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BERITTENE POLIZEI HANNOVER JAHRE 1815 − 2015 Ein historischer Rückblick

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BERITTENE POLIZEI HANNOVER

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1815 − 2015Ein historischer Rückblick

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GrußwortInhaltsverzeichnis

GRUSSWORTE 4

DER ANFANG 10

DIE LANDDRAGONER 12

AUS LANDDRAGONERN WERDEN LANDGENDARME 15

HANNOVER WIRD TEIL VON PREUSSEN 16

LANDGENDARME ALS MILITÄRPOLIZEI 20

DER ERSTE WELTKRIEG UND DIE FOLGEN 21

DIE WEIMARER REPUBLIK 22

DIE ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS 25

DER ZWEITE WELTKRIEG 26

DIE NACHKRIEGSZEIT – EIN NEUBEGINN 27

DIE STUDENTENPROTESTE UND DER DEUTSCHE HERBST 31

IN EIN NEUES JAHRTAUSEND 36

EINSATZBEREICHE DER BERITTENEN POLIZEI 39

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Grußwort

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Grußwort Grußwort

die Castor-Einsätze unterstreichen, dass die niedersächsischen Dienstpferde ein sehr wirksames und vielversprechendes Einsatzmittel der Polizei sind.

Ihre Aufgaben in der gegenwärtigen Zeit sind sehr umfangreich:

Neben dem täglichen Streifendienst, Durchsuchungsaktionen unwegsa-mer Geländeabschnitte, Fahndungen oder der Öffentlichkeitsarbeit wie z.B. an Tagen der offenen Tür stehen insbesondere größere Sportver-anstaltungen und Versammlungen im Auftragsbuch der Reiterstaffel. Ich denke hier nur an die Begleitung der zahlreichen Fußballspiele, z.B. die Derbys zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig oder an die demonstrativen Großveranstaltungen wie zuletzt die HoGeSa- bzw. Hagida-Kundgebungen. In all diesen Einsätzen bewährt sich das Dienstpferd als multifunktionales Einsatzmittel.

Die erhöhte Sitzposition und die damit einhergehende bessere Über-sicht und Sichtbarkeit, die Beweglichkeit, die Schnelligkeit oder die Geländegängigkeit sind nur einige der unverzichtbaren einsatztak-tischen Vorteile. Darüber hinaus stellen die Polizeireiterinnen und Polizeireiter durch den hohen Einsatzwert ihrer Tiere nicht nur einen wesentlichen Faktor zur Eigensicherung der übrigen Polizeikräfte dar, das Dienstpferd ist auch ein nicht zu übersehender Sympathieträger. Es ist ein Aushängeschild der niedersächsischen Polizei.

An dieser Stelle gilt mein Dank, mein Respekt und meine Anerkennung allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der berittenen Polizei Hanno-ver, die mit ihrer engagierten und hochwertigen Arbeit dieses Jubiläum erst möglich gemacht haben.

Ich wünsche Ihnen fröhliche und unvergessliche Jubiläumsfeierlichkei-ten und für die Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg!

Boris PistoriusNiedersächsischer Minister für Inneres und Sport

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

eine Organisationseinheit, die auf zwei bewegende Jahrhunderte zurückblicken kann, hat wahrlich allen Grund zu feiern. 200 Jahre berittene Polizei Hannover bedeuten 200 Jahre dauerhaftes Engage-ment, eine hohe Einsatzbereitschaft und viele Stunden unermüdlichen Einsatzes im Dienst für die Allgemeinheit. Zu diesem besonderen Jubi-läum gratuliere ich Ihnen ganz herzlich.

Das Land Niedersachsen ist aus seiner Geschichte und der Kultur her-aus den Pferden in besonderer Weise verbunden. Nicht nur das sprin-gende Ross im Landeswappen macht dies deutlich. Niedersachsen ist das Pferdeland. Die Pferdezucht hierzulande gilt als eine der bedeu-tendsten der Welt. Nicht umsonst genießen Hannoveraner- und Olden-burger-Pferde ein weltweit herausragendes Ansehen.

Die berittene Polizei ist seit nunmehr zwei Jahrhunderten ein wichti-ger Bestandteil zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit. Dieser lange Zeitraum beinhaltet eine Menge geschichtlicher Ereignisse, die diese Organisationseinheit tangiert und verändert haben.

Mit der Einrichtung eines dem französischen Vorbild ähnlichen Corps bewaffneter Polizeidiener nahmen am 1. Mai 1815 berittene Unteroffiziere ihren Dienst auf. In der Folge des Deutschen Krieges von 1866 sowie der beiden Weltkriege kam es immer wieder zu Neustrukturierungen und wechselnden Bezeichnungen der berittenen Polizei. Bereits ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es den Verantwortlichen die Reiterstaffel wieder in einen akzeptablen Zustand zu versetzen, sodass im Jahr 1947 erste Einsätze, u.a. bei der damaligen „Exportmesse“, wahrgenommen werden konnten.

Mit den Abordnungen der Reiterstaffel zu den Ostfriesischen Inseln und in die Lüneburger Heide wurde die berittene Polizei ab 1961 fortan bei diversen Groß- und Sonderlagen eingesetzt. Die Aufnahme in das Einsatzkonzept der Polizei bei Fußballspielen 1985 und die effiziente und erfolgreiche Bewältigung der weltöffentlichen Großeinsätze wie z.B. die EXPO 2000, die Fußball-WM 2006, die G8-Gipfel oder

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Gäste der Polizei Hannover,

es ist mir eine Ehre und Freude zugleich, Sie aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der berittenen Polizei Hannover auf dem geschichts-trächtigen Gelände der Reiterstaffel willkommen zu heißen.

Überlieferungen zufolge waren die damaligen „Landdragoner“ im Jahr 1815 zunächst auf sieben „Landdrosteien“ aufgeteilt, bevor die „beritte-ne Bereitschaft“ im Juli 1920 ihre erste gemeinsame Unterkunft an der Ecke Welfenplatz / Schützenstraße erhielt.

Nachdem die dort befindliche Kaserne den Angriffen des Zweiten Weltkrieges zum Opfer fiel, entwickelte sich das heutige Gelände der Reiter- und Diensthundführerstaffel (RuH) von einer Polizeiausbil-dungsstätte zu einer Dienststelle sowohl für die RuH als auch für wei-tere Polizeieinheiten.

Das aus dem Englischen stammende Zitat „Die Erde wäre ein Nichts ohne den Menschen, aber der Mensch wäre ein Nichts ohne das Pferd“, an welches ich mich insbesondere bei dem Anblick unserer Polizei-pferde im Einsatz immer wieder respekt- und ehrfurchtsvoll erinnere, soll den Stellenwert des Menschen keinesfalls mindern. Es beschreibt jedoch sowohl die Wichtigkeit des Rosses als Einsatzmittel als auch die geheimnisvolle Aura, die diese so würdevollen Tiere umgibt, sehr treffend.

Und diese Erkenntnis ist nicht nur eng mit der 200-jährigen Ära der Rei-terstaffel Hannover verbunden. Bereits seit Mitte des 15. Jahrhunderts setzte man in Hannover auf die Wirkung eines „Reitenden Dieners“.

Der Reiterstaffel der Polizeidirektion Hannover gehören derzeit 35 Kol-leginnen und Kollegen mit 32 Dienstpferden an. Ein Arbeitsplatz, der sowohl die Pflege der Tiere als auch deren Verwendung im alltäglichen Streifendienst bis hin zu Großeinsätzen beinhaltet. Für viele der Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter ist diese Tätigkeit eher Berufung als Beruf.

Ich wage bereits an dieser Stelle die Behauptung, dass wir für Sie ein interessantes, unterhaltsames und informatives Programm zum Stau-nen, Genießen, aber auch Wohlfühlen vorbereitet haben, bei dem auch unsere kleinen Gäste nicht zu kurz kommen werden.

Lassen Sie sich überraschen!

Gemeinsam haben wir uns dazu entschlossen, die am heutigen Tag erzielten Erlöse dem Verein „Glücksmomente“, einem Verein zur Förderung pferdegestützter Therapie und Pädagogik aus der Region Hannover, der erst im Jahre 2012 gegründet wurde und sich vollständig aus Spenden und Fördergeldern finanziert, zukommen zu lassen. Meiner Meinung nach eine wunderbare sowie schlüssige Idee, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanke.

Ihnen allen wünsche ich eine schöne Zeit bei und mit Ihrer Polizei Hannover und, am heutigen Tag, insbesondere mit den Kolleginnen und Kollegen unserer Reiterstaffel.

Viel Vergnügen!

Volker KluwePolizeipräsident

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Grußwort

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Grußwort Grußwort

Liebe Leserinnen und Leser,

bei Gründung der berittenen Polizei Hannover vor rund 200 Jahren war die Fortbewegung auf dem Pferd im gerade neugeründeten Königreich Hannover noch die schnellste Möglichkeit, von Ort zu Ort zu kom-men. Heute haben die Transportmittel der Polizei deutlich mehr als ein PS. Dass die Pferdestaffel dennoch weiter existiert, hat seinen guten Grund: Wo die berittene Polizei auftaucht, wirkt sie deeskalierend. Zum einen flößen die stolzen Tiere Respekt ein, zum anderen sind sie Sym-pathieträger. Wer indes glaubt, der Dienst mit Pferd müsse eher ein Hobby sein, irrt: Bei Demonstrationen, Großveranstaltungen, aber auch im normalen Streifendienst gehört die Reiterstaffel zum Bild. Viel Dis-ziplin und eine gute Ausbildung sind notwendig, um als Reiterin oder Reiter an solchen Einsätzen teilzunehmen.

Dass Hannover über die größte Reiterstaffel im Bundesgebiet verfügt, ist eine Besonderheit. Die berittenen Polizistinnen und Polizisten sind auf Anfrage auch andernorts im Einsatz – und damit indirekt Botschaf-ter der Region Hannover. Ich bin zuversichtlich, dass die Reiterstaffel Hannover auch in den nächsten 200 Jahren nicht um ihren Bestand bangen muss. Allen, die mit ihren Tieren im Einsatz sind oder die Pferde pflegen, möchte ich an dieser Stelle für ihre Arbeit danken. Ich wünsche Ihnen eine gelungene Feier zum 200-jährigen Bestehen der berittenen Polizei Hannover!

Hauke JagauRegionspräsident

Berittene Polizeikräfte sind für Hannoveranerinnen und Hannoveraner ein gewohntes Bild. Nicht nur zu Großeinsätzen, sondern auch im Strei-fendienst. Die Reiterstaffel der Polizei Hannover gehört zum Alltag und zum Stadtbild – und das nun schon seit 200 Jahren. Nachdem Hannover 1814 zum Königreich wurde, gründete man zum 1. Mai 1815 ein Corps bewaffneter Polizeidiener nach französischem Vorbild. Die Geschichte der Staffel in den folgenden zwei Jahrhunderten ist wechselhaft und war stets von den politischen Verhältnissen geprägt. Dem Königreich folgte die preußische Provinz, später dann nach den Weltkriegen und der dunklen Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft das Land Niedersachsen mit Hannover als Hauptstadt. So wechselte auch die Zuordnung der berittenen Polizei, die zeitweilig auch zum Militär gehörte.

Sie gehörte jedoch immer zu Hannover und hat auch ein Stück Stadtge-schichte mit geprägt. Ich gratuliere der Polizeidirektion Hannover zum 200-jährigen Bestehen dieser besonderen Einheit und nutze gern auch die Gelegenheit allen Polizistinnen und Polizisten, hier natürlich beson-ders denen der Reiterstaffel, für ihren verantwortungsvollen Dienst zu danken. Weithin sichtbar und auch in unzugänglichem Gelände ein-setzbar vermitteln berittene Polizeikräfte ein besonderes Gefühl von Sicherheit. Polizeistreifen sind so auch in Hannovers beliebtem Stadt-wald, der Eilenriede, möglich.

Das Jubiläum bietet einen guten Anlass, die Verdienste und Vorteile der Reiterstaffel einmal mehr in den Vordergrund zu stellen. Pferde und Reiter werden auch außerhalb Hannovers eingesetzt, nicht nur bei größeren Veranstaltungen oder Demonstrationen, sondern auch im Streifendienst, z.B. im Sommer auf den Nordseeinseln. Sie sind damit auch Botschafter der Stadt. Vielen Dank dafür! Über 30 Pferde stehen derzeit im Polizeidienst und es sind überwiegend Hannoveraner. Auch die Pferderasse passt also. Eine urhannoversche Institution wird 200:

Herzlichen Glückwunsch und weiterhin alles Gute!

Stefan SchostokOberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover

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„Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen.“

Winston Churchill

Getreu diesem Motto hat sich die Reiterstaffel Hannover mit ihrer eige-nen Geschichte beschäftigt, in der festen Überzeugung, dass das Pferd als Einsatzmittel auch in der Zukunft seinen Platz in der Polizei haben wird.

Der folgende Rückblick dreht sich um die Entwicklung der berittenen Polizei in der Landeshauptstadt Hannover.

DER ANFANG

Die Zeit der berittenen Polizei in Hannover reicht zurück bis in das beginnende 19. Jahrhundert. Nach der Niederlage Napoleons I kam es auf dem Wiener Kongress zur Neuordnung der Landkarte Europas. Dabei entstand im Jahre 1814 das Königreich Hannover als Nachfolgestaat für das von Napoleon aufgelöste Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg.

Parallel dazu wurde in Hannover eine Stän-deversammlung einberufen. Dabei handelte es sich um eine Zusammenkunft von Vertre-tern der Kirche und des Adels, aber auch eini-ge Bürger der Städte und andere Nichtadlige waren zugelassen.

In der 30. Sitzung dieser Ständeversammlung fiel am 21. Januar 1815 folgender Beschluss: „Der gestern gemachte Vorschlag, wegen einer der Französischen Gendarmerie ähnlichen Ein-richtung, wird angenommen.“

Damit wurde ein wesentlicher Schritt zur Modernisierung des Polizei-wesens im Königreich Hannover getan.

Die neue Landpolizei nach französischem Vorbild wurde jedoch nicht Gendarmerie, sondern Landdragoner genannt. Ab dem 25. April 1815 regelte eine Anordnung des Prinzregenten Georg in 121 Paragraphen die Organisation und den Dienst der neuen Polizeieinheit.

Daran ausgerichtet nahm das Korps ab dem 1. Mai 1815 seinen Dienst auf. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Einheit unter anderem 9 Offiziere und 238 Unteroffiziere - darunter 234 hoch zu Ross. Das Jahr 1815 gilt deshalb als die eigentliche Geburtsstunde der berittenen Polizei Hannover.

21.01.181525.04.1815

01.05.1815

Geburtsstunde des Königreiches Hannover

Parlaments- beschluss zur Ein-richtung berittener Ordnungskräfte

Einrichtung des Korps

Dienstaufnahme des Korps

1814

Flagge von Hannover 1837 - 1866

Putzger – Historischer Weltatlas, 89. Auflage, 1965

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DIE LANDDRAGONER

Die Bezeichnung Gendarm wurde vor dem Hintergrund der gerade been-deten Besatzungszeit und der Abneigung gegen alles „französische“ in dieser Zeit absichtlich vermieden. Unter der Bezeichnung Landdrago-ner verstand man damals berittene Infanterieeinheiten, die ihre Pferde nicht für Kampfzwecke einsetzten.

Die neuen polizeilichen Landdragoner hatten Nachrichten über Ver-brechen und Vergehen zu sammeln und weiterzugeben, aber auch sel-ber Täter zu verfolgen und festzunehmen. Neben der Verfolgung von Straftaten kam ihnen die Aufgabe zu, Unruhen innerhalb der Bevölke-rung, so genannte Zusammenrottungen, zu zerstreuen. In diesen Fäl-len sollten sie auch ihre Waffen einsetzen dürfen, aber ausschließlich zur Abwehr von Gewalttätigkeiten oder aufgrund eines ausdrücklichen Befehls der höheren Vorgesetzten.

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Die Landdragoner waren de facto Soldaten, wie ihre französischen Vor-bilder, und die Zivilbehörden konnten ihnen nur für einzelne polizeili-che Tätigkeiten Anweisungen erteilen.

Aufgrund dieser Nähe zum Militär wurden die Angehörigen des Korps vorzugsweise aus den Reihen der Soldaten gewonnen. Die Vorausset-zungen für den Dienst bei den Landdragonern waren aber trotz dieser militärischen Prägung den Einstellungsvoraussetzungen der heutigen Polizei nicht unähnlich. So heißt es im Reglement:

„Sie müssen zwischen 20 und 40 Jahr alt, von guter Gesundheit, einem kräftigen Wuchse und nicht unter 5 Fuß 6 Zoll groß sein; sie müssen fertig lesen und schreiben können, den unverletzten Ruf der Treue, Ehrlichkeit, Nüchternheit und eines untadelhaften Lebens haben, auch wegen eines Verbrechens nicht bestraft worden sein, ...“

Interessanterweise musste der zukünftige Landdragoner eine vorgege-bene Geldsumme zum Dienstantritt mitbringen, die dann in einen Fond zum Unterhalt der Korps eingezahlt wurde. Wer diesen Betrag nicht aufbringen konnte, dem wurde er vorfinanziert.

Die Landdragoner waren in den sieben Verwaltungsbezirken statio-niert, die im Königreich Hannover Landdrosteien genannt wurden. Die Größe eines solchen Bezirks entsprach der Größe mehrerer Landkreise von heute und Herr über eine Drostei war der Drost (den ehemaligen Regierungspräsidien ähnlich).

Die wohl erfolgreiche Arbeit der Landdragoner bei der Kriminalitätsbe-kämpfung spiegelt sich in einem Handbuch der Geographie und Statis-tik von 1819 wider. Darin heißt es:

„Die königlichen Landdragoner, die den Dienst der Gens’darmen verrichten und die öffentliche Sicherheit beschützen,... Sie haben seit ihrer Einrichtung vom 1. Aug. 1815 bis Ende März 1817, 4414 Straßenräuber, Mörder, Diebe, Deserteurs, Vagabunden und andere verdächtige Personen arretiert.“

Landdragoner = berittener Soldat, der auf dem Lande patroulliert

De facto Soldaten, keine

Polizisten

Einstellungs- voraus-

setzungen

Landdrosteien = nordd. für

Verwaltungsbezirk

Landdragoner am Steintor 1835

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AUS LANDDRAGONERN WERDEN LANDGENDARME

Ein Jahr später, 1838, wurde noch die Bezeichnung der berittenen Poli-zeieinheiten von Landdragoner in Landgendarmerie geändert. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise lag es in des Königs Bewunderung für den großen Nachbarn Preußen. Dort hießen die Land-polizeieinheiten schon seit ihrer Gründung Gendarmerie.

Mit dieser Veränderung ging wiederum eine Aufstockung des Korps einher, das 1842 eine Stärke von 399 Mann und 178 Pferde hatte. Allein in der Stadt Hannover waren jetzt 17 Mann und 16 Pferde stationiert.

Die Geschichte der Landdragoner setzte sich fort und 1822, sieben Jah-re nach ihrer Gründung, wurde beschlossen, das Korps auf 320 Mann aufzustocken. Dafür wurde das Reglement von 1815 überarbeitet.

In diesem Schriftstück (siehe Grafik) wurde die Organisation des gesamten Korps – von der Aufgabenverteilung über die Besoldung, bis hin zur vorgeschriebenen Futtermenge für die Dienstpferde, detailliert aufgelistet.

Als Wilhelm IV, der König von Großbritannien und Irland, 1837 starb und seine Nichte Victoria in England den Thron bestieg, nahm damit die Entwicklung des Königreiches Hannover eine neue Wendung. Die Erbfolgegesetze von Hannover ließen keine Frau als Regentin zu, so dass ihr Onkel, der Herzog von Cumberland, als Ernst August I neuer König von Hannover wurde. Damit endete eine 123-jährige Personal-union in der Regentschaft zwischen Großbritannien und Hannover.

Aufstockung des Korps auf 320 Mann

Ende der Personalunion mit Großbritannien

Aufstockung des Korps auf 399

Mann

Aus Landdra-gonern werden Landgendarme

1822

1837

1842

1838

Gesetze und Verordnungen für das Königreich Hannover aus dem Zeitraume 1813 bis 1839; 7. Band, 6. Abteilung , Polizei=Sachen, Christian Hermann Ebhardt, Oberlandesgerichtsanwalt, Hannover 1840

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HANNOVER WIRD TEIL VON PREUSSEN

Im so genannten „Deutschen Krieg“ zwischen Preußen und dem Deut-schen Bund unter Führung Österreichs stand Hannover auf der Seite des Verlierers Österreich. Die hannoversche Armee kapitulierte im Juni 1866.

Preußen entthronte daraufhin das hannoversche Königshaus und annektierte das Land Hannover und machte es zu einer seiner Provin-zen. Ein Gesetz, dass 1866 die Vereinigung des ehemaligen Königreichs Hannover mit der Preußischen Monarchie regelte, passte auch die Gen-darmerie an die neuen Verhältnisse an.

Aus dem nun in der Provinz Hannover geltenden Preußischen Allge-meinen Landrecht von 1794 wurde das Verständnis von Polizei über-nommen. Die Definition kommt den heutigen Vorstellungen von den Aufgaben einer Polizei schon sehr nahe. Wörtlich heißt es dort:

„Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern derselben bevorstehenden Gefahr zutreffen, ist das Amt der Policey“. (Mit Publico ist die Öffentlichkeit gemeint)

In der neuen preußischen Provinz, in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern, wurden nach dem Vorbild Berlins Polizeieinheiten als königliche Schutzmannschaften eingerichtet. Allerdings waren die großen Polizeipräsidien und Polizeidirektionen nicht wie in Berlin direkt dem Innenministerium unterstellt, sondern dem jeweiligen Regierungspräsidenten.

Eine organisatorische Regelung, die grundsätzlich bis zur Auflösung der Bezirksregierungen im Jahr 2004 in Niedersachsen Bestand hat-te. Seither gibt es in unserem Land sechs große Polizeidirektionen, die dem Landespolizeipräsidium im niedersächsischen Innenministerium nachgeordnet sind.

Juni 1866

Kapitulation der hannoverschen Armee

Neuorganisation der Gendarmerie

Prägung des Begriffes „Polizei“

Polizeibehörden in der Stadt

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Ausschnitt aus Knötel, Uniformkunde Band XII, No. 54Uniformen Landgendarme Hannover, 1866

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Die Wahrnehmung von Sicherheits- und Ordnungsaufgaben im Stadt-gebiet Hannover durch berittene Schutzmänner der Schutzmannschaft – daher rührt die klassische Bezeichnung für einen Polizisten – wurde bereits um das Jahr 1900 fotografisch festgehalten. Einige dieser Bilder sind uns erhalten geblieben.

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Ausschnitt aus einer historischen Postkarte von 1903 − Café Kröpcke

Der „Schutzmann“

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LANDGENDARME ALS MILITÄRPOLIZEI

Die Nähe der Gendarmerie im Kaiserreich zum Militär wurde auch dadurch deutlich, dass die berittenen Landgendarmen regelmäßig an Manövern des Heeres teilnahmen. Im Kriegsfall wurden sie sogar als Feldgendarme eingesetzt.

Die Feldgendarmerie hatte als Militärpolizei die Ordnung in der Armee zu bewahren. Sie fand aber in militärisch besetzten Gebieten auch als Besatzungspolizei Verwendung.

DER ERSTE WELTKRIEG UND DIE FOLGEN

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges mussten die nicht zum Heeresdienst einberufenen berittenen Gendarmen zum überwiegenden Teil ihre Pfer-de abgeben. Die Armee hatte einen erheblichen Bedarf an Reittieren. Die Gendarmen stiegen zum Ersatz auf moderne Dienstfahrräder um.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 verlor die Gendarmerie ihre militärisch-polizeiliche Doppelstellung – sie war jetzt nur noch Polizei. Daran anknüpfend wurden nach der Ausrufung der Republik die Polizeien in den Ländern des Deutschen Reiches reformiert und neu organisiert.

Dem Zeitgeist folgend setzte eine zunehmende Motorisierung der Poli-zei ein. Auf den Einsatz von Dienstpferden hatte das allerdings vorerst noch keine Auswirkungen. Im Gegenteil - die aus dem Kriegseinsatz zurückkehrenden Kavallerie-Einheiten wurden zum Teil geschlossen in eine neu gegründete Sicherheitspolizei übernommen. Die Sicherheits-polizei war eine kasernierte Polizeitruppe und damit Vorläuferin der heutigen Bereitschaftspolizei.

Doch die alliierten Siegermächte verlangten von Deutschland die Auf-lösung der Sicherheitspolizei, da diese kasernierten Polizeieinheiten ihnen zu militärähnlich erschienen.

Am 1. Juli 1920 wurde als Ersatz für die Reitereinheiten der Sicher-heitspolizei für den Bereich Hannover eine berittene Bereitschaft der Schutzpolizei aufgestellt. Verbunden damit war auch eine Änderung der Bezeichnung. Berittene Polizisten hießen von nun an Landjäger. Dazu kam ein ständiger Reitlehrgang.

Hannover blieb damit einer von 41 Standorten der berittenen preußi-schen Polizei. Die Aufstallung erfolgte in der Kaserne Nr. IV der mili-tärischen Liegenschaft am Welfenplatz. Sie befand sich an der Ecke Welfenplatz/Schützenstraße. Die Gebäude wurden jedoch im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben zerstört.

1918

Juli 1920

Entmilitarisierung der Landgen-

darmerie

Umbenennung der Landgendarmerie

in Landjägerei

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Darstellung eines Feldgendarmen auf einer historischen Postkarte

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Mit dem neuen Motto „Die Polizei – Dein Freund und Helfer“ wollte die Polizei der Weimarer Republik deutlich machen, dass sie sich von der kaiserlichen Obrigkeitspolizei unterschied. Die Polizei des Kaiserreichs war in der Öffentlichkeit aufgrund ihres rauen und herablassenden Umgangstones nicht wirklich beliebt gewesen. Deshalb wollten die Poli-zeireformer der Weimarer Republik mit ihrem neuen Slogan eine frühe Art der Imagepflege betreiben.

Leider blieb die Zeit der Zwanziger- und beginnenden Dreißigerjahre in Deutschland über weite Phasen ein Herd der politischen und öffentli-chen Unruhe. Das hatte auch entsprechende Polizeieinsätze zur Folge mit vielen Toten und Verletzten vor allem in der Anfangs- und End-phase der Republik. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände wirkten sich auch auf die Ausbildung der berittenen Polizeieinheiten aus. Militär-ähnliche Übungseinheiten, wie Aufklärungs- und Erkundungsdienste, Sicherung und der so genannte „Einsatz im Kampfe“ gehörten zum Pflichtprogramm.

DIE WEIMARER REPUBLIK

Das Buch „Die berittene Polizei“ von Polizei-Major Kronberger von 1927 erlaubt einen Blick auf die damalige Ausbildung:

„Der Polizeianwärter beginnt bei einer Polizeischule und wird dort ein Jahr lang ausgebildet. ...Dann erfolgt die Ernennung zum Polizeiwachtmeister; darauf eine einjährige reiterliche Ausbildung bei einem Provinzialreitlehrgang. Nach Abschluss des Kursus, Versetzung zu einem berittenen Polizeikörper. Nach 4-jähriger Dienstzeit rückt der Beamte automatisch auf. Nach 7-jähriger Dienstzeit und nach erfolgreichem Besuch eines Polizei-Oberwachtmeisterlehrganges auf einer Polizeischule erfolgt die Beförderung zum Polizei-Oberwachtmeister. Bei guter reiterlicher Veranlagung ist Versetzung zum Stammpersonal eines Reitlehrganges sehr zu empfehlen.“

„Dein Freund und Helfer“

Angehörige der Reit- und Fahrschule Hannover 1929/1930

Streife in der Eilenriede − Neujahrstag 1921

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DIE ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS

Mit der Übergabe der Regierungsgewalt an die Nationalsozialisten im Januar 1933 endete die erste Demokratie in Deutschland. Wie die gesamte Polizei, so war auch die berittene Polizei schon kurz danach gravierenden Veränderungen unterworfen. Es zog nicht nur ein zuneh-mend militärischer Geist in die Polizei ein, für einige Bereiche ging die Remilitarisierung so weit, dass sie direkt in die neue Wehrmacht ein-gegliedert wurden. Einher ging dies auch mit einer erneuten Umbenen-nung der berittenen Polizei zurück in Gendarmerie.

Nachdem 1935 der Reichstag die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht beschlossen hatte, erließ am 16. März 1935 der Reichs-wehrminister den Befehl zur Überführung der Landespolizeien in die Wehrmacht. Damit wurden auch die meisten der berittenen Polizisten Militärangehörige. Die verbliebenen berittenen Polizeieinheiten sollten möglichst kleine Verbände bleiben.

Die politische Lage machte sie aufgrund radikaler Gesetze und Verord-nungen weitgehend überflüssig, da die traditionellen Einsätze wie bei Demonstrationen und Aufzügen praktisch nicht mehr stattfanden.

Dazu kam noch, dass sich Gauleiter, hohe Beamte der Polizei und Reserveoffiziere Polizeipferde für Reitstunden ausleihen durften, um ihre Reitfähigkeiten zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt waren in Hanno-ver 90 Polizeipferde aufgestallt.

Übernahme der kasernierten

Landespolizeien durch den Reichs-

wehrminister

Verlust der Polizei-gewalt der Länder

Überführung der Landespolizeien in

die Wehrmacht

Umbenennung der Landjägerei

erneut in Gendarmerie

Verkleinerung bzw. Auflösung

verschiedener Reiterstaffeln

1933

16.03.1935

Aufstellung der berittenen Bereitschaft Hannover, dazu Sonderwagen, Diensthundführer und Fußkräfte im Hof der Kaserne am Welfenplatz/Schützenstraße 1929

Begleitung eines Aufzuges der Motor-SA durch berittene Polizeibeamte 1933

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DIE NACHKRIEGSZEIT – EIN NEUBEGINN

In Hannover endete die Zeit des Nationalsozialismus mit dem Ein-marsch alliierter Truppen am 10. April 1945. Hannover gehörte zur britischen Besatzungszone und so wurde die Polizei nach englischem Vorbild im September 1945 neu organisiert. Die verbliebenen Pferde der Polizei wurden von der Besatzungsmacht eingezogen.

Die Polizeischule für die Region Hannover befand sich bis 1946 in der heutigen Liegenschaft der Polizeireiterstaffel in der Kaserne am Wel-fenplatz. Ebenfalls 1946 begann die Nachkriegsgeschichte der beritte-nen Polizei Hannover.

Der britische Militärgouverneur ordnete 1946 die Ausbildung beritte-ner Polizeieinheiten für den Einsatz in ländlichen Gebieten und damit die Wiederaufstellung einer Reiterstaffel in Hannover an. Der erste Reitlehrgang fand in der Reit- und Fahrschule in Oldenburg statt.

DER ZWEITE WELTKRIEG

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden auch diese Polizeipferde zum guten Teil an die neu aufgestellten Polizeiregimenter abgegeben oder gleich mit Reiter übernommen. Die berittene Polizei wurde in den besetzten Gebieten, vor allem in Polen, stationiert.

Ihre Hauptaufgabe war die Bestreifung der eroberten Gebiete und die Verfolgung von Widerstandshandlungen gegen die deutsche Besatzung.

Ob und in wieweit auch Polizeireiter aus Hannover an Verbrechen der Polizei im Kriegseinsatz beteiligt waren, ist bisher nicht erforscht.

Vormarsch einer SS Polizei-Reiter-Division 1940

Der Public Safety Officer besichtigt einen Polizeilehrgang in Hannover am Welfenplatz; im Hintergrund die stark beschädigte Reithalle

Vereinnahmung von Pferden und Reitern durch die Wehrmacht

Einsatz in den be-setzten Gebieten

1939

Neuaufbau der berittenen Polizei

Beschlagnahme aller Polizeipferde

1946

1945

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Ebenfalls 1947 setzte die britische Militärregierung berittene Polizisten aus Hannover zur Bewachung der Grenze zwischen der britischen und sowjetischen Besatzungszone ein. Dieser Auftrag zur Grenzaufsicht blieb bis 1956 bestehen.

Die Anzahl der Polizeidienstpferde hatte sich bis 1950 auf 20 Pferde erhöht. Die berittenen Polizisten versahen vor allem in den ländlichen Randgebieten Hannovers Streifendienst und nahmen dort zudem wald- und forstpolizeiliche Aufgaben wahr.

In Außenbezirken Hannovers wurden für das Sommerhalbjahr zusätz-liche Außenposten eingerichtet. Darüber hinaus verrichteten berittene Polizeibeamte, verstreut an unterschiedlichen Orten, als Einzelposten ihren Dienst. Damit folgte das neu gegründete Land Niedersachsen der Tradition der preußischen Landgendarmerie.

Der Neuaufbau in Hannover begann mit zehn Pferden aus Oldenburg. Parallel dazu übernahm der so genannte Meister der Polizei im Juli 1946 zusätzlich vier beschlagnahmte Pferde von den Briten und konn-te bereits zwei Monate später hohe britische Offiziere mit dem Zustand der neuen Reiterstaffel beeindrucken.

Bis zum Jahresende 1946 erhielt die Reiterstaffel insgesamt 35 Pferde, musste jedoch innerhalb von wenigen Jahren etliche wieder ausmus-tern, da sie nicht gesund genug und für den Polizeidienst ungeeignet waren.

Einer der ersten Einsätze der Reiterstaffel Hannover war die Eröffnung der Exportmesse der Deutschen Messe AG 1947. Einsätze dieser Art, mit den Aufgaben der Repräsentation, Prävention und Verkehrslen-kung, zählen bis zum heutigen Tag zu den Aufgaben der Reiterstaffel.

1947

1950

Bewachung der Zonengrenzen

Ständiger Bestand von 20 Pferden

Dienstaufnahme mit zehn Pferden

Erster Messeeinsatz

Mai 1946

1947

Messeeröffnung April 1947

Anmarsch in den Grenzbezirk − Harz 1948

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DIE STUDENTENPROTESTE UND DER DEUTSCHE HERBST

Die Straßenproteste der 68er-Bewegung, die nicht immer friedlich ver-liefen, machten auch vor Hannover nicht Halt. In diesem Zusammen-hang wurden die Dienstpferde immer wieder eingesetzt. Ein besonderer Einsatz dieser Zeit war die in Hannover bekannte „Roter-Punkt-Aktion“.

Im Jahr 1953 wurde dann die zentrale Ausbildungsstätte für reitende Polizeibeamte in Nie-dersachsen in Hannover mit drei Ausbildungsgruppen einge-richtet. Hier erfolgte die Ausbil-dung sämtlicher Dienstpferde und Polizeireiter für den Poli-zeidienst in den Regierungsbe-zirken Hannover, Braunschweig und Lüneburg.

Grundlage für die Ausbildung war eine neue geschaffene Dienstvor-schrift der Polizei. Diese wurde geformt aus der seit 1912 existieren Heeresdienstvorschrift 12, woraus der Teil der militärischen Ausbil-dung nicht übernommen wurde, und darüber hinaus aus Elementen der Dressuraufgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.

Der Großteil der dama-ligen Dienstzeit war der Ausbildung der Dienst-pferde vorbehalten. Die übrige Zeit bestreiften die Polizeireiter Erho-lungsgebiete, Parks und Wälder. Gelegent-liche Großeinsätze, wie anlässlich des Besuchs der englischen Köni-gin Elizabeth II in den Herrenhäuser Gärten, sowie die Begleitung kleinerer Demonstra-tionsumzüge bildeten eher die Ausnahme.

Zentrale Ausbil-dungsstätte für Polizeireiter in Hannover

1953

Ausbildung der Reitschüler 1953

Sicherung der Stadtbahn durch die berittene Polizei in der Georgstraße

Begleitung eines Festumzuges 1954

1972

„Roter-Punkt-Aktion“

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1982 endete für die Reiterstaffel die Ära der berittenen polizeilichen Einzelposten. Seither wird die Tradition der Landdragoner bzw. Land-gendarme nur noch in den Sommermonaten mit den Abordnungen der Reiterstaffel Hannover in die Lüneburger Heide, an die Nordsee nach Cuxhaven und ins Biosphärenreservat Elbtalaue aufrecht erhalten.

Seit 1985 sind berittene Polizeieinheiten wieder fest in das polizeili-che Konzept zur Bewältigung von Einsatzlagen bei Fußballspielen eingebunden.

Im gleichen Jahr fiel auch bei der Reiterstaffel eine letzte Männerbastion – die ersten Polizistinnen nahmen hier ihren Dienst auf.

Eine Fahrpreiserhöhung der Üstra (Überlandstraßenbahn Hannover) hatte mehrtägige Demonstrationen und Blockaden des Straßenverkehrs zur Folge. Teilweise konnte die Stadtbahn in diesen Tage nur fahren, wenn die berittene Polizei vorweg ritt und die Gleise von Demonstran-ten räumte.

Die Einsätze im Demonstrationsgeschehen gipfelten zum Ende der 70er Jahre im Großeinsatz gegen das im Bau befindliche Kernkraftwerk Grohnde. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen gab es Verletzte auf beiden Seiten und auch verletzte Dienstpferde.

Darüber hinaus kamen mit der Bedrohung durch die Terroristen der „Rote Armee Fraktion“ Ende der 70er Jahre auch auf die Reiterstaffel neue Aufgaben zu. Sie wurde verstärkt zur Bestreifung im Bereich des Flughafens Hannover-Langenhagen herangezogen, wobei die Beamten Maschinenpistolen in extra dafür angefertigten Holstern an den Pfer-den mitführten.

Anti-Atomenergie-Proteste

Bestreifung des Flughafens

Ende 1970er

Einsatz der Reiterstaffel im Bereich Gorleben 1980. Im Vordergrund kommandiert der Leiter der Reiterstaffel ohne Pferd, wie damals üblich

Die ersten Polizistinnen nehmen ihren Dienst bei der Reiterstaffel Hannover auf

1982

1985

Ende der berittenen

Einzelposten

Polizeireiter wieder als feste

Komponente bei Fußballeinsätzen

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Im Laufe der Jahre änderten sich zwar die politischen und gesellschaft-lichen Themen, mit denen sich die Polizei auseinandersetzen musste, die Aufgaben der Reiterstaffel blieben jedoch ähnlich. Die Hauptaufga-ben lagen und liegen größtenteils in der Begleitung von Demonstratio-nen und diversen großen Veranstaltungen unter freiem Himmel.

Berittene Streife auf dem Opernplatz

Mit der erfolgreichen Arbeit in diesem Bereich konnte die Reiterstaffel wiederkehrenden Diskussionen zur Zeit- und Zweckmäßigkeit des Ein-satzmittels Dienstpferd erfolgreich begegnen.

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IN EIN NEUES JAHRTAUSEND

Um aber mit den Anforderungen der Zeit Schritt zu halten, wurde das Aufgabenfeld der Polizeireiter ab den 90er Jahren evaluiert. Mit dem Ergebnis, dass die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten erweitert und die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung intensiviert und noch effizi-enter gestaltet wurde. Damit einher ging auch das Erschließen neuer Aufgabenbereiche, wie zum Beispiel der Einsatz von Polizeireitern bei Open-Air-Festivals.

Während dieser Zeit fand auch eine Vertiefung der Beziehungen zu den Staffeln im Bundesgebiet und zu den berittenen Polizeieinheiten in Europa statt. Die gute Zusammenarbeit wurde schon im Jahr 2000 wäh-rend der EXPO in Hannover sichtbar - hoch zu Ross ritten Kollegen aus vielen Ländern gemeinsam mit den Reitern aus Hannover auf Streife.

EXPO 2000 in Hannover

Erweiterung der Einsatzmöglich-keiten für die Polizeireiter

2000

1996

Die Beamten der Reiterstaffel Hannover im EXPO-Einsatz mit Kollegen aus Schweden und Kanada

Reiterstaffel Hannover im Einsatz bei der FIFA WM 2006

G8-Gipfel in Heiligendamm 2007

Castor-Transport 2011

2006

2007

2011

FIFA WM 2006

G8-Gipfel

Letzter Castor-Transport nach

Gorleben

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EINSATZBEREICHE DER BERITTENEN POLIZEI

Die Reiterstaffel Hannover versteht sich mittlerweile zunehmend als Service-Dienststelle für die gesamte Polizei. Ihre zwei- und vierbeinigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können von allen Polizeibehörden innerhalb und außerhalb von Niedersachsen für Einsätze angefordert werden.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig:

XX Begleitung und Absicherung von Großveranstaltungen wie Fußballspiele, Open-Air-Konzerte, Umzüge, Versammlungen und Demonstrationen

XX Täglicher Dienst in der Region Hannover im Einsatz- und Streifendienst mit dem üblichen Arbeitsaufkommen einer Polizeibeamtin und eines Polizeibeamten. Dies schließt natürlich auch die Reiterstreife im Bereich sozialer Brennpunkte ein

XX Unterstützung der Dienststellen in ganz Niedersachsen bei polizeilichen Maßnahmen wie Fahndungen, Absperr- und Suchmaßnahmen im Gelände oder Evakuierung größerer Menschenmengen

XX Reiterstreifen in Naturschutzgebieten, in Parks, Grünanlagen, im Stadtwald, in Erholungsgebieten und im Bereich von Kleingärten zur Gefahrenabwehr und zur Kriminalitätsbekämpfung

XX Überwachung von Parkräumen und Bekämpfung der Kriminalität im Bereich PKW-Aufbruch und PKW–Diebstahl, insbesondere bei Messen, Großveranstaltungen sowie am Flughafen Hannover

XX Unterstützung von Dienststellen anderer Bundesländer bei Großeinsätzen

XX Verstärkung während der Urlaubssaison in der Lüneburger Heide, der Küste von Niedersachsen in Cuxhaven und im Biosphärenreservat Elbtalaue

Im Sinne des Zitats von Winston Churchill haben wir in dieser kleinen Abhandlung auf viele Jahrzehnte zurück geblickt und wir freuen uns darauf, noch viele interessante und erfolgreiche Jahrzehnte vor uns zu haben. Es grüßt Sie „hoch zu Ross“ – ihre Reiterstaffel Hannover.

Der gute Einsatzwert der Reiterstaffeln in Niedersachsen förderte eine erfreuliche Tendenz, nämlich den Wiederaufbau von berittenen Polizei-einheiten in anderen Bundesländern. Nach 34-jähriger Unterbrechung beschloss die Polizeiführung in Hamburg die Neugründung einer Reiterstaffel.

Die Hannoveraner unterstützten die Hamburger Kollegen und bildeten acht Pferde sowie zehn Beamte aus. Bis heute verbindet beide Staffeln ein enges freundschaftliches Verhältnis.

Gemeinsame Übung der Reiterstaffeln Braunschweig, Hamburg und Hannover

Ausbildung Reiterstaffel Hamburg durch die Reiterstaffel Hannover

2010

ImpressumHerausgeber

Polizeidirektion Hannover Waterloostraße 9 30169 Hannoverwww.polizei-hannover.de

Redaktion

Polizeihauptkommissar Sancho Kellner, Polizeihauptkommissar Norbert Rabe und Dezernat 01/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Beratung und Unterstützung durch Dr. Dirk Götting, Polizeiakademie Niedersachsen

Grafische Umsetzung und Layout

Hülya Koç, Dezernat 01/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Bildnachweise

Putzger – Historischer Weltatlas, 89. Auflage, 1965: Seite 11

Gesetze und Verordnungen für das Königreich Hannover aus dem Zeitraume 1813 bis 1839; 7. Band, 6. Abteilung , Polizei=Sachen, Christian Hermann Ebhardt, Oberlandesge-richtsanwalt, Hannover 1840: Seite 14

HAZ: Archivmaterial von 1985: Seite 33 und von 1989: Seite 35

Historisches Museum Hannover: Seiten 18, 25 und 31

Knötel, Uniformkunde Band XII, No. 54: Seite 17

Polizeimuseum Niedersachsen: Seite 23, 27, 28

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