"Kämpfer gegen das Chaos" – Virtuelle Projekträume (aus: architektur+technik 06/2010)
Click here to load reader
-
Upload
eric-sturm -
Category
Documents
-
view
391 -
download
1
description
Transcript of "Kämpfer gegen das Chaos" – Virtuelle Projekträume (aus: architektur+technik 06/2010)
KÄMPFER GEGEN DAS CHAOSB
ild: f
otol
ia.d
e, M
icha
el F
lippo
Behörden
Bauherr
Reprografie
Bild: fotolia.de, Bertold Werkmann
Wo war noch mal der Plan? Wer hat den zuletzt geändert? Welche Version hat der Handwerker bekommen? Gegen Organisationschaos in der Aus-führungsplanung und bei der Bauleitung sollen virtuelle Projekträume helfen, weil sie alle Beteiligten stets über den aktu-ellen Planungsstand informieren. In fünf Jahren wird kaum ein Projekt ohne diese Portale laufen, sagen Experten.Text: Barbara Hallmann
Projektraum
110 | Baupraxis | Virtuelle Projekträume a+t 6|10
BAUPRAXIS
Architekt
Fachplaner
Baufirmen
Sie heissen Plan-Box, Olmero, Sisonet oder
Documanagement. Hinter diesen Namen ver-
bergen sich virtuelle Projekträume, die die Kom-
munikation zwischen Architekten, Fachplanern,
Handwerkern und anderen am Bau Beteiligten
verbessern sollen. Das Grundprinzip: die Betei-
ligten speichern ihre Projektdokumente wie
Pläne oder Offerten auf einem gemeinsamen
Online-Portal, auf das alle zu jeder Zeit einen
passwortgeschützten Zugriff haben. Das ist vor
allem bei einem engen Zeitplan ein wesentli-
cher Vorteil. Der wohl wichtigste Vorteil: ist der
aktuellste Plan immer online abgelegt, entfällt
eine Menge E-Mail- und Telefonverkehr. Ist das
Gebäude fertiggestellt, dient der virtuelle Pro-
jektraum als Arbeitsmittel für die Bewirtschaf-
tung.
Ungeliebte InnovationDas alles klingt nach einer echten Arbeitserleich-
terung im Planungs- und Baualltag, nach Zeit-
ersparnis und geringeren Kosten. «Die Platt-
formen übernehmen vor allem zeitraubende,
stupide Routineaufgaben», sagt Architekt Eric
Sturm, der Workshops zu virtuellen Projekträu-
men leitet. Das betrifft vor allem die Protokol-
lierung – schliesslich dokumentiert die Software
genau, wer wann welches Dokument geändert
hat. Darüber hinaus ist eine lückenlose Versio-
nen-Archivierung gewährleistet, das heisst, auch
ältere Versionen der Pläne bleiben gespeichert.
Die Benutzer können die Dokumente zeitwei-
lig mit einem Schreibschutz versehen, in der
Sprache der Projekträume heisst das Check-in/
Check-out-Funktion. Generell lassen sich Lese-
und Schreibrechte für einzelne Benutzer oder
Benutzergruppen vom Projektleiter freigeben
oder sperren. Die Projekträume sind übers Inter-
net und damit prinzipiell von jedem Computer
zugänglich – sei es nun vom Büro, von der Bau-
stelle oder von zu Hause aus.
Dennoch haben es die Anbieter zurzeit noch
schwer, sich in Architekturbüros beliebt zu
machen. Die Gründe liegen weniger bei den virtu-
ellen Projekträumen selbst, als in der bestehen-
den Arbeitsorganisation von Architekten und
Handwerkern: wie und wo man seine Pläne
gewöhnlich speichert, ist nicht unbedingt kom-
patibel mit dem System des virtuellen Projekt-
raums. Das bezieht sich unter anderem auf die
Eigenschaften virtueller Projektraum
Siso
net
Pla
n-B
ox
Cop
ytre
nd
Doc
uman
agem
ent
Olm
ero
Aufgabenmanagement für die einzelnen Parteien x - - x
Baufortschrittsdokumentation integriert x x - x
Mängelmanagementbereich vorhanden x -1 - x
Ausschreibungsmodul integriert - x - x
Online-Meeting-Möglichkeit vorhanden x - - x
SMS-Integration x - - x
Fax-Integration - - - x
Reproservice / Planbestellung - x2 x3 x
Spezieller Fotobereich vorhanden x - o x
Integration einer Webcam möglich - - o x
SSL-verschlüsselte Datenübermittlung o x o x
Anzahl Sprachen der Plattform 54 35 - 46
x vorhanden o möglich - nicht vorhanden
1 befindet sich laut Anbieter in Entwicklung2 jedes CH-Reprocenter und Baustellendrucker integrierbar3 kurze Lieferfristen durch dezentrale Reprocenter
4 Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch5 Englisch, Deutsch, Französisch6 Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch
6|10 a+t Virtuelle Projekträume | Baupraxis | 111
Kleine Projekte virtuell organisieren
Die Investition in einen virtuellen Projektraum
lohnt sich nur bei einer Bausumme ab etwa 15
Millionen Franken. Kleinere Bauprojekte las-
sen sich dagegen mit kostengünstigen Inter-
netplattformen recht effektiv handhaben, auch
wenn diesen Systemen bautypische Funktio-
nen wie Planbestellung oder Ausschreibungs-
module meist fehlen.
Beispiele sind das momentan noch kosten-
lose sixbee.de, das Portal plan.io oder auch
woobius.com. Wer einfach nur grosse Dateien
übermitteln muss, und das seinem eigenen
oder dem Mail-Account der Projektpartner
nicht zumuten möchte, ist mit dem kostenlo-
sen, unkomplizierten Tool drop.io gut bedient.
(Quelle: Eric Sturm / www.internet-fuer-ar-
chitekten.de)
Vergabe von Dateinamen und
die Tatsache, dass vor Feierabend
die aktuellste Version des Plans eben noch
auf den Server geladen werden muss, statt sie
nur lokal zu speichern. Eric Sturm kennt die
Reaktionen aus seinen Seminaren: «Es ist wie
immer bei der Einführung einer neuen Techno-
logie. Zuerst stösst man eben auf Widerstand.»
Verhasste TransparenzDie Folgen dieses Widerstands muten gera-
dezu grotesk an: Manche Benutzer verschicken
weiterhin zusätzlich Hardcopys per Post, teils
aus mangelndem Vertrauen in den virtuellen
Projektraum, teils, weil die virtuelle Welt eben
doch zu unverbindlich scheint und die Beteilig-
ten das Portal nicht regelmässig von selbst auf
neue Dokumente prüfen oder nicht auf die SMS
reagieren, die sie über einen neu hochgeladenen
Plan informiert. Dann bringt der virtuelle Projekt-
raum einen deutlichen Mehraufwand mit sich,
statt zu entlasten. Es wird deutlich: Entscheidet
sich ein Büro für eine solche Form der Organisa-
tion, geht es nicht ohne eine fundierte Schulung
für alle Beteiligten, also ein überlegtes Change
Management. Solange aber für jedes Projekt
ein anderes Programm zum Einsatz kommt und
auch kleinere Reprobüros eigene Server für das
Dokumentenmanagement bereitstellen, wird
die Akzeptanz der virtuellen Projekträume nicht
steigen. Dozent Eric Sturm hat aber noch einen
Tipp: Die Ver-
pflichtung, mit
dem virtuellen Projektraum
zu arbeiten, sollte auch in den Ver-
trägen festgehalten werden – so gibt es spä-
ter keine Ausreden in der Art von «Da hab ich
mich nicht eingeloggt. Warum auch?».
Ein Problem allerdings wird bleiben. Das Argu-
ment einer höheren Transparenz im Bauprozess
dank virtueller Projekträume wird von manchen
Beteiligten nicht nur als Vorteil betrachtet. Wenn
nämlich alle Vorgänge lückenlos dokumentiert
sind, ist schliesslich auch ganz genau nachvoll-
ziehbar, wer seine Termine nicht einhält. Solche
unabsichtlichen Versehen mahnen die meisten
Portale übrigens auch gleich automatisch an. n
So kann die Bedienoberfläche eines
virtuellen Projektraums aussehen.
Bild Laptop: fotolia.de, Tobias Stinner
Screenshot: zvg
112 | Baupraxis | Virtuelle Projekträume a+t 6|10