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Jahresabschlussfahrt 2014: nach anfänglichen Hindernissen eng an der harten Realität Andreas Heusmann Kurz vor der Fahrt meldete sich eine Gruppe geschlossen ab. Da auch keine Anzahlung geleistet wurde, brach unsere Kalkulation zusammen. Zu diesem Zeitpunkt bedeutete dies das Aus der Jahresabschlussfahrt. Noch während wir die Absage formulierten, erreichte uns vom Landesamt für politische Bildung in Bremen die Nachricht, dass wegen Umbaumaßnahmen am Bunker Valentin unser geplante Besuch nicht stattfinden kann. In dieser frustrierenden Situation baten uns wohlwollende Freunde der Jahresabschlussfahrt, kurzfristig eine Alternative zu suchen; die Fahrt dürfe nicht ausfallen, nur weil sich einige Wenige zu Lasten der Mehrheit anders orientierten. Eine Alternative zu Bunker Valentin? Einige Kilometer nördlich von Bremen, nicht weit von der Ortschaft Rekum, in Farge, bemerkt der aufmerksam Vorbeikommende an der Weser einen großen Betonklotz. Fast 426 m lang, bis zu 97 m breit und 33 m hoch ragt das Ungetüm in die Höhe: Bunker Valentin. Hier wollte Nazi-Deutschland in den letzten Kriegsjahren U-Boote, die dritte Wunderwaffe, produzieren. Amerikanische Autobauer und ihre Fließbänder waren Vorbild. Etwa alle 2 Tage sollte ein fertiges U-Boot die Werft verlassen. Errichtet wurde der graue Klotz von bis zu 10 000 Menschen, mehrheitlich Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge. Von der Jahresabschlussfahrt 2011 zum ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen bringen wir etliche Fragen mit. Zwei von ihnen hofften wir durch einen Besuch am Bunker im Gespräch mit den verantwortlichen Historikern wenigsten ansatzweise beantworten zu können: Hat denn keiner von den Verbrechen gewusst? Gab es Handlungsspielräume für die damals Lebenden? Und vor allem – dies immer wieder: Welche Handlungsspielräume haben wir jetzt, heute? Eine Alternative zu Bunker Valentin? Erst aus dem Osten, später auch aus anderen Teilen der Republik vernehmen wir schrille, beunruhigende Töne. Nachrichten von Montagsdemonstrationen und ihren Nacheiferern andernorts, von menschenverachtenden Parolen gegen bestimmte zuwandernde Menschen lassen uns aufhorchen. Allzu leicht vergisst man: Es gab Zeiten, in denen auch viele Millionen Deutsche Zuwanderer, Emigranten, Flüchtlinge waren, Exilanten, froh darüber, in anderen Ländern einen sicheren Platz gefunden zu haben. Gewiss gab es die Abenteurer, den meisten Menschen machte wirtschaftliche Not, politische oder religiöse Intoleranz ihr bisheriges Leben unmöglich. Einer der Prominentesten, der Dichter Berholt Brecht, verließ mit seiner Familie einen Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 Deutschland. „Verjagt aus meinem Land...“ schrieb er später in dem „Sonett der Emigration“. 1937, im dänischen Exil, drückt er in seinem Gedicht „Über die Bezeichnung Emigranten“ seine Gefühle aus: „...Vertriebene sind wir, Verbannte. Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns aufnahm.“ 1

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Jahresabschlussfahrt 2014:nach anfänglichen Hindernissen eng an der harten Realität

Andreas Heusmann

Kurz vor der Fahrt meldete sich eine Gruppe geschlossen ab. Da auch keine Anzahlung geleistet wurde, brach unsere Kalkulation zusammen. Zu diesem Zeitpunkt bedeutete dies das Aus der Jahresabschlussfahrt. Noch während wir die Absage formulierten, erreichte uns vom Landesamt fürpolitische Bildung in Bremen die Nachricht, dass wegen Umbaumaßnahmen am Bunker Valentin unser geplante Besuch nicht stattfinden kann. In dieser frustrierenden Situation baten uns wohlwollende Freunde der Jahresabschlussfahrt, kurzfristig eine Alternative zu suchen; die Fahrt dürfe nicht ausfallen, nur weil sich einige Wenige zu Lasten der Mehrheit anders orientierten.

Eine Alternative zu Bunker Valentin? Einige Kilometer nördlich von Bremen, nicht weit von der Ortschaft Rekum, in Farge, bemerkt der aufmerksam Vorbeikommende an der Weser einen großen Betonklotz. Fast 426 m lang, bis zu 97 m breit und 33 m hoch ragt das Ungetüm in die Höhe: Bunker Valentin. Hier wollte Nazi-Deutschland in den letzten Kriegsjahren U-Boote, die dritte Wunderwaffe, produzieren. Amerikanische Autobauer und ihre Fließbänder waren Vorbild. Etwa alle 2 Tage sollte ein fertiges U-Boot die Werft verlassen. Errichtet wurde der graue Klotz von bis zu 10 000 Menschen, mehrheitlich Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge.Von der Jahresabschlussfahrt 2011 zum ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen bringen wiretliche Fragen mit. Zwei von ihnen hofften wir durch einen Besuch am Bunker im Gespräch mit den verantwortlichen Historikern wenigsten ansatzweise beantworten zu können:

Hat denn keiner von den Verbrechen gewusst? Gab es Handlungsspielräume für die damals Lebenden? Und vor allem – dies immer wieder: Welche Handlungsspielräume haben wir jetzt, heute?

Eine Alternative zu Bunker Valentin?

Erst aus dem Osten, später auch aus anderen Teilen der Republik vernehmen wir schrille, beunruhigende Töne. Nachrichten von Montagsdemonstrationen und ihren Nacheiferern andernorts,von menschenverachtenden Parolen gegen bestimmte zuwandernde Menschen lassen uns aufhorchen.

Allzu leicht vergisst man: Es gab Zeiten, in denen auch viele Millionen Deutsche Zuwanderer, Emigranten, Flüchtlinge waren, Exilanten, froh darüber, in anderen Ländern einen sicheren Platz gefunden zu haben. Gewiss gab es die Abenteurer, den meisten Menschen machte wirtschaftliche Not, politische oder religiöse Intoleranz ihr bisheriges Leben unmöglich. Einer der Prominentesten, der Dichter Berholt Brecht, verließ mit seiner Familie einen Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 Deutschland.„Verjagt aus meinem Land...“ schrieb er später in dem „Sonett der Emigration“. 1937, im dänischenExil, drückt er in seinem Gedicht „Über die Bezeichnung Emigranten“ seine Gefühle aus:

„...Vertriebene sind wir, Verbannte.Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns aufnahm.“

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Millionen Menschen kehrten Deutschland den Rücken. Etwa 7 Millionen vollzogen diesen Schritt in eine unbekannte Zukunft von Bremen und Bremerhaven aus. So definiert die harte Realität der Gegenwart eine Alternative zu Bunker Valentin: Immer verlassen Menschen ihre Heimat. Früher waren sie dazu gezwungen, auch heute. An diese Menschen erinnert das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven.

Wenige Schritte entfernt von dem Klimahaus, dem Deutschen Schifffahrtsmuseum und dem Alfred-Wegener-Institut – Ziele bisheriger Fahrten – liegt das Deutsche Auswandererhaus, unweit der ehemaligen Columbus-Kaje.

Wo heute Container verladen werden und Kreuzfahrtschiffe ablegen, betraten Menschen über Passagierschiffe, die sie in eine neue Heimat bringen sollten.

Das Deutsche Auswandererhaus informiert nicht nur über etwa 300 Jahre deutsche Migrationsgeschichte; Geschichte wird erlebbar. Jeder Besucher des Museums bekommt als Eintrittskarte einen boarding pass, mit dem ihm eine von34 realen Auswanderer-Familien zugewiesen wird, deren Geschichte er ganz konkret verfolgen kann. An ausgewählten Punkten lassen sich Medien aktivieren, die Ton- und Bildinformationen vermitteln. So nimmt jeder Besucher teil am Abschied im Hafen, an der Überfahrt, der Ankunft in der Neuen Welt.

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Der Rundgang beginnt in einem rekonstruierten Wartesaal aus dem Jahr 1869 des Norddeutschen Lloyd. Was bedeutet es, die Heimat zu verlassen? Was bedeutet es, auf der Kaianlage vor einem Schiff zu stehen, um wenige Augenblicke später den heimatlichen Boden endgültig zu verlassen? Hier im Museum lässt es sich erahnen.

Erst in den 20er Jahren gab es auch in der dritten Klasse schlichten Komfort. Im Zwischendeck eines Seglers um 1850 war die Atmosphäre düster und schwierig.

„Galerie der 7 000 000“ will eine Hommage an jeden Einzelnen dieser Menschen sein, die von Bremerhaven auswanderten. Mit speziellen Exponaten wird in diesem Raum auch an die tragischen Schicksale der Mitbürger jüdischen Glaubens erinnert.

War der Atlantik überquert, blieb die Zukunft immer noch ungewiss. 1890 verschärften die USA dieEinreisebedingungen und zwangen manchen Auswanderer, wieder in die Heimat zurückzukehren.

Ein gelungener Erweiterungsbau des Museums widmet sich den Erinnerungen und Erlebnissen jener Menschen, die als Einwanderer nach Deutschland kamen. Dieser Teil der Ausstellung beginnt mit der Situation am 24. November 1973, einen Tag nach dem Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte.

Nach eindrucksvollen zwei Stunden verlassen wir die Ausstellung. Vor dem Museum erinnerte ein Tafel an das 'Gespensterschiff', das 1933 im Hafen lag. Während einiger Monate dieses Jahres wurden auf diesem Schiff politische Gegner der Nationalsozialisten gefoltert.

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Wenige Meter entfernt, vor dem Deutschen Schifffahrtsmuseum, liegt das U-Boot Wilhelm Bauer, ein Exemplar jenes Typs, das im Bunker Valentin hätte gebaut werden sollen.

Wir erreichen das Überseemuseum in Bremen. Es liegt neben dem Bremer Hauptbahnhof, einem Bau des Jugendstils, den jemand einmal eine 'Moschee von Abschied und Ankunft' nannte. Am Nordausgang des Bahnhofes steht der denkmalgeschützte Lloyd-Bahnhof. Der Norddeutsche Lloyd galt zur damaligen Zeit als die größte deutsche Reederei. 1913 entstanden war dieser Bahnhof Gepäckabteilung und Auswandererbahnhof für die Schiffspassagiere, die von dort nach Bremerhaven gebracht wurden. Friedrich Missler, ein Bremer Kaufmann, erbaute nicht weit von dem Lloyd-Bahnhof in Zusammenarbeit mit der Reederei vier große Hallen für osteuropäische Auswanderer. Schon 1933 diente dieser Ort als eines der ersten Konzentrationslager Nazi-Deutschlands.

Imposant ist die klassizistische Fassade des Überseemuseums. Imposant die Sammlung. Wissenschaftler und Bremer Kaufleute haben eine Vielzahl naturgeschichtlicher und ethnographischer Exponate zusammengetragen. Die Welt reflektiert Licht, das durch ein Prisma fällt. Ein reichhaltiges Spektrum entsteht. Einige ausgewählte Bereiches sind in dem Überseemuseum zu bewundern.Von dem Eingangsbereich gelangt der Besucher in zwei eindrucksvolle Lichthöfe. Im vorderen taucht der Besucher in die Welt Ozeaniens ein. Im hinteren steht ein japanisches Teehaus, das umringt wird von einem japanischen Garten mit Fischteich, gegenüber ein Shinto-Schrein. Die Ausstellung im Bereich um diesen hinteren Lichthof widmet sich dem Thema Asien. Den Boden zieren kurze Zitate, die zum Nachdenken anregen.

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Eine Vitrine zeigt einen chinesischen Trauerzug, eine andere ein konserviertes tibetisches Mandala, buddhistische Statuen, eine chinesische Sänfte, asiatische Musikinstrumente, Figuren des chinesischen Schattentheaters,...

Der Besucher steht vor einer Jurte, einer Behausung der Nomaden. Sie erinnert an jene Zeit, da unsere Vorfahren noch nicht sesshaft waren und umherzogen, heute eine aussterbende Lebensform.Das erste Obergeschoss beherbergt einerseits die seit Oktober 2013 neu gestaltete Ausstellung 'Afrika'. Afrika - der Kontinent der Menschwerdung.Andererseits kann der Besucher 'Erleben, was die Welt bewegt'. Kritische Bemerkungen zur Mobilität, zu Menschenrechten werden ergänzt durch interessante Exponate zum Thema Ernährung.Ein besonderes Ausstellungsstück ist die Baumscheibe. In den 50er Jahren überlassen Bremer Kaufleute die eindrucksvolle Scheibe eines Mammutbaumes dem Überseemuseum. Zeitmarkierungen verdeutlichen: Der Baum muss lange vor Christi Geburt aus seinem Samen entstanden sein.Alle Astronauten, Kosmonauten, die jemals die Erde aus einer Umlaufbahn sehen konnten, beschreiben sie als wunderschönen und verletzlichen Planeten. Die Reichhaltigkeit des Überseemuseums gibt davon einen kleinen Eindruck.

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Nach einem Besuch des Weihnachtsmarktes auf dem Bremer Marktplatz, gesäumt vom historischenRathaus, dem Dom, dem Schütting, geht es zurück nach Münster.

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