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JOURNAL DAS MAGAZIN DER OESTERREICHISCHEN COMPUTER GESELLSCHAFT • WWW.OCG.AT Ausgabe 5/2004 Dezember - 29. Jhg. P.b.b. • Verlagspostamt 1010 Wien • 02Z031460M • EUR 2, 91 Grid Computing in Österreich Nachbericht gmds2004 in Innsbruck RSS Datenbank in der OCG Softwarepatente und E-Commerce

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JOURNAL

DAS MAGAZIN DER OESTERREICHISCHEN COMPUTER GESELLSCHAFT • WWW.OCG.AT

Ausgabe 5/2004Dezember - 29. Jhg.

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Grid Computing in Österreich

Nachbericht gmds2004 in Innsbruck

RSS Datenbank in der OCG

Softwarepatente und E-Commerce

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2JOURNAL

Inhalt

Inhalt

Editorial Univ.-Prof. Dr. Gabriele Kotsis 3

Forschung und Innovation Agile Software Entwicklung 4 Softwareentwicklung und Informatikforschung: Unterwegs nach Bangalore? 7 Internationale F&E in Grid Computing 12 Europ. Conference on Research and Adv. Technology for Digital Libraries 20

Praxis und Wissen Der „Schach-Türke“ 8 Prip-Preis 2004 14 Erlaubt ist, was Grenzen sprengt! 15 Roby vor – noch ein Tor 18 Das V-Modell 19 Europrix Top Talent Award 2004 26 Softwarepatente und E-Commerce 28

OCG aktuell Der vernetzte Egoist 10 gmds2004 in Innsbruck 11 Neuer IAPR-Präsident 21 Tracking & Tracing 24 RSS-Newsfeeds der OCG 27 IT Salon 29

Portrait Mag. Dr. Susanne Saminger 16 An Interview with Niklaus Wirth 22

ImpressumMedieninhaber und Herausgeber: Oesterreichische Computer Gesellschaft

Präsidentin: Univ.-Prof. Dr. Gabriele Kotsis

Generalsekretär: Eugen MühlvenzlWollzeile 1-3, 1010 Wien, Tel.: 01 / 512 02 35-0, Fax: 01 / 512 02 35-9

E-Mail: [email protected]; URL: www.ocg.at

Kontakt zur Redaktion: Mag. Christine Haas,01 / 512 02 35-51, [email protected]

Layout: Ulrike Haring, OVE-Medienzentrum Graz

Fotos: Archiv OCG, Autoren, Privatarchive

Druck: Ueberreuter Print & Digimedia

Gefördert durch das Bundesminis-terium für Verkehr, Innovation und Technologie.

Hinweis: Geschlechtsbezogene Aussa-gen in diesem Magazin sind auf Grund der Gleichstellung für beiderlei Ge-schlechter aufzufassen bzw. auszulegen.

Die Vortragenden Prof. Ernesto Della Salla (Teleporto Adriatico) und Henk van Maaren (CETIMA) bei der im November stattgefundenen Veranstaltung „Tracking and Tracing“ in der Wirtschaftskammer Österreich - Seite 24. (linkes Foto)

Dr. Ann Dünki führte ein Interview mit dem Schweizer Informatiker Prof. Dr. Niklaus Wirth. (rechtes Foto)

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3Ausgabe 5/2004

Editorial

Liebe Leserinnen!Liebe Leser!

Univ.-Prof. Dr. Gabriele Kotsis

Welche Assoziationen weckt unser Titelbild bei Ih-

nen? Sehen Sie uns in einer Welt, der sich durch IT

und Vernetzung neue Möglichkeiten und Perspektiven er-

öffnen? Oder deutet das Kabel

mehr eine technologische Fes-

sel an, die sich immer enger um

uns zusammenzieht? In Science

Fiction Romanen wird meist die

letztgenannte Vision entwickelt,

wohl weil sich Schreckens-

szenarien besser vermarkten

lassen, aber vielleicht auch als

Warnung und Aufruf zu einem

kritischen Hinterfragen der Ge-

staltung unserer Zukunft.

In diesem Sinne ist auch Prof.

Maurers aktueller Roman und

sein Vortrag beim OCG Competence Circle (wir haben im

letzten Heft berichtet) zu interpretieren, in dem vor den Aus-

wirkungen einer steigenden Abhängigkeit von IT und der zu-

nehmenden Globalisierung gewarnt wird. Von der globalen

Vernetzung zur Vernetzung des Einzelnen führte uns Prof.

Günther im letzten Competence Circle und zeichnete das

Bild des „vernetzten Egoisten“. Lesen Sie dazu den Nach-

bericht in diesem Heft, der – so wie Günthers Buch zu dem

Thema – nicht werten möchte, sondern Trends und Entwick-

lungen aufzeigen und zur Diskussion anregen soll.

Noch zwei weitere Beiträge in diesem Heft sind dem

Fragenkomplex der Vernetzung und Globalisierung

gewidmet. In der Rubrik Forschung und Innovation berichten

wir über eine Diskussionsveranstaltung an der TU Wien, bei

der Fragen der Zukunft der europäischen IT-Forschung und

Industrie angesichts der Konkurrenz aus Niedriglohnländern

diskutiert wurden. Und auch die gmds2004 in Innsbruck, die

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische

Informatik, Biometrie und Epidemiologie, erstmals veran-

staltet gemeinsam mit den Schweizer und österreichischen

Schwestergesellschaften, stand unter dem Motto „koopera-

tive Versorgung – vernetzte Forschung – ubiquitäre Informa-

tion“ (siehe Bericht in der Rubrik OCG aktuell).

Talente zu fördern ist das Ziel des Multimedia Top Ta-

lent Award, und auch hier sind wir wieder beim Thema

Vernetzung. Reichlich Gelegenheit zum Kontakte knüpfen

und zum Ausbau des persönlichen Netzwerks gab es auf

der feierlichen Gala in Wien, bei der 23 Projekte aus ins-

gesamt 414 Einreichungen aus 29 Ländern ausgezeichnet

wurden. Österreich war nicht nur Gastgeberland, sondern

darf sich auch über einen heimischen Preisträger in der

Kategorie Mobile Content freuen.

Eigentlich lässt sich in fast allen Beiträgen ein „Netz-

werkbezug“ erkennen. Roboter jagen Bälle ins Netz,

Tracking und Tracing vernetzt die reale und die digitale

Welt, GRID Computing vernetzt die Computer dieser Welt

zur Steigerung der Rechenleistung, eine Gruppe von ös-

terreichischen Entwicklern und Anwendern ist wiederum in

diese weltweite Initiative über das Projekt AGRID vernetzt.

Lesen Sie mehr über GRID Projekte im Europäischen Raum

in diesem Heft oder online unter www.austriangrid.at.

RSS ist eines der vielen DBK (Dreibuchstabenkürzel),

die gerade im Bereich der Netzwerke so beliebt zu

sein scheinen, dass bald alle möglichen Permutationen

ausgereizt sein werden. Hinter dieser Abkürzung verbirgt

sich ein Standard zur Darstellung von Webinhalten, im

speziellen von Nachrichten, in maschinenlesbarer Form,

die über so genannte „Feeds“ zur Verfügung gestellt

werden. Mit gewissem Stolz darf ich sagen, dass hier

die OCG ihrer Rolle gerecht wird, neue Technologien

nicht nur vorzustellen, sondern auch selbst einzusetzen.

Lesen Sie mehr über RSS und unser Nachrichtenange-

bot in diesem Heft.

Ich wünsche Ihnen im Namen der Oesterreichi-

schen Computer Gesellschaft ein besinnliches

Weihnachtsfest und einen guten Start in das Neue Jahr, in

dem Sie die OCG hoffentlich weiterhin begleiten darf!

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4JOURNAL

Forschung und Innovation

Agile Software EntwicklungDIPL.-ING. DR. MAXIMILIAN ERRATH, UNIV.-DOZ. ING. MMAG. DR. ANDREAS HOLZINGER,

UNIV.-PROF. DIPL.-ING. DR. WOLFGANG SLANY

Das „Agile Manifesto“ – der Beginn

Vom 11. bis 13. Februar 2001 trafen sich in

Utah 17 Personen: Kent Beck, Mike Beed-

le, Arie van Bennekum, Alistair Cockburn,

Ward Cunningham, Martin Fowler, James

Grenning, Jim Highsmith, Andrew Hunt,

Ron Jeffries, Jon Kern, Brian Marick, Ro-

bert C. Martin, Steve Mellor, Ken Schwa-

ber, Jeff Sutherland und Dave Thomas.

Diesen Leuten waren zwei Dinge gemein-

sam: Erstens hatten sie langjährige Erfah-

rung aus traditioneller Softwareentwick-

lung und zweitens einigten sie sich auf

vier grundlegende Basiskonzepte im Soft-

wareentwicklungsprozess. Die Konzepte

wurden im so genannten „Manifesto for

Agile Software Development“ festgelegt

„Softwareentwicklung kann die Erwartungen nicht erfüllen. Dieses Scheitern hat weitreichende Auswirkungen im geschäftlichen und menschlichen Bereich. Wir müssen einen neuen Weg finden, Software zu entwickeln”.

(Kent Beck, 2000)

Immer kürzere Entwicklungszyklen und sich rasch ändernde Anfor-derungen zeigen immer öfter die Schwächen klassischer Vorgehens-modelle bei der Softwareentwicklung. Agile Softwareentwicklung verspricht eine Verbesserung durch schlanke und kundenorientierte Vorgehensweisen. In Anlehnung an Extreme Usability im letzten Heft konzentrieren sich die Autoren in diesem Beitrag aufgrund des stei-genden Interesses an agilen Entwicklungsmethoden auf die Darstel-lung der grundlegenden Konzepte.

Die vier Basiskonzepte lauten im Original (siehe http://agilemanifesto.org):

We are uncovering better ways of developing software by doing it and helping others do it. Through this work we have come to value:

individuals and interactions over processes and tools. (Menschen und Zusam-menarbeit vor Prozessen und Werkzeugen)

working software over comprehensive documentation. (Funktionierende Software vor umfassender Dokumentation)

customer collaboration over contract negotiation. (Zusammenarbeit mit den Kun-den vor vertraglicher Vereinbarung)

responding to change over following a plan. (Reaktion auf Veränderung vor Ein-haltung eines Plans)

That is, while there is value in the items on the right, we value the items on the left more.

und von allen unterzeichnet (siehe: http://

agilemanifesto.org). Der einzige Einwand

„ …that most Americans do not know how

to pronounce the word ‘agile’ …“ kam von

Martin Fowler – einem Engländer.

Grundideen agiler Softwareentwicklung

Das wichtigste Prinzip agiler Softwareent-

wicklung ist es, Erfolge frühzeitig und fort-

laufend sichtbar zu machen. Die höchste

Priorität liegt in der Kundenzufriedenheit

durch funktionierende Software. Der Weg,

um den Erfolg zu maximieren, liegt in der

Einfachheit. Auf drei Grundregeln zusam-

mengefasst:

- wichtige Dinge zuerst umsetzen,

d. h. die Funktionalitäten mit dem

höchsten Mehrwert

- Geschäftswert = f (Kosten, Zeit,

Funktionalität, Qualität)

- Anpassung der Entwicklung bei Be-

darf an eine veränderte Umgebung.

Das Wort „agil“ stammt vom lateinischen

„agilis“ und bedeutet „leicht zu führen, be-

weglich, flink, gewandt, geschickt“. Das

soll ausdrücken, dass sich Entwickler,

die agile Methoden verwenden, flexibel in

einem schnell bewegenden Markt anpas-

sen, um aktuelle Probleme der Auftragge-

ber zu lösen. Entwicklung soll sich nicht

gegen Änderungen in den Anforderungen

wehren, sondern sich auf sie einstellen.

Team – Werkzeug – Prozess

Agile Entwicklung setzt drei Komponen-

ten voraus, um dieses Ziel zu erreichen:

Team – Werkzeug – Prozess. Erst ein rei-

bungsloses Zusammenspiel dieser drei

Komponenten macht agile Softwareent-

wicklung möglich. Dabei ist es zwar mög-

lich, Software ohne definierten Prozess

und vielleicht auch ohne Werkzeuge zu

entwickeln – es ist aber vollkommen un-

möglich, sie ohne ein qualifiziertes Team

zu entwickeln. Auch der beste Prozess

wird aus einer Gruppe von Chaoten kein

professionelles Team machen. Anderer-

seits zeigen professionelle Teams einen

hohen Grad an Selbstorganisation – so-

fern man die Herrschaft über die Arbeit

überlässt. In der Praxis ist es meist ein

„goldener Mittelweg“. Jedenfalls wird die

hohe „Planungssucht“ traditioneller Me-

thoden aufgegeben und ebenso wird die

Illusion aufgegeben, dass durch Kontrolle

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5Ausgabe 5/2004

Forschung und Innovation

und klare Anweisungen ein Projekt ideal

steuerbar ist. Kreative Prozesse lassen

sich weder befehlen noch kontrollieren.

Daher lautet das Credo agiler Methoden

„Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser“.

Das aber setzt zwingend voraus, dass

das Team aus kompetenten und zuverläs-

sigen Mitgliedern besteht.

Einbindung des Auftragge-bers

Agile Methoden versuchen umfangreiche

Dokumentation durch direkte Kommuni-

kation im Team zu ersetzen. Lediglich dort,

wo Dokumentation für einen sicheren Be-

trieb notwendig ist, dort wird diese auch

erstellt. Dokumente werden nur erstellt,

wenn es keine bessere Möglichkeit zur

Kommunikation im Projektteam gibt. Auch

wird auf eine vollständige Spezifikation

verzichtet. Eine vollständige Spezifikation

eines Systems ist nämlich nicht nur extrem

schwierig, sondern auch zeitintensiv und

damit teuer. Die Erfahrung zeigt außerdem,

dass sich bei vielen Softwareprojekten die

Anforderungen während der Projektzeit

ändern. Die zentrale Methode eines agilen

Prozesses ist es, den Auftraggeber direkt

in das Team einzubinden. Allerdings ist

genau das auch der Knackpunkt agiler

Methoden: Oft fehlt ein Ansprechparter auf

Auftraggeberseite, der über die notwendi-

ge Kompetenz (Fachwissen und Entschei-

dungsbefugnisse) verfügt. Voraussetzung

für das Funktionieren agiler Methoden ist,

dass immer ein fachlicher Entscheidungs-

träger kurzfristig für Fragen zur Verfügung

stehen muss – sonst ist agiles Arbeiten

nicht durchführbar.

Reaktion auf Veränderung

Die Stärke agiler Methoden liegt in der (ra-

schen) Reaktionsmöglichkeit auf Verän-

derungen. Auch hier zeigt die Erfahrung,

dass kaum ein Projekt stets nach Plan

verläuft, und je detaillierter die Planung

erfolgte, umso schneller weichen Realität

und Planung voneinander ab.

Der Erfolg eines Projekts wird allerdings

sehr oft an der Übereinstimmung mit dem

Plan gemessen. Wer aber einen Plan ver-

folgt, tut das, was bei der Erstellung des

Plans für notwendig gehalten wurde, nicht

das, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt

notwendig ist: „Wer in einem komplexen

System einen Plan verfolgt, erhält das Pro-

dukt, das er geplant hat, nicht das Produkt,

das er braucht“. (Highsmith, 2001) Natür-

lich wird in agilen Projekten geplant – aber

nur in dem Umfang, den Team und Auftrag-

geber benötigen. Highsmith (2001) geht

sogar so weit, diese nicht als „Pläne“ zu

bezeichnen, sondern als „Spekulationen“.

Adaptive Software Develop-ment, ASD

Adaptive Software Development (ASD)

entstand aus den Erfahrungen von Jim

Highsmith und geht zurück auf das Ra-

pid Application Development (RAD). Seit

1992 wurde ASD in über 100 Projekten

erfolgreich verwendet und schließlich als

Buch veröffentlicht (Highsmith, 2001).

ASD stellt die Regeln für die Zusammen-

arbeit zwischen Team, Kunden und Or-

ganisation dar und das Softwareprojekt

selbst wird als komplexes System gese-

hen. Nach der Theorie komplexer Syste-

me müsste ein Team umso flexibler sein,

je weniger Regeln bestehen. Auf der Su-

che nach dem minimalen Satz an Regeln

hat Highsmith den ASD-Lebenszyklus

entworfen: Nach einer Initialisierungs-

phase am Anfang, werden Zyklen von

Einige ausgewählte Beispiele agiler Methoden sind: Adaptive Software Development, ASD (Jim Highsmith), siehe: www.adaptivesd.

com

Crystal Methodologies, Effective Use Cases (Alistair Cockburn), siehe: http://alistair.cockburn.us/crystal

Feature Driven Development, FDD (Jeff De Luca, Peter Coad), siehe: www.featuredrivendevelopment.com

SCRUM (Ken Schaber, Mike Beedle, Jeff Sutherland geht zurück auf Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi), siehe: www.controlchaos.com

eXtreme Programming, XP (Kent Beck, Ward Cunningham, Ron Jeffries), sie-he: www.extremeprogramming.org

so genannten Adaptive Cycle Plannings,

Concurrent Feature Developments und

Quality Reviews durchgeführt. Das Team

liefert, entsprechend einer Prioritätenliste

des Kunden, alle vier Wochen so viele

Features wie möglich. Am Ende jeder Ite-

ration teilt der Kunde dem Team mit, ob

die neue Version den erwarteten Mehrwert

bietet (Highsmith, 2001).

Crystal Methodologies

Bei den Crystal Methodologies handelt es

sich eigentlich nicht um einen Prozess, son-

dern um ein Framework. Alistair Cockburn

befragte dazu in den frühen 1990er-Jahren

Teammitglieder erfolgreicher Projekte, wel-

che Methoden und Techniken diese einge-

setzt hatten. Aus diesen Erfahrungen leitete

Cockburn die Erkenntnis ab, dass unter-

schiedliche Projekte völlig unterschiedliche

Prozesse benötigen. Als wesentlichen Bei-

trag ermöglicht der Ansatz von Cockburn

eine Klassifizierung von Projekten. Dazu

entwarf er eine Matrix, in der Projekte nach

verschiedenen Kriterien eingeordnet wer-

den können. Erkenntnis: Je geringer die

Größe des Teams ist, umso weniger Do-

kumente müssen verwendet werden. Je

kritischer das Softwareprojekt dagegen ist,

umso formaler müssen die Dokumente sein

(Cockburn, 2002), (Cockburn, 2003).

Feature Driven Development, FDD

Feature Driven Development (FDD) ent-

stand aus den Erfahrungen von Jeff De

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6JOURNAL

Luca und Peter Coad Mitte der 1990er-

Jahre und wurde erfolgreich vor allem in

sehr großen Projekten verwendet. Nach

einer kurzen Initialisierungsphase wer-

den iterativ ausgewählte Anforderungen

geplant und umgesetzt. FDD wird da-

durch zu einer stark kundenorientierten

Methode mit kleinen Teilresultaten. Die

Größe eines Feature wird eingeschränkt

durch die Bedingung, dass ein Feature in

maximal zwei Wochen entwickelt werden

sollte. Sonst muss es so lange aufgeteilt

werden, bis diese Vorgabe erfüllt werden

kann (Palmer & Felsing, 2002).

Scrum

Scrum (der Name kommt aus dem Rug-

by) wird seit Anfang der 1990er-Jahre

von Ken Schwaber und Jeff Sutherland

in zahlreichen Projekten erfolgreich ein-

gesetzt. Bei Scrum werden die Anforde-

rungen in einem so genannten „Backlog“

vom Kunden für eine 30-tägige Iteration

(genannt Sprint) ausgewählt. Die Kon-

trolle über den Prozess erfolgt mit kurzen

täglichen Meetings (Sprint Planning) und

einer Demonstration nach dem Sprint

(Sprint Review Meeting). Das Sprint

Review Meeting wird als Retrospective

Meeting zur konsistenten Optimierung

analysiert. Scrum kennt dabei genau drei

Rollen: Software-Team, Product Owner

und Scrummaster. Der Product Owner

sortiert kontinuierlich den Product Back-

log und priorisiert damit die Anforderun-

gen. Das Team wählt aus dem Backlog

hochpriorisierte Anforderungen aus und

verpflichtet sich nach einer Aufwands-

abschätzung zu deren Umsetzung. Der

Scrummaster kontrolliert in täglichen

Arbeitssitzungen (Daily Scrum) den

Fortschritt der Arbeit. Seine Aufgabe ist

es auch, Hindernisse aus dem Weg zu

räumen und steuernd und fokussierend

einzugreifen (Schwaber & Beedle, 2001).

Scrum ist eher ein Projektmanagement-

Framework und kann mit verschiedenen

Techniken kombiniert werden.

Extreme Programming

Extreme Programming (eXtreme Pro-

gramming, XP) ist einer der bekanntesten

agilen Prozesse. Es beruht auf einem ein-

fachen System von Techniken und wurde

Mitte der 1990er-Jahre von Kent Beck,

Ward Cunningham und Ron Jeffries ent-

wickelt und erfolgreich eingesetzt. Es hat

sicherlich die größte Popularität erzielt

und daher wird in der Praxis XP oft mit

Agile Programming gleichgesetzt (Beck,

1999), (Beck, 2000). XP eignet sich her-

vorragend für die Kombination mit Usa-

bility Engineering Methoden (siehe dazu

den Artikel im letzten Heft, OCG Journal

4/2004, S. 16-18).

Zusammenfassung

Agile Methoden unterscheiden sich un-

tereinander ganz erheblich in Umfang

und Detaillierungstiefe. ASD, Scrum

und Crystal Methodologies sind eher

Meta-Prozesse. Ein erfahrenes Team

nutzt diese Prozesse als Rahmenbe-

dingungen für konkrete Projekte, ver-

zichtet aber auf detaillierte Vorgaben in

der täglichen Arbeit. XP und FDD sind

im Vergleich dazu konkrete, detaillierte

Verfahren.

Agile Softwareentwicklungsmethoden

sind nicht neu, sondern verwenden

Strategien und Methoden von ande-

ren Methoden – aber kombinieren

diese geschickt. Die Vorteile liegen

in der Schlankheit der Prozesse, der

Übersichtlichkeit und der Möglichkeit,

die Kundenwünsche umzusetzen. Die

Nachteile liegen in der Kollision des

stark iterativen Vorgehens mit der Lie-

ferung eines Produkts zu einem fixen

Preis, dem Fehlen der Ansprechpartner

auf Kundenseite, die über die notwen-

dige Kompetenz (Fachwissen und Ent-

scheidungsbefugnisse) verfügen muss

und dem praktischen Fehlen einer vom

Kunden unterzeichneten Anforderungs-

definition. Nicht jedes Projekt wird da-

her für die Anwendung agiler Methoden

geeignet sein; dennoch werden agile

Methoden in der Praxis immer wichtiger

werden. Die IT/Informatik an den Uni-

versitäten wird hier wichtige Beiträge

in Forschung und Lehre leisten, um die

Softwareingenieurinnen und Software-

ingenieure von heute bestmöglich auf

die Praxis von morgen vorzubereiten.

LiteraturAbrahamsson, P., Warsta, J., Siponen, M. T. & Ronkainen, J. (2003). New direc-tions on agile methods: a comparative analysis. Proceedings of the 25th IEEE International Conference on Software Engineering, Portland (OR), 244-254.

Beck, K. (1999). Extreme Programming Explained: Embracing Change, Boston (MA), Addison Wesley.

Beck, K. (2000). Extreme Programming: Die revolutionäre Methode für Software-entwicklung in kleinen Teams, München et al., Addison-Wesley.

Cockburn, A. (2002). Agile Software Development, Boston (MA), Addison Wesley.

Cockburn, A. (2003). Agile Software-Entwicklung, Bonn, MITP.

Highsmith, J. A. (2001). Adaptive Software Development. A Collaborative Approach to Managing Complex Systems, London, Dorset House Publishing Company.

Palmer, S. R. & Felsing, J. M. (2002). A Practical Guide to Feature Driven Deve-lopment, London, Prentice Hall.

Schwaber, K. & Beedle, M. (2001). Agile Software Development with SCRUM, London, Prentice Hall.

Forschung und Innovation

KontaktInstitut für Med. Informatik, Statistik und Dokumentation (IMI) Auenbruggerplatz 2/V, 8036 Graz [email protected] [email protected]

Institut für Softwaretechnologie (IST)Inffeldgasse 16b, 8010 [email protected]

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7Ausgabe 5/2004

Forschung und Innovation

Softwareentwicklung und Informatikforschung: Unterwegs nach Bangalore?

DIPL.-ING. KARIN HRABY, AO. UNIV.-PROF. DR. EVA KÜHN

Fragen der Zukunft der europäischen IT-Industrie und der Informatik-forschung angesichts der Konkurrenz aus Niedriglohnländern standen beim jährlichen Treffen des Informatik Netzwerks der Fakultät für Infor-matik [IN:N] am 3. November im Festsaal der TU Wien im Mittelpunkt von zwei Vorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion.

Nach der Begrüßung der mehr als 150 Teil-

nehmerInnen durch den Rektor der TU Wien

O. Univ.-Prof. Dr. Peter Skalicky und den De-

kan der Fakultät für Informatik Ao. Univ.-Prof.

Dr. Gerald Steinhardt stellte zunächst Ao.

Univ.-Prof. Dr. Eva Kühn als wissenschaftli-

che Koordinatorin des [IN:N] die Ziele des

Netzwerks vor: Intensivierung des Kontakts

zwischen der TU Wien und AbsolventInnen

sowie ehemaligen Studierenden, verstärkte

Kooperation mit Firmen sowie ein PostDoc-

Angebot zur Weiterbildung im Sinne eines

„life long learning“ (http://inn.tuwien.ac.at).

Erfahrungen aus Indien und ChinaDie eigens aus den USA bzw. China ange-

reisten Vortragenden Dr. Karl Kleissner und

Rudolf Siebenhofer berichteten von ihren

Erfahrungen aus USA/Indien respektive Ös-

terreich/China.

Kleissner (ehem. Senior Vice Presiden von

Ariba Inc.) betonte, dass die einzige Chan-

ce für die Universitäten bei diesem Spiel

zu gewinnen sei, sich auf globales Leader-

ship und Problemlösen zu konzentrieren;

für jede/n Einzelne/n, sich zu einem Leben

mit dauernder Weiterbildung zu bekennen.

Rudolf Siebenhofer (CEO von Siemens

PSE China) berichtete von den aktuellen

Veränderungen in China, die alle Lebensbe-

reiche von der Bildung bis zur Infrastruktur

betreffen. Siebenhofer erwartet, dass sich

das Potenzial junger Chinesischer Ingeni-

eure vermehrt auch in innovativen Berei-

chen zeigen wird: „Eine Welle von Patenten

zu neuesten Technologien rollt auf uns zu.

Dadurch werden auch Intellectual Proper-

ty Rights plötzlich viel ernster genommen.

Länder wie China werden in Zukunft auch

wesentlich mehr Gewicht in der Standardi-

sierung verlangen.“

Podiumsdiskussion mit Ex-pertenIn der anschließenden Podiumsdiskussion

berichtete Univ.-Doz. Dr. Jörg Flecker (Wis-

senschaftlicher Leiter der Forschungs- und

Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA), dass

heute nicht nur einfache und lohnkos-

tensensible Tätigkeiten verlagert würden.

„Insgesamt zeigt sich, dass sich ohne die

spezifischen Rahmenbedingungen in der

zweiten Hälfte der 1990er-Jahre und ohne

die oft überzogenen Klagen über den

IT-Fachkräftemangel vermutlich die inter-

nationale Arbeitsteilung nicht so schnell

verschoben hätte und der Arbeitsmarkt in

Österreich heute von der Verbesserung der

wirtschaftlichen Lage der IT-Dienstleistun-

gen stärker profitieren könnte.“.

Nach Einschätzung von Univ.-Prof. Dr. Ge-

org Gottlob (TU Wien, Institut für Informa-

tionssysteme und Gründer von liXto Soft-

ware GmbH) ist die Informatikausbildung

in China gut ausgerichtet auf Programmie-

rung und Verwendung von Tools. Defizi-

te fänden sich bei Innovation in höheren

Studien wie etwa dem Doktorat. Dieses

Defizit würde jedoch schätzungsweise in

ca. sieben Jahren aufgeholt sein. Gottlob

sieht eine Chance in hochinnovativen Pro-

duktentwicklungen und darin, dass Dienst-

leistungen wegen des hohen Hintergrund-

wissens vor Ort nicht leicht ins Ausland

verlagert werden können.

Für Georg Obermeier (Geschäftsführer T-

Systems Austria GesmbH) besteht heute

die Herausforderung in einer weltweiten

Betreuung von Kunden, die nur vor Ort

durchgeführt werden könne. Zum Thema

Kosteneinsparung meinte Obermeier:

„Generell gilt, je größer das Projekt, umso

höher der Vorteil sowohl für den Kunden

als auch den Outsourcer“. Das Einspa-

KontaktDipl.-Ing. Karin HrabyÖffentlichkeitsarbeit, TU WienZentrum für Koordination & Kommunikation der Fakultät für InformatikFavoritenstr. 9/195, 1040 WienTel.: 01 / 588 01-183 [email protected], inn.tuwien.ac.at

rungspotential hänge natürlich auch von den Preis-

entwicklungen bei Lohnkosten und Infrastruktur ab.

Zentrale Erfolgsfaktoren seien ein gutes Service und

ein gutes Projektmanagement.

Univ.-Doz. Dr. Stefan Poledna (Geschäftsführer TT-

Tech Computertechnik AG) betonte, dass Europa in

Zukunft in der Informatik nur dann eine Rolle spielen

könne, wenn Ideen und Know-how systematisch ge-

sichert und industriell umgesetzt würden. Wichtig sei

für kleinere Firmen aus Europa, dass sie sich durch

technischen Vorsprung differenzieren und diesen z.

B. durch Patente absichern können.

(v.l.n.r) Dekan Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerald Steinhardt,Dr. Karl Kleissner, Ao. Univ.-Prof. Dr. Eva Kühn

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Ehrung eines Absolventen der Fakultät für InformatikErstmals wurde heuer auch im Rahmen der [IN:N] Veranstaltung der Ehrentitel „Distinguished Alum-nus of the Faculty of Informatics“ verliehen. Den Titel erhielt Dr. Karl „Charly“ Kleissner. Nach Infor-matikstudium, Dissertation und Tätigkeit als Univer-sitätsassistent an der TU Wien ging Kleissner in die USA und machte dort Karriere: Nach dem Einstieg als Softwareentwickler bei großen amerikanischen Konzernen entwickelte er sich zum Experten für Projektmanagement und Teamleadership. Er trug maßgeblich zum Erfolg von namhaften Start-Ups wie Ariba, NeXT und RightPoint bei. Sein heutiges Engagement betrifft Projekte im Umfeld des sozia-len Unternehmertums.

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8JOURNAL

Praxis und Wissen

Der „Schach-Türke“

Kempelens „Schach spielen-der Türke“

Der Hofkammerrat Wolfgang von Kem-

pelen bekleidete hohe Ämter in den

Diensten Maria Theresias und wirkte,

vielfältig gebildet, auch als Architekt,

Mechaniker und Wissenschaftler. Er be-

schäftigte sich unter anderem mit dem

Verhältnis zwischen Mensch und Ma-

schine, konstruierte eine Sprechmaschi-

ne und eine Blinden-Schreibmaschine,

aber auch einen Schach spie-

lenden „Automaten“. 1770

führte er dieses mechanische

Spielzeug am kaiserlichen Hof

vor: eine lebensgroße, hölzer-

ne Figur in türkischer Tracht,

die an einer Holzkommode

saß, auf der sich ein Schach-

brett befand. Eine komplexe

Mechanik aus Walzen, Hebeln

und Zahnrädern im Inneren

ließ die staunenden Zuschauer

glauben, die Holzpuppe sei in

der Lage, gegen menschliche

Gegner Schach zu spielen.

Vorgeblich per Federzug ange-

trieben, konnte sie Arme, Kopf

und Augen bewegen, und die

Schachfiguren am Brett führen.

Anders als die Automaten ihrer Zeit, die

bloß Bewegungen imitierten, schien die

Holzpuppe zu eigenständigem Denken

fähig. Was das Publikum bei Kempe-

lens Vorführung freilich nicht zu sehen

bekam, war der leibhaftige Mensch, der

im Inneren des Holzkastens verborgen

DIPL.-ING. DR. OTMAR MORITSCH / MAG. DR. WOLFGANG PENSOLD

kauerte, von unten das Schachbrett be-

obachtete und über eine komplizierte

mechanische Vorrichtung die Züge der

Puppe steuerte.

Kempelen erlangte mit seinem „Au-

tomaten“ alsbald Berühmtheit weit

über die Grenzen der Monarchie hin-

aus. 1783 reiste er nach Paris, wo er

seinen Schachspieler am königlichen

Hof in Versailles vorführte und gegen

Schachmeister antreten ließ. Dass der

„Automat“ mitunter eine Partie verlor,

tat seiner Attraktivität keinen Abbruch.

Es folgten Vorführungen vor größerem,

zahlendem Publikum, in weiterer Folge

auch in England, wo man durch franzö-

sische Zeitungsberichte aufmerksam

geworden war. Allerdings erhoben sich

seitens kritischer Aufklärer bald auch

Stimmen, die die Vorspiegelung fal-

scher Tatsachen vermuteten. Joseph

Friedrich zu Racknitz besuchte Vorstel-

lungen in Dresden und verfasste 1784

eine Abhandlung „Ueber den Schach-

spieler des Herrn von Kempelen“, in

der er von der Grundannahme ausging,

dass sich im Inneren des Kastens ein

kleinwüchsiger Mensch befinde, der die

Figur des Türken lenke.

Virtual Showcase

Heute, 200 Jahre nach Kempe-

lens Tod, sind Universalgelehr-

te seines Typs verschwunden.

An ihre Stelle sind hoch spezi-

alisierte Experten getreten, die

im Rahmen von internationalen

Forschungskooperationen ihre

Fachkenntnisse zugunsten des

wissenschaftlich-technischen

Fortschritts zusammenfließen

lassen. Geblieben sind der

Forschungsgegenstand und

die uralte Vision der techni-

schen Erweiterung menschli-

cher Möglichkeiten. Und wie

einst, ist es auch heute nicht

zuletzt die Begeisterung des

Publikums, die die Entwicklung – zumal

der Medientechnik – beflügelt.

Im Zeitraum zwischen 2001 und 2004

widmete sich ein im Rahmen des EU-

Forschungsprogramms Information

Society Technologies (IST) gefördertes

Der Kempelensche Schachspieler in virtueller Form (Bild: Techni-sches Museum Wien)

Page 9: JOURNAL - sonntag.cc · Die Vortragenden Prof. Ernesto Della Salla (Teleporto Adriatico) und Henk van Maaren (CETIMA) bei der im November stattgefundenen Veranstaltung „Tracking

9Ausgabe 5/2004

Praxis und Wissen

Projekt der Entwicklung virtueller Vitri-

nen („Virtual Showcases“) zur Präsen-

tation von Objekten im Grenzbereich

zwischen Realität und Virtualität. Be-

teiligt waren Partner aus Deutschland

wie das Fraunhofer Institut für Com-

putergrafik, das Forschungszentrum

Informationstechnik GmbH sowie das

Deutsche Museum Bonn, weiters por-

tugiesische Partner wie das Centro de

Computação Gráfica, das Museu Dom

Diogo de Sousa und SINFIC, aus Ös-

terreich das Institut für Computergrafik

und Algorithmen der Technischen Uni-

versität Wien, die Abteilung Informati-

ons- und Kommunikationstechnik des

Technischen Museums Wien und die

Firma Imagination Computer Services

GesmbH sowie der belgische Projek-

torenhersteller BARCO.

Im Rahmen dieses Projekts entstand

für die medien.welten des Technischen

Museums Wien ein zeitgemäßes Re-

make des Kempelenschen Schach-

spielers als Multimedia-Installation.

Der Virtual Showcase ließ den Mitte

des 19. Jahrhunderts abgebrannten

„Schachautomaten“ in virtueller Form

wiedererstehen, seine interaktive Qua-

lität ermöglichte wie beim historischen

Vorbild echte Interaktion. Die mecha-

nische Holzpuppe wich einem Avatar,

die Faszination des Spiels gegen eine

Maschine blieb.

Der Schachspieler in den medien.welten

Die Installation, die mittlerweile einen

dauerhaften Platz in den medien.wel-

ten gefunden hat, offeriert den Ausstel-

lungsbesuchern ein Schachspiel mit

einer stereoskopisch projizierten Anima-

tion des „Schachautomaten“. Obwohl

Figuren und Brett lediglich Lichtpro-

jektionen sind, lässt sich damit wirklich

spielen. Ermöglicht wird dies durch zwei

Tracking-Kameras, die die Bewegungen

des Spielers registrieren und an den

Computer weiterleiten. Eine der Kame-

ras beobachtet seine Handbewegun-

gen und verfolgt seine Spielzüge, eine

zweite registriert seine Kopfbewegun-

gen und sorgt dafür, dass sich die proji-

zierte Szenerie stets seinem Blickwinkel

anpasst. Der Computer wiederum steu-

ert auf der Basis eines entsprechenden

Schachprogramms die Züge der Figur.

Die Faszination, die heute nicht mehr

der Mechanik, sondern der Digitaltech-

nik gilt, wurzelt zweifellos weniger darin,

eine Partie Schach zu spielen, als in der

Option, in einer virtuellen Realität mit

einer „intelligenten“ Maschine unmittel-

bar interagieren zu können. Allerdings

steckt auch dahinter kein Mysterium.

Denn, wie sich beim Original aus dem

18. Jahrhundert in der Kiste ein Schach-

spieler aus Fleisch und Blut verborgen

hat, so verbergen sich hinter der mo-

dernen Variante Computer und Projek-

tor. Und in gewisser Weise sitzt auch

heute noch ein Mensch in der Kiste

– ein Programmierer, der dem Compu-

ter die nötige „Intelligenz“ gegeben hat.

Die Vision der selbstständig denkenden

Maschine bleibt auch heute unerreicht.

Dennoch erfüllt die Installation eine be-

deutende Funktion im Rahmen der me-

dien.welten. Sie führt die Besucher in

spielerischer Weise an die Grenze der

virtuellen, dreidimensional projizierten

und interaktiv benutzbaren Medienwelt

heran, die unser Dasein künftig – nicht

nur zu Unterhaltungszwecken – zuneh-

mend stärker prägen wird.

Nach Fertigstellung der Installation

wurde ihr im September 2004 auch of-

fizielle Anerkennung zuteil. Im Rahmen

des Staatspreises für Multimedia und

E-Business erhielt sie den Preis des

Siegers in der Kategorie Kultur und E-

Entertainment.

KontaktDipl.-Ing. Dr. Otmar MoritschTechnisches Museum Wien, Bereich Information und KommunikationMariahilfer Str. 212, 1140 WienTel.: 01 / 899 98-2200Fax: 01 / 899 [email protected]

Frühe Abbildung des Kempelenschen Schachspielers (Bild: Österreichische Nationalbibliothek)

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10JOURNAL

OCG aktuell

Der vernetzte Egoist

Einflussfaktor „Medientechnik“Technik greift in alle Lebensbereiche ein.

Nicht nur in wirtschaftsorientierte, son-

dern auch in Bildung und Kunst.

Die Frage ist:

Beeinflusst die Technik den Menschen,

oder nützt der Mensch die Technik als

Werkzeug?

In jedem Fall beeinflusst die Technik uns

und unser Leben. Die Kommunikations-

und Medientechnik ist Triebkraft für zu-

nehmenden Egoismus. Sie unterstreicht,

dass der Mensch alles hier, jetzt und so-

fort haben will.

Der vernetzte Egoist will immer Erster

sein.

Das Telefon war eine Generation früher

noch ein Instrument, das geteilt werden

musste. In der Familie, im Haushalt gab es

– wenn überhaupt – einen Telefonapparat.

Im Büro teilten sich mehrere Mitarbeiter

ein Telefon. Heute hat jeder sein eigenes

Telefon. Niemand würde sein Mobiltelefon

mit einem Kollegen oder einem anderen

Familienmitglied teilen.

Ähnlich verhält es sich auch mit anderen

Medien; mit dem Fernsehen, dem Radio-

hören und der Verwendung des Compu-

ters, der zum persönlichen Device wurde.

Machen elektronische Medien einsam?Eine oft und lange abgehandelte Frage. Alle

Arbeiter zu Hause vereinsamen, und Grup-

penarbeit geht verloren. Hingegen entsteht

eine neue Form der Zusammenarbeit, die in-

PROF. DR. JOHANN GÜNTHER

Wird die Technik den Menschen ersetzen?Wird sie ihm Hilfsmittel oder Joch sein?Werkzeuge sollen dem Menschen das Leben leichter machen. Tech-nik, die kein Werkzeug ist, ist Spielzeug und nutzlos für das tägliche Leben. Technik ist Ergänzung und Erweiterung des Menschen. Sie stärkt ihn und macht ihn unabhängiger.

ternationaler ist. Virtuelle Arbeitsgruppen im

Internet haben keine Grenzen und bringen

Menschen aus vielen Ländern zusammen.

Der Mensch befriedigt damit sein Fern-

weh. Das Arbeiten am Wohnort bzw. in

der eigenen Wohnung, im eigenen Haus

ist im Grunde genommen nicht neu, son-

dern in den letzten 150 Jahren verloren

gegangen. Vor der Industrialisierung wa-

ren Wohn- und Arbeitsplatz ident.

Die Familie ist ein gutes Beispiel dafür,

wie „vernetzte Egoisten“ heranwachsen.

Jeder geht individuell seiner Beschäfti-

gung nach. Schon das Kleinkind geht

in „seinen“ Kindergarten, wie die Eltern

jeweils in „ihr“ Büro. Abends kommt man

zum Schlafen zusammen. Auf Grund der

Individualisierung der Freizeit, wird auch

die „gemeinsame Schlafzeit“ geringer.

Die Familie zerfällt in zusammenlebende

Individualisten.

Die Zeitachse zerfällt. Öffnungszeiten

von Geschäften werden ausgedehnt und

via Internet kann 24 Stunden pro Tag ein-

gekauft werden. E-Government erlaubt

es dem Bürger, zu jeder Tageszeit einen

„Behördenweg“ zu erledigen. „E-Lear-

ning“ macht das Lernen unabhängig von

Unterrichtszeiten und Telearbeit hat keine

fixen Bürozeiten mehr. Der Mensch ver-

liert fixe Anhaltspunkte auf der Zeitachse.

Er hat so viele Freiheiten, dass es immer

schwerer wird, sich zu orientieren. Der

Mensch als Individuum wird neue Um-

gangsformen mit diesem – im Vergleich

zu traditionellen Einteilungen – chaoti-

schen Ablauf finden.

Der unabhängige WissensarbeiterMenschen müssen mit Unsicherheitsfak-

toren leben. In Umständen des persön-

lichen „Überlebens“ werden egoistische

Eigenschaften in den Vordergrund treten

ohne jedoch auf ein Netzwerk, auf die Hil-

fe anderer, die aber oberflächlich ist, zu

verzichten.

Technik ist dazu ein Hilfsmittel. Sie er-

leichtert das Leben.

Die ersten Menschen hatten alle Hand-

fertigkeiten. Alle konnten alles. Erst in

späterer Folge kam es zur Spezialisie-

rung und damit zur Arbeitsteilung. Grup-

penarbeit war notwendig.

Im Bereich der Wissensarbeit gibt es ei-

nen Trend, der weg von der gruppendy-

namischen Arbeit geht. Computer stellen

jedem alles zur Verfügung. Der Einzelne

ist nicht mehr von anderen abhängig.

Er kann eine Datenbank befragen. Der

Einzelne hat so wie der Höhlenmensch

wieder alle Fertigkeiten; zumindest was

die Wissensverarbeitung betrifft, und die

stellt den Großteil der heutigen Arbeit dar.

Der Mensch kann heute unabhängig von

anderen alleine arbeiten.

IKT verändert den Menschen

KontaktProf. Dr. Johann GüntherFachhochschule St. PöltenHerzogenburgerstr. 683100 St. PöltenTel.: 02742 / 313228 [email protected]

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11Ausgabe 5/2004

OCG aktuell

gmds2004 in Innsbruck Kooperative Versorgung – Vernetzte Forschung – Ubiquitäre Information

Chancen durch Medizinische Informatik, Biometrie und EpidemiologieASS.-PROF. DR. ELSKE AMMENWERTH

Vom 26. – 30. September 2004 fand in

Innsbruck die 49. gmds-Jahrestagung (www.

gmds2004.de) statt, welche das erste Mal

als Dreiländer-Tagung gemeinsam veranstal-

tet von der gmds, der Schweizerischen Ge-

sellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

und dem Arbeitskreis Medizinische Informatik

(ÖAKMI) der Oesterreichischen Computer

Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen

Gesellschaft für Biomedizinische Technik

(ÖGBMT) über die Bühne ging. Die lokale Or-

ganisation wurde von der 2001 neu eröffneten

Privaten Universität für Gesundheitswissen-

schaften, Medizinische Informatik und Technik

(UMIT; www.umit.at) übernommen.

Nach einführenden Tutorien umfasste das

Kernprogramm ca. 180 wissenschaftliche

Beiträge sowie ca. 80 Posterbeiträge aus den

Bereichen Medizinische Informatik, Biometrie,

Epidemiologie und Medizinische Dokumenta-

tion. In Satellitensymposien wurden die The-

men Gesundheitsmanagement, Pflegeinfor-

matik und Medizinische Dokumentation weiter

vertieft. 23 Aussteller und Sponsoren unter-

stützten die Tagung. An allen Veranstaltungen

zusammen nahmen ca. 800 Teilnehmer aus

Wissenschaft, IT- und Pharmaindustrie, aus

Gesundheitseinrichtungen, Ministerien und

Behören teil.

Als Leitthema dieses Jahr wurde „Kooperati-

ve Versorgung – Vernetzte Forschung – Ubi-

quitäre Information“ gewählt. Entsprechend

standen diese Themen im Vordergrund der

wissenschaftlichen Vorträge. So wurden die

Potentiale und Grenzen kollaborativer Versor-

gungskonzepte und die hierfür notwendige

IT-Unterstützung ebenso diskutiert wie der

Übergang elektronischer Patientenakten in

elektronische Gesundheitsakte. Die Bedeu-

tung dieses Themas spiegelt sich auch in

entsprechenden politischen Initiativen wieder

(z. B. bit4health in Deutschland, E-Card in

Österreich). Die Integration der IT-Kompo-

nenten stellt sich dabei als eine der zentralen

technischen Herausforderungen dar.

Andere Beiträge betrachteten Ansätze zur

Evaluation von Informationssystemen – IT-

Investitionen müssen, um gerechtfertigt wer-

den zu können, zu messbaren positiven

Auswirkungen auf Effizienz und Effektivität

der Patientenversorgung führen. Ein weite-

rer Schwerpunkt war das Thema Prozess-

management und Prozessoptimierung im

Gesundheitswesen. IT-Systeme im Gesund-

heitswesen können heute nicht mehr isoliert

von den komplexen sozio-organisatorischen

Rahmenbedingungen betrachtet werden.

Die Einführung von IT-Systemen kann nur als

Teil einer umfassenderen Prozessoptimie-

rung verstanden werden. Schließlich wurde

das Thema Wissensmanagement sowie

klinische Leitlinien in mehreren Sitzungen

aufgegriffen. Der Versuch, klinisches Wissen

rechnergestützt so verfügbar zu machen,

dass es unmittelbar in die Entscheidungs-

findung einbezogen werden kann, stellt sich

weiterhin als Herausforderung dar.

Ein Highlight der gmds-Tagung 2004 war

die hochkarätig und international besetzte

Podiumsdiskussion zum Leitthema der Ta-

gung: „Kooperative Versorgung, vernetzte

Forschung, ubiquitäre Information: Besse-

re Gesundheitsversorgung durch intensive

Nutzung von Informations- und Kommuni-

kationstechnologie?“. Referenten waren u.

a. Prof. Marion Ball (ehem. IMIA Präsidentin,

Baltimore), Dr. Martin Denz (SGMI-Präsident,

Bern), Prof. Ehrich Reinhardt (Vorstand Sie-

mens Medical Solutions, Erlangen) und Prof.

Jan H. van Bemmel (ehem. Rektor der Eras-

mus-Universität Rotterdam). Alle Teilnehmer

betonten die große Bedeutung von Metho-

den und Werkzeugen der Informatik für die

Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwerti-

gen Patientenversorgung auch in Zukunft.

Ein weiteres besonderes Highlight dieses

Jahr war wieder die Clinical Documentation

Challenge (CDC). Fünf Top-Anbieter von KIS-

Lösungen präsentierten hier ihre Produkte

anhand eines vorgegebenen standardisier-

ten realitätsnahen Szenarios. Der Schwer-

punkt der CDC 2004 lag auf der Abbildung

klinischer Behandlungspfade in den jeweiligen

Produkten. Sie bot damit die einmalige Möglich-

keit, die verschiedenen Produkte einmal direkt

unter vergleichbaren Bedingungen kennen ler-

nen zu können.

Eine weitere Besonderheit der gmds2004 war

der Akademische Festakt, bei dem Dr. Donald

Lindberg, Direktor der National Library of Me-

dicine (NLM) der USA, geehrt wurde. Er erhielt

die Ehrendoktorwürde der UMIT. Dr. Lindberg ist

seit 1984 Leiter der National Library of Medicine,

des wohl größten und bedeutendsten medizi-

nischen Informationszentrums der Welt. Unter

seiner Leitung ist es gelungen, mittels moderner

Informations- und Kommunikationstechnologie

umfassendes, aktuelles, qualitativ hochwertiges

medizinisches Wissen weltweit frei und in einfach

zu nutzender Weise zugänglich zu machen. Der

Akademische Festakt fand im neuen Campus

der UMIT in Hall bei Innsbruck statt.

Ca. 700 Teilnehmer haben die gmds2004 be-

sucht. Der Abstract-Band zur gmds2004 ist

im videel Verlag, Niebüll erschienen (ISBN

3-89906750-9), die Beiträge sind auch elek-

tronisch unter www.egms.de abrufbar. Es ist

geplant, dass ausgewählte Arbeiten in engli-

scher Sprache in „Methods of Information in

Medicine“ erscheinen werden.

KontaktAss.-Prof. Dr. Elske AmmenwerthInstitut für Informationssysteme des GesundheitswesensUMIT – Private Universität für Gesundheits-wissenschaften, Medizinische Informatik und TechnikEduard Wallnöfer-Zentrum 1, 6060 HallTel: 050 / 8648-3809 [email protected]

Industrieausstellung und Kontakte

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12JOURNAL

Forschung und Innovation

Internationale F&E in

Grid ComputingDR. WILLY WEISZ, PROF. DIPL.-ING. GÜNTER KOCH

Die Entwicklung sehr leistungsstarker Netzwerktechnologien gekop-pelt mit dem drastischen Preisverfall der dazu notwendigen Kom-ponenten eröffnet neue Kooperationsmodelle zwischen Rechnern und mit elektronisch gesteuerten Werkzeugen über weite Distanzen hinweg. Dieses Zusammenwirken hat aber auch die Begrenzung ko-operierender EDV-Systeme auf jeweils nur eine Trägerorganisation gesprengt.

Grid Computing erfordert neue OrganisationsformenVersucht man, elektronisch gesteuerte

Geräte über Organisationsgrenzen hin-

weg zu verknüpfen, so muss man auch

die dazu notwendigen organisatorischen

Randbedingungen schaffen. Im Bereich

der Datenverarbeitung spricht man dabei

von Grid Computing. Aufbauend auf die

Software-Entwicklungen des Einsatzes

kooperierender Rechner innerhalb einer

Organisation mit zentraler EDV-Verwal-

tung, dem Cluster Computing, wurden

– und werden immer noch – Konzepte,

Org- und Software entwickelt, um die

drei Grundprinzipien des Grid Compu-

ting, die es von seinem Vorgänger unter-

scheiden, zu realisieren:

(1) die Koordination von Betriebsmit-

teln, die nicht zentral verwaltet wer-

den

(2) unter Verwendung genormter, offe-

ner, allgemein nutzbarer Protokolle

und Schnittstellen, um

(3) eine nicht unbedeutende Dienst-

leistungsgüte (quality of service) zu

erbringen (Ian Foster, Juli 2002).

Die Grundvoraussetzung hierfür ist die

Schaffung von virtuellen Organisationen,

in denen sich in zeitlich ändernder Zu-

sammensetzung Partnerschaften bilden,

die über Dienstleistungsverträge und Ab-

rechnung EDV-Leistungen erbringen und

konsumieren. Um die Leistungsverträge

einhalten zu können, muss dynamisch

durch Programme die Verwendung von

gerade vorhandenen Ressourcen konti-

nuierlich „ausgehandelt“ werden.

Internationale Forschung und EntwicklungNach den ersten Erfolg versprechenden

Entwicklungen von Werkzeugen, um ex-

perimentelle Grid-Umgebungen, meist

im akademischen Umfeld, zu schaffen,

hat auch die Wirtschaft begonnen, sich

für Grid Computing zu interessieren. Der-

zeit wird in einer großen Zahl von natio-

nalen und internationalen Projekten und

Initiativen versucht, systematisch alle

organisatorischen und programmtech-

nischen Voraussetzungen für das Grid

Computing als zukünftige Infrastruktur

zu schaffen, die es einem Nutzer ermög-

lichen wird, über eine standardmäßig

grafische Schnittstelle transparent und

in der Ausdrucksweise seines Anwen-

dungsgebiets (gleichgültig, ob Ingenieur,

Wissenschaftler oder Verwaltungskraft)

auf die verteilten, inhomogenen Ressour-

cen (= Datenbestände und Programme)

zuzugreifen, ohne wissen zu müssen,

wo diese lokalisiert und aufzufinden sind.

Auch das Auffinden und Aushandeln der

optimalen Betriebsmittel im Rahmen eines

vorgegebenen Budgets geschieht mittels

Grid-Komponenten. Selbst auf traditionel-

le Produkte/Services, die nicht auf Grid

Computing umgestellt werden können,

muss man nicht verzichten, da Hüllenpro-

gramme (so genannte „Wrapper“) entwi-

ckelt werden, über die auch diese „Altsys-

teme“ einbezogen werden können.

Die Anerkennung der Bedeutung die-

ses Ansatzes kann man daraus er-

Abb. 1: Gesamtarchitektur in Form eines Schichtenmodells der in der Grid-Forschung wichtigsten Themen und (wissenschaftlichen) Anwendungen

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13Ausgabe 5/2004

Forschung und Innovation

KontaktDr. Willy WeiszVCPC, Institut für Softwarewissenschaft der Universität WienNordbergstr. 15/C312, 1090 [email protected]

Prof. Dipl.-Ing. Günter KochDonau-Universität Kremsexecupery @ TechGateDonau-City-Str. 1, 1220 [email protected]

Drei wesentliche Grid-Projekte sollen hier vorgestellt werden:

CoreGRID, ein Network of Excellence unter der Führung von ERCIM über deren Ge-schäftsstelle bei der INRIA, Frankreich, mit einem Fördervolumen von 8,2 Mio. Euro, mit 119 involvierten Forschern in 42 Instituten. In dieses Projekt, in dem es um die Schaffung einer Wissens- und Exzellenzplattform auf dem Gebiet des Grid Compu-ting geht, ist Österreich nicht offiziell, jedoch informell einbezogen. Interessant ist die Formung folgender virtueller, weil nicht rechtsförmiger „Institute auf Zeit“, die sich als überorganisatorische Kompetenzzentren zu folgenden sechs Themen sehen:- Wissens- und Datenmanagement- Programmiermodelle- Systemarchitekturen- Grid Informations- und Monitorierungsdienste- Ressourcenmanagement und Scheduling-Dienste- Umgebungen zum Probelmlösen, für Werkzeuge und Grid-SystemeIn vier Jahren sollen diese sechs Institute – untereinander abgestimmt – u. a. ein gemeinsames Grid-Testbett, eine gemeinsame Grid-Infrastruktur als das Grid-Labor in Europa und einen gemeinsamen Managementrahmen schaffen, innerhalb dessen Nachwuchswissenschaftler kollaborativ arbeiten können.

GridCoord kann als komplementäres Projekt zu GridCore gesehen werden. Es ist eine „Special Support Action“ und dient eher zur Sicherstellung, dass die vielfältigen Grid-Aktivitäten in Europa, wie sie von verschiedenen Förderern unterstützt werden, zusammen harmonieren. Politisches Ziel ist es, mittels Roadmapping und strategi-scher Ausrichtung Europa die Führerschaft auf dem Gebiet der Grid-F&E zu ver-schaffen. GridCoord schätzt das Volumen an Forschungsmitteln, die via dieser Spe-zialmaßnahme verbunden sind, auf bis zu 500 Mio. Euro. GridCoord selbst verfügt über ein Budget von ca. 1 Mio. Euro und hat seine Geschäftsstelle an der Universität von Pisa ([email protected]).Die Hauptaufgaben von GridCoord sind:- Die verschiedenen Grid-Förderstellen miteinander zu koordinieren- Verbindungen zwischen einzelnen Forschungseinrichtungen und Forschern herzu-

stellen,- eine visionäre Forschungsagenda aufzustellen.

Zu diesen Zwecken wurden folgende konkrete Ziele vereinbart:- Erstellung eines Kompendiums aller Grid-Forschung in Europa auf europäischen

und nationalen Niveaus,- ein Muster gemeinsamer Grid-Forschungsinteressen so zu identifizieren, dass

zwischen den einzelnen Forschern Synergien unter Vermeidung doppelter For-schung hergestellt werden können,

- Organisation von halbjährlichen Treffen zwischen den Akteuren der Grid-Forschung,- Durchführung spezialisierter Workshops,- Förderung von Informationsverteilung sowie Bildungs- und Weiterbildungsveran-

staltungen,- Beobachtung und Berichterstattung zu Standardisierungen, die für die Grid-

Technologie wichtig sind,- Entwicklung von Roadmaps, beginnend mit Visionen und daraus resultieren-

den Strategien zum Grid-Computing, wie auch Schlussfolgerungen für zukünf-tige Forschungsagenden.

Ein drittes, italienisches Projekt mit internationaler Bedeutung namens Grid.it (www.grid.it), das strategischen Charakter hat, soll hier deshalb besonders erwähnt wer-den, weil dieses sich eher auf Grid-Applikationen konzentriert und damit die Fantasie über zukünftige Grid-Anwendungen und die daraus ableitbaren Anforderungen an Eigenschaften von Grid-Infrastrukturen zum Ziel hat. Abb.1 ist der Projektbeschrei-bung von Grid.it entnommen und vermittelt das Bild einer Gesamtarchitektur in Form eines Schichtenmodells der in der Grid-Forschung wichtigsten Themen und (wissen-schaftlichen) Anwendungen.

kennen, dass Entwicklungen von Grid

Computing in fast allen Industrie-

staaten großzügig mit bis zu zweistelligen

Millionen-Euro-Beträgen pro Jahr geför-

dert werden. Grid-Computing ist auch

ein Schwerpunkt im laufenden 6. Rah-

menprogramm der IST-Förderung der

Europäischen Kommisssion, und wird es

auch im 7. Rahmenprogramm bleiben.

Mit - sogar relativ gesehen - deutlich ge-

ringeren Mitteln wird auch in Österreich

die Grid-Entwicklung von der öffentlichen

Hand gefördert wie z.B. im Projekt „Aus-

trian Grid“ durch das bm:bwk und im

Rahmen des Sonderforschungsbereichs

AURORA durch den FWF.

Projekte und Anwendungen der europäischen Grid Com-puting-Forschung Die EU-Kommission hat eine eigen-

ständige und dauerhafte Abteilung für

Grid-Forschungsprojekte eingerichtet

(www.cordis.lu/ist/grids/index.htm), die

unter der Leitung von Herrn Wolfgang

Boch steht. Als Hauptakteure in der

Forschung erweisen sich Mitgliedsor-

ganisationen des European Consortium

in Informatics & Mathematics ERCIM

(www.ercim.org), an dem Österreich via

Austrian Association for Research in IT

(AARIT) als Teilverein der OCG partizi-

piert. Das starke Interesse der ERCIM-

Mitlieder ist ein Grund, warum z. B. der

aktuelle Schwerpunkt der kostenfrei

erhältlichen ERCIM-Zeitschrift „ERCIM-

News“ dem Thema Grid Computing

gewidmet ist. (www.ercim.org/publica-

tion/Ercim_News/enw59).

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14JOURNAL

Prip-Preis 2004

Die Preisträger werden in einem

zweistufigen Verfahren ermittelt:

1. Qualifikation durch Absol-

vierung von PRIP-Lehrveranstaltungen.

2. Präsentation einer eigenen Arbeit vor

einer Preisjury.

Von den qualifizierten KandidatInnen

werden die Bestgereihten eingeladen,

einen Vortrag über eine eigene Arbeit (z.

B. Praktikum, Diplomarbeit) aus dem Ge-

biet der Mustererkennung und Bildverar-

beitung vor einer Jury zu halten. Die Jury

setzt sich aus Lehrpersonal und Reprä-

sentantInnen der Sponsoren zusammen

und trifft im Anschluss an die Präsenta-

tionen die Entscheidung über die Preis-

vergabe. Die Entscheidungskriterien sind

unter anderem:

Eigenständigkeit der Umsetzung

Systematische Aufbereitung

Motivation und Begründung des ge-

wählten Lösungswegs

Der Preis war zuletzt mit 2.200 Euro do-

tiert und wurde heuer von den Firmen

Siemens AG, GELDSERVICE AUSTRIA

GmbH, OCG Oesterreichische Computer

Gesellschaft und dem Österreichischen

Forschungszentrum Seibersdorf gespon-

sert.

Dieses Jahr erging der Preis an Hubert

Mara für seine Arbeit mit dem Titel „Just-

In-Time Documentation of Archaeological

Fragments using 3D-Scanning Technolo-

gies“.

Bei archäologischen Ausgrabungen wer-

den tausende Scherben von Tongefäßen

gefunden. Eine dieser Ausgrabungen ist

das antike Dor in Israel. Die Archäologen

fertigen Handzeichnungen der Tonscher-

ben für ihre Publikationen an. Parallel dazu

verwenden sie auch einen so genannten

Profilographen. Sowohl die Handzeich-

nungen wie auch der Profilograph erfas-

sen die Profillinie, welche als Grundlage

für die Klassifikation und weiterführende

Untersuchungen der Funde dient.

Der Arbeitsbereich Bildverarbeitung und

Mustererkennung (PRIP) der TU Wien

beschäftigt sich intensiv mit Anwendun-

gen der 3D-Technik in der Archäologie.

Hubert Mara:„In unserer bisherigen Ar-

beit haben wir ein automatisches System

vorgestellt, welches die Scherben mittels

3D-Scanner erfasst. Um unser System

zu testen und mit den existierenden Ver-

fahren zu vergleichen, habe ich im Som-

mer 2004 im Rahmen meiner Diplomar-

beit an der Ausgrabungssaison in Dor,

Israel, teilgenommen. Dabei wurden die

Genauigkeit und der Zeitaufwand aller

UNIV.-ASS. DIPL.-ING. DR.TECHN. MARTIN KAMPEL

Der PRIP-Preis wird jedes Studienjahr vom Institut für rechnerge-stützte Automation 183/2 (PRIP) der Technischen Universität (TU) Wien für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Musterer-kennung und Bildverarbeitung an Studierende des Bakkalaureats- bzw. Magisterstudiums der Informatik der TU Wien vergeben.

Praxis und Wissen

Prip-Preis-Jury: (v.l.n.r.) O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Walter Kropatsch, PRIP-Preis-Gewinner Hubert Mara, Eugen Mühlvenzl, Dr. Reinhold Huber-Mörk, Mag.rer.nat. Michael Hofer, Dekan Ao. Univ.-Prof. Dr.phil. Gerald Steinhardt, Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Robert Sablatnig

Arbeitsschritte der drei Systeme (Hand-

zeichnung, Profilograph, 3D-Scanner)

aufgezeichnet und verglichen.

Basierend auf diesen Aufzeichnungen

konnte ich die Anzahl der mit unserem

System vermessenen Scherben um einen

Faktor 5 steigern und Vorschläge zur künf-

tigen, weiteren Verbesserung machen.

Weiters konnte ich in meiner Arbeit zeigen,

dass wir die 5- bis 10-fache Menge an

Tonscherben pro Stunde vermessen kön-

nen als mit den beiden herkömmlichen

Methoden. Zusätzlich wurden noch me-

thodische Experimente zur Untersuchung

der Fertigung von Tonscherben und Analy-

se von Malereien auf den Scherben durch-

geführt und vorgestellt.“

Der PRIP-Preis wird auch im Jahr 2005

wieder vergeben.

KontaktUniv.-Ass. Dipl.-Ing. Dr.techn. Martin KampelTechnische Universität WienInstitut für Rechnergestützte AutomationFavoritenstr. 9-183/2, 1040 WienTel.: 01 / 58801 [email protected]

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15Ausgabe 5/2004

Praxis und Wissen

Erlaubt ist, was Grenzen sprengt!DIPL.-ING. ANDREAS SCHABUS

Unter dem Motto “Imagine a world

where technology dissolves the

boundaries between us” veran-

staltet Microsoft bereits zum dritten Mal

den Imagine Cup. Dieser weltweite Wettbe-

werb richtet sich an Schüler (14 - 18 Jahre)

und Studenten, die Spaß an der Arbeit mit

Technologien haben und ihre technischen

und kreativen Fähigkeiten mit Kollegen

aus aller Welt messen wollen. Die Besten

werden im Sommer 2005 nach Yokohama

eingeladen, um in neun Kategorien um at-

traktive Preisgelder (je nach Kategorie bis

zu US$ 25.000,-) zu kämpfen.

Zusätzlich zum eigentlichen Wettbewerb

soll dort auch die Möglichkeit geboten

werden, Ideen über Landesgrenzen hin-

weg auszutauschen und internationale

Netzwerke zu bilden. Um auch die In-

dustrie in diese Netzwerke einzubinden,

wurden die bisherigen Finali jeweils im

Rahmen einer TechEd – eine der großen

technischen Microsoft Konferenzen – in

unterschiedlichen Kontinenten durchge-

führt. Und so ist nach Spanien (Barcelo-

na) und Brasilen (Sao Paulo) 2005 Japan

(Yokohama) an der Reihe, das weltweite

Finale auszurichten.

Den unterschiedlichen Interessen der Teil-

nehmer entsprechend, wird der Wettbewerb

in den folgenden Kategorien durchgeführt:

Software DesignIn dieser Kategorie geht es darum, innovati-

ve Applikationen auf Basis von .NET zu ent-

wickeln, die Grenzen überwinden können.

Im Rahmen der Vorrunden wird ein Team

aus der Region Schweiz und Österreich

ermittelt, das dann zum internationalen

Finale entsandt wird. Die Details dieser

Vorausscheidung finden sich unter:

http://de.theSpoke.net/Schweiz.

Office DesignBeim Office Design ist eine auf Office ba-

sierende Lösung zu entwickeln, die ein

praktisches Problem des alltäglichen Le-

bens löst.

Technology Business-PlanIn dieser Kategorie sollen innovative Ge-

schäftsideen in einen fundierten und zu-

kunftsträchtigen Business Plan gebracht

werden.

AlgorithmusHier geht es um „brain teasers“, „coding

challenges“ und algorithmische Puzzles

sowie darum, das smarteste „Technology-

Brain“ zu finden.

RenderingDurch die Kombination von kreativen und

technischen Fähigkeiten soll eine „3D-Ge-

schichte” das Thema „Grenzen überwin-

den” nahe bringen.

Short-FilmIn dieser Kategorie sind die Schüler/Stu-

denten dazu aufgefordert, die Thematik

„(dissolving) the boundaries between us“

in einem Kurzfilm aufzugreifen und in einer

Geschichte wiederzugeben.

ITHier sollen die Schüler/Studenten ihre Pro-

fessionalität im Bereich Netzwerk, Daten-

banken und Server demonstrieren.

Web DevelopmentGesucht werden innovative ASP.NET-An-

wendungen, bei denen es um Aus- und

Weiterbildung geht.

Visual GamingIn diesem Multi-Player-Spiel nutzen Spie-

ler aus der ganzen Welt ihre Programmier-

und Algorithmusfähigkeiten um mittels ge-

eigneter Spielstrategie Professor Hoshimi

zu retten. Nähere Informationen dazu gibt

es unter www.project-hoshimi.com/

„Highschool“ Wertung

In den Kategorien IT, Web Development

und Visual Gaming gibt es eine eigene

Schülerwertung (14-18 Jahre), um auch

den jüngeren Teilnehmern eine faire Chan-

ce einzuräumen, wobei ihnen selbstver-

ständlich auch die anderen Kategorien

offen stehen.

Anmeldeschluss für die erste Runde ist

(abhängig von der Kategorie) der 10. Jän-

ner 2005. Die ausführlichen Aufgabenbe-

schreibungen aller Kategorien sowie die

Teilnahmebedingungen mit Preisen finden

Sie im Internet unter: http://imagine.theS-

poke.net bzw. unter http://de.theSpoke.

net.

Nachdem sich beim Imagine Cup 2004

gezeigt hat, dass die Studenten des „al-

ten“ Europas durchaus auch gegen die

anderen Kontinente bestehen können,

würde es mich besonders freuen, wenn

es uns diesmal gelingen würde, einen der

Preise auch nach Österreich zu holen.

KontaktDipl.-Ing. Andreas SchabusAcademic Relations ManagerMicrosoft Österreich [email protected]

Die Finalisten 2004

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16JOURNAL

Portrait

Susanne Saminger ist seit Juni

2000 Universitätsassistentin am

Institut für Wissensbasierte Ma-

thematische Systeme der Johannes Kep-

ler Universität Linz. Im Jahr 2003 schloss

sie ihre Dissertation zum Thema „Aggre-

gation in Evaluation of Computer-Assis-

ted Assessment“ ab und promovierte am

17. September 2004 unter den Auspizien

von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

an der Johannes Kepler Universität zur

Doktorin der Naturwissenschaften.

Ein Weg...

Mathematik hat Susanne Saminger von

Kindesbeinen an fasziniert. Der Schwer-

punkt des jeweiligen Interesses hat sich

im Laufe der Jahre und der fortschrei-

tenden Auseinandersetzung mit Mathe-

matik verschoben und weiterentwickelt.

Auf die Frage, wann und wofür sie das

erste Mal einen Computer benutzt hat,

erhält man die doch eher überraschende

Antwort „im Volksschulalter“. „Ich denke,

es waren diverse Spiele und Textverar-

beitungsprogramme zur Gestaltung von

Glückwunschkarten, die dann mit einem

Nadeldrucker ratternd ausgedruckt wur-

den“, berichtet die heute 29-Jährige mit

einem Schmunzeln. Erfahrungen in der Er-

stellung eigener Programme folgten. Nach

der Matura 1993 übersiedelte die gebür-

tige Linzerin nach Wien und begann das

Lehramtsstudium Mathematik und Philo-

sophie/Psychologie/Pädagogik an der

TU Wien und der Universität Wien, 1995

wurde das Lehramtsfach Physik an der TU

Wien dem Fächerkanon hinzugefügt.

…von E-Learning...

Die Auseinandersetzung mit mathema-

tischen Methoden und Strukturen, ihre

Umsetzung in praktischen Problemstel-

lungen, aber auch die Diskussionen

über selbige waren wichtige Aspekte

während der gesamten Studienzeit.

Susanne Saminger setzte sich immer

wieder mit der Einbindung von Software

im Unterricht auseinander, sowohl von

der theoretisch didaktischen als auch

von der praktischen Perspektive. Exem-

plarisch wurden Simulations- und Ex-

perimentierprogramme für Unterrichts-

einheiten geschrieben, eingesetzt und

evaluiert, Erfahrungen mit dem Einsatz

von graphikfähigen Taschenrechnern,

von Computer-Algebra-Systemen oder

auch des Internets gesammelt.

...über wissensbasierte Syste-me...

Neben E-Learning entwickelte sich die

Analyse komplexer Daten zu einem

weiteren Interessensschwerpunkt von

Susanne Saminger. Wie und auf welche

Weise können aus einer Ansammlung

von Daten (zuverlässige) Informationen

gewonnen werden? Wie lassen sich

diese darstellen und interpretieren? In

diesem Zusammenhang wurde Susan-

ne Saminger auch auf wissensbasierte

mathematische Methoden aufmerksam

– fuzzy Clustering, Statistik unscharfer

Daten. Ein Interesse, das sie im Rah-

men eines Ferialpraktikums 1998 am

Fuzzy Logic Laboratorium Linz-Hagen-

berg (FLLL) bei Prof. Erich Peter Kle-

ment erweitern und vertiefen konnte, wo

sie im Rahmen eines Industrieprojekts

an einer konkreten Fragestellung aus

dem Bereich der automatisierten Bild-

verarbeitung mitwirkte.

Nach Abschluss ihres Studiums An-

fang 2000 mit einer interdisziplinären

Diplomarbeit, für die sie vulkanische

Glasaschen aus dem ägäischen Raum

analysierte und dabei den gesamten

Prozess von der Probenaufbereitung

bis zur computerunterstützten Daten-

analyse und -visualisierung durchlief,

kehrte Susanne Saminger an das FLLL

als Forschungsassistentin zurück. Im

Juni 2000 erfolgte der Wechsel zur Uni-

versitätsassistentin.

Eines jener Projekte, in denen sie nach

ihrem Wechsel weiterhin mitwirkte,

war das Projekt IMMENSE (Interactive

Multimedia Mathematics Education in

Networked Universities for Social and

Economic Sciences), gefördert vom

bmbwk:.Projektkoordinatorin war die

Johannes Kepler Universität, weitere

Projektpartner das Ars Electronica Cen-

Junge WissenschaftlerInnen stellen sich vor: Mag. Dr. Susanne Saminger Auf den ersten Blick scheint der berufliche Werdegang von Susanne Saminger nur wenig mit IT zu tun zu haben. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass Wege verschlungen sein können und Verbindungen zwi-schen Bereichen darstellen, in einer Art, wie sie vorerst nicht vermutet wurden – Porträt einer jungen Frau, die gerne über Grenzen blickt.

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Page 17: JOURNAL - sonntag.cc · Die Vortragenden Prof. Ernesto Della Salla (Teleporto Adriatico) und Henk van Maaren (CETIMA) bei der im November stattgefundenen Veranstaltung „Tracking

17Ausgabe 5/2004

Portrait

KontaktMag. Dr. Susanne SamingerInstitut für Wissensbasierte Mathemati-sche SystemeJohannes Kepler Universität LinzAltenbergerstr. 69, 4040 LinzTel.: 0732 / 2468-9195Fax: 0732 / [email protected]://www.flll.jku.at

ter, das damalige Zentrum für Fernstudi-

en der Universität Linz, UNISOFTWARE

PLUS, sowie Wolfram Research Europe.

Zu den Projektzielen zählte die Entwick-

lung interaktiver Lernsoftware basierend

auf Mathematica® für Studierende der

Wirtschaftswissenschaften (www.flll.

jku.at/meetmath). Relativ rasch stellte

sich im Rahmen des Projekts die Frage

nach Assessment. Vor allem bei E-Lear-

ning-Systemen des Selbststudiums ist

Assessment oder Self-Assessment ein

wichtiger Aspekt bei der Organisation

und der Überprüfung des gesamten

Lernprozesses. Feedback über den

erzielten Lernfortschritt oder den der-

zeitigen Wissensstatus kommt dabei

eine wesentliche Rolle zu. Bei der Ana-

lyse bestehender Assessment-Systeme

entdeckte Susanne Saminger, dass bei

der Auswertung vor allem unterschied-

liche Punkteschemata oder aber auch

„falsch/richtig/nicht bearbeitet“-Feed-

backroutinen zum Einsatz kommen. Re-

cherchen in der didaktischen Literatur

zeigten weiters, dass elaboriertes Feed-

back in Form von umfangreichem Text

oder Ähnlichem von Lernenden kaum

zu Ende gelesen, geschweige denn be-

arbeitet wird.

...zu deren Verbindung...

Im Rahmen ihrer Dissertation entwi-

ckelte Susanne Saminger daher einen

neuen Ansatz für die Auswertung von

Selbsttestungen, welcher wissensba-

sierte mathematische Methoden einbe-

zieht. Konkret handelt es sich um fuzzy

Relationen, welche einen graduellen

Vergleich zwischen gegebener Antwort

und korrekter Antwort oder auch zwi-

schen Antworten zweier lernender Per-

sonen, einer lernenden Person zu unter-

schiedlichen Zeitpunkten ermöglichen

und damit als Ähnlichkeiten ein kurzes,

unmittelbares und klar interpretierbares

Feedback bieten.

Weiters war die Auswertung einer An-

sammlung von Fragen, sprich eines

Gesamtfeedbacks basierend auf ein-

zelnen Evaluierungsergebnissen, zu

untersuchen. Dieser Vorgang wird auch

als Aggregation bezeichnet. Beliebte

und häufig angewandte Operatoren

sind neben anderen beispielsweise der

arithmetische Mittelwert, der Median,

gewichtete Mittelwerte oder die Mini-

mumbildung. Die Wahl des jeweiligen

Aggregationsoperators hängt von der

konkreten Anwendungssituation ab.

Susanne Saminger untersuchte, unter

welchen Voraussetzungen bestimmte

Aggregationsmethoden für die Auswer-

tung herangezogen werden können,

ohne dabei die zugrunde liegenden

Ähnlichkeitseigenschaften zu verlieren.

...weiteren Anwendungs-möglichkeiten...

Worin liegen die Stärken des Ansatzes?

Neben der Möglichkeit, bestehende Sys-

teme integrieren zu können, bietet der

Ansatz vor allem Modellierungsmöglich-

keiten für die graduelle Evaluierung von

Fragen mit offenem Antwortformat. Bis-

her wurde dabei mit scharfen Grenzwer-

ten gearbeitet, fallweise kombiniert mit

Toleranzen. Mit dem vorgestellten An-

satz können nun auch graduelle Über-

gänge modelliert werden. Eine weitere

Stärke des vorgestellten Ansatzes ist,

dass er in seinen Anwendungen nicht

auf computerunterstützte Testungen

beschränkt bleibt. Konkret wurden die

erzielten theoretischen Ergebnisse be-

reits für ihren Einsatz bei Vague Queries

untersucht. Weitere Anwendungsmög-

lichkeiten bestehen in der Auswertung

von Fragebögen, der Klassifizierung

von Daten anhand bestehender Benut-

zer- oder Datenprofile.

...und Perspektiven.

„Mit jeder gefundenen Antwort stellen

sich neue Fragen“, meint Susanne Sa-

minger und so sieht sie in ihrem Bereich

eine Reihe von weiteren, interessanten

Fragestellungen, die sie erforschen

möchte. Zu ihren aktuellen Arbeitsge-

bieten zählt weiterhin die Untersuchung

von Aggregationsoperatoren, die für die

Erhaltung von Eigenschaften von fuzzy

Relationen verantwortlich sind und bei-

spielsweise bei Auswertungsverfahren

in der Wirtschaft oder bei Entschei-

dungssystemen zum Einsatz kommen.

Für diese Forschungsvorhaben steht

Susanne Saminger in engem Kontakt

mit Forscherinnen und Forschern vor

allem aus dem Ausland. „Es ist span-

nend, die eigenen Ideen und Ansätze

zu präsentieren, zu reflektieren und zu

diskutieren, sie in einem mathemati-

schen Rahmen zu formulieren und de-

ren Gültigkeit zu beweisen“, beschreibt

Susanne Saminger einen Teil ihrer

wissenschaftlichen Tätigkeit. Dass sie

ihre Resultate auch auf internationalen

Tagungen präsentiert, ist selbstver-

ständlich, ebenso wie die zahlreichen

Forschungsaufenthalte im Ausland,

die ihre wissenschaftlichen Aktivitäten

unterstreichen. Der Ausbau und die In-

tensivierung dieser internationalen Ko-

operationen ist eines der weiteren Ziele

von Susanne Saminger. In der Lehre

wird sie ihre Forschungsergebnisse

auch in eigenen Lehrveranstaltungen

einbringen. Der Einbau von E-Learning-

Komponenten in diese scheint ebenso

selbstverständlich, wie die Tatsache,

dass Susanne Saminger auch derzeit in

einem E-Learning-Projekt aus dem Be-

reich der Mathematik an der Johannes

Kepler Universität mitwirkt.

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18JOURNAL

Praxis und Wissen

RoboterfußballRoby vor – noch ein Tor

UNIV.-PROF. DR. PETER KOPACEK

Immer komplexere industrielle Aufga-

benstellungen erfordern intelligente,

kooperative Mehr-Robotersysteme.

Mehrere Roboter sind fähig, selbsttätig eine

gemeinsame Aufgabe so lange in Teilauf-

gaben zu zerlegen bis jeder von ihnen in

der Lage ist, wenigstens eine davon zu erle-

digen („Mehr-Agenten-Systeme“). Roboter

für Freizeit und Hobby sind einer der rapid

wachsenden Märkte dieses Fachgebiets.

Das Institut für Handhabungsgeräte und

Robotertechnik (IHRT) an der Technischen

Universität (TU) Wien beschäftigt sich seit

einigen Jahren sowohl mit Mehr-Roboter-

systemen als auch mit Robotern für den

Freizeit- und Hobbybereich. Neben anderen

Aktivitäten auf diesem Gebiet begann das

IHRT vor fünf Jahren mit Roboterfußball.

Ein Fußballroboter ist ein Würfel mit einer

maximalen Kantenlänge von 7,5 cm und ein

Anwendungsbeispiel für ein mechatroni-

sches System (Kombination von Feinwerk-

technik, Elektronik und Informatik). In die-

sem kleinen Volumen sind unterzubringen:

zwei Räder mit den zugehörigen Antriebs-

motoren und Untersetzungsgetrieben, die

Akkus, die Mechanik, die „Bordelektronik“

(Motoransteuerung, Regelung, Funkmodul)

sowie zukünftig Sensoren (Augen und Oh-

ren) einschließlich der erforderlichen Signal-

verarbeitung.

Üblicherweise besteht ein Team aus fünf,

sieben oder elf Robotern und drei mensch-

lichen Betreuern (Teamkapitän, Coach und

Trainer). Gespielt wird nach den Regeln der

FIRA (Federation of International Robotsoc-

cer Association) auf einer Fläche zwischen

1,50 m mal 1,30 m und 4,0 m mal 2,8 m

– je nach Anzahl der Spieler – mit einem

Golfball. 2 - 3 m über dem Spielfeld ist eine

Farbkamera montiert, welche 60 Bilder pro

Sekunde an den Teamrechner überträgt.

Durch laufende Auswertung dieser Bilder

(Bildverarbeitungssoftware) ermittelt der

Rechner die Position des Balles und der

Spieler auf dem Feld. Daraus berechnet

er die nächsten Bewegungsschritte seiner

Roboter (Strategiesoftware). Diese werden

über Funk an die Spieler weitergeleitet.

Ein Spiel dauert 2 x 5 Minuten netto (Spiel-

unterbrechungen werden nicht berücksich-

tigt). Nach dem Anpfiff des Schiedsrichters

startet jede Mannschaft ihren Rechner. Von

diesem Augenblick läuft das gesamte Spiel

vollkommen rechnergesteuert. Den drei

menschlichen Teammitgliedern (Kapitän,

Coach und Trainer) ist es nur während der

Spielunterbrechungen gestattet, Befehle

an die Roboter zu senden, wie z. B. Ver-

änderung der Spielstrategie (offensiv oder

defensiv) oder das Setzen eines definierten

Ausgangszustands (Freistoß, Penalty, etc.).

Vor sechs Jahren wurde mit der Entwicklung

einer neuen Generation von Fußballrobo-

tern, einschließlich einer Bildverarbeitungs-

und Strategiesoftware unter folgenden Vor-

gaben begonnen: Stabiler mechanischer

Aufbau der Roboter, hohe Traktion der

Antriebsräder, hohe Antriebsleistung (2 x

4 Watt) dadurch hohe Geschwindigkeit

(größer 2,5 m/sec), große Akkukapazität

– Spielzeit mehr als eine Stunde, hohe Bild-

übertragungsrate – 60 Bilder/sec, schnelle

Rechnerhardware, effiziente Bildverarbei-

tungssoftware, Strategiesoftware mit mög-

lichst vielen Spielstrategien – derzeit 57.

Die Kinder sind immer besser als die Eltern:

Roby Run, die nächste Generation, welche

2002 zur Verfügung stand, war mit 3,2 m/s

wesentlich schneller und bestand ihre Feu-

ertaufe bei der WM 2003 mit zwei Vizewelt-

meistertiteln. Die letzten Entwicklungen am

IHRT sind jedoch Roby Speed und Roby

Naro, welche im Hexenkessel von Busan

bei der WM 2004 in Korea zwei Weltmeister-

titel nach Österreich holten. Ein dritter wurde

nur knapp verpasst.

Die nächste Entwicklung des österreichi-

schen Teams ist ein humanoider Fußball-

roboter, der sich wie seine menschlichen

Vorbilder auf zwei Beinen bewegt. Er soll

bei der WM 2005 erstmals zum Einsatz

kommen.

Finale 5 vs. 5 Busan

Infos unter:www.ihrt.tuwien.ac.atwww.roboterfussball.atwww.robosoccer.at

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19Ausgabe 5/2004

Praxis und Wissen

Gute GründeDer Bedarf einer Staatsorganisation an

IT-Lösungen ist immens groß: alleine die

europäische E-Government-Initiative um-

fasst für die BRD ca. 400 Dienstleitungen

und ein Budget von 1,65 Mrd. Euro. Der

Staat besteht aus vielen beschaffungsau-

tonomen Einheiten, die extrem schwer für

eine gemeinsame IT-Vision zu motivieren

sind. Die nicht zu reduzierende Menge an

IT-Projekten führt schnell zu Ideenreich-

tum, Verständigungsdifferenzen, Wieder-

holungsarbeiten und Inkonsistenzen und

Schnittstellenreparaturen. Ein probates

Mittel, große Projekte und Visionen auf ge-

meinsame Ziele auszurichten, ist das me-

diatisierende Programmmanagement, die

Ausrichtung vieler Projekte und vieler Inte-

ressenslagen auf ein gemeinsames Ziel.

Das Fundament des Erfolgs ist allerdings

ein Paket zugrundeliegender Standards. Zu

einem solchen Standard wurde in den ver-

gangenen Jahren das V-Modell.

Das V-Modell ist ein umfassendes Prozess-

modell für die Planung und Durchführung

der Systementwicklung in IT-Projekten,

ein Modell aller erforderlichen Tätigkei-

ten und Ergebnisse eines IT-Projekts. Das

erste V-Modell wurde 1991 im Auftrag

der Bundesverwaltung der Bundesrepu-

blik Deutschland für die Entwicklung mi-

litärischer IT-Systeme zum „Allgemeinen

Umdruck“, um Erfolgswahrscheinlichkeit,

Qualität und Wartbarkeit zu steigern.

Mit der zweiten Version, dem V-Modell 97,

erweiterte sich der Anwendungsbereich auf

alle zivilen Bundesbehörden in Deutsch-

land. In Österreich wurde eine angepass-

te Version als IT-Bundesvorgehensmodell

(IT-BVM) eingeführt. Mittlerweile wird das

V-Modell europaweit von einer Vielzahl von

privatwirtschaftlichen Unternehmen und Be-

hörden erfolgreich eingesetzt.

Seit 1997 hat sich die IT-Welt rasant weiter-

entwickelt. Neue Technologien, Methoden

und Verfahren sind zu bewährten hinzuge-

kommen und die Kombinationsmöglichkeiten

sind kaum noch zu überblicken, geschweige

denn einer Lösung zuzuführen. Das Pro-

jektteam um Prof. Dr. Manfred Broy der TU

München und Prof. Dr. Andreas Rausch der

TU Kaiserslautern haben sich im Auftrag des

Deutschen Bundesamt für Wehrtechnik und

Beschaffung, gemeinsam mit Industriepart-

nern (Siemens, EADS, 4soft, IABG) und erfah-

renen Reviewern der gestiegenen Komplexi-

tät der IT-Lösungen angenommen, das neue

„V-Modell XT“ entwickelt und die Version 0.9,

im November 2004 veröffentlicht.

Der AufbauWie schafft man es, eine höhere Komplexität

einfacher handhabbar zu machen? Anstelle

monolithischer Submodelle, stehen jetzt auf-

einander aufbauende Vorgehensbausteine.

Der Vorgehensbaustein ist die neue zentrale

Einheit im V-Modell XT und die zentrale Einheit

des Tailoring. Ein Vorgehensbaustein enthält

alle Produkte, Aktivitäten und Rollen, die unter

Tailoring-Gesichtspunkten inhaltlich zusam-

men gehören. Ein V-Modell-Anwender kann

das V-Modell projektspezifisch anpassen,

ohne dass er die in den einzelnen Bausteinen

enthaltenen Aktivitäten, Produkte und Rollen

bereits im Detail verstanden haben muss.

Dabei konnte das Leistungspektrum des V-

Modell XT noch erweitert werden um:

die Trennung der Sichten von Auftragge-

berseite und Auftragnehmerseite und de-

ren Kooperation

die Entwicklung von komplexen Syste-

men aus Hardware und Software

Migrationsprojekte

die Planungsphasen sowie die Ausschrei-

bung von IT-Systemen.

Inbetriebnahmephase, Betriebsphase,

Wartung und Pflege, und Außerbetrieb-

nahme

Die im Lieferverhältnis stehenden Projekt-

partner, Auftraggeber und Auftragnehmer,

können mittels der für ihre Projektsicht re-

levanten Vorgehensbausteine planen. Bei-

de V-Modell-Projekte (Auftraggeberprojekt

und Auftragnehmerprojekt) wirken über die

definierten Schnittstellen-Prozesse zusam-

men.

Das V-Modell bietet sowohl eine Unterstüt-

zung für private Auftraggeber, die hohe

Freiheitsgrade in der Wahl ihrer Lieferanten

haben, als auch für öffentliche Auftragge-

ber, die durch das öffentliche Vergaberecht

gebunden sind. Das V-Modell unterstützt

mit vielen Hinweisen und Verweisen auf

Vergaberegeln eine korrekte, rechtssichere

Ausschreibung und Vergabe. Zu diesem

Vorgehensbaustein gehören z. B. die Pro-

dukte Ausschreibungskonzept, Ausschrei-

bung, Kriterienkatalog für die Angebots-

bewertung, Angebot, Angebotsbewertung,

Vertrag, Vertragszusatz, Lieferung und Ab-

nahmeerklärung.

Bewährtes vom V-Modell 97 wurde über-

nommen, sodass bestehende V-Modell

97-Derivate zum V-Modell XT kompatibel

bleiben. So ist auch Transparenz einer Mi-

gration zum V-Modell XT gewahrt. Für eta-

blierte, den Entwicklungsprozess unterstüt-

zende Verfahren wie z. B. RUP, CMMI, ISO

9000 u. a. ist die Kompatibilität hergestellt.

Der NutzenDie Beschreibung des V–Modell XT steht

kostenlos zusammen mit einer (in Zukunft

noch weiter ausgebauten) Vorlagensamm-

lung, Schulungsunterlagen, einer interakti-

ven Lerntour und einem Customizing Tool

zum Download unter www.v-modell200x.

de zur Verfügung.

Alles in allem hat der Anwender eine Rei-

he von Vorteilen, davon unabhängig ob er

Auftraggeber, Auftragnehmer oder Sub-

Lieferant ist:

Minimale Entwicklungskosten für ein ei-

genes Vorgehensmodell und weniger

Planungsaufwand bei der Planung des

Gesamtprojekts,

verringerter Steuerungsaufwand im Ver-

gleich zum bisherigen V-Modell,

klare Regeln für die Zusammenarbeit und

Verantwortlichkeiten,

Minimierung der Projektrisiken und Ver-

besserung der Qualität,

Bessere Zuordnung und Kontrolle der

Kosten über den gesamten Systemle-

benszyklus.

Das V-ModellFortsetzung einer Erfolgsstory

DIPL.-MATH. REINHARD HÖHN

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20JOURNAL

Forschung und Innovation

Das wichtigste aber ist die

Verbesserung der Kommunikation zwischen

allen Beteiligten,

zur Führbarkeit von Großprojekten erforder-

liche Transparenz

Bis Mitte kommenden Jahres wird das V-Modell

in einer englischsprachigen Version aufgelegt,

was den Einsatz in europäischen Projekten er-

möglicht. In Ermangelung eines alle IT-Projektty-

pen umfassenden gemeinsamen europäischen

Standards darf eine große Verbreitung erwartet

werden. Mit der Verwendungsverpflichtung für

Behördenprojekte ist die Fortsetzung des Qua-

si-Standard „V-Modell“ garantiert. Bleibt zu wün-

schen, dass dieses Mal die Beratungsqualität

durch ein Zertifikat sichergestellt werden kann.

Am 27. Jänner 2005 lädt die OCG unter-

stützt durch den „Arbeitskreis V-Modell der

Fachgruppe Vorgehensmodelle in der Wirt-

schaft“ der Gesellschaft für Informatik und

der KMA, zu einer kostenlosen ganztägigen

Präsentation mit Prof. Dr. Andreas Rausch

und Stephan Höppner, Mitglied des Review-

board, ein (Ort und genauer Termin werden

rechtzeitig bekannt gegeben).

KontaktDipl.-Math. Reinhard HöhnKMA, Knowledge Management Associa-tes GmbHLerchenfelder Gürtel 43, IP-Two, 1160 WienTel.: 01 / 7470 29 09reinhard.hö[email protected]

9th European Conference on Research and Advanced Technology for Digital Libraries

Vienna, 18 – 23 September 2005

ECDL 2005 is the 9th conference in the series of European Digital Library confe-rences. ECDL has become the major European conference on digital libraries, and associated technical, practical and social issues, bringing together researchers, de-velopers, content providers and users in the field. ECDL 2005 is jointly organized by the Vienna University of Technology (VUT), the Austrian National Library (ÖNB), and the Austrian Computer Society (OCG).ECDL 2005 invites original contributions focusing on research and development supporting information access and exploration both from a technology perspective as well as in different application domains such as science, e-government, cultural heritage etc...

Topics Concepts of Digital Libraries and Digital Documents System Architectures, Integration and Interoperability Information Organization, Search and Usage User Studies and System Evaluation Digital Preservation Digital Library Applications

Important Dates January 28, 2005 Workshop Proposals February 27 Workshop Acceptance Notification March 1 Paper/Tutorial/Panel Submission May 15 Acceptance Notification June 3 Final Version of Papers September 18-23 Conference

SubmissionsSubmissions are invited for full or short papers, posters, demonstrations, panels, tutorials and workshops. All contributions will be reviewed by members of the pro-gram committee. The proceedings of the conference will be published by Springer in the Lecture Notes in Computer Science, in hard copy and electronic form. The full text of papers is required at initial submission stage. Papers must be submitted electronically via the submission web page. Details of the submission guidelines will be published on the conference website.Conference OrganizationThe local organization is jointly done by the Austrian Computer Society, by the Austri-an National Library and by the Vienna University of Technology.

General Chair: A Min Tjoa, VUT, AustriaProgram Chairs: Andreas Rauber, VUT, Austria Stavros Christodoulakis, TUC, GreecePoster & Demo Chairs: Giuseppe Amato, CNR, Italy Pavel Zezula, Masaryk Univ. Brno, Czech Rep.Workshop Chairs: Fabio Crestani, U. Strathclyde, UK Dieter Merkl, Univ. Western Sydney, AustraliaTutorial Chairs: Nozha Boujemaa, INRIA; France Shin‘ichi Satoh, NII, JapanPanel Chairs: Laszlo Kovacs, Academy of Sciences, Hungary Ed Fox, Virginia Tech, USABest Paper Award Chair: Erich Neuhold, Fraunhofer - IPSI, GermanyPublicity Chairs: Julien Masanes, BNF, France Michael Bauer, TU Munich, GermanyLocal Organizing Chairs: Eugen Muehlvenzl, OCG, Austria Max Kaiser, OENB, Austria Alexander Schatten, VUT, Austria Carl Rauch, VUT, Austria

KontaktCarl Rauch, Bakk. und Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Andreas RauberInstitut für Softwaretechnik und interaktive SystemeFavoritenstr. 9-11, 1040 Wien{rauch, rauber}@ifs.tuwien.ac.atwww.ecdl2005.org

OSCON Vienna 2005Am 21. Jänner 2005 findet in der Wirt-schaftskammer Österreich in der Zeit von 9.00-17.00 Uhr die OSCON Vienna 2005 statt.Diese Konferenz richtet sich an Be-rater, die ihre Kunden zum Thema Open Source Software (Anwendungen, Chancen und Risken) informieren möchten. Weiters an Personen, die technische Strategien entwickeln und in der Informationstechno-logie Entscheidungen treffen. Zielgruppe sind ebenso Verantwortliche im öffentlichen Bereich – Behörden, Forschung und Lehre. Die OCG Open Source Software Plattform wird in Form einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wirtschaftliche und soziale Aspekte von OSS in der modernen Informationsge-sellschaft“ an der Konferenz teilnehmen.Das genaue Programm sowie die Anmelde-möglichkeit finden Sie unter: www.oscon.at

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21Ausgabe 5/2004

OCG aktuell

Seit 1979 ist die ÖAGM (Österreichische Ar-beitsgemeinschaft für Mustererkennung) ein Arbeitskreis der OCG und seit 1982 Mitglied

der IAPR (International Association on Pattern Recognition). Seit da-mals vertritt Prof. Walter Kropatsch die ÖAGM imGoverning Board der IAPR, das alle zwei Jahre im Rahmen der ICPR (International Confe-rence for Pattern Recognition) zusammentritt. Die IAPR ist eine inter-nationale, gemeinnützige Dachorganisation. Aus derzeit 42 nationalen Organisationen rekrutieren sich die Mitglieder aus Wissenschaft und Wirtschaft, die in den Bereichen der Mustererkennung, Computer Visi-on und Bildverarbeitung im weitesten Sinne tätig sind. Die Mitgliedsor-ganisationen entsenden je nach Größe 1 - 4 Vertreter in das Governing Board.

Die inhaltliche Arbeit der IAPR erfolgt in den 20 technischen Komitees, die den Arbeitskreisen der OCG sehr ähnlich sind. Diese technischen Komitees organisieren mindestens einmal in zwei Jahren einen inter-nationalen Workshop, auf dem die aktuellen Forschungsthemen inten-siv diskutiert werden. Viele technische Komitees haben Benchmarks zusammengestellt, die die Bewertung der einschlägigen Algorithmen auf objektiver Basis erlauben. Sie decken ein sehr großes Gebiet fach-licher Spezialisierung ab, sind daher für viele Fachdisziplinen interes-sant und laden zur Mitarbeit ein:

TC1: Statistical Pattern Recognition TechniquesTC2: Structural & Syntactical Pattern RecognitionTC3: Neural Networks & Computational IntelligenceTC5: Benchmarking & SoftwareTC6: Special Hardware and Software EnvironmentsTC7: Remote Sensing and MappingTC8: Machine Vision ApplicationsTC9: Biomedical Image AnalysisTC10: Graphics Recognition TC11: Reading SystemsTC12: Multimedia and Visual Information SystemsTC13: Pattern Recognition in Astronomy & Astrophysics TC14: Signal Analysis for Machine Intelligence TC15: Graph Based Representations TC16: Algebraic and Discrete Mathematical Techniques in Pattern Recognition & Image Analysis TC17: Machine Learning and Data Mining TC18: Discrete Geometry TC19: Computer Vision for Cultural Heritage ApplicationsTC20: Pattern Recognition for Bioinformatics

Prof. Kropatsch ist seit 1990 Universitätsprofessor an der Fakultät für Informatik der TU Wien und leitet den Arbeitsbereich Mustererkennung und Bildverarbeitung (engl. Pattern Recognition and Image Proces-sing, kurz PRIP). Sein zentrales Anliegen ist es, mit der Mustererken-nung in Wien eine Spitzenposition im Netz der internationalen wissen-schaftlichen Gemeinschaft zu erreichen.Ein wichtiger Schritt dazu gelang 1992, als die Bewerbung um die

Durchführung der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz (ICPR) vom Governing Board der IAPR den Zuschlag erhielt. 1996 fand dann die ICPR mit einer Rekordbeteiligung von fast 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur allgemeinen Zufriedenheit in Wien statt.

Nach weiteren acht Jahren, in denen Prof. Kropatsch verschiedene Positionen in der IAPR innehatte, wurden im August 2004 vom Gover-ning Board folgende Personen in das Executive Committee der IAPR gewählt:

Präsident: Walter G. Kropatsch (Österreich)1.Vizepräsident: Karl Tombre (Frankreich)2.Vizepräsident: Sergey V. Ablameyko (Weißrussland)Past Präsident: Rangachar Kasturi (USA)Schriftführer: Denis Laurendeau (Kanada)Finanzreferentin: Maria Petrou (GB)Damit ist erstmals ein Österreicher an der Spitze dieser internationalen Vereinigung.

Zwei Ziele stehen für Prof. Kropatsch im Mittelpunkt seiner Präsident-schaft:1. Das Educational Committee soll sich verstärkt der Strukturierung der Ausbildungsinhalte widmen. Ziel ist es, der zunehmenden Nachfrage nach Lehrveranstaltungen im Bereich Mustererkennung und den mit ihr assoziierten Gebieten wie Computer Vision und Bildverarbeitung in ver-schiedenen Studien im benötigten Ausmaß Rechnung zu tragen. 2. Der rasche Anstieg von Publikationen erfordert eine qualitative Dif-ferenzierung. Eine eigens eingerichtete Task Force soll Kriterien ausar-beiten, die über die üblichen Maßstäbe wie den Citation Index hinaus-gehend die Qualität verschiedener Publikationsmedien erfassen. So sollen diese auch eine Wertung von Konferenzen erlauben, wo derzeit eine große Bandbreite an Publikationen verschiedenster Qualität anzu-treffen ist. Durch die Sichtbarmachung verschiedener Qualitätsfakto-ren könnte mittelfristig die Qualität insgesamt steigen, da sowohl Auto-ren als auch Gutachter daran interessiert sind, ihre Tätigkeit innerhalb einer qualitativ hochwertigen Konferenz oder Zeitschrift zu erbringen.

Dieses zweite Anliegen fällt mit einer Initiative des Arbeitskreises ProIT der OCG zusammen, wo die Probleme sich sehr ähnlich darstellen. Ein Zusammentreffen, das nach einem Gedankenaustausch ruft, von dem das gesamte Fachgebiet profitieren kann.

Neuer IAPR-PräsidentUniv.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Walter G. Kropatsch

UNIV.-PROF. DIPL.-ING. DR. WALTER G. KROPATSCH

LinksProf. Kropatsch: www.prip.tuwien.ac.at/~krwIAPR: ÖAGM: http://aapr.prip.tuwien.ac.at

KontaktProf. Walter G. KropatschInstitute of Computer Aided AutomationPattern Recognition and Image Processing GroupTel.: 01 / 588 [email protected]

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22JOURNAL

Portrait

Therefore, the OCG (Austrian Com-

puter Society) and ÖGIG (Austrian

Society for History of Informatics)

have decided to conduct a series of in-

terviews with outstanding computing sci-

entists, asking for their views on both the

general issue of the history of informatics

and for their personal reflections on both

the past and the future role of informatics

in our society.1

The following interview

with Niklaus Wirth is

the first of this series.

Is Informatics old enough to start dis-cussing its history? The word informatics

is itself rather young,

dating back to about

1970 and created by

Dreyfuss. It’s a con-

traction of “traitement

d’information automa-

tique”, an expression

which emphasizes that

something automatic

is going on. Using this sense of the word,

informatics would exclude anything before

automatic machinery. For me ‘automation’

implies electronics, so I would leave out the

mechanical calculating machines of the

19th and early 20th centuries. With this de-

finition, a history of informatics would begin

with electronics, or perhaps with the elec-

tro-mechanical computing machines of the

1940s. We are looking at only 60 years, but

we move during that time from an unwieldy

tool for a handful of mathematicians and

Conversations on the History of Informatics (I): An Interview with Niklaus Wirth Informatics is a young science and during the first decades computing scientists were too busy with the basics to have time for reflections. Informatics seems now to come to its adolescence. It is getting more and more independent from its many parents such as mathematics, systems theory, electronics and even economy, and it starts to pose questions concerning its roots, its deeper sense, and its role in society – in short, it starts to concern itself with its own history. However, while many agree that such a history is important, few agree on what informatics is and how its history should be investigated.

engineers to a digital ‘context’ which fra-

mes the global economy and, increasingly,

western society. If we consider history to be

a study of change, then I’d say we have suf-

ficient material.

But it is material that many of us have lived. Would a formal study bring anything new to the table?

If you are living within

a particular ‘context’,

you may not be able

to see this context wi-

thout going outside

of it. Much of today’s

world lives outside

the umbrella of the

computer, networks,

or even the telepho-

ne. We tend to forget

this because we are

so firmly positioned

within the paradigm

of informatics as a

way of life. In looking

at the history of infor-

matics, we step out-

side this context and look at ourselves.

What would you include within the scope of a history of informatics? The computer itself is important but the

computer alone does not define infor-

matics. There are many other dimensions.

The way the computer is used also tells a

story; in the 50s the computer sat in a labo-

ratory and a scientist would sign up days in

advance to have this huge machine all for

himself. Then there is the user community

which has mutated from the military and

the atomic research community of the 50s

to the people today who are telephoning,

playing, studying, and working. The scope

of application has moved during this time

to embrace robotics, games, shopping,

even the opera. Advances in language de-

sign have allowed for abstraction, which

of course defines the boundary between

virtual and real. And so on. Informatics

history deals with the co-evolution of the

computer and these other dimensions.

What was the first step from the early computer towards this world of informatics? I would definitely say reliability. The vacu-

um tube-based computer had a meantime

between failure in the order of hours: each

(high quality) tube had a MTBF of about

10’000 hours. Hence, in a computer with,

say 5.000, tubes, some tube would go out

every two hours and with it the entire com-

puter. This meant that a program had to

have a runtime of less than two hours if

you were to have a reasonable chance of

its completing before the next breakdown.

The introduction of the transistor, around

1960, changed all this.

But the transistorized computer remained the plaything of a small po-pulation of specialists for quite some time. What was happening? For one, many were learning to program.

A new kind of (written) language was

needed and this has taken a long time

and is still in development. The computer

was a tool which demands great attention

from the tool-bearer. To the degree that the

programmer has to focus on the underly-

ing computer’s details, he is distracted

from concentrating on the task at hand.

A good language provides a better plat-

form, computing model, abstraction. For

a long time computer science remained

the domain of the engineers who built

the machines, and of the mathematicians

who used them. Programming languages

1 Thanks go to Prof. Laszlo Böszörmenyi, former student of Wirth, for the idea and impetus to set this series of articles in motion.

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23Ausgabe 5/2004

Portrait

were the first topic that came from neither

of these two camps. Among languages,

Algol 60 was the first with some meas-

ure of mathematical formalism and rigor.

This layer of abstraction was a catalyst for

programming methods, language design,

and algorithms. These topics attracted

new interests, users and ideas about what

to do with a computer.

Who was driving the research agenda? Initially it was the military and then busi-

ness. Despite the interest and involvement

of a new community, computer science

remained for some time an academic

stepchild; it was in the house, it was use-

ful, but it had no status. The programmer

was homeless, commuting, as I did at

Berkeley, between the engineering and

mathematics buildings. But in1965 Carne-

gie-Mellon (Pittsburgh), MIT (Cambridge),

and Stanford (Palo Alto) each conferred

upon computer science the status of an

academic discipline in its own right. Each

of these universities established an inde-

pendent computer science department,

thus giving recognition, official status,

attention and financing to a sector much

broader than computer technology per se.

This meant a tremendous shift of focus.

But it took many universities, in-cluding the ETH in Zurich, another fifteen years to grant full recognition. How were you impacted? The chain reaction had started. With or

without a computer science division, the

informatics community at ETH and many

other universities and research institutes

coalesced around the changing agenda.

Somewhere we moved from a closed community of computer specialists to a global community of informatics aficionados. What factors and play-

ers brought us to the tipping point? Xerox PARC’s Alto appeared on the scene

around 1974 and this powerful workstation

eventually spawned the ubiquitous perso-

nal computer, although the PC of 1980

was still a long way behind the Alto. PARC

with its Ethernet and the DoD with Arpanet

were driving forces in the development of

networks. Now it has become difficult to

find a research project in computing that

does not involve networks. These deve-

lopments profited from advances in lan-

guage design, but also contributed to it.

For example, I introduced Pascal in 1970,

but Pascal attained its real acceptance af-

ter 1977. This was due at least in part to

the personal computer. Along came a ge-

neration who had ready access to compu-

ters and, most importantly, who had not to

unlearn old habits, whose first interface to

the computer was a high level and structu-

red language. This was the first generation

which was free to focus on what you could

do with the computer, rather than on the

computer itself.

Where will informatics take mankind? Are there important (historical) les-sons that we should keep in mind? People believe that they can no longer live

without the mobile telephone, the PDA, the

internet, computer-based entertainment.

The computer has simply become a part

of the fabric of life, just as mobility has. But

how many people understand the relati-

onship between mobility and our depen-

dency upon fuel resources? The capability

of mobility has been abstracted from the

physical world. Rather than deal with the

abstraction, people can choose to simply

live within it. So too with informatics. I of-

ten hear people proudly boasting that they

know nothing about computers, or about

physics. But a sound education in natural

sciences is essential to an understanding

of our world; how does a gear, a pump,

an electric motor, a wing, a gas turbine, a

computer work? What are its underlying

principles and laws of nature? The com-

puter can provide capabilities and infor-

mation, not more. But it seems that many

people believe that the computer makes

understanding superfluous, “because you

can look it up in the Internet”, if needed.

Would you pose a question to the readers? Is the computer a food or a drug? Do we

use it to stimulate the way we teach, deal

with, learn and think about the increasing

abstractness of our world; or do we use

it as a sedative, to make us drowsy, and

unaware of the real world around us? The

choice will be a historical one.

Niklaus Wirth is one of the most influential scientists in the area of infor-matics. He made essential contributions to Algol-60, and thus to the establishment of informatics as a science. He designed a series of programming languages. Early works on Euler, PL/360 and Algol-W were followed by the extremely successful and significant Pascal language. After Pascal and a longer visit at Xerox PARC in Califor-nia, he devoted himself to the efficient coupling of hardware, language, compiler and operating system design. This led to the simple and clean programming languages Modula(-2) and Oberon(-2), the Lilith and the Ceres computers and the Oberon ope-rating system. Wirth is one of the most quoted authors in computing science. Many of his books and papers belong to the evergreen classics, one of the best known being Algorithms + Data Structures = Programs, which helped generations of stu-dents to understand how algorithms really work. He was honored with numerous awards, among others, in 1984, with the ACM’s Turing Award, the highest distinction a computing scientist can achieve. Wirth has retired from his professorship at the ETH Zürich, lives in Zürich, actively follows the development of informatics, and reflects on it with a critical view – not without his fine sense of humor.

Niklaus Wirth was interviewed by Ann Dünki, a former Ph.D. student of him.

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24JOURNAL

OCG aktuell

Das Management moderner Trans-

portketten erfordert die Bewälti-

gung vieler heterogener Schnitt-

stellen, eines wachsenden Anteils an

intermodalen Verkehren und zunehmende

Sendungskonsolidierungen bzw. -auflö-

sungen. Zu diesen gestiegenen Anforde-

rungen an die Qualität der Logistikleistung

kommen rasch wechselnde Konsumge-

wohnheiten der Endkunden, aus denen

sich kleinere Sendungsgrößen, kleinere

Lieferfrequenzen und kürzere Lieferzeiten

ergeben. Wie der Eröffnungsredner, Dipl.-

Ing. Rudof Bauer (Paradigma Consulting

und Co-Leiter Wirtschaft des Forums

eLogistics), erläuterte, bietet Tracking und

Tracing die Voraussetzungen zur effizien-

ten Ausgestaltung komplexer Lieferketten

und leistet somit einen wichtigen Beitrag

zur Erhaltung und Steigerung der Wettbe-

werbsfähigkeit von Logistikunternehmen.

E-Business als Enabler in der Logistik und Logistik als Enab-ler für E-BusinessAm Beispiel der MAN Nutzfahrzeuge er-

läutert Herr Dr. Gerold Wagner, Leiter des

Fachhochschulstudiengangs E-Business

an der Fachhochschule Steyr, die Zusam-

menhänge zwischen Logistik und E-Busi-

ness. Auf die Forderung der Märkte nach

verkürzten Lieferzeiten hat MAN mit dem

„15-Tage-LKW“ im Rahmen des Projekts

„MAN-OnLine“ reagiert. Dabei erhält der

Kunde bei der Online-Bestellung sofort

die Lieferterminzusage und kann nach

etwa 15 Arbeitstagen das individuell ge-

fertigte Fahrzeug in Empfang nehmen.

Tracking & Tracing Vortragsveranstaltung des Arbeitskreises eCommerce und des Forums eLogistics

DIPL.-ING. RUDOLF J. BAUER, UNIV.-DOZ. DR. KARL FRÖSCHL UND AO. UNIV.-PROF. DR. CHRISTINE STRAUSS

Die verkürzte Durchlaufzeit erfordert eine

Neuausrichtung der internen und externen

Strukturen und Prozesse, um so den Kun-

denwunsch nach einem maßgeschneider-

ten Fahrzeug zum zugesagten Termin in

der richtigen Qualität erfüllen zu können.

Dabei zeigt sich, dass einerseits E-Busi-

ness als Enabler in der Logistik eingesetzt

wird, aber auch umgekehrt Logistik als

Enabler für E-Business fungiert. Mit me-

thodischer und konzeptioneller Unterstüt-

zung der FH Steyr werden bestehende

Kooperationen mit Lieferanten überprüft

und sowohl in strategischen als auch

operativen Dimensionen weiterentwickelt.

Die FH Steyr konnte somit einen wichtigen

Baustein zur Realisierung des „15-Tage-

LKW“ beitragen, der für die MAN Steyr AG

neue Chancen am Markt eröffnet.

Automatische Identifikation im FrachtverkehrMit Henk van Maaren konnte einer der Key-

Player auf dem Gebiet des Transport-EDI

und führender Experte mit langjähriger Er-

fahrung im grenzüberschreitenden Handel

und den damit verbundenen Datenflüssen

für einen Vortrag gewonnen werden. Er

hatte und hat eine Reihe von Funktionen

in internationalen Gremien inne (UN/CEF-

ACT, OASIS ebXML, EEG2, TBG3, ITIGG,

TBG17). Henk van Maaren berichtete über

Zielsetzungen und Aktivitäten im Rahmen

des Projekts „Multi Industry Transport

Scenarios (MIST)”; dort definieren Ver-

treter unterschiedlicher Industriesparten

gemeinsam mit Verkehrsexperten eine

Menge typischer Transportszenarien (Ar-

tefakte) zur Harmonisierung der Daten-

ströme zwischen Auftraggeber, Frächter

und Empfänger unter Verwendung von

EDI messages und automatischer Iden-

tifikation zur Unterstützung idealtypischer

Vorgänge. Schließlich wurde die Anwen-

dung von radio frequency tags (kurz:

RFID) bei Containern entsprechend den

Sicherheitsanforderungen der Zollbehör-

den diskutiert.

GILDANETProfessor Ernesto Della Sala von Teleporto

Adriatico (Venedig) gab einen Einblick in

das internationale Transportlogistikprojekt

GILDANET, das eine Kooperation der Re-

gionalverwaltung der Emilia Romagna mit

österreichischen, italienischen, sloweni-

schen und griechischen Projektpartnern

im europäischen Strukturförderungspro-

gramm INTERREG IIIB (CADSES) darstellt.

GILDANET strebt die Weiterentwicklung,

Harmonisierung und standardkonfor-

me Konzeption bestehender und neu zu

schaffender Logistikplattformen zur Er-

leichterung des internationalen Handels

via nordadriatischen Hochseehäfen an.

Dabei geht es um ebXML-konforme digita-

le Infrastruktur für länder- und verkehrsträ-

gerüberschreitende Supply Chains (Log

Chains, E-Chains) und an internationalen

Standards (UN/CEFACT) orientierte Zu-

gangsmöglichkeiten zu Informationen und

Dokumenten für Behörden und Betreiber

intermodaler Transportsysteme.

Tracking und die Modellie-rung von User MobilityMobile Technologien ermöglichen dem

Benutzer die örtliche Entkopplung von

einem einzigen Arbeitsplatz. Frau Dipl.-

Ing. Karin Hummel vom Institut für Infor-

matik und Wirtschaftsinformatik an der

Universität Wien befasste sich mit der

Modellierung und Realisierung von Loca-

Der OCG-Arbeitskreis eCommerce und das OCG-Forum eLogistics veranstalteten am 10. November 2004 im Franz-Dvorak-Saal der Ös-terreichischen Wirtschaftskammer gemeinsam mit AUSTRIA PRO und ec31 einen international besetzten Vortragscluster zum Thema „Tracking and Tracing“, der mit großem Interesse bei Vertretern der Wirtschaft und Wissenschaft aufgenommen worden ist.

1 ec3 – Electronic Commerce Competence Center – wurde im Rahmen des Kompetenzzentrenprogramms (K-ind) des BMWA im Jahr 2000 als Forschungsverein gegründet, der sich als wertgenerierender Mittler zwischen Wissenschaft und Wirtschaft versteht. Dieser Funktion kommt ec3 durch Partnerschaften mit drei (Wiener) Universitäten und zwölf Unternehmen aus der Privatwirtschaft nach. ec3 sieht sich als multi-disziplinärer Kompetenz- und Innovationspartner für die Gestaltung und Entwicklung IKT-basierter bzw. -unterstützer Geschäftsformen mit Arbeitsschwerpunkten in den Forschungsbereichen Informationsräume, Informationslogistik, Business Intelligence, Business Development und Innovationsmanagement.

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25Ausgabe 5/2004

OCG aktuell

KontaktDipl.-Ing. Rudolf J. BauerCo-Leiter Wirtschaft des OCG-Forums eLogisticsParadigma UnternehmensberatungMariahilferstr. 47/1/3, 1060 WienTel.: 01 / 585 49 [email protected]

Univ.-Doz. Dr. Karl Fröschl Leiter des OCG-Arbeitskreises eCommerceec3 - Electronic Commerce Competence CenterDonau City-Str. 1, 1220 WienTel.: 01 / 522 71 [email protected]

Ao. Univ.-Prof. Dr. Christine StraußCo-Leiterin Wissenschaft des OCG-Forums eLogisticsBetriebsWirtschaftsZentrum der Universität WienBrünner Str. 72, 1210 WienTel.: 01 / 427 73 81 [email protected]

v.l.n.r.: Am Podium: Henk van Maaren (CETIMA), Prof. Ernesto Della Salla (Teleporto Adriatico) und Dipl.-Ing. Rudolf J. Bauer, Co-Leiter Wirtschaft des OCG-Forums eLogistics

tion- und Mobility-Awareness, um mobile

Dienste an den Ort, aber auch an Orts-

wechsel anzupassen. Wireless Techno-

logien für Indoor-Szenarien, unter ihnen

WLAN-basierte Positionierung oder RFID

(radio frequency identification), werden

eingesetzt, um ortsbasierte Applikationen

zu ermöglichen. Darüber hinaus werden

Orts-Traces über die Zeit generiert und

mittels Mobilitätsmodellen interpretiert mit

dem Ziel, zukünftiges Mobilitätsverhalten

für Individuen und Gruppen voraussagen

und Dienste proaktiv daran anpassen zu

können. Frau Hummel berichtete über ein

Pilotprojekt, in dem aus aufgezeichneten

RFID-Traces Bewegungsverhalten von

Personen aufgrund auftretender Regel-

mäßigkeiten klassifiziert werden konnte.

Von diesem ersten viel versprechenden

Ergebnis lassen sich Personenprofile, die

bisher aus Eigenschaften wie fachlichen

Interessen und Berufsfeldern bestanden

haben, um fundierte Bewegungsmuster

erweitern. Diese Bewegungsmuster kön-

nen zur Simulation, zur Evaluierung, aber

auch für Aussagen über zukünftiges Be-

wegungsverhalten von Personengruppen

verwendet werden.

Supply Chain Management mit StandardsoftwareHerr Univ.-Prof. Dr. Andreas Otto (Uni-

versität Regensburg) zeigte, dass markt-

gängige Standardsoftware im Supply

Chain Management, wie beispielsweise

SAP R/3 und SAP APO, bereits wichtige

Beiträge zur Unterstützung der Auftrags-

abwicklung industrieller Unternehmen

leisten. Ihre Reichweite und Mächtigkeit

basiert auf Methoden der Verfügbarkeits-

prüfung, Transportplanung sowie ereig-

nisorientierter Umsteuerung. Wegen des

deutlichen Trends zu personalisierten

Massenprodukten wird Tracking & Tra-

cing zukünftig an Bedeutung gewinnen.

RFID: Nutzen versus RisikoNach einem Impulsreferat von Herrn Ing.

Wolfgang Peiritsch (datatronic) wurden in

der anschließend von den Teilnehmern

zum Teil emotional und sehr engagiert

geführten Forumsdiskussion und in reger

Interaktion mit den interessierten Zuhö-

rern im wesentlichen zwei Punkte heraus-

gearbeitet:

(1) Tracking & Tracing – mit oder ohne

Einsatz der RFID-Technologie – stellt

mittlerweile für jede Logistikkette eine

unabdingbare Notwendigkeit dar; diese

Entwicklung wurde durch zunehmende,

grenzüberschreitende Outsourcing-Stra-

tegien, durch vermehrt vorkommende

„gemischte“ Transportmodi innerhalb ei-

ner Supply Chain sowie durch weiterhin

steigende Handels- und Transportvolumi-

na beschleunigt.

(2) Trotz des jahrzehntelangen Bestehens

der RFID-Technologie konnte noch kein

Konsens bezüglich technischer Standards

und technischer Spezifikationen gefunden

werden. Wenngleich es bereits eine Reihe

erfolgreicher Applikationen in der Praxis

gibt, ist der Markt für diese Technologie

noch in einer frühen Entwicklungsphase

und birgt deshalb für jene Unternehmen,

die jetzt einsteigen, neben dem Bonus

des Technologievorsprungs auch ein er-

höhtes Obsoleszenzrisiko.

Die Veranstaltung wurde von Dr. Karl

Fröschl (ec3) moderiert und freundlicher

Weise von AustriaPro unterstützt.

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26JOURNAL

Praxis und Wissen

Die DVD-Maxi „Edelweiß Müller“, nominiert in der KATEGORIE „CROSS MEDIA“, steht prototypisch für einen neuartigen Umgang mit audiovisuellen Informationen: Ihre Wurzeln in der Plunderphonic-Bewegung und im Audio/Video-Sampling nicht ver-leugnend, bietet diese DVD dem User eine wohl einzigartig unbeschwerliche, span-nende, lustvolle und immer auch subtil hu-morvolle Reise durch jene Klischeewelten aus Sound & Vision, die fester Bestandteil unserer Alltagskultur geworden sind, aber hier plötzlich ganz anders daherkommen. Geschickt wird Kitsch durch Entfremdung und Wiederholung zu Kunst, Referenzen werden gekappt, und es entsteht ein ganz neuer Kontext: eine digitale Anderswelt jenseits des Bekannten. Vorsicht: Diese DVD, ihre Visuals und Sounds machen süchtig! Den Studierenden Pauline Tho-mas, Clément Dozier, Christine Delaquaize und Charly Meignan von der legendären Pariser Talenteschmiede Gobelins, École de l‘image, ist „mit diesen begeisternden und ungemein kreativen Bild- und Ton-Welten ein großer Wurf gelungen“, urteilte die TTA-Jury.

Mission des Top Talent Award: Hochwertige Produkte trans-parent machen Die spezifische Bildästhetik und avan-cierte Interaktivität der Gobelins-Produkte wurde beim diesjährigen EUROPRIX Top Talent Award gleich ein zweites Mal aus-gezeichnet: Unter den acht Kategorie- siegern befindet sich eine zweite DVD aus dem Hause Gobelins: die graphisch und vom interaktiven Konzept her nicht minder faszinierende DVD-Produktion „,261001,“,

Europrix Top Talent Award 2004Eine interaktive Anderswelt

PROF. DR. PETER BRUCK PH.D, MA

eine seltsam-surreale Reise durch die Geschichte einer dem Abriss preisgege-benen Fabrik, jedoch in gleißend ästhe-tisches Licht getaucht. Dieses Produkt machte immerhin unter 112 Einreichun-gen in der KATEGORIE „OFFLINE/DVD“ das Rennen. „Allein diese beiden DVDs beweisen, wie technisch avanciert sowie inhaltlich ansprechend und komplex eini-ge derzeitige Offline-Produkte sind“, sagt TTA-Initiator Prof. Peter A. Bruck: „Diese zunächst intransparenten Silberlinge wer-den durch den Top Talent Award und sein Promotion-Umfeld zu herausragenden Best Practice Beispielen.“

Webeos und neue Formen der Interaktivität auch im NetzFreilich beschränkt sich die Möglichkeit zur Kreation surrealer Anderswelten und imaginärer Wirklichkeiten nicht auf Offline-Produkte: In der KATEGORIE „BROAD-BAND/ONLINE“ wurde etwa das Webeo (d. h. interaktive Web-Video) „Someday on the Misty Island“ aus Polen Kategoriesie-ger. Ähnlich wie bei den prämierten DVDs ermöglicht auch hier neueste Technologie eine Reise in eine Welt jenseits unserer tradierten Beschränkungen von Raum und Zeit, aber auch jenseits der klaren Un-terscheidung von Fakten und Fiktionen. „Top Talent Content Fusion Winner“ wurde – ebenfalls aus der KATEGORIE „BROAD-BAND/ONLINE“ – das schwedische Pro-jekt „Let them sing it for you“: Hier kann der User einen beliebigen Text eingeben, und dieser wird von unterschiedlichen In-

terpreten der Popgeschichte gesungen – und zwar jedes Wort von einem anderen! Auch hier kreieren User und Anwendung zusammen erst die Wirklichkeit – und auch hier werden Soundbytes im Sinne der Plunder Culture ihrer alten Referen-zen befreit und in neue Zusammenhänge überführt – gleichsam eine Cut-Up-Me-thode im Netz. Der Content Fusion-Spe-zialpreis wurde übrigens heuer zum ersten Mal vergeben und stand unter dem Motto „Music meets Multimedia“.

Kreative Interaktionsideen bei Mixed-Media-AnwendungenNeue Formen der Interaktivität, eine spie-lerisch-lustvoll-humorvolle Kreation von Wirklichkeit, eine Verführung in eine virtu-elle Anderswelt – dafür stehen die bislang erwähnten ausgezeichneten Projekte beim TTA. Neue Spielarten der Interaktivität kön-nen jedoch auch an der Grenze zum rea-len Raum erprobt werden: Dies beweisen die beiden Kategoriesieger „Interactive Projection System“ und „Kick Ass Kung-Fu“. Beim „Interactive Projection System“ aus Holland ist es der Körper des Users selbst, der das audiovisuelle Kunstwerk generiert. Eine kreative Geschäftsidee lie-fert die Designerin des in der KATEGORIE „INTERACTIVE COMPUTER GRAPHICS“ ausgezeichneten Produkts gleich mit: Man könnte ja auch interaktive Filmplakate entwerfen und diese von vorbeigehenden Passanten verändern lassen...Auch das Spiel „Kick Ass Kung-Fu“, Sie-ger in der KATEGORIE „GAMES PLAT-

Nähere Informationen zu den 23 Nominierten zum „EUROPRIX Top TalentAward 2004“ unter: www.toptalent.europrix.org/ttp/ttp.htm

Die DVD-Maxi „Edelweiß Müller“ der französischen Experi-mental-Band „Juicy Panic“ wurde zum besten Multimedia-Produkt Europas gekürt. Stereotypische Bilder und eine ver-führerische Ironie vereinen sich zu einer herrlich leichten und charmanten Reise in die Musikwelt der Plunderphonic-Be-wegung. Bei der Gala des Top Talent Awards in Wien wurden 23 Projekte aus insgesamt 414 Einreichungen aus 29 Ländern Europas ausgezeichnet.

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27Ausgabe 5/2004

OCG aktuell

FORMS“, ist an der Schnittstelle zwischen realer und virtueller Realität angesiedelt:Im Möglichkeitsraum der Mixed Reality werden die klassischen Gesetze derPhysik außer Kraft gesetzt.

Und schließlich: Interaktivität bei TV & HandyNeue Interaktivitäts-Konzepte finden sich nicht nur online in enigmatischen Webeos (interaktiven Videos im Web), offline auf cool designten DVDs sowie in der Grau-zone der Mixed Reality zwischen com-putergenerierten und realen Räumen. Sie finden sich mittlerweile auch auf so „klassischen“ Medien wie TV und Mobil-telefon. In der KATEGORIE „INTERACTIVE TV, FILM & VIDEO“ machte das britische Projekt „The Green Scheme“ das Rennen: eine Geschäftsidee mit ökologischem Ne-beneffekt, bei der Konsumenten für die Rückgabe von Verpackungsmüll belohnt werden und das gleich mit Fernbedienung und TV-Bildschirm abrechnen können.Und die „Mobile Learning Engine“, entwi-ckelt von einem jungen Österreicher der FH Joanneum und bestes Produkt in der KATEGORIE „MOBILE CONTENTS“, er-möglicht es, nicht nur Lehreinheiten, son-dern auch ganze Prüfungen am Smart-phone (!) abzuhalten. Hier zeigt sich, dass Technologie auch genutzt werden kann, um Leer- und Wartezeiten sinnvoller als bislang zu verbringen.

In Zukunft sind wir alle Cyborgs!?Zu guter Letzt noch eine radikale Vision: Viel ist seit Jahren die Rede von Cyborgs, Androiden und Robots. Das Projekt „Bridging the Island of the Colourblind“, Sieger in der KATEGORIE „CONTENT TOOLS & INTERFACE DESIGN“, erlaubtes einem Farbenblinden, Farben zu hören: Eine am Kopf montierte Kamera „über-setzt“ die Farben der realen Außenwelt in Töne im Kopfhörer. Ein junger farbenblin-der Maler soll dieses System angeblich bereits 24 Stunden am Tag tragen und sich als erster behördlich anerkannter Cy-borg der Welt fühlen: der Apparat ist zum integralen Bestandteil seines Körpers ge-worden.

Also dann: Willkommen in der Zukunft!

Was gibt es Neues?

RSS-Newsfeeds der OCG!MAG. JOHANN STOCKINGER

Veränderungen im Web passieren oft still und leise – plötzlich tauchen neue Daten-formate bzw. Kommunikationsprotokolle auf und erfreuen sich rasch steigender Beliebtheit. Ein typisches Beispiel dafür ist RSS. Vor ein paar Jahren noch kaum bekannt, werden RSS-Newsfeeds bereits von vielen Informationsanbietern zur Ver-fügung gestellt. RSS kann anstrengendes Surfen auf vielen Websites ersetzen, wenn es um den schnellen Zugang zu aktuellen Informationen geht. Mit dem zunehmenden Spam-Problem bei E-Mails wird hier auch eine sichere Alternative zu herkömmlichen Newslettern geboten. Je nach RSS-Version kann unter „RSS“ verschiedenes verstanden werden: „Rich Site Summary“ steht für die 0.9x-Versio-nen, „RDF Site Summary“ für die Version 1.0 und „Really Simple Syndication“ für die Version 2.0. Mit „Atom“ wurde ein weiteres Format eingeführt, das mit RSS nicht kom-patibel ist. Die Dokumente können jedoch ineinander übergeführt werden.RSS-Newsfeeds sind sehr einfach gehal-tene XML-Dokumente, die nur reine Inhal-te und keinerlei Layout-Informationen ent-halten. Ein normaler Webbrowser würde daher nur das XML-Dokument anzeigen.

Zum Betrachten der News wird ein RSS-Reader benötigt. In der Zwischenzeit sind für die verschiedenen Betriebssysteme eine ganze Reihe von kostenlosen sowie kommerziellen RSS-Readern erhältlich. Mozilla Firefox hat bereits RSS-Reader-Funktionen eingebaut. Mit den RSS-Rea-dern kann man verschiedene RSS-Kanäle abonnieren und so z. B. die OCG-News zwischen die News vom Spiegel, der BBC und dem ORF einbetten. Wesentlich bei RSS-Newsfeeds sind die Plattformunabhängigkeit und die Weiter-verarbeitbarkeit. Unter gewissen Bedin-gungen können sie in einem Syndika-tionsprozess auch in eigene Webseiten eingebunden werden („Content Syndica-tion“). Die OCG startet vorerst mit einem RSS-Kanal und wird das Angebot bei entspre-chender Nachfrage weiter ausbauen. Ein eigener Kanal für die Veranstaltungsdaten-bank ist geplant. Auch die Einbindung von Informationen der OCG-Mitglieder wäre bei entsprechendem Interesse möglich. In der OCG werden die aktuellen Nachrichten in einer eigenen MySQL-Datenbank verwal-tet. Verschiedene PHP-Scripts generieren aus den gleichen Daten den traditionellen Newsletter und die RSS-Newsfeeds.

Die RSS-Newsfeeds der OCG können durch Anklicken des entsprechenden Icons oder direkt durch die Eingabe der Webadresse aufgerufen werden: www.ocg.at/rss/

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28JOURNAL

Praxis und Wissen

Die EU arbeitet an einer Richtlinie

über Softwarepatente. Nachdem

das Parlament mehr als 120 Än-

derungsvorschläge gegenüber dem Kom-

missionsentwurf vorlegte, wurde von dieser

am 18. Mai die zweite Version vorläufig be-

schlossen. Das neu gewählten Parlament

wird diese bald behandeln.

Laut Europäischem Patentübereinkommen

(Art. 52 Abs 2 lit c EPÜ, unabhängig von der

EU! Österreich: § 1 Abs 2 Z 3 PatentG) sind

Programme für Datenverarbeitungsanlagen

„als solche“ nicht patentierbar. Dies wird in-

zwischen einschränkend so ausgelegt, dass

nur Programme alleine unpatentierbar sind,

zusammen mit einer technischen Anwen-

dung jedoch schon. So kann die Idee hinter

einem Steuerungsprogramm für Antiblo-

ckiersysteme zusammen mit diesem paten-

tiert werden, davon unabhängig aber nicht.

Je nach Interpretation des Entwurfs (auch

Juristen sind darüber uneins) bedeutet

dieser entweder Patentierbarkeit jedweder

Software oder die Beibehaltung dieses der-

zeitigen Rechtszustands (welcher sich wie-

derum oft von der Praxis unterscheidet).

Im Bereich des E-Commerce stellt sich das

Patentproblem besonders deutlich, da hier-

bei häufig grenzüberschreitende Tätigkeit

auftritt (Kooperation mit ausländischen Fir-

men, weltweit abrufbare Webseiten, ...), so-

dass die Wahrscheinlichkeit, ausländische

und daher noch schwerer aufzufindende

Patente zu verletzen, steigt, ebenso wie das

Kostenrisiko eventueller Prozesse. Hinzu

kommt, dass auf diesem Gebiet besonders

viele Patente existieren.

Problematisch ist weiters, dass (zumindest

früher, wenn nicht noch heute) die Softwa-

re-Patentprüfung von geringer Qualität war:

viele „Trivialpatente“ wurden erteilt. Hier ist

aber Vorsicht geboten; man darf eine Er-

findung nicht „im Nachhinein“ beurteilen

– manche Ideen sind nach Kenntnis trivial,

aber vorher schwer zu finden. Beispiele (sie-

he esp@cenet für Originaltext; teilw. auch

Abbildung) problematischer Patente im Be-

reich E-Commerce sind:

Verkauf von Waren oder Dienstleistun-

gen über Netzwerke mittels Computer

(EP0738446 aus 1994)

Kauf von direkt an einen Beschenkten zu

liefernden Waren über ein Kommunikati-

onsnetzwerk (EP0927945 aus 1998)

Zustandsloser Warenkorb im Internet;

gewählte Produkte werden in versteck-

ten Feldern der Webseiten mitgeschickt

(EP0807891 aus 1996)

Auswahl beliebiger Daten aufgrund ge-

ographischer Informationen (z. B. Land)

(EP1163612 aus 2000)

Vorschalten eines „Monitors“ beim Res-

sourcenzugriff zur Berechtigungsprü-

fung (EP0561509 aus 1993)

Ein kritischer Aspekt in wirtschaftlicher Hin-

sicht ist etwa folgendes Argument: Aufga-

be der EU sollte es nach ihrem Selbstver-

ständnis eher sein, Wettbewerbshemmnisse

abzubauen, als neue zu schaffen: Patente

erzeugen durch ihr Ausschließungsrecht

Monopole. Da die Mehrheit bestehender

Softwarepatente aus Ländern stammt, in

denen diese schon länger möglich waren

(USA, Japan), würde dies bedeuten, dass

Lizenzzahlungen eher von Europa dorthin

fließen als umgekehrt. Oder das Problem

der Grenzziehung: Ist Software patentierbar,

warum dann nicht auch elektronische Ge-

schäftsmethoden (oder jegliche Ideen, wie z.

B. in den USA), da diese ja in Software reali-

siert oder von dieser unterstützt werden?

Auch für freie Software könnten sich Schwie-

rigkeiten ergeben: Auf Grund kostenloser

Weitergabe ist Lizenzgebühr-Zahlung un-

möglich. Dies ist ein gutes Beispiel für Un-

terschiede zwischen Software und anderen

Produkten: Es ist kaum vorstellbar, dass

jemand massenweise Autos herstellt (dabei

entsprechende Patente verletzt) und diese

gratis verteilt. Werden sie hingegen verkauft,

kann aufgrund hoher sonstiger erforderlicher

Investitionen bzw. Kosten Patent-Recherche

und -Lizenzierung erwartet werden. Der ana-

loge Fall, Erstellung von Software (z. B. eines

Betriebssystems) und deren Gratis-Vertei-

lung ist jedoch praktisch und wirtschaftlich

sehr real und bedeutsam!

Patente auf Datenformate (wie z. B. FAT;

inzwischen aufgehoben) behindern Daten-

austausch, da ohne Lizenzierung kein Aus-

lesen (und damit Übersetzung in ein ande-

res Format) erlaubt ist: Datenaustausch mit

anderer Software (oder Systemwechsel) wird

unmöglich. Ähnliches gilt für Interoperabilität

zwischen Programmen.

Natürlich existieren auch Argumente für Soft-

ware-Patente. So sollen etwa kleine Firmen

gegenüber großen geschützt werden. Prak-

tisch stellen sich jedoch Probleme: Ein ein-

ziges Europäisches Patent für acht Staaten

(im E-Commerce leicht nötig) und zehn Jah-

re kostet laut Österreichischem Patentamt

rund € 30.000. Für viele Betriebe sind dies

wohl erhebliche Ausgaben, ebenso wie die

(ev. sehr hohen) Patentprozesskosten (Ab-

wehr fremder/Durchsetzung eigener Ansprü-

che). Sollte auch die andere Firma Patente

besitzen, können Gegenklagen erfolgen,

was Prozesskosten und -risiko weiter erhöht.

Endresultat ist dann oft gegenseitige Lizen-

zierung. Speziell Konzerne besitzen gerade

deshalb große Patent-Portfolios.

Weiters wären Softwarepatente bei klarer

Patentierbarkeit leichter auffindbar, da sie in

eine eigene Patentsystemklasse eingeordnet

würden, anstatt überall verstreut und damit

gut versteckt zu sein. Sie könnten auch Eu-

ropäische Firmen wirtschaftlich stärken, da

diese dann für ihre Erfindungen nicht nur im

Ausland sondern auch innerhalb Europas Li-

zenzgebühren verlangen könnten.

Überlegenswert sind als Abschluss die wich-

tigsten Gründe für die Existenz von Patenten:

Softwarepatente und E-CommerceMAG.IUR. DIPL.-ING. DR.TECHN. MICHAEL SONNTAG

Softwarepatente sind Patente auf Programme bzw. Algorithmen, unab-hängig von ihrer konkreten Implementierung. Im Zuge der Diskussion zu einer EU-Richtlinie darüber ist das Thema besonders für Informatiker in der Softwareentwicklung (wie schütze ich eigene Ideen bzw. ver-meide ich Rechtsverletzungen) und im E-Commerce, einem besonders beliebten Patent-Bereich, von Bedeutung.

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29Ausgabe 5/2004

Praxis und WIssen

Sie sollen als Investitionsschutz für teure Ent-

wicklung dienen und die Veröffentlichung von

Ideen belohnen, sodass Andere darauf auf-

bauen können, bzw. zu weiteren angespornt

werden:

Investitionsschutz: Patente erlauben es,

hohe Entwicklungskosten wieder herein-

zubringen. Die Kosten müssen jedoch

für die Entwicklung des Algorithmus

bzw. der Idee selbst anfallen und nicht

für die Entwicklung des umsetzenden

Programmcodes (welcher stattdessen

durch Urheberrecht geschützt ist!). Als

Grundlage wird angenommen, dass bei

gleichen Ideen eine Parallelentwicklung

sehr unwahrscheinlich (Erfindungshöhe!)

und daher von „Kopien“ auszugehen ist.

Bekanntgabe der Erfindung: Eine Veröf-

fentlichung der Idee (ca. 18 Monate nach

Anmeldung) in juristischer Sprache (d. h.

für Techniker schwer verständlich), wel-

che sehr selten gelesen wird, ist nicht be-

sonders hilfreich für Weiterentwicklungen.

Ist eine Bekanntgabe der Idee überhaupt

notwendig oder ist bei Software nicht oft

die Veröffentlichung einer Implementie-

rung ausreichend? Grundlage ist die An-

nahme, dass eine Bekanntgabe der Idee

statt erfolgreicher Geheimhaltung die Ge-

samt-Entwicklung beschleunigt.

In der Diskussion darf nicht vergessen wer-

den, dass Software auch durch Urheberrecht

geschützt ist. Dieses hat sich bisher als meist

ausreichend und praktikabel erwiesen. Die

Verhinderung eigener Rechtsbrüche ist dabei

sehr einfach. Auch der Nachweis von Verlet-

zungen sowie deren Verfolgung ist praktisch

gut möglich.

Software-Patente sind ein immer bedeuten-

derer Punkt in der Informatik-Landschaft. Ob

es sich dabei jedoch um einen Aussichts-

punkt auf einem Hügel oder einen Abgrund

handelt, ist vielfach noch unklar. Vielleicht

sind sie ja auch nur (unbeachtete) Wegwei-

ser in der Ebene.

Weitere Informationen Esp@cenet (Abruf Europäischer Patente): www.espacenet.com/ Allgemeine Informationen zu Patenten: http://de.wikipedia.org/wiki/Patent Software-Patente Richtlinien-Entwurf der EU: http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_

doc?smartapi!celexapi!prod!CELEXnumdoc&lg=de&numdoc=52002PC0092&model=guicheti

Über Software Patente: www.ipjur.com/, http://swpat.ffii.org/index.de.html, http://k.lenz.name/LB/

Verein zur Verbesserung des Patentwesens: www.patentverein.de/ Stellungnahme des AK Kommerzielle Software im Verband der österreichischen

Softwareindustrie: www.voesi.or.at/PositionPatente.pdf Stellungsnahme der AG „Softwarepatente“ der Wirtschaftskammer Österreich:

http://portal.wko.at/wk/dok_detail_file.wk?AngID=1&DocID=278730

KontaktMag. iur. Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael SonntagInstitut für Informationsverarbeitung und Mikroprozessortechnik (FIM)Johannes Kepler Universität LinzAltenbergerstr. 69, 4040 LinzTel.: 0732 / 2468-9330Fax: 0732 / [email protected]

Macht braucht Vertrauen“ –das war der 8. IT Salon Pour Elle

MAG. BEATRIX HAUSNER

Der IT Salon Pour Elle, eine Initiative der Oesterreichischen Computer Ge-sellschaft und results & relations - pr for technology, lud zum vorweih-nachtlichen Netzwerkabend zum Thema „Macht“. Dr. Sabine Fischer, Sym-fony Consulting, gestaltete einen spannenden Abend, indem sie Mag. Dr. Emil Mezgolits, Vorstand Casinos Austria, und Mag. Anton Heldwein, Ju-welier, gezielt zum Thema interviewte. Mag. Barbara Werwendt von Uni-sys Austria sponserte diesen 8. IT Salon Pour Elle, der von 43 Interessenten und Interessentinnen besucht wurde.

„Macht zu haben bedeutet, eine große Porti-

on Verantwortung zu tragen“, brachte Mag.

Dr. Emil L. Mezgolits, MA, Mitglied des Vor-

standes Casinos Austria, Österreichische

Lotterien, das Thema gleich zu Beginn auf

den Punkt. Mag. Anton Heldwein, Chef eines

18-Personen-Traditionsunternehmens, stimm-

te uneingeschränkt zu. Unabhängig davon, ob

das zu führende Team eines „Machtinhabers“

groß oder klein, das Unternehmen international

Mag. Brigitte Piwonka, results & relations, Mag. Dr. Emil L. Mezgolits, Casinos Austria Österreichische Lotterien, Mag. Barbara Werwendt, Unisys Österreich GmbH, Mag. Anton Heldwein, Juwelier, Dr. Sabine M. Fischer, Symfony Consulting, Mag. Beatrix Hausner, Oesterreichische Computer Gesellschaft

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30JOURNAL

OCG aktuell

Rückblick auf eine erfolgreiche Karriere: Dr. Stärker (OVE) verabschiedet sich aus dem aktiven Verbandsgeschehen

TechnikinteresseSchon mit seiner Matura am Techno-

logischen Gewerbemuseum in Wien,

Abt. Starkstromtechnik, bekundete der

1943 in Wien geborene Helmut Stär-

ker sein ausgeprägtes technisches

Interesse, welches ihn auf seinem

gesamten beruflichen Lebensweg

weiter begleitete. 1971 schloss er das

Diplomstudium der Elektrotechnik an

der Technischen Universität Wien ab.

Während des anschließenden Dokto-

ratsstudiums nützte er seine Tätigkeit

als Universitätsassistent am Institut für

Elektrische Anlagen und Hochspan-

nungstechnik, um enge Kontakte zu

Industrie, Wirtschaft und branchenre-

levanten Institutionen zu knüpfen.

Im Dienste des OVE Dr. Helmut Stärker trat 1985 vorerst

als stellvertretender Generalsekretär

in den OVE ein und übernahm zwei

Jahre später die Führung des Verban-

des. Als neuer Generalsekretär initiier-

te Dr. Stärker bald Überlegungen zur

Umstrukturierung des OVE. In seiner

zwanzigjährigen Tätigkeit entwickelte

sich der Verband zu einem modernen

Dienstleistungsunternehmen, das so-

wohl nationale als auch internationale

Beachtung findet.

Beginn einer Partner-schaftIn die Amtszeit Dr. Stärkers fällt auch

der Beginn einer sehr positiven Part-

nerschaft zwischen OVE und OCG.

Seit 1989 besteht zwischen den bei-

den Vereinen eine wechselseitige Mit-

gliedschaft. Als Vertreter des Öster-

EUGEN MÜHLVENZL

Mit Jahresende tritt Baurat h.c. Senator h.c. Dipl.-Ing. Dr.techn. Helmut Stärker, Generalsekretär des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE), nach zwanzigjähriger Tätigkeit im und für den Verband in den wohlverdienten Ruhestand.

reichischen Verbandes für Elektrotechnik

im Vorstand der Oesterreichischen

Computer Gesellschaft hat Dr. Stärker

bei vielen Entscheidungen die Zukunft

der OCG nicht nur aktiv mitgestaltet son-

dern auch unterstützt. So übernahm im

Jahr 2003 die von Dr. Stärker ins Leben

gerufene OVE-Geschäftsstelle in Graz

zusätzlich zu ihren Tätigkeiten auch die

Agenden einer OCG-Zweigstelle für den

Süden Österreichs. Darüber hinaus um-

fasst die Kooperation die Planung und

Abwicklung gemeinsamer Veranstaltun-

gen, beispielhaft genannt sei an dieser

Stelle v. a. die AT21 des Jahres 2003 in

der Kulturhauptstadt Graz.

Die OCG dankt Dr. Helmut Stärker an

dieser Stelle für die jahrelange gute Zu-

sammenarbeit. Für seinen neuen Le-

bensabschnitt wünschen wir ihm allem

voran beste Gesundheit und viel Freude

sowie Zufriedenheit beim Ausüben seiner

zahlreichen interessanten Hobbys!

Gelebte Kooperation: Dr. Stärker bei der AT21-Gala in Graz

der sehr national agiert, Macht ist nicht immer

etwas Positives. Gerade vor Kündigung von Mit-

arbeitern, so beide Herren einhellig, sind schlaf-

lose Nächte „keine Seltenheit.“ Dennoch hat

Macht auch ihre schönen Seiten. Besonders

hervorgehoben haben beide Diskutanten die

Möglichkeit, in Führungsposition selbst gestal-

terisch tätig sein zu können. Wenngleich, auch

„Kunden mitunter Macht über mich haben“, wie

Heldwein betonte.

Die Aussagen der beiden Herren wurden vom

größtenteils weiblichen Publikum sehr hinterfragt

und mit eigenen Meinungen ergänzt. Tenor der

Gäste: Frauen stoßen an gläserne Decken und

müssten oft bis zu 250% mehr an Leistung er-

bringen als Männer. Insgesamt war der Abend ein

sehr reger und emotionaler Gedankenaustausch,

der viele Ansichten aufs Tableau brachte. Dr. Sabi-

ne Fischer, kompetente und bestens vorbereitete

Moderatorin des Abends, schloss mit einem Zitat

von Georg Bernhard Shaw (1856 – 1950): „Man

gibt immer den Verhältnissen schuld für das, was

man ist. Ich glaube nicht an die Verhältnisse. Die-

jenigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin

und suchen sich die Verhältnisse, die sie wollen

und wenn sie diese nicht finden können, schaffen

sie sie selbst.

Zunehmend mehr Männer im IT Salon Pour ElleDie beiden IT Salon-Mütter Mag. Brigitte Pi-

wonka, Geschäftsführerin von results & relati-

ons, und Mag. Beatrix Hausner, Projektleiterin

der Oesterreichischen Computer Gesellschaft,

freuten sich auch diesmal, eine handverlesene

Schar von interessierten Männern begrüßen zu

dürfen: „Wir wollen niemanden diskriminieren

oder ausschließen“, so die beiden Initiatorin-

nen, „ganz im Gegenteil, wir freuen uns über

jeden Mann, der sich zu uns traut ;-).“

Als Sponsor wurde Unisys Österreich, Mag. Bar-

bara Werwendt, aufs das herzlichste bedankt!

KontaktMag. Beatrix Hausner 1010 Wien, Wollzeile 1-3Tel.: 01 / 512 02 [email protected]/

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Vom himmlischen Uhrwerk zur statistischen FabrikWie waren Wittgensteins Schulnoten? Warum ist eigentlich der 20. September 1623 der Geburtstag der Informatik?Wie wurde die österreichische Volkszählung 1890 mit Rechnern unterstützt? Was ist der Zusammenhang zwischen Johannes Kepler, Weinfässern und Integralrechnung?

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Embedded Systems Konwledge Base Vom himmlischen Frieden zur statistischen Fabrik iiWAS´2004 MoMM´2004

Ich bin Mitglied der OCG

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Forume|Government

der Oesterreichischen Computer Gesellschaft

e|Gov Days 200514. - 16. März 2005, Wien

Orangerie, Schloss Schönbrunn

Nach den Erfolgen der seit 2002 jährlich stattfindenden e|Gov Days des Forum e|Government (http://egov.ocg.at/) der Oesterreichischen Computer Gesellschaft (OCG) finden auch 2005 wieder die e|Gov Days statt. Das Forum e|Government bietet durch die Arbeit in den einzelnen Arbeitskreisen und durch die e|Gov Days Unterstützung bei der Vermittlung und Verbreitung von innovativen Ansätzen undLösungen zu E-Government. Während bisher vor allem Basisbausteine zum E-Government vorgestellt und diskutiert wurden, stehen 2005 die e|Gov Days unter dem Motto eines gesamt-heitlichen Bildes – eines „big puzzle“ für E-Government. Es werden das Zusammenspiel der Bausteine, Integration, Interoperabilität sowie nahtlose Umsetzung integrierter Lösungen in den verschiedenen Bereichen in den Fokus gerückt.

Die Schwerpunkte 2005 konzentrieren sich auf folgende Themengebiete:

E-Government – E-Partizipation – E-Politik Integration von Leistungen und Modulen – Pan-Europäische Dienstleistungen Interoperabilität – Standards – Digitale Identität – Open Source – Mobile Technolgien E-Government-Gesetz – Vertrauen, Sicherheit & Privacy E-Payment – E-Rechnung – E-Tendering – E-Procurement

In Zusammenarbeit mit der WKO wird unter dem Motto „In welcher Form antwortet die Wirtschaft auf die Herausforderungen der österreichischen E-Government-Strategie, und welche Chancenund Potenziale ergeben sich für KMUs ?“ ein halber Tag der Diskussion von Chancen, Möglich-keiten und Problemen der Wirtschaft im E-Government gewidmet.

Programmkoordination der e|Gov Days 2005:Univ.-Doz. Dr. Maria A. Wimmer, Institut für Informatik in Wirtschaft und Verwaltung der JK Universität Linz (Leitung)Dr. Bernhard Karning, Abteilung Online Services - help.gv.at im BundeskanzleramtDipl.-Ing. Peter Reichstädter, Stabsstelle IKT Strategie des Bundes / Bundeskanzleramt

Die Beiträge werden wieder von der OCG im Tagungsband zu den e|Gov Days 2005 herausgegeben.

Wie schon in den letzten beiden Jahren finden auch 2005 Eastern European e|Gov Days in Verbindung mit den österreichischen e|Gov Days 2005 statt: 17. - 18. März 2005, wiederum in Budapest.

Firmen, die an einem Industriestand während der e|Gov Days in Wien und/oder Budapest interessiert sind, können ihr Interesse bei Frau Leitner ([email protected], 01 / 512 02 35-14) anmelden.

Weitere Informationen zu den e|Gov Days 2005 finden Sie unter:

http://egov.ocg.at/

Oesterreichische Computer Gesellschaft • 1010 Wien • Wollzeile 1-3