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444 JAHRE HOF- UND STAATSKAPELLE KAMMERKONZERT VII »BEI KROLL« Ensemble variazione VIOLINE Susanne Schergaut | Christian Trompler VIOLA Katrin Schneider VIOLONCELLO Johanna Helm KLARINETTE Matthias Glander HORN Axel Grüner FAGOTT Ingo Reuter KLAVIER Frank-Immo Zichner Igor Strawinsky 1882–1971 Septett für Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Klavier I. [ohne Satzbezeichnung] | II. Passacaglia | III. Gigue Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791 Quintett A-Dur KV 581 für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello I. Allegro | II. Larghetto | III. Menuetto – Trio I – Trio II IV. Allegretto con variazioni PAUSE Paul Hindemith 1895–1963 Quartett für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier I. Mäßig bewegt | II. Sehr langsam | III. Mäßig bewegt Mittwoch | 23. April 2014 | 20 Uhr | ROTES RATHAUS Die Kammermusik-Reihe der Staatskapelle Berlin im Roten Rathaus wird unterstützt von RICOLA. KAMMERKONZERT VII »BEI KROLL« KOMPONISTEN DER KROLLOPER ENSEMBLE VARIAZIONE 23. APRIL 2014

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444 Jahre hof- und StaatSkapelleKammerKonzert VII

»Bei kroll« Ensemble variazioneVIolIne Susanne Schergaut | Christian TromplerVIola Katrin SchneiderVIoloncello Johanna HelmKlarInette Matthias GlanderHorn Axel GrünerFagott Ingo ReuterKlaVIer Frank-Immo Zichner

Igor Strawinsky 1882–1971Septett für klarinette, horn, fagott, Violine, Viola, Violoncello und klavierI. [ohne Satzbezeichnung] | II. Passacaglia | III. Gigue

Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791Quintett a-dur kV 581 für klarinette, zwei Violinen, Viola und VioloncelloI. Allegro | II. Larghetto | III. Menuetto – Trio I – Trio IIIV. Allegretto con variazioni

pa u S e

Paul Hindemith 1895–1963Quartett für klarinette, Violine, Violoncello und klavierI. Mäßig bewegt | II. Sehr langsam | III. Mäßig bewegt

Mittwoch | 23. april 2014 | 20 uhr | roteS rathauS

die kammermusik-reihe der Staatskapelle Berlin im roten rathaus wird unterstützt von riCola.

kammerkonzert VII

»bei Kroll«Komponisten der

Krolloperensemble Variazione

23. april 2014

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»es gibt in Berlin eine neue Sensation. das ist der ›fidelio‹, mit dem

klemperer seine tätigkeit als direktor der Staatsoper am platz der republik

eröffnete. eine reformatorische tat. Sie wirkte reinigend. Sie fegte Schlam-

perei und Mimenroutine hinweg, die seit Jahrzehnten das kunstwerk über-

wucherten. ein ›fidelio‹ ohne theatralischen pathos, ohne bombastisches

Geschluchze, ohne biedermännische Banalitäten, ohne naturalistische

peinlichkeiten. Man glaubt, ein neues Werk zu hören. die strenge Monu-

mentalität ist erschütternd.« So lauteten heinrich Strobels lobende Worte

in der Thüringer Allgemeinen Zeitung nach der neueröffnung der »krolloper«

im herbst 1927 unter der musikalischen leitung von otto klemperer. die

reaktionen auf die entscheidung, das »kroll-etablissement« als zweite

Spielstätte der Staatsoper unter den linden einzurichten, waren jedoch

geteilt. Besonders Verfechter eines konventionellen opernbetriebs und

einer konventionellen Ästhetik sträubten sich gegen klemperers offen-

sichtliche Vorliebe für zeitgenössische komponisten und selten gespielte

Stücke. der zu seinem amtsantritt 42-jährige komponist und dirigent

wollte weg von einer repertoire-oper, die ohne größere Sorgfalt einstu-

diert, nachlässig inszeniert und zugleich jedoch luxuriös ausgestattet wor-

den war. er erwartete eine vorurteilslose einstellung zu alten und neuen

Werken, zu den bekannten wie den weniger bekannten.

»Bei Kroll«Komponisten der Krolloper Camilla Loeff ler Berg

‹‹‹ Die Staatsoper am Platz der Republik, die sogenannte »krolloper« postkarte um 1930

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»Bei kroll«

Igor Strawinsky: Septett

klemperer führte viele Werke zeitgenössischer komponisten auf.

oft wirkten diese selbst als Solisten mit oder waren bei den einstudie-

rungen anwesend. in einer probe für eine konzertante aufführung von

Strawinskys Ballett Apollon Musagète war der komponist selbst vor ort. der

Geiger Max Strub erinnerte sich: »Strawinsky selbst saß in einer der par-

kettreihen und verfolgte intensiv die probe. an einer Stelle rief er plötzlich:

›hören Sie, klemperer, nehmen sie pünktlich Metronom 108, Sie haben

112!‹ klemperer korrigierte sofort das minimal abweichende tempo, und

in der pause löste unser witziger Jokl [gemeint ist der an der krolloper

beschäftigte korrepetitor und dirigent ernst Jokl] das problem mit den

Worten: ›ach wissen Sie, der Strawinsky hat halt ein Metronom verschluckt,

und jedes Mal wenn er ein anderes tempo hört, stößt es ihm auf.‹«

Von igor Strawinsky wurden unter anderem die Bühnenwerke Oedipus Rex,

Mavra, Petruschka und die Geschichte vom Soldaten auf der opernbühne aufge-

führt. auch in klemperers erfolgreichen Sinfonie- und kammerkonzerten

standen zahlreiche Werke Strawinskys auf dem programm. rund zwanzig

Jahre nach der krolloper-Ära entstand 1952/53 igor Strawinskys Septett für

klarinette, horn, fagott, Violine, Viola, Violoncello und klavier. igor Stra-

winsky machte 1949 eine Begegnung, die seinen kompositionsstil nachhal-

tig beeinflussen sollte: er lernte den 26-jährigen robert Craft kennen, der

bis zu seinem tod sein assistent, Sekretär und Gesprächspartner blieb. der

junge Musiker leitete die new Yorker Chamber Society und machte Stra-

winsky mit der Musik der Wiener Schule vertraut. der 70-jährige kompo-

nist war besonders von den kompositionen anton Weberns angetan. er

verglich die Musik des Schönberg-Schülers mit einem geschliffenen dia-

manten. Bis zu der Bekanntschaft mit robert Craft schien ihn die Musik der

Wiener Schule jedoch nicht sonderlich zu interessieren, im Gegenteil: er

vermied lange, den namen Schönberg auch nur zu benutzen und sich über

seine Musik zu äußern. Strawinsky und Schönberg waren nicht gut auf-

die existenz der krolloper, die offiziell »Staatsoper am platz der republik«

hieß und sich in unmittelbarer nähe des reichstags am Südrand des Ber-

liner tiergartens befand, fiel in eine Zeit großer geistiger, politischer und

wirtschaftlicher unruhen, zugleich aber auch in die später legendenhaft

verklärten »Goldenen Zwanziger«. nur wenige Jahre, vom herbst 1927 bis

zum Juli 1931, bestand sie als eigenständige institution. Bereits anfang

Januar 1930 wurde die geplante Schließung der krolloper bekannt gege-

ben: »die kroll-oper und das Schiller-theater hatten im abgeschlossenen

Jahr 1928, wie dem unterausschuß für theaterfrage nachgewiesen wurde,

einen ausgabenetat von zusammen 4.237.300 rM. diese ausgaben können

erspart und die einnahmen beider häuser der oper unter den linden und

dem Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zugeführt werden, wenn die

kroll-oper und das Schiller-theater geschlossen werden.«

die Schließung erfolgte aus wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen

Gründen am 3. Juli 1931. das künstlerische potential des hauses wurde zu

spät entdeckt: »Jetzt, da klemperers theater unmittelbar vor der auflösung

stand, erkannte man plötzlich, was die institution, trotz all ihrer unzuläng-

lichkeiten repräsentiert hatte. eine Zeitung nach der anderen wies auf

ihren einheitlichen Stil, ihr starkes ensemble und ihr kühnes repertoire

hin und betonte gleichzeitig, wie sehr sie in diesen drei punkten der

lindenoper wie der Städtischen oper merklich überlegen war.«

die krolloper hatte in den vier Jahren ihres Bestehens ebenso viele freunde

wie feinde gewonnen. um otto klemperer bildete sich ein kreis von Musi-

kern und intellektuellen, die wesentlich zur anregenden atmosphäre des

instituts beitrugen. häufige Gäste waren kurt Weill, den man fast als einen

Berater bezeichnen könnte, paul dessau, igor Strawinsky, paul hindemith,

Josef Matthias hauer und darius Milhaud.

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StraWinSkY

einander zu sprechen – und ihre anhänger verfingen sich häufig in hef-

tigen debatten. die Vertreter der Wiener Schule kritisierten Strawinskys

von der russischen folklore inspirierten Werke ebenso wie jene aus seiner

neoklassizistischen phase der 1920er bis 1940er Jahre. »klemperer und

andere von unseren freunden versuchten, uns zusammenzubringen, aber

erst nach 1948 schien eine Begegnung möglich. Zum letzten Mal sah ich

Schönberg im Jahre 1949 …«, erinnerte sich Strawinsky später.

umso bemerkenswerter ist es, dass er, ein Jahr nach dem tod Schönbergs

1952 die komposition eines Septetts beginnt, in welchem er erstmals die

Zwölftontechnik (dodekaphonie) zur anwendung bringt. Zusätzlich zu der

neuen reihentechnik nutzt Strawinsky eine art »Schablonentechnik«,

indem er einzelne musikalische Bausteine – rhythmische oder melo-

dische – in verschiedensten kombinationen anordnet.

in seinem Septett für Bläser, Streicher und klavier wird die neue Stilistik

ebenso anspruchsvoll wie spielerisch vorgestellt. Zu Beginn des ersten

Satzes stellt die klarinette das thema vor, welches anschließend von den

anderen instrumenten aufgenommen wird und durch die einzelnen Stim-

men wandert. Strawinsky verwendet die primären ableitungen der

Grundreihe (umkehrung, krebs, augmentation, diminution) ganz nach

dem prinzip der »alten Schule«. in der passacaglia erklingt zu dem anfangs-

thema in variierter form eine immer wiederkehrende Basslinie, welche

eine Zwölftonreihe enthält. auch in der abschließenden Gigue wird diese

Basslinie als thema einer doppelfuge verwendet.

‹‹‹ Igor Strawinsky am Klavier, 1952

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MoZart

gleich. aber schon Wagner beginnt im szenischen Sinn ›alt‹ zu werden, und

Mozart, Gluck, händel machen wir alle, auf jeder Bühne, anders. und in der

krolloper erwartet man von vornherein etwas andres, es darf radikal neu

sein, wenn es nur auch radikal richtig ist, wenn es überzeugt.«

als im dezember 1789 Mozarts Quintett für klarinette, zwei Violinen, Viola

und Violoncello im rahmen eines Weihnachtskonzertes der Wiener ton-

künstler-Societät uraufgeführt wurde, war die Musik noch nicht »alt«, im

Gegenteil. es war eine von Mozart neu geschaffene form, dem Streicher-

quartett die klarinette, das jüngste orchesterinstrument, hinzuzufügen.

das klarinettenquintett nannte man auch »Stadler Quintett«, da Mozart es

ebenso wie sein klarinettenkonzert in a-dur für den klarinettisten der Wie-

ner kaiserlichen hof-Musikkapelle anton Stadler schrieb. Mozart mochte

das stimmähnliche timbre der klarinette, zudem inspirierte ihn das kunst-

volle Spiel Stadlers. Zusammen mit ihm und dem instrumentenbauer theo-

dor lotz entwickelte Mozart eine Bassettklarinette, deren Stimmumfang in

Wolfgang Amadeus Mozart: Klarinettenquintett A-Dur KV 581

der dirigent otto klemperer wurde vor allem für die aufführungen

zeitgenössischer Werke vom feuilleton und dem publikum geschätzt, aber

auch aufführungen von Musik älterer komponisten fanden ihren platz im

Spielplan der krolloper. »das klassische Musikgut von Bach bis Bruckner

und die klassiker der frühmoderne – Mussorgsky, Strauss, Mahler, debussy,

ravel – bildeten den Grundstock. einschließlich solcher Standardwerke,

die im Geruch des abgespieltseins standen. das faszinierende war die

fähigkeit klemperers, diese Werke wie neu erscheinen zu lassen.« (hans

Curjel, dramaturg an der krolloper)

als otto klemperer im September 1927 seinen Zehnjahresvertrag als Gene-

ralmusikdirektor unterschrieb und die proben zu Beethovens Fidelio began-

nen, gab er in den ersten Monaten bereits konzerte mit der Berliner Staats-

kapelle, die sowohl unter den linden als auch in der krolloper spielte. So

erklang beim ersten Sinfoniekonzert klemperers am 30. September 1927

Bachs orchestersuite in d-dur, das klavierkonzert d-Moll kV 466 von

Mozart und als erstaufführung die damals noch sehr neue Sinfonietta von

Janáček. es war eine Spezialität klemperers, epochenübergreifende

konzert abende zu gestalten und die Werke vom Staub vergangener Zeiten

zu befreien. Seine konzertabende waren ein »Bekenntnis zur unsympho-

nischen, zur spielfrohen, zur reinen Musik, die uns nach allen kämpfen des

19. Jahrhunderts als neues Ziel aufleuchtet.« Von Mozart dirigierte klem-

perer nicht nur Sinfonien und konzerte, sondern brachte auch seine opern

Don Giovanni, Die Zauberflöte und Die Hochzeit des Figaro auf die Bühne.

in einer kritik über klemperers inszenierung der Zauberflöte heißt es: »Je

älter ein Werk wird, desto mehr befreit es sich von dem Zwang konventio-

nellen, historischen Szenenstils. den ›rosenkavalier‹ machen wir alle

Blick in den Wiener Augarten, 1780er Jahre ›››

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MoZart

der tiefe bis zum C erweitert wurde. auch das Quintett in a-dur wurde für

Bassklarinette und Streichquartett geschrieben. da Mozarts autographen

verloren gingen, wird heute meistens die Version für normale klarinette

gespielt. die Verbindung zweier unterschiedlicher klangfarben, der war-

men, weichen, dunklen der klarinette und die der homogenen, ausdrucks-

starken des Streichquartetts machen den besonderen reiz des Werkes aus.

Bereits im eröffnenden Sonatensatz hört man, wie gut sich die klangfarben

mischen. Sobald ein instrument die führung übernimmt, folgt die ablö-

sung durch eine andere Stimme. im zweiten Satz, dem larghetto, über-

nimmt die klarinette mit dem Gesangsthema die führung und wird bei

ihrer entfaltung von den Streichern unterstützt. das Menuett ist mit zwei

trios gekoppelt, von denen das erste nur von den Streichern musiziert

wird. im zweiten trio darf die klarinette dann wieder die hauptrolle über-

nehmen. der letzte Satz, ein allegro con variazioni, besteht aus einem

beschwingten thema, das in sechs Variationen erklingt. Jedes instrument

ist mit einem Solo an den Variationen des tänzerischen themas beteiligt.

So kann die klarinette ihre gesamte klangliche Spannweite und ausdrucks-

möglichkeiten unter Beweis stellen. in der dritten Variation in Moll über-

nimmt die Viola die führung. in der uraufführung war dies wahrscheinlich

Mozarts eigenes Solo, da er in seinen späten Jahren bei kammermusikauf-

führungen oft die Bratsche, sein lieblingsstreichinstrument, spielte.

Paul Hindemith: Quartett für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier

auch paul hindemith war ein freund otto klemperers und der

krolloper. in einer umfrage des Berliner Börsen-Couriers von 1929 sagt er über

die geplante Schließung: »klemperer und sein theater sind für uns unent-

behrlich. unser nicht von Gesundheit strotzendes Musikleben braucht eine

Stelle, an der versucht werden kann, unseren opernbetrieb auf eine andere

Grundlage zu stellen. der Musiker braucht ein theater wie dieses, das ihm

wie kein anderes auf der Welt die Garantie bietet, daß sein Stück so aufge-

führt wird, wie er es haben will.« in der krolloper wurden hindemiths

opern Cardillac, Neues vom Tage und Hin und Zurück aufgeführt. es gab zahl-

reiche konzertabende, bei denen hindemiths kammermusik erklang. in

der ersten Spielzeit der krolloper spielte hindemith selbst den Solopart in

seinen Bratschenkonzerten op. 36 nr. 4 und op. 48. ebenso wurde seine

konzertmusik für Blasorchester, die hindemith anlässlich der donau-

eschinger Musiktage komponierte und seine konzertmusik für klavier,

Blechbläser und harfen op. 49 aufgeführt.

ein wenig später, 1933/34, entfachte die erfolgreiche aufführung der Sinfo-

nie Mathis der Maler einen öffentlich ausgetragenen Streit um die person

hindemith und seine Musik. nach einer aufführung der Sonate in e für

Geige und klavier wurden hindemiths Werke als »bolschewistisch« einge-

stuft und verboten. hindemith erhielt im nationalsozialistischen deutsch-

land keine aufführungsangebote mehr und komponierte nun gewisserma-

ßen »private« Musik. Sein theoretisches hauptwerk Unterweisung im Tonsatz,

welches 1937 erschien, kann man als antwort auf den Vorwurf, er sei ein

»theoretiker der atonalität« und »Bannerträger des Verfalls« verstehen. auf

der berüchtigten ausstellung »entartete Musik« in düsseldorf wurde hin-

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hindeMith

demith und sein Werk vorgestellt. im Jahr 1938 emigrierte paul hindemith

in die Schweiz, wo er das in den uSa begonnene Quartett für klarinette,

Violine, Violoncello und klavier fertigstellte. das Quartett ist in zehn Jah-

ren das einzige ensemblewerk, das er komponierte. Von 1936 bis 1943

schuf hindemith einen Sonatenzyklus für jedes orchesterinstrument und

klavier, einschließlich einer Sonate für kontrabass und tuba. in diesem

Zyklus der Streicher- und Bläsersonaten, setzt er sich mit den technischen

Vorraussetzungen und Möglichkeiten der einzelnen instrumente und

deren spezifischen klangfarben auseinander. das Quartett ist somit Zeug-

nis einer Zeit des Wandels.

der erste Satz beginnt sehr ruhig. das klavier stellt solistisch das haupt-

thema vor, welches in der kirchentonart phrygisch steht und an einen

abschiedsgesang erinnert. auch die anderen Stimmen nehmen das thema

auf und erklingen im dialog. Jazzige rhythmen und harmonien zeigen,

dass die amerikareise zu Beginn des Jahres nicht spurlos an hindemith

vorübergegangen ist. der zweite Satz beginnt mit einem melancholischen

Gesang der klarinette in sehr hoher lage. hell-dunkel-kontraste bestim-

men den »sehr langsamen« Satz. das finale ist in vier abschnitte unterteilt,

die durch die themen des anfangs miteinander verbunden sind. die urauf-

führung im april 1939 in new York, bei der vor allem Musiker des Boston

Symphony orchestra mitwirkten, machte den kammermusikkomponisten

hindemith auch in der »neuen Welt« bekannt.

‹‹‹ Paul Hindemith bei der Arbeit, 1942

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BioGraphien

Ensemble variazionedas aus Mitgliedern der Staatskapelle Berlin bestehende ensemble

variazione geht auf eine Gründung der 1980er Jahre zurück. unter dem

namen »neue kammermusikvereinigung Berlin« wurde damals eine for-

mation ins leben gerufen, die sich in wechselnden Besetzungen anspruchs-

vollen Werken der kammermusik widmete.

Je nach den erfordernissen des repertoires wird dabei ein Stamm aus

Streichquintett und Solo-Bläsern um weitere Musiker ergänzt. die bewusst

offene, variierende Besetzung des ensembles ermöglicht es, kammermusi-

kalische literatur einer großen Bandbreite einzustudieren und aufzufüh-

ren – in nahezu allen Zusammenstellungen von Streichern, Bläsern und

klavier.

das ensemble variazione konzipiert und präsentiert in der regel einmal

pro Saison ein kammerkonzert. hierbei widmen sich die Musiker sowohl

kompositionen der Vorklassik und klassik als auch Werken aus romantik

und Moderne.

Susanne Schergautbesuchte die Spezialschule für Musik in Berlin und studierte

anschließend bei prof. lothar friedrich und prof. Werner Scholz an der

Berliner Musikhochschule »hanns eisler«. Seit 1983 ist sie Mitglied der

1. Violinen der Staatskapelle Berlin.

Susanne Schergaut widmet sich engagiert der kammermusik, seit 1987 in

der neuen kammermusikvereinigung Berlin, die sich später in ensemble

variazione umbenannte. Musik für gemischte Besetzungen aus Streichern,

Künstlerbiographien Bläsern und klavier aus drei Jahrhunderten sind programm für diese Verei-

nigung von Musikern der Staatskapelle.

Susanne Schergaut ist seit 1987 Stellvertretende konzertmeisterin im kam-

merorchester Carl philipp emanuel Bach, mit dem sie tourneen zu vielen

bedeutenden festivals in europa und Japan unternahm.

Christian TromplerChristian trompler, geboren 1953, erhielt mit 9 Jahren den ersten

Violinunterricht und besuchte von 1965 bis 1971 die Spezialschule für

Musik Berlin. nach dem abitur studierte er an der hochschule für Musik

»hanns eisler« Berlin bei prof. eberhardt feltz.

Von 1978 bis 1988 war Christian trompler als 1. konzertmeister der robert-

Schumann-philharmonie Chemnitz tätig. Seine kammermusikalische

tätigkeit im konzertmeisterquartett der robert-Schumann-philharmonie

war stark durch die Zusammenarbeit mit dem Smetana-Quartett prag

geprägt.

als Mitglied und Solist des kammerorchesters Carl philipp emanuel Bach

wirkte er seit 1985 an vielen Schallplattenproduktionen mit und führten

ihn konzertreisen in verschiedene länder europas und nach Japan. Seit

1988 ist er 2. konzertmeister der Staatskapelle Berlin.

1992 bekam er einen lehrauftrag an der hochschule für Musik »hanns

eisler« Berlin, seit 2001 am Musikgymnasium »Carl philipp emanuel Bach«

Berlin. darüber hinaus unterrichtet er seit 1998 in der orchesterakademie

bei der Staatskapelle Berlin. Von 1994 bis 2006 war Christian trompler

Mitglied der »Berliner harmoniker – das Streichquartett«.

Katrin Schneiderin Berlin geboren, erhielt katrin Schneider mit sechs Jahren ihren

ersten Violinunterricht. nach dem Besuch der Spezialschule für Musik stu-

dierte sie von 1986 bis 1992 an der hochschule für Musik »hanns eisler«

Berlin Viola bei prof. alfred lipka. 1989 nahm sie erfolgreich am internati-

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BioGraphien BioGraphien

national Chamber Music festival mit elena Bashkirova, Boris pergamen-

schikow, dmitri Sitkovetski, lang lang, nikolai Znaider oder Yefim Bronf-

man zusammen.

als Solist trat er u. a. in konzerten unter der leitung von hartmut haen-

chen, Siegfried kurz, Sir Yehudi Menuhin, otmar Suitner oder Sebastian

Weigle auf. Mit der interpretation von Mozarts klarinettenkonzert begeis-

terte er im februar 2002 das publikum in tokio mit dem nhk Sinfonie-

orchester unter der leitung von Sebastian Weigle. konzertreisen führten

ihn in nahezu alle großen Musikzentren der Welt, u. a. nach london, paris,

tokio, new York, Wien, nach italien, Spanien, Südamerika, in die uSa

sowie nach australien.

einen wesentlichen teil seiner Zeit widmet er der ausbildung des musika-

lischen nachwuchses. Seit 1999 arbeitet er mit den Bläsern des von daniel

Barenboim und edward Said in Weimar gegründeten arabisch- israelischen

West-eastern-divan-Jugendorchesters. darüber hinaus unterrichtet er im

rahmen der 1997 gegründeten orchesterakademie bei der Staatskapelle

Berlin und ist professor an der academia de estudios orquestales der Baren-

boim-Said-Stiftung in Sevilla.

Matthias Glander ist Mitbegründer der kammerharmonie der lindenoper,

der Bläsersolisten der deutschen Staatsoper Berlin sowie des trio apollon,

mit dem er auch mehrere Cd-einspielungen veröffentlicht hat. die bei

Warner Classics erschienene produktion unter dem titel Wasserspiele mit

Werken von françaix, poulenc, enescu, kurtág und Matthus erhielt den

echo klassik preis 2006 für die beste kammermusikeinspielung.

Axel Grünerwurde 1959 als Sohn eines hornisten und einer Sängerin geboren.

in der Musikerfamilie wurde er mit seinen Geschwistern schon früh an die

Musik herangeführt, begann als Siebenjähriger mit dem Violinunterricht,

sang – auch solistisch – in kinderchören und spielte ab dem 13. lebensjahr

Viola in einem Jugendorchester. im alter von 15 Jahren nahm er den ersten

onalen Musikwettbewerb in Markneukirchen teil. 1990 wurde sie Bratschis-

tin der Staatskapelle Berlin und ist seit 1996 Vorspielerin der Bratschen-

gruppe. katrin Schneider ist in verschiedenen formationen regelmäßig bei

den kammer- und Brunchkonzerten des orchesters zu hören.

Johanna Helmwurde 1986 in Bremen geboren. nach einem Vorstudium bei prof.

ulf tischbirek an der Musikhochschule lübeck wechselte sie für das haupt-

studium an die universität der künste Berlin zu prof. Jens peter Maintz.

neben erfolgreichen teilnahmen an Wettbewerben trat sie als Solistin und

kammermusikerin im europäischen ausland sowie auf verschiedenen

festivals in deutschland auf. Sie ist Stipendiatin u. a. der oscar und Vera

ritter-Stiftung, der Jütting-Stiftung und der ad infinitum foundation. Seit

2011 ist sie Mitglied der Staatskapelle Berlin.

Matthias Glanderbegann seine musikalische ausbildung an der Musikschule Berlin-

köpenick. anschließend studierte an der hochschule für Musik »hanns

eisler« Berlin bei hans radünz im hauptfach klarinette. es folgten ein

Zusatzstudium bei prof. ewald koch in den Jahren 1981 bis 1983 sowie

weiterführende Studien bei oskar Michallik von 1984 bis 1986.

1983 wurde er an die Staatskapelle Berlin engagiert, seit 1985 ist er erster

Solo-klarinettist. im Bayreuther festspielorchester spielte er als Solo-klari-

nettist ebenso regelmäßig wie bei den Berliner philharmonikern unter

dirigenten wie Claudio abbado, daniel Barenboim, James levine, Giuseppe

Sinopoli oder Günter Wand.

neben seiner arbeit im orchester pflegt Matthias Glander eine umfang-

reiche tätigkeit als Solist und kammermusiker mit renommierten orches-

tern und kammermusikensembles. So gab er mit daniel Barenboim und

Yo-Yo Ma umjubelte konzerte in Berlin, Weimar und paris. regelmäßig

spielt er auch bei internationalen Musikfestivals, wie dem Jerusalem inter-

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hornunterricht, später folgte das klavier. Sein Studium absolvierte axel

Grüner an der Musikhochschule »Carl Maria von Weber« in dresden – im

hauptfach wurde er dabei von prof. peter damm unterrichtet, dem Solo-

hornisten der Staatskapelle dresden.

Schon während seiner Studienzeit entwickelte er neben dem orchester-

spiel, Solo- und Bigband-erfahrungen die liebe zur kammermusik. als absol-

vent trat er für drei Jahre die Stelle des Solo-hornisten des theaters der Stadt

Cottbus an, bevor er in gleicher position 1988 an die Staatskapelle Berlin

wechselte. neben seiner hauptberuflichen tätigkeit im opern- und Sinfonie-

orchester war und ist axel Grüner ein gefragter kammermusikpartner in

verschiedenen ensembles und Besetzungen. die Mitgliedschaft im Bläser-

quintett der Staatskapelle Berlin ist dabei ein künstlerischer fixpunkt.

Ingo Reuterwurde 1968 in Berlin geboren und bereits mit 13 Jahren ebendort

an die Spezialschule für Musik aufgenommen, wo er eine fundierte musi-

kalische ausbildung erhielt. Von 1986 bis 1990 studierte er an der Berliner

hochschule für Musik bei prof. fritz finsch und absolvierte 1990 bis 1992

dort ein Solistenstudium in der Meisterklasse. Beim internationalen fagott-

wettbewerb der Stadt leipzig errang ingo reuter den 1. preis. darüber

hinaus ist ingo reuter träger des diploms des internationalen Markneukir-

chener fagottwettbewerbs und erhielt beim kammermusikwettbewerb in

polen 1984 und 1986 die auszeichnung als »Bester Solist«. ingo reuter

spielte und spielt in zahlreichen ensembles, so etwa dem Bläserquintett der

Staatskapelle Berlin, dem ensemble variazione, der lindenharmonie, der

Bläserakademie Berlin, den Berliner Bläser-Solisten und nicht zuletzt auch

dem kammerorchester Carl philipp emanuel Bach.

die vielen kammermusikalischen aktivitäten und zahlreichen auftritte als

Solist haben ihn oftmals auch ins ausland geführt, so u. a. nach Japan, fran-

kreich, polen, in die tschechische republik und den nahen osten. Seit 1990

ist ingo reuter Solo-fagottist der Staatsoper unter den linden in Berlin.

Frank-Immo Zichnerwurde 1962 geboren. Seine ausbildung erhielt er in der Meister-

klasse von dieter Zechlin in Berlin. Seine förderer wurden Menahem press-

ler und György kurtág.

er erhielt zahlreiche auszeichnungen und preise, etwa 1985 beim robert-

Schumann-Wettbewerb und 1986 beim kammermusikwettbewerb für kla-

viertrio in Colmar/frankreich. Von 1986 bis 1994 war frank-immo Zichner

als pianist am Berliner Schauspielhaus engagiert. 1995 gründete er ein Cd-

label unter dem namen »edition refugium«.

für einige seiner zahlreichen Cd-einspielungen wurde frank-immo Zich-

ner mit dem preis der deutschen Schallplattenkritik, dem Supersonic

award und dem diapason découverte ausgezeichnet. konzerte führten ihn

als pianist und kammermusiker in über 30 länder europas, Skandinaviens,

Südostasiens, Mittel- und Südamerikas, nach Japan sowie zu festivals wie

dem Schleswig-holstein Musikfestival, den Berliner festwochen, der Bien-

nale Berlin, dem Bad kissinger Musiksommer, dem Moskauer herbst, dem

Sligo festival/irland und dem Westfalen Classics festival.

als Solist musizierte er mit verschiedenen deutschen orchestern, darunter

mit dem deutschen Sinfonie-orchester Berlin, dem Berliner Sinfonieorche-

ster, dem rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und der Staatskapelle Schwe-

rin unter der leitung von Marek Janowski, Michael Sanderling u. a. Seit

dem Jahr 2000 spielt frank-immo Zichner im aperto piano Quartett.

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iMpreSSuM

Herausgeber Staatsoper unter den linden | Bismarckstraße 110 | 10625 BerlinIntendant Jürgen flimmgeneralmusIKdIreKtor daniel BarenboimgescHäFtsFüHrender dIreKtor ronny unganzredaKtIon dr. detlef Gieseder einführungstext von Camilla loeffler Berg ist ein originalbeitrag für dieses programmheft. abbIldungen Volker Scherliess: Igor Strawinsky und seine Zeit, laaber 1983; Zaubertöne. Mozart in Wien, ausstellungskatalog, Wien 1991; Paul Hindemith. Zeugnis in Bildern, Mainz 1955.

layout dieter thomasHerstellung druckerei

Gedruckt auf Luxo Art Samtoffset, FSC-zertifiziertes Papier (FSC = Forest Stewardship Council), welches die Richtlinien des FSC nach weltweit gültigen Chain-of-Custody-Standard (CoC/Produktkette) für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Waldbewirtschaftung nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Standards erfüllt.