Karl Krumbacher, Zu Neumann

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Byzanz, Renaissance.

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  • Bibliographische Notizen und kleinere Mitteilungen 275

    E. Lohmann, Im Kloster z u Sis. (Vgl. B. Z. XII 410.) Besprocben von F. Hirsch, Mitteilungen aus der historischen Literatur 31 (1903) 389 -395. c. w.

    B. Innere Geschichte. Karl Neumann, Byzant in iscbe Kultur und Rena i s sanc ekultur.

    Vortrag, gehalten auf der Versammlung deutscher Historiker zu Heidelberg am 16. April 1903. Berlin & Stuttgart, W. Spemann 1903. 42. S. 12. Eine kleine Schrift, die viel enthalt. Durch Burckbardts ,Kultur der Renaissance" hat sicb der Glaube befestigt, daB die moderne Kultur ihr Bestes der italieniscben Renaissance und diese ihr belebendes Element dem Studium der antiken Welt verdanke - eine Anschauung, die natiirlich schon Hingst durch den N euhumanismus vorbereitet war und die auch der klassizistischen Richtung in Literatur und Kunst zugrunde liegt. Dieser Satz, den Neumann an die Spitze seiner Betrachtungen stellt, bedarf wohl einer Berichtigung. Die erwahnte Anschauung war allerdings lange in weitesten Kreisen verbreitet und ist es zum Teil noch; aber nicht Burckhardt kann fiir sie verantwortlich gemacht werden; denn er spricht sich, worauf mich mein junger Freund D. P. Maas hinwies, im Anfang des dritten Abschnittes so deutlich als moglich gegen die tibertriebene V orstellung von der Wirkung der Antike a us: ,Auf diesem Punkt unserer kulturgeschichtlichen Ubersicht angelangt, mtissen wir des Altertums gedenken, dessen ,vViedergeburt" in einseitiger Weise zum Gesamtnarnen des Zeitraums iiberhaupt geworden ist. Die bisher geschilderten Zustande wtirden die Nation erschtittert nnd gereift haben auch ohne das Altertum, und auch von den nachher aufzuzahlenden neuen geistigen Richtungen ware wahl das Meiste ohne dasselbe denkbar . . . Darauf mtissen wir behanen, als auf einem Hauptsatz dieses Buches, daB nicht die Renaissance allein, sondern ihr enges Blindnis mit dem neben ihr vorhandenen italienischen V olksgeist die abendlandische 'Velt bezwungen hat."

    N achdem sich N. schon in seinem schonen und an allgemeinen Anregungen so reichen ,Rembrandt" (1902) sehr skeptisch tiber die Frtichte der Renaissance geauBert hatte, beleuchtet er in der vorliegenden Schrift das Thema im Zusammenhang mit der Kultur, die in so vielen Beziehungen ein lehrreiches Seitenstiick der abendlandischen und speziell der italienischen bildet, der byzantinischen. Sein Gedankengang ist, wenn ich nicht irre, etwa folgender: Der machtige Aufschwung der italienischen Kultur seit dem 13. Jahrh. ist nicht dem Studimn der Antike, sondern wesentlich der Urkraft des sogenannten Barbarentums und der mittelalterlich-christlichen Erziehung zu danken. Die Antike kam dazu als wohltatige Ingredienz und wirkte als solche gtinstig. Als aber die Dosis dieser Ingredienz allmahlich zu groB wurde, als sie allmahlich in Blut und Fleisch ii berging, da wurde die Kunst entseelt und die Kultur auf eine falsche, zum V erderben fiihrende Bahn geleitet. Einen Beweis flir diese Anffassung findet N. in der byzantinischen Kultur. Sie soll uns von dem vVahne befreien, als sei die Antike die eigentlich zeugende Lebenskraft in der graBen italienischen Kulturbewegung des ausgehenden Mittelalters gewesen. Denn Byzanz hat immer am Altertume festgehalten und alle paar Jahrhunderte eine Art Restauration der Antike erlebt - und doch ist Byzanz zwar nicht politisch, aber doch

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    samsungSticky NoteByzantinische Zeitschrift, 13 (1904), 275-276.

  • 276 III. Abteilung

    filr den Fortschritt der Kultur unfruchtbar geblieben; es hat keinen Dante, keinen Leonardo, keinen :Michel Angelo hervorgebracht.

    Zweifellos liegt diesen Ausfiihrungen , wenn sie auch zu radikal sind, viel Richtiges zugrunde, und es lohnte sich gewiB der Miihe, sie einmal im groBeren Zusammenhange vom byzantinischen Ufer aus zu beleuchten. Hier mochte ich nur einige Bedenken andeuten. Die Gleichung Italien - Byzanz hinkt aus mehr als einem Grunde. In Byzanz ist der Zusammenhang mit dem Altertum niemals ahnlich abgebrochen worden, wie im Westen; das kulturelle Ackerland hat niemals lange Zeit vollig brach gelegen, und die Saat des antiken Korns konnte bier nicht so iippig in die Halme schie.Ben wie in Italien, wo sie auf einen frisch en, jungfraulichen Boden fiel. Oder, urn den Gedanken durch ein anderes Bild vielleicht noch klarer zu machen, Byzanz war gegen die wohltatige Arznei der Antike durch den steten Gebrauch allmahlich abgestumpft worden, und so konnten auch die groBeren Dosen in der Komnenen- und Palaologenzeit keine tiefergehende Umbildung der Kultur bewirken. Der \Vesten war den Giitern der alten Kultur so lange entfremdet gewesen, daB er sie mit HeiBhunger aufnahm und durch sie im innersten Wesen aufgeriittelt und zu neuer Tatigkeit angeregt wurde. Dazu kam, daB die Antike in Byzanz gerade durch die ununterbrochene Tradition immer mehr in eine auBerliche Dressur zu grammatischer Korrektheit und odem Wissenskram ausartete, wahrend man bei der Wiederbelebung des Altertums im Westen viel mehr den realen Gehalt und die Schonheit des Altertums beachtete. AuBerdem fand die antike Befruchtung im '\Vesten infolge der gliicklichen Mischung italischer und germanischer Elemente einen giinstigeren Nahrboden als im Osten, wo teils eine weniger vorteilhaft zusammengesetzte Mischrasse, teils unvermischte und dadurch entkraftete indigene Elemente die Basis bildeten. Vor allem aber war der Osten durch den Niedergang der politischen und sozialen Zustande dem Westen gegeniiber im Nachteil. In derselben Zeit, in der in Italien unter dem wohltatigen Schutze bliihender Gemeinwesen die neue Kultur mit staunenswerter Schnelligkeit erriporwuchs, also seit dem 13. Jahrh., geht im Osten durch das unaufhorliche V ordringen barbarischer Volker, besonders der Tiirken, eine Provinz und eine Stadt nach der anderen dem christlichen Machtbereiche und damit der Moglichkeit einer hoheren Kultur verloren. Kurz, der Vergleich mit Byzanz verliert dadurch sehr viel an iiberzeugender Kraft, daB die allgemeinen V orbedingungen fiir das Emporbliihen einer neuen Kultur a us dem Studium der Antike bier von den en im Westen so erheblich verschieden waren. Ich kann leider dieses prinzipielle Bedenken nicht naher ausfiihren. Noch weniger ist es mir moglich, auf einige Einzelaufstellungen, die zum Widerspruch reizen, oder gar auf eine irgendwie der eminenten \Vichtigkeit des Gegenstandes entsprechende Erorterung der ganzen Hypothese einzugehen. J edem, der sich fiir allgemeine kulturgeschichtliche Probleme interessiert, sei diese geistvolle Kriegserklarung gegen die Uberschatzung der Antike und die Weltanschauung der Renaissance dringend zum Lesen empfohlen. K. K.

    Paul Koch, Die. byzant in ischen Beamtent i tel von 400-700. (Vgl. B. Z. XII 686.) Besprochen von T(beodor) S(cltermann), Romische Quartalschrift 17 (1903) 207; von S. Vailhe, Echos d'Orient 6 (1903) 34i3 f. c. w.

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