchbrochenzu haben, Kontakte zu knüpfen, Netz-werke aufzubauen etc. Gibt es Mög-lichkeiten, solche „Erfolgskriterien“ –speziell für die Teilnehmer/innen – zuentwickeln und auch diese Form vonErfolg über entsprechende Teilneh-merbefragungen zu erfassen?

Antwort:

Im Fall der Integrationskurse ist aberder Kurserfolg ziemlich genau definiert,auch über die Integrationskursverord-nung. Natürlich sollte der individuelle,zusätzlich von den Teilnehmer/innendefinierte Erfolg ebenfalls Eingang indie Evaluation finden. Doch im Idealfallträgt dieser ja dazu bei, das über dieVerordnung (und im Weiteren auchdurch das Zuwanderungsgesetz) ge-steckte Ziel zu erreichen. Im Rahmender Teilnehmerbefragung – die übrigensallein aufgrund der hohen Teilnehmer-zahlen keine Vollerhebung sein kann –sollen aber entsprechende Erfolgs-faktoren identifiziert werden.

Frage:

Meiner Ansicht nach kommt die Eva-luation zu früh und zu spät. Zu spätinsofern, als wir uns eineinhalb Jahrelang mit dem verwaltungsmäßigenUnsinn herumschlagen müssen, weilalle auf die Ergebnisse der Evaluationwarten. Zu früh, weil man den Erfolg der In-tegrationskurse erst im Nachhineinmessen kann. Werden Sie nach zweiJahren noch einmal überprüfen, was aus den Teilnehmerinnen und Teil-nehmern geworden ist und inwie-weit sie bei dem, was sie dann tun,durch die Integrationskurse gefördertworden sind?

Antwort:

Aus meiner Sicht ist die Evaluation zu früh angesetzt, weil man eigentlicherst dann sinnvoll evaluieren kann,wenn sich etwas etabliert hat. Einenachträgliche Wirkungsmessung inzwei Jahren – wenngleich wünschens-wert – ist nicht mehr Bestandteilunseres Auftrags. Aber wir könnteneine entsprechende Handlungsemp-fehlung abgeben. Zum jetzigen Zeit-punkt ist ein solcher Nachfass wedersinnvoll noch durchführbar, weil sichnoch keine entsprechenden Ergeb-nisse zeigen.

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§Fachtagung: Evaluation der Integrationskurse

§ Frage:

Meiner Ansicht nach spielt auch derFaktor Spaß beim Thema Integrationeine große Rolle und sollte in dieEvaluation miteinbezogen werden.Integration ganz allgemein soll Spaßmachen – und auch die Deutschkurseund die Integrationskurse solltenFreude und Spaß bringen. Wird auchdieser Aspekt bei der Befragung vonTeilnehmerinnen und Teilnehmernsowie Lehrkräften berücksichtigt?

Antwort:

Es ist davon auszugehen, dass dieKurse, die Spaß machen, auch erfolg-reicher sind – daher wird auch dieserFaktor als ein Kontextfaktor sowie beiden Vor-Ort-Analysen berücksichtigt,wenn es um die Analyse von Lern-effekten geht.

Frage:

Als Vertreterin einer Stuttgarter Spra-chenschule begrüße ich die jetzigeEvaluation, denke dabei allerdingsimmer an den Verlauf der Evaluationdes Sprachverbandes. Ein Ergebnisdamals lautete, dass Kurse ein wirk-sames Instrument zur Integration von jungen Zuwanderinnen und Zu-wanderern seien – kurze Zeit späterwurden die Kurse abgeschafft.

Frage:

Bereits zu Zeiten der Sprachförderung,2002/2003, wurde eine teure Evalu-ation durchgeführt – mit positivemResultat, also einer guten Beurteilungder Kurse. Bereits ein Jahr später wurden dann die Integrationskurseeingeführt … Wozu wurde aber dannder Aufwand mit der Evaluation kurzvorher betrieben? Im Grunde genom-men evaluieren wir Lehrkräfte dochjeden Tag – aber wir werden zu weniggefragt und zu wenig gehört. Nurdurch konstruktive Zusammenarbeitkommt man zum Ziel. So können wirheute schon sagen, dass wir mehrGeld brauchen – doch nichts geschiehtund keiner weiß, warum.

Antwort:

Beide Studien des Sprachverbandeswerden in die jetzige Evaluation mit-einbezogen, da wir von den Ergeb-nissen der damals schwerpunktmäßigdurchgeführten Teilnehmerbefragungenprofitieren und einige unserer Aspektevertiefen können. Zu Ihrem zweiten Einwand, dass Siezu wenig gehört werden: Die Kursewerden auf verschiedenen Ebenenevaluiert, jedoch immer aus derAußenperspektive, das heißt, es sollein Blick von außen in das Systemgeworfen werden, um es dann auchaus genau dieser Perspektive beur-teilen zu können. Dabei werden dieAkteure innerhalb des Systems gehört,ihre Erfahrungen und Ansichten analy-siert und im weiteren Verlauf durchdie Evaluation bestätigt oder widerlegt.

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Anschließend wurden zahlreiche Pilot-projekte in Form von Integrations-kursen initiiert. Auch wir selbst hattenunsere Ergebnisse dargestellt unddokumentiert – auch eine Art vonEvaluation –, doch diese Ergebnissewurden nicht berücksichtigt. Alles,was damals in den Pilotprojektenerprobt wurde, taucht heute wiederals Problem in den Integrationskursenauf. Ein Beispiel: Es gab bei uns einPilotprojekt „Jugendsprachkurs“, dessen angesetzter Umfang sich aber als zu gering erwies. Das wurdevon uns dokumentiert mit dem Hinweisauf eine erforderliche Mindeststunden-zahl von 900 Stunden – doch berück-sichtigt wurde dies nicht. Daher stellt sich für mich die berech-tigte Frage – in erster Linie an dasInnenministerium –, ob denn über-haupt geplant ist, aus der jetzigenEvaluation tatsächlich Konsequenzenzu ziehen und etwas zu ändern?

Antwort:

Ich teile Ihre Skepsis durchaus. DieSprachkursträger haben tatsächlichsehr viele Turbulenzen erlebt. Darüberhinaus sind durch das Zuwanderungs-gesetz vermutlich viele Strukturenweggefallen, die nun nicht mehr zurVerfügung stehen. Sehr viele Verän-derungen haben in sehr kurzer Zeitstattgefunden, wobei auch sehr vieleReibungsverluste aufgetreten sind. Ich hoffe in unser aller Interesse, dasses mit der Evaluation gut weitergeht,und ich hoffe vor allem, dass dasSystem der Integrationskurse dauer-haft und zufriedenstellend für alleBeteiligten etabliert werden kann und dass es gelingt, Verbesserungeneinzuführen und Maßnahmen zuergänzen, wo sie notwendig sind.

Dr. Spohn:

Ich danke allen Beteiligten für dieengagierte und lebhafte Diskussionund bitte die Vertreter/innen vonRambøll Management, aus der Veran-staltung viele Anregungen aus derPraxis, Fragen, aber auch Skepsis mitzunehmen und in die Evaluations-arbeit einfließen zu lassen. Wir allesind sehr gespannt auf die Ergebnisse.Abschließend möchte ich nochmalsfür einen positiven Blick auf die Eva-luation plädieren. Sie bietet die Mög-lichkeit, ein System von außen zubetrachten und greifbare Argumentefür Veränderungen zu gewinnen. Wiralle kennen die Fragen, die Unzufrie-denheiten, die Verbesserungswünsche,die im Raum stehen. All dies wirdauch die Evaluation widerspiegeln.

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§Fachtagung: Podiumsdiskussion

§ Dr. Spohn:

Herr Pavkovic, Sie haben in Stuttgartgroße Anstrengungen unternommen,um im Rahmen der Integrationskurseeinen Prozess zu koordinieren,für den Sie als Kommune eigentlichgar nicht eingeplant waren. Darüber hinaus koordinieren Sie nicht nur, sondern Sie finanzieren auch. Warum tun Sie das?

Pavkovic:

Die Integrationsprogramme von Bund,Land und Kommune sollten auf kom-munaler Ebene Erfolgsmodelle wer-den. Sind sie es nicht, spüren wir dasin der Kommune vor Ort. Uns ist wich-tig, dass die politischen Vorgaben desBundes optimal in passende Angebotefür alle Zielgruppen umgesetzt werden,um alle Betroffenen zu erreichen. Sokonzentriert sich das Aufenthaltsgesetzbeispielsweise auf Neuzuwanderinnenund Neuzuwanderer sowie Spätaus-siedler/innen, gleichzeitig gibt es aberauch sehr viele „Altzuwanderinnen“und „Altzuwanderer“! Außerdem istim Hinblick auf Anschlussmaßnahmennach den Integrationskursen eine engeVerzahnung mit den JobCentern not-wendig. Ein entsprechendes Rahmen-konzept ist zurzeit im Bundesamt inVorbereitung. Wir brauchen den Integ-rationskursen vorausgehende Kurs-angebote ebenso wie daran anschlie-ßende Maßnahmen. Es liegt ja in unserem eigenen Interesse, qualifi-zierte Menschen in Stuttgart zu haben– schon aus diesem Grund ist die Kom-mune daran interessiert, dass das vomBundesamt koordinierte Projekt einErfolgsmodell wird. Da die Kommuneaus Sicht von Gesetzgebung und Ver-ordnung jedoch auf die Ausländer-behörden beschränkt ist, demgegen-über aber mehrere Säulen – JobCenter,„Altzuwanderinnen/Altzuwanderer“etc. – zu koordinieren sind, halten wir

Teilnehmer/innen:

+ Dr. Margret Spohn (Moderation)

+ Simone Henke,Gründungsmitglied der Initiative Pro Integration, die sich für die berufliche und gesellschaftliche Integration aller Zuwanderinnen und Zuwanderer engagiert (be-kannt durch einen informativen Newsletter 6), Geschäftsführerin einer Sprachenschule in Stuttgart

+ Gari Pavkovic, Integrationsbeauftragter der Landes-hauptstadt Stuttgart, Träger des Bertelsmannpreises „Wettbewerb Integration in den Kommunen“ (viele Impulse aus dem Bereich Migration und Integration kommen aus Stuttgart)

+ Gerhard Gleichmann,Mitglied der Bewertungskommission (Gremium, das die fachliche Beglei-tung der Integrationskurse leisten soll. Zusammengesetzt aus Vertrete-rinnen und Vertretern der Praxis, der Wissenschaft, des Bundesinnen-ministeriums, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Länder, der kommunalen Spitzen-verbände sowie der Beauftragten für Migration)

+ Rudolf Stummvoll,stellvertretender Amtsleiter des Amtes für Wohnen und Migration sowie Leiter der Stelle für inter-kulturelle Arbeit der Landeshaupt-stadt München

6 Newsletter-Abonnement unter: [email protected]

Podiumsdiskussion

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§

§§

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §eine kommunale Steuerung für erfor-derlich. Das Bundesinnenministeriumund der Bertelsmannwettbewerbhaben Kommunen identifiziert, die aufkommunaler Ebene und über dieSprachkurse hinaus eine erfolgreicheVerzahnung der Integrationspolitikanstreben. Dazu gehören unter ande-rem auch die Städte München,Frankfurt und Bamberg. Alles andere kam bereits zur Sprache,zum Beispiel: 600 Unterrichtsstundenzum Erreichen des Sprachniveaus B1reichen nicht aus – das Minimum sind900 Stunden, vor allem für bestimmteZielgruppen. Das sagen nicht nur wiraus Stuttgart, sondern inzwischenauch CDU-Expertinnen und -Expertenim Bundestag sowie Minister/innen in den Ländern. Außerdem brauchenwir unbedingt nach den Integrations-kursen Anschlussmaßnahmen fürMenschen, deren Ziel nicht B1 ist,sondern die berufliche Integration.Insbesondere bei den Jugendkursenbesteht hier erheblicher Bedarf. Deshalb ist es uns als Kommune einAnliegen, neben den zielgerichtetdurchgeführten Bundeskursen weitereErgänzungsmaßnahmen anbieten zukönnen.

Dr. Spohn:

Frau Henke, die Initiative Pro Integ-ration ist weithin bekannt – sozusagenin der Funktion als „Ruferin in derWüste“! Sie machen eine sehr gute,sehr ausführliche und sehr intensivePressearbeit mit großem Verbreitungs-gebiet. Wie schätzen Sie Ihren Ein-fluss ein? Haben Sie das Gefühl, dassdie mit großem Engagement betrie-bene Darstellung bestimmter Stand-punkte in Ihrem Newsletter in einzel-nen Städten etwas bewirkt? Eine zweite Frage: Für die Erarbeitungeines Curriculums für Jugendkursewird eine Ausschreibung stattfinden.Was halten Sie davon?

Henke:

Die Initiative Pro Integration übt alleindadurch einen gewissen Einfluss aus,als sich ihr bundesweit über 300Sprachkursträger, Verbände und andereOrganisationen angeschlossen haben,darunter auch große Verbände wie der Volkshochschulverband oder derBundesverband der Träger beruflicherBildung. Ermutigend ist, dass die Vertretung von Pro Integration, der „Sprecherkreis“, mittlerweile auchvom Bundesamt als sachkundig angesehen und in die Beratungen einbezogen wird. Weniger ermutigend ist unsere vonIhnen treffend mit „Ruferin in derWüste“ umschriebene Funktion. Seitunserer Gründung im Jahr 2000 habenwir leider in der Politik wenig Gehörgefunden. So ist es beispielsweise bei Expertinnen und Experten seitjeher unstrittig, dass Jugendliche zurVorbereitung auf den Schulbesuchoder eine Ausbildung wesentlich mehrals 600 Unterrichtsstunden brauchen.Dies wurde auch in einer Arbeitsgrup-pe beim Bundesamt, der ich selbstangehört habe, bestätigt. Dennochsteht in der nun laufenden Ausschrei-bung, dass die Schul- und Ausbildungs-reife in 600 Stunden erreicht werdensoll. Ein solches Vorgehen wird fürSprachkursträger zunehmend unver-ständlich: Sie werden zwar immerwieder gefragt, sitzen in den Arbeits-kreisen, führen Evaluationen durch …doch letztlich passiert immer genaudas Gegenteil von dem, was sie empfehlen und fordern.

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§Fachtagung: Podiumsdiskussion

§Seit 1976 führe ich selbst Kurse durch,habe auch Lehrer/innen ausgebildet.Damals gab es keine Lehrkräfte, dieentsprechende Voraussetzungen mit-gebracht hätten. Wenn ich mir dieEntwicklung bis heute ansehe, tue ichdas mit einem weinenden und einemlachenden Auge. Als wir 1976 im Auf-trag des Landesarbeitsamtes Nord-rhein-Westfalen die Kurse eingerichtethaben, hatten sie einen Umfang von1200 bis 1800 Unterrichtsstunden und eine Gruppengröße von zwölf bis 18Teilnehmerinnen und Teilnehmern; dieAbrechnung erfolgte unabhängig vonder Teilnehmerzahl. Das waren alsoplanbare Größen. Diese Planbarkeit istleider sehr stark in den Hintergrundgetreten, was meiner Ansicht nach ein großes Defizit ist. Auf der anderenSeite setze ich Hoffnung in die lau-fende Evaluation, wobei aber – wasbereits mehrmals angeklungen ist –,zu wenig von den längst bekanntenDingen berücksichtigt wird. Immerwieder wird etwas auf eine neue Stu-die, eine neue Evaluation verschobenund dann auf deren Ergebnisse ge-wartet, obwohl bereits vorher vielesbekannt ist. Ich habe vor Kurzem in Bielefeld beieiner ähnlichen Veranstaltung vorge-rechnet, was 600 beziehungsweise630 Unterrichtsstunden pro Personbedeuten. Eine Sprache lernt man nun mal durch Sprechen, genau wiedas Schwimmen durch Schwimmen.Zuhören allein genügt nicht. Ausge-hend von einer Unterrichtsstunde mit45 Minuten und einer Klassenstärkevon 20 bis 25 Teilnehmer/innen bleibtjedem/jeder Teilnehmer/in ein bis ein-einhalb Minuten Sprechzeit pro Unter-richtsstunde, das entspricht siebenMinuten pro Tag und – auf die Gesamt-kursdauer von 600 Stunden bezogen – insgesamt zwei Tage. Und diese stehen dann nicht einmal nur zumSprechen zur Verfügung, sondern eskommen ja noch Lesen und Schreibendazu, also Tätigkeiten, bei denen der/die Einzelne nicht spricht. Aber in zweiTagen lernt man eine Sprache nicht!Früher war das Stundenkontingenthöher.

Dr. Spohn:

Herr Gleichmann, die Initiative ProIntegration gilt als „Ruferin in derWüste“, obwohl sie beim Bundesamtvertreten ist. Wie sieht es im Vergleichdazu mit dem Einfluss der Bewer-tungskommission aus?

Gleichmann:

Diese Frage wird in drei Wochen ge-klärt, wo wir die Rolle der Bewertungs-kommission noch einmal mit dem In-nenministerium zu definieren haben.Ich denke schon, dass wir einen ge-wissen Einfluss haben, gehört werdenund den Finger in die richtigen Wun-den legen. Ebenso denke ich aber,dass die momentane Entwicklung ins-gesamt als positiv zu bewerten ist; fürmich ist das Glas halb voll und nichthalb leer. Was nicht heißt, dass nichtviele Mängel offenkundig wären undwir nicht über diese Mängel sprechenmüssten – und dass wir nicht klarma-chen müssten, dass wir nicht immereinverstanden sind. Wie mit den Män-geln umgegangen wird, ist eine andereSache.Die Bewertungskommission ist ausdem sogenannten Expertengremiumhervorgegangen, das, wie der Nameschon sagt, mit Expertinnen undExperten besetzt war. Dieses wurdezur Bewertungskommission erweitertdurch Vertreter/innen der öffentlichenHand, der Kommunen, der kommuna-len Spitzenverbände etc. Momentansind in der Bewertungskommissionnur zwei Personen aus der Praxis ver-treten: ein Kollege aus dem Bereichder Volkshochschulen und ich. Ich bin Vizepräsident des Verbandes derDeutschen Privatschulen und reprä-sentiere eher die privaten, nicht ge-förderten Träger, die in diesem Bereichtätig sind. Doch in der Kommissionvertrete ich nicht in erster Linie denVerband, sondern vielmehr die Praxis.

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Was mich in letzter Zeit auch um-treibt, ist die sogenannte Sprachver-festigung – was geschieht nach den600 Stunden? Aus unserer langenErfahrung haben wir eines gelernt: Die Leute fallen wieder in ihre altenGewohnheiten zurück. Wenn sichheute die gleichen Leute in den Kursenwiederfinden, die schon 1976, 1978oder 1980 dabei waren, ist etwasfalsch gelaufen. Aber was? Wir habendamals gute Arbeit geleistet, aber esfehlten Folgemaßnahmen wie eineberufliche Qualifizierung oder eineschulische Ausbildung. Doch wenndie Teilnehmer/innen nach 600 Unter-richtsstunden wieder in ihren „Dunst-kreis“ entlassen werden, verfallen siein schlechtes Deutsch. Sie sprechenzwar weiterhin Deutsch, fallen alsonicht zwangsläufig in ihre Herkunfts-sprache zurück. Doch innerhalb derFamilie beispielsweise wird eine Spra-che verwendet, die nicht dem „reinenDeutsch“ entspricht, sondern die einDeutsch mit grammatischen Fehlern,falschen Wörtern, falscher Wortfolgeist … Und solange wir ihnen keinevernünftigen Anschlussmaßnahmenanbieten, werden sie diese falschenGewohnheiten kultivieren.

Dr. Spohn:

Mit vernünftigen Anschlussmaßnah-men dafür sorgen, dass die Menschendas Erlernte auch im beruflichen Alltagnutzen können – Herr Stummvoll,die Stadt München stellt 1,9 Millio-nen Euro aus ihrem Haushalt fürberufsqualifizierende Sprachkursezur Verfügung und 600.000 Euro füreine qualifizierte Migrationsberatung.Wie begründen Sie das in Zeiten so knapper Kassen?

Stummvoll:

Was Herr Pavkovic für Stuttgart dar-gestellt hat, gilt auch für München:Die Kommune engagiert sich, weil siedas Feld kennt, den nötigen Überblickhat und dadurch in der Lage ist, gezieltauf dem bereits Vorhandenen mit zu-sätzlichen Angeboten aufzubauen. Dasliegt in unserem eigenen Interesse;diese politische Verantwortung sehenwir genauso wie die Kolleginnen undKollegen in Stuttgart. Darüber hinausist die Landeshauptstadt Münchenaber schon seit Jahren bestrebt, imHinblick auf IntegrationsmaßnahmenErgebnisse zu erzielen – und daskostet eben Geld. Unser Engagement konzentriert sichvor allem auf drei Bereiche: Zum einen müssen wir einen Schwer-punkt auf Bildung legen. So weisen 45 Prozent der Langzeitarbeitsloseneinen Migrationshintergrund auf. Dasist beunruhigend; hier muss angesetztwerden. In vielen Fällen hat die Ar-beitslosigkeit etwas mit fehlendenSprachkenntnissen zu tun. Hier nutzenwir das Geld des Bundesamtes undbauen darauf auf. Tatsächlich kannman nach den 600 Stunden nicht einfach aufhören. Fachleute sagen,

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§Fachtagung: Podiumsdiskussion

§ Dr. Spohn:

Herr Ryfisch, im Hinblick auf dieSprachkurse existiert sehr viel Fach-wissen: Expertisen aus dem Sprach-verband, den Kommunen, der Bewer-tungskommission und der InitiativePro Integration. Wie gehen nun in Ihrem Haus, dem Bundesamt,Entscheidungsfindungsprozesse vor sich? Die von Ihnen zugezogenenExpertinnen und Experten beklagenoft, dass ihre Empfehlungen nichtberücksichtigt werden, und haben den Eindruck, ihre Einschätzungenspielten bei den von Ihnen danngetroffenen Entscheidungen keineRolle.

Ryfisch:

Die Mühlen der Verwaltung mahlenlangsam. Das gilt auch für die Ent-scheidungsprozesse beim Bundesamt.Zugegebenermaßen mag von außender Eindruck entstehen, dass die an uns herangetragenen Informa-tionen und das Fachwissen nicht inerwünschtem Umfang einfließen und zu den erhofften positiven Reaktionenführen. Auch wenn wir versuchen,dies Schritt für Schritt zu erreichenund nach außen zu vermitteln. Doch das ist ein langsamer Prozess. Wie bereits erwähnt, hat sich dieSprachkurslandschaft sehr stark verändert, aktuell nochmals durch das Zuwanderungsgesetz. Zu ver-muten ist, dass der Gesetzgeber unddie politischen Entscheidungskräftenun erst abwarten und sehen wollen,wie sich das gegenwärtige Systemetabliert. So verstehe ich jedenfalls die Rückmeldungen aus dem politi-schen Raum.

dass man nach 600 Stunden nicht inder Lage ist, eine qualifizierte Tätigkeitaufzunehmen – ja, eigentlich überhauptkeine Tätigkeit. In diesem Bereichmüssen Verbundsysteme aufgebaut,Sprachangebote mit Qualifizierungs-maßnahmen gekoppelt und es musseruiert werden, in welchem berufli-chem Feld – ob Dienstleistungen oderHandwerk – welche Qualifikationennötig sind. Seit vielen Jahren unter-nimmt die Landeshauptstadt Münchendiesbezügliche Anstrengungen – übri-gens lange, bevor es die ARGE über-haupt gab. Das hat in München alsoauch Tradition; wir wollen diese mitden neuen Angeboten verknüpfen. Der Kommune kommt hier in der Tateine Koordinierungsfunktion zu. DieGesellschaft im Allgemeinen und die Stadtverwaltung im Besonderen müssen sich auf die Realität einstel-len. 30 bis 40 Prozent der MünchnerBevölkerung weisen einen Migrations-hintergrund auf, das heißt, dieseStadtgesellschaft ist inter- und multi-kulturell und dies muss berücksichtigtwerden – auch durch die Initiierungund den Auf- und Ausbau von Pro-jekten. Mit dem Bundesamt ist inMünchen ein neuer Akteur aufge-treten, der nun auch eingebundenwird. Einige wenige Kommunen bun-desweit – München gehört dazu –haben sich schon immer den „Luxus“geleistet, in diesen Bereich zu inves-tieren, weil es sich ausgezahlt hat.Schon immer haben wir eigene Vor-stellungen von Migrationsarbeit for-muliert, sie mit den Verbänden aus-gearbeitet und in Ergänzung zu denRegelsozialdiensten eingesetzt. Neben der Neuausrichtung der Mig-rationserstberatung liegt unser Augen-merk insbesondere auf der nach-holenden Integration. Das (finanzielle)Engagement ist also nicht uneigen-nützig, sondern ein in hohem Maßeeigennütziges Unterfangen. Es hatetwas mit Erfolg zu tun. Wir sind der Überzeugung, dass es sich letztendlich rechnet.

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Die Anregungen, die – in welcherForm auch immer – an uns heran-getragen werden, sowie die Kritik – ob positiv oder negativ – verhallen beiuns nicht ungehört; wir nehmen siesehr wohl zur Kenntnis und leiten sieweiter, auch ans Innenministerium.Wo wir reagieren können, tun wir dies gern. Und in den Fällen, in denenwir keinen Entscheidungsspielraumhaben, berichten wir unserer vorge-setzten Behörde und werden dort vor-stellig. Die Erkenntnisse liegen alsoalle vor, allein die Reaktion erfolgt sehr zögerlich.

Dr. Spohn:

Wie mehrfach gehört, beteiligen sichdie Kommunen aus ihrem eigenenHaushalt an der Weiterfinanzierungvon Maßnahmen, weil sie es alsInvestition in die Zukunft betrachten.Herr Ryfisch, Sie selbst arbeiten ineiner Behörde, die sich jetzt „Kom-petenzzentrum für Migration“ nennt.In welcher Form planen Sie dieKommunen in ihrer flankierendenMigrationsarbeit zu unterstützen?Wie ist das Bundesamt mit denKommunen verzahnt?

Ryfisch:

Die Verzahnung mit den Kommunenerfolgt in erster Linie durch die Regio-nalkoordinatorinnen und -koordinato-ren. Sie sind unser Sprachrohr nachaußen, unser wichtigstes Instrument,durch das wir auch mit den Kommu-nen und den Sprachkursträgern inKontakt stehen. Früher gab es sehr kompakte Sprach-kursangebote, teils mit sehr hohemStundenkontingent – doch diese Zeitensind vorbei. Der Bund sieht die Integ-rationskurse und die Migrationserst-beratung als Grundangebot. Darüberhinaus ist er aber bestrebt, die Maß-nahmen, die von unterschiedlichenSeiten und verschiedenen Akteurenfinanziert werden, zusammenzuführenund zu einem effektiven Ganzen zuverbinden. Diese Verbundprojektemüssen gefördert und koordiniert wer-den. Solche Angelegenheiten könnennicht zentral vom Bundesamt be-stimmt werden, weil hier regionaleund lokale Unterschiede zum Tragenkommen und die Details von Kommu-ne zu Kommune sehr unterschiedlichsind. Aber gemeinsamer Ausgangs-punkt ist immer der Integrationskurs,Grundbaustein ist die Migrationserst-beratung. Davon ausgehend müssendann vor Ort alle Beteiligten in Zu-sammenarbeit und unter Führung derKommunen folgende Aspekte klären:Wo stehen wir? Welche Bedarfehaben wir? Welche Fördermittel gibtes vom Land oder möglicherweisevon der EU? Was möchte die Stadtbeisteuern?

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§Fachtagung: Podiumsdiskussion

§Verschärfungen einführt, wie in letzterZeit häufiger geschehen. Vielmehrsollten die Zügel etwas lockerer ge-lassen werden, bis die vereinbartenVeränderungen endlich greifen. Außerdem sollten einige Dinge bereitsvor Abschluss der Evaluation geändertwerden, zum Beispiel im Hinblick aufdie finanzielle Ausstattung und die Er-weiterung der Jugendkurse. Immer-hin setzen wir derzeit jeden MonatTausende von Jugendlichen nach 600Stunden Sprachkurs einfach „auf dieStraße“. Nach einem halben Jahr sindwahrscheinlich deren im Kurs erwor-bene Deutschkenntnisse erheblichreduziert, weil sie sich nur noch inner-halb ihres „Dunstkreises“ bewegen.Natürlich gibt es seitens der Kommu-nen Anstrengungen, dem entgegen-zusteuern, wie die Beispiele aus Mün-chen und Stuttgart zeigen. Doch dieSituation auf dem Land ist bedenklich:Oft erfahren wir, dass die Leute nachdem Deutschkurs einen Ein-Euro-Jobannehmen – das kann doch keineZukunftsperspektive für junge Men-schen sein! Es kann doch nicht sein,dass alle bildungsfern, lernunwillig und schwierig sind! Schließlich gibt es auch noch die Klientel, die sehr gebildet und bildungshungrig ist,gerne in die Schule gehen und einenguten Beruf erlernen möchte. Unddiese jungen Leute lassen wir dannjeden Monat im Regen stehen …Daher die Bitte nach raschen und vorgezogenen Änderungen einigerPunkte.

Dr. Spohn:

Frau Dr. Brock, gibt es auch in Nürn-berg ähnliche Finanzierungen jenseitsder Integrationskurse wie in Stuttgart,München und anderen Städten?Arbeiten Sie unabhängig von den Fi-nanzmitteln, die das Bundesamt zurVerfügung stellt? Haben Sie eigeneGelder, um die Integration stärkerzu fördern? Wenn ja, in welcheMaßnahmen investieren Sie?

Dr. Brock:

Selbstverständlich finanziert die StadtNürnberg als Kommune unterschied-liche Maßnahmen. Die Stadt Nürnbergist gerade dabei, eine „Bildungsoffen-sive für Menschen mit Migrationshin-tergrund“ – so der Arbeitstitel – zuplanen. Wir wollen einen Überblickdarüber bekommen, was derzeit imgesamten Bildungsbereich von derStadt finanziert und kofinanziert wird.

Dr. Spohn:

Frau Henke, was möchten Sie ausder Perspektive von Pro Integrationdem Vertreter des Bundesamtesmit auf den Weg geben?

Henke:

Die Forderungen sind ja bekannt undwurden hier auch immer wieder vonden Sprachkursträgern geäußert. So wünschen wir uns dringend eineBeschleunigung des ganzen Prozes-ses. Aus eigener Erfahrung weiß ich,dass fast alle Sprachkursträger, dieIntegrationskurse durchführen, baldam Ende ihrer Kräfte sind. Zum einenin finanzieller Hinsicht, denn wir kön-nen nicht noch ein weiteres Jahr aufder derzeitigen finanziellen Grundlageüberstehen. Einige Sprachkursträgerwerden aufgeben müssen. Zum ande-ren aufgrund des enormen Verwal-tungsaufwands. Wir wünschen unsnatürlich auch, dass das Bundesamt in der jetzigen Situation, in der dieSprachkursträger sowieso sehr ange-spannt sind, nicht auch noch unnötige

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Integrationskurse – Bilanz nach einem Jahr §Dr. Spohn:

Bitte erläutern Sie in zwei Sätzen,was Sie sich aus Ihrer jeweiligenPosition als nächste Schritte wünschen.

Stummvoll:

Aus meiner Sicht sollte man dieThemen, die seit einiger Zeit immer wieder aufgegriffen werden, endlichangehen, etwa die Sache mit den 2,05 Euro oder auch den Verwaltungs-aufwand. Wie kann das System ver-schlankt, aber auch fairer finanziertwerden? Es ist toll, dass unsere Gesellschaft Integrationkurse anbietet– doch jetzt, nach einem Jahr, mussder Gesetzgeber überlegen, wie sieweiterentwickelt werden können, und zwar am besten zeitnah!

Gleichmann:

Ich wünsche mir mehr Kompetenzenfür das Bundesamt – in zweifacherHinsicht. Aus meiner Erfahrung in verschiedenen Arbeitsgruppen, indenen es auch um Verbundprojektegeht, weiß ich, dass die Verzahnungverbessert werden muss. Mehr Infor-mationen müssen beim Bundesamtzusammenfließen; von dort aus mussdann die intensive Verzahnung, Ab-stimmung und Koordination erfolgen.Dies gilt beispielsweise auch für Projekte wie Maßnahmen zur Sprach-verfestigung und Anschlussmaßnah-men für Jugendliche. Dem Bundesamtmüssen mehr Handlungsspielräumegewährt und mehr Kompetenzen inder Mittelverwaltung zugestandenwerden.

Pavkovic:

Aus Sicht der Kommunen wurdebereits alles gesagt. Ein andererAspekt: Der Adressat des heutigenThemas – Bilanz der Integrationskursenach einem Jahr – ist die politischeEntscheidungsebene. Mit RambøllManagement ist eine kompetenteFirma mit der Evaluation betraut, doch auch die von ihr ermitteltenErgebnisse werden nicht eins zu einsumgesetzt werden. Natürlich wird esnach Abschluss der Evaluation Ende2006 entsprechende politische Ent-scheidungen geben – zu bedenken ist jedoch, dass die Sprachkursträgernicht solange warten können. DiePolitik muss schon vorher neue Mittelbereitstellen zur Verbesserung des bestehenden Angebotes und der Rah-menbedingungen für Sprachkursträger. Auch ich bin der Meinung, dass dasBundesamt mehr Kompetenzenbraucht. In der Politik, auf allen Ent-scheidungsebenen sind wirksameKommunikationsstrukturen vonnöten.

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§Fachtagung: Podiumsdiskussion

§ Henke:

Im Hinblick auf die meines Erachtenssehr wichtige sozialpädagogischeBegleitung wünsche ich mir flächen-deckend eine verbesserte Zusammen-arbeit zwischen den sozialpädago-gischen Beratungsdiensten und denSprachkursträgern – beide Seiten sollten aufeinander zugehen. In meiner Einrichtung in Stuttgart hat es sich beispielsweise bewährt, dass sich die Büros der Sozialpäda-goginnen und -pädagogen neben den Klassenzimmern befinden.

Dr. Spohn:

Ich danke allen an der DiskussionBeteiligten für ihre Beiträge und demPublikum für seine Aufmerksamkeitund ebenfalls für die Beiträge. Wir allesind sehr gespannt auf die Ergebnisseder Evaluation – vielleicht ergibt sich,wenn es soweit ist, erneut die Mög-lichkeit, sie in einem ähnlichen Kreisvorzustellen.

Ryfisch:

Ich wünsche mir von den Kommunen,den Trägern und den Migrationserst-beratungen eine bessere Zusammen-arbeit – bundesweit. Es gibt bereitssehr viele Beispiele für eine solchegute Zusammenarbeit, doch das trifftleider nicht überall zu. Außerdem sollte die Diskussion umdie Verwaltung und Finanzierung derIntegrationskurse beendet werden,und zwar zur Zufriedenheit aller. Dannkönnten sich alle Beteiligten verstärktanderen Fragen widmen.Und ich wünsche mir vor Ort einebessere Koordinierung sämtlicherMigrationsmaßnahmen, sei es bundesweit oder länderweit.

Dr. Brock:

Zusätzlich zu den bisher geäußertenBitten an das Bundesamt wünsche ich mir eine rasche Optimierung desSerienverfahrens sowie eine schnelleRegelung der konzeptionellen Seitebei speziellen Kursen und Orientie-rungskursen, damit hier schnell gehandelt werden kann. Ein weiterer Wunsch richtet sich nichtnur an das Bundesamt, sondern analle Beteiligten: Ich habe den heutigenAustausch zwischen den Kommunenund im Beisein des Bundesamtes alssehr spannend und auch sehr hilfreichempfunden. Daher plädiere ich füreine Fortsetzung dieses Austauschsim nächsten Jahr – sowohl der Kom-munen untereinander, aber auch mitdem Bundesamt.