"Kämpfer gegen das Chaos" – Virtuelle Projekträume (aus: architektur+technik 06/2010)

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Beitrag von Barbara Hallmann über Einsatzmöglichkeiten und Vorteile von Virtuellen Projekträumen für Bau- bzw. Architekturprojekte.

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KÄMPFER GEGEN DAS CHAOSB

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Behörden

Bauherr

Reprografie

Bild: fotolia.de, Bertold Werkmann

Wo war noch mal der Plan? Wer hat den zuletzt geändert? Welche Version hat der Handwerker bekommen? Gegen Organisationschaos in der Aus-führungsplanung und bei der Bauleitung sollen virtuelle Projekträume helfen, weil sie alle Beteiligten stets über den aktu-ellen Planungsstand informieren. In fünf Jahren wird kaum ein Projekt ohne diese Portale laufen, sagen Experten.Text: Barbara Hallmann

Projektraum

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BAUPRAXIS

Architekt

Fachplaner

Baufirmen

Sie heissen Plan-Box, Olmero, Sisonet oder

Documanagement. Hinter diesen Namen ver-

bergen sich virtuelle Projekträume, die die Kom-

munikation zwischen Architekten, Fachplanern,

Handwerkern und anderen am Bau Beteiligten

verbessern sollen. Das Grundprinzip: die Betei-

ligten speichern ihre Projektdokumente wie

Pläne oder Offerten auf einem gemeinsamen

Online-Portal, auf das alle zu jeder Zeit einen

passwortgeschützten Zugriff haben. Das ist vor

allem bei einem engen Zeitplan ein wesentli-

cher Vorteil. Der wohl wichtigste Vorteil: ist der

aktuellste Plan immer online abgelegt, entfällt

eine Menge E-Mail- und Telefonverkehr. Ist das

Gebäude fertiggestellt, dient der virtuelle Pro-

jektraum als Arbeitsmittel für die Bewirtschaf-

tung.

Ungeliebte InnovationDas alles klingt nach einer echten Arbeitserleich-

terung im Planungs- und Baualltag, nach Zeit-

ersparnis und geringeren Kosten. «Die Platt-

formen übernehmen vor allem zeitraubende,

stupide Routineaufgaben», sagt Architekt Eric

Sturm, der Workshops zu virtuellen Projekträu-

men leitet. Das betrifft vor allem die Protokol-

lierung – schliesslich dokumentiert die Software

genau, wer wann welches Dokument geändert

hat. Darüber hinaus ist eine lückenlose Versio-

nen-Archivierung gewährleistet, das heisst, auch

ältere Versionen der Pläne bleiben gespeichert.

Die Benutzer können die Dokumente zeitwei-

lig mit einem Schreibschutz versehen, in der

Sprache der Projekträume heisst das Check-in/

Check-out-Funktion. Generell lassen sich Lese-

und Schreibrechte für einzelne Benutzer oder

Benutzergruppen vom Projektleiter freigeben

oder sperren. Die Projekträume sind übers Inter-

net und damit prinzipiell von jedem Computer

zugänglich – sei es nun vom Büro, von der Bau-

stelle oder von zu Hause aus.

Dennoch haben es die Anbieter zurzeit noch

schwer, sich in Architekturbüros beliebt zu

machen. Die Gründe liegen weniger bei den virtu-

ellen Projekträumen selbst, als in der bestehen-

den Arbeitsorganisation von Architekten und

Handwerkern: wie und wo man seine Pläne

gewöhnlich speichert, ist nicht unbedingt kom-

patibel mit dem System des virtuellen Projekt-

raums. Das bezieht sich unter anderem auf die

Eigenschaften virtueller Projektraum

Siso

net

Pla

n-B

ox

Cop

ytre

nd

Doc

uman

agem

ent

Olm

ero

Aufgabenmanagement für die einzelnen Parteien x - - x

Baufortschrittsdokumentation integriert x x - x

Mängelmanagementbereich vorhanden x -1 - x

Ausschreibungsmodul integriert - x - x

Online-Meeting-Möglichkeit vorhanden x - - x

SMS-Integration x - - x

Fax-Integration - - - x

Reproservice / Planbestellung - x2 x3 x

Spezieller Fotobereich vorhanden x - o x

Integration einer Webcam möglich - - o x

SSL-verschlüsselte Datenübermittlung o x o x

Anzahl Sprachen der Plattform 54 35 - 46

x vorhanden o möglich - nicht vorhanden

1 befindet sich laut Anbieter in Entwicklung2 jedes CH-Reprocenter und Baustellendrucker integrierbar3 kurze Lieferfristen durch dezentrale Reprocenter

4 Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch5 Englisch, Deutsch, Französisch6 Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch

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Kleine Projekte virtuell organisieren

Die Investition in einen virtuellen Projektraum

lohnt sich nur bei einer Bausumme ab etwa 15

Millionen Franken. Kleinere Bauprojekte las-

sen sich dagegen mit kostengünstigen Inter-

netplattformen recht effektiv handhaben, auch

wenn diesen Systemen bautypische Funktio-

nen wie Planbestellung oder Ausschreibungs-

module meist fehlen.

Beispiele sind das momentan noch kosten-

lose sixbee.de, das Portal plan.io oder auch

woobius.com. Wer einfach nur grosse Dateien

übermitteln muss, und das seinem eigenen

oder dem Mail-Account der Projektpartner

nicht zumuten möchte, ist mit dem kostenlo-

sen, unkomplizierten Tool drop.io gut bedient.

(Quelle: Eric Sturm / www.internet-fuer-ar-

chitekten.de)

Vergabe von Dateinamen und

die Tatsache, dass vor Feierabend

die aktuellste Version des Plans eben noch

auf den Server geladen werden muss, statt sie

nur lokal zu speichern. Eric Sturm kennt die

Reaktionen aus seinen Seminaren: «Es ist wie

immer bei der Einführung einer neuen Techno-

logie. Zuerst stösst man eben auf Widerstand.»

Verhasste TransparenzDie Folgen dieses Widerstands muten gera-

dezu grotesk an: Manche Benutzer verschicken

weiterhin zusätzlich Hardcopys per Post, teils

aus mangelndem Vertrauen in den virtuellen

Projektraum, teils, weil die virtuelle Welt eben

doch zu unverbindlich scheint und die Beteilig-

ten das Portal nicht regelmässig von selbst auf

neue Dokumente prüfen oder nicht auf die SMS

reagieren, die sie über einen neu hochgeladenen

Plan informiert. Dann bringt der virtuelle Projekt-

raum einen deutlichen Mehraufwand mit sich,

statt zu entlasten. Es wird deutlich: Entscheidet

sich ein Büro für eine solche Form der Organisa-

tion, geht es nicht ohne eine fundierte Schulung

für alle Beteiligten, also ein überlegtes Change

Management. Solange aber für jedes Projekt

ein anderes Programm zum Einsatz kommt und

auch kleinere Reprobüros eigene Server für das

Dokumentenmanagement bereitstellen, wird

die Akzeptanz der virtuellen Projekträume nicht

steigen. Dozent Eric Sturm hat aber noch einen

Tipp: Die Ver-

pflichtung, mit

dem virtuellen Projektraum

zu arbeiten, sollte auch in den Ver-

trägen festgehalten werden – so gibt es spä-

ter keine Ausreden in der Art von «Da hab ich

mich nicht eingeloggt. Warum auch?».

Ein Problem allerdings wird bleiben. Das Argu-

ment einer höheren Transparenz im Bauprozess

dank virtueller Projekträume wird von manchen

Beteiligten nicht nur als Vorteil betrachtet. Wenn

nämlich alle Vorgänge lückenlos dokumentiert

sind, ist schliesslich auch ganz genau nachvoll-

ziehbar, wer seine Termine nicht einhält. Solche

unabsichtlichen Versehen mahnen die meisten

Portale übrigens auch gleich automatisch an. n

So kann die Bedienoberfläche eines

virtuellen Projektraums aussehen.

Bild Laptop: fotolia.de, Tobias Stinner

Screenshot: zvg

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