Juristische Fallstricke bei der Sterbebegleitung Von Rechtsanwalt Udo Schieferstein Mainz.

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Juristische Fallstricke bei der SterbebegleitungJuristische Fallstricke bei der Sterbebegleitung

VonRechtsanwalt Udo Schieferstein

Mainz

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Keine Strafe ohne Gesetz (§ 1 StGB)Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Begehen durch Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB)

Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB)

Als Gehilfe wird bestraft, wer

vorsätzlich einem Anderen zu

dessen vorsätzlich begangener

rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB)

Wer eine andere Person körperlich

misshandelt oder an der Gesundheit

schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu

fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB)

Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Mord (§ 211 Abs. 2 StGB)Mörder ist, weraus Mordlust, zur Befriedigung desGeschlechtstriebes, aus Habgieroder sonst aus niedrigenBeweggründen,

heimtückisch oder grausam oder mitgemeingefährlichen Mitteln oder um eineandere Straftat zu ermöglichen oder zuverdecken, einen Menschen tötet.

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Heimtücke ist das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit eines Anderen in feindlicher Willensrichtung.

Arglos ist, wer sich zum Zeitpunkt der Tat keines Angriffs von Seiten des Täters versieht.

Wehrlos ist, aufgrund seiner Arglosigkeit keine oder nur eine reduzierte Verteidigungsmöglichkeit besitzt

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Strafrechtliche Grundlagen/DefinitionenStrafrechtliche Grundlagen/Definitionen

Tötung auf Verlangen

(§ 216 Abs.1 StGB)

Ist Jemand durch das ausdrückliche und

ernstliche Verlangen des Getöteten zur

Tötung bestimmt worden, so ist auf

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu

fünf Jahren zu erkennen.

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Exkurs:Exkurs:

Grundsätze der Bundesärztekammerzur ärztlichen Sterbebegleitung(Deutsches Ärzteblatt Jg. 108 Heft 7vom 18.02.2011).Bei der Vorstellung der neuen Grundsätzewurde darauf hingewiesen, dass in den letztenvierzig Jahren kein Arzt wegen Beihilfe zumSuizid verurteilt worden ist (Quelle: Ärzte Zeitung online vom 17.02.2011)Anmerkung: Geht an Problematik vorbei, da Selbstmordnicht strafbar ist

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Exkurs:Exkurs:

„Die Tötung des Patienten hingegen

ist strafbar, auch wenn sie auf

Verlangen des Patienten erfolgt“

(vgl. die Präambel der Grundsätze).

Anmerkung: Mißverständlich formuliert

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Exkurs:Exkurs:

„Die Mitwirkung des Arztes bei der

Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe“

(vgl. Präambel der Grundsätze)

In der Vorgängerfassung hieß es noch, dass

die Mitwirkung des Arztes an der Selbsttötung

dem „ärztlichen Ethos“ widerspreche.

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Exkurs:Exkurs:

Auf dem nächsten Deutschen Ärztetag in

Kiel soll Ende Mai 2011 über eine

mögliche Änderung des Berufsrechtes zur

aktiven Sterbehilfe diskutiert werden

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StrafrechtStrafrecht

1. Beschluss des

Bundesgerichtshofes (BGH) vom

17.03.2003 (Az.: XII ZB 2/03)

Patientenverfügungen binden den

Betreuer

Bindungswirkung für Ärzte blieb

strittig.

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Einstellung der künstlichen ErnährungEinstellung der künstlichen Ernährung

2. Beschluss des BGH vom 08.06.2005 Az.: XII ZR 177/03„Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit dembehandelnden Arzt, dass die künstliche Ernährung desbetreuten einwilligungsunfähigen Patienten eingestelltwird, so kann das Pflegeheim diesem Verlangenjedenfalls nicht den Heimvertrag entgegensetzen. Auchdie Gewissensfreiheit des Pflegepersonales rechtfertigtfür sich genommen die Fortsetzung der künstlichenErnährung in einem solchen Fall nicht…“

Grundentscheidung: Stärkung des Patientenwillens

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PatientenverfügungPatientenverfügung

3. Patientenverfügung (§ 1901 a BGB)

Diese Norm wurde durch das Dritte

Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom

29.07.2009 (BGBl I 2286) mit Wirkung ab

01.09.2009 in das BGB eingefügt.

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PatientenverfügungPatientenverfügung

§ 1901 a BGB lautet:„Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seinerEinwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte,zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbarbevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes,Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt, oder sieuntersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob dieseFestlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituationzutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen desBetreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. EinePatientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

Diese Regelung gilt unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung desBetreuten und die Vorschrift gilt analog für Bevollmächtigte.

Einwilligungsfähig ist derjenige, der die Art, Bedeutung und Tragweite des ärztlichenEingriffes erfassen kann.

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Patientenverfügung Patientenverfügung

Niemand ist verpflichtet, eine

Patientenverfügung zu treffen und die

Errichtung oder Vorlage

einer Patientenverfügung darf nicht zur

Bedingung eines Vertragsschlusses

gemacht werden (§ 1901 a Abs. 5 BGB).

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KonfliktfallKonfliktfall

Nach der Wertung des Gesetzes legt der

Arzt die Indikation fest und der

Bevollmächtigte oder der Betreuer

entscheidet im Sinne des Patienten.

Ein Gericht wird nur dann tätig, falls ein

Konfliktfall vorliegt. Ein Konfliktfall kann z.B.

dann vorliegen, falls der Arzt die Entscheidung

des Betreuers/Bevollmächtigten nicht mitträgt,

bzw. umsetzen will.

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ZuständigkeitZuständigkeit

Zuständigkeit: Amtsgericht

(Betreuungsgericht, bzw. Familiengericht)

Beispiele für Problemfälle:

Gilt die Betreuung/Bevollmächtigung

(noch)?

Auffindbarkeit der Patientenverfügung?

Es ist kein Betreuer/Bevollmächtigter

vorhanden.

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StrafrechtStrafrecht

Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) kann

auch durch Unterlassung begangen

werden. Wie wird die strafrechtliche

Trennungslinie zum Wunsch des

Patienten gemäß seiner

Patientenverfügung gezogen?

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StrafrechtStrafrecht

Muss ein Arzt den Willen des Patienten

auch dann beachten, falls eine

Heilungsmöglichkeit besteht?

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SStrafrechttrafrecht

4. BGH-Urteil vom 25.06.2010 – Az.: 2 StR 454/09:Sachverhalt: Der angeklagte Rechtsanwalthatte seiner Mandantin (Tochter der 1931geborenen Bewohnerin eines Pflegeheims, diesich seit Oktober 2002 im Wachkoma befand)nach dem mündlich geäußerten Wunsch derPatientin im September 2002, empfohlen, denSchlauch der PEG-Sonde derWachkomapatientin zu durchtrennen.

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StrafrechtStrafrecht

Nach der Durchtrennung wurde dies von

Heimmitarbeitern entdeckt und die Patientin in

ein Krankenhaus gebracht, in dem ihr eine neue

PEG-Sonde gelegt wurde.

Die Tochter der Patientin wurde nicht verurteilt,

da sie sich aufgrund des anwaltlichen Rates auf

einen unvermeidbaren Erlaubnisirrtum berufen

konnte

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StrafrechtStrafrecht

Der Rechtsanwalt wurde zunächst vom

Landgericht wegen gemeinschaftlich

begangenen versuchten Totschlages

durch aktives Tun verurteilt.

Vom BGH wurde der Rechtsanwalt

freigesprochen.

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StrafrechtStrafrecht

Der BGH betonte, dass die

Unterscheidung der straflosen Sterbehilfe

von der strafbaren Tötung eines

Menschen nicht lediglich auf

Äußerlichkeiten (unterlassen, aktives Tun)

gestützt werden kann.

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StrafrechtStrafrecht

Die Unterscheidung nach Äußerlichkeiten

werde dem Unterschied zwischen der auf

„Lebensbeendigung gerichteten Tötung

und Verhaltensweisen nicht gerecht, die

dem krankheitsbedingten Sterbenlassen

mit Einwilligung des Betroffenen seinen

Lauf lassen.“

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StrafrechtStrafrecht

Der auf die Unterlassung, bzw. die Beendigung einer nichtgewollten Behandlung gerichtete Patientenwille führtoftmals quasi dazu, dass zumindest (auch) ein aktives Tunbei der Umsetzung des Patientenwillens erforderlich ist.

Der BGH machte deshalb die Einschränkung, dass seineWertung nur dann gelten kann, falls eine Genesung desPatienten aus medizinischen Gründen nicht mehr erwartetwerden kann.

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StrafrechtStrafrecht

Zwischenergebnis:

Gesetzgebung und Rechtsprechung

haben längst noch nicht alle Probleme

entschieden, bzw. gelöst, die auf Ärzte

und Betreuer zukommen können.

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StrafrechtStrafrecht

Forderung:Gesetzgebung und Rechtsprechungmüssen eine genaue Richtschnurvorgeben, damit nicht z.B. infolge deskollusiven Zusammenwirkens von Arztund Betreuer „legale Morde“ möglichWerden und die noch offenen Fragestellungensinnvoll beantworten

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StrafrechtStrafrecht

Sonderproblem:

Betäubungsmittel: Auch die kürzlich geänderteBetäubungsmittelverschreibungsverordnung löst nichtdie Problematik der Betäubungsmittelabgabe anambulante Patienten, da lediglich in Hospizen einpatientenunabhängiger Vorrat an opiathaltigenSchmerzmitteln angelegt werden darf

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ZivilrechtZivilrecht

Selbst bei einer Straflosigkeit steht damit noch nichtfest, dass es nicht eventuell zu zivilrechtlichenAnsprüchen gegen den Arzt kommen kann.

Beispiel: Dem Nichterben stand ein Unterhaltsanspruch

gegen den Patienten zu.

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ZivilrechtZivilrecht

Der Nichterbe war aber weder Betreuer, noch Bevollmächtigter des Patienten und nicht in die Entscheidungsfindung hinsichtlich des Behandlungsabbruches eingebunden.

Stehen ihm Schadensersatzansprüche

wegen des entgangenen Unterhaltes zu?

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