Jubeln, bis die Bulla platzt

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WAS MMW-LESER ERLEBEN GESCHICHTEN AUS DER PRAXIS Folge 123 Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern. Senden Sie uns Ihre Geschichte an: [email protected]. Für jeden veröffentlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro. Jubeln, bis die Bulla platzt - Ein 62-jähriger Holländer mit bekannter COPD und bullösem Emphysem hatte bereits in der Vergangenheit rezidivierend mit spon- tan aufgetretenen Pneumothoraces zu kämp- fen. Nun erfolgte die neuerliche Vorstellung in unserer Klinik, nachdem er wieder über Atemnot geklagt hatte. Röntgenologisch zeigte sich ein Rezidiv eines Pneumothorax. Eine Thoraxdrainage konnte problemlos an- legt werden, hierunter besserten sich auch die Beschwerden. Darauf angesprochen, ob ihm ein Auslöser bekannt wäre, antwortete der Patient offen und ehrlich: Er habe beim Fußball-WM-Spiel der holländischen Natio- nalmannschaft gegen Spanien (welches die Holländer ja bekanntlich mit 5:1 für sich ent- scheiden konnten) so stark geschrien, dass hierbei wohl eine Bulla „geplatzt“ sei. Wir haben den Patienten selbstredend das letzte Vorrundenspiel auf unserer Station an- schauen lassen. Holland wurde Gruppeners- ter. Der Patient bestand diesen Härtetest, es kam zu keiner Verschlechterung des Befun- des. Auch wenn es zum Glück für Holland nicht zum Weltmeistertitel gereicht hat, hat sich der Patient dann mit uns Deutschen über den Gewinn der WM gefreut. Völkerverständi- gung im Krankenhaus während der WM da- von könnten einige Menschen was lernen. Thomas Krause, Assistenzarzt, Reutlingen © NASA/JPL/Space Science Institute Das Saturnekzem - Eine Patientin, die ich seit längerem we- gen eines juckenden Ekzems behandle, be- hauptete, sie wisse ganz bestimmt, dass sie im Herbst beschwerdefrei sein werde. Auf meine erstaunte Nachfrage erklärte sie mir: „Schauen Sie, Frau Doktor, die Beschwerden sind mit dem Einfluss des Saturns über mein Sternbild gekommen, deswegen hilft auch keine Salbe und gar nichts ... und dieser Ein- fluss von Saturn sollte sich jetzt nach zwei Jahren im Herbst wieder auflösen, so steht es in den Sternen!“ Wieder was dazu gelernt die Sterne als neuer Placebo-Effekt? Im Herbst werde ich die Patientin jedenfalls nochmal genau be- fragen. Dr. med. Claudia Petroni, Brixen Omatitis - Die Mutter einer Schülerin wollte ein Schulattest für ihre Tochter haben. Sie hätte Kopfschmerzen gehabt und schrecklich übel sei ihr auch gewesen und deshalb hät- te sie nicht in die Schule gehen können. „Da muss die Prinzessin schon persön- lich vorbeikommen“ , klärte ich sie auf. Mutter und Tochter waren am nächsten Tag aus verschiedenen Stadtteilen im Ren- dezvousverfahren bei mir verabredet. Die Mutter wollte unbedingt mitkommen, ob- wohl das Mädchen schon alt genug, jedoch nicht volljährig war, um alleine in die Praxis zu kommen. Nun war bei ihr die 6. Stunde ausgefallen und sie kam eine Stunde früher ... ohne ihre Mutter. „Na, du hattest also gestern Kopfschmer- zen?“ Das junge Mädchen errötete und ant- wortete mit einem zögerlichen: „Ja ... und außerdem hatte meine Oma Geburtstag.“ Dr. med. Luise Hess, Darmstadt 10 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (14)

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WAS MMW-LESER ERLEBEN

GESCHICHTEN AUS DER PRAXIS

Folge 123

Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern.Senden Sie uns Ihre Geschichte an: [email protected]. Für jeden verö� entlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro.

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− Ein 62-jähriger Holländer mit bekannter COPD und bullösem Emphysem hatte bereits in der Vergangenheit rezidivierend mit spon-tan aufgetretenen Pneumothoraces zu kämp-fen. Nun erfolgte die neuerliche Vorstellung in unserer Klinik, nachdem er wieder über Atemnot geklagt hatte. Röntgenologisch zeigte sich ein Rezidiv eines Pneumothorax. Eine Thoraxdrainage konnte problemlos an-legt werden, hierunter besserten sich auch

die Beschwerden. Darauf angesprochen, ob ihm ein Auslöser bekannt wäre, antwortete der Patient o� en und ehrlich: Er habe beim Fußball-WM-Spiel der holländischen Natio-nalmannschaft gegen Spanien (welches die Holländer ja bekanntlich mit 5:1 für sich ent-scheiden konnten) so stark geschrien, dass hierbei wohl eine Bulla „geplatzt“ sei.

Wir haben den Patienten selbstredend das letzte Vorrundenspiel auf unserer Station an-

schauen lassen. Holland wurde Gruppeners-ter. Der Patient bestand diesen Härtetest, es kam zu keiner Verschlechterung des Befun-des. Auch wenn es – zum Glück – für Holland nicht zum Weltmeistertitel gereicht hat, hat sich der Patient dann mit uns Deutschen über den Gewinn der WM gefreut. Völkerverständi-gung im Krankenhaus während der WM – da-von könnten einige Menschen was lernen.Thomas Krause, Assistenzarzt, Reutlingen ■

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Das Saturnekzem

− Eine Patientin, die ich seit längerem we-gen eines juckenden Ekzems behandle, be-hauptete, sie wisse ganz bestimmt, dass sie im Herbst beschwerdefrei sein werde. Auf meine erstaunte Nachfrage erklärte sie mir: „Schauen Sie, Frau Doktor, die Beschwerden sind mit dem Ein� uss des Saturns über mein Sternbild gekommen, deswegen hilft auch keine Salbe und gar nichts ... und dieser Ein-

� uss von Saturn sollte sich jetzt nach zwei Jahren im Herbst wieder au� ösen, so steht es in den Sternen!“

Wieder was dazu gelernt – die Sterne als neuer Placebo-E� ekt? Im Herbst werde ich die Patientin jedenfalls nochmal genau be-fragen.

Dr. med. Claudia Petroni, Brixen ■

Omatitis

− Die Mutter einer Schülerin wollte ein Schulattest für ihre Tochter haben. Sie hätte Kopfschmerzen gehabt und schrecklich übel sei ihr auch gewesen und deshalb hät-te sie nicht in die Schule gehen können.

„Da muss die Prinzessin schon persön-lich vorbeikommen“ , klärte ich sie auf.

Mutter und Tochter waren am nächsten Tag aus verschiedenen Stadtteilen im Ren-

dezvousverfahren bei mir verabredet. Die Mutter wollte unbedingt mitkommen, ob-wohl das Mädchen schon alt genug, jedoch nicht volljährig war, um alleine in die Praxis zu kommen. Nun war bei ihr die 6. Stunde ausgefallen und sie kam eine Stunde früher ... ohne ihre Mutter.

„Na, du hattest also gestern Kopfschmer-zen?“

Das junge Mädchen errötete und ant-wortete mit einem zögerlichen: „Ja ... und außerdem hatte meine Oma Geburtstag.“

Dr. med. Luise Hess, Darmstadt ■

10 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (14)