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Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Ausarbeitung
IT-Projektmanagement – Organisation, Leitung und
Personal
im Rahmen des Hauptseminars „Software Management“
Marcel Jens Jankovec
Themensteller: Prof. Dr. Herbert Kuchen
Betreuer: Susanne Gruttmann
Institut für Wirtschaftsinformatik
Praktische Informatik in der Wirtschaft
II
Inhaltsverzeichnis
1 Motivation und thematische Ausgestaltung ............................................................... 1
2 Das traditionelle Projektmanagement ........................................................................ 4
2.1 Abgrenzung des Projektmanagements und seiner wichtigsten Begriffe ............ 4
2.2 Aufbauorganisation, Leitung und Personal bei traditionellen Projekten ........... 6
3 IT-Projektmanagement ............................................................................................ 11
3.1 Dominanz des agilen Projektmanagements bei IT-Projekten .......................... 11
3.2 Der agile Projektmanagementansatz „SCRUM“ als Beispiel für die neuen
agilen Managementansätze in IT-Projekten ............................................................... 15
3.2.1 Die grundlegende Struktur von SCRUM .................................................. 16
3.2.2 Selbstorganisation als Managementprinzip .............................................. 17 3.2.3 Leadership im Projektmanagementansatz SCRUM ................................. 21 3.2.4 Die agile Aufbauorganisation bei verschiedenen Projektgrößen .............. 24
4 Kritische Reflexionen .............................................................................................. 26
Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 27
III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3-1: Die Iterations-Wolken-Metapher als grundlegende Systematik aller agilen
Projektmanagementansätze ............................................................................................. 12
Abb. 3-2: Rollen im Projektmanagementansatz „Scrum“ .............................................. 17
Abb. 3-3: Traditioneller Führungsstil im Management .................................................. 18
Abb. 3-4: Der agile Führungsstil zwischen Productowner und Projektteam .................. 18
IV
Tabellenverzeichnis
Tab. 3.1: Neuverteilung der Verantwortlichkeiten im agilen Projektmanagement nach
Scrum .............................................................................................................................. 22
Motivation und thematische Ausgestaltung
1
1 Motivation und thematische Ausgestaltung
„Projekte“ haben sich in den meisten Unternehmen als klassische Organisationsform
besonders zur Bewältigung des ständigen Wettbewerbs- und Veränderungsdruckes in
der Wirtschaft etabliert, so dass „Projektmanagement“ heutzutage zu einer klassischen
Führungsaufgabe des Unternehmensmanagements gezählt werden kann. Diese
Entwicklung wurde in den letzten Jahrzehnten durch ein unüberschaubares
Literaturangebot zum Thema „Projektmanagement“ befördert, dass die Manager in den
Unternehmen dazu befähigen soll, diese Führungsaufgabe möglichst ganzheitlich
wahrzunehmen, um auf diese Weise die Projekte zum Erfolg führen zu können.
Dieses Literaturangebot weist dabei in vielen Fällen eine vergleichbare grundlegende
Struktur bei der Gestaltung der Projektaufbauorganisation und des Projektvorgehens
auf, so dass sich in den letzten Jahren eine klassische Form der
Projektaufbauorganisation und des Vorgehens für Projekte herauskristallisiert hat.1 Als
grundlegendes Strukturierungsmerkmal der Aufbauorganisation bzw. Organisation
eines Projektes hat sich dabei das Projektteam entfaltet, welches von einem
Projektleiter bzw. der Projektleitung direkt über Entscheidungsregeln („Management by
decision rules“), über Zielvereinbahrungen („Management by objectives“) oder einen
anderen Führungsstil geführt wird. Trotz der Vielfalt an Führungsstilen greifen die
Führungskräfte in der täglichen Arbeit in vielen Fällen sehr stark mit direkten
Anweisungen in die einzelnen Tätigkeiten der Teammitglieder ein, weshalb die
Mitarbeiter von den Führungskräften mehr oder minder direkt geführt werden.2
Daneben weisen die Projekte das grundsätzliche Vorgehensmodell auf, dass am Anfang
des Projektes versucht wird alle organisatorischen, terminlichen und finanziellen
Aspekte des Projektes umfassend zu planen. Die Zielsetzung hierbei ist, dass diese
Pläne dann nur noch durch die Führungskräfte im Projekt zusammen mit dem
Projektteam während der Durchführung des Projektes abgearbeitet werden müssen.
Dem Projektmanagement kommt hierbei primär die Aufgabe zu, diese Realisierung des
Projektes mit einem erschöpfenden Controlling zu begleiten, um auf diese Weise
Abweichungen gegenüber den Plänen aufspüren zu können. Dieses Controlling bildet
dann die Basis für entsprechende Gegenmaßnahmen des Projektmanagements, um die
1 Vgl. Pfetzing, Rohde (2001), S. 11 ff.; Stolorz (1997), S. 3
2 Vgl. Gloger (2008), S. 39-47
Motivation und thematische Ausgestaltung
2
Auswirkungen der Abweichungen abzumildern oder sogar ganz beseitigen zu können
und damit die Zielsetzungen der Pläne einhalten oder sogar übertreffen zu können.
Diese Merkmale des traditionellen Projektmanagements werden dabei besonders in der
Informationstechnologie durch die hohe Dynamik der Umwelt mit sich schnell
ändernden Kundenwünschen und damit Projektzielsetzungen sowie durch die große
Interdisziplinarität von Projekten in dieser Industrie herausgefordert.3 Diese Umstände
haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich besonders in IT-Projekten
verschiedene „agile“ Projektmanagementansätze stark verbreitet haben.4 Die am
weitesten verbreiteten Projektmanagementansätze bei IT-Projekten sind dabei Scrum,
das „Extreme Programming“ (XP), die Crystal-Methodiken sowie der „Eclipse-Way“,
wobei hierbei besonders Scrum heraussticht, weil es im Moment in der Literatur durch
viele neue Bücher massiv verbreitet wird.
Die verschiedenen agilen Managementansätze weisen dabei ein grundlegend anderes
Rollengefüge der Mitglieder der Projektorganisation sowie ein verändertes
Vorgehensmodell als der traditionell vorzufindende Projektmanagementansatz auf,
wodurch der hohen Dynamik und Interdisziplinarität durch eine ständige
Weiterentwicklung sowohl des Projektes als auch des Projektmanagements umfassend
begegnet werden kann. Diese Weiterentwicklungen des Projektmanagements betreffen
hierbei nicht nur die oberflächlich organisatorischen Aspekte des Projektes und des
dafür notwendigen Projektmanagements. Vielmehr greifen diese Veränderungen tief in
den Führungsstil der Führungskräfte und damit in die Aufbauorganisation und somit in
letzter Konsequenz auch in die Arbeit des Projektpersonals selbst ein (z.B. durch die
Selbstorganisation der Arbeit des Projektteams). Der Vorteil dieser Veränderungen ist
dabei, dass dadurch auch Projekte mit sich schnell ändernden Umweltbedingungen und
sogar sich verändernden Projektzielsetzungen im Regelfall durch das
Projektmanagement zum Erfolg geführt werden.5
Diesen Veränderungen beim Management von modernen IT-Projekten widmet sich
diese Arbeit, wobei hierbei besonders den organisatorischen Aspekten in Gestalt der
Aufbauorganisation, der Leitung bzw. Führung von Projekten und des Projektpersonals
Rechnung getragen wird. Zur Darstellung dieser Aspekte stellt die Arbeit zuerst in
Kapitel 2 die Abgrenzung der wichtigsten Begriffe im Projektmanagement vor (Kapitel
3 Vgl. Mörsdorf (1998), S. 1ff., Madauss (1994), S. 9
4 Vgl. Kuster u.a. (2008), S. 32 f.
5 Vgl. Oestereich, Weiss (2008), S. 14-19; Gloger (2008), S. 1 ff.
Motivation und thematische Ausgestaltung
3
2.1), um darauf aufbauend die Merkmale vorzustellen, die sich im Projektmanagement
in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben (Kapitel 2.2).
Basierend auf diesen Aspekten eines „traditionellen“ Projektmanagements werden dann
in Kapitel 3 die Weiterentwicklungen und Anpassungen des Projektmanagements in der
Informationstechnologiebranche gegenüber dem „traditionellen“ Projektmanagement
dargelegt. Hierbei wird besonders auf die Aspekte eingegangen, die die agilen
Projektmanagementansätze zum IT-Projektmanagement beigetragen haben.
Den Abschluss der Arbeit bildet eine kritische Reflexion über die Veränderungen im
IT-Projektmanagement gegenüber dem traditionellen Projektmanagement (Kapitel 4).
Das traditionelle Projektmanagement
4
2 Das traditionelle Projektmanagement
2.1 Abgrenzung des Projektmanagements und seiner wichtigsten
Begriffe
Die Abgrenzung der Arbeit in einem „Projekt“ gegenüber der allgemeinen
Leistungserstellung in der Linienverwaltung eines Unternehmens stellt eine besondere
Herausforderung für das Projektmanagement dar, da damit die Grenzen und
Gestaltungsspielräume dieser Führungsaufgabe umrissen werden. Eine weite
Verbreitung bei der Abgrenzung des Begriffes „Projekt“ hat nach PINKENBURG6 dabei
die Projektdefinition des DEUTSCHEN INSTITUTS FÜR NORMUNG E.V. gefunden, die den
Begriff aufgabenorientiert definiert. Ein Projekt ist nach der DIN 699017 als ein
Vorhaben anzusehen, „das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in
ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z.B.
Zielvorgabe,
zeitliche, finanzielle personelle und andere Begrenzungen,
Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben,
projektspezifische Organisation.“8
Die große Stärke dieser Begriffsdefinition ist, dass diese Definition mit dem Aspekt der
„Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit“9 auf das wichtigste
Unterscheidungsmerkmal zwischen der Arbeit in einem Projekt und in einer
Linienorganisation abstellt. Damit zieht diese Definition eine klare Grenze zwischen
dem Projekt bzw. den Projekten und der Linienverwaltung in einem Unternehmen.
Gleichzeit deutet das Unterscheidungsmerkmal dieser Definition auch an, dass ein
Projekt anderen bzw. besonderen Risiken ausgesetzt ist, weshalb das Management
diesen Risiken in besonderer Form begegnen muss.
Daneben weist diese Begriffsdefinition mit den Worten „projektspezifische
Organisation“ auch auf die besonderen organisatorischen Aspekte eines Projektes hin,
welche in dieser Arbeit im Vordergrund stehen werden. Als Projektaufbauorganisation
wird hierbei, mit Anlehnung an die Organisationsdefinition von NORDSIECK, die
6 Vgl. Pinkenburg (1980), S. 100
7 Vgl. DIN (1987), S. 1
8 Hesseler (2007), S. 8
9 Hesseler (2007), S. 8
Das traditionelle Projektmanagement
5
„Gestaltung von projektbezogenen Regelungen“10
verstanden. Diese Definition greift
damit sowohl auf die Gestaltungaufgabe, die einer Projektorganisation inne wohnt, als
auch auf die Notwendigkeit der Vorgabe von verbindlichen Regelungen für die
Projektumgebung, die Führungskräfte und Mitarbeiter des Projektes zurück.
Die Leistungserstellung in einem Projekt besitzt dabei in den meisten Fällen eine derart
große Mächtigkeit und Komplexität, dass der Transformationsprozess im Rahmen des
Projektes nur durch eine Gruppe von Menschen unter den vorgegebenen terminlichen
Grenzen erledigt werden kann. Deshalb bildet die Projektgruppe bzw. das Projektteam
das natürliche organisatorische Merkmal eines Projektes, weshalb das Management in
einem Projekt besondere Methoden zur Komplexitätsreduzierung benötigt. Dies betrifft
insbesondere IT-Projekte, die eine besonders ausgeprägte Interdisziplinarität der
Anforderungen besitzen, weshalb das Management in einem Projekt bzw. das
Projektmanagement außergewöhnlich bezüglich der Gestaltung der Projektorganisation
herausgefordert wird.11
Somit ergibt sich nach SCHRÖDER nachfolgende Definition des Begriffes
„Projektmanagement“, welche die vorher aufgezeigten Merkmale eines Projektes
aufnimmt und damit über das traditionelle Management in einer Linienorganisation
hinausgeht:
„Projekt-Management bezeichnet [...] mehr als die Gesamtheit aller
projektbezogenen, dispositiven Aufgaben und die Gruppe aller Träger dieser
Aufgaben. Es stellt eine Konzeption der Unternehmensführung für die
Durchführung von Projekten dar, ein Führungsinstrument, das aus einer
besonderen Einstellung der Unternehmensführung zu Projekten erwächst
und einen spezifischen Führungsstil einschließt.“12
Somit stellt das Projektmanagement nicht nur eine Ansammlung verschiedener
Aufgaben, Instrumente sowie Organisationsformen dar, die durch das
Projektmanagement erbracht, angewendet oder gestaltet werden müssen. Vielmehr
weist das Projektmanagement ein ganzheitliches Führungskonzept auf. Das
Projektmanagement verfolgt nämlich die Zielsetzung, zwischen den am Projekt
beteiligten Menschen, eine den Projektzielen entsprechende Realisierung der
Koordination der arbeitsteiligen Aufgabenabarbeitung zu gewährleisten.
10
Steinbuch (1998), S. 26 11
Vgl. Steinbuch (1998), S. 24-27 12
Schröder (1970), S. 24f.
Das traditionelle Projektmanagement
6
Dabei muss das Projektmanagement die vier grundlegenden Aufgaben der
Projektauslösung, -leitung, -arbeit und des Projektabschlusses erbringen, wobei die
Größe des Projektes diese Aufgabenerbringung maßgeblich beeinflusst und auf diese
Weise das Management erheblich durchdringt. Damit wiederum ermöglicht das
Projektmanagement dem Projekt insgesamt und dementsprechend auch dem
Projektteam, die durch die Zielsetzung des Projektes vereinbarten Leistungen in der
abgestimmten Qualität und Quantität sowie im geplanten Kosten- und Zeitrahmen
hervorzubringen und auf diese Weise das Projekt zum Erfolg zu führen.13
2.2 Aufbauorganisation, Leitung und Personal bei traditionellen
Projekten
Das Projekt und damit auch seine Aufbauorganisation wird im Rahmen dieser
Leistungserstellung durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, wobei diese Faktoren
sowohl projektinterne (z.B. Unternehmenskultur) als auch projektexterne Faktoren (z.B.
Art des Projektes) darstellen können. Besonders die Größe eines Projektes hat in diesem
Zusammenhang einen großen Einfluss auf das Rollengefüge zwischen den
Projektbeteiligten und damit auf die Projektaufbauorganisation, da größere Projekte
eine spezifischere Ausgestaltung der einzelnen Rollen aufweisen.14
Große Projekte
besitzen nämlich nicht nur, wie die kleineren Projekte (drei bis acht Projektmitglieder)
auch:
einen Auftraggeber, der den Projektauftrag, die strategischen
Rahmenbedingungen usw. festlegt,
einen Produktportfoliomanager bzw. die Rahmenprojektorganisation, welche
das Multiprojektmanagement im Unternehmen wahrnimmt,
eine Begleitgruppe bzw. Lenkungsausschuss, der das Projekt begleitet und zu
den wichtigsten inhaltlichen Aspekten Stellung nimmt,
einen Projektleiter bzw. eine Projektleitung, die für die operative Durchführung
des Projektes grundsätzlich verantwortlich ist sowie
ein Projektteam, welches die operative Leistungserstellung erbringt.
Vielmehr weisen große Projekte eine abhängig von der Größe mehr oder minder
ausgeprägte Aufbauorganisation mit Teilprojektleitern und -teams auf, wodurch diese
13
Vgl. Mörsdorf (1998), S. 81f.; Weber (2004), S. 75-80; Steinbuch (1998), S. 27 f. 14
Vgl. Pfetzing, Rohde (2001), S. 35 f.
Das traditionelle Projektmanagement
7
großen Projekte im Großen und Ganzen eigene mehrstufige Hierarchien mit einer
ausgeprägten Arbeitsteilung/Spezialisierung offenbaren.
Dies wiederum hat sowohl großes Gewicht für die Leitung bzw. die möglichen
Führungsstile im Projekt als auch für das einsetzbare Personal im Projekt, weil diese
Aspekte von der Anzahl der zu führenden Menschen und ihren Qualifikationen
abhängig sind. Beispielsweise ermöglichen größere Projekte mit einer ausgeprägten
Hierarchie aufgrund der großen Arbeitsteilung in der Hierarchie, den Einsatz von
stärker spezialisierten Mitarbeitern, wobei dies Rückwirkungen auf die Leitung des
Projektes hat, weil die Leitung in diesem Fall die Interdisziplinarität durch ihren
Führungsstil sicherstellen muss, um die Potentiale der Arbeitsteilung heben zu
können.15
Trotz dieser ausgeprägten mehrstufigen Hierarchie bei großen Projekten
weisen auch fast alle kleinen Projekte eine gewisse Hierarchie auf, auch wenn sich dies
häufig öffentlich nur in der hierarchischen Abgrenzung zwischen Projektleiter und
Mitglieder des Projektteams bemerkbar macht.16
Daneben spielt auch die vorhandene, teilweise oder nicht vorhandene Einbindung der
Projektbeteiligten in die Linienorganisation des Unternehmens eine bedeutende Rolle
für die Ausgestaltung der Aufbauorganisation, weil diese Einbindung die Abgrenzung
gegenüber der Linienorganisation und damit die Gestaltungsfreiräume im Projekt
betrifft. Damit wiederum beeinflusst dieses Merkmal die Art und Weise, wie die
vorhandenen Führungs- und Entscheidungskompetenzen zwischen den Mitarbeiter und
Führungskräften (Rollengefüge) sowohl im Projekt als auch zur Linienverwaltung hin
ausgestaltet werden können.
Die Formen der Projektorganisation reichen dabei von der Projektkoordination, bei der
die Kompetenzen in der Linienorganisation verortet sind, über die die
Matrixorganisation bis hin zur reinen Projektorganisation, bei der sämtliche
Kompetenzen durch die Führungskräfte und Mitarbeiter des Projektes wahrgenommen
werden. Insgesamt lässt sich bei diesem Merkmal die Korrelation beobachten, dass mit
ansteigender Größe des Projektes die Projektbeteiligten, die den Kern des Projektes
bilden, immer umfassender freigestellt werden, wodurch sich die Kompetenzaufteilung
zwischen Linie und Projekt vereinfacht.17
15
Vgl. Kuster u.a. (2008), S. 98-102; Litke (1995), S. 83-86 16
Vgl. Steinbuch (1998), S. 80 17
Vgl. Litke (1995), S. 75-83; Kuster u.a. (2008), S. 102-107
Das traditionelle Projektmanagement
8
Alles in allem führen die aufgezeigten Faktoren dazu, dass die Aufbauorganisation in
einem Projekt von einem Projektleiter mit ein paar Projektmitarbeitern, die das Projekt
neben ihrer Arbeit in der Linienverwaltung vorantreiben, bis zu einer vollständig für das
Projekt freigestellten Projektleitung mit Projektbüro mit einer großen Anzahl an
Teilprojekten reichen kann. Dieser großen Bandbreite an Aufbauorganisationen in
Projekten mit einigen wenigen Projektbeteiligten bis zu Projektorganisationen mit
hunderten Projektmitgliedern (Megaprojekte) muss dabei die Führung bzw. Leitung des
Projektes entsprechen, um das jeweiligen Projekt zum Erfolg führen zu können.
Aus diesem Grund haben sich im Projektmanagement Führungsstrukturen
herausgebildet, die von einem einzelnen Projektleiter bis zu einer Projektleitung mit
Kernteam, „Corporate Functions“ und Teilprojektleitungen gehen. Somit müssen die
Führungskonzepte im Projektmanagement sowohl die Arbeit einer einzelnen
Führungskraft als auch die Arbeit eines ganzen Führungsteams mit unterschiedlichen
Aufgabenbereichen abdecken, was große Anforderungen an die Koordinationsleistung
dieser Konzepte stellt.18
Ungeachtet dieser Unterschiede in der Aufbauorganisation zwischen verschiedenen
Projekten haben sich bei der Führung eines Projektes sowie beim eingesetzten Personal
große Gemeinsamkeiten herauskristallisiert. Besonders bei den Führungskräften in
Projekten (Projektmanagern) haben sich dabei besondere Anforderungen aufgrund der
einzigartigen Aufgaben, Zielen, Befugnisse und Verantwortungen in einem Projekt
gegenüber den Managern in der Linienorganisation herausgebildet. Im Rahmen des
Transformationsprozesses mit seinen einzigartigen Umweltbedingungen ist deshalb für
die Projekte die gesteigerte Notwendigkeit entstanden, dass die Position des
Projektmanagers bzw. die Positionen der Projektmanager umfassend und erschöpfend
schriftlich fixiert werden, um damit sowohl die Stellung der Projektmanager gegenüber
der Linienverwaltung als auch insbesondere gegenüber dem Projektteam selbst
festzulegen.
Besondere Aufmerksamkeit muss hierbei der Beschreibung der Stellung der
Führungskräfte gegenüber ihrem Team gewidmet werden, weil damit die Aufgaben,
Befugnisse und Verantwortungen der einzelnen Führungskraft sowie deren Umfang und
damit in letzter Konsequenz die möglichen Führungsstile gegenüber den
Teammitgliedern festgelegt werden. Beispielsweise können Führungskräfte gegenüber
18
Vgl. Gerte (2008), S. 53-59; Pfetzing, Rohde (2001), S. 37
Das traditionelle Projektmanagement
9
ihrem Team die Stellung des Gruppensprechers, -koordinators, -leiters sowie des
Projektleiters einnehmen, wobei der Projektleiter gegenüber dem Team die
weitreichendsten Befugnisse mit umfassenden Entscheidungs-, Weisungs-, Verfügungs-
und Informationskompetenzen besitzt. Bei kleinen Projekten mit nur einem Team
nimmt die Führungskraft in Deutschland üblicherweise die Rolle des Projektleiters ein
und ist damit uneingeschränkt für die Projektarbeit verantwortlich.
Insgesamt entsteht damit für die einzelne Führungskraft in einem Projekt ein
Qualifikationsprofil, welches als besonders herausfordernd angesehen werden muss,
weshalb in Projekten nur Führungskräfte eingesetzt werden sollten, die eine deutlich
überdurchschnittliche Führungsqualifikation besitzen. Hierbei muss beachtet werden,
dass diese Anforderung gegenüber der Führungsqualifikation einer Führungskraft in
einem Projekt nicht in jedem Fall mit der Notwendigkeit einhergeht, dass diese
Führungskraft eine gleich hohe Fachqualifikation bezüglich der Projektaufgabe selbst
vorweist. Vielmehr werden die zur Erledigung der Projektaufgabe notwendigen
Fachqualifikationen primär durch die Teammitglieder des Projektes eingebracht, was
auf diese Weise ein wichtiges Merkmal für die Auswahl des Personals durch die
Führungskräfte in einem Projekt beschreibt.
Besonders bei Projekten mit einer hohen Interdisziplinarität treffen möglicherweise
hohe Anforderungen gegenüber der Fachqualifikation einer Führungskraft gegenüber
der gesamten Projektaufgabe schnell an eine natürliche Grenze, da in der Regel „kein
geeigneter, also umfassend ausgebildeter und erfahrender Projektmanager“19
vorhanden
ist, der die gesamte Bandbreite an Fachqualifikationen abdecken kann, so dass die
notwendigen Fachqualifikationen zur Erledigung der gesamten Projektaufgabe
natürlicherweise über eine Arbeitsteilung zusammengebracht werden muss.20
Gleichzeitig stellt ein Projekt auch an die Teammitglieder besondere Anforderungen,
weil die Teammitglieder nicht nur eine entsprechende Fach- und Methodenkompetenz
mitbringen müssen, sondern ein Projekt fordert von jedem Einzelnen im Team
überdurchschnittliche Projekt- und Teamqualifikationen, also Sozialkompetenzen, ein.
Besonders eine hohe Teamfähigkeit und -willigkeit jedes Einzelnen ist eine
unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektarbeit, weil nur auf diese
Weise das notwendige, verteilt in den Köpfen der Spezialisten vorliegende Wissen,
19
Steinbuch (1998), S. 91 20
Vgl. Steinbuch (1998), S. 79-92
Das traditionelle Projektmanagement
10
schnell und umfassend zu neuartigen Lösungen im Rahmen des Projektes kombiniert
werden kann.
Diese hohen Anforderungen gegenüber den Mitarbeitern und auch Führungskräften in
einem Projekt führen vielfach dazu, dass bei der Zusammenstellung der
Projektorganisation nicht genügend Unternehmensmitarbeiter in der Linienorganisation
vorhanden sind, die die entsprechenden Anforderungsprofile aufweisen. Somit stellt die
Integration von externen Mitarbeitern (z.B. Berater) eine besonders ausgeprägte
Herausforderung im Rahmen vieler Projekte dar. Dies wiederum wirft in vielen Fällen
zusätzliche ganz spezifische Probleme für ein Unternehmen auf (z.B. Schutz des im
Rahmen des Projektes entwickelten geistigen Eigentums), die das Projektmanagement
weiter verkomplizieren können.
Alles in allem entsteht damit die Situation, dass nur die besten Mitglieder der
Linienorganisation für Projekte ausgesucht werden sollten. Dies wiederum kann für die
Linienorganisation und dadurch für das gesamte Unternehmen allerdings die
Problematik erzeugen, dass damit für das Tagesgeschäft, mit dem das Unternehmen
seine finanzielle Basis begründet, nicht die entsprechenden menschlichen Ressourcen
zur Verfügung stehen, um die Produkte in der entsprechenden Quantität und Qualität
sowie im vereinbarten Zeit- und Kostenrahmen für den Kunden zu erzeugen. Dies zieht
in der Regel schwerwiegende Konsequenzen für das Unternehmen nach sich.
Trotz dieser Gefahr besteht für die Unternehmen grundlegend der Anreiz, die Projekte
möglichst gut zu besetzen, weil die Projekte in fast allen Fällen aufgrund ihrer
Projektzielsetzung eine große strategische Relevanz für die geschäftliche Zukunft des
Unternehmens besitzen. Somit muss ein Ausgleich zwischen der Aufrechterhaltung des
Tagesgeschäfts in der Linienorganisation sowie dem Projekt bzw. den Projekten im
Unternehmen gefunden werden. Nur auf diese Weise können die Projekte des
Unternehmens, unterstützt und gesteuert durch ein ganzheitliches Projektmanagement,
zum Erfolg geführt werden.21
21
Vgl. Steinbuch (1998), S. 93-112
IT-Projektmanagement
11
3 IT-Projektmanagement
3.1 Dominanz des agilen Projektmanagements bei IT-Projekten
Die Leistungserstellung im Rahmen von IT-Projekten war jahrzehntelang von der
Vision geprägt, dass sich Informationstechnologie (sowohl Hardware als auch
Software) ähnlich wie ingenieurmäßige Vorhaben anhand von traditionellen Prinzipen
aus den Ingenieurwissenschaften und damit mit Hilfe des „traditionellen“
Projektmanagements entwickeln lassen, wie es in den vorherigen Kapiteln skizziert
wurde. Dieser Denkansatz spiegelt sich dabei nicht nur in den traditionellen
Vorgehensmodellen für IT-Projekte, wie dem „V-Modell“, sondern auch an der
traditionellen Strukturierung der Aufbauorganisation des Projektes, der Führung im
Projekt und sogar beim Personal wieder.22
Diese traditionelle Vorgehensweise sowie Strukturierung von IT-Projekten wurde
allerdings durch die hohe technologische Dynamik in der Informationstechnologie
sowie der daraus entstehenden Dynamik in der Umwelt der Projekte in unglaublicher
Weise herausgefordert. Diese Angelegenheit machte sich nicht nur vielfach durch eine
schon am Projektende vollständig veraltete technologische Basis der entwickelten
Leistung des Projektes bemerkbar, sondern stellte sich auch in einer ständigen
Veränderung der Kundenwünsche des Auftraggebers des Projektes dar. Dadurch
entstand alles in allem die Situation, dass viele IT-Projekte nicht im projektierten Zeit-
und Kostenrahmen umgesetzt werden konnten. Zusätzlich wurden besonders Software-
Projekte durch den Umstand herausgefordert, dass die Entwicklung von Software eher
der kreativen Schöpfung eines individuellen Gutes entspricht, als der Entwicklung z.B.
einer Maschine.
Somit fehlen IT-Projekten in den meisten Fällen die oben aufgezeigten Merkmale,
damit diese Vorhaben zu in Grenzen reproduzierbaren Prozessen gemacht werden
können, wie dies bei ingenieurmäßigen Projekten gegeben ist, weshalb sowohl die
Vorgehensmodelle als auch die sonstigen Strukturierungen des traditionellen
Projektmanagement in der Regel schnell an ihre Grenzen stoßen. Beispielsweise fehlen
bei IT-Projekten in den allermeisten Fällen die Kenntnisse, um am Anfang des Projektes
eine umfassende Planung der Vorgehens, des Kosten- und Zeitrahmens sowie der
22
Vgl. Oestereich (2008), S. 18 f.
IT-Projektmanagement
12
Produktmerkmale vornehmen zu können, wie dies von den herkömmlichen
Vorgehensmodellen im Projektmanagement gefordert wird.
Aus diesem Dilemma heraus haben sich bei IT-Projekten, besonders bei Projekten mit
dem Schwerpunkt Softwareentwicklung, seit Ende der neunziger Jahre des letzten
Jahrhunderts immer mehr agile Projektmanagementansätze verbreitet. Diese Bewegung
ersetzte das traditionelle Vorgehensmodell mit seiner umfassenden Planung aller
Aspekte am Anfang des Projektes sowie dem planerisch festgelegtem Vorgehen
während des Projektes durch Vorgehensmodelle, die eine hohe Beweglichkeit (Agilität)
des Vorgehens während der gesamten Projektzeit ermöglichen. Grundlage dieser neuen
Vorgehensmodelle ist dabei immer ein Iterationsprozess mit vielen und zeitlich fest
fixierten Iterationsstufen, wodurch die eingehende Planung aller Aspekte am
Projektanfang durch eine Vielzahl an Planungsiterationen während der gesamten
Projektzeit ersetzt wurde. Dadurch ermöglichen diese neuen Vorgehensmodelle
während der gesamten Projektzeit eine schrittweise Zielklärung und -näherung
bezüglich des Projektauftrages sowie die Erzeugung von messbaren Teilergebnissen.
Die Abb. 3-1 stellt diese Systematik in grafischer Form nochmals dar, wobei in dieser
Abbildung zusätzlich der Umstand verdeutlicht wird, dass die tatsächliche Lösung am
Anfang des Projektes noch undeutlich in einer Wolke verborgen liegt und erst im Laufe
des Projektes seine Unschärfe verliert.23
Quelle: Oose GmbH (2008)
Abb. 3-1: Die Iterations-Wolken-Metapher als grundlegende Systematik aller agilen
Projektmanagementansätze
23
Vgl. Oestereich, Weiss (2008), S. 3-15
IT-Projektmanagement
13
Die Grundgedanken dieser neuartigen agilen Projektmanagementansätze mit ihren
neuen Vorgehensmodellen fasste das „Agile Manifest“ im Jahre 2001 zu einem
fokussierten Ansatz für ein erfolgreiches Management von IT-Projekten zusammen. Das
Manifest zeichnet sich dabei durch folgende vier Grundgedanken aus:
1. „Individuen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge“24
:
Dieser Gedanke hebt die Wichtigkeit der Motivation und Zusammenarbeit im
Team für den Transformationsprozess zur Leistungserstellung im Rahmen des
Projektes gegenüber starr reglementierten Prozessen und festgelegten
Werkzeugen hervor. Auf diese Weise wird indirekt auf die Eigenverantwortung
und damit auf die Selbstorganisation im Team als wichtige Vorbedingung für
den Erfolg in IT-Projekten verwiesen.
2. „Funktionierende Software ist wichtiger als umfangreiche Dokumentation“25
:
Eine effiziente und erschöpfende Kommunikation zwischen den
Teammitgliedern des IT-Projektes ist wichtiger als die korrekte und eingehende
Dokumentation aller Tätigkeiten und Annahmen. Als wichtigstes Hilfsmittel für
den Kommunikationsprozess zwischen den Teammitgliedern dient ein
funktionierendes Produkt bzw. eine lauffähige Software.
3. „Kooperation mit Projektbetroffenen ist wichtiger als Vertragsverhandlungen“26
:
Eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden und ein belastbares
Vertrauensverhältnis zwischen allen Projektbeteiligten ermöglicht das Risiko
des Projektes umfassender zu beherrschen, als dies jedwede
Vertragsabsicherung durch entsprechende Klauseln jemals könnte.
4. „Reaktion auf Änderungen ist wichtiger als Festhalten an einem starren Plan“27
:
Die Veränderung und das Hinzukommen von Anforderungen an das Produkt,
dass durch das IT-Projekt entwickelt wird, ist ein natürlicher Zustand. Aus
diesem Grund sollten starre Pläne aufgegeben werden und durch einen flexiblen
Iterationsprozess der Planung und Anforderungsdefinition ersetzt werden.
Diese vier Grundgedanken zeigen sehr deutlich auf, dass diese neuen
Managementansätze sowohl den Menschen, der am Projekt beteiligt ist, als auch das
Produkt, das diese Beteiligten herstellen, ins Zentrum des Managements gerückt sind.
Aus dieser Veränderung heraus kommt der Kooperation der Menschen zur Erstellung
24
Oestereich, Weiss (2008), S. 16 25
Oestereich, Weiss (2008), S. 16 26
Oestereich, Weiss (2008), S. 16 27
Oestereich, Weiss (2008), S. 17
IT-Projektmanagement
14
des betrachteten Produktes (primär eines Software-Produktes) eine natürlich
vorgehobene Stellung zu.
Gleichzeitig nehmen diese Projektmanagementansätze die Dynamik als natürliches
Element eines jedes Projektes auf und somit auch des Managements auf, wodurch
wiederum der starren Planung von Vorgehensweisen der Boden unter den Füßen
entzogen wird. Das Aufheben des starren Planungs- und Controllingdogmas von
traditionellen Projektmanagementansätzen kombiniert sich dabei auf vorzüglicher
Weise mit der stärkeren Stellung der direkten Kommunikation in diesen neuen agilen
Managementansätzen.
Basierend auf diesem neuartigen Gedankengerüst entwickelten sich die nachfolgenden
Prinzipien, wobei diesen Prinzipien aufgrund des starken Fokus der IT-Projekte auf
Softwareentwicklungen eine ausgeprägte Färbung in Bezug auf die Notwendigkeiten
gegenüber Softwareentwicklungen innewohnt:
„Höchste Priorität hat die Zufriedenstellung des Kunden durch frühe und
kontinuierliche Lieferung brauchbarer Software.
Anforderungsänderungen sind auch in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien
möglich.
Die Software wird inkrementell und in kurzen Iterationen erstellt.
Fachexperten und Entwickler arbeiten möglichst direkt und täglich zusammen.
Die effizienteste und effektivste Art, Informationen zu verbreiten, ist die direkte
Kommunikation von Angesicht zu Angesicht.
Funktionierende Software ist die primäre und wichtigste Kenngröße für den
Projektfortschritt.
Konzentration auf das Wesentliche heißt explizit und regelmäßig zu
entscheiden, was wegzulassen ist.
Das Entwicklungsteam reflektiert in regelmäßigen Abständen darüber, wie es
die gemeinsame Arbeit verbessern kann.“28
Zusammengefasst dokumentieren diese Prinzipien die herausragende Position des
menschlichen Faktors mit seinen direkten Kommunikationsbedürfnissen bei „agilen“
IT-Projekten und damit beim agilen IT-Projektmanagement gegenüber den
traditionellen Ansätzen des Projektmanagements mit seinen Plänen zur Koordination
28
Oestereich, Weiss (2008), S. 17
IT-Projektmanagement
15
der Teammitglieder. Die zentrale Stütze dieses direkten Kommunikationsprozesses zur
Koordination der Arbeitsteilung zwischen den Teammitgliedern bildet eine ausgeprägte,
regelmäßige und vielfache Reflexion der gemeinsamen Arbeit zur Weiterentwicklung
des täglichen Arbeitsablaufes und des Managements des Projektes.
Dies wiederum bildet die Vorbedingung für eine weitgehende Eigenverantwortung der
Teammitglieder und umfassende Selbstorganisation des gesamten
Transformationsprozesses zur Erstellung der vereinbarten Leistung im Rahmen des
Projektes. Das Ergebnis dieses veränderten Fokus ist ein Projekt mit einem sehr
schlanken Projektmanagement, was auf diese Weise den Gedanken des „Lean-
Management“ in die IT-Projekte einführt.29
3.2 Der agile Projektmanagementansatz „SCRUM“ als Beispiel für
die neuen agilen Managementansätze in IT-Projekten
Die aufgezeigten Grundgedanken und Prinzipien eines erfolgreichen iterativen
Projektmanagements für IT-Projekte, welche das „Agile Manifest“ konzentriert
zusammenfasst, spiegeln sich in einer Vielzahl von Managementansätzen in Theorie und
Praxis wieder. Besonders Managementansätze, die ihren Schwerpunkt auf die
Entwicklung von Software legen, wie Scrum, das „Extreme Programming“ (XP), die
Crystal-Methodiken sowie der „Eclipse-Way“, haben in den letzten Jahren eine
weitreichende Verbreitung in der Praxis erfahren und auf diese Weise den agilen
Managementgedanken in der IT-Branche zum wirklichen Leben erweckt.
Im Rahmen dieser Arbeit ist hierbei vor allem der Projektmanagementansatz Scrum von
großem Interesse, da dieser Ansatz die organisatorischen Aspekte des Managements
eines Projektes sowie das Vorgehensmodell besonders einfach und klar darlegt, wobei
für diese Arbeit die Festlegungen des Ansatzes zur Aufbauorganisation, der Führung
bzw. Leitung im Projekt sowie zum Personal von größtem Interesse sind. Diese
Ausführungen reflektieren dabei die grundlegenden Aspekte, die den meisten agilen
Projektmanagementansätzen zur Grunde liegen.30
29
Vgl. Oestereich, Weiss (2008), S. 17, Pichler (2008), S. 1-6 30
Vgl. Oestereich, Weiss (2008), S. 18 ff.; Gloger (2008), S. 18-23
IT-Projektmanagement
16
3.2.1 Die grundlegende Struktur von SCRUM
Die grundlegende Struktur von Scrum wird durch die Rollenabgrenzungen zwischen
den Projektbeteiligten konstituiert, welche damit die wesentlichen Prinzipien für den
Aufbau einer Projektorganisation formulieren. Die Rollen in Scrum nehmen dabei die
grundsätzlichen Überlegungen der agilen Managementansätze zum Aufbau einer
erfolgreichen und effektiven Organisation auf.
Der Kern der Aufbauorganisation für ein agiles Projekt bildet die Unterscheidung
zwischen den Rollen des „Productowners“, des „Scrum Masters“ und des „Teams“31
,
wobei diese drei Rollen durch die Rollen des Kunden sowie des Endbenutzers
komplettiert werden. In diesem Zusammenhang ist bedeutend, dass diese Rollen nicht
als Positionen von Menschen wahrgenommen werden sollten, sondern als „Container
von Verantwortlichkeit[en]“32
. Auf diese Weise beschreiben die Rollen nicht direkt
Positionen von Menschen in einer Organisation, sondern vielmehr Verantwortlichkeiten
innerhalb einer Organisation, die durch Menschen im Rahmen eines agilen Projektes
wahrgenommen werden müssen.
Somit müssen die Rollen nicht direkt durch verschiedene Projektbeteiligte zum Leben
erweckt werden, indem einzelne Personen oder -gruppen die verschiedenen Rollen
wahrnehmen. Vielmehr kann auch eine einzelne Person mehrere Rollen realisieren,
wobei dieser Zustand nach vielen Erfahrungen in der Praxis nicht optimal ist. Personen
neigen nämlich dazu, konkurrierende Verantwortlichkeiten der ausgefüllten Rollen nach
eigenen Einschätzungen auszuleben.
Als zusätzliche Schwierigkeit tritt hierbei der Umstand auf, dass diese Abwägungen
zwischen den Verantwortlichkeiten in der Regel nicht durch die Mehrfachrollenbesitzer
expliziert werden und damit auch nicht mit den anderen Projektbeteiligten diskutiert
werden können. Dies führt vielfach dazu, dass den durch eine Personen wahrgenommen
Verantwortlichkeiten nicht zu jeder Zeit voll entsprochen wird, wodurch die Effizienz
und Effektivität des gesamten Transformationsprozesses im Projekt stark leidet.
Deshalb sollten die einzelnen Rollen durch einzelne Personen bzw. –gruppen (z.B. beim
Team) zum Leben erweckt werden.33
Die Abb. 3-2 bietet eine graphische Übersicht
über die aufgezeigten Rollen.
31
Vgl. Pichler (2008), S. 9-24 32
Gloger (2008), S. 74 33
Vgl. Gloger (2008), S. 73-76, S. 124 ff.
IT-Projektmanagement
17
Quelle: Gloger (2008), S. 75
Abb. 3-2: Rollen im Projektmanagementansatz „Scrum“
Das Zentrum der Aufbauorganisation des Projektes bildet das Projektteam bzw. Team,
indem sich die Spezialisten befinden, die ihr Wissen und Können zum gewünschten
Produkt im Rahmen des Transformationsprozesses während des Projektes kombinieren
sollen. Dieses Team ist dafür verantwortlich, dass am Ende jeder Iteration bzw. jedes
Sprints ein fertiges Produktteil oder Produkt an den Kunden geliefert wird.
Damit entspricht dieses Team eher einem Produkt-Entwicklungsteam als einem
klassischen Software-Entwicklungsteam mit einer immer weiterreichenden
Spezialisierung der Teammitglieder, weil die Herstellung des Produktes im
Vordergrund steht und nicht die einzelne Teilaufgabe. Dementsprechend durchbricht
Scrum vollkommen die klassische Aufteilung zwischen Entwickler, Business-Analyst
usw. in den meisten Softwarehäusern bzw. -abteilungen und überführt die
Teamorganisation in eine Struktur, die eher einem Chirurgen-Team in einem
Krankenhaus entspricht.34
3.2.2 Selbstorganisation als Managementprinzip
Die beiden wichtigsten Pfeiler für diese Veränderung im Team bilden die vollständige
Freiwilligkeit und Selbstbestimmung im Handeln jedes einzelnen Teammitglieds
während einer Iteration bzw. eines Sprints gegenüber jedwedem Vorgesetzen oder
Teammitglied. Diese beiden Pfeiler bilden nämlich die Voraussetzung dafür, dass
Menschen eine „innere Bereitschaft“ und ein „ehrliches Engagement“ gegenüber einer
gestellten Aufgabe entwickeln können. Mit diesen Grundpfeilern der Führung
durchbricht Scrum den traditionellen Führungsstil des Managers gegenüber seinen
Mitarbeitern, weil die Arbeit des Mitarbeiters nicht mehr auf irgendeiner Vorgabe oder
34
Vgl. Gloger (2008), S. 71-84
IT-Projektmanagement
18
Anweisung einer Führungskraft basiert, wie es z.B. durch den „Management by
objective“-Führungsstil mittels Zielvorgaben propagiert wird. Die Abb. 3-1 stellt einen
solchen traditionellen Führungsstil eines Managers gegenüber seinen Mitarbeitern dar.
Manager
Mitarbeiter Ausführen
Bericht lesen Anweisen
Berichten
Quelle: Ward (2007), zitiert nach Pichler (2008), S. 14
Abb. 3-3: Traditioneller Führungsstil im Management
Diese traditionellen Führungsstile, welche in der Praxis eine weite Verbreitung
gefunden haben, legt Scrum vollständig zur Seite und ersetzt die Vorgaben und
Anweisungen der Vorgesetzten durch freiwillige „Commitments“ bzw. Versprechen des
Teams am Anfang jedes Sprints gegenüber den Projektmanagern. In diesen Versprechen
legt das Team fest, welche Aufgaben das Team, basierend auf der Einschätzung jedes
einzelnen Teammitglieds, in dem betrachteten Sprint umsetzen kann. Die durch das
Team auswählbaren Aufgaben rekrutieren sich dabei aus einer Liste (durch Scrum
„Backlog“ genannt), in welcher der Productowner seine Anforderungen gegenüber dem
Produkt spezifiziert. Damit lehnt sich Scrum mit seiner Leitung im Projekt an das „Pull-
Prinzip“ des Kanban-Konzepts in der Industrie an.
Product-
ownerTeam
Anforderungen
Auslieferbares
Produkt
Quelle: Vgl. Pichler (2008), S. 14
Abb. 3-4: Der agile Führungsstil zwischen Productowner und Projektteam
IT-Projektmanagement
19
Die Abb. 3-4 stellt diese veränderte Struktur in der Führung nochmals in grafischer
Form dar, wobei hierbei auch nochmals auf das auslieferbare Produkt verwiesen wird,
welches das Teams basierend auf dem gemachten Versprechen am Ende jedes Sprints
liefert.
In diesem Zusammenhang muss nochmals erwähnt werden, dass die Projektmanager
während des Sprints, also im Zeitraum zwischen Abgabe des Versprechens und
Übergabe des auslieferbaren Produktes, nicht in die Arbeit des Teams eingreifen. Auf
diese Weise entsteht für das Team der Zustand, dass das Team zur Erfüllung des
Versprechens eine Selbstorganisation entwickeln muss. Dadurch zwingt Scrum alle
Teammitglieder aus ihrer Fokussierung auf ihre Spezialisierung und damit ihrer
Fachdisziplin auszubrechen, weil sie das Management des Teams übernehmen bzw.
sicherstellen müssen. Dies gelingt, weil sich jedes Teammitglied aufgrund des
freiwilligen Versprechens direkt für den Gesamterfolg des Projektes verantwortlich
fühlt.
Mit diesem Umstand belebt Scrum einen intensiven und ständigen
Kommunikationsprozess zwischen allen Teammitgliedern und transferiert dadurch das
verteilt in den Köpfen der Spezialisten vorliegende Wissen zu den Stellen im Projekt, an
denen das Wissen zur erfolgreichen Erledigung des Projektauftrages benötigt wird.
Somit führt Scrum die im Projekt vorhandenen Spezialisten zusammen und überbrückt
folglich die Interdisziplinarität im Projekt ohne den Aufbau eines aufwändigen
Managements durch Führungskräfte zu erzwingen. Mit dieser Konstruktion des Teams
orientiert sich Scrum an den Zielsetzungen des „Lean-Managements“.35
Die wichtigste Vorbedingung für die aufgezeigte Veränderung in der Arbeit der
einzelnen Teammitglieder und dem Management des Teams liegt im Personal des
Projektes selbst begründet. Das Projektpersonal muss dabei nicht nur die innere
Bereitschaft für eine grundlegend andere Projektarbeit aufbringen, sondern auch eine
ausreichend hohe Qualifikation mitbringen. Die Qualifikation muss in diesem
Zusammenhang so groß sein, dass jedes einzelne Organisationsmitglied die
Gesamtzusammenhänge im Projekt grundsätzlich nachvollziehen und managen kann.
Gerade in IT-Projekten, mit ihrem Größenteils akademisch ausgebildeten
Projektpersonal, stellt diese Vorbedingung in der Regel keine allzu hohe Hürde dar,
35
Vgl. Pichler (2008), S. 13-20; Gloger (2008), S. 76-89
IT-Projektmanagement
20
auch wenn dieser Umstand trotzdem eine gewisse Aufmerksamkeit bei der Auswahl der
Projektmitglieder erfordert.
In diesem Kontext kommt auch den Werten der Projektbeteiligten eine bedeutende
Stellung im Projekt zu, da Menschen in den meisten Fällen fest verankerte Werte
besitzen und diese auch nur mittels eines aufwendigen Prozesses langsam verändert
werden können. Dadurch führt die Personalauswahl direkt zu einer Festlegung im
Projekt, welche Werte die Arbeit im Projekt dominieren. Beispielsweise führt die
Einstellung von überwiegend Alphatieren zu einer vorwiegend rein karriereorientierten
Ausrichtung der Arbeit, welche zu bestimmten Einschränkungen in der Teamarbeit
führt, wie z.B. hohe Personalfluktuation.
Trotz dieses Umstandes kommt der aktiven Setzung von bestimmten Werten im Projekt
zur Gestaltung der Rahmenbedingungen eine erfolgsentscheidende Rolle zu. Hierbei
sind besonders die Führungskräfte mit ihren Vorbildverhalten gefragt, weil sie durch ihr
Verhalten bestimmte Strukturen, Arbeitsabläufe, Veränderungen usw. fördern oder
behindern können.
Gleichzeitig bestimmten die gesetzten Werte auch den notwendigen
Teambildungsprozess, den jedes Team durchlaufen muss, damit es erfolgreich und
effizient arbeiten kann, da eine Selbstorganisation die Entstehung von Vertrauen und
demokratische Spielregeln im Team als Vorbedingung benötigt. Parallel dazu fördert
die Setzung von agilen Werten die Schnelligkeit des Lernprozesses und damit die durch
Dynamik in der Umwelt notwendigen Veränderungen in der gesamten
Projektorganisation im Rahmen von Scrum.
In diesem Zusammenhang kommt besonders der Projektführung bzw. -leitung und somit
jeder einzelnen Führungskraft eine erfolgskritische Position zu, weil nur sie in den
meisten Fällen die Autorität im Projekt und gegenüber der Linienorganisation besitzen,
Veränderungen schnell und umfassend zu implementieren. Auf diese Weise stellen die
Führungskräfte sicher, dass die Selbstorganisation als dominierendes
Managementprinzip im Team trotz der Störungen durch die Veränderungen in der
Umwelt am Leben bleibt.36
36
Vgl. Oestereich, Weiss (2008), S. 20-30
IT-Projektmanagement
21
3.2.3 Leadership im Projektmanagementansatz SCRUM
Die Selbstorganisation im Projektteam durch die Teammitglieder selbst erzeugt auch
bei den Führungskräften im Projekt („Productowner“ und „Scrum Master“ beim Ansatz
Scrum) eine große Veränderung in der Arbeitsweise und besonders auch im
Selbstverständnis, weil die traditionellen Handlungsweisen und Rollenmuster während
des Sprints in vielerlei Hinsicht aufgrund der Selbstorganisation des Teams außer Kraft
gesetzt werden. Somit ergeben sich sowohl für den „Productowner“ als auch für den
„Scrum Master“ neuartige Schwerpunktsetzungen in ihrer Arbeitsweise sowie im
Rollenverständnis und somit einen revolutionären Wandel in der gesamten Leitung des
Projektes.
Die Führung bzw. Leitung des Projektes stützt sich in ihrer Arbeit dabei auf einen
intensiven Kommunikationsprozess mit dem Kunden des Projektes, um aus den
Vorstellungen und Bedürfnissen des Kunden eine Vision und damit letztendlich ein
„brauchbares“ Produkt zu entwickeln. Diese Verantwortlichkeit der Führung wird
hierbei primär durch den „Productowner“ wahrgenommen, der die Vision des Kunden
und somit die Vision des Projektes beschreibt und dann in einzelne Anforderungen
herunter bricht, die er dann dem Team in Gestalt des Backlogs zur Auswahl für jeden
Sprint zur Verfügung stellt. Hierbei muss der Productowner auch in vielen Projekten,
dies betrifft besonders Softwareprojekte, den Umstand beachten, dass der Kunde des
Projektes nicht der spätere Nutzer des Produktes darstellt.
Dadurch entsteht im Rahmen des Projektes die Rolle des „Endbenutzers“, der das
Produkt später kaufen und nutzen soll, wodurch auch diese Person oder Gruppe
tiefgreifend in den intensiven Kommunikationsprozess mit einbezogen werden muss.
Eine wichtige Zielsetzung des Kommunikationsprozesses ist dabei ein belastbares
Vertrauensverhältnis zum Kunden bzw. den Endbenutzern des Projektes herzustellen,
um auf diese Weise eine offene Kommunikationskultur zu erzeugen. Zusätzlich nimmt
der Productowner auch die Verantwortlichkeit des Controllers des gesamten Projekts
wahr. Dieses Controlling beschränkt sich hierbei nicht nur auf die finanziellen Aspekte
des Projektes, wie z.B. der „Return on Investment“. Vielmehr tritt die Überprüfung des
durch das Team am Ende eines Sprints gelieferten Produktteils bzw. Produktes ins
Zentrum dieses Controllings.37
37
Vgl. Gloger (2008), S. 89-101; Pichler (2008), S. 9-13
IT-Projektmanagement
22
Die aufgezeigten Verantwortlichkeiten des Productowners orientieren sich dabei in
vielfacher Hinsicht an den Verantwortlichkeiten eines Projektleiters, wobei hierbei
beachtet werden muss, dass das Team während des Sprints die wesentlichen
Projektmanagementaufgaben eines Projektleiters im traditionellen Projektmanagement
wahrnimmt. Auf diese Weise entsteht die Situation, dass die Aufgaben des
Projektleiters auf das Team sowie den Productowner verteilt werden. Dadurch entsteht
nicht nur ein sehr schlankes und unbürokratisches Management im Projekt. Vielmehr
geht diese Neuausrichtung des Rollengefüges soweit, dass auf die Position eines
Projektleiters verzichtet werden sollte. Die Tab. 3.1 zeigt eine Auswahl von
Aufgabenbereichen im Projektmanagement und die umfassende Neuverteilung im
agilen Projektmanagement nach dem Projektmanagementansatz Scrum.38
Aufgabenbereich Neuverteilung der Verantwortlichkeiten
Scope-Management Productowner für die Produktversion
Team für die Sprints
Zeitmanagement Productowner für den Releaseplan
Team für das Sprint Backlog
Kostenmanagement Productowner
Kommunikationsmanagement Productowner für das Release-Reporting
Team für die Berichterstattung im Sprint
Risikomanagement Productowner mit Input vom Team
Qualitätsmanagement Productowner für die
Produktleistungsmerkmale
Team für qualitätssichernde Maßnahmen
Lieferantenmanagement Productowner und Team
Personalmanagement Productowner und Scrum Master für die
Bereitstellung der Mitarbeiter
Team für die Produktivität und kontinuierliche
Prozessverbesserung
Quelle: Vgl. Pichler (2008), S. 24
Tab. 3.1: Neuverteilung der Verantwortlichkeiten im agilen Projektmanagement nach
Scrum
38
Vgl. Pichler (2008), S. 23 f.
IT-Projektmanagement
23
Neben dem Productowner beteiligt sich auch der Scrum Master an der Führung des
Projektes also am Projektmanagement. Dabei kommt dem Scrum Master die Rolle des
„Change Agent“ zu, der den neuen agilen Managementansatz nicht nur im Projekt
einführt und damit die Arbeit des Teams weiterentwickelt, sondern ihn auch in das
gesamte Unternehmen hineinträgt. In seiner Arbeit trägt der Scrum Master die
Verantwortung dafür, dass jedwedes auftretende Problem bzw. Blockade umgehend und
nachhaltig beiseite geräumt wird. Auf diese Weise entwickelt der Scrum Master im
Zusammenspiel mit dem Team die Arbeitsprozesse der Teams ständig und umfassend
weiter und erhöht dadurch kontinuierlich die Effizienz und Effektivität des
Projektteams. Mit dieser Art der Auslegung der Verantwortlichkeit des Scrum Masters
entwickelt sich die Führung vollständig hin zu einer dienstleistungsorientierte
Auslegung, wodurch das Selbstverständnis dieser Führungskraft vollständig
revolutioniert wird.
Zur Registrierung der Probleme bzw. Blockaden im Team ist es deshalb unbedingt
notwendig, dass der Scrum Master einen ungeheuer intensiven, täglichen und direkten
Kontakt mit dem Team pflegt, da sich jede Schwierigkeit in der Arbeit des Teams
bemerkbar macht und Lösungen von diesem Fokus aus entwickelt werden müssen. In
diesem Zusammenhang nehmen besonders die Herausforderungen, die durch das
fachübergreifende Arbeiten aufgrund der Selbstorganisation im Team sowie die daraus
entstehenden Macht- und Rollenkonflikte eine bedeutende Position im Rahmen dieser
Weiterentwicklung der Teamarbeit durch den Scrum Master ein.
Basierend auf der ständigen Aufdeckung von Problemen bzw. Blockaden in den
Arbeitsabläufen sowie den Versuchen, diese Schwierigkeiten zu beseitigen, ist es
deshalb direkt ersichtlich, dass die Rolle des Scrum Masters eine ungemein aufreibende
und konfliktbeladene Position darstellt. Diese Problematik wird dabei primär durch den
Umstand gespeist, dass die Beseitigung der Hindernisse im Projekt teilweise
Auswirkungen bis in die Linienorganisation hinein zeigt und auf diese Weise
umfangreiche und teilweise sogar problematische Reaktionen heraufbeschwört. Somit
kommt der Personalauswahl bezüglich der Stellung des Scrum Masters sowie der
organisatorischen Absicherung dieser Stelle eine herausragende Bedeutung zu, weil nur
dadurch eine große Personalfluktuation auf diese Stelle vermieden werden kann. Nur
IT-Projektmanagement
24
dadurch kann eine kontinuierliche Produktivitätssteigerung über die gesamte Projektzeit
durch den Scrum Master sichergestellt werden.39
Alles in allem weist die Führung in einem agilen Projekt damit das Merkmal auf, dass
der einzelne Projektleiter mit seinen starren Plänen zur Bewältigung der
Koordinationsleistung zwischen den Teammitgliedern im Rahmen des agilen
Projektmanagements durch ein Führungsduo mit klar abgegrenzten
Verantwortlichkeiten und Arbeitsausrichtungen sowie andersartigen Führungsstilen
ersetzt wird, wobei sich dieses Duo auf einen intensiven Kommunikationsprozess als
Koordinationsmittel stützt.
3.2.4 Die agile Aufbauorganisation bei verschiedenen Projektgrößen
Die in den vorherigen Kapiteln aufgezeigten Verantwortlichkeiten der im Projekt
vorhandenen Rollen der Führungskräfte und Teammitglieder sowie die daraus
entstehende Selbstorganisation des Teams müssen besonders auch bei steigender
Projektgröße entschieden gegenüber der in größeren Projekten natürlicher Weise
anwachsenden hierarchischen Ausprägung der Aufbauorganisation sowie der
entstehenden Bürokratie verteidigt werden. Insbesondere die Verteilung der
Projektorganisation auf verschiedene Standorte erzeugt schwerwiegende Probleme
bezüglich der Integration der Arbeit und Kommunikation im Team und beeinflusst
damit wesentlich die Selbstorganisation als grundlegendes Managementprinzip.
Als Grundregeln einer großen und verteilten Projektorganisation haben sich dabei zwei
Regeln bewährt:
1. Der Productowner sollte möglichst am selben Standort wie das Team
angesiedelt werden.
2. Der Scrum Master muss sich am selben Standort wie das Projektteam aufhalten,
um die im Team auftretenden Probleme direkt mitzuerleben und auf diese
Weise passgenaue Lösungen schnell und umfassend entwickeln und
implementieren zu können.
Zusammengefasst zeigen diese beiden Regeln auf, dass das agile Projektmanagement
bei großen bzw. verteilten Projekten deutliche und enge Grenzen bezüglich der
Verteilung der Projektbeteiligten auf verschiedene Standorte legt. Diese Begrenzungen
39
Vgl. Gloger (2008), S. 102-118; Pichler (2008), S. 19-23
IT-Projektmanagement
25
resultieren dabei direkt aus dem Umstand heraus, dass das Management im Projekt im
Wesentlichen durch eine Selbstorganisation durch das Team bzw. die Teams bei
größeren Projekten im Rahmen des agilen Projektmanagements geleistet wird.
Daneben entsteht durch die Selbstorganisation und den für diese Selbstorganisation
notwendigen Voraussetzungen, besonders in Gestalt der projektweiten gemeinsamen
Werten, die Schwierigkeit, dass agile Projekte nicht in beliebiger Größe direkt aus dem
Boden gestampft werden können. Vielmehr muss die Projektorganisation einen
organischen Wachstumsprozess durchlaufen, damit sich die einzelnen Teams in großen
Projekten in ihrer Arbeitsweise stabilisieren und somit eine Selbstorganisation während
des Sprints realisieren können.40
40
Vgl. Pichler (2008), S. 125-158
Kritische Reflexionen
26
4 Kritische Reflexionen
Das Projektmanagement in IT-Projekten hat durch den Einzug der agilen
Projektmanagementansätze (z.B. Scrum, „Extreme Programming“) eine fundamentale
Veränderung gegenüber dem Projektmanagement erfahren, wie es seit Jahrzehnten in
Projekten praktiziert wird und vielfach in der Projektmanagement-Literatur diskutiert
wurde und wird. Diese Veränderung im agilen Projektmanagement geht einher mit einer
grundlegenden Änderung der Aufbauorganisation des Projektes und besonders auch der
Führung bzw. Leitung im Projekt, was sich umfassend im Handeln und Denken des
gesamten Projektpersonals bemerkbar macht.
Bei agilen IT-Projekten steht nämlich nicht mehr das direkte Führen des Teams durch
eine Führungskraft durch entsprechende Führungsstile, wie z.B. „Management by
objectives“ im Vordergrund. Vielmehr stehen eine ausgeprägte Eigenverantwortlichkeit
der einzelnen Teammitglieder und eine vollständige Selbstorganisation der
gemeinsamen Teamarbeit im Zentrum der agilen IT-Projektmanagementansätze. Auf
diese Weise kommt den Führungskräfte eine dienstleistende Tätigkeit gegenüber den
Teammitgliedern im Projekt zu, bei der aufgrund der hohen technologischen Dynamik
in der Informationstechnologie eine ständige und erschöpfende Weiterentwicklung und
Verbesserung aller Aspekte des Projektes ein zentrales Anliegen darstellt, wie dies
beispielsweise durch den „Scrum Master“ bei Scrum vorzüglich verkörpert wird.
Alles in allem revolutionieren die agilen Projektmanagementansätze die
organisatorischen Aspekte der IT-Projekte tiefgreifend. Das Ergebnis dieser
durchdringenden Veränderung des IT-Projektmanagements ist eine deutlich gesteigerte
Termin- und Kostentreue bei IT-Projekten gegenüber traditionellen
Projektmanagementansätzen. Dies wiederum erhöht die Legitimität und
Wirtschaftlichkeit von IT-Projekten in einem hoch komparativen wirtschaftlichen
Umfeld entscheidend und ermöglicht den Unternehmen eine durchschlagende
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu erzielen.
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.
Ich versichere hiermit, dass ich meine Ausarbeitung IT-Projektmanagement –
Organisation, Leitung und Personal selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt
habe, und dass ich alle von anderen Autoren wörtlich übernommenen Stellen wie auch
die sich an die Gedankengänge anderer Autoren eng anlegenden Ausführungen meiner
Arbeit besonders gekennzeichnet und die Quellen zitiert habe.
Münster, 09.12.2008 _____________________________