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Interkulturelle Kommunikation

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Interkulturelle Kommunikation

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Edith Broszinsky-Schwabe

Interkulturelle KommunikationMissverständnisse und Verständigung

2. Auflage

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Edith Broszinsky-SchwabeBerlin, Deutschland

ISBN 978-3-658-13982-7 ISBN 978-3-658-13983-4 (eBook)DOI 10.1007/978-3-658-13983-4

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Vorwort zur zweiten AuflageVorwort zur zweiten AuflageVorwort zur zweiten Auflage

Seit Erscheinen der 1. Auflage des Buches im Jahre 2011 haben sich die Rahmen-bedingungen für Interkulturelle Kommunikation geändert.

Der notwendige Verständigungsprozess mit Menschen aus anderen Kulturen läuft zwar noch immer nach den im Buch beschriebenen Schwerpunkten ab, hat aber durch globale und regionale Entwicklungen eine andere Intensität und Di-mension erreicht.

Als ich 2010/11 das Buch schrieb, hatte ich – neben allgemein interessierten Lesern – bestimmte Zielgruppen vor Augen: Beschäftigte in länderübergreifen-den Wirtschaftsprojekten, im Tourismus, in internationalen Organisationen oder jene, die im Rahmen ihrer kulturellen, politischen oder wissenschaftlichen Arbeit Erfahrungen im Ausland sammeln konnten.

Der Fokus lag auf dem Umgang mit fremden Kulturen im Ausland und auf der anderen Seite auf dem Kontakt mit Fremden in unserem Land. Unser Alltag schließt auch Nachbarn und Kollegen mit Migrationshintergrund ein. Erfahrun-gen mit fremden Kulturmustern waren nicht neu, aber oft mit Fragen verbunden.

In den Jahren nach 2013 ist neben die Erfahrung mit Gastarbeitern vor allem der interkulturelle Kontakt mit Asylsuchenden (Flüchtlingen) in allen Teilen Deutschlands angestiegen.

Die „traditionellen“ Begegnungen mit „Fremden“ gibt es natürlich weiterhin und die Beschäftigung mit den Grundlagen und dem Ablauf von Interkultureller Kommunikation auf dieser Ebene betrachte ich weiter als notwendig.

Interkulturelle Begegnungen wurden jedoch ein massenhaftes Phänomen mit der Zuwanderung von Asylsuchenden nach Deutschland. Allein im Jahr 2015 kamen 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland, um hier Asyl und eine neue Perspektive zu suchen (Zahlenangaben nach BAMF. Formell wurden 476.649 Anträge auf Asyl gestellt, die anderen Zuwanderer mussten erst statistisch erfasst werden). Damit erreichte der Umgang mit Interkultureller Kommunikation eine neue Dimension.

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VI Vorwort zur zweiten Auflage

Diese neue Stufe der Erfahrung mit Interkultureller Kommunikation gestaltet sich auf beiden Seiten äußerst schwierig: Auf der einen Seite die Zuwanderer mit unterschiedlichem ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergrund, vorherr-schend geprägt durch die Gesellschaftsstrukturen arabischer Kulturen und der Religion des Islam – auf der anderen Seite Menschen aus allen Schichten und Altersgruppen der deutschen Bevölkerung, in allen Landesteilen. Die weitgehend emotionale Motivation der Hilfe und Unterstützung für die Flüchtlinge hat viele überrascht, zumal die Erfahrung mit Fremdheit im Alltag in Deutschland nicht sehr tiefgehend ist (im Gegensatz zu ehemaligen Kolonialländern und Einwanderungs-gesellschaften). Das Wissen über außereuropäische Kulturen und nicht-christliche Religionen ist begrenzt und Fremdheit ist nicht nur mit Hilfe oder Neugier, sondern auch mit Angst und Aggressionen eng verbunden. Die nun allgemein notwendige über kulturelle Grenzen hinweg ablaufende Kommunikation erfordert Toleranz und Geduld, aber auch die Fähigkeit, in der Kommunikation aufeinander zuzu-gehen, unterschiedliche Erfahrungswelten auszuloten und verstehen zu lernen, eine Interkultur zu fördern.

Daher ist die Neuauflage des Buches vielleicht gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Hilfe und ein gutes Werkzeug, den Prozess der Interkulturellen Kommunikation zu verstehen (von der Sprache, Körpersprache bis zu Verhaltens-normen, Zeitkonzepten oder Rollenbildern und gesellschaftliche Tabus).

Das Buch kann keine Anleitung für den konkreten Ablauf von Kommunikations-situationen zwischen konkreten Personen liefern, aber das allgemeine übergreifende Modell von Kommunikation kann ermöglichen, in konkrete Kommunikations-situationen umgesetzt, eine Orientierung des Verhaltens zu ermöglichen. Die Zuwanderer, die aus unterschiedlichen Fluchtursachen in unser Land gekommen sind, leitet der gemeinsame Wille, sich ein neues Leben in Europa aufzubauen. Spracherwerb, Bildung, Arbeit, Beginn einer gesellschaftlichen Integration sind die wichtigsten Schritte dieses neuen Lebens und müssen bewältigt werden. In den Begegnungen im Alltag, bei den Behörden, im Wohnumfeld wird wechselseitig die fremde Kultur erlebt und hinterfragt. Verbale und nonverbale Zeichen sind unbekannt, Missverständnisse können auf allen Ebenen entstehen und können Angst, Unsicherheit und Aggression auslösen.

In diesem Kontext wird Interkulturelle Kommunikation als Verständigungs-grundlage auf beiden Seiten als notwendig akzeptiert und hat einen hohen Stellenwert im gemeinsamen Leben. Dies bedeutet vor allem Verständigung über Sprache, aber auch kompetenten Umgang mit auftretenden Problemen auf Seiten der deutschen Helfer und Behördenmitarbeiter durch Kenntnisse der Mechanismen von Inter-kultureller Kommunikation.

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Vorwort zur zweiten Auflage VII

VII

Die Vermittlung des Ablaufs Interkultureller Kommunikation ist durch diese Entwicklungen eine neue, zentrale Aufgabe geworden. Ich habe aus diesem Grund meiner nachfolgenden Einleitung ein besonderes Unterkapitel diesem Thema gewidmet. Auf ein zentrales Problem des Buches sei aber vorab hingewiesen: Interkulturelle Kommunikation wird als Aktion zwischen Menschen mit unter-schiedlichem kulturellem Hintergrund beschrieben. Menschen begegnen sich, die den/die Anderen aus der Sicht ihrer eigenen Kultur als fremd betrachten und sich oft auch einfach fremd sind. Der Begriff „Fremdheit“ bedeutet aber nicht nur die aktuell „fremden Zuwanderer“, sondern auch historisch entstandene Fremdbilder, die in gegenwärtige Begegnungen als „Bilder im Kopf“ einfließen. Daraus entstehen Ängste oder Aggressionen, die durch einen kompetenten Umgang damit abgebaut werden können. Die im Buch dargestellten historisch entstandenen Kategorien „Exotismus“ und „Xenophobie“ finden wir im aktuellen Kommunikationsprozess wieder.

Interkulturelle Kommunikation wird in diesem Buch vor allem als theoretisches, wissenschaftliches Modell erklärt. Ich hoffe, sichtbar gemacht zu haben, dass es aber immer auch um praktische und sehr aktuelle Probleme geht. Das Modell soll hierbei Wege zeigen, wie man sich erfolgreich verständigt, Missverständnisse vermeidet und die Differenziertheit von Kulturen berücksichtigt.

Ich habe dieses Buch vor dem Hintergrund meiner wissenschaftlichen Tätigkeit als Kulturwissenschaftlerin geschrieben. Daher erklärt sich meine Fokussierung auf wissenschaftliche Begriffe wie Kultur, Kommunikation, Fremdheit, Identität, Interkulturelle Kompetenz und andere. Da das Buch aber kein Fachbuch für Kultur-wissenschaftler sein soll, habe ich mich bemüht, die wichtigsten Begriffsdefinitionen und Konzepte vorzustellen, die auch für „Laien“ auf diesem Gebiet verständlich und nutzbar sind. Hilfreich können dafür auch Modelle zur Erfassung kultureller Unterschiede sein. Besonders wichtig war mir, interkulturelle Verständigung da-nach zu hinterfragen, wo die „Fallstricke“ für ein Scheitern dieser Verständigung liegen und wie man diese Hürden überwinden kann. Missverständnisse können sowohl auf der verbalen Ebene, der Interpretation der Körpersprache als auch in der Deutung von Verhaltensmustern entstehen. Eine glatte, erfolgreiche Kommu-nikation ist eher die Ausnahme.

Das Buch richtet sich nicht nur an kulturwissenschaftliche Spezialisten, sondern an alle, die sich theoretisch oder aber auch praktisch mit Interkultureller Kommu-nikation beschäftigen – also Interessierte, Spezialisten und Betroffene.

In der gegenwärtigen Situation betrachte ich als Betroffene auch den breiten Kreis derer, die in der Flüchtlingsarbeit lernen müssen, fachlich vorbereitet in die Kommunikation mit Zuwanderern einzusteigen. Ich hoffe, den Prozess der Inter-kulturellen Kommunikation und seine Bedeutung im gesellschaftlichen Rahmen

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VIII Vorwort zur zweiten Auflage

überschaubar dargestellt zu haben, um eine Brücke zu den praktischen kulturellen und sozialen Aufgaben zu schlagen. Ziel des Buches ist vor allem, die Notwendig-keit von Interkultureller Kompetenz für diese neuen Aufgaben zu betonen. Durch meine langjährige Dozententätigkeit an verschiedenen Universitäten und durch Forschungsaufenthalte in zahlreichen Ländern fließen auch eigene Erfahrungen in der Interkulturellen Kommunikation ein, die mich zu weiterem Nachdenken anregten.

Ich möchte an dieser Stelle all jenen danken, die mich immer wieder ermuntert haben, meine Erfahrungen in einem Buch zusammenzufassen oder mir Fotos zur Verfügung gestellt haben. Mein besonderer Dank gilt meiner Tochter, die mich durch Gespräche und Hinweise unterstützt hat.

Berlin, Juni 2016Edith Broszinsky-Schwabe

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VorwortVorwortVorwort

Ein weiteres Buch zur Interkulturellen Kommunikation? Kann das noch etwas Neues bringen?

Zunächst: Dies soll kein Lehrbuch sein. Ich habe bewusst vermieden, möglichst viele Definitionen von Kommunikation oder von Kultur aufzuzählen, sondern mich auf wenige konzentriert, die für das Verständnis des interkulturellen Verständi-gungsprozesses unumgänglich sind. Auf weitere werde ich nur verweisen.

Die Beschäftigung mit den Bedingungen und Folgen von Begegnungen zwischen den Kulturen ist nicht neu, verändert aber hat sich die Welt, in der wir leben. Kaum jemand ist in seiner Lebenswelt unbeeinflusst von Kontakten mit Menschen aus anderen Kulturen, sei es im Beruf oder in privaten Beziehungen.

Ich habe das Buch unter einem Blickpunkt von Interkultureller Kommunikation geschrieben, der mir persönlich sehr wichtig erscheint, nämlich die Tatsache, dass Verständigung zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen außerordentlich kompliziert, manchmal erfolglos oder mit Missverständnissen verbunden ist. Eine glatte, erfolgreiche Kommunikation ist eher die Ausnahme. Ich habe versucht, Ur-sachen für diese Missverständnisse zu finden und zu analysieren, um sie vermeiden zu helfen. Um Barrieren zu beseitigen, muss man sie kennen. Das erscheint mir äußerst notwendig zu einer Zeit, in der Kontakte zwischen Kulturen unausweich-lich sind. Verständigung trotz unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes ist möglich, wenn man die Tatsche akzeptiert, dass heute in der Welt, in unserem Land, Menschen miteinander leben und arbeiten, die einfach kulturell anders sind. Wenn wir uns dies bewusst machen, können wir Verständigung untereinander erreichen. Es gibt heute nicht nur diese Verschiedenheit, sondern zum Glück auch die Kenntnisse darüber, wie man trotzdem miteinander kommunizieren kann. Interkulturelle Kommunikation ist erlernbar. Diese Gewissheit möchte ich mit diesem Buch vermitteln.

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X Vorwort

Noch einige Anmerkungen zuvor:Natürlich kommunizieren Menschen zwischen den Kulturen auf ganz unter-

schiedliche Weise, direkt oder indirekt, mündlich oder schriftlich. Uns erscheint es oft so, dass sich heute Menschen häufiger durch E-Mails, sms oder über ihr Handy miteinander verständigen, als im persönlichen Kontakt. Dennoch konzentriere ich mich auf die personale, face-to-face Kommunikation und zwar aus einem einfachen Grund: Wir wollen Interkulturelle Kommunikation als Einheit von verbalen und nonverbalen Mitteilungen erfassen. Interkulturelle Kommunikation ist eine Aktion zwischen Menschen, in der Sprache, Körpersprache und kulturelle Verhaltensmuster ineinander greifen. Und die Missverständnisse entstehen auf allen drei Ebenen.

Wenn man die Publikationen zum Thema „Interkulturelle Kommunikation“ der letzten Jahre vergleicht, ist es offensichtlich, dass die fachliche Herkunft/Spezi-alisierung des Verfassers den Blickpunkt bestimmt: Linguisten stellen sprachliche Verständigung in den Mittelpunkt, Betriebswirtschaftler jene Missverständnisse, die gemeinsame Wirtschaftsprojekte behindern, Psychologen widmen ihre Studien stärker den inneren Barrieren zwischen Personen im Kulturkontakt etc.

Als Kulturwissenschaftlerin interessiert mich vor allem, welche kulturellen Faktoren Kommunikation beeinflussen. Durch meine langjährige Erfahrung als Dozentin habe ich mich vielfach mit Kulturvergleich beschäftigt, in Projekten den Umgang mit Fremdbildern untersucht, mit den Studenten Erfahrungen in der interkulturellen Kommunikation ausgewertet und – last but not least – während zahlreicher Auslandsaufenthalte selbst erlebt, wie schwierig es sein kann, sich zu verständigen. Diese Erfahrungen gehen in das Buch ein.

Ich halte das Thema dieser Publikation nicht für ein rein theoretisches, sondern eng verflochten mit praktischen Prozessen. Ich habe deshalb versucht, eine Brücke zu schlagen.

Das Buch zielt nicht nur auf eine einzelne Berufsgruppe. Ich möchte auch jene erreichen, die für ihre eigenen komplizierten interkulturellen Erfahrungen nach Erklärungen suchen und sie auf Wege des Erwerbs Interkultureller Kompetenz hinweisen.

Mein Dank gilt jenen, die mich ermuntert haben, meine Gedanken und Erfah-rungen in diesem Buch zusammen zu fassen. Ebenso danke ich denen, die Fotos für dieses Buch zur Verfügung stellten.

Berlin, August 2010Edith Broszinsky-Schwabe

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Inhalt

Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Interkulturelle Kommunikation als Gegenstand der Wissenschaft . . . . 22 Globalisierung und Interkulturelle Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Weltweite Entwicklungen im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Ursachen weltweiter Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

4.1 Die ungleichmäßige ökonomische Entwicklung in der Welt . . . . . . 64.2 Politische und gesellschaftliche Umbruchprozesse, Kriege

und Bürgerkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64.3 Die Welt ist unsicherer geworden: Terroranschläge und

Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Die rasanten Veränderungen der Medien in den vergangenen

Jahrzehnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85.1 Medien und soziale Netzwerke: Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

6 Kommunikation und kulturelle Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126.1 Bildungsunterschiede in der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126.2 Sprachenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136.3 Die Rolle der Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

7 Gemeinsamkeiten trotz kultureller Differenzierung? . . . . . . . . . . . . . . . 208 Interkulturelle Kommunikation in der Zuwanderung:

praktische Herausforderungen und neue Fragen an die Theorie . . . . . 24

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XII Inhalt

1 Interkulturelle Kommunikation als Spezialfall sozialer Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291.1 Was ist in jeder Kommunikation gleich und wo liegen

Unterschiede in der Interkulturellen Kommunikation? . . . . . . . . . . . 32Rahmen von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

1.2 Die Kommunikationshandlung: Symbole, Zeichen und Bedeutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

1.3 Verlauf von Kommunikation: Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.4 Gibt es international gültige Charakteristika von

Kommunikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411.5 Wie werden Unterschiede in der Interkulturellen

Kommunikation erfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Der Begriff „Interkulturelle Kommunikation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

2 Interkulturalität und Identität – Die Kommunikationspartner . . . . . . . . 532.1 Identität in der Interkulturellen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . 532.2 Worauf basiert kulturelle Identität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Nationalkulturen und ethnische Pluralität: Die Bedeutung nationaler Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Was ist „ethnische Identität“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Lokale und regionale Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64Soziale Identität und Subkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

2.3 Gibt es eine übernationale kulturelle Identität? Was sind Kulturkreise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67Konzepte von „Kulturkreisen“ in der wissenschaftlichen und politischen Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68Identitäten und interkulturelle Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

2.4 Sprache und Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Sprachliche Grundlagen Interkultureller Kommunikation . . . . . . . . . . 72Sprachliche Verständigung innerhalb einer Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 73

3 Kultur in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773.1 Was ist überhaupt Kultur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793.2 Haben nicht alle Menschen eine gemeinsame Kultur? . . . . . . . . . . . . . 823.3 Welche Charakteristika von Kultur sind für den

Kommunikationsprozess wichtig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87Jeder teilt seine Kultur mit anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87Kultur wird erlernt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88Kulturwandel und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

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Inhalt

3.4 Kann man Kulturen unterscheiden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94Sprache – materieller Besitz – Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95Die Dichte des Informationsnetzes („Low context – high context“) . . . 96Aktionsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97

3.5 Kann man kulturelle Unterschiede messen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98Machtdistanz (Power distance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99Kollektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99Maskulinität vs . Feminität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100Unsicherheitsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

4 Kommunikationsunterschiede und Interkulturelle Missverständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074.1 Kulturmuster in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074.2 Ebenen interkultureller Kommunikation und Interkulturelle

Missverständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

4.3 Verbale Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114Die Bedeutung der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114Woher kommt die sprachliche Vielfalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116Sprache im sozialen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117Sprache in der schriftlichen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

4.4 Missverständnisse in der verbalen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . 1194.5 Die Rolle der verbalen Kommunikation in der Kultur . . . . . . . . . . . . 123

Reden und Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124Gesprächsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125Kommunikationsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126Flüche, Beschwörungen und verbale Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

5 Nonverbale Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133Was gehört zum nonverbalen Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

5.1 Die physische Erscheinung des Anderen: Das Körperbild . . . . . . . . . 137Körperhaltung und Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

5.2 Die Ausdrucksformen des Gesichtes: Mimik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141Ein Blick spricht tausend Bände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142Ein Lächeln zur rechten Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

5.3 Gesten des Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148Der Ja-Nein-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

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XIV Inhalt

Winken – Heranwinken oder Zuwinken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152Achselzucken als Zeichen der Unfähigkeit oder Resignation . . . . . . . 152Zählen mit den Fingern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152Beleidigende Gesten und Gebärden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

5.4 Signale des Körperkontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1535.5 Gerüche als Information in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . 155

6 Begegnungen in Raum und Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1576.1 Der Raum als Rahmen von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Distanz und Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157Territorialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Die Nutzung des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

6.2 Der Umgang mit Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162Konfliktpunkt Pünktlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163Von der Ereigniszeit zum modernen Zeitverständnis . . . . . . . . . . . . . . 163Lineares und zyklisches Zeitverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164Zeitorientierung: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft . . . . . . . . . . 166Zeitverhalten I: monochron oder polychron? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168Zeitverhalten II: Zeitbewusste und zeitvergessene Länder . . . . . . . . . 169Das Tempo des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

6.3 Zeit als Maß für Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172Traditionelle Maßeinheiten für Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172Kalendersysteme heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

7 Interaktionsrituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1797.1 Begrüßungsrituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1837.2 Abschied und Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1857.3 Der Fremde als Gast – das Ritual der Gastfreundschaft . . . . . . . . . . 186

Gastfreundschaft als kultureller Wert der Interaktion . . . . . . . . . . . . . 1877.4 Symbole und Farben in der Interkulturellen Kommunikation . . . . . 191

Tiere und Pflanzen als kulturelle Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193Zahlen als Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

8 Bedeutung von Werten in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197Familie und soziale Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

8.1 Familie und soziale Werte – Das Beispiel Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . 1998.2 Traditionelle Wertvorstellungen im Verhalten –

Das Beispiel Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202Die Lehre von Konfuzius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

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Hinter der Interaktion stehende Werte des Konfuzianismus . . . . . . . 204Zentrale Wertvorstellungen in Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

8.3 Der Wert „Ehre“ in der Kommunikation – Das Beispiel Türkei . . . 2058.4 Ethische Werte in den Weltreligionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

9 Das Fremde in der Interkulturellen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . 2119.1 Was ist Fremdheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Historisch geprägte Haltungen zum Fremden – Das Beispiel der Entdeckung Amerikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

9.2 Fremdheit in der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2159.3 Wovon wird unser Verhalten zum Fremden bestimmt? . . . . . . . . . . 218

Die individuelle Wahrnehmung des Fremden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218Soziale Identität und Fremdwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

9.4 Bilder in unserem Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223Soziale Stereotype, Fremdbilder, Feindbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

9.5 Völkerstereotype . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227Beispiel Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

9.6 Kulturschock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

10 Verbesserung interkultureller Handlungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . 23510.1 Interkulturelle Kompetenz entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Eigene Handlungsstrategien entwickeln: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238Individuelle Kompetenz – Erkenne dich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

10.2 Interkulturelle Handlungskompetenz auf internationaler Ebene . . . 242Wirtschaftliche Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242Strategien der internationalen Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . 244Kulturkontakte im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

10.3 Interkulturelle Kommunikation in der multikulturellen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251Zuwanderung nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251Assimilation oder Akkulturation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253Aspekte wirtschaftlicher und sozialer Integration von Migranten heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Ausblick: Kulturelle Globalisierung und Interkulturelle Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Folgen der Globalisierung für Interkulturelle Kommunikation . . . . . 261

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Inhalt

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EinleitungEinleitungEinleitung

Wenn wir Interkulturelle Kommunikation als jenen Teil sozialer Kommunikation verstehen, in dem sich jeweils zwei oder mehrere Partner unterschiedlicher kultu-reller Herkunft begegnen und miteinander agieren, so müssen wir zunächst davon ausgehen, dass es Begegnungen von Menschen mit Fremden unterschiedlicher Herkunft (andere Region, andere Bevölkerungsgruppe) in vielen Teilen der Welt gab, ohne dass darüber so heftig gestritten und diskutiert wurde wie heute (seien es Studenten, die zu mittelalterlichen Universitäten oder Pilger, die durch das Land wanderten, fremde Händler, die durch die Lande zogen oder ganze Familien, die ihre Heimat verließen, weil sie ihnen nicht genug Nahrung bot; politisch, religiös oder ethnisch Verfolgte durch die Jahrhunderte suchten eine neue Heimat).

Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft gibt es bis heute in allen Teilen der Welt. Sie ähneln sich in Ablauf und Ziel. Das Gefühl, sich gegenüber neuen kulturellen Mustern fremd und unsicher zu fühlen, wird immer gleich sein – auch heute dort, wo jemand in einem fremden Land eine Arbeit aufnimmt oder hier, wo Migranten nach langen mühsamen Wanderwegen ein neues Land erreichen.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Prozessen wird gleichen Deu-tungsmustern folgen.

Der Begriff „Interkulturelle Kommunikation“ hingegen wurde erst vor sechs Jahrzehnten in die Wissenschaft eingeführt, da es um Verständigung über kultu-relle Grenzen hinweg geht.

Auslöser waren die Erfahrungen mit interkulturellen Missverständnissen, die häufig zum Scheitern von Wirtschaftsprojekten führten. Mit der Expansion der Wirtschaft in den USA nach dem II. Weltkrieg war es die Anthropologie, die nach den Ursachen für das Scheitern von Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern suchte.

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2 Einleitung

1 Interkulturelle Kommunikation als Gegenstand der Wissenschaft

1 Interkulturelle Kommunikation als Gegenstand der WissenschaftDer Begriff „intercultural communication“ wurde 1959 von dem amerikanischen Anthropologen Edward T. Hall mit seinem Buch „The silent language“ geprägt. Er untersuchte die Zusammenarbeit von US-amerikanischen Firmen mit ausländischen Partnern, besonders in Japan. Er fand die Erklärung für die Missverständnisse in kulturellen Unterschieden, die sich in der Kommunikation niederschlugen, in Schwierigkeiten, einander zu verstehen. Er entdeckte die Bedeutung der „hidden dimensions“: kulturelle Unterschiede in Zeitvorstellungen, in einem kulturell ge-prägten Gefühl für Distanz und Nähe. Seine Definition von Kultur als Kommuni-kation hat die Entwicklung der Interkulturellen Kommunikation als eigenständige Wissenschaftsdisziplin wesentlich geprägt.

In Deutschland drangen diese Fragestellungen seit den 80er-Jahren in die wissen-schaftliche Forschung vorwiegend unter dem Aspekt der Zuwanderung (Interkultu-relle Pädagogik), der interkulturellen Wirtschaftskommunikation (Interkulturelles Management u. a.), der Medienanalyse und der kulturvergleichenden Psychologie, der Linguistik, der Kultur- und Kommunikationswissenschaft, der Soziologie, der Religionswissenschaft und anderer Disziplinen ein. Bei allen Unterschieden der Ansätze war gemeinsam, von Konflikten und Missverständnissen auszugehen und von daher Programme zur Kompetenzentwicklung und Konfliktlösung zu erarbeiten. Seit Mitte der 80er Jahre ist Interkulturelle Kommunikation Lehrfach an deutschen Universitäten und in Weiterbildungsprogrammen der Wirtschaft.

Bei allen Unterschieden disziplinärer Ansätze ist ein Anliegen gemeinsam: inter-kulturelle Begegnung und Zusammenarbeit mit ihren Schwierigkeiten transparent zu machen und die Erkenntnis zu vermitteln, dass kulturelle Missverständnisse normal sind und der Umgang mit ihnen erlernbar ist. Wenn sich Personen aus zwei Kulturen begegnen, stehen hinter ihnen unterschiedliche Denkweisen, Wahrneh-mungsmuster und Handlungsorientierungen .

Verstehen und Verständnis für das wechselseitige Anderssein benötigen einen Lernprozess.

2 Globalisierung und Interkulturelle Kommunikation2 Globalisierung und Interkulturelle KommunikationDie Beschäftigung mit Interkultureller Kommunikation wurde seit der Mitte des 20. Jahrhundert immer populärer. Der Hintergrund war die tatsächliche Zunahme der Begegnungen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, zunächst im Sinne

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2 Globalisierung und Interkulturelle Kommunikation

von Nationalkulturen. Das Interesse an einem möglichst konfliktfreien Umgang zwischen Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund beschränkt sich heute nicht nur auf eine Handvoll Experten, sondern betrifft auf irgendeine Weise nahezu alle Mitglieder unserer Gesellschaft, sei es in der Ausbildung, im Beruf, im privaten Alltag oder im Urlaub.

Hintergrund der zunehmenden Notwendigkeit, über kulturelle Grenzen hinweg zu kommunizieren, ist der Prozess der Globalisierung seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, der insbesondere für Wirtschaft und Medien neue Entwicklungs-bedingungen schuf.

Ulrich Beck hat die gesellschaftlichen Veränderungen in seinen Arbeiten zu Globalisierung und Globalität sehr anschaulich beschrieben. Diese Veränderungen erfassen alle Bereiche der Gesellschaft, seien es politische, soziale, wirtschaftliche oder kulturelle. Für unseren Kontext möchte ich drei Aspekte seiner Charakteri-sierung hervorheben:

• Geographische Ausdehnung und zunehmende Interaktionsdichte des internatio-nalen Handels, die globale Vernetzung der Finanzmärkte und der Machtzuwachs transnationaler Konzerne;

• Informations- und kommunikationstechnologische Dauerrevolution,• Die Bilderströme der globalen Kulturindustrien. (Beck 2007, S. 29)

Erfahrungen mit interkulturellen Begegnungen nehmen mit der Verflechtung der nationalen Wirtschaften mit ausländischen Partnern schnell zu, ebenso die internationale Zusammenarbeit von Wissenschaft und Kultur.

Im Freizeitbereich war es der Tourismus seit den 60er Jahren, der die deutschen Urlauber mit anderen kulturellen Mustern konfrontierte. Er brachte seither jedes Jahr Tausende Urlauber in ferne Städte und an Strände, wo sie in einer fremden Gastkultur Menschen mit einer anderen Sprache und anderen Verhaltensweisen treffen, mit denen sie sich auf irgendeine Weise zu verständigen suchen.

Damit entstand zugleich ein neuer Bedarf an Informationen über fremde Län-der. Das Bildungssystem musste sich diesem Bedarf an Wissen (vor allem Sprach-erwerb) stellen. Immer mehr junge Menschen gehen inzwischen zum Studium, Schüleraustausch oder zur Fachausbildung ins Ausland und müssen sich in einer neuen Kultur zurechtfinden.

Zum anderen ist unser Alltag multikulturell geworden. Seit der Zuwanderung von Arbeitsmigranten und Asylbewerbern seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-derts und dem Heranwachsen der zweiten und dritten Generation begegnen wir Menschen, deren kulturelle Wurzeln in Italien, Griechenland, der Türkei, Ex-Ju-

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4 Einleitung

goslawien oder auch in Osteuropa, Asien oder Afrika liegen – im Wohnumfeld, in Handel und Dienstleistung, in den Schulen, in Betrieben und Institutionen mit multikulturellen Belegschaften. Damit ist auch die Anzahl privater Kontakte – Freundschaften, Nachbarn, Ehen – stark angestiegen.

Im Jahr 2007 hatten in Deutschland 15,4 Millionen Menschen einen Migrati-onshintergrund. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug 18,7 %. (vgl. Grund-daten der Zuwandererbevölkerung in Deutschland. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nürnberg 2009)

Inzwischen sind in den vergangenen Jahren diese Zahlen stark angestiegen. Ende 2015 lebten hier bereits 9.107.893 Ausländer, davon 1.506.000 Türken. (de.statista.com/statistik/anzahl-der-Ausländer-in-Deutschland. Zugriff 2.4.2016)

Entscheidend sind ebenso politische Zusammenschlüsse wie die Europäische Union, in der heute über 500 Millionen Menschen aus 28 Ländern leben. Die kultu-relle Vielfalt zeigt sich bereits daran, dass in der Europäischen Union 24 Sprachen gesprochen werden. (vgl. statista. com; 14.08.2015)

Auch andere politisch motivierte Tätigkeiten im Ausland wie im Entwick-lungsdienst seit den 60er Jahren führten zu einem Anwachsen des Informations-bedarfs über andere Länder und Kulturen bei den Mitarbeitern. In immer mehr Berufen ist Wissen über den Umgang mit Menschen anderer Kulturen notwendig geworden. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit sind die Militäreinsätze der Bundeswehr: Militärangehörige kommen nicht nur mit Soldaten aus anderen Ländern (NATO, UNO-Einsätze) in Kontakt, sondern mit einer einheimischen Bevölkerung meist außereuropäischer Kulturen, auf deren Erwartungen und Verhaltensorientierungen sie sich zwangsläufig einstellen müssen.

Schwerpunkt bleibt jedoch die Globalisierung der Wirtschaft und der Medien, die in interkulturelle Zusammenarbeit intensiviert hat. Globale Informationsnetze wie Rundfunk, Fernsehen oder Internet vermitteln zwischen Kulturen weltweit.

3 Weltweite Entwicklungen im 21. Jahrhundert3 Weltweite Entwicklungen im 21. JahrhundertIn der Welt des 21. Jahrhunderts läuft Interkulturelle Kommunikation vor dem Hintergrund weltweit wichtiger Prozesse ab:

• Größtes soziales Problem ist das Wachstum der Weltbevölkerung .

Nach Schätzungen der UNESCO rechnen die Vereinten Nationen mit einem Anstieg der Weltbevölkerung von derzeit 7,3 Milliarden auf 11,2 Milliarden Menschen. Bis 2030 wird die Marke von 8,5 Milliarden Menschen erreicht sein (mehr als bislang

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4 Ursachen weltweiter Migration

angenommen). Man schätzt, dass damit einher Bevölkerungsverschiebungen statt-finden: Indien wird China als bevölkerungsreichstes Land ablösen, einige Länder sollen 2100 fünfmal so viele Einwohner haben wie heute. Die Hälfte des Wachstums der Weltbevölkerung wird in Indien, Pakistan, Kongo, Äthiopien, Ghana, Tansania und den USA stattfinden. In Europa hingegen wird mit einem Rückgang der Be-völkerung von 738 Millionen Menschen heute auf ca. 646 Millionen Menschen im Jahre 2100 gerechnet.Ursache für das schnelle Wachstum der Bevölkerung in Entwicklungsländern ist nicht zuletzt ein kulturelles Problem: Kinder bedeuten Reichtum nach traditionellen Vorstellungen, da sie ihre Eltern im Alter versorgen sollen. In religiösen Vorstellun-gen (wie im Islam, Judentum, orthodoxem Christentum, in vielen Naturreligionen) ist jedes Kind ein Geschenk Gottes. Die Geburtenrate ist in Entwicklungsländern weiter gestiegen. Die Folge dieses Wachstums werden weitere und neue Wanderungsbewegungen in der Welt sein. Auf der Suche nach Sicherheit, Arbeit und Wohlstand werden sich immer mehr Menschen auf den Weg in eine ungewisse Zukunft begeben.Das Jahr 2013 zeigte einen neuen Höchststand: 230 Millionen Menschen leben in einem Land außerhalb ihrer Geburt. Die Länder mit der höchsten Zahl der Zuwanderer sind die USA (46 Millionen Menschen, davon 13 Millionen Mexikaner), Russland (11 Millionen), gefolgt von Saudi-Arabien (9 Mill.), Vereinigte Arabische Emirate (8 Mill). Deutschland ist inzwischen drittgrößtes Einwanderungsland der Welt: hier leben 10 Millionen Ausländer (Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge). Die größte Zu-wanderergruppe in Deutschland mit 1,5 Millionen sind Türken, dazu kommen aber in den Jahren nach 2014 Flüchtlinge aus vorwiegend arabischen Ländern.Weitere Auswanderströme ziehen nach Großbritannien, Frankreich, Kanada, Aus-tralien und Spanien. (Bericht der Vereinten Nationen vom 12.9.2013, Süddeutsche Zeitung „Zahl der Migranten so hoch wie nie“)

Diese Völkerwanderung bringt naturgemäß neue interkulturelle Begegnungen mit sich, aber auch die Möglichkeit von Missverständnissen und Konflikten.

Die bereits in den letzten Jahren zu beobachtende Zunahme von Gewalt, Krisen und bewaffneten Konflikten in der Welt führte zur Migration von Tausenden von Menschen. Dieser Prozess erfordert bei uns nicht nur Verständigung, sondern auch Entwicklung Interkultureller Kompetenz.

4 Ursachen weltweiter Migration4 Ursachen weltweiter MigrationDie Zunahme von Migration weltweit, über Kontinente oder über nationale Grenzen zum Nachbarland hat unterschiedliche Ursachen.

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6 Einleitung

4.1 Die ungleichmäßige ökonomische Entwicklung in der Welt

Einerseits verlaufen Wirtschaftsprozesse durch Globalisierung und Turbo-Ka-pitalismus über nationale und regionale Grenzen hinweg unter dem Aspekt des Maximalprofits und es entstehen neue Produktionsstätten und Märkte in vielen Teilen der Welt, andererseits werden traditionelle Arbeitsplätze vernichtet. So werden z. B. insbesondere in Entwicklungsländern traditionell landwirtschaftliche Gebiete von Ausländern aufgekauft zu Gunsten von teuren Exportartikeln (z. B. Rosen in Äthiopien), der Nahrungsmittelproduktion entzogen und die Bauern zur Abwanderung in die Städte gezwungen, wo es längst nicht Arbeit für alle gibt. Auch ungleiche Bedingungen im Welthandel haben in Entwicklungsländern zu Landflucht geführt.

Armut und Hunger sind hier Auslöser für Migration. Die Ziele sind häufig die Nachbarländer (wie die starke Binnenmigration innerhalb Afrikas zeigt), aber auch immer mehr die „reichen“ Länder des Nordens, Europa.

Hinzu kommen die „neuen Flüchtlinge“, die vor Naturkatastrophen und Um-weltzerstörung fliehen. Eine besorgniserregende Entwicklung ist, dass Fluchtursache auch der Klimawandel ist, der inzwischen durch die Erderwärmung weite Gebiete für Landwirtschaft und Fischfang vernichtet hat. (siehe: www.migration-info.de)

Hunger, Armut und Gewalt sind die zentralen Auslöser für Abwanderung aus der angestammten Heimat, als Binnenwanderung oder bis Europa.

4.2 Politische und gesellschaftliche Umbruchprozesse, Kriege und Bürgerkriege

Ursachen sind der Kampf um Rohstoffe, der Zerfall von Nationalstaaten (Beispiel Naher Osten), Kämpfe von rivalisierenden und verfeindeten Bevölkerungsgrup-pen um Macht, religiöse Auseinandersetzungen, Spannungen in übernationalen Bündnissen durch geopolitische Strategien, Sturz totalitärer Regimes (Irak, Libyen, Ägypten, Tunesien), Intervention und Kriegshandlungen von außen (Beispiel Irak-Krieg, Afghanistankrieg). Auch die Verfolgung politischer Gegner hat zugenommen. Folge: Zerstörungen und Perspektivlosigkeit, die zur Flucht zwingen!

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4 Ursachen weltweiter Migration

4.3 Die Welt ist unsicherer geworden: Terroranschläge und Gewalt

Eine in unserem Jahrhundert neue Entwicklung ist der Anstieg von Terror und Gewalt durch islamische Terroristen (Gotteskrieger), der nicht nur auf wenige Länder begrenzt ist, sondern (wie die Terroranschläge 2015 und 2016 in Paris und Brüssel zeigen) ein Krieg gegen das moderne Leben der „Ungläubigen“ (Christen) ist, dessen Opfer willkürlich gewählt und getötet werden.

Seit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 durch das Terror-Netzwerk Al-Qaida hat sich eine diffuse Angst vor Terror und Gewalt ausgebreitet, die auch religiösen Hintergrund hat. Damit verstärkte sich das Feind-bild „Islam“ in Europa, den USA und anderen Teilen der Welt.

Der Islamische Terror ist ein in mehreren Gruppen agierendes Netzwerk:Nach dem Zerfall des Irak durch den US-Krieg gegen Saddam Hussein 2003

bildeten sich mehrere Gruppen, die die Macht für sich beanspruchten, darunter der sogenannte „Islamische Staat“ (IS), der sich in den Folgejahren im Irak und Syrien ausbreitete. Ziel der Terrorgruppe, der überwiegend sunnitische Moslems angehören, inzwischen in den vergangenen Jahren auch junge Kämpfer aus euro-päischen Ländern, ist die Errichtung eines Kalifats, eines Gottesstaates in Syrien, Irak, Libanon, Israel, Palästina und Jordanien. Grundlage ist ein radikaler Islam, der sich auf die islamische Gesetzgebung Scharia gründet und in großer Brutalität Strafen und Hinrichtungen vollstreckt. Die Bevölkerung in den eroberten Gebieten wird den Gesetzen des IS unterworfen. Weite Gebiete des Irak und Syriens sind unter seiner Kontrolle. Von Syrien aus werden die Selbstmord-Attentäter des IS zu Sprengstoffanschlägen nach Europa geschickt. Die Bilder gingen um die Welt.

Gewalt und Terror verbreiten auch islamische Milizen in Afrika, vor allem die Al-Schabaab, die in Somalia und Kenia agiert (mit dem Ziel eines Gottesstaates am Horn von Afrika) und Boko Haram in Nigeria, die Terror und Angst in Kamerun, Tschad, Niger und anderen Ländern verbreiten. Untergruppen von Al-Qaida sind in Guinea und anderen Ländern aktiv.

Warum diese Ausführungen über Terrormilizen? Die Verbindung zu Interkul-tureller Kommunikation stellt sich aus zwei Gründen her: Ihr Terror verbreitet nicht nur Angst, sondern auch ein Bild eines gefährlichen, blutigen Islam, das in Europa in den Köpfen bleibt. Und dieses Bild erschwert die Begegnungen von nichtmuslimischen Menschen in Europa mit Zuwanderern mit islamischen Wur-zeln. Die Fremden, schon äußerlich als solche erkennbar, werden nicht wertfrei und unbelastet begrüßt, sondern mit versteckten Fragen und Zweifeln in Hinblick auf ihre Identität. Im Extremfall werden sie als Gefahr für das Abendland angefeindet. Bilder alter Religionskriege brechen wieder auf, Stereotype werden reaktiviert. Es

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8 Einleitung

ist ein sehr unsicheres Pflaster, auf dem sich die beiden Gruppen begegnen, voller Zweifel und Unkenntnis. Tatsächlich sind viele Menschen aus Syrien vor dem IS nach Europa geflohen, so dass der Kampf gegen den Terror ein gemeinsamer ist. Bisher wird dieses Problem in der Kommunikation weitgehend ausgespart, wohl auch, weil die Kommunikation darüber so schwierig ist und die Verständigung noch zu kurz. Dieses Beispiel mag eines von vielen sein, wo die „Bilder im Kopf“ die Interkulturelle Kommunikation erschweren.

Wir können in unserem Jahrhundert das zentrale Problem der Zuwanderung nicht von der Rolle der Medien trennen, die hier eine zentrale Rolle spielen. Dazu einige Vorbemerkungen:

5 Die rasanten Veränderungen der Medien in den vergangenen Jahrzehnten

5 Die rasanten Veränderungen der MedienWir können beobachten, wie Interkulturelle Kommunikation durch neue Entwick-lungen der Medien stark verändert wurde und wird.

Die auffälligste und überraschendste Nutzung der neuen Medien vollzieht sich vor unseren Augen im Zuge der Zuwanderung durch die Verbreitung der Smart-phones. Die Fotos von großen Gruppen ankommender junger Migranten, die als erstes ihr Handy hochhalten, um Netzempfang zu prüfen, sind Ausdruck der Ge-wöhnung an die Nutzung dieser Technik, um sich mit der Familie, mit Freunden und Begleitern zu verständigen.

Dies ist nicht nur ein technischer Vorgang, sondern ein kultureller. Die Migran-ten leben quasi in zwei Kulturen: sie sind noch eingebettet in ihre Heimatkultur (über Informationsaustausch mit der Familie, Freunden Nachbarn), aber nähern sich langsam der neuen Kultur an, in die sie gerade erst gekommen sind. Wahr-scheinlich findet auch ein Austausch zwischen diesen beiden Welten statt, auch eine Rückkopplung der Fragen. Dies ist ein interkultureller Vorgang, den es vorher nicht gab. Er ermöglicht den Zuwanderern, das „neue Land“ auch mit den Augen der Angehörigen in der Ferne, in einer anderen Kultur, zeitgleich zu erleben, zu hinter-fragen. Dieser Austausch verändert auch die Sicht des Zuwanderers, entwickelt auch seine Kompetenz der Vermittlung zwischen den Kulturen. Es stellen sich hier neue theoretische Fragen an die Kulturwissenschaft, die ich am Ende dieser Einleitung noch einmal aufgreifen werde. Diese „Smartphone-Welle“ ist Teil der technischen Medienentwicklung, die überall in der Welt Kommunikationsprozesse verändert.

Heute kommunizieren die Menschen nicht nur über die traditionellen Ka-näle face-to-face, schriftlich oder über das Fernsehen oder Telefon (Skype). Die

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5 Die rasanten Veränderungen der Medien

wichtigsten Kommunikationskanäle sind heute das Handy und das Internet. Aus einem Bericht der Internationalen Fernmeldeunion von 2013 geht hervor, dass für das Jahr 2014 ein Anstieg der Handys weltweit erwartet wird, so dass es so viele Handys wie Menschen auf der Welt geben wird: 7 Milliarden, davon mehr als die Hälfte in Asien (Diese Prognose scheint zugetroffen zu sein). Es wurde auch prognostiziert, dass es bis Ende 2013 ein Wachstum des Internetzugangs geben wird, so dass 2,7 Milliarden Menschen (39 % der Weltbevölkerung) Zugang zum Internet haben werden.

Zugleich wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es große Unterschiede in der Verfügbarkeit der neuen Medien weltweit gibt. Zahlen von 2013 sagen aus, dass nur 39 Prozent der Weltbevölkerung (das sind 2,7 Milliarden Menschen) die neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten durch das Internet nutzen können. Aber auch hier gibt es Unterschiede: die Netzabdeckung in Europa beträgt 75% der Bevölkerung, jedoch in Afrika nur 16 %). Das bedeutet, dass 4,5 Milliarden Menschen „offline“ sind! (ITU/Heise online http://www.heise.de//1.3.2013)

Deutschland gehört offensichtlich zu den am besten ausgestatteten Ländern mit modernen technischen Medien im Kommunikationsbereich. (vgl. Statistik zur Verfügbarkeit von Unterhaltungselektronik in privaten Haushalten in Deutschland in den Statistiken des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden 2015 http://www.destatis.de/DE/ Zahlen Fakten/Gesellschaft)

5.1 Medien und soziale Netzwerke: Social Media

Mit dem Internet entwickelten sich seit der Einrichtung des World Wide Web (www) 1991 Interaktionsgeflechte von Personen, die über soziale Beziehungen miteinander verbunden sind. Sie können sich auf der Basis persönlicher Beziehungen finden, aber auch einer Internet-Gemeinschaft beitreten.

Mit der Entwicklung der Technologie des Internets bildeten sich Interessen-Ge-meinschaften in Chatrooms, die sich über ihre Interessen und Probleme mit Gleich-gesinnten verständigen, dort auch Unterstützung und Verständnis finden. Ebenso können heute in Internet-Foren viele Interessierte zu einem Thema wechselseitig Informationen austauschen.

Derartige Soziale Netzwerke können regional begrenzt sein, sind aber in der Regel weltweit offen, über Kulturen hinweg. Von besonderer Bedeutung in Hinblick auf das Wachstum von Kommunikation und mediale Verbreitung über kulturelle Grenzen hinweg sind die virtuellen Netzwerke, in denen Menschen aus allen Kul-

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turen (bei entsprechenden technischen Voraussetzungen) Kontakte aufnehmen und pflegen können. Erstes Netzwerk dieser Art war Orkut, das 2004 entstand.

Die wichtigsten Kommunikations-Plattformen sind heute Facebook (1,4 Milli-arden aktive Nutzer weltweit, in Deutschland rund 28 Millionen Nutzer). Beliebtes Netzwerk ist Twitter (weltweit geschätzte Nutzer 284 Millionen monatlich, in Deutschland ca. 1 Million Nutzer). Die Netzwerke Xing (ca. 8 Millionen Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz) und LinkedIn (weltweit ca. 332 Mil-lionen, ca. 8 Millionen in Deutschland) verbinden vor allem Berufsinteressen. Zu erwähnen ist die Foto-App Instagram (weltweit ca. 300 Millionen Nutzer), das Netzwerk WhatsApp, vorwiegend beliebt bei Jüngeren (weltweit über 7oo Millionen Nutzer, davon 35 Millionen in Deutschland.) Kulturell verbindend ist auch die Video-Plattform YouTube, von der pro Tag 4 Milliarden Videos aufgerufen werden.

Social Media dienen zum einen der Information (die Nutzer stellen ihren Text oder Bilder ins Netz und informieren andere Mitglieder), zum anderen aber auch zum Aufruf zur Solidarität mit Personen oder Gruppen und zur Organisation von Aktionen (bekanntes Beispiel: die Organisation via Handys zur Zeit des „Arabi-schen Frühlings“).

Die hier genannten Netzwerke sind nur ein Ausschnitt aus der Fülle von Möglichkeiten, die Individuen heute via Internet nutzen können, um sich bei an-deren landesweit oder weltweit zu informieren, auszutauschen und zu Aktionen zu vernetzen. Sie haben sich zu wirksamen Kommunikationsmedien entwickelt. (vgl. Buggisch, Christian: Social Media und soziale Netzwerke- Nutzerzahlen in Deutschland 2015. https.wordpress.com/ 2015/01/07)

Die Zahlen der Statistik weisen aus, dass weltweit die Anzahl der Personal Computer wächst. Die Industrie misst dies am Absatz weltweit pro Quartal: 68,4 Millionen Geräte. (statistika. com/themen/159/Computer. 15.8.2015)

Die weltweit verbindende Rolle der neuen Medien wurde seit Beginn der mas-senhaften Zuwanderung nach Europa sichtbar: Flüchtlinge brauchen ihr Smart-phone zur Orientierung auf dem Weg, zur Kommunikation mit der Familie in der Heimat und mit Freunden in den Zielländern – die Bilder sind bekannt und gingen um die Welt.

Smartphones haben in den vergangenen fünf Jahren eine besonders hohe Verbreitungsrate erreicht: 2010 wurden weltweit ca. 300 Millionen Smartphones ausgeliefert, 2013 bereits mehr als eine Milliarde, im Jahr 2015 stieg der Absatz auf mehr als 1,4 Milliarden Geräte. In Deutschland wurden 2015 bereits 26,2 Millionen Smartphones verkauft. Für 2016 sagt die Prognose weltweit einen Anstieg auf 2,08 Milliarden Smartphones voraus, für 2019 sogar 2,66 Milliarden (de.statista.com, Zugriff am 11.03.2016).

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5 Die rasanten Veränderungen der Medien

Diese genannten Bereiche der gesellschaftlichen Entwicklung zeigen, dass die Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft trotz Bevölkerungswachstum und weltweiten Wanderungsbewegungen enorm ansteigen wird, weil neue Kommunikationstechnologien weltweit verfügbar sind. Wachstum von Ökonomie, Medien und der Bedarf nach Interkultureller Kommunikation sind heute eng verflochten.

Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass es neben der Kommunikation in gut vernetzten Megastädten Gebiete in der Welt gibt, die von diesem technologischen Fortschritt ausgeschlossen sind und für die nur die traditionellen Kommunikati-onswege (personale Kommunikation und möglicherweise der lokale Rundfunk) einzige verfügbare Informationswege darstellen. Die Unterschiede zwischen und innerhalb der Entwicklungsländer sind noch groß.

Welche wichtige politisch motivierende Rolle Handys und Smartphones aber auch einnehmen können, zeigt das Beispiel der Nutzung in arabischen Ländern in den sozialen Volksbewegungen 2011. Die Organisation des Widerstandes gegen die alten Regimes fand dort, wo keine breiten demokratischen Diskussionen möglich waren, unter Einbeziehung der neuen Medien statt. Durch die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter konnte die Weltöffentlichkeit schnell Informationen und Bilder erhalten, wie z. B. von der Jasmin-Revolution in Tunesien. In mehreren Ländern wurden traditionelle und neue Medien vernetzt, z. B. TV, Internet und Mobilfunktelefon. Der Sender Al-Jazeera spielte dabei eine führende Rolle. In Tunesien agierten Internetaktivisten, Blogger und die Hackerbewegung Tunileaks gegen das alte Regime. In Ägypten, wo zwei Drittel der Bevölkerung Mobiltelefone besaßen, informierten die Smartphones im In- und Ausland. Die Ereignisse im Arabischen Frühling konnten so auf den Fernsehschirmen europäischer Länder verfolgt werden – eine neue Form der Interkulturellen Kommunikation! (vgl. Asiem El Difraaoi, Richter, Carola: Arabische Medien. 2015)

Aber auch der sogenannte Islamische Staat (IS) konzentriert sich seit Jahren ausschließlich auf die Nutzung der Neuen Medien. Gewaltdarstellungen und Wer-bung für den Kampf des IS werden in die internationalen Social Media (Youtube und Twitter) eingestellt, Handy-Aufnahmen werden zeitschnell weitergeleitet.

Die massenhafte Migration nach Europa, insbesondere nach Deutschland, wurde durch die Verfügbarkeit über Smartphones organisiert und individuell dokumentiert. Diese selbstverständliche Nutzung dieser Medien wurde nach der Ankunft der Zuwanderer fortgesetzt – als Kontaktbrücke in die Heimat, aber auch als Kommunikationsmittel im Zielland, z. B. Speicherung von Daten der Sprach-und Orientierungskurse, Fahrpläne etc.

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6 Kommunikation und kulturelle Vielfalt6 Kommunikation und kulturelle VielfaltDie realen Möglichkeiten, mit Menschen aus anderen, auch entfernten Kulturen in Kontakt zu kommen, sind zweifellos in den letzten Jahrzehnten enorm ange-stiegen. Die erwähnten Wege des Austausches, der Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung im Ausland bedeuten für die Einzelnen eine intensive Vorbereitung auf die neue Kultur, das Erlernen einer fremden Sprache aber – in der Regel – sich auf eine konkrete Kultur einzustellen.

Zu den nach Deutschland in den vergangenen drei Jahren eingereisten „Frem-den“ gehören Angehörige akademischer Berufe und IT-Fachkräfte aus Indien, VR China, der Russischen Föderation und der Ukraine, Spezialisten verschiedener Berufsgruppen. Internationaler Personalaustausch besteht mit Indien, China, den USA, Mexiko, Brasilien, Japan und der Russischen Föderation. Allen diesen Gruppen gemeinsam ist ihr begrenzter Aufenthalt und die Tatsache, dass sie überwiegend Kontakt mit einem Personenkreis aus ihrem Beruf haben werden. Der Aufenthalt ist von beiden Seiten vorbereitet und geplant.

Die massenhafte Zuwanderung von Flüchtlingen, die in Deutschland Asyl su-chen, hat in dieser Hinsicht das kulturelle Spektrum erweitert. Beschäftigte und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit müssen sich auf verschiedene, immer wieder auch wechselnde Gruppen mit einem anderen kulturellen Hintergrund einstellen. Wenn man die Herkunftsländer betrachtet, so sind dies vor allem Syrien, Irak und Afghanistan (allein im Januar / Februar 2016 ca. 90 Tausend Asylbewerber), danach Flüchtlinge aus Eritrea, Pakistan, Iran und europäischen Staaten. (vgl. www.bmf.de: Aktuelle Zahlen zu Asyl.2016)

Die interkulturellen Begegnungen schließen also Kontakte aus unterschiedli-chen Kulturen ein. In jedem dieser Länder gibt es zudem eine ethnische Vielfalt, die kulturelle Identität, Sprache und Religion betrifft.

Kulturelle Unterschiede ergeben sich auch aus dem Maß an Bildung, das jeder Einzelne mitbringt. Dies sagt nichts über seine tatsächlichen Fähigkeiten aus, aber viel über den Zugang zu Bildung in seinem Herkunftsland.

6.1 Bildungsunterschiede in der Welt

Nach Angaben der UNESCO gibt es 781 Millionen Analphabeten in der Welt, zwei Drittel davon sind Frauen. 557 Millionen von ihnen leben in nur 10 Ländern, davon 37 % in Indien.

Die UNESCO startete 2000 ein weltweites Aktionsprogramm „Bildung für alle“ mit dem Ziel, die Analphabetenrate unter Erwachsenen bis zum Jahr 2015 zu

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6 Kommunikation und kulturelle Vielfalt

halbieren. Das Ziel wurde nicht erreicht (2015 lag die Rate noch bei 738 Millionen Menschen). Die Anzahl der Analphabeten in der Welt ist unterschiedlich:

Afrika 41,6 % der Bevölkerung Südasien 37,5 % Arabische Staaten 22 % Lateinamerika 7,7 % Ozeanien 5,5 % Europa, Zentralasien 2 %

Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich unter den Asylbewerbern Analphabeten befinden, auf die man sich in den Sprach-und Bildungskursen einstellen muss.

6.2 Sprachenvielfalt

Im Rahmen der Migration kommen Menschen aus unterschiedlichen Ländern nach Deutschland, die eine Heimatsprache sprechen, die oft nur wenige Menschen hier beherrschen oder für die es zu wenig Dolmetscher gibt, damit die Kommunikation funktioniert. Das betrifft insbesondere die Sprachen- und Dialektvielfalt im afri-kanischen Raum. Resultierend aus dem Bildungswesen der Heimatländer sprechen häufig junge Flüchtlinge auch die europäischen Mittlersprachen nur begrenzt.

Ein großer Vorteil ist die Mehrsprachigkeit vieler junger Migranten, die in ihrer Heimat Englisch oder Französisch gelernt haben (In Syrien, ein Land mit einem gut entwickelten Bildungssystem, erlernen die Kinder ab der 1. Klasse Englisch).

Um die Schwierigkeit des Bildungserwerbs in Deutschland zu ermessen, muss bedacht werden, dass alle, die keine europäische Sprache erlernt haben, auch die lateinische Schriftsprache nicht kennen. Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift ist daher notwenige Voraussetzung für Integration.

Die arabische Sprache hingegen hat sich als eine gute Grundlage für interkul-turelle Kommunikation erwiesen, da sie die sprachliche Grundlage des Koran ist. Sie wird in den Koranschulen selbst jener Länder gelehrt, die eine andere Natio-nalsprache haben. Man schätzt daher, dass ca. 370 Millionen Menschen Varianten des Arabischen sprechen. Das klassische Hocharabisch des Koran ist Schrift- und Dachsprache. Das gilt natürlich auch in allen 19 Staaten der arabischen Welt. Viel-fach gibt es daneben Varianten oder Dialekte des Arabischen, die auf Landesebene oder lokal gesprochen werden.

Für die Kommunikation in der Zuwanderung bedeutet das meist eine Grundlage für die Verständigung von Migranten untereinander aus verschiedenen Ländern.

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Durch die arabische Sprache und Schrift ist zudem eine einheitliche Basis für die Verständigung mit den Zuwanderern gegeben, die aus dem arabischen Raum kommen bzw. dem Islam angehören. Viele Informationen (in den Kursen, im öf-fentlichen Raum) werden heute schriftlich in Arabisch weitergegeben.

6.3 Die Rolle der Religionen

Genaue Angaben zu den Religionen, denen die Zuwanderer angehören, gibt es nicht, aber es ist offensichtlich, dass Menschen muslimischen Glaubens überwiegend vertreten sind, Christen in der Minderheit. Aus diesem Grund einige Angaben zum Islam.

6.3.1 IslamDer Islam ist die Religion mit dem größten Wachstum. Nach Berechnungen des PEV Research Center wird es nach 2070 mehr Muslime als Christen in der Welt geben. Für 2050 nimmt man an, dass jeder 10. Einwohner in Deutschland Muslim ist. Durch die Zuwanderung nach Deutschland mit einem hohen Anteil an Muslimen wird eine Religionsverschiebung erwartet. Gegenwärtig schwanken die Angaben über Muslime in Deutschland zwischen 3,8–4,5 Millionen Menschen.

Das Bild der islamischen Gemeinschaften in Deutschland ist vorwiegend durch die ehemaligen Gastarbeiter aus der Türkei geprägt, deren Nachkommen in der 2. und 3. Generation in Deutschland leben. Wir können davon ausgehen, dass alle Gläubigen Moslems das Wertegerüst des Islam verinnerlicht haben, es jedoch regio-nal Unterschiede in der Umsetzung von Geboten gibt. So wird z. B. die Scharia, die Radikale Gesetzgebung des Islam, nicht in allen islamischen Ländern angewandt, ist aber Grundlage der Rechtsprechung in einigen arabischen Ländern (z. B. Saudi Arabien) und im der Praxis des IS.

Einige Bemerkungen zum Islam sind an dieser Stelle notwendig, da die Mehrheit der Zuwanderer muslimischen Glaubens ist. Unabhängig davon, ob die Migranten aus Syrien, Irak, Iran, Pakistan oder Afghanistan kommen, fühlen sie sich an diese Religion gebunden und halten Gebote und Verbote ein. Der Islam ist in zahlreichen Ländern Afrikas und Asiens verbreitete Religion (In Indonesien gibt es die größte muslimische Gemeinde der Welt!).

Religionsgründer des Islam ist der Prophet Mohammed, der 570 in Mekka geboren wurde. Er überlieferte seinen Schülern die göttlichen Botschaften, die zu einer eigenständigen Religion wurden. Diese von Allah, dem allmächtigen Gott, gegebenen Regeln, wurden erst nach seinem Tod schriftlich niedergelegt, die end-gültige Fassung des Koran erst 652.

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6 Kommunikation und kulturelle Vielfalt

Es haben sich in der Geschichte (nach dem Tode des Propheten) verschiedene Gruppen des Islam herausgebildet, die wir auch heute in den Ländern wiederfinden. Im Streit um die legitime Nachfolge Mohammeds trennten sich:

• Sunniten (Nachfolge aus dem Stamm des Propheten)• Schiiten (Nachfolge nur aus der Familie Mohammeds)• Haragiten (der Frömmste soll Kalif werden)

Daneben bildeten sich Sekten: Imamiten der Zwölfer Schia (Schiiten im Iran); Ismai-liten Schiiten: Aga Khan, Drusen, Alawiten, Nusairier; Zaiditen (5 Imame, Jemen).

Wir können also nicht von d e n Muslimen sprechen, da sie unterschiedlichen Richtungen des Islam angehören. So gibt es neben Sunniten und Schiiten die radi-kal islamischen Wahhabiten (Saudi Arabien) und die auch in Europa verbreiteten Salafisten.

In der Türkei gibt es eine große Minderheit der Aleviten (synkretistisch: schiitisch, alttürkisch und mystische Elemente), die eine andere Glaubens- und Lebensethik entwickelt haben. Sie wurden jahrhundertelang verfolgt. Einige Aleviten kamen als Gastarbeiter nach Deutschland, heute leben ca. 700 000 Aleviten hier.

In einigen Ländern gibt es Vorurteile gegenüber anderen muslimischen Glau-bensrichtungen, es gab und gibt auch gewaltsame Auseinandersetzungen.

Aber zunächst: Worin besteht der gemeinsame Glaube der Muslime?Der Islam entstand als dritte der monotheistischen Religionen im Vorderen

Orient, begründet durch den Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert. Der Beginn des Islamischen Kalenders ist das Jahr 622, das Jahr des Auszuges

des Propheten von Mekka nach Medina. Mohammed empfing in den Bergen durch Engel vermittelt göttliche Botschaften, die zu Regeln für die Gläubigen der schnell wachsenden Gemeinde wurden. Sie wurden später im Koran niedergeschrieben. Der Koran enthält 114 Suren (in Versen), die nach ihrer Länge geordnet sind. Sie beziehen sich auf verschiedene Situationen im Leben.

Neben den Verhaltensregeln im Koran richten sich die Gläubigen nach der Sunna, Berichten aus dem Leben des Propheten, den hadith. Das Verhalten des Propheten wird bei wichtigen Problemen des Lebens als Vorbild hinzugezogen.

Die religiöse Botschaft des Korans ist der Glaube an einen einzigen Gott. Zur Glaubenslehre gehören der Glaube an Engel, Propheten (zu denen auch Moses, Abraham und Jesus gehören) und die Heilige Schrift (Koran). Das Jüngste Gericht wägt das Verhalten des Menschen und er kommt in die ewige Feuerhölle oder ins Paradies (Märtyrer kommen direkt ins Paradies!).

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Wichtig ist die Kenntnis der fünf Säulen des Islam:

1. Das Glaubensbekenntnis2. Gebete fünfmal täglich3. Almosen an die Armen geben4. Fasten im Monat Ramadan5. Pilgerreise nach Mekka (mindestens einmal im Leben)

Das Islamische Gesetz (Scharia) enthält Vorschriften im Privatrecht (z. B. zur Ehe: Der Mann kann eine Nicht-Muslimin heiraten, die Frau darf nur einen Muslim heiraten; nur der Mann kann die Scheidung mit einer Formel aussprechen; eine Frau kann erben, aber weniger als ein männlicher Nachkomme).

Zur Scharia gehört das Strafrecht, das bei Delikten wie Ehebruch und Diebstahl sehr harte Strafen verhängt. Es wird aber heute nicht in allen islamischen Ländern angewandt. Im Koran enthalten sind auch Speisetabus (Sure 169, 174) gegenüber Schweinefleisch, Blut, Fleisch toter Tiere und bestimmte Formen des Alkohols.

Die Verhaltensvorschriften im Koran hat der Prophet Mohammed aus seiner Lebenspraxis einer patriarchischen Gesellschaft heraus formuliert und göttliche Gebote einbezogen. Dies betrifft Vorschriften, die die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau seit Jahrhunderten festschreiben: z. B. zur Rolle der Frau: Sie soll sich durch einen Schleier vor fremden Blicken schützen, keinen Tand und Schmuck zur Schau stellen; sie soll ihrem Mann stets gefügig sein. Wichtig sind auch die Reinigungsriten: z. B. Reinigung im Hamam. Einige Vorschriften hat Mohammed von den Berber-Traditionen der vorislamischen Zeit übernommen, z. B. die Beschneidung der männlichen Nachkommen, während die Beschneidung der Mädchen im Islam verboten ist!

Mohammed hat im Koran die Anzahl der Ehefrauen auf 4 begrenzt, da das Kriterium sein soll, dass der Mann sie alle versorgen kann.

Der Islam ist jedoch nicht nur eine Religion, sondern vor allem eine Gemein-schaft (umma), deren wirtschaftliches Wohl durch Arbeit und Handel vermehrt werden soll. Geld ist nicht von übel, Arbeit darf zu Reichtum führen. Ein strenges Verbot gibt es jedoch gegen Zinswucher. Die islamischen Banken haben einheitliche Regelungen, 1977 wurde die Internationale Vereinigung der Islamischen Banken gegründet. (vgl. Anne-Marie Delcambre: Stichwort Islam. Horlemann Paris 1991)

Der gemeinsame muslimische Glaube verbindet die Gläubigen auch dadurch, dass sie von Kindheit an den Koran lernen, der in Hocharabisch geschrieben ist. Auch wenn in den einzelnen Ländern sprachliche Abweichungen sind, gibt es doch eine gemeinsame Grundlage.

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6 Kommunikation und kulturelle Vielfalt

6.3.2 Christen im Nahen OstenDas Christentum ist im Nahen Osten entstanden, so dass sich die Frage danach stellt, welche Rolle es heute in dieser Region spielt. Aus der Frühzeit des Christentums stammen die Kopten, die größte christliche Gemeinschaft der arabischen Welt, ca. 10-15 % der ägyptischen Bevölkerung sind Kopten (weltweit: 10 Mill. Kopten).

Äthiopien gehört zu den ersten christlichen Reichen in Afrika. Im 4. Jahrhun-dert begann die Blütezeit des Reiches von Axum, Architektur, Kunsthandwerk und Malerei wurden gefördert. Beeindruckende Kirchen wie die Felsenkirche von Lalibela und andere Altertümer sind noch heute zu besichtigen. Es gibt heute 35 Mill. Christen.

Zu den christlichen Traditionen gehört die Armenisch-Orthodoxe Kirche, die bereits um 300 Staatsreligion wurde (heute ca. 6 Millionen Gläubige).Den Griechisch-Orthodoxen Kirchen gehören heute 14 Millionen Christen an. Die Geschichte der Christen in diesem Raum war über die Jahrhundert hinweg von Verfolgung geprägt. Im 20. Jahrhundert wurde besonders der Libanon für viele zum letzten Exil. Seit 2011 hat auch die Abwanderung nach Europa oder in die USA stark zugenommen. In einigen Ländern werden die Christen noch heute als „Ungläubige“ bestraft.

6.3.3 Identität ethnischer Minderheiten: Das Beispiel der Jesiden

Neben den großen Religionen gibt es eine Reihe von religiösen und kulturellen Minderheiten im Nahen Osten, die ihre lange überlieferte kulturelle Identität haben.

Ein Beispiel dafür sind die Jesiden, die vorwiegend im Irak leben. In den vergan-genen 30 Jahren flohen viele von ihnen vor den Kämpfen im türkisch-kurdischen Grenzgebiet oder seit 2014 vor dem IS, der sie als „Ungläubige“ einstufte und auf-rief, sie zu töten. In Deutschland leben über 100.000 Jesiden. Sie haben seit 1993 asylrechtlichen Flüchtlingsstatus.

Die Jesiden sind eine ethnische Minderheit der Kurden mit einer eigenen Spra-che (Nordkurdisch). Sie bilden zugleich eine ethno-religiöse Gruppe. Sie besitzen als ethnische Gruppe das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Herkunft und eines gemeinsamen historischen Schicksals.

Die Religion der Jesiden ist eine monotheistische, synkretistische Religion. Man kann ihr nur angehören, wenn beide Eltern Jesiden sind. Im Zentrum des Glaubens stehen Melek Taus (Engel Pfau), der Scheich Adi Ibn Musafir aus dem 11. Jahrhundert und 7 Mysterien.

Jesiden glauben an Seelenwanderung und die Wiedergeburt. Das Heiligtum der Jesiden liegt im Lalisch-Tal und ist Ziel einer Pilgerreise zum Grab von Scheich Adi. Ihr soziales Leben ist mit ihrer Religion eng verbunden. Es gibt drei Kasten.

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Ihr soziales Leben ist durch Endogamie geprägt. Zu ihrem besonderen Über-gangsritus gehört bei der Beschneidung die Wahl eines „Jenseitsbruder“ und einer „Jenseitsschwester“ aus einer Scheich-Familie. Zentrales Fest ist das Neujahrsfest (Serisal) im April, das ein Treffen der Angehörigen ist.

Sie werden wegen ihrer Identität vor allem von Islamisten stark angegriffen. Viele von ihnen fliehen nach Deutschland, wo es seit 2007 einen Zentralrat der Jesiden in Deutschland gibt.

Wir sollten nicht vergessen, dass neben den Religionen auch sprachliche und ethnische Unterschiede zwischen den Migranten bestehen. Sie kommen aus vielen verschiedenen Kulturen- und benötigen auch oft untereinander Interkulturelle Kommunikation! In ihrer Geschichte gab es zwar auch immer Kontakt mit anderen Kulturen, aber auch Kriege und Auseinandersetzungen. Erfahrungen mit Freiheit und Toleranz sind oft nur zeitweise erlebt.

6.4 Identität und Fremdheit der Zuwanderer: Drei Beispiele

Der Zustrom von Migranten nichteuropäischer Herkunft kam unerwartet und unvorbereitet in Bezug auf Kenntnisse über Kultur und Religion der einzelnen Herkunftsstaaten. Oft wird dadurch die kulturelle Differenzierung durch Verall-gemeinerungen ersetzt. Ich möchte dies kurz am Beispiel der Migranten aus drei Staaten aufzeigen:

Die Kenntnis der deutschen Bevölkerung über die „Fremden“ konzentriert sich (auch durch Medienbilder vermittelt) meist auf Syrien, Irak und Afghanistan. Das Bild wird durch die gemeinsame Religion des Islam vereinheitlicht. Tatsächlich gehört Afghanistan zu Südasien.

Auch Syrien und der Irak weisen viele Unterschiede auf – trotz Islam und arabischer Sprache.

Sie sind Teile der arabischen Welt, zu der 24 Staaten gehören, die mehrheitlich eine gemeinsame arabische Kultur haben, geprägt durch Islam und arabische Sprache. Die einzelnen Staaten sind dennoch kulturell verschieden.

Araber können Muslime unterschiedlicher Zuordnung sein, dem Islam, Chris-tentum oder kleinen Religionsgemeinschaften angehören.

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Beispiele• In Syrien besteht die Bevölkerung aus 90 % Arabern, 10 % Kurden, Armeniern

und anderen Gruppen. Verbindliche Sprache ist Hocharabisch (Koran!) und Syrisches Arabisch mit einer anderen Aussprache.

Zu den Religionen gehören der Islam (74 % Sunniten, 12 % Alawiten) und ca. 10 % Christen verschiedener Konfessionen:

Syrisch-katholisch, griechisch-orthodoxe Kirche mit dem Patriarchen von An-tiochien, zu der sich Aramäer und Assyrer bekennen, deren Sprache Aramäisch ist.

Die Alaviten kamen im 9. Jahrhundert aus dem Gebiet des Irak und leben au-ßerhalb Syriens nur im Libanon (weltweit 3 Millionen). Ihre Religion enthält neben dem Islam andere Elemente, z. B. den Glauben an die Seelenwanderung. Zu diesem Glauben bekennen sich auch Familien mit politischem und militä-rischen Einfluss, so die Familie Assad (1970 Hafz-al-Assad, heute sein Sohn als Nachfolger).

Minderheiten sind Drusen, eine schiitische Abspaltung (2 % der Bevölkerung), einige Tausend Jesiden, in den Städten auch Juden, die in Sprache und Kleidung den Muslimen gleichen. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Arabische Welt, 10.03.2016 )

Hervorzuheben ist, dass Syrien kostenlose Schulpflicht bis 11 Jahre hat, die Bevölkerung ab 15 Jahren ist weitgehend alphabetisiert.

• Irak: Die Bevölkerung spricht Arabisch, zudem sind kurdische Sprachen ver-breitet (im Norden Autonome Region Kurdistan).

Religion ist der Islam, aber es gab viele Jahre lang Differenzen zwischen Sunniten und Schiiten (unterschiedliche Verteilung der Aufstiegsmöglichkeiten: Sunni-ten in Verwaltung und Militär, daneben schiitische Bevölkerungsanteile ohne gleiche Rechte, vor allem zur Zeit Saddam Husseins. Diese ungleiche Verteilung von beruflichen Chancen und politischer Mitbestimmung ist weiterhin in der Diskussion).

Der Irak hat eine reiche kulturelle Tradition: Bagdad war in der Blütezeit des Islam bedeutendste Stadt der islamischen Welt. Nach dem Sturz der pro-briti-schen Monarchie entwickelte sich der Irak kulturell (Förderung der Kunst, die Stadt besaß eines der wichtigsten Museen von Altertümern etc.). Leider wurden viele Kulturgüter im Krieg 2003 zerstört. In der Zeit bis 2011 (Krieg und Beset-zung) geriet das Land ins Chaos. 2006 rief Al-Qaida im Irak einen islamischen Staat aus. Heute versucht der IS das Land in seine Gewalt zu bekommen Durch die jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen bietet das Land jungen Menschen wenig Entwicklungsmöglichkeiten – was sich in der Migration wi-derspiegelt.

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• Afghanistan: Auch dieses Land hat eine Geschichte, die mindestens seit 1979 von Krieg und Zerstörung gekennzeichnet wurde. 1979 Einmarsch der Sowjetunion, Sturz der Regierung durch die Mudschaheddin, Taliban-Milizen kamen an die Macht und setzten einen radikalen Islam durch. Nach dem 11. September 2001 wurden sie durch die USA („Kampf gegen den Terror“) gestürzt, seit 2004 ist Afghanistan Islamische Republik.

Nationalsprachen: Paschtunisch und Persisch (Dari). Religion: 99,9 % Muslime: (4/5. Sunniten, 1/5. Schiiten), 15 000 Hindus, einige

Hundert Sighs. Christen und Konvertiten aus dem Islam wurden nach 2010 verfolgt.

Kulturell ist interessant, dass vorislamische Bräuche überliefert wurden, so das altiranische Neujahrsfest (Nouruz), der iranische Kalender und zaroastrische Glaubensvorstellungen.

In der Zeit der Taliban-Herrschaft wurde ein strenger Islam eingeführt: Ver-hüllung der Frau durch die Burka 1990, wurde 2001 aufgehoben), unter den Taliban waren Berufstätigkeit der Frauen und Schulbesuch der Kinder verboten.

Ergebnis ist die Analphabetenrate von 70% in Afghanistan, die nur allmählich verändert werden kann.

Diese Beispiele der Situation wichtiger Herkunftsländer mögen genügen, um die unterschiedliche kulturelle und religiöse Situation der Migranten verständlich zu machen. Eine Verständigung ist oft auch unter den verschiedenen Gruppen schwierig. Ihre Begegnung mit der deutschen Kultur, die ihnen voller Widersprüche entgegen tritt – zunächst als Bürokratie, aber auch freundlicher Willkommenskultur – wirft auch für sie viele Fragen und Probleme auf, die sie allmählich bewältigen müssen.

7 Gemeinsamkeiten trotz kultureller Differenzierung?7 Gemeinsamkeiten trotz kultureller Differenzierung?Um Interkulturelle Kommunikation mit Zuwanderern erfolgreich zu gestalten, ist es notwendig, über die Unterschiedlichkeit der Kulturen hinaus auch nach Gemeinsamkeiten zu suchen.

Im vorliegenden Buch werden wissenschaftliche Angebote zum Vergleich von Kulturen gemacht (Hall, Hofstede u. a.) Einige übergreifende Merkmale eignen sich gut dazu, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der deutschen Kultur und den Kulturen der Migranten zu verstehen.

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• Die Unterscheidung zwischen individualistischen und kollektivistischen Kulturen Deutschland gehört zu den individualistischen Kulturen: der Einzelne entscheidet

über sein Leben und ist allein dafür verantwortlich. Die Kulturen der Zuwande-rer sind fast alle Kollektivistische Kulturen: Der Einzelne ist in WIR-Gruppen eingebunden, die ihm Schutz und Fürsorge geben, aber auch zu solidarischem Verhalten verpflichten (Familie, Clan). Selbst die Entscheidung für eine Religion ist keine individuelle Privatsache, sondern eine Familienangelegenheit.

Die Zuwanderer aus diesen Gesellschaften kommen daher nach Deutschland nicht nur als Individuen, sondern als Teil der Familie/Gemeinschaft. Der enge Kontakt über die Smartphones ist ein zentraler Bestandteil, diese Verbindungen der Einzelnen zu ihren Gruppen aufrecht zu erhalten.

• Die Dichte des Informationsnetzes Nach den Studien von Edward Hall gehören die Kulturen des Nahen Ostens

zu denen, die ein dichtes Informationsnetz entwickelt haben. Die Menschen kommunizieren viel über informelle Kanäle und sind daher gut informiert.

In Kulturen mit einem weniger dichten Informationsnetz werden Informationen vor allem über direkte Kanäle weitergegeben, so dass die Menschen weit weniger Informationen erhalten. Zu diesen Kulturen gehört Deutschland.

• Der Umgang mit Zeit Hall unterteilt die Kulturen in monochrome und polychrome. In monochromen

Kulturen, zu denen auch Deutschland gehört, ist Zeit ein linearer Prozess von A nach B. Man erledigt eine Aufgabe nach der anderen. Zeit muss maximal genutzt werden, sie darf weder verschenkt noch vergeudet werden. Ein zentraler Wert ist daher Pünktlichkeit. Deutschland gehört zu diesen zeitbewussten Ländern.

In Kollektivistischen Kulturen zerteilen die Menschen oft die Zeit, tun verschie-dene Dinge gleichzeitig, messen zeitlichen Verpflichtungen weniger Bedeutung bei, kommen oft zu spät zu Terminen. In diesen Kulturen ist Zeit nur der Rah-men für Ereignisse. (Afrikanisches Sprichwort: „Es ist nicht wichtig, wann man kommt, sondern dass man kommt!“)

Wenn Zuwanderer zu den obligatorischen Deutsch-Kursen zu spät kommen, sind sie sich ihrer Unpünktlichkeit oft nur gering bewusst, da sie ja zum Kurs-Ereignis erscheinen! Dass hinter dem individuellen Verhalten tradierte Kulturmuster stehen können, wäre ein wichtiger Diskussionspunkt!)

• Wahrnehmung des Raumes Was Menschen als nah oder weit empfinden, wird oft von den Landschaften und

Entfernungen in den Herkunftskulturen geprägt. Damit zusammen hängt aber

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auch das Verhältnis zu Nähe zu anderen Menschen. Die im Buch vorgestellten europäischen Distanzzonen gelten für arabische Zuwanderer nicht unbedingt, da Nähe oder Abstand durch eigene Traditionen geprägt sind (siehe Kap.6).

Die Wahrnehmung räumlicher Distanzen zu anderen Menschen hängt auch mit der Zuordnung zu „Individualistischen“ oder „Kollektivistischen“ Kulturen zusammen. Für Menschen, die in einer kollektivistischen Kultur (Großfamilie) aufwachsen, ist körperliche Nähe zu anderen Menschen normal. Sie haben keine Probleme damit, in Gruppen zusammen zu sein, sei es auf dem Sportplatz oder bei Veranstaltungen.

In einer individualistischen Kultur wie Deutschland wird zu viel Nähe zu anderen Menschen oft als unangenehm empfunden (Verkehrsmittel, Großver-anstaltungen).

Bei Begegnungen von Menschen aus beiden Kulturgruppen, können Fremde den Abstand, den Deutsche halten, falsch interpretieren, Deutsche hingegen zu viel Nähe mit Fremden.

Diese vier Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass unterschiedliches kultu-relles Verhalten nicht allein durch individuelle, subjektive Muster zu erklären ist, sondern die tradierten Verhaltensmuster der jeweiligen Kultur mit einbezogen werden müssen.

Individuelle und kulturelle Unterschiede als Quelle möglicher Missverständnisse

• Rollenbilder und Familie Soziale Rollenbilder in einer Gesellschaft sind meist durch kulturelle und reli-

giöse Traditionen verfestigt. Ein besonders sensibler Punkt in den Interkulturellen Begegnungen mit Zu-

wanderern ist die Rolle der Frau. In islamischen Familien, die patriarchalisch geprägt sind, gibt es keine Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Frau muss sich unterordnen.

Von Zuwanderern wird häufig ihre Verwunderung darüber ausgedrückt, dass Frauen in Deutschland eigenständig entscheiden und wichtige Arbeitsplätze und Positionen einnehmen. Gleichberechtigung als kultureller Wert ist eine neue Erfahrung.

In den Kulturen vieler Migranten hat ihrerseits die Familie einen hohen Stel-lenwert. Es gilt als selbstverständlich, alte oder bedürftige Familienmitglieder zu unterstützen und Waisenkinder aufzunehmen.

(Die Medienbilder über die aktive Hilfe für Alte oder Behinderte während der Flucht zeigten sehr anschaulich die Verantwortung, die die Familie teilt!)

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Dem Familienältesten in arabischen oder afrikanischen Kulturen wird großer Respekt entgegen gebracht. Generell sind Höflichkeit und Respekt vor den Alten in der Sozialisation anerzogene Verhaltensweisen.

• Vorurteile und Ängste Begegnung und Zusammenleben mit den Migranten vollzieht sich unter er-

schwerten Bedingungen: es gibt wechselseitige „Bilder im Kopf“ von den jeweils Anderen, die als Vorurteile lange überliefert wurden. Das Bild von den Deut-schen ist teilweise negativ gefärbt, andererseits durch die gezeigte emotionale Willkommenskultur positiv verändert. Die Vorurteile in Deutschland gegen-über „Fremden“ sind jedoch über Jahrhunderte hinweg tradiert und teilweise von Ängsten besetzt. Es sind vor allem Gewaltfantasien, die heute durch die Grausamkeiten des IS erneut aufflammen. Aber auch allgemeine rassistische Vorurteile gegenüber Fremden sind leider durchaus noch lebendig.

Ich sehe zwei Ansätze, um Vorurteile abzubauen. Man muss Geschichte so nehmen, wie sie war und kann sie nicht umschreiben,

aber man kann daraus Schlussfolgerungen ziehen, wie man tradierte Vorurteile diskutieren und im gemeinsamen Zusammenleben allmählich abbauen kann. Vorurteile gibt es natürlich auch zwischen den einzelnen kulturellen und re-ligiösen Gruppen der Zuwanderer, so dass eine Diskussion über dieses Thema allgemein notwendig zu sein scheint.

• Toleranz und Gewalt Erfahrung mit Gewalt ist in allen Zuwandererkulturen präsent. Sehr schnell

brechen auch untereinander alte Vorurteile oder aktuelle Konflikte wieder auf. Gewalt wird auch in der neuen Kultur beobachtet, Diskussion und Streit können überall entstehen.

Erfahrungen im Alltag der Integration sind auch nicht nur positiv. Es ist daher eine dringende Aufgabe im Rahmen der Integration, in den Diskus-

sionen das Thema „Gewalt“ zu thematisieren. Dazu gehört auch verbale Gewalt. Es gibt viele Punkte, über die gemeinsam diskutiert werden muss, auch zwischen

Menschen mit anderen Streiterfahrungen in ihren Kulturen. Eine interkulturelle Streitkultur wäre auf vielen Foren zu diskutieren! Im Zusammenhang damit ist das Thema „Toleranz“ höchst aktuell. Die angebotenen Orientierungskurse, die zur Vermittlung von Wissen zur

Rechtsordnung, Geschichte und Kultur Deutschlands entwickelt und angeboten werden, können hier erste Anlaufpunkte sein.

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8 Interkulturelle Kommunikation in der Zuwanderung: praktische Herausforderungen und neue Fragen an die Theorie

8 Interkulturelle Kommunikation in der ZuwanderungDie Begegnung unterschiedlicher Kulturen im Zuge der Wanderungsbewegung nach Deutschland (mit über 1 Millionen Menschen) hat es in diesem Ausmaß bisher nicht gegeben. Es ist auch eine kulturelle Völkerwanderung. Die Spanne zwischen „Identität“ und „Fremdheit“ ist oft sehr groß. Die Fremden sind in der deutschen Kultur fremd, aber teilweise auch untereinander. Wo soll da die Integration beginnen?

Wie kompliziert die interkulturelle Verständigung bereits am Anfang ist, zeigen die Aufzeichnungen teilnehmender Beobachtungen bei Anhörungen von Erst-Asyl-antragstellern in Österreich (Martina Rienzner: Interkulturelle Kommunikation im Asylverfahren, siehe Literaturhinweis).

Die Aufzeichnungen der Autorin lassen gut die großen Schwierigkeiten ahnen, wenn Antragsteller aus fernen Kulturen (Beispiel Afrika) den Entscheidungsträgern das Trauma ihrer Flucht zu schildern versuchen. Es ist sehr schwer, die Situation und die Fluchtgründe nach zu erleben, wenn die kulturellen Hintergründe (z. B. in religiösen Konflikten der Antragsteller) unbekannt sind. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Im Rahmen der Glaubwürdigkeitsprüfung muss aber ermittelt werden, was authentisch ist. Auch die Dolmetscherinnen als Kulturmittler können nur begrenzt Wissen vermitteln, das als Entscheidungsgrundlage dienen kann. Die Kommunikation ist auf beiden Seiten durch Grenzen des Wissens oder der Sprache belastet (vgl. S. 9-46).

Das Buch gibt einen guten Einblick in die komplizierte Kommunikation zwischen Kulturen, die einander relativ fremd sind. (Natürlich gibt es auch positive „leichte“ Kommunikation mit Antragstellern, die ihre Situation kulturell und sprachlich gut darstellen können).

Die ersten Schritte interkultureller Kommunikation im Zuwanderungsland sind die Vermittlung von Sprache und wichtigen Regeln des Zusammenlebens.

Wenn man heute eine erste Einschätzung wagen kann, ist es die Feststellung, dass durch die Pflicht zur Teilnahme an Deutschkursen (später auch an Orientie-rungskursen) alle Migranten in relativ kurzer Zeit in der Lage sind, sich aktiv in eine Kommunikation einzubringen. Die Anmeldung und Teilnahme an den Kursen der Volkshochschulen wachsen ständig .Einige VHS haben eigenständige Materialien hergestellt, die zentrale Themen, meist illustriert, unterhaltsam vermitteln. (siehe Liste von Internetportalen am Anhang). Auch das BAMF hat digitale Programme entwickelt, die wichtige Themen der deutschen Kultur und des Alltags erklären.

In Programmen für Sprachkurse sind auch Angebote für Berufssprache enthalten.

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Das Neue und Besondere an dieser Art der Wissensvermittlung ist, dass es direkt auf die Smartphones geleitet werden kann und die Programme mehrsprachig sind! Sie sind kostenfrei für alle Migranten verfügbar.

Diese besondere aktuelle Form der Kommunikation, um Informationen für den Alltag zu vermitteln, schließt z. B. auch Verkehrsnetze des Öffentlichen Nahverkehrs und Fahrzeitenpläne in englischer und arabischer Sprache ein.

Auch wenn Sprachvermittlung der Grundstein einer Integration in Deutschland ist, so ist sie vor allem das notwendige Mittel für Kommunikation mit Menschen in unserer Gesellschaft. Integration kann nur über Kontakt und Zusammenarbeit dauerhaft gelingen.

Die Brücke über kulturelle Unterschiede hinweg heißt Integration.Der Begriff umfasst unterschiedliche Zusammenhänge:

• Gesellschaftliche Integration (Rechtsstatus des Migranten, Rechte und Pflichten nach dem Grundgesetz)

• Anerkennung der zentralen Werte der deutschen Verfassung (Freiheit, Demo-kratie, Gleichheit, Menschenwürde)

• Wirtschaftliche Integration in den Arbeitsmarkt• Soziale Integration (Ansprüche an Sozialleistungen, Einbindung im Wohnumfeld

und in Gemeinschaften (Kultur und Freizeit)• Kulturelle Integration (Zugang zu Bildungsstätten, Sport- und Kultureinrich-

tungen, eigene kulturelle und künstlerische Darstellungsformen etc.)

Es ist offensichtlich dass diese Prozesse einen langen Zeitraum benötigen werden.Es ist ebenso offensichtlich, dass die Integration nicht nur eine Sache der Politik

ist, sondern aller, die in der Gesellschaft mit den Zuwanderern agieren, seien es Sporttrainer, Mitarbeiter im Gesundheitswesen, (die gegen Traumata und Flucht-folgen angehen), Pädagogen, die bisher nicht bekanntes Wissen vermitteln etc. Die Integration zu fördern ist heute Aufgabe unserer Gesellschaft als Ganzes.

Es ist allerdings auch schon klar, dass dieser Prozess sehr lange dauern wird und viel Kraft kosten wird.

Aber welche Gesellschaft steht als Zielvorstellung am Ende?Bisher ist die Diskussion darüber eher wissenschaftlicher Disput als eine kul-

turelle Debatte.Was kommt nach der „Multikulturellen Gesellschaft“ (die heute als „Multi-Kulti

zur Geschichte gelegt wird)?Werden Parallelgesellschaften entstehen, eigene ethnisch-kulturelle Welten,

wie sie bereits in deutschen Großstädten dort sind, wo viele ehemalige Migranten mit Konzentration auf ihre ethnische Kultur und Sprache zusammenleben? Wird

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eine kulturelle Melange entstehen? (Der „ melting-pot“ hat auch im Amerika der Einwanderer nicht funktioniert, Kanada ist ein kulturelles Mosaik geblieben).

Was wird aus der deutschen „ Leitkultur?“Welche Leitbilder werden neben oder innerhalb der deutschen Nationalkultur

entstehen? Wird die deutsche Kultur durch viele neue ethnische Facetten berei-chert werden? Wird das Gebilde „Nationalkultur“ im Zeitalter der europäischen Geschichte eine andere Gestalt annehmen?

Im vorliegenden Buch wird der Begriff „Kultur“ als ein Gebilde aus verschie-denen Kulturen erläutert, so dass jeder Mensch verschiedenen Kulturen angehört.

Wie diese Entwicklung aussieht, wissen wir noch nicht!In der gegenwärtigen Zeit des Umbruchs ist es am dringendsten, die neuen

Aufgaben kompetent zu bewältigen.In der vorliegenden Publikation wurde Interkulturelle Kompetenz als Notwen-

digkeit zur Vorbereitung auf Auslandsprojekte und im Diversity Management von Betrieben mit multikultureller Belegschaft betont. Es wurden Trainingsvarianten für das entsprechende Personal entwickelt.

Durch den Zuwanderungsprozess geht die Notwendigkeit von interkultureller Kompetenz über diesen Rahmen hinaus. Kompetenz benötigen heute Menschen in vielen Berufen und im Kontext ihrer Beschäftigung in der Flüchtlingsarbeit.

Das Modell, das Kompetenz vermitteln soll, ist gleich:

• Vermittlung von Wissen über fremde Kulturen;• seine eigene Kultur und Identität erkennen;• Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der fremden Kultur suchen;• Aufgaben diskutieren, die sich aus den kulturellen Unterschieden ergeben.

Es vollzieht sich jedoch heute ein Perspektivenwechsel von der Kultur im Ausland zur Kultur heute in unserer Gesellschaft.

Diese Interkulturelle Kompetenz bedeutet Aneignung von Wissen, die Fähig-keit zur Empathie weiter zu entwickeln und sich flexibel auf neue Interkulturelle Situationen einstellen zu können.

Empfohlene ergänzende Literatur

Beringer, Vanda: Interkulturelle Kommunikation vor Gericht. Vdm Verlag Dr. Müller. 2012Delcambre, Anne-Marie: Stichwort Islam. Horlemann, Paris 1991El Difraaoi, Asiem; Richer, Carola: Arabische Medien. 2015

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Münz, Rainer:Migration im 21.Jahrhundert-Herrausforderungen für Deutschland und Europa. In: Migration gerecht gestalten. Weltweite Impulse für einen fairen Wettbewerb um Fachkräfte. Bertelsmann-Stiftung Gütersloh 2015

Rienzer, Martina: Interkulturelle Kommunikation im Asylverfahren. Peter Lang, Interna-tionaler Verlag der Wissenschaften. Frankfurt am Main 2011

Internetportale für Zuwanderer (mehrsprachig)

http://www.refugeeguide.de/dehttp://www.welcome-app-concept.dehttp:/babadada.comwww.ich-will-deutsch-lernen.dewww.angekommenapp.dewww.esif-hx.de (VHS Höxter-Marienmünster)www.zanzu.de (Sexualkunde, Programmangebot der Bundesregierung)www.basics for Germany , VHS HAAR