KAPITEL I ALLGEMEINE EINLEITUNG: DER MANICHÄISMUS UND ...

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KAPITEL I ALLGEMEINE EINLEITUNG: DER MANICHÄISMUS UND SEINE QUELLEN INHALT I.01. Mani und der Manichäismus I.02. Die Expansion des Manichäismus I.03. Die Theologie des Manichäismus I.04. Quellen für das Studium des Manichäismus I.05. Indirekte literarische Quellen I.06. Direkte literarische Quellen I.07. Die archäologischen Fundorte und Entdeckungen I.08. Beilagen

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KAPITEL I ALLGEMEINE EINLEITUNG: DER MANICHÄISMUS UND SEINE QUELLEN INHALT

I.01. Mani und der Manichäismus

I.02. Die Expansion des Manichäismus

I.03. Die Theologie des Manichäismus

I.04. Quellen für das Studium des Manichäismus

I.05. Indirekte literarische Quellen

I.06. Direkte literarische Quellen

I.07. Die archäologischen Fundorte und Entdeckungen

I.08. Beilagen

I.01 Mani und der Manichäismus Der Religionsstifter Mani lebte im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, erst in

Mesopotamien, im Kontaktgebiet zwischen Osten und Westen, und später im

Persischen Reich der Sâsâniden.

Diese Einleitung enthält: 1.) eine Synthese und Situierung; 2.) eine Übersicht

des vorhandenen Quellenmaterials und 3.) eine Besprechung wichtiger

archäologischer Fundstätten. Es werden in den Fußnoten nur die wichtigsten

Monographien, Beiträge und Artikel genannt. Dabei wird nicht angestrebt, eine

exhaustive Aufzählung von Publikationen zu erstellen. Um Wiederholungen zu

vermeiden, werden einige Elemente, die im Corpus Manichaicum ausführlicher

beschrieben werden, nur summarisch in der Einleitung genannt.1

Jede wissenschaftliche Studie fängt mit einem bibliografischen Überblick an.

Lange Zeit musste die Literatur aus der Fachliteratur gesucht werden, wobei der

größte Teil in schwer auffindbaren Zeitschriften und Ländern erschienen war. Ab

1988 erschien der MSN (Manichaean Studies Newsletter), Herausgegeben von A.

van Tongerloo (Fasc. 1 – 15: 1988 – 2000, und danach: G. Mikkelsen ab Fasc.

16/2001 – heute (herausgegeben von Brepols Publishers, Turnhout), der die neuen

Publikationen im Fachbereich ankündigt. 1989 wurde, anlässlich der Begründung der

IAMS (International Association of Manichaean Studies) beschlossen, dass die MSN

künftig das offizielle Kontaktorgan dieser Organisation sein soll. Es besteht auch eine

Monographienreihe, die heute 16 Bände umfasst (Series Archaeologica et

Iconographica, Series Coptica, Series Latina und Series Subsidia) und ab dem 2.

Band mit der IAMS, den Manichaean Studies (MS) assoziiert wird. Ziel des CFM

(Corpus Fontium Manichaeorum) war es, alle direkt mit dem Manichäismus in

Verbindung stehenden Quellen der Spätantike und des Mittelalters in allen Sprachen,

in denen diese Dokumente verfasst wurden, zu veröffentlichen oder neu

herauszugeben. Diese Veröffentlichungen beinhalten auch eine Übersetzung jedes

1 Otakar Klímas Buch, Manis Zeit und Leben (Monographie Orientálního úsutavu Československá Akademie Vĕd 18, Prag 1962) ist bis heute die beste Monographie in Bezug auf die Thematik des politisch-kulturell-sozialen Hintergrunds, vor dem Mani und der (frühe) Manichäismus sich bewegen. Es ist allerdings auch wichtig, dass Manis Auftreten auch innerhalb der antiken Religionsgeschichte situiert wird: Im Rahmen der spätantiken gnostischen Bewegung ist der Manichäismus die letzte und wichtigste Äußerung (einmalig in der Welt) innerhalb dieser religiös-philosophisch inspirierten Denkrichtung. Darum findet man auch ab und zu Referenzen zum Manichäismus als Ausdruck einer Gnosis in den Standardwerken über die gnostischen Systeme.

einzelnen Dokuments, einen wissenschaftlichen Apparat und größtenteils einen

Kommentar.

Dieses internationale Projekt wurde im Jahr 1996 mit der Unterstützung des

UAI (Union Académique Internationale) sowie einiger anderer akademischer

Institutionen und Stiftungen, vor allem die United Nations Educational Scientific and

Cultural Organisation, der British Academy, des Australian Research Council und der

Chiang Ching-Kuo-Foundation, begründet. Präsident (Founding Editor in Chief) ist

Prof. A. van Tongerloo (Belgien). Direktoren (Editor in Chief) sind Prof. Sam Lieu

(Macquarie, Sydney) und Prof. J. van Oort (Utrecht und Nijmegen).

Als endlich ein bibliographisches Standardwerk2 mit mehr als 3.600 Nummern

erschien, konnte ein wesentlicher Schritt vorwärts gemacht werden. Der Autor G.

Mikkelsen, Sinologe und Religionswissenschaftler, war auch in der Lage, die

ostasiatischen Publikationen zu inkorporieren und zu interpretieren. Inzwischen

bereitet der Autor einen zweiten Druck vor, der erweitert wird durch zahlreiche neue

und alte Titel.3 2 G. Mikkelsen, Bibliographia Manichaica. A Comprehensive Bibliography of Manichaeisme through 1996 (CFM = Corpus Fontium Manichaeorum / Subsidia 1). Brepols, Turnhout 1997. Siehe http://www.manichaeism.de/cfm.html. 3 Erwähnung verdienen: H. Jonas, Gnosis und spätantiker Geist (I, II.1 und II.2 ed. K. Rudolph). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 41988; S. Pètrement, Le dualisme chez Platon, les gnostiques et les manichéens. Paris 1947; U. Bianchi, (Hrsg.), Le Origini dello Gnosticismo. Colloquio di Messina 13-18 Aprile 1966 (Studies in the History of Religions / Supplements to Numen 12), Leiden 1967; H. Jonas, The Gnostic Religion. Boston 1970; K. Rudolph, Die Gnosis: Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion. Göttingen 21980; vgl. auch die Übersicht bei G. Widengren, »Der Manichäismus: Kurzgefasste Geschichte der Problemforschung«, in: B. Aland, e.a. (Hrsg.), Gnosis. Festschrift für Hans Jonas. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1978, S. 278 - 315; weiter einige wichtige Detailstudien bei J. Ries: »La gnose dans les textes liturgiques manichéens coptes«, in: U. Bianchi, op. cit., S. 614 - 624; »Le dialogue gnostique du salut dans les textes manichéens coptes«, in: Orientalia Lovaniensia Periodica 6 / 7 (1975), S. 509 - 520, und »La révélation dans la gnose de Mani«, in: Forma. Studi in onore del Cardinale Michele Pellegrino, Bottega d’Erasmo, Torino 1975, S. 1085 - 1096. Neben Studien über den Hintergrund und die Situierung Manis bestehen auch allerlei Synthesewerke; auf das ultimative synthetische Standardwerk (in dem alle Quellen, sowohl ›westliche‹ als auch ›östliche‹ inkorporiert werden) wird noch gewartet. Neben dem Werk von Klíma (siehe Anm. 1), gelten folgende Studien als Basiswerke für die Studien über Mani und den Manichäismus: H. H. Schaeder, »Manichäismus«, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart2, vol. 3 (1931), kol. 1959 - l973; H. J. Polotsky, »Manichäismus«, in: (Pauly-Wissowa,) Real-encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Supplementband 6. Stuttgart 1935, kol. 240 - 271; H. C. Puech, Le Mani-chéisme: son fondateur, sa doctrine (Annales du Musée Guimet. Bibliothèque de Diffusion LVI), Paris 1949; G. Widengren, Mani und der Manichäismus (Urban-Bücher 57), Stuttgart 1961; F. Decret,

Eigenen Aussage zufolge ist Mani 216 n. Chr. geboren, und zwar am 8 Nisan

= 14 April.4 Dies aber ist eine spätere Erfindung, um die kirchlichen Festtage genauer

festzulegen. Dennoch wird dieses Datum angezweifelt, und seit kurzem durch Prof.

van Tongerloo eine neue Hypothese entgegengestellt. Dieser nimmt an, dass

dadurch, dass die Geschichte der drei Könige bei den Manichäern bekannt war, die

Geburt des Mani mit dem Erscheinen eines hellen Sterns (Kometen) verbunden

wurde, wie bei Jesus Christus. Das neue Datum wird mit dem Erscheinen des

Halleyschen Kometen in Zusammenhang gebracht, also zwischen dem 18. April und

dem 18. Mai 218 (Perihelium 17. Mai 218), dem Monat Nisan.5

Der Geburtsort liegt südöstlich von Ktesiphon (al-Mada’in), in einer ländlichen

Gemeinschaft am linken Tigrisufer, nicht weit vom heutigen Bagdad. Dieses Dorf am

Nahr-Kutha, Mardinu, war in dieser Zeit ein Distrikt der Provinz Asûrestân und Teil

des parthisch-arsakidischen Reiches.

Durch die Entdeckung des griechischen Mani-Codexes, CMC (Codex

Manichaicus Coloniensis)6, ist man heute in der Lage, mehr und genauere

Informationen über die ersten zwei Jahrzehnte von Manis Leben zu geben. Darin

wird Pattikios (d. i. eine griechische Form des iranischen Namens Pattik ~ Pattek,

Mani et la tradition manichéenne (Maîtres Spirituels), Paris 1974; M. Tardieu, Le Manichéisme (Que sais-je? no 1940, éd. P.U.F., 1997 (éd orig. Paris 1981); Lieu (1985 und 1994, cf.) weiter noch folgende Artikel von J. Ries.: »Mani et Manichéisme«, in: Dictionnaire de Spiritualité Ascétique et Mystique, vol. X, 1977, S. 198-2l6 und »Manichéisme«, in: Catholicisme Hier, Aujourd'hui, Demain. Encyclopédie publiée sous la direction du Centre Interdisciplinaire des Facultés Catholiques de Lille, vol.VIII, 1977, kol. 304-322. Ries hat verschiedene Beiträge zusammengefasst, erweitert und als Buch publiziert: Les études manichéennes. Des controverses de la réforme aux découvertes du XXe siècle (Collection Cerfaux-Lefort 1), Louvain-la-Neuve 1988. Das Buch von E. Roll, Mani, der Gesandte des Lichts, Stuttgart 1976, behandelt das Thema aus einer anthroposophischen Perspektive. 4 Dieses Datum ist in drei verschiedenen primären Quellen zu finden, insbesondere im Schâbuhragân (in dem Buch, das Mani selbst in Mittel-persisch schrieb und das im 11. Jahrhundert vom arabischen Historiker al-Bîrûnî zitiert wird), in der Kephalaia (geschrieben in Koptischer Sprache). Weiter wird es vermeldet in dem chinesischen Compendium. 5 A. van Tongerloo, »The Buddha’s First Encounter in a Manichaean Old Turkic text«, in van Tongerloo, A. (Hrsg.), Quinto Congresso Internazionale di Studi sul Manicheismo. Atti. Il Manicheismo – Nuove Prospettive della Ricerca. Dipartimento di Studi Asiatici Università degli Studi di Napoli »L’Orientale«. Napoli, 2 – 8 Settembre 2001 (Manichaean Studies 5), Brepols, Turnhout 2005, S. 385 – 396 (besonders S. 387, Anm. 7). 6 Befindet sich heute im Papyrologischen Institut der Universität Köln. 7 Pattikios, der in dem CMC oikodespotês genannt wird, scheint hier gleichzeitig eine Funktion in der manichäischen Hierarchie zu bekleiden (Hausmeister, Eklektiker, Priester, Bischöfe, Söhne der Sanftmut).

vgl. Patiq7) als der Name seines Vaters genannt. Diesen Namen kannte man bereits

aus der anti-manichäischen (polemischen) Literatur: Einmal aus dem Lateinischen

als Patticius8 und zweimal aus griechischen Quellen.9 Leider ist die einzige

Namensnennung im Koptischen Bèma-Psalm 135 sehr unsicher, da es sich hier um

eine problematische Textverbesserung handelt. Die arabische Tradition ist hier

ebenfalls wichtig. Ibn al-Nadîm erwähnt ihn zweimal als Fattiqa. Auch im

Chinesischen ist sein Name transkribiert aus dem Parthischen = Mittelpersisch als

Pattêg / Pattîg.

Seine Eltern, die der Legende nach von königlicher Abstammung sein sollen,

waren religiös interessiert: Sein Vater war ein Anhänger des gnostischen Hermes-

Systems, beinflusst durch die harrânische Richtung des astrologischen Sâbismus.10

Auch hat er (nach dem Kölner Mani-Codex) der Gemeinschaft der Elchasaïten

angehört. Beide Argumentationen wurden bis heute noch nicht ausführlich behandelt.

Man kann auch sagen das er hat sein Glauben geändert.

Nach einer Erscheinung, die Pattêk befiehlt, eine andere (enkratische)

Lebensweise anzunehmen, bricht er in das sumpfige Gebiet des heutigen Süd-Irak

auf, wo im 20. Jahrhundert noch die letzten Mandäer (eine der letzten noch

bestehenden gnostischen Gemeinschaften) lebten. Ob eine direkte Verbindung

besteht zwischen diesen Mandäern und der Sekte der Täufer (im Arabischen al-

mughtasila daher die Mughtasilieten) des 3. Jahrhunderts, die im griechischen Codex

als (»Alchasaiten« bzw. Elchasaiten11) erwähnt werden, ist umstritten.12 In diesem

8 Epistula Fundamenti Fragm. 11 Feldmann, apud Augustinus, Contra Epistulam Fundamenti, 12, 207.25 ed. Zycha CSEL. 9 In der Capitula VII contra Manichaeos: Pattikios, aber in der Großen Abschwörungsformel (im Genitiv) als Patekiou. 10 Zu dieser Schlussfolgerung muss man kommen, wenn man die Indikationen von Ibn al-Nadîm über Manis Vater und die Daten der Kephalaia (Kapitel 121) kombiniert. 11 Cfr. W. Sundermann, »Abshôdagan«, in Acta Antiqua Academiae Hungaricae, vol. XXV, 1977, S. 237-242. 12 Obwohl der Kölner Codex mehr Licht auf die Jugend von Mani geworfen hat, sind bei Weitem nicht alle Probleme gelöst. Es ist jetzt deutlich, dass die Täufer von an-Nadîm mit denen identisch sind, die, nach dem griechischem Codex, den Doktrinen der Alchasaïten folgen, doch wer sind diese Alchasaïten? In der christlichen Häresiologie wird der Name genannt, was sich aber dahinter verbirgt, ist so gut wie unbekannt. Auch die Mandäer werden als Täufer bezeichnet, die wahrscheinlich auch mit den nordmesopotamischen Sabiern in Verbindung stehen. Prof. A. van Tongerloo sagt: »Durch schnelle Schlussfolgerungen wie durch ihn [den Kölner Mani-Codex] sind alle Hypothesen über eine nichtchristliche Herkunft Manis und des Manichäismus ein für allemal vom Tisch gewischt worden.«

religiösen Milieu, das als gnostisch-jüdisch-christlich gelten und charakterisiert

werden kann, wuchs der junge Mani auf. Er bleibt ca. zwanzig Jahre bei ihnen,

nachdem er mit vier Jahren (also 220 n. Chr.) bei ihnen aufgenommen wurde.

Innerhalb von sechszehn Jahren finden zwei markante Ereignisse statt: Der Jüngling

hat zwei Erscheinungen eines Gottgesandten (im Arabischen al-Tawn, im

griechischen Codex Syzygos genannt), der ihm schließlich seine Berufung als Siegel

der Propheten deutlich machen wird. Dort heißt es, dass Jesus Christus versprochen

hat, diesen Syzygos, der auch der Paraklet (Heiliger Geist) genannt wird, zu senden.

Diese zwei Offenbarungen ereignen sich in den Jahren 228, als Mani zwölf Jahre alt

ist, und 240, in seinem 24. Lebensjahr. Aus rituellen, ethischen und theologischen

Gründen kommt es zu einem Bruch mit den Elchasaïten und dem neuen Propheten;

Mani bricht auf, um zu missionieren.

Anders als sein berühmter Vorgänger Jesus Christus zieht der Prophet in

erster Linie Richtung Osten zum Indus-Delta. Aus Indien kehrt er zurück in den Iran,

und auf dem Weg dahin bekehrt er in Tûrân den Herrscher Tûrânschâh.13 Im Jahr

242 ist Mani wieder zurück im Persischen Reich und unternimmt Reisen nach

Susiana und Mesênê. Mihrschâh, den Bruder des Königs, weiß er ebenfalls für seine

Sache zu gewinnen (Periode 245 – 250). Dieser rät ihm, den König Schâhbuhr l. in

der Reichshauptstadt Ktesiphon zu besuchen. Dieser bereitet ihm einen offenen

Empfang und verspricht ihm, dass er seine Religion frei im ganzen Reich predigen

darf (Periode 250 – 255). Am Ende der fünfziger Jahre treffen wir den Propheten in

Medien, Partien und Chorasân an, danach lässt er sich in Ktesiphon, mehr am (Laut Rose in Die Manichäische Christologie, Wiesbaden, 1979, S. l). Er sagt dass diese Schlussfolgerungen voreilig sind, zudem müsse man Rücksicht auf das synkretistische Milieu im Irak nehmen, worauf G. Widengren wiederholt aufmerksam gemacht hat (G. Widengren, Iranisch-semitische Kulturbegegnungen in Parthischer Zeit (Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Publikation LXX), Köln 1960). In Kap. 1.2 Der Manichäismus (2007) behaupte ich, dass durch das jüdische Christentum der Täufer, bei denen Mani aufwuchs, der Hintergrund des Manichäismus gebildet wird und der Manichäaismus definitiv als eine Strömung des Christentums dargestellt werden muss. 13 Neben einigen fragmentarischen Andeutungen in den koptischen Texten stehen mehrere mittel-iranische Texte zur Verfügung, die von der Missionierung handeln: W. Sundermann, »Zur frühen missionarischen Wirksamkeit Manis«, in: Acta Orientalia Hungarica, vo1. XXIV, 1971, S. 79-125 (woraufhin in der gleichen Zeitschrift eine Folge von Artikeln erschien, vo1. XXIV, 1971, S. 371-9) und W. Sundermann, Mitteliranische manichäische Texte kirchengeschichtlichen Inhalts (Berliner Turfantexte XI), Ber1in, 1981. Siehe auch: W. Sundermann, »Iranische Lebensbeschreibungen Manis«, in: Acta Orientalia, vo1. XXXVI, 1974, S. 125-149.

westlichen Tigris Ufer, in Weh-Ardaschîr nieder, wo er dann 262/3 seinen definitiven

Plan konzipiert, seine Lehre in allen vier »klimata« (Himmelsrichtungen) bekannt zu

machen. Adda und Pattêk werden nach Ägypten geschickt. Ammo geht in den

Nordwesten des Reiches, wo er Warutschan-schâh bekehrt, und Mani selber geht in

den Westen in das syrisch-christliche Gebiet (unter anderem nach Tur Abdîn), an die

Grenzen des Römischen Imperiums (um 264-270). Im Jahr 270 befinden sich

eigentlich überall im Iran manichäische Niederlassungen. Obwohl man von einer

allgemeinen Anwesenheit des Manichäismus sprechen kann, war es Mani doch nicht

geglückt, seine Religion zum Staatsgottesdienst ausrufen zu können. Nach dem

Tode Schâpurs l (272 oder 273) folgt eine kurze Regierung unter Ormezd l., der

schon nach einigen Monaten stirbt (273?), ohne etwas an der Position des

Manichäismus zu verändern. Veränderung (zum Schlechten), bringt der neue Fürst

Bahrâm l. Sein nachlässiger Charakter lässt die Macht bestimmter Individuen in

hohem Maße steigen. Kartîr, ein Protagonist der religiösen Richtung der

mazdeïstisch-zoroastrischen Orthodoxie, ein alter Gegner Manis, macht sich zum

Oberpriester (Lêrbed).14

Unterdessen verbreitet Mani seine Lehre weiter – dies mit manchmal

unerwartetem Erfolg. Es gelingt ihm, Baat, den Herrscher von Holassar (Artemita),

ein Vasall des Shâh, zu bekehren. Das war wahrscheinlich der Tropfen, der das Fass

zum Überlaufen brachte, denn bald darauf erhält er den Befehl, nach Gundeschâbur

(Bêt-Lâpât, in Susiana) zu kommen. Zusammen mit einigen Getreuen (Nûhzâdag,

Abzachyâ en Kuschtau = Kustaios) begibt er sich dahin. Nach Rechtsprechung und

Verurteilung landet er im Gefängnis (276-277).

Verschiedene Versionen aus primären und sekundären Quellen berichten

14 Dieser Kartîr war ein wichtiger zoroastrischer Priester, der im Allgemeinen als der Gründer der Orthodoxie unter den ersten Sasaniden gesehen wird. Er hat sich sehr darum bemüht, Buddhisten, Christen, Manichäer und so weiter aus seinem Land zu verbannen. Seine acta schrieb er in mehreren Inskriptionen nieder, die Wichtigste ist die von der Ka’ba von Zarathustra. Weiter sind auch die Inschriften van der Naqsch-i Rustâm, die von der Naqsch-i Radschab und die von der Sar Mashhad bewahrt geblieben;. R. N. Frye, »The Middle Persian Inscription of Kartîr at Naqsh-i Rajab«, in: Indo-Iranian Journal, vol. VIII, 1965, S. 211 sqq.; M.L. Chaumont., »L’inscription de Kartîr à la Ka’bah de Zoroastre«, in: Journal Asiatique, vol. CCXLVIII, 1960, S. 339-380 sowie P. Gignoux, »L’inscription de Kartîr à Sar Mashhad«, in: Journal Asiatique, vol. CCLVI, 1968, S. 387-418. Siehe weiter auch das CII (Corpus Inscriptionum Iranicarum).

über Manis Märtyrertum mit oft schrecklichen Details.15 Anhand primärer und

sekundärer Quellen sind die Bücher, die Mani geschrieben hat, zumindest qua Titel

bekannt; von mehreren Schriften sind auch Exzerpte bewahrt geblieben.

Hier wird eine schematische Übersicht dieses Kanons gezeigt: dieser kann

sowohl als heptateuch oder auch als pentateuch aufgefasst werden. Außerdem

schrieb Mani noch ein Schâbuhragân: sein erstes Buch, das er dem Shâbuhr

widmete.

Mani schrieb viele Bücher und Briefe an seine Schüler (was auch die Apostel taten).

Neben dem genannten (1) Schâbuhragân, gibt es das (2) Lebendige Evangelium

(oder das Große Evangelium, wie das Buch auch in den manichäischen Texten der

Uiguren genannt wird), in die er viele apokryphe und kanonische Texte der

christlichen Evangelien (wahrscheinlich Evangelienharmonien) integrierte und

deutete. Dieses Evangelium war in die 22 Buchstaben des syro-manichäischen

Alphabets eingeteilt. Einige Auszüge davon sind im CMC enthalten. In den indirekten

Quellen sind außerdem noch Zitate aus (3) der Schatz der Lebenden erhalten

geblieben. Das (4) Buch der Mysterien ist eigentlich eine Legimitierung des

Prophetentums Manis. Sein bekanntestes Buch, dessen Titel in den anti-häretischen

Schriften weiter lebte, war das (5) Eikôn, das »Bild(buch)«. Dieses Werk, das mittels

der bildenden Kunst Manis oft sehr schwer verständliche Theorien bildlich darstellte,

sorgte auch dafür, dass noch tausend Jahre, nachdem der Prophet gestorben war,

sein Name als Maler (hauptsächlich in der arabisch-persischen Tradition) und nicht

als Religionsstifter fortlebte. Auch neu entdeckte manichäisches Gemälde aus dem

13. – 15. Jahrhundert aus Japan wurden präsentiert, die mit dem Bildbuch in

Verbindung zu denken sind.16 Mani schuf auch ein eigenes Alphabet (siehe Kapitel

I.08: Beilage 1).

15 In der manichäischen Literatur und Kirche wurde nach Manis Tod eine Art passio Manetis zusammengestellt, die in den iranischen Fragmenten und den koptischen Homilien bewahrt geblieben sind. 16 Siehe Bild »Sermon on Mani’s Teaching of Salvation« (»Yamato Bunkakan silk painting«) auf der nächsten Seite. Im Jahr 2009 wurden von Y. Yoshida auf der 17. International Conference of Manichaean Studies (8. – 11. September 2009) in Dublin sieben neu entdeckte manichäische Gemälde aus dem 13. – 15. Jahrhundert aus Japan präsentiert. Darunter befinden sich das »Seiun-ji-Gemälde« (Bodhisattva mit einem Kreuz), das »Yamato Bunkakan silk painting« (Yamato Museum, Nara) und das »Cosmology Painting«. Dieses letzte zeigt Mani bei kosmologischen Unterweisungen (Die Lichtwelt mit Sonne und Monden, zehn Himmel, die mittlere Welt der Schlange mit der Lichtjungfrau und Gericht und die Sumeru Birge umgeben mit Kontinenten, die acht Erden). Gábor Kósa (ELTE

I.02 Die Expansion des Manichäismus Der Manichäismus hörte durch den Tod des Religionsstifters im Jahre 276 oder 277

nicht auf zu bestehen. Im Gegenteil, die Missionierung – die schon zu Lebzeiten des

Propheten begonnen hatte – wurde systematisch fortgesetzt: fünf bis sechs

Jahrhunderte war diese Religion ein gefürchteter Konkurrent der ›traditionellen‹

Religionen und Philosophien zwischen dem Atlantischen Ozean und dem

Chinesischen Meer. Später werden noch sporadische Wiederbelebungen im Osten

und Westen zu kräftigen Repressionen führen. Auch scheint man im Christentum

jegliche Ketzerei gern als »Manichäismus« zu bezeichnen, obwohl die Verbindungen

zu dieser Religion oft nicht deutlich sind. Die schnelle Ausbreitung der Religion des

Mani, (siehe auch 2.6 in Der Manichäismus, 2007)) geschah in zwei Richtungen

(gesehen aus dem Kernland Mesopotamien). Zuerst sehen wir eine westliche

Expansion (Richtung Römisches Reich), danach erst eine Missionierung in östliche

Richtung. Gleichzeitig muss auf die Konfrontation mit dem Zoroastrismus, dem

Christentum, dem Buddhismus und später dem Islam aufmerksam gemacht werden.

Die Missionierung in das Römischen Reich (Kernland und Provinzen), wird sichtbar

durch zwei Faktoren: Einerseits durch das Auftreten christlicher Theologen (die den

Manichäismus als ketzerisch verunglimpften und ihn dadurch in eine häretische

Position drängten), und andererseits durch die Edikte, die durch den Staat gegen

diese Ketzer ausgeschrieben wurden.17

Universität, Budapest) ist der Ansicht, »The Cosmology painting« probably derives from the ›translated‹ version of Mani’s Eikón« (siehe: »Translating a Vision Rudimentary. Notes on the Chinese Cosmology Painting«, in: Manichaean Studies Newsletter 25/2011-11, Brepols, Turnhout, S. 21). 17 Die beste Synthese des nordafrikanischen Manichäismus ist die zweiteilige Monographie van F. Decret, L’Afrique Manichéenne (IVe-Ve siècles) – Étude historique et doctrinale – Tome I Texte, Tome II Notes (Études Augustiniennes 8, rue François 1er 75008, Paris, 1978). In Bezug auf die Anwesenheit dieser Religion im Römischen Reich ist das Werk von E. de Stoop, Essai sur la diffusion du manichéisme dans l’Empire Romain (Université de Gand, Recueil de Travaux publiés par la Faculté de Philosophie et Lettres, Vol. XXXVIII), Gent 1909 wichtig, wie auch Lieu I. Für die kaiserlichen Edikte gegen die Manichäer: E. H. Kaden, »Die Edikte gegen die Manichäer von Diokletian bis Justinian«, in: Festschrift Hans Lewalds bei Vollendung des vierzigsten Amtsjahres als ordentlicher Professor im Oktober 1953, Basel 1953, S. 55-68, und auch H. Gregoire, »Les

Schon in den letzten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts lebten Manichäer im

Grenzgebiet von syrisch-mesopotamischen und arabischen Kulturen, in Süd-

Mesopotamien: Der Arabische Fürst von Hîra, Amr ibn Adî, beschützte sie.18 Aus

Hîra missionieren sie sogar noch bis in die internationale Handelsstadt Mekka, wo

sie Anhänger unter den Qurayschiten finden.

Auch ist wahrscheinlich, dass dort der Prophet Muhammad Kontakt zu ihnen

hatte und sogar einige Lehrsätze in seine neuen Verkündigungen einfügte. Nach

seinem Tod (am 8. Juni 632), der Zeit unter den ersten vier Kalifen und unter den

Ummayaden, vernehmen wir nichts mehr über die Manichäer. In dieser Zeit, die

durch die große, weltweite Expansion des Islam charakterisiert ist (637: die

Eroberung Ktesiphons stellt den Beginn dar), fällt nicht nur das Sâsânidische Reich,

sondern dringen die Muslimen auch bis nach Zentral-Asien vor (674: Eroberung von

Buchârâ und 676: Einnahme von Samarkand). Zusammen mit den fliehenden Iranern

zerstreuen sich auch die Anhänger Manis, die bis in das Chinesische Reich

gelangen.

Doch die Zeiten ändern sich mit der Machtübernahme der Abbâsiden. Diese neue

Dynastie, stark durch den Iran beeinflusst, trägt iranische Elemente in die

persécutions dans l’Empire Romain«, in: Verhandelingen der Koninklijke Academie van België, Klasse der Letteren, vol. LVI/5, ²1964, S. 68-71. Das älteste offizielle Edikt gegen die Manichäer stammt aus dem Jahre 297: aus politischen Gründen (die sogenannte Persische Herkunft dieser Religion) wird, auf Betreiben von Julianus, Prokonsul von Afrika, durch Kaiser Diocletianus ein Edikt ausgeschrieben, das befiehlt, die Bücher zu verbrennen, den Besitz zu konfiszieren und die religiösen Führer gefangen zu nehmen. Solche Maßregeln werden bis 540 regelmäßig ausgeführt (Verfolgungen von Justinianus). Siehe hierzu: J. Ries, »Sotériologie manichéenne et paganisme romain«, in: U. Bianchi; M. J. Vermaseren, (Hrsg.), La soteriologia dei culti orientali nell’Impero Romano. Atti del Colloquio Internazionale sulla soteriologia dei culti orientali nell’Impero Romano, Roma 24-28 Settembre 1979, Leiden 1982, S. 762-777. 18 Die wichtigste Informationsquelle, die von der Anwesenheit der Manichäer in der islamischen Welt handelt, ist: Ibn al-Nadîm. Wichtige Studien über dieses Thema, befinden sich in: M. Guidi, La Lotta tra l’Islam e il Manicheismo, Rom 1927; G. Vajda, »Les zindîqs en pays d’Islam au début de la période abbaside«, in: Rivista degli Studi Orientali, vol. XVIII, 1937-8, S. 173-229, und A. Abel, »Les sources arabes sur le manichéisme« in: Annuaire de l’Institut de Philologie et d’Histoire Orientales et Slaves, vol. XVI, 1961-2, S. 31-73. Über Amr b. Adî, der erste lachmidische Fürst von Hîra und seine Beziehung zu den Iranern: W. Seston, »Le roi âanide Narsès, les Arabes et le Manichéisme«, in: Bibliothèque Archéologique et Historique XXX (Mélanges syriens offerts à Monsieur René Dussaud), Paris 1939, S. 227-234; siehe weiters den Artikel »Amr b ‘Adî« in: Encyclopédie de l’Islam (deuxième édition) (weiter abgekürzt als EI²), vol. I, S. 463b (durch C. Pellat). Eine Rezension des Buches von M. Guidi von H. S. Nyberg findet sich in: Orientalistische Literatur-Zeitung, vol. XXXII, 1929, kol. 425-441. Über diese Periode im Allgemeinen, siehe den Artikel von B. Lewis, in EI², vol. I, S. 15a-24b.

islamitische Welt (administrativ, intellektuell-philosophisch). Auf den Ruinen von

Ktesiphon-Seleukia wird die neue Reichshauptstadt Baghdâd (iranisch: gegeben

durch Gott) gegründet. Ab dem 8. Jahrhundert werden zahlreiche iranische

literarische Werke ins Arabische übersetzt, darunter befinden sich auch

manichäische Bücher.19 Berüchtigte Personen, so wie Ibn al-Muqaffa20 und

Baschschâr b. Burd,21 werden der dualistischen (möglicherweise manichäischen)

Ketzerei beschuldigt: sie sind Zindîqs (wahrscheinlich Manichäer).22 Ebenso wie in

der westlichen Welt werden sich auch in den Gebieten des Islam theologisch und

philosophisch inspirierte Autoren erheben, um die Ketzerei zu bestreiten.23

Wie im Imperium Romanum, werden auch die Manichäer im Abbâsidischen

Reich durch strenge Edikte verfolgt. Zum Beispiel durch die grausame

Unterdrückung des Kalifen al-Mahdî (775-785) und al-Muqtadîr (905-932). Eine

Inquisition wird unter der Leitung des Groß-Inquisitors, der Sâhîb az-zanâdiqah

ausgeführt. Dieses strenge Auftreten hat Erfolg, doch findet man um 950 noch

ungefähr dreihundert Manichäer in der Reichshauptstadt Baghdâd. Dennoch sind die

großen Zeiten vorbei und um das Jahr 987 sind nur noch fünf Manichäer in Baghdâd

nachzuweisen.24

Trotzdem tauchen sporadisch noch einige Manichäer auf, denen es gelingt,

ihre Bücher unter den Menschen zu verbreiten: im Jahre 1036 liest al-Bîrûnî ihre

kanonischen Schriften. Man darf annehmen, dass bis zur Invasion der Mongolen 19 Zahlreiche ›manichäische‹ Ideen werden durch ›Muslims‹ (von iranischer Herkunft, die gnostisch-manichäische Ideen in ihren Erlebnisformen in den Islam einfliessen lassen) in bestimmte religiöse oder profane Bücher aufgenommen: Oft sind es Werke, die aus der Indischen Sphäre heraus übersetzt werden in das Persische und Arabische oder das Mittelpersische und aus dieser Sprache dann wieder in bestimmte christliche Sprachen des Nahen Ostens (Syrisch, Armenisch, Georgisch, Griechisch) übersetzt werden. So landete indisches Gedankengut, durchsetzt mit manichäischen Ideen, in die christliche Literatur des Mittelalters oder des Islam. Ein bekanntes Beispiel davon ist die Barlaam-und-Josaphat-Tradition. 20 Vgl. den Artikel von F. Gabrieli, in EI², vol. III, S. 907a-909b (mit weiterer Bibliographie). 21 Vgl. den Artikel von R. Blachere, in EI², vol. I, S.1112a-1114b und die Monographie von A. Roman, Bashshâr et son expérience courtoise (Recherches publiées sous la direction de l’Institut de Lettres Orientales de Beyrouth, Nouvelle Série/A/V), Beirut 1972. 22 Über diesen Ausdruck (der ohne Zweifel von Iranischem Original ist): H. H. Schaeder, Iranische Beiträge I (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse, vol. VI/5), Halle (Saale), 1930, S. 274-291. 23 Vgl. die Autoren bzw. Werke, die hierunter aufgezählt werden, von bzw. in denen auch auf die sog. Anpassungen des Manichäismus an den Islam verwiesen wird. Zum Weiterleben der manichäisch-gnostischen Tendenzen im Islam, siehe viele Beiträge von H. Corbin und L. Massignon. 24 Beide Angaben nach: Ibn al-Nadîm.

einige Vertreter des Manichäismus hier und da in den islamitischen Staaten

verblieben, doch durch den Zerfall des abbâsidischen Staates kam es auch damit zu

einem Ende. Bei der Plünderung Baghdâds (1258) durch die Mongolen gingen durch

den Brand der Staatsbibliothek mit Sicherheit auch die Schriften der Manichäer in

den Flammen auf.

Der zweite Fürst der T’ang-Dynastie (618-907), T’ai-tsung (der von 627-649

regierte), war der wirkliche Begründer des Chinesischen Reiches, das umringt war

mit anderen feindlichen Völkern: die Altaischen (Türken, Mongolen und Tungusen)

im Norden und Westen und die Tibetaner im Südwesten.25 Diesem Kaiser gelang es,

den westlichen Zweig des Türkischen Volkes, die T’u-chüeh, untergehen zu lassen

und den östlichen Zweig desselben Volkes zu unterwerfen. Mit seinem starken

Expansionsdrang unterwirft er auch die fruchtbare Oase des Tarim-Beckens. Am

Anfang des 7. Jahrhunderts werden die Oase-Städte, die an der Seidenstraße

entstanden, von ursprünglich indo-europäischen Völkern geführt: Ostiraner (Sogdier

und Saken), Inder und Tocharen. Verschiedene Kulturen, importiert auf dem Wege

dieser Handelsroute, waren zu einer synkretistischen Einheit in einem buddhistisch-

religiösen Kader zusammengewachsen, der als die graeco-(irano-)buddhistische

Kunst verstanden wird. In diversen Städten des Tarim-Beckens (heute das

Chinesische Turkistan), Kutscha, Turfan, Qaraschahr, Kâschghar, Yarkand und

Chotan wird vom Großteil der Bevölkerung der Buddhismus als Religion

25 Allgemeine Informationen, oft auch Diskussionen über die Details und bibliografischen Daten über die Geschichte von Zentral-Asien und China um die Mitte des ersten Jahrtausends, finden sich in folgenden Standardwerken: E. Chavannes, Documents sur les Tou-kiue (Turcs) occidentaux, St. Petersburg 1903 (die »Notes additionelles«, in T’oung-pao, vol. V, 1904, S. 1-110); O. Franke, Beiträge aus chinesischen Quellen zur Kenntnis der Türkvölker und Skythen Zentralasiens (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1904); W. Barthold, Turkestan down to the Mongol Invasion, London 1928; O. Franke, Geschichte des chinesischen Reiches, 5 Bände, Berlin-Leipzig 1930-1952; P. Pelliot, Haute Asie, Paris 1931; R. Grousset, L’Empire des Steppes, Paris 1945; W. Barthold, Histoire des Turcs d’Asie Centrale, Paris 1945; W. Barthold, Four Studies in the History of Central Asia, herausgegeben von Vladimir Minosky, Leiden 1956-1962; M. Liu, Die chinesischen Nachrichten zur Geschichte der Ost-Türken (Tü-Küe) Göttinger Asiatische Forschungen X, Wiesbaden 1958; Sinor D., Introduction à l’étude de l’Eurasie Centrale, Wiesbaden 1963; B. Spuler, »Geschichte Mittel-Asiens seit dem Auftreten der Türken«, in: Handbuch der Orientalistik, I/V/5 Geschichte Mittel-Asiens, Leiden 1966, S. 123-168; A. von Gabain, Einführung in die Zentralasienkunde, Darmstadt 1979. Über das religiöse Milieu in Central-Asien im Allgemeinen: P. Alfaric, »Religions de l’Asie Centrale«, in: Revue d’Histoire et de Littérature Religieuses, N.S. vol. IV, 1913, S. 369-376.

angenommen: in einer Minderheit finden wir auch Zoroastrier.26 Diese kleinen Reiche

wurden alle um das Jahr 650 unter die Herrschaft von T’ai-Tsung gebracht. Seine

Nachfolger waren durch Schwäche charakterisiert.

Ende des 7. Jahrhunderts schart sich das östliche T’u-chüeh-reich27 unter die

Leitung von Qutlugh Qaghan, der mit Hilfe des großen Politikers Tonyuquq das

Orchonreich (zweites Kök-Türkische Reich) begründet.

Im Jahre 687 erleiden diese allerdings eine Niederlage gegen die Chinesen,

die sie in ihrem Expansionsdrang angefallen hatten. Diese befanden sich unter der

Leitung der despotischen Kaiserin Wu-chou (Wu Tse-t’ien), die sich 683 des Thrones

bemächtigt hatte. Nach dem Tod Qutlughs, unter seinem Bruder Mo-ch‘o =

qap(a)ghan Qaghan (691-7160), gelangt das Türkische Reich wieder zu großer

Blüte.

Das erste Zeugnis einer manichäischen Anwesenheit im Chinesischen Reich

stammt aus dem Jahr 694: In diesem Jahr wird der chinesische Hof durch einen

manichäischen Bischof besucht, der das Buch über die Zwei Prinzipien bei sich hat.28

26 Mit Bezug auf die buddhistische Anwesenheit in Turkestan: A. von Gabain, »Buddhistische Türkenmission«, in: Asiatica, Festschrift für F. Weller, Leipzig 1954, S. 161-173; A. von Gabain, »Der Buddhismus in Zentralasien« in: Handbuch der Orientalistik, I/VII/2, Religionsgeschichte des Orients in der Zeit der Weltreligionen, Leiden 1961, S. 496-514; A. von Gabain, »Alttürkische Literatur«, in: Philologiae Turcicae Fundamenta II, Wiesbaden 1964, S. 221-230. Die spezifische buddhistische Ausrichtung konnte von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein: So war Kâshghar hînayânisch orientiert, und Yarkand eher mahâyânisch gefärbt. Informationen hierüber und wichtige Beschreibungen findet man in dem berühmten Reisebericht des chinesisch-buddhistischen Pilgers, der u. a. diese Oase besuchte, m.d.N. Hüang-tsang; siehe auch E. Blochet, »Christianisme et Mazdéisme chez les Turcs Orientaux«, in: Revue de l’Orient Chrétien, vol. XXXVII (=N.S. VII), 1929-1930, S. 31-125. 27 R. Giraud, L’Empire des Turcs Célestes. Les règnes d’Elterich, Qapghan et Bilgä (680-734), Paris 1960. Mitteilung AvT: Von dieser Periode an ist die Anwesenheit der Türken auch durch eigene historische Schriften belegt, geschrieben in alt-türkischen ›Runen‹. Obwohl diese Runen schon lange bekannt waren, wurden sie erst am Ende des 19. Jahrhunderts durch den dänischen Professor Vilhelm Thomsen entziffert. Übersichten und bibliografische Daten zum Text− und Interpretationswerk: S. E. Malov, Pamjatniki drevnietjurkskoj pis’mennosti. Teksti i issledovanija, Moskau-Leningrad 1951, S. 9-92; D. Sinor, Introduction à l’Eurasie Centrale, Wiesbaden 1964, S. 192-211; siehe auch die Grammatik von A. von Gabain und die Alt-Türkischen Wörterbücher, vgl. infra. 28 Eine Monographie mit dem Anspruch, eine Synthese des »chinesischen Manichäismus« zu sein, besteht (noch) nicht; es ist aber eine ausgezeichnete Sammlung von chinesischen, historischen Texten über diese Problematik vorhanden: E. Chavannes; P. Pelliot, »Un Traité Manichéen retrouvé en Chine«, in: Journal Asiatique, XIe sér. Vol. I, 1913, S. 99-199 und 261-392 (diese Textes Historiques werden weiter zitiert als Traité II.) Der erste Teil dieser Publikation umfasst die eigentliche Textedition des chinesisch-manichäisches Textes, bekannt unter dem Namen (Traktat). Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 150 - H. Schmidt-Glintzer, Chinesische Manichaica (Studies in Oriental Religions

Im Jahr 719 stattet ein manichäischer Erzbischof dem chinesischen Hof einen

Besuch ab, und es scheint, dass danach seine astronomischen Fähigkeiten einigen

Einfluss gehabt haben.29

Inzwischen war jedoch Mo-ch‘o ermordet worden, doch sein Sohn und

Nachfolger Mo-ki-lien = Bilgä Qaghan (716-734), festigte gemeinsam mit seinem

Bruder Kül Tegin die Macht wieder. Das Todesjahr des Letzteren (731) hat eine

Bedeutung für die Gegenwart des Manichäismus im Chinesischen Reich, denn zu

dieser Zeit wird ein Edikt erlassen, das einerseits die manichäische Religion für

untauglich erklärt, gleichzeitig aber besagt, dass die Ausübung derselben allerdings

nicht behindert werden darf.

Von dieser Zeit an verbreitet sich diese neue Religion im ganzen

Chinesischen Reich.30 Nachdem auch Bilgä Qaghan im Jahr 734 ermordet wird, geht

das Türkische Reich an Unruhen zugrunde; zehn Jahre später kommen andere

Stammeskonföderationen an die Macht, die ungefähr hundert Jahre lang eine

wichtige Rolle spielen werden, obwohl über ihre frühere Geschichte wenig bekannt

ist. Die wichtigste Komponente dieser Stammeskonföderationen sind die Uiguren.31

Der Qaghan der Uiguren, Pu-li P’ei-lo ernennt sich − mit der Zustimmung des T’ang-

Herrschers – zum Fürsten der Türken am oberen Flusslauf des Orchon und nennt

sich im Jahr 745 Qutlugh Bilgä (Ku-to-lu Pei-chia chü). Die Uiguren herrschen nun

vom Balkanmeer bis an das Altaïgebirge; sie sind die rechtmäßigen Nachfolger der

T’ü-chüeh, auch weil sie Ötükän besitzen.32

Ihre Hauptstadt ist Ordu-Balïq (Karabalgasun), nicht weit vom späteren

Zentrum Karakorum (zurzeit von Tschenghis Qaghan) gelegen. Auch fängt dieser

Herrscher an, eine wichtige Rolle in der internen chinesischen Politik zu spielen. So

gelang es einem Ch’i-tan Condottiere, An-lu-shan (wahrscheinlich ein Sogdier) im

Jahre 755, beide chinesische Reichshauptstädte, Lo-yan und Ch’ang-an,

14), Wiesbaden 1987 bietet eine Übersetzung (ohne Kommentar) der drei großen manichäischen Texte (mit einem hilfreichen Sachregister). Lieu II. 29 Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 151-3. 30 Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 154-5. 31 Über die Geschichte dieser Periode: C. Mackerras, The Uighur Empire (744-840), according to the T’ang Dynastic Histories (The Australian National University, Centre of Oriental Studies, Publication VIII), Camberra 1968. 32 Der Heilige Berg der Türken.

einzunehmen. Der geflüchtete chinesische Kaiser, Su-Tsung (756-762) sucht Hilfe

beim uigurischen Herrscher Mo-yen-ch’o = Ko-lo-qa an (745-759), der Lo-yang

befreit.33 Die Aufstände sind hiermit aber nicht beendet, denn Rebellen erobern Lo-

yang wieder aufs Neue. Wieder greift der uigurische Qaghan, Teng-li Mu-yu (= Bögü

/ Bughugh = Itikän = El- Tutmïsj, 759-780) ein: Lo-yang wird 762 wieder erobert und

geplündert. Dies ist das wichtigste Ereignis in der manichäischen Kirchengeschichte,

denn im Jahr 762 begegnen sich manichäische Priester und der uigurische Qaghan

in Lo-yang; er bekehrt sich zu ihrer Religion und lässt sich im Jahr 763 von vier

Geistlichen nach Ordu-Balïq begleiten, wo er den Manichäismus zur Staatsreligion

ausruft:34 eine einmalige Tatsache in der Geschichte des Manichäismus.35 In den

achtzig Jahren bis zum Fall des Uigurischen Reiches wird dieser Status beibehalten.

Die Folgen sind nicht nur eine intensive Missionierung unter den Türken und den

33 E.G. Pulleyblank, The Background of the Rebellion of An Lu-shan (London Oriental Series IV), London/New York/Toronto 1953. Der eigene Name (An-lu-shan) kann zum Teil auf eine Transkription lu-shan von dem sogdischen Namen rôshan »Licht« zurückgeführt werden. 34 Vgl.: U. Pestalozza, »Il Manicheismo pressi i Turchi Occidentali ed Orientali (rilievi e chiarimenti)«, in: Reale Istituto Lombardo di Scienze e Lettere, Rendiconti, Ser. II, vol. LXVII, 1934, S. 417-479. Siehe auch: J. Marquart, »Djuwaini’s Bericht über die Bekehrung der Uiguren«, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1912, S. 488-502. 35 Ein sehr wichtiges epigrafisches Monument für die Kenntnisse der Geschichte des uigurischen Königreiches, in dem die Bekehrung des Fürsten zum Manichäismus geschildert wird, ist die dreisprachige Inskription von Karabalghasun (in Runen-Türkisch, Sogdisch und Chinesisch). Der Text wird reproduziert in W. Radloff, Atlas der Alterthümer der Mongolei, St. Petersburg 1892-99, Platten XXXI-XXXV und W. Radloff, Die alttürkischen Inschriften der Mongolei III, St. Petersburg 1894-5, S. 291-5. Der alttürkische Text ist beinah unleserlich, während der chinesische ziemlich gut bewahrt geblieben ist. Dieser Letztere wurde schon durch G. Schlegel studiert, Die chinesische Inschrift auf dem uigurischen Denkmal in Kara Balgassun (Mémoires de la Société Finno-Ougrienne IX), Helsingfors 1896; diese Studie ist aber unbrauchbar, und wurde korrigiert in: Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 177-199. Doch meinte man noch 1897, dass diese Inschrift von der Einführung des Nestorianismus in China handelte (so eine frühe Publikation von E. Chavannes, »Le Nestorianisme et l’Inscription de Karabalgassoun«, im: Journal Asiatique, IXe sér., vol. IX, 1897, S. 43-85). Die richtige Interpretation (dass es sich hier um den Manichäismus handelt), ist durch G. Déveria überliefert, »Musulmans et Manichéens Chinois«, in: Journal Asiatique, IXe sér., vol.X, 1897, S. 445-484. Vgl. P. Pelliot, »Les Mo-ni et l’inscription de Karabalgassoun« und »Les Mo-ni et le Houa hou king«, beide in: Bulletin de l’Ecole Française d’Extrême Orient, vol. 3, 1903, resp. S. 467-8 und 318-327. Die sogdische Inschrift wird als solche identifiziert durch F. W. K. Müller, »Ein Iranisches Sprachdenkmal aus der nördlichen Mongolei«, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1909, S. 726-730; und später diskutiert bei O. Hansen, im: Journal de la Société Finno-Ougrienne, vol. XLIV, 1930 Nr. 3. In jüngerer Zeit wurde in der Mongolei noch eine zweisprachige Schrift (Sogdisch-Uigurs) ausgegraben, in der von Bögü Qaghan die Rede ist: S. G. Klasjtornyj / V. A. Livsjits, »Une inscription inédite turque et sogdienne: la stèle de Sevrey (Gobi Méridional)«, in: Journal Asiatique, vol. CCLIX, 1971, S. 11-20.

ihnen unterworfenen (indo-europäischen) Völkern im Tarim-Becken, sondern auch

eine größere Toleranz, ja selbst Begünstigung im Chinesischen Reich: die T’ang-

Fürsten sind den mächtigen uigurischen Bundesgenossen sehr viel schuldig, und

müssen ihre Staatsreligion auch unterstützen. Schon schnell, bereits im Jahr 768,

reist eine diplomatische uigurische Mission zum chinesischen kaiserlichen Hof. Die

manichäischen Priester, die diese diplomatische Gesandtschaft begleiteten (und

selber auch politisches Mitbestimmungsrecht hatten), sorgten dafür, dass in China,

dank eines kaiserlichen Ediktes, manichäische Kultstätten errichtet werden

konnten.36 Noch während des halben Jahrhunderts danach finden mehrere von

solchen diplomatisch-religiösen Missionen statt.37

Im Lande Turfan, das dem Uigurische Reich unterworfen war, wurden Anfang

des 20. Jahrhunderts materielle Zeugnisse einer blühenden manichäischen Kultur

gefunden. Die buddhistische Religion wurde dort ebenfalls ausgeübt und eine neue

Religion, das Christentum, hielt seinen Einzug. Auf die Bitte von Alp Qutlugh, dem

Nachfolger von El-Tutsmisch, schickt der nestorianische Katholikos Timotheus l.

einen Metropoliten in das Reich (781).

Dieses Geschehen ist von sehr großer Bedeutung für die Expansion dieser

Religion38, und ist ein klarer Beleg für die »manichäische Toleranz«. Im 11.

36 Zum Edikt von 768, dass im Jahr 771 erneuert wurde, siehe: Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 261-263. 37 Edikte von chinesischen Kaisern, die sich gegenüber den Manichäern positiv auslassen, sind bekannt aus den Jahren 806, 807, 813, 821, vgl. Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 264-283. 38 Zeugnisse von christlich-nestorianischer Präsenz im Turfangebiet (vor allem Handschriften in Pehlevi, Sogdisch und Uigurisch): siehe infra. Literatur über die nestorianische Missionierung im Kultus in Zentral-Asien: F. Nau, »L’Expansion nestorienne en Asie«, in: Annales du Musée Guimet, Bibliothèque de Vulgarisation XL, Paris 1913, S. 193-386; A. Mingana, »The early Spread of Christianity in Central-Asia an the Far East, a new Document«, in: Bulletin of the John Rylands Library of Manchester, vol. IX, 1925, S. 297-371; A. C. Moule, Christians in China before the year 1550, London 1930; F. S. Drake, »Nestorian Monasteries of the T’ang Mongolen das Christentum«, in: Internationale Kirchliche Zeitschrift, vol. XXVIII, 938, S. 156f.; G. Rosenkranz, Die älteste Christenheit in China, Berlin 1939; K. A. Wittfogel und C. Fêng, »Religion under the Liao Dynasty (907-1125)«, in: Review of Religion, vol. XII, 1947-8, S. 355-374; Dauvilier, »Les provinces chaldéennes de l’Extérieur au Moyen Age«, in: Mélanges Cävallera, Toulouse 1948, S. 261-316; J. Foster, The Church of the T’ang Dynasty, London 1949; Dauvillier, Des Etudes Byzantines, vol. XI (Mélanges Martin JUGIE), 1953, S. 62-87; B. Spuler, Die Nestorianische Kirche, in: Handbuch der Orientalistik I/VIII: Religionsgeschichte des Orients in der Zeit der Weltreligionen, S. 120-169 (S. 139-141 und 153-158). Von besonderer Wichtigkeit ist die folgende Monographie: P. Y. Saeki, The Nestorian documents and Relics in China, Tokyo, 1951.

Jahrhundert ensteht eine typisch »uigurische« (alttürkische) Schrift und weitere

Entwicklungen der »sogdischen« Schrift: Diese kulturelle Errungenschaft bezeugt

den Vorteil des iranischen Einflusses im Uiguren-Reich. Die Uiguren wurden also

intellektuell reicher, physisch allerdings schwächer: Im Jahr 840 wird ihr Reich

erobert und Qara-Balagasum von den Kirgisen eingenommen, einem türkisches

Volk, das seiner Steppennatur treu geblieben war; sie blieben bis 920 an der Macht.

Uigurische Flüchtlinge weichen nach Turfan aus, wo sie ein neues Fürstentum

errichten. Inzwischen haben die chinesischen Kaiser die ersten Pogrome gegen die

Manichäer ausgeschrieben (84339) was sie in den kommenden Jahrhunderten noch

häufiger tun werden.

Das Reich der immigrierten Türken, das Qara-Chôdscha (= Qotscho),

Beschbalik (= Pandschikänt), Karaschahr, Kutscha und Sarïgh Uygur von Kan-su

(westliches Kansu) umfasst, kann noch eine ganze Zeit standhalten: Das Königreich

von Beschbalik-Kutscha besteht bis in das dreizehnte Jahrhundert (die

dschinghischanidische Periode), und das von Kan-su bis 1028 (als die Tanguten es

erobern).40

In den Regionen, die früher durch Indo-Europäer beherrscht wurden, wird die

alte Kultur nun durch nestorianische, buddhistische und manichäische Uiguren in

einem vielsprachigen und multikulturellen Milieu übernommen. Die Protagonisten

dieser vielfältigen Kultur werden später die Basis bilden für die mongolische Kultur.

Der Manichäismus wird jedoch zurückgedrängt: Er bleibt in der uigurischen Welt, hier

und da bis ungefähr ins zwölfte Jahrhundert, noch weiter bestehen.41 Die Mongolen

39 Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 295-304. 40 Für das Studium der uigurischen Geschichte nach 840 sind die folgenden Studien wichtig: E. Pinks, Die Uiguren von Kan-chou in der frühen Sung-Zeit (960-1028) (Asiatische Forschungen XXIV), Wiesbaden 1968 und J. Hamilton, Les Ouighours à l’Epoque des Cinq-Dynasties d’après des documents chinois (Publication de l’Institut des Hautes Etudes Chinoises X), Paris 1955. 41 Noch aus dem XI.. Jahrhundert datiert der jüngste manichäische Text im Uigurischen, der sog. »Manistan« oder »Kloster«-Text. Hiermit ist eine Buchrolle gemeint (270 cm lang x 29,5 cm breit, enthält 125 Schriftlinien). Dieser einmalige Text macht es möglich, einen Blick auf das ökonomische Leben eines manichäischen Klosters zu werfen. Ausgehend von der Schrift (Spät-uigurisch) müssen die Texte ins XI.. Jahrhundert datiert werden. Neben diesem relativ jungen manichäischen Zeugnis muss auch auf das uigurische Insadi-sûtra verwiesen werden. Dieser Text, veröffentlicht von S. Tezcan, beinhaltet bestimmte Ausdrücke, die darauf hinweisen, dass der Autor über das manichäisch hierarchische System Bescheid wusste. Die Datierung dieses Textes ist problematisch, doch das XIV.

Jahrhundert ist plausibel.

und später der Islam werden dafür sorgen, dass auch die letzten Spuren des

Manichäismus bei den Uiguren ausgewischt werden.

Nachdem die Verfolgungen der Manichäer in China im Jahr 843 begonnen

hatten, ist auch hier ein schneller Rückgang dieser Religion zu bemerken. In

aufeinander folgenden Dekreten werden nicht nur alle Tempel geschlossen, sondern

auch die Gläubigen verpflichtet, sich zu ›sinisiren‹. Die kultischen Gegenstände

werden vernichtet oder im besten Fall konfisziert.42 Neben den Buddhisten sind auch

die Konfuzianisten die Gegenspieler »der Religion des Lichtes«, wie der

Manichäismus in China genannt wird.

Der Manichäismus weiß aber in der Periode der Fünf Dynastien (907-960) zu

überleben; während der Song-Dynastie (960-1126) ist ein Wiederaufblühen dieser

Religion zu sehen. Als eine Geheimgenossenschaft wissen die Manichäer sich

aufrechtzuerhalten und sogar einige Schriften in den taoistischen Kanon

hineinzutragen; auch in einigen Revolten scheinen sie eine Rolle gespielt zu haben.43

Die weitere Geschichte des chinesischen Manichäismus ist ungewiss, doch

meinen wir auch hier nicht a priori einige Parallelen zum west-europäischen

Manichäismus ausschließen zu können, wenn der Name der Manichäer mit allerlei

Häresien des mittelalterlichen China verbunden wird. So finden wir im Codex noch

explizite Meldungen von der Ming-Dynastie (1368-1644), stammend aus dem Jahr

1370 (erneuert 1397)44, welches (um des Formalismus willen) während der

Mandschu-Dynastie (1644-1912) in ihrem Codex von 164645 wiederholt wird. Auf

jeden Fall wird der Name der Manichäer im 13. Jahrhundert mit bestimmten

Geheimgesellschaften in Verbindung gebracht (typisch für die chinesische

42 Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 289ff. 43 Vgl. A. Forte, »Deux études sur le Manichéisme chinois«, in: T’oung Pao, vol. LIX, 1973, S. 220-253; S. N. C. Lieu, »Polemics against Manichaeism as a Subversive Cult in Sung China«, in: Bulletin of the the John Rylands University Library of Manchester, vol. LXII, 1979, S. 132-167. Während der Sung-Dynastie vollzog sich eine wichtige Transformation: Der Manichäismus, zunächst eine fremde Religion, die man mit Kaufleuten und Söldnern (Türken, Uiguren und iranische Sogdiern) assoziierte, wurde in dieser Zeit zu einer chinesischen Geheimgesellschaft mit sehr strengen asketischen Regeln und einer strengen Organisation transformiert. Ihre Anhänger wurden von der chinesischen Regierung eines anti-sozialen Benehmens, der Teufelsverehrung und der Anheuerung von Rebellen beschuldigt. In Lieus Studie werden diese Aspekte ausführlich behandelt, auch wird in seinem Beitrag den polemischen Schriften Beachtung beigemessen, die merkwürdige Parallelen mit den anti-manichäischen Werken der westlichen Kirchenväter ans Licht bringen. Siehe auch Lieu II. 44 Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 364ff. 45 Chavannes / Pelliot, Traité II, S. 369.

Gesellschaft bis 1949); speziell mit denen des Weißen Lotus, die nicht nur politisch,

sondern sicher auch religiös gefärbt waren und noch bis ins frühe 20. Jahrhundert

hinein eine Rolle spielten.

Die Anwesenheit von Manichäern ist weiter attestiert in Fukien46 und in der

internationalen Handelsstadt Zaitun, wo Marco Polo sie noch neben einer wichtigen

Muslim-Kolonie antraf.47

Es gibt auch Hinweise darauf, dass manichäische Kolonien in Sibirien48

bestanden und dass ihre Religion in tibetanischen Quellen belegt ist.49

I.03 Die Theologie des Manichäismus

Da der Manichäismus nicht nur eine Form von Gnosis darstellt, sondern vielmehr als

ihr Kulminationspunkt50 zu betrachten ist, ist es logisch, dass das philosophisch- 46 P. Pelliot, »Mani et les Manichéens«, in: Journal Asiatique, XIe sér. vol. III, 1914, S. 461-470; P. Pelliot, »Les traditions manichéennes au Fou-Kien«, in: T’oung Pao vol. XXII, 1923, S. 193-208. 47 Der wichtigste Meereshafen Zaitun (Zayton) (an Chinas Südostküste gelegen), hatte seine wichtigste Blüte zwischen 900 und 1474. Ausgrabungen aus den fünfziger Jahren belegen den internationalen Charakter dieser Stadt ausführlich. So sind etwa Grabsteine mit arabisch-islamitischen Inskriptionen, christlich-nestorianischen und Hindu-Aufschriften freigelegt worden. I. z. m. der Manichaeica wurden mindestens sechs Grabinschriften, in chinesischer und syrischer Schrift (und anderen Alphabeten), publiziert und es wurde ein manichäischer Tempel entdeckt. Siehe S. N. C. Lieu, L. Eccles, M. Franzmann, I. Gardner, K. Parry, eds. Medieval christian and manichaean remains from Quanzhou (Zayton), Corpus Fontium Manichaeorum, Series Archaeologie et Iconographica (SAI 2), Brepols, Turnhout, 2012. Vgl. L. Carrington Goodrich, »Recent Discoveries at Zayton«, in: Journal of the American Oriental Society, vol. LXXVII/3, 1957, S. 161-5 (mit einer Ergänzung in derselben Zeitschrift, vol. LXXVIII, 1958, S. 118). Siehe auch Lieu 2012. 48 O. J. Maenchen / O. Helfen, »Manichaeans in Siberia«, in: University of California Publications in Semitic Philology XI (= Semitic and Oriental Studies. A Volume presented to William Popper on the Occasion of his 75th birthday, Oct. 29 1949. Ed. by Walter J. Fischel), 1951, S. 311-326. 49 H. Hoffmann, »Probleme und Aufgaben der tibetischen Philologie mit einem Anhang zur Geschichte der Bon-Religion«, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländische Gesellschaft, vol. XCII, 1938, S.345-368, insbesondere S. 360-2; H. Hoffmann, »Manichaeism and Islam in the buddhist Kalacakra-System«, in: Proceedings of the 9th International Congress for the History of Religions, Tokyo 1960, S. 96-9 (sowie auch seine »Kalacakra Studies I«, in: Central Asiatic Journal, vol. XVIII/1, 1969, S.52-73); R. A. Stein, .»Une mention du Manichéisme dans le choix du Bouddhisme comme religion d’état par le roi tibétain Khri-sron lde-bcan«, in: Indianisme et Bouddhisme. Mélanges offerts à Mgr Etienne Lamotte (Publications de l’Institut Orientaliste de Louvain XXIII), Louvain-La-Neuve 1980, S. 328-337. 50 Über das Verhältnis von Gnosis und (christlichem) Manichäismus, siehe 2.12 in Der Manichäismus,

religiöse System des Manichäismus in seiner Essenz durch eine Mythologie

charakterisiert wird.51 Diese Mythologie, aufgefasst als ein kosmisches Drama in

verschiedenen Akten, ist seiner Essenz nach eine Kosmogonie: Der aktuelle Mensch

kann nur die Gnosis, die erlösende Erkenntnis besitzen, wenn er weiß, was

ursprünglich war, was heute ist und was werden wird. So erfüllt diese

Kosmogonie/Kosmologie eine soteriologische Funktion. Alle anderen Elemente der

Religion kann man damit in primäre und sekundäre Verbindungen bringen.52 (Diese

Kosmologie mit allen geistigen Wesen wird ausführlich besprochen im dritten Kapitel

in Der Manichäismus, 2007: Das manichäische Prinzip der Liebe − Kosmologie,

Anthropologie, Soteriologie).

I.04 Quellen für das Studium des Manichäismus

Durch Bücherverbrennungen, sowohl im Römischen Reich, in Mesopotamien und

China, sowie durch religiösen Fanatismus von Christen, Muslimen, Buddhisten und

Konfuzianisten sind die meisten Monumente und Schriften vernichtet worden. 2007: »Manis Synkretismus als christliche Synthese«. 51 Wegen des fragmentarischen Charakters der primären Quellen kann man den Verlauf dieser mythologischen Erzählung nicht anhand dieser Quellen allein rekonstruieren. Aufgrund der weitläufigen geografischen Verbreitung des Manichäismus und der großen Zeitspanne, in der seine Quellen datiert sind, verfügen die Erzählungen über keine Homogenität. Dennoch ist es möglich, aufgrund von primären iranischen, uigurischen, chinesischen und koptischen Quellen sowie anhand zuverlässiger sekundärer Quellen eine mehr oder weniger zusammenhängende Fassung der Erzählung zu geben, die ursprünglich in manichäischen Kreisen zirkuliert haben muss. Später sind natürlich mehr und mehr fremde Elemente dazugekommen. Auch die geschmeidige Anpassung des Manichäismus an andere religiöse Systeme macht eine Rekonstruktion einfach. Die meisten Standardwerke (vgl. die Aufzählungen supra) bringen Zusammenfassungen dieser Kosmologie. Anhand dieser Werke wird die hier gegebene Geschichte zusammengestellt, doch werden bestimmte Quellen besonders zu Rate gezogen: Augustinus (Contra Fortunatum, Contra Epistulam Quam Vocant Fundamenti); die griechischen Refutationes von Alexander von Lycopolis und die von Epiphanius von Salamis; eine der besten und zuverlässigsten sekundären Quellen i. Z. m. der Kosmologie ist das Liber Scholiorum von Theodorus Bar Kônî, des arabischen Autors Ibn al-Nadîm; im Gegensatz zu dem Griechischen Mani-Codex (der praktisch nur biografische Daten über den jungen Mani enthält) ist das koptische Kephalaia-Buch von großer Bedeutung für die Rekonstruktion der Theologie; in gleichem Maße der Chinesische Traktat (auch wenn der Autor allzu oft seinen Weg in einer zu weit durchgeführten Symbolisierung verliert, ausgedrückt in Pentaden, Heptaden, Ogdoaden, Dekaden und Dodekaden). 52 Diese Interrelation ist deutlich z. B. in der Zahlensymbolik, die eine sehr wichtige Rolle im Manichäismus spielt. Diese ist oft aus der Astronomie abgeleitet.

Dennoch wurden (und werden noch immer) Originale durch archäologische

Ausgrabungen entdeckt.

Diese rein manichäischen Texte bilden die primäre Grundlage für das Studium

dieser Religion53; sie werden aufgezählt unter den direkten Quellen (siehe I.06).

Doch vor 1900 waren nur sekundäre Quellen zugänglich, hauptsächlich von

Kirchenvätern, aber auch Schriften von bestimmten islamitischen (und chinesischen)

Autoren.

Diese indirekten Zeugnisse (siehe I.05) sind in bestimmten Fällen

unentbehrlich, um das unvollkommene Bild, das die direkten Quellen aufzeigen,

komplett zu machen und bieten manchmal sehr akkurate Übersichten und

Synthesen.

Um dieses Bild zu vervollständigen, wird zum Schluss noch eine

zusammenfassende Aufzählung der archäologischen Quellen gegeben, deren

Wichtigkeit in der Manichäologie oft übersehen wird.

I.05 Indirekte literarische Quellen a) Die lateinische Tradition

Aurelius Augustinus wurde 354 im nordafrikanischen T(h)agaste geboren. Seine

Eltern sorgten dafür, dass er mit dem Lateinischen groß wurde. Aber nachdem der

junge Mann nach Karthago zieht, um zu studieren, verfällt er dem zügellosen Leben.

Doch verlässt er diesen Weg, als in ihm das Interesse für den Manichäismus

geweckt wird. In diesem System interessieren ihn vor allen Dingen die rationalen

Erklärungen über den Ursprung des Bösen. Augustinus bekehrt sich zum

Manichäismus und ist von 373 bis 382 Auditor. Zwei Aspekte dieser Religion,

namentlich die Bibelkritik kontra den alttestamentarischen, anthropomorphen

Gottesbegriff und die Lichtlehre, halten ihn vom Christentum ab. Sein Kontakt mit

dem neoplatonischen Ambrosius bringt aber eine radikale Veränderung mit sich: Im

53 Eine allgemeine kritische Quellenstudie des Manichäismus gibt es nicht; der erste Versuch, eine Übersicht und Analyse der geschriebenen Quellen zu bieten, wurde viel zu früh unternommen, bevor die wichtigsten direkten Zeugnisse publiziert waren, und ist darum unvollständig und überholt: P. Alfaric, Les écritures manichéennes, 2 Bände, Paris 1918.

Jahr 386 bekehrt er sich zum Christentum. 396 wird er Bischof von Hippo (Nord-

Afrika). Dieses Amt führte er 35 Jahre lang aus, bis zu seinem Tod im Jahr 430.

Dieser produktive Autor und einer der großen Figuren aus der Patristik bietet uns

Quellen mit Bezug auf den Manichäismus von unschätzbarem Wert. In diversen

Schriften aus seiner Hand sind ursprünglich-manichäische Textzitate inkorporiert.

Aus diesem Grund könnte man Augustinus dem primären Quellenmaterial

zuordnen, da er jedoch aus einer häreologisch-patristischen Perspektive schreibt,

situiert man ihn für gewöhnlich zu den sekundären Quellen. Seine hauptsächlichsten

Schriften gegen die Manichäer und ihr System sind: De utilitate credendi liber; De

duabus animabus; Contra Fortunatum disputatio; Contra Adimantum; Contra

epistulam quam vocant fundamenti; Contra Faustum libri XXXIII; Contra Felicem libri

II; De natura boni liber; Contra Secundinum liber (Antwort auf Secundini Manichaei ad

sanctum Augustinum epistula) und die traditionell zum Augustinischen Corpus

gerechnete Evodii Uzalensis episcopi de fide contra manichaeos.54 Erst In den letzten

Jahrzehnten sind Forscher zu der Feststellung gekommen, dass in Augustinus’

Denken bestimmte manichäische Ideen weitergewirkt haben. Dieser Einfluss hat

seine Grundlage in bestimmten manichäischen Konzepten, etwa die christozentrische

Frömmigkeit (in den manichäischen Psalmen), der mystische Sprachgebrauch, die

wichtige Rolle des Paulus, die Lehre von den zwei Reichen und die Interpretation der

Sünde.55

b) Die griechische Tradition

54 Alle diese Werke werden in der (bis heute besten kritischen) Edition van J. Zycha genannt: Sancti Aureli Augustini Opera = Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, vol. XXV = Sectio V/Pars 1-2, Prag-Wien-Leipzig 1891-2. Eine gute Übersetzung ins Französische, die auch Auszüge aus der Anti-Manichaeica enthält, erschien in der Bibliothèque Augustinienne (Desclée, Paris – Brugge und Brepols, Turnhout). 55 A. Adam, »Der manichäische Ursprung der Lehre von den zwei Reichen bei Augustin«, in: Theologische Literatur-Zeitung vol. LXXVII, 1952, S. 385-390, und A. Adam, »Das Fortwirken des Manichäismus bei Augustin«, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, vol. LXIX, 1958, S. 1-25; W. H. C. Frend, »Manichaeism in the struggle between Saint Augustin and Petillian of Constantine«, in: Augustinus Magister. Congrès International Augustinien, Paris 21.-24. Septembre 1954, vol. II, S. 859-866; P. de Menasce, »Augustin Manichéen«, in: Festgabe für Ernst Robert Curtius zum 14. April 1956, Bern 1956, S. 79-93. Der beste und neueste status quaestionis dieses Problems findet man bei F. Decret, L’Afrique manichéenne (IVe-Ve siècle). Etude historique et doctrinale, 2 Bände, Paris 1978. Auch das Studienfeld von J. van Oort umfasst Elemente von Untersuchungen nach dem Fortbestehen manichäischer Elemente bei Augustinus.

Die zahlreichen griechischen Quellen, die meistens von den Kirchenvätern aus dem

nahegelegenen Osten geschrieben sind und in einigen Ausnahmen auch aus

philosophischen Kreisen stammen, bieten Informationen von unvergleichlichem Wert

in Bezug auf den Manichäismus. Die interessantesten Quellen sind die folgenden:

(1) Eine der ältesten Quellen, vielleicht die älteste polemische Schrift gegen die

Manichäer, ist der fragmentarische Papyrus Rylands 469,56 der vermutlich vor

300 datiert werden muss. Dieser enthält eine Polemik gegen die Abweisung der

Ehe durch die Manichäer und wird situiert in der Bischofskanzlei von Theonas,

die von 282 bis 300 dem Bischof von Alexandrien gehörte.

(2) Alexander Lycopolitanus schrieb die Contra manichaei opiniones disputatio57

vermutlich bevor er zum Christentum konvertierte (ca. 300). Diese Schrift muss

mit dem Streit in Zusammenhang gebracht werden, den Plotinus und die

Christen gegen die Gnostiker führten. Nach seiner Bekehrung wird der Autor

zum Amt des Bischofs von Alexandrien erhoben.

(3) Serapion, der seit 339 Bischof von Thmuis im unteren Ägypten war, konzipierte

ungefähr um die Mitte des 4. Jahrhunderts seinen: Liber adversos

manichaeos.58 Er starb nach 362.

(4) Titus von Bostra (das ist die Hauptstadt der arabischen Provinz) schrieb seinen

Adversos manichaeos ungefähr in der Mitte des 4. Jahrhunderts.59 Dieses Buch

gegen die Manichäer besteht aus 4 Teilen: die ersten beiden widerlegen die

56 C. H. Roberts, Catalogue of the Greek and Latin Papyri in the John Rylands Library, Manchester, vol. III, Manchester 1938, S. 38-46. 57 A. Brinkmann, Alexandri Lycopolitani contra Manichaei opiniones Disputatio, Leipzig 1895; W. Schmid / O. Stählin, Von Christ’s Geschichte der Griechischen Literatur: II, Die nachklassische Periode der Griechischen Literatur, 2: Von 100 bis 530 nach Christus (Handbuch der Altertumswissenschaft VII/II/2), München 1924, S. 861f. 58 R. B. Casey, Serapion of Thmuis: Against the Manichees (Harvard Theological Studies, vol. XV), Cambridge 1931; Altaner / Stuiber, Patrologie − Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg-Basel-Wien 1966, S. 257 und 280. 59 Der griechische Text dieses Werkes ist unvollständig erhalten, die syrische Übersetzung dagegen ist vollständig: P. A. de Lagarde, Titi Bostreni quae opera contra manichaeos edito in codice Hamburgensi servata sunt graece, Berlin 1858; P. A. de Lagarde, Titi Bostreni,contra Manichaeos libri quatuor syriace, Berlin 1859; Altaner / Stuiber, op.cit., S. 311. Siehe auch: R. P. Casey, »The Text of the Aniti-Manichaean Writings of Titus of Bostra and Serapion of Thmuis«, in: Harvard Theological Review, vol. XXI, 1928, S. 97-111.

interpretatio Manichaica von Gott und dem Kosmos, im dritten verteidigt er den

göttlichen Ursprung des Alten Testaments.

(5) Epiphanius von Salamis verfertigte das Panarion60, das ›Medizinschränkchen‹,

das denen ein Gegengift bieten will, die durch die Schlange der Häresie

gebissen sind. Dieses Werk wird durch den Autor, der in Judäa geboren ist und

Oberster einer ägyptisch monastischen Gemeinschaft war, zwischen 374-7

geschrieben. Es umfasst eine Übersicht von insgesammt achtzig Ketzereien

(auch heidnisch-philosophischer Schulen und jüdischer Sekten). Im Jahr 376

wurde er Bischof von Salamis (Constantio) auf Cyprus und 390 oder 392

predigte er in Jerusalem gegen Origenes. Augustinus machte in seinem De

Haeresibus Gebrauch von einem Exzerpt aus dem Panarion mit dem Titel

Recapitulatio. Als Anti-Origenist strebte Epiphanius nach einer Verbreitung des

Mönchtums und bekämpfte die Ketzereien.

(6) Über Hegemonius sind keine biografischen Daten bekannt, doch seine Acta

Archelai war im Altertum und im Mittelalter, ungeachtet oft falscher

Informationen, sehr berühmt.61 Archelas war Bischof von der mesopotamischen

Stadt Kaskar um 280, der seinen Streit-Dialog mit einem Anhänger Manis in

syrischer Sprache herausgegeben haben soll.

(7) Simplicius, ein Neoplatoniker aus Sizilien, nimmt in seinem Exègèseis (ca. 533)

den Streit gegen den Dualismus auf.62 Die Tatsache, dass diese

antidualistischen Auseinandersetzungen in Alexandrien geschrieben wurden,

zeigt, dass der Manichäismus und die Gnosis im 6. Jahrhundert in Ägypten weit

verbreitet waren.

(8) Spätere Quellen, die schon den Übergang zum Mittelalter formen, wie z. B. das

Souda-lexicon (Byzantinisch, 10. Jahrhundert)63 und der Kirchenvater Johannes

Damascenus können noch über interessante Informationen Auskunft geben.

60 K. Holl, Epiphanius. Panarion, 3 Bände. (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Bände 25, 31 und 37 resp. 1915, 1922: 1980 rev. ed. durch Dummer) und 1933; Altaner / Stuiber, op.cit., S. 315-8. 61 C. H. Beeson, Hegemonius: Acta Archelai (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte), vol. 16, 1906; Altaner - Stuiber, op. cit., S. 310. 62 F. Dübner, Theophrasti Characteres, Marci Antonii Commentarii, Epicteti Demonstrationes ab Arriano Literis mandatae, fragmenta et Enchiridion cum commentario Simplicii, Cebetis Tabulae, Maximi Tyrii Dissertationes, Paris 1840. 63 A. Aler, Lexicographi Graeci. Vol. I Suidae Lexicon. Teil III, Leipzig 1933, S. 318f.; J. Damascenus: Patrologia Latina ed. Migne, kol.1503-1584 (»Dialogus Contra Manichaeos«).

c) Die syrische Tradition

Auch die Schiften von syrischen Kirchenvätern enthalten wertvolle Auskünfte über

den Manichäismus. Neben einer frühen Erwähnung dieser Religion durch Aphrâhât

(Aphraatès, erste Hälfte des 4. Jahrhunderts)64 und interessantes Material in dem

Chronicon Maroniticum (im 7. Jahrhundert, später fortgesetzt in der Chronik von

Michael dem Syrer aus dem 12. Jahrhundert)65 gibt es noch drei weitere Autoren, die

− unter drei verschiedenen Aspekten − in der Rekonstruktion des manichäischen

Systems eine wesentliche Rolle spielen.

Der erste, Ephrêm, ist wichtig, weil er mehrere Zitate aus ursprünglich

manichäischen Texten überlieferte. (E-)Aphrêm (geboren 306 in Nisibis und 373

gestorben in Edessa), einer der Stifter der sog. »Persischen Schule«, wird allgemein

als der Meister der klassisch-religiösen syrischen Literatur gesehen. In seinen Prosa-

und hymnischen Kompositionen beabsichtigt er eine Widerlegung zahlreicher

verbreiteter Anschuldigungen der Ketzerei.66

Eine gekonnte Synthese des manichäischen Systems, ausgeschmückt mit

originellen Zitaten, ist die hundertdreiundzwanzigste Homilie von Severus von

Antiochien (gestorben 538). Er war in den Jahren von 512-518/9 wenige Jahre lang

ein monophysitischer Patriarch und Stifter des jakobinischen Zweiges der syrischen

Kirche.67 Man darf nicht aus dem Auge verlieren, das Manis Muttersprache ein

syrisch-aramäischer Dialekt war. Darum sind die Ausdrücke, die durch die syrischen

Kirchenväter überliefert sind, von so großer Wichtigkeit.

Die beste und kohärenteste Synthese des manichäischen Systems findet sich

im elften Teil des Liber Scholiorum von Theodorus Bar Kônî oder Kônay (um 790

geschrieben). Auch dieser Autor schöpfte aus Quellen erster Hand, seine

64 Seine Demonstrationes wurden von J. Parisot herausgegeben in: Patrologia Syriaca (ed. Graffin), vols. I/1 und I/2, Paris 1894 und 1907. 65 Zu Michael dem Syrer, siehe: J. B. Chabot, Chronique de Michel le Syrien, Patriarche Jacobite d’Antiochie (1166-1199), 4 Bände, Paris 1899-1910. 66 C. W. Mitchell, S. Ephraim’s Prose Refutations of Mani, Marcion and Bardaisan, 2 Bände, London 1912-1922. 67 F. Cumont / M. A. Kugener, Recherches sur le Manichéisme, Brussel 1912, S. 89-150; E. W. Brooks, Severus Antiochenus: The Hymns of Severus Antiochenus (Patrologia Orientalis VI/7, VII/5), Paris 1911.

technischen Ausdrücke sind von großem Wert für die Manichäologie.68

d) Die iranische Tradition: Mittelpersisch ( Pehlewi/Pahlawi)

und klassisch neu (modern) Persisch

Es ist eigenartig, das trotz der Polemik, die die zoroastrische/mazdeistisch-persische

Religion gegen den Manichäismus führte, die reiche Pehlewi-Literatur nur eine

Streitschrift (refutatio) gegen diese Religion mit dem Namen Schkand-Gumânîk

Vidschâr hervorgebracht hat. Obwohl dieser Text aus dem 9. Jahrhundert eine

gründliche Analyse und Widerlegung des atheistischen Systems, des Islams, des

Judaismus und des Christentums bietet, wird dem Manichäismus nur ein kleiner

Platz eingeräumt.69

Einige frühe Neupersisch schreibende Autoren sprechen nebenbei auch über

Mani, doch ihre Berichte haben nur den Wert einer »petite histoire«. Das

Schâhnâmeh von Firdausi70 und die Weltgeschichte von Mirchônd71 gehen davon

aus, dass Mani ein Maler aus China sei. Diese Tradition war noch im 20. Jahrhundert

lebendig. Die Hypothese, dass die so gerühmte persische Miniaturkunst (ein nicht-

islamitisches Kulturgut) aus der manichäischen Miniatur entstanden ist, steht

wahrscheinlich im Zusammenhang mit dieser Legende.

68 A. Scher, Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium, vol. 69 (Scriptores Syri, vol. XXVI), Paris-Leipzig 1912, S. 311-318; ist zu Rate zu ziehen zusammen mit H. Pognon, Inscriptions Mandaïtes des Coupes de Khouabir, Paris 1898, S. 125-131 und S. 181-193; F. Cumont / M. A. Kugener, Recherches sur le Manichéisme, Bruxelles 1912, S.1-53; H. H. Schaeder in: R. Reitzenstein / H. H. Schaeder, Studien zum antiken Synkretismus aus Iran und Griechenland, (Studien der Bibliothek Warburg, vol. VII), Leipzig 1926, S. 342-347; A. Johannan in: A. V. W. Jackson, Researches in Manichaeism, with Special Reference to the Turfan Fragment (Columbia University, Indo-Iranian Series, vol. XIII), New York 1932, S. 222-254. 69 Ed., Übersetzung und Kommentar: J. De Menasce, Une apologétique mazdéenne du IXe siècle. Shkand-Gumânîk Vitshâr. La Solution décisive des Doutes (Collectanea Friburgensia. Publications de l’Université de Fribourg en Suisse, Nouvelle Série/Fasc. XXX), Fribourg / Suisse 1945, S. 226-261. Im Jahr 2004 behandelte ein Doktorant von Professor van Tongerloo, Dieter Taillieu, diese und andere polemisch-zoroastrische Texte und brachte sie in seiner bis heute nicht herausgegebenen Dissertation zu einer erneuerten Einheit (Texte, Übersetzung und Kommentare in zwei Teilen). 70 J. Mohl, Livre des Rois, Tome V, Paris 1866, S. 472. 71 Vgl.: K. Kessler, Mani. Forschungen über die manichäische Religion, Berlin 1889, S. 377.

e) Die arabische Tradition

Neben zahlreichen sporadischen Verweisen hier und da in der arabisch-islamitischen

Literatur72 sind die folgenden Autoren als wichtig zu bezeichnen in ihrer Polemik

gegen den Manichäismus: Ahmad al-Ya’qûbî (gestorben 260 AH / 873 n. Chr.), von

schiitischer Abstammung, war ein herumziehender Autor, der hintereinander in

Chorâsân, Indien, Ägypten und dem Maghreb lebte. Seine Wahrnehmungen

resultierten in eine Reformation der islamitischen Historiografie, die bis dahin nur am

arabischen Islam interessiert war. Er ist der Begründer der Schule arabischer

Historiker mit breiter Perspektive und mit sorgfältig erworbenen Kenntnissen. Seine

Weltgeschichte, die er bescheiden »Geschichte der Abbâsiden« nannte73, ist wichtig

für das Studium des manichäischen Systems.

Die wichtigste Quelle für den Manichäismus im Arabischen ist der Katalog der

Wissenschaften von Muhammad ibn Ishâq ibn al-Nadîm al-Warrâq,

zusammengestellt im 10. Jahrhundert (377 AH / 988 n. Chr.). Alle bis dahin

vorhandenen arabischen Bücher (Originale und übersetzte Werke) sollen in diesem

Katalog aufgenommen sein. Sein Werk ist von unschätzbarem Wert für die Kultur,

Literatur und Relgionsgeschichte.74

Auch Alî al-Mas’ûdî, ein Nachkomme einer der Gefährten des Propheten, darf

hier nicht ungenannt bleiben. Wie auch Ya’qûbî war dieser Autor ein großer

Reisender, der abwechselnd in Syrien und Ägypten lebte. Seine Beobachtungen sind

festgehalten in der Murûdsch al-zahab wa ma’âdin al-dschawâhir.

Ohne Zweifel geben uns die sekundären arabischen Quellen zahlreiche und

wertvolle Auskünfte über den Manichäismus, besonders Nadîms Fihrist nimmt einen

72 Gesammelte Werke von allen wichtigen Exzerpten aus der persischen und arabischen Literatur i. B. a. den Manichäismus bei S. H. Taqîzâde / A.A. Shîrâzï, Mânî wa dîn-e û (= »Mani und seine Religion«), Teheran, 1957. 73 Th. Houtsma, Ibn Wâdhih, qui dicitur al Ja’qûbî historiae, 2 Bde., Leiden 1883. Über den Autor: C. Brockelmann, Geschichte der Arabischen Literatur, vol. I, Weimar 1898, S. 226 und Supplementband I, Leiden 1937, S. 405. 74 Flügel, G. / Roediger, I. / Müller, A., Kitâb al-Fihrist, 2 Bände, Leipzig 1871-2; Arabischer Text, Übersetzung und Kommentar von der Passage über Mani bei G. Flügel, Mani, seine Lehre und seine Schriften, Leipzig 1862. Über diesen Autor, einen schiitischen Buchhändler (warrâq) in Bagdâd, siehe: G. Brockelman, Geschichte der Arabischen Literatur, Band. 1, Weimar 1898, S. 147; ein Nachtrag in Band. 1, Leiden 1937, S. 226f.. Eine neue Überstzung des Fihrist, die jedoch laut A. van Tongerloo viele Ungenauigkeiten in Bezug auf religionsgeschichtliche und theologische Tatsachen enthält, ist die von B. Dodge, The Fihrist, of Al-Nadîm, a tenth century of muslim culture (Records of Civilization, Sources and Studies vol. 83), (2 Teile), New York 1970.

wichtigen Platz in der arabischen Historiografie über die nicht-islamischen Religionen

ein.75

I.06 Direkte literarische Quellen

a) Die lateinische Tradition Es ist im Lateinischen nur eine originale manichäische Quelle bekannt: ein Brief aus

dem 4. oder 5. Jahrhundert, der an die Auditoren gerichtet ist. Dabei handelt es sich

um ein Pergament (die Fragmenta Tebestina), das mit 26 Spalten beschrieben

wurde und in einer Grotte südöstlich von Tebessa in Algerien gefunden wurde. Es

wird heute in der Bibliothèque Nationale von Paris aufbewahrt (mit Signatur 1114 –

Nouvelles acquisitions latines).76

b) Die griechische Tradition

1970 wurde das Bestehen des griechisch manichäischen Codices bekanntgemacht.

Dieser Codex in Mini-Format, der beinah zweihundert Seiten umfasst, wird in Köln

aufbewahrt (daher das Signum CMC: Codex Manichaicus Coloniensis).77 Er stammt

75 Weitere Auskünfte über den Islam und den Manichäismus und Werke von arabischen Autoren hierüber: H. H. Schaeder, »Drei islamische Lehren vom vollkommenen Menschen, ihre Herkunft und ihre dichterische Gestaltung«, in: Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. LXXXII, 1925, S. 192-268; Id., »Manichäer und Muslime«, in: Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft, vol. LXXXII, 1928, S. LXXVI-LXXXI; C. Colpe, Der Manichäismus in der Arabischen Überlieferung. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen 1954; Id., »Anpassung des Manichäismus an den Islam (Abû ‘Îsâ al Warrâq)«, in: Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft, vol. CIX, 1959, S. 82-91; G. Vajda, »Le témoignage d’al-Māturidī sur la doctrine des Manichéens, des Daysanites et des Marcionites (note annexe)«, in: Arabica, vol. XIII/2, 1966, S. 1-38 und 113-128. 76 Neben der Edition Princeps durch P. Alfaric, »Un manuscrit manichéen (Le document de Tebessa)«, in: Revue d’histoire et de littérature religieuses, IIe Série vol. VI, 1920, S. 62-98, bot R. Merkelbach in der Acta des ersten manichäischen Symposiums (Lund, herausgegeben durch P. Bryder) eine andere Ausgabe an. Siehe außerdem: die Studie von F. Decret in der Acta des fünften manichäischen Symposiums (Napoli, herausgegeben durch A. van Tongerloo und L. Cirillo). Die jüngste Edition ist M. Stein, Manichaica Latina. 3: Codex Thevestinus. Text, Übersetzung, Erläuterungen (Abhandlungen der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Papyrologica Coloniensia 27,3), F. Schöningh, Paderborn 2004. 77 Publikation durch A. Henrichs und L. Koenen in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Band 5, 1970, S. 97-216 (»Vorbericht«); Bd. 19, 1975, S. 1-85 (Publikation der S. 1-72); Bd. 32, 1978, S.

aus Ägypten, Einzelheiten hinsichtlich des Fundorts sowie nähere Umstände des

Fundes sind aber leider nicht bekannt. Auf 192 Seiten (4,5 x 3,5 cm mit 23 Zeilen)

werden die Geschichte von Manis Jugend, sein Kontakt mit seinem himmlischen

Freund Syzygos, seine Haltung gegenüber dem gnostischen Baptistenmilieu

(Mughtasiliten, Proto-Mandäer, Elchasaîten und gnostisierende jüdisch-christliche

Gemeinschaften, deren Oberhaupt Alchasaios war78) und die Formung seines

persönlichen religiösen Denkens beschrieben. Es ist evident, dass der griechische

Text mit dem Titel: »Über die Genesis seines Leibes« wichtige Einsichten in den

Ursprung des Manichäismus gibt. Aufgrund des spezifischen Sprachgebrauchs

vermutet man, dass der Text aus dem Syrischen übersetzt ist und als Grundlage für

eine vergleichbare Geschichte im koptisch manichäischen Bestand in Berlin diente.

Diese koptische Mani-Vita ist aller Wahrscheinlichkeit nach verloren gegangen. Der

CMC wurde noch nicht in seiner Gänze evaluiert (obwohl L. Cirillo ihm bereits zwei

Symposien und ein Wörterbuch gewidmet hat79).

Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden im alten Kellis (heute

Ismant al-Kharab) in der Dakhla Oase archäologische Funde getätigt (das »Dakhleh

Oasis Project« steht unter der Leitung von A. J. Millis und Colin A. Hope.80) In situ,

das heißt in Wohnkomplexen, bewohnt durch Manichäer, wurden primäre

Dokumente in griechischer, koptischer und syrischer Sprache entdeckt; diese sind

von religiöser und nicht-religiöser Signatur (respektive mit theologischem Inhalt oder 87-200 (Publikation der S. 72,8-99,9); Bd. 44, 1981, S. 201-318 (Publikation der S. 99,10-120) und Bd. 48, 1982, S.1-59 (Publikation der S. 121-192). CMC Signatur: P. Colon. Inv. Nr. 4780. 78 G. P. Luttikhuizen, The Revelation of Elchasai. Investigations into the Evidence for a Mesopotamian Jewish Apocalypse of the Second Century and its Reception by Judaeo-Christian Propagandists (Texte und Studien zum antiken Judentum 8), J. C. B. Mohr, Tübingen 1985. L. Cirillo, Elchasai e gli Echasaiti. Un contributo alla storia della communità giudeo-cristiane (Università degli studi della Calabria, Centro interdipartimentale di scienze religiose. Studie ricerche 1), Marra, Cosenza 1984. Id., »L’Apocalypse d’Elkhasaï: son rôle et son importance pour l’histoire du judaïsme«, in: Apocrypha, vol. I, 1990, S. 167-179. 79 L. Cirillo / A. Roselli (Hrsg.), Codex Manichaicus Coloniensis. Atti del Simposio Internazionale (Rende – Amantea 3-7 Settembre 1984) (Università degli studi della Calabria, Centro interdipartimentale di scienze religiose. Studi e ricerche 4), Marra, Cosenza 1986; L. Cirillo (Hrsg.), Codex Manichaicus Coloniensis. Atti del Secondo Simposio Internazionale (Cosenza 27-28 Maggio 1988) (Università degli studi della Calabria, Centro interdipartimentale di scienze religiose. Studi e ricerche 5), Marra, Cosenza 1990; L. Cirillo / A. C. Mancini / A. Roselli, Codex Manichaicus Coloniensis. Concordanze (Università degli studi della Calabria, Centro interdipartimentale di scienze religiose. Studie ricerche 3), Marra, Cosenza 1985. 80 C. A. Hope, »The archeological context of discovery of leaves from a manichaean Codex«, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik (ZPE) 117, Bonn 1997, S. 156-161.

zur religiösen Praxis gehörig in Briefen und ökonomischen Dokumenten). Diese

Stadt (in der auch ägyptische Tempel und christliche Kirchen angetroffen wurden)

wird um 400 A. D. verlassen. Aufgrund von datierten Briefen und Münzen konnten

Spezialisten feststellen, dass das manichäische Material im 4. Jh. datiert werden

muss.81

Wichtig für das Begreifen der in Griechisch geschriebenen manichäisch-

kosmogonischen Terminologie ist der Hymnus an die Emanation.82 Es wurde auch

ein Text gefunden, der viele Ähnlichkeiten mit den Handlungen des Apostels

Johannes aufweist.83

c) Die koptische Tradition

Im Frühling 1930 wurden dem englischen Sammler Chester Beatty und dem

deutschen Koptologen Carl Schmidt, Papyri zum Verkauf angeboten. Sofort kauften

sie diese in Koptisch (hauptsächlich im subachmimischen Dialekt) geschriebenen

Dokumente. So kamen nicht weniger als sieben große Papyruscodices (mit

ursprünglich insgesamt ca. 2000 beschriebenen Seiten, wovon 1200 bis 1500 Seiten

durch Hugo Ibscher und seinem Sohn Rolf konserviert wurden) ans Licht. Diese

prächtigen Handschriften, die um 400 n. Chr. verfasst wurden, enthalten folgende

Werke:84

81 Über den aktuellen Stand der Ausgrabungen bei Kellis im Jahr 1997: I. Gardner, »He has gone to the monastery …«, In: Studia Manichaica – IV. Internationaler Kongress zum Manichäismus, Berlin, 14.-18. Juli 1997, S. 247-257. Siehe auch: I. Gardner (Hrsg.), Kelly Literary Texts 1, Monograph 4, Oxford 1996 und Monograph 15, Oxford 2007; I. Gardner / A. Alcock / W. P. Funk, Coptic Documentary Texts from Kellis, Vol. 1, Dakhleh Oasis Project Monograph 9, Oxford 1999. 82 I. Gardner (Hrsg.) mit M. Choat und K. A. Worp, »P. Kell. Gr. 98«, in: Gardner (Hrsg.), Kellis Literary Texts II, S.111-128. Siehe auch R. G. Jenkins, »The prayer of the Emanations in Greek from Kellis (T. Kellis 22)«, Le Muséon 108 (1995), S. 243-263. 83 R. G. Jenkins, »Papyrus I from Kellis. A. Greek Text with Affinities tot he Acts of John«, in: J. N. Bremmer (Hrsg.), The Apocryphal Acts of John, Kampen 1995, S. 197-216. Siehe auch: I. Gardner / K. A. Worp, »Leaves from a manichaean Codex«, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik (ZPE) 117, Bonn 1997, S. 139-155. 84 Eine Synthese der Entdeckungsgeschichte und der allgemeinen Beschreibungen der resp. codices: C. Schmidt / H. J. Polotsky, »Ein Mani-Fund in Ägypten. Originalschriften des Mani und seiner Schüler«, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, 1933, S. 4-35 und 82-85.

(1) Die Kephalaia des Lehrers85, die ursprünglich mehr als 500 beschriebene

Seiten zählte, ist nicht als solche in der östlichen manichäischen Kirche

bekannt. Sie ist in Form von Dialogen zwischen dem Apostel des Lichtes,

das ist der Phôster Mani, und seinen Schülern verfasst, worin wichtige

Lehrsätze offenbart oder gedeutet werden.

(2) Die Briefsammlung, von der aus dem Fihrist von al-Nadîm86 bereits ein

Katalog bekannt war, genoss eine gewisse Popularität in Zentral-Asien.

Darin werden Lehrsätze und fromme Mahnungen durch Kirchenleiter und

auserkorene Schüler mitgeteilt.87

(3) Ein sehr beschädigtes historiografisches Werk, das in seinem

ursprünglichen Zustand recht umfangreich gewesen sein muss.

(4) Das Psalmenbuch: Lieder und ein Gebetskompendium der manichäischen

Gemeinschaft. In diesem umfangreichen Papyrusbuch befinden sich auch

alphabetische Psalmen, die eine deutliche Verwandtschaft mit dem

Parthischen haben.88

(5) Das Homilienbuch, von dem auch Fragmente in Berlin vorhanden sind. Vor

allem Die Passion Manis ist ein wichtiger Teil dieses teilweise stark

angegriffenen Papyruscodex.89

(6) Ein umfangreiches Werk (500 beschriebene Seiten), das in

Zusammenhang mit Manis Schrift Das lebendige Evangelium steht.90

(7) Ein ebenso großes Werk, das vollständig bewahrt geblieben ist (!), von

dem aber noch keine Textstellen publiziert sind.91 85 Ed.: Manichäische Handschriften der Staatlichen Museen Berlin. Band I: Kephalaia. 1. Hälfte (Lieferung 1-10), Stuttgart 1940 (allgemeine Leitung: C. Schmidt, Fasc. 1-4: H. J. Polotsky, Fasc. 5-10: A. Böhlig); 2. Hälfte (Lieferung 11-12), Stuttgart 1966 (A. Böhlig). 86 a. a. O., siehe Anm. 74. 87 Vgl. CMC, der vermutlich eine griechische (Teil-) Übersetzung dieses Textes bietet. 88 Ed.: Manichaean Manuscripts in the Chester Beatty Collection. Volume II: A Manichaean Psalm-Book. Part II, Stuttgart 1938 durch C. R. C. Allberry. Eine wichtige Studie ist: T. Säve-Söderberg, Studies in the Coptic Manichaean Psalm-Book: Prosody and Mandaean Parallels, Uppsala 1949. 89 Ed.: Manichäische Handschriften der Sammlung A. Chester Beatty. Band I: Manichäische Homilien, Stuttgart 1934 durch H. J. Polotsky. 90 A. Böhlig, »Die Arbeiten an der Koptischen Manichaica«, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, vol. X/1, 1960, S. 157-162. 91 Übersicht über den Manichäismus in Ägypten: J. Vergrote, »Het manicheïsme in Egypte«, in: Jaarbericht van het vooraziatisch-Egyptisch Genootschap »Ex Oriente Lux«, Leiden, vol. IX, 1944, S. 77-83 (neueste Auflage in deutscher Sprache: in G. Widengren (Hrsg.), Der Manichäismus (Wege der Forschung CLXVIII), Darmstadt 1977, S. 385-399.

d) Die syrische Tradition

Am Anfang des 20. Jahrhunderts fand man im ägyptischen Sand Schnipsel von

beschriebenem Papyrus, die jetzt in England aufbewahrt werden. Es sind die

einzigen Reste der manichäischen Literatur in syrischer Sprache (palmyrenischer

Dialekt), der Muttersprache Manis und geschrieben im manichäischen Alphabet. Die

Handschriftenfragmente, von denen nur einige Buchstaben, im besten Fall noch

einige unzusammenhängende Worte bewahrt sind, beweisen, dass diese Sprache

und diese Schrift mit religiösem Augenmerk von ägyptischen Manichäern verwendet

wurden.

Eine Übersicht dieser Fragmente:92

(1) Brit. Mus. Or.6201 C: 4 Spalten mit 10 Zeilen (pro Zeile ist ein Wort

sichtbar).

(2) Fünf Fragmente im Besitz von W. E. Crum:

Nr. 1 hat drei beschriebene Spalten mit 3 Zeilen pro Spalte (davon sind zwei

Worte pro Zeile erhalten geblieben); Nr. 2-5 enthalten höchstens einige

Worte, meistens nur einzelne Buchstaben.

(3) Die Oxyrhynchus-Fragmente: 10 schmale Papyrusstreifen, die heute in der

Bodleian Library aufbewahrt werden (Syr.d 13 P,14 P): enthalten einige

Sätze.

e) Die mitteliranische Tradition

Durch die Expeditionen nach (Ost-)Chinesisch-Turkestan (= Sinkiang)93, die am

Anfang des 20. Jahrhunderts stattfanden, wurden diverse bis dahin unbekannte

mitteliranische Sprachen (namentlich das Baktrische, Sakische, Sogdische,

Parthische, die Turfan-Variante des Mittelpersischen) entdeckt. Neben profanen

92 Veröffentlichungen hierzu: D. S. Margoliouth, »Notes on Syriac Papyrusfragments from Oxyrhynchus«, in: Journal of Egyptian Archaeology, vol. II, 1915, S. 214ff.; vgl. die Übersicht von F. C. Burkitt, The Religion of the Manichees, Cambridge 1925, S. 111-119. 93 Siehe 1.09..

Texten wurden viele Fragmente mit buddhistischen94 und christlichen95 Inhalten

gefunden. Es wurden aber auch manichäische Texte gefunden: die ersten direkten

Quellen, die man nach dem Verschwinden dieser Religion studieren konnte. Diese

Manichaica befinden sich in den Bibliotheken und Museen von Berlin, London,

Sankt-Petersburg, Paris, Peking, Turfan und auch in einigen japanischen Städten

(und in japanischem Privatbesitz). Sie sind in mehreren mitteliranischen Sprachen

verfasst: dem Baktischen, Parthischen, Mittelpersischen, und Sogdischen, und es

werden zwei Schriften verwendet: die manichäische und die sogdische. Noch jetzt,

hundert Jahre nach der Entdeckung der Manuskripte, sind nicht alle Fragmente

herausgegeben.96

94 Buddhistische Texte sind in Mittelpersisch oder Parthisch nicht zu finden, aber in (Khotan-) Sakisch schon. Eine Übersicht in Bezug auf die sakisch-buddhistischen Texte, siehe: R. E. Emmerick, Guide to the Literature of Khotan (Studia Philologica Buddhica. Occasional Paper Series III), Tokyo 1979. 95 Neben Texteditionen von christlich-sogdischen Texten kann man mehrere Artikel von Benveniste, gebündelt in seinen Etudes Sogdiennes, zu Rate ziehen. 96 Ausgaben von den mitteliranischen manichäischen Texten:

-a- die Texte in Berlin: F. W. K. Müller, »Handschriften-Reste in Estrangelo-Schrift aus Turfan, Chinesisch-Turkistan I«, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1904, S. 348-352 und Teil II in den Abhandlungen der Akademie in Berlin, Jahrgang 1904. Vgl: Ein Doppelblatt aus einem manichäischen Hymnenbuch (Mahrnâmag), in den Abhandlungen der Akademie Berlin, Jahrgang 1912. Ein anderer Teil wurde zur Publikation vorbereitet durch F. C. Andreas, der davon aber praktisch nichts publizierte, sondern nur mündlich im Unterricht mit seinen Schülern besprach. (Lentz, Henning, e.a.). Später wurden diese Texte durch W. B. Henning herausgegeben, »Mitteliranische Manichaica aus Chinesisch-Turkestan I, II, III«, in den Sitzungsberichten der Preussischen Akademie der Wissenschaften 1933, 1934. Diese Editionen zusammen mit anderen Publikationen von W. B. Henning auf dem Gebiet der mitteliranischen Manichaeica wurden in seinen Selected Papers I, II (Acta Iranica II / 5-6), Téhéran-Liège 1977 gebündelt. Die manichäischen Hymnenzyklen wurden durch M. Boyce publiziert, The Manichean Hymn Cycles in Parthian (London Oriental Series III), London 1954. Die übrigen manichäischen Texte, die sich in Berlin befinden, wurden und werden herausgegeben durch W. Sundermann, der folgende zwei Bücher publizierte: Mittelpersische und Parthische kosmogonische und Parabeltexte der Manichäer und Mitteliranische manichäische Texte kirchengeschichtlichen Inhalts. Beide Volumina wurden herausgegeben in den Schriften zur Geschichte und Kultur des Alten Orients, Berliner Turfantexte, resp. vol. IV, 1973 und vol. XI, 1981. Der größte Teil der Texte in Berlin ist also vorhanden, aber komplizierte Texte, Zyklen, bleiben (vorläufig noch) unzugänglich. -b- In Paris scheint nur ein wichtiges manichäisch-westmitteliranisches Fragment zu sein: J. De Menasce, »Le fragment manichéen de Paris«, in: W. B. Henning Memorial Volume, London 1970, S. 303-6. -c- Die wenigen manichäischen Fragmente aus London wurden herausgegeben von N. Sims Williams, »The Sogdian Fragments of the Britisch Library«, in: Indo-Iranian Journal, vol. XVIII, 1976, S. 43-82. -d- Die mitteliranischen manichäischen Texte in Sankt-Petersburg: C. Salemann, »Ein Bruchstück

Für die mitteliranischen Sprachen bestehen einige nützliche Hilfsmittel, die hier

genannt werden müssen:

1. Durkin-Meisterernst, D., The Hymns to the Living Soul – Middle Persian and

Parthian Texts in the Turfan Collection, Berliner Turfantexte XXIV, Brepols, Turnhout

2006.

2. Durkin-Meisterernst, D., en Morano, E., Mani’s Psalms. Middle Persian, Parthian

and Sogdian texts in the Turfan Collection, Berliner Turfantexte XXVII, Brepols,

Turnhout 2010.

3. Sundermann, W., Der Sermon von der Seele, Berliner Turfantexte XIX, Brepols,

Turnhout 1997.

manichäischen Schrifttums im Asiatischen Museum«, in: Mémoires de l’Academie Impériale des Sciences de Saint Pétersbourg VIIIe série / vol. VI / no. 6, St. Petersburg 1904, S. 1-26 und weiter seine »Manichaica I-IV« im Bulletin der Petersburger Akademie, resp. der Jahrgang 1907, S. 175-184 und S. 531-558 und Jahrgang 1912, S. 1-50. Vgl. auch seine Manichäischen Studien I (keine Folgen erschienen) in den Mémoires der genannten Akademie, sér. VIII/vol. VIII/no. 10, 1908. Auch einige Texte im Buch von Ragoza über die sogdischen Texte.

In Bezug auf die mitteliranischen Sprachen, in denen manichäische Texte geschrieben sind:

-1- das Westmitteliranisch (Mittelpersisch von Turfan und Parthisch): -1a- Lexikografie: C. Salemann, Manichaeische Studien I, in: Mémoires de l’Académie Impériale des Sciences de St.-Pétersbourg VIIIe sér., vol. VIII, No 10), St. Pétersbourg 1908, S. 39-145; F. C. Andreas und W. B. Henning, Mitteliranische Manichaeica I-III, W. B. Henning, »A List of Middle Persian and Parthian Words«, in: Bulletin of the School of Oriental Studies, vol. IX, 1937, S. 72-92; die Publikationen von W. Sundermann und weiter auch M. Boyce, A Word-List of Manichaean Middle Persian and Parthian (Acta Iranica), IIIe sér vol. II / Suppl (= 9a). -1b- Grammattik: C. Salemann, Manichaeische Studien I, S. 149-170; W. B. Henning, »Das Verbum des Mittelpersischen der Turfanfragmente«, in: Zeitschrift für Indologie und Iranistik, Bd. IX, 1933, S. 158-253 (siehe auch den hierzu erstellten Index von A. Ghilain, »Index des Termes en Moyen-Iranien«, in: Le Muséon, vol. L, 1937, S. 367-395 und seine Doktorverhandlung: Essai sur la langue parthe. Son système verbal d’après les textes manichéens du Turkestan Oriental (Bibliothèque du Muséon, vol. IX, Louvain, 1939; und W. Skalmowski, »Das Nomen im Parthischen«, in: Biuletyn Polskiego Towarzystwa Językoznawczego, vol. XXV, 1967, S. 75-89. Über die Syntax: C. J Bruner, A Syntax of Western Middle Iranian (Persian Studies Series III), New York 1977. -2- Das Manichäisch-Sogdische: -2a- Grammatik: I. Gershevitch, A Grammar of Manichaean Sogdian, Oxford 1954 (mit bisher unveröffentlichten Textpassagen, an ihn übergeben durch Henning, siehe Vorwort). -2b- Ein Wörterbuch besteht: Sogdisch – Englisch – Persisch von B. Gharib, Teheran 22004.

Für die mitteliranischen Fragmente besteht ein sehr großer Katalog.97 Da dieses

Werk von Mary Boyce exemplarisch für das Katalogisieren dieser Schriften ist und

gleichzeitig eine gute Übersicht bietet, werden die darin verwendeten Inventar-

Kategorien hier mitgeteilt. Diese Einteilung vermittelt ein gutes Bild des

differenzierten Charakters der manichäischen Handschriften in Berlin.

Dieser Text wird hier zur Illustration wiedergegeben.98 Die diversen Fragmente, die

identifiziert werden können, unterteilt die Autorin in die folgenden Kategorien:

97 M. Boyce, A Catalogue of the Iranian Manuscripts in Manichaean Script in the German Turfan Collection (Deutsche Akademie der Wissenschaften in Berlin, Institut für Orientforschung, Veröffentlichung Nr. 45), Berlin 1960. 98 M. Boyce, op. cit., S. 146f.

f) Die uigurische Tradition

Zu gleicher Zeit wie die iranischen Quellen werden auch einige christliche99, viele

buddhistische100 und zahlreiche manichäische Texte in uigurischer Sprache

ausgegraben. So wie bei den iranischen werden auch die uigurischen Texte,

geschrieben in manichäischer, kursiv sogdischer und – einige – in Runen-Schrift

angetroffen, die bis dahin nur in epigrafischen Quellen bekannt waren.

99 Die seltenen und oft sehr beschädigten uigurischen Texte mit christlichem Inhalt werden publiziert in folgenden Artikeln: zusammenfassend P. Zieme, »Zu den nestorianisch-türkischen Turfantexten«, in: G. Hazai, (Hrsg.), Sprache, Geschichte und Kultur der altaïschen Völker, Berlin 1974, S. 661-668. 100 Die wichtigsten Veröffentlichungen uigurischer Texte mit buddhistischem Inhalt sind die folgenden: In dem Sammelband: G. Hazai, Sprachwissenschaftliche Ergebnisse der deutschen Turfan-Forschung, Bd. I, Leipzig 1972 (mit Neuauflage folgender älterer Beiträge, die ursprünglich in den Sitzungsberichten oder Abhandlungen der Akademie Berlin erschienen sind); ferner Von Gabains Fortsetzung der Türkischen Turfantexte, herausgegeben in den fünfziger Jahren, erschienen in den Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Berlin; ferner die Fortsetzung der Reihe der Türkischen Turfantexte oder mit dem neuen Namen Berliner Turfantexte (ein Teil einer Reihe von Schriften zur Geschichte und Kultur des Alten Orients), herausgegeben durch die Akademie der Wissenschaften der DDR / Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie. Vom uigurisch-buddhistischem Bestand befinden sich auch einige Handschriften in London und Paris. Die Handschriften aus London wurden herausgegeben von P. Zieme / G. Kara (Bibliotheca Orientalis Hungarica, vol. XXII, 1978) und S. Teken (Asiatische Forschungen, vol. 69, 1980). Die wichtigsten Pariser Texte; J. Hamilton, Manuscrits ouigours de Touen-Houang. Le Conte bouddhique du bon et du mauvais prince en version ouigoure, Paris 1971.

Textausgaben der manichäisch-uigurischen Texte (in chronologischer Folge ihres

Erscheinens):

A. von Le Coq, »Ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-schahri«, in:

Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-

historische Classe, 1908, S. 398-414.*101

W. Radloff, Chuastuanit, das Bußgebet der Manichäer, Sankt-Petersburg, 1909.

A. von Le Coq, »Köktürkisches aus Turfan«. Manuscriptfragmente in

köktürkischen ›Runen‹ aus Toyok und Idiqut-Schähri (Oase von Turfan)«, in:

Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-

historische Classe, 1909, S. 1047-1061.*102

A. von Le Coq, »Ein christliches und ein manichäisches Manuskript-Fragment in

türkischer Sprache aus Turfan (Chinesisch-Turkistan)«, in: Sitzungsberichte der

Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Classe,

1909, S. 1202-1218.*

A. von Le Coq, Chuastuanift, ein Sündenbekenntnis der manichäischen

Auditores, gefunden in Turfan (Chinesisch Turkistan) (Abhandlungen der

Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Classe

1910, Anhang IV), Berlin 1911.*

A. von Le Coq, »Dr. Stein’s Turkisch Khuastuanift from Tun-huang, being a

Confession-prayer of the Manichaean Auditores«, in: Journal of the Royal Asiatic

Society, 1911, pp. 277-314.103

A. von Le Coq, »Ein manichäisches Buch-Fragment aus Chotscho«, in:

Festschrift für Wilhelm Thomsen zur Vollendung des 70. Lebensjahres

dargebracht, Leipzig 1912, S. 145-154.

A. von Le Coq, Chotscho, Berlin 1913 (reprint: Graz, 1979).

A. von Le Coq, Türkische Manichaïca aus Chotscho I (Abhandlungen der

Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse

1911. Anhang), Berlin 1912.* 101 Die mit einem Stern versehenen Veröffentlichungen wurden neu herausgegeben in: G. Hazai (Hrsg.), Sprachwissenschaftliche Ergebnisse der deutschen Turfan-Forschung, Bd. I. Band III/1, Leipzig, 1972. 102 Überarbeitete Veröffentlichung der Fragmente von Berlin: W. Bang, »Manichäische Laien-Beichtspiegel«, in: Le Muséon, vol. XXXVI, 1923, S. 137-242. 103 Veröffentlichung der Manuskriptenrolle von London.

A. von Le Coq, Türkische Manichäica aus Chotscho II (Abhandlungen der

Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse

1919. III), Berlin 1919.

A. von Le Coq, Türkische Manichaica aus Chotscho III. Nebst einem christlichen

Bruchstück aus Bulayïq (Abhandlungen der Preussischen Akademie der

Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse 1922. II), Berlin 1922.*104

A. von Le Coq, »Kurze Einführung in die uigurische Schriftkunde«, in:

Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen an der Friedrich-Wilhelms

Universität in Berlin. Westasiatische Studien, vol. XXII, 1919, S. 93-109.

A. von Le Coq, Die manichäischen Miniaturen (Ergebnisse der kgl. preussischen

Turfan Expeditionen. Die buddhistische Spätantike in Mittelasien. Band II), Berlin

1923 (reprint: Graz, 1973).

W. Bang, »Manichäischer Laien-Beichtspiegel«, in: Le Muséon, vol. XXXVI, 1923,

S. 137-242.

W. Bang, »Manichäische Hymnen«, in: Le Muséon, vol. XXXVIII, 1925, S. 1-55.

W. Bang / A. von Gabain, »Ein uigurisches Fragment über den manichäischen

Windgott«, in: Ungarische Jahrbücher, vol. VIII, 1928, S. 248-256.

W. Bang / A. von Gabain, »Türkische Turfan-Texte III«, in: Sitzungsberichte der

Preussischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse,

1930, S. 183-211.**

W. Bang, »Manichäische Erzähler«, in: Le Muséon, vol. XIVL, 1931, S. 1-36.

T. Haneda, »À propos d’un texte fragmentaire de prière manichéenne en ouigour

provenant de Turfan«, in: Memoires of the Research Department of the Toyo

Bunko (The Oriental Library), vol. VI, 1931, S. 1-21.

Wenbi Huang, T’u-lu-fan k’ao-ku hsüeh, vol. III, Peking 1954 und 1958. Foto nr.

87. (2).104

104 Korrekturen: P. Zieme, »Zwei Textergänzungen zu A. von Le Coq’s ›Türkische Manichäica aus Chotscho. III‹«, in: Rocznik Orientalistyczny, vol. XXXII/2, 1969, S. 7-18. ** Die mit zwei Sternen versehenen Veröffentlichungen wurden neu herausgegeben in: G. Hazai (Hrsg.), Sprachwissenschaftliche Ergebnisse der deutschen Turfan-Forschung. Band II = Opuscula. Band III/2, Leipzig 1972. 104 Allgemeine Besprechungen dieser Texte sowie einige illustrierende Textfragmente (in Transkription): P. Zieme, »Ein uigurischer Text über die Wirtschaft manichäischer Klöster im Uigurischen Reich«, in: L. Ligeti, (Hrsg.), Researches in Altaic Languages. Papers read at te 14th Meeting of the Permanent International Altistic Conference, held in Szeged, August 22-28, 1971= (Bibliotheca Orientalis Hungarica XX), Budapest 1975, S. 331-8.

A. von Gabain / W. Winter, Türkische Turfantexte IX: Ein Hymnus an den Vater

Mani auf »Tocharisch« B mit Alttürkischer Übersetzung (Abhandlungen der

Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur

und Kunst 1956 / Nr.2), Berlin 1958.

L.V. Dmitrieva, Xuastuanift (Vvedenie, Tekst, Perevod), in: Tjurkologitsjeskie

Issledovanija, Moskau-Leningrad 1963, S. 214-233.

J. P. Asmussen, Xuâstvâniîft. Studies in Manichaeism (Acta Theologica Danica

VII), Kopenhagen 1965.

P. Zieme, »Beiträge zur Erforschung des Xuâstvânîft«, in: Mitteilungen des

Instituts für Orientforschung der Deutschen Akademie der Wissenschaften, vol.

XII, 1966, S. 351-376.

P. Zieme, »Ein manichäisch-türkisches Gedicht (Türkçe bir Mani şiiri)«, in:

Türk Dili Araştïrmalarï Yïllïgï, Belleten 1968, 1969, S. 157-165.

P. Zieme, »Ein manichäisch-türkisches Fragment in manichäischer Schrift«, in:

Acta Orientalia Hungarica, vol. XXIII, 1970, S. 157-165.

P. Zieme, Manichäisch-türkische Texte = Schriften zur Geschichte und Kultur des

Alten Orients. Berliner Turfantexte V, Berlin 1975.

Die manichäische Kunst in die Berlin-Versammlungen ist jetzt ausführlich

herausgegeben im CFM:

Z. Gulácsi, »Manichaean Art in Berlin Collections« in: Corpus Fontium

Manichaeorum – Series Archaeologica et Iconographica I, Brepols Publishers,

Turnhout 2001.

Für die uigurischen Texte mit manichäischem Inhalt, geschrieben mit manichäischen

oder sogdischen Schriftzeichen, besteht ein neu gedruckter Katalog. So wie der

mitteliranische Bestand ist auch der manichäisch-uigurische Korpus durch eine

große Vielfalt charakterisiert, doch in vier Aspekten unterscheidet sich dieser Korpus

von dem Rest der manichäischen Literatur:

(a) Der manichäisch-uigurische Korpus enthält einige Texte, die in Runen und in

einer Mischung aus mitteliranisch-uigurischer Sprache verfasst sind.

(b) In den 50er Jahren wurde in Chinesisch-Turkestan ein Text ausgegraben, der

Einsichten in das (ökonomische) Leben eines manichäischen Klosters gibt.

(c) Der manichäisch-uigurische Korpus in Berlin enthält Briefe von Gläubigern; oft

wichtigen Kirchenfunktionären.

(d) Der sehr wichtige Buße-Text (das Xuâstvânîft) ist nicht nur vollständig im

Manichäisch-Uigurischem geschrieben, sondern man findet diesen auch in

mehreren Handschriften (in verschiedenen Variationen) in London, Petersburg

und Berlin.105

g) Die chinesische Tradition

Die wenigen manichäischen Texte in chinesischer Sprache wurden sämtlich (außer

einem Fragment, zurzeit in Berlin) in Tun-huang entdeckt und werden heute in

Peking, London und Paris aufbewahrt. Die drei Texte, die im ersten Jahrzehnt dieses

Jahrhunderts entdeckt wurden, sind:

(1) Ein längerer Prosatext, dessen Titel unbekannt ist, da der Anfang verloren

gegangen ist und der Text keine ausdrücklichen Hinweise darauf enthält,

wird üblicherweise als das Traktat bezeichnet. Dieser Text, der in Peking

aufbewahrt wird, umfasst neben Teilen aus dem kosmogonischen

Geschehen hauptsächlich theologisch-dogmatische Begriffe, die mit Hilfe

von Parallelen zwischen Mikro- und Makrokosmos erklärt werden. Zu

diesem Text liegen einige manichäisch-uigurische Paralleltexte vor.106

(2) Der zweite Prosatext107, dessen erster Teil in London108 und dessen

zweiter Teil, der daran anschließt, in Paris aufbewahrt wird, lautet: Das

105 Allein schon die Quantität der Handschriften, die sich auf diese Texte beziehen, lässt ihre Wichtigkeit vermuten. Außerdem liegt ein Manichäisch-Sogdischer verstümmelter Paralleltext zu einem der fünfzehn Kapitel dieses Buße-Textes vor. 106 Dieser Text wurde in China bereits 1911 durch Lo Chen-yü im zweiten Teil seiner »Versammlung der Nationalen Erudition«, unter dem Titel »Ein unvollständiges heiliges Buch von einer Religion von Persien« publiziert. Meistens zitiert man jedoch: E. Chavannes und P. Pelliot, »Un Traité manichéen retrouvé en Chine«, in: Journal Asiatique, Xe sér., vol. XVIII, 1911, S. 499-617. Diese Veröffentlichung enthält neben der Übersetzung auch ein Faksimile der Handschrift. Der gedruckte Text ist publiziert in dem Taishô Tripitaka, vol. LIV, Tokyo 1924, Nr. 2141B = S. 1281a-1286a (Mitteilung AvT). Zum »Traktat« siehe auch die Studie: L. Troje, Die Dreizehn und die Zwölf im Traktat Pelliot (Dogmen in Zahlenformeln). Ein Beitrag zu den Grundlagen des Manichäismus (Veröffentlichungen des Forschungs-Instituts für Vergleichende Religionsgeschichte an der Universität Leipzig, II. Reihe / Heft 1), Leipzig, 1925. 107 Faksimile veröffentlicht durch K. Yabuki, Meisha Yoin. Rare and unknown Chinese manuscript remains of Buddhist Literature discovered in the British Museum, Tokyo 1930, 104 II und Text Teil I, S. 314ff. Dieses Fragment hat als Signatur M. S. Stein 3969. Die Übersetzung zusammen mit Fotos vom Text: G. Haloun und W. B. Henning, »The Compendium of the Doctrines and Styles of the Teaching of Mani, the Buddha of Light«, in: Asia Major, New Series vol. III, 1952, S. 184-212.

Kompendium von den Doktrinen und Vorschriften der Lehre des Mani, des

Buddha ( = Gesandter) des Lichtes, kurz das Kompendium. Dieser Text

wurde, entsprechend dem Incipit, im Jahr 731 von einem Bischof ins

Chinesische übersetzt. Die Einleitung enthält eine kurze Biografie Manis, die

für die Chronologie sehr wichtig ist; weiter umfasst der Text die Essenz

seiner Botschaft, Daten über den manichäischen Kanon, über die

Gemeinschaft, über die Klöster und die Regeln darüber, wie man der

Gemeinschaft beitreten kann.

(3) Der dritte Text ist poetisch: Die zweite (untere) Sektion der manichäischen

Hymnen109, abgekürzt als die Hymnenrolle oder das Hymnarium. Diese

Hymnen- und Gebetsrolle, die nach dem Explizit von Tao Ming nur zwanzig

der 3000 originalen Passagen (im Sanskrit) im Chinesischen wiedergibt,

umfasst 422 Katrinen (das sind ungefähr 12.000 chinesische Zeichen). In

Bezug auf den Inhalt fällt auf, dass ein großer Teil der Hymnen Jesus und

Mani gewidmet sind. Weiter werden diverse Götter angerufen. Es werden

die Kirchenhierarchie und die Gläubigen im Allgemeinen beschrieben; der

Gedruckter Text in der Taisho Tripitaka, vol. LIV, Tokyo 1924, Nr., 2141A = S. 1279c-1281a, bezieht sich auf das vollständige »Kompendium« (das Fragment von Aurel Stein auf S. 1279c-1280c regel 11). 108 Diese Handschriften befinden sich in London: British Museum mit Signatur Or. 8210 (2569). Pelliot hatte die Intention, auch diese Texte herauszugeben, und übertrug sein Werk an zwei junge deutsche Gelehrte (Studenten von F. C. Andreas), die etwas weniger als die Hälfte des Hymnarium übersetzten und publizierten: E. Waldschmidt und W. Lentz., Die Stellung Jesu im Manichäismus (Abhandlungen der Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse 1926 Nr. 4), Berlin 1926; und »Manichäische Dogmatik aus chinesischen und iranischen Texten«, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, 1933, B. 480-607. Vollständige englische Übersetzung Tsui Chi, »Mo Ni Chiao Hsia Pu Tsan: The Lower (Second?) Section of the Manichaean Hymns«, in: Bulletin of the School of Oriental Studies, vol. XI, 1943-6, S. 174-219. Gedruckter Text: Taishô Tripitaka, vol. LIV, Tokyo 1924, Nr. 2140 = S.1270c-1279c. Von diesem Text existiert noch eine Abschrift: In der Turfansammlung von Berlin befindet sich eine Seite mit einem parallelen Text von Ms. Or. 8210 (2569); auch einige kleinere manichäisch-chinesische Texte. Siehe hierzu: T. Thilo, »Die chinesischen Textfragmente der Turfan-Handschriftensammlung der Akademie der Wissenschafen der DDR«, in: Journal Asiatique, vol. CCLXIX, 1981, S. 50. 109 Textpublikation in »Den übriggebliebenen Büchern von dem steinernen Zimmer von Tun-huang«, Peking, 1909. Gedruckter Text bei der Taishô (vgl. Anm. 106), S.1280c von Zeile 12 bis S. 1281a; und bei Chavannes / Pelliot, »Un Traité Manichéen Retrouvé en Chine«, in: Journal Asiatique, XIe sér., vol. I, 1913, S. 105-116.

Text schließt ab mit einem Bußgebet. Paralleltexte bestehen im Parthischen

(der Huwîdagmân-zyklus) und im Manichäisch-Uigurischen. Allgemein muss

darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese manichäisch-chinesischen

Texte, obwohl einige Passagen von buddhistischen Elementen

durchdrungen sind, sehr wichtig für unsere Kenntnisse über den

Manichäismus sind, umso mehr, weil mehrere Transkriptionen aus dem

Mitteliranischen stammen.

I.07 Die archäologische Fundorten und Entdeckungen

Die Kunstschätze aus dem Tarimbecken wurden zwischen 1895 und 1930 durch

verschiedene russische, deutsche, französische, japanische, englische und

schwedische Expeditionen in die europäischen, amerikanischen und japanischen

Museen gebracht. Nach 1950 wurden auch von den Chinesen Ausgrabungen

durchgeführt.

Bis heute wurden noch keine Bemühungen unternommen, zu einer Synthese

zu kommen, doch als zusammenfassende Werke können gelten: A. von Gabain, Das

Leben im uigurischen Königreich von Qocho (850-1250) (Veröffentlichungen der

Societas Uralo-Altaica VI), Wiesbaden, 1973 (2 Teile, siehe auch ihr Buch zitiert in

den Fußnoten als Einleitung zu Zentral-Asien). Kurz und bündig gehalten ist die

Monographie von M. Maillard, Essai sur la vie matérielle dans l’Oasis de Tourfan

pendant le Haut Moyen Age (Arts Asiatiques, vol. XXIX / Numéro Spécial), 1973. Die

Geschichte der Erschließung von Chinesisch-Turkestan wird in dem populär-

wissenschaftlichen Buch P. Hopkirk, Foreign Devils on the Silk Road, The Search for

the Lost Cities and Treasures of Chinese Central Asia, London 1980 behandelt, das

in viele Sprachen übersetzt wurde.

Zunächst die publizierten Resultate der deutschen Expeditionen, die den

größten Gewinn einbrachten: A. Grünwedel, Altbuddhistische Kultstätten in

Chinesisch-Turkistan. Bericht über archäologische Arbeiten von 1906 bis 1907 bei

Kucha, Qarashahr und in der Oase Turfan, Berlin 1912; A. von Le Coq, Land und

Leuten in Ostturkistan, Leipzig 1925 (enthält neben anthropologischen

Wahrnehmungen auch eine Schilderung der Reiseabenteuer); G. Gropp,

Archäologische Funde aus Khotan, Chinesisch-Ostturkistan. Die Trinkler-Sammlung

im Übersee-Museum Bremen (Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen

Zentralasien-Expedition 1927-28, Teil 3 = Monographien der Wittheit zu Bremen XI),

Bremen 1974 (eine kleinere deutsche Sammlung); A. Grünwedel, Alt-Kutscha.

Archäologische und religionsgeschichtliche Forschungen an Temperagemälden aus

buddhistischen Höhlen der ersten acht Jahrhunderte nach Christi Geburt, Berlin,

1920. Die mehrbändige luxuriös ausgestattete Reihe Die buddhistische Spätantike

von A. von Le Coq wurde (leider zu stark reduziert) in den 70er Jahren in Graz neu

herausgegeben.

Die englischen Ausgrabungen fanden unter der Leitung von Sir Aurel Stein

(britischer Spion, Reisender von ungarischer Abstammung) statt: A. Stein,

Sandburied Ruins of Khotan. Personal narrative of a journey of archaeological and

geographical explorations in Chinese Turkestan, London 1903; A. Stein, Ancient

Khotan. Detailed report of archaeological explorations in Chinese Turkestan carried

out and described under the orders of H. M. Indian Government, Oxford 1907 (2

vols.); A. Stein, Ruins of Desert Cathay. Personal narrative of explorations in Central

Asia and Westernmost China, carried out and described under the orders of H. M.

Indian government, Oxford 1921 (5 vols.), A. Stein, Ancient Buddhist Paintings from

the Caves of the Thousand Buddhas on the Westernmost Border of China, London

1921; A. Stein, On Ancient Central-Asian Tracks, London 1933. Steins Werk ist so

solide und reich illustriert, dass es wiederholt neu gedruckt wurde, ein letztes Mal in

Indien. Einige wichtige Funde gelangten über ihn ins Kunstmuseum von Delhi.

Resultate der japanischen Ausgrabungen befinden sich in Monumenta

Serindica, Kyoto 1958-1962. Die ersten drei Teile enthalten chinesische Texte, der

vierte Teil buddhistische und profane Texte, und Teil V behandelt die buddhistische

Kunst. Zur Mission des Grafen (und Mönchen) Otani, siehe: K. Otani, Shin Saiiki-ki,

Tokyo 1937 (2 vols.).

Über die russischen Expeditionen: D. Klementz, Turfan und seine Altertümer,

St. Petersburg 1908 und P. C. Kozlov, Mongolij i Amdo i merturi gorod Kara-Khoto,

Moskau 1923.

Zu den schwedischen China-Expeditionen sind bis heute mehr als 50 Bände

erschienen. Außer dem exakt-wissenschaftlichen ist auch der Bezug auf die

Altertumskunde von Belang: Sino-Swedish Expedition. Reports from the Scientific

Expedition to the North-Western Province of China under the Leadership of Sven

Hedin. VII: Archaeology (bis heute erschienen VII, 1 (1939) bis VII/9 (1958)). Der

Name Sven Hedin bleibt bis in die Gegenwart unlösbar mit diesen Expeditionen

verbunden. Sein Werk wurde auch ins Deutsche übersetzt.

Französische Entdeckungen wurden unter der Leitung von Pelliot

durchgeführt: P. Pelliot, Les Grottes de Touen-houang, Paris 1922-24 (6 vols.); J. L.

Dutreuil de Rhins und F. Grenard, Mission scientifique dans la Haute Asie, 1890-

1895, Paris 1897-8 (3 vols.)

Die chinesischen Ausgrabungsberichte nach 1950 bei Huang Wenbi, T’-li-mu-

p’ en-ti k’ao-ku-chi, Peking 1954 und Huang Wenbi, Chung-kuo ‘ien yehk’ao-ku pao

kao hi. Chung-kuo k’o-hsueh yüan, Peking 1958; mehrere Publikationen in der

archäologisch-historischen Zeitschrift Wen-wu (besonders Nr. 7-8, 1962) und durch

das Tun-huang-Institut in Tun-huang (Dunhuang).

Von allgemeinem Belang sind weiter noch: J. A. Dabbs, History of the

Discovery and Exploration of Chinese Turkestan (Central Asiatic Studies VIII), Den

Haag 1963 und B. Rowland, Zentralasien, Baden-Baden 1970 (in der Reihe Kunst

der Welt).

Die primären Quellen mit Bezug auf den Manichäismus in Chinesisch-

Turkestan wurden durch diese Expeditionen entdeckt.

Außerhalb der Ausgrabungsberichte sind im Zusammenhang mit der Situierung

dieser Oasen-Städte und der Topografie noch von Belang: P. Pelliot, »Kao-Tch’ang,

Qocho, Huou-Tcheou et Qarâ Khodja«, in: Journal Asiatique, Xe sér., vol. XIX, 1912

S. 579-603; H. Lüders, »Zur Geschichte und Geographie von Ostturkestan«, in:

Sitzungs-Berichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-

Historische Klasse 1922, S. 243-261. Es folgen noch weitere Beiträge in derselben

Reihe: Jahrgang 1930, S. 7-60 und M. Liu, Kutscha und seine Beziehungen zu China

vom 2. Jh.v. bis zum 6. Jh. n. Chr. (Asiatische Forschungen XXVII), Wiesbaden 1969.

I.08 BEILAGEN

Beilage 1: Das Manichäische Alphabet

Beilage 2: Die Seidenstraßen in Ost-Turkestan

1. Allgemeine vereinfachte Karte der Seidenstraßen

(AA. VV., La Route de la Soie, Cat. Expos. Grand Palais,

Paris, 10-II – 29-III-1976, S. 10-11)

2. Allgemeine Karte von Ost-Turkestan

(aus: Le Coq 1926, S.20; Originalmaß: 19cm x 10,5 cm)

3. Archäologische Karte von Ost-Turkestan

(aus: Le Coq 1926, S. 36; Originalmaß: 19 cm x 10,5 cm)

4. Karte von Ost-Turkestan: der nördliche Zweig der Seidenstraße

(aus: Le Coq 1926, S. 36, Karte 3, Ausschnitt)

5. Karte von Ost-Turkestan:

Die Gegend von Turfan mit Bulāyïq und (Scheuî-Pang) Sui-Pang.

(aus: Le Coq 1926, S. 36, Karte 3, Ausschnitt)

6. Karte von Ost-Turkestan: Die Region Qotscho

(aus: Le Coq 1926, S. 36, Karte 3, Ausschnitt)

7. Die Stadt Idiqutschahri / Qotscho. Der christlich-nestorianische Klosterkomplex,

die »Tempelruine« befindet sich im Nordosten, siehe Pfeil. Die Ruine Alpha: Sitz des

manichäischen Prelaten des Ostens; außerdem mehrere Ausgrabungsstellen

manichäischer Fundorte in den Stadtmauern (M. Yaldiz, Archäologie und

Kunstgeschichte Chinesisch-Zentralasiens. Leiden 1987, S. 122, Abb. 75, nach

Albert Grünwedel).

(Siehe für Der christliche Ursprung und die sich hierauf beziehenden

spezifischen Quellen des Manichäismus, Kap. 1.2 des Buches Der Manichäismus

(Van Vliet, 2007); Die Quellen zeigen den christlichen Charakter des Manichäismus;

die Bedeutung des Kölner Mani-Codex als Beweis für den christlichen Ursprung des

Manichäismus; der Manichäismus als eine Hauptströmung des Christentums).