Katharina Schaal (Hrsg.) Academia Marburgensis

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Von mittelalterlichen Klöstern zu modernen Institutsgebäuden Aus der Baugeschichte der Philipps-Universität Marburg Katharina Schaal (Hrsg.) Academia Marburgensis 15

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Von mittelalterlichen Klöstern zu modernen InstitutsgebäudenAus der Baugeschichte der Philipps-Universität Marburg

Katharina Schaal (Hrsg.)

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Academia MarburgensisBeiträge zur Geschichte der Philipps-Universität Marburg

Herausgegeben von der Philipps-Universität Marburg

durch

Eckart Conze, Christoph Friedrich, Jochen-Christoph Kaiser, Christoph Kampmann, Katharina Schaal, Wolf-Friedrich Schäufele,

Theo Schiller, Inken Schmidt-Voges, Wilhelm E. Winterhager

Redaktion:Carsten Lind, Katharina Schaal

Archiv der Philipps-Universität Marburg

Band 15

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Katharina Schaal (Hrsg.)

Von mittelalterlichen Klöstern zu modernen Institutsgebäuden

Aus der Baugeschichte der Philipps-Universität Marburg

Waxmann 2019Münster New York

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Print-ISBN 978-3-8309-3963-4 E-Book-ISBN 978-3-8309-8963-9

© Waxmann Verlag GmbH, 2019Steinfurter Straße 555, 48159 Mü[email protected]

Umschlaggestaltung: Inna Ponomareva, DüsseldorfUmschlagabbildung Vorderseite: Querschnitt durch das Stipendiatengebäude 1810, angefertigt von Johann Henrich Rudolphi. (StA Marburg P II Nr. 3558, Blatt 2)Rückseite: Physikalisches Institut der Universität Marburg, Inventarplan Grundriss 1. Obergeschoss (Architekturmuseum Berlin, Inv.-Nr. 32593)Satz: Stoddart Satz- und Layoutservice, MünsterDruck: Elanders GmbH, Waiblingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier,säurefrei gemäß ISO 9706

Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung desVerlages in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendungelektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Bibliografische Informationen der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Realisiert mit freundlicher Unterstützung von

Fachbereich Physik und die Isabellenhütte über die Heusler-Stiftung

Fachbereich Chemie und Prof. Dr. Christian Reichardt

Archiv der Philipps-Universität Marburg

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Vorwort

Der Arbeitskreis Universitätsgeschichte machte im November 2015 die Baugeschichte der Universität erstmals mit der Maßgabe, einen Sammelband in dieser Reihe zu publizieren, zum Thema. Obwohl es bereits einzelne Beiträge dazu gibt, wurde die Geschichte der Universitätsgebäude in allen ihren Aspekten als noch nicht ausrei-chend erforscht angesehen. In drei Kurzvorträgen stellten Ulrike Enke, Ulrich Klein und Carsten Lind neue Ergebnisse zu den Gebäuden bzw. Ensembles vor, zu denen sie in diesem Band ausführlicher geschrieben haben. Ulrich Kleins Beitrag zu den Klinikbauten in der Robert-Koch-Straße basierte auf einem Vortrag zum Tag des offenen Denkmals im Jahr 2011, den er für die Drucklegung auf das ganze Nord-viertel Marburgs ausweitete, die beiden anderen Beiträge auf neueren Forschungen der Autoren. Bereits Ende Mai 2015 war ein Festsymposium im Fachbereich Physik zum 100-jährigen Bestehen des Institutsgebäudes am Renthof 5 mit zwei Vorträgen der Herausgeberin und von Ulrich Klein zur Geschichte des Institutsbaus und des-sen Architektur ausgerichtet worden, gleichzeitig hatte die Tagung „Der Große Bau“ zu Kulturbauten der Weimarer Republik mit Vorträgen zur Bau- und Nutzungsge-schichte des Jubiläumsbaus, der zwischenzeitlich Ernst-von-Hülsen-Haus und jetzt Kunstgebäude heißt, stattgefunden. Zwei Beiträge dieses Bandes gehen auf die bei-den Veranstaltungen zurück, der gemeinsame von Katharina Schaal und Ulrich Klein sowie der von Christoph Otterbeck zur frühen Geschichte des Kunstmuseums. Ein Vortrag der Herausgeberin vom September 2015 zum 500. Geburtstag des Backhau-ses des Deutschen Ordens, das heute das Mineralogische Museum der Universität beherbergt, konnte mit in den Band aufgenommen werden, stark erweitert um die Gründe und Vorgänge um die Übergabe dieses frühneuzeitlichen Wirtschaftsgebäu-des an die Universität. Christian Reichardt und Jutta Schuchard verfassten eigens Bei-träge für diesen Band, Christian Reichardt schrieb basierend auf seinen Forschungen zur Geschichte der Chemie in Marburg und seinen Bemühungen um die Eintragung von zwei „Historischen Stätten der Chemie“ eine Baugeschichte seines Fachs, Jutta Schuchard steuerte sieben Biographien von Universitätsbaumeistern bzw. -architekten bei. Um auch die lange einzigen Gebäudekomplexe der Universität, die drei ehemali-gen Marburger Stadtklöster, einbeziehen zu können, erklärte sich Ulrich Klein bereit, einen Vortrag über seine bauarchäologische Beschäftigung mit ihnen, den er 2009 bei einem Workshop anlässlich der 600-Jahrfeier der Universität Leipzig gehalten hatte, zu verschriftlichen. Ganz entscheidend erweitert wurde der Beitrag durch die Einbe-ziehung einer neuen Untersuchung des Freien Instituts für Bauforschung e. V. (IBD) in Marburg, dessen Vorsitzender Klein derzeit ist, zur Klärung der Bauphasen am Kugelhaus aus dem Jahr 2017.

Neben den Autorinnen und Autoren ist auch denen zu danken, die finanzielle Mittel zur Realisierung des Bandes bereitgestellt haben. An erster Stelle sind der Mar-burger Universitätsbund und die Philipps-Universität Marburg zu nennen, weitere Gelder kamen vom Fachbereich Physik und durch die Isabellenhütte über die Heus-

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lerstiftung, vom Fachbereich Chemie und Prof. Dr. Christian Reichardt sowie vom Archiv der Philipps-Universität Marburg.

Zum Schluss möchte ich meinem Kollegen Carsten Lind für vielfältige technische Unterstützung bei der Drucklegung und anregende Gespräche danken.

Marburg, im Oktober 2018Katharina Schaal

Vorwort

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Inhalt

Katharina SchaalEinleitung ................................................................................................................................9

Ulrich KleinBauarchäologische Bemerkungen zu den Ursprungsbauten der Marburger Universität ................................................................................................. 17

Katharina SchaalVom Backhaus des Deutschen Ordens zum Mineralogischen Museum der Universität ..................................................................................................................... 45

Carsten LindVon barfüßigen Mönchen und Studenten hoch zu Ross – Der Umbau der Marburger Franziskanerkirche ............................................................. 65

Christian ReichardtLaboratorien und Institute der Chemie an der Universität Marburg von 1609 bis zur Gegenwart .............................................................................................. 83

Ulrich KleinDie Universitätsbauten im Marburger Norden – ein Überblick ................................ 109

Jutta SchuchardMarburger Universitätsbaumeister und Universitätsarchitekten vom späten 18. Jahrhundert bis ins Kaiserreich Sieben Kurzbiographien ................................................................................................... 167

Ulrike Enke„A prince’s palace it seems to be“. – Zur Frühgeschichte von Behrings Institut für experimentelle Therapie, einem Wohnhaus und Forschungsinstitut auf dem Marburger Schlossberg mit einem Anhang von Kai Umbach zum Grundbesitz Emil von Behrings ........... 187

Katharina Schaal und Ulrich KleinDer Neubau des Physikalischen Instituts am Renthof 1915 ....................................... 219

Christoph OtterbeckRichard Hamann und das Museum in Marburg .......................................................... 265

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Einleitung

Universitätsgeschichte wird häufig mit Wissenschaftsgeschichte gleichgesetzt, wobei entweder einzelne Gelehrte oder die Geschichte von Fächern, Fakultäten und Insti-tuten untersucht werden. In letzter Zeit sind auch vermehrt Fragen zur Organisation des Lehrbetriebs, zu Studierenden und Stipendiaten, den Jubiläen und Feierlichkei-ten, zur Finanzierung und Besoldung, zu den Bibliotheken oder Wissenschaftlichen Sammlungen ins Blickfeld der Forschung gekommen, also zur Universitätsgeschichte im engeren Sinne. Die Baugeschichte von Universitäten ist noch wenig untersucht,1 die Frage nach einer Universitätsarchitektur kaum gestellt worden.2

Für einige der im späten Mittelalter oder in der frühen Neuzeit gegründeten Uni-versitäten wurde bald ein Gebäude errichtet, wobei diese vom Typ her Kollegien-gebäude waren, in denen Studenten und Professoren nicht nur lehrten und lern-ten, sondern auch wohnten. Ein Beispiel ist das Collegium Maius in Krakau von 1492,3 jüngere sind Altdorf (1571–1583) und Würzburg (1582–1591).4 Auch Helm-stedt verfügte über ein repräsentatives Universitätsgebäude, das Juleum (1592–1612).5 In Tübingen wurden anlässlich der Universitätsgründung 1477 mehrere Gebäude für jeweils spezielle Belange der Universität und nicht ein großes Kollegiengebäude erbaut – eine Tübinger Besonderheit.6 In Gießen ließ der Darmstädter Landgraf 1607

1 Einen Überblick über die Literatur zu den im Mittelalter gegründeten Universitäten findet sich bei Wolfgang Eric Wagner, Gebäude, in: Jan-Hendryk de Boer, Marian Füssel, Ma-ximilian Schuh (Hrsg.), Universitäre Gelehrtenkultur vom 13.–16. Jahrhundert. Ein inter-disziplinäres Quellen- und Methodenhandbuch, Stuttgart 2018, S. 431–449, hier S. 442–449, sowie Felix Schönrock, Zur Entwicklung der Greifswalder Universitätsbauten bis zum An-fang des 19. Jahrhunderts, in: Universität und Gesellschaft. Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald 1456–2006, Bd. 2: Stadt, Region und Staat, Rostock 2006, S. 7–64.

2 Dazu siehe Wagner, Gebäude (wie Anm. 1), S. 439 f., wobei in diese Untersuchungen nur wenige Gebäude aus dem deutschsprachigen Raum einbezogen wurden. Katharina Krause, 500 Jahre Bauten der Philipps-Universität Marburg, Philipps-Universität Marburg [2018], S. 4–7, fragt in ihrem gerade erschienenen Büchlein nach einer Universitätsarchitektur und nach der speziellen Marburger Variante davon.

3 Hilde de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung, in: Walter Rüegg (Hrsg.), Ge-schichte der Universität in Europa, Bd. II: Von der Reformation zur Revolution (1500–1800), München 1996, S. 139–179, hier S. 165.

4 Zu Altdorf und Würzburg siehe Konrad Rückbrod, Universität und Kollegium. Bauge-schichte und Bautyp, Darmstadt 1977, S. 139–142.

5 Die Universität Helmstedt, gegründet im Jahr 1576, konnte 1612 ihren Neubau mit Aula, Hörsälen, Bibliothek und Verwaltungsräumen, aber auch Speise-, Wohn- und Wirtschafts-räumen beziehen (Rückbrod, Universität und Kollegium, wie Anm. 4, S. 137 f.).

6 Willem Frijhoff, University Town of Tübingen. Gutachten zur Bewerbung Tübingens um Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste [2012], www.tuebingen.de/Dateien/weltkulturer be_report_englisch.pdf (aufgerufen am 13.09.2018), S. 16, 27–30. Es handelt sich um die sog. Alte Aula, ein Verwaltungsgebäude und Lagerhaus, um die Bursa zur Unterbringung der Studenten, um das Probstei- und Kanzlerhaus sowie um das ein Jahrzehnt später errich-tete Fakultätshaus. Siehe auch Detlef Lembke, Universitätsbauten in Tübingen. Die Bauten der Universität in 500 Jahren (Attempto 61/62 [Sonderheft]), Tübingen 1977.

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bis 1611 einen Neubau für die Universität, das sog. Kollegiengebäude, errichten. Es enthielt Auditorien für die vier Fakultäten, einen Raum für die Bibliothek sowie einen Besprechungsraum für die Professoren, das Konsistorium, jedoch diente es weder den Studenten noch den Professoren zu Wohnzwecken.7

Der Marburger Universität übergab ihr Gründer Landgraf Philipp von Hessen drei Klostergebäude. Nach der Einführung der Reformation in der Landgrafschaft und der Aufhebung der Klöster wurden sie nicht mehr benötigt und zusammen mit weiterem Klosterbesitz für die Universitätsgründung verwendet. Wie Ulrich Klein in seinem Beitrag zeigt, erfolgten zunächst nicht einmal größere Umbauarbeiten, um die Gebäude der neuen Nutzung anzupassen. In Franeker (Niederlande) wurde bei der Universitätsgründung 1584 ein Kloster für die Zwecke der Universität umge-baut, in Duisburg nutzte man ebenfalls ab 1656 ein ehemaliges Kloster.8 Auch bereits bestehenden Universitäten wurden nach der Reformation Gebäude aufgehobener Klöster überlassen, z. B. in Leipzig, Basel und Heidelberg.9 An anderen Orten, z. B. in Greifswald und Halle, fand der Universitätsbetrieb ebenfalls in für andere Zwe-cke errichteten Gebäuden statt, bei denen es sich aber nicht um ehemalige Klosterge-bäude handelte.10 Repräsentative Gebäude für Universitäten waren vor 1600 offenbar nicht von Bedeutung für deren Selbstverständnis.11

Im 19. Jahrhundert ließ man aufwendig gestaltete Hauptgebäude errichten, in denen die jetzt etwas größere Verwaltung und Auditorien – Hörsäle – unterge-bracht wurden. Bis dahin lasen die Professoren häufig auch in ihren Wohnhäusern. In Göttingen wurde anlässlich der 100-Jahrfeier 1837 die „Festhalle“, ein Universi-tätsgebäude mit einer Aula, gebaut, in dem sich auch das Zimmer des Prorektors befand.12 Zur selben Zeit entstand in Tübingen als erstes Bauwerk in der Wilhelms-vorstadt die Neue Aula.13 Für die Universität Gießen ließ man ein Gebäude im spät-

7 Eva-Marie Felschow, Ein Haus für die Universität. Vom Kollegiengebäude zum Uni-versitätshauptgebäude, in: Horst Carl, Eva-Marie Felschow, Jürgen Reulecke, Volker Roelcke, Corina Sargk (Hrsg.), Panorama. 400 Jahre Universität Gießen, Gießen 2007, S. 162–169, hier S. 163.

8 De Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung (wie Anm. 3), S. 169.9 Wagner, Gebäude (wie Anm. 1), S. 435.10 Die Baugeschichte der Universität Greifswald wurde anlässlich des Jubiläums 2006 bearbei-

tet: Felix Schönrock, Greifswalder Universitätsbauten (wie Anm. 1), S. 13. Ansonsten sind die genannten Beispiele in der Literatur spärlich, siehe de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung (wie Anm. 3), S. 166–169, und Rückbrod, Universität und Kollegium (wie Anm. 4).

11 Wagner, Gebäude (wie Anm. 1), S. 432. Wagner führt das auf die geringen finanziellen Mittel der Lehrenden und Lernenden im Vergleich zu Zünften oder Städten zurück. Bei den von Fürsten gestifteten Universitäten wie Tübingen oder Marburg greift dieses Argument aber nur begrenzt. Wagner teilt auch die Beobachtung mit, dass Universitätsgebäude vor 1600 nur ganz selten auf Siegeln, Grabreliefs oder in illuminierten Matrikeln oder Statuten-bänden dargestellt sind (ebenda). Dies würde auf ein anderes Selbstverständnis der Univer-sitäten als der Zünfte oder Städte hinweisen, da erstere sich zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht über repräsentative Gebäude definierten.

12 Marianne Bergmann, Christian Freigang, Das Aula-Gebäude der Göttinger Universität. Athen im Königreich Hannover, München, Berlin 2006.

13 Frijhoff, University Town of Tübingen (wie Anm. 6), S. 43.

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Einleitung

klassizistischen Stil errichten (1876–1879),14 ebenso für die Technische Hochschule in Darmstadt,15 um einige Beispiele zu nennen. Und auch in Marburg wurde gebaut: die heute sog. Alte Universität. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden außerdem für viele Universitäten Klinikgebäude errichtet, die man jetzt aufgrund des medizinischen Fortschritts benötigte, auch Gebäude für die naturwissenschaftlichen Laborfächer brauchte und baute man nun. Das Interesse an der Geschichte und Architektur dieser Gebäude ist bislang allerdings nicht sehr ausgeprägt, schon gar nicht unter dem Aspekt einer Universitätsarchitektur.16

Die mitten in der Stadt Marburg angesiedelte Universität, die in den ersten 300 Jahren ihres Bestehens die Gebäude der ehemaligen drei Stadtklöster nutzte, diese reparierte, renovierte und im begrenzten Maß auch ihren jeweiligen Bedürfnissen anpasste,17 erhielt seit dem 19. Jahrhundert weitere Gebäude. Zunächst kamen wie-derum Altbauten aus geistlichem Besitz dazu, nachdem 1809 der Deutsche Orden von Napoleon aufgehoben worden war: Das Elisabethhospital am Pilgrimstein wurde 1811 bis 1813 als akademisches Krankenhaus hergerichtet.18 Obwohl nach der Ent-scheidung König Jérômes von Westfalen im Jahr 1809, die Marburger Universität neben Göttingen und Halle weiter bestehen zu lassen, größere Planungen in Angriff genommen worden waren, blieb es bei dieser einen Gebäudeübertragung.19 Das ebenfalls in wesentlichen Teilen mittelalterliche Wohnhaus der Deutschordensmit-glieder wurde der Universität 1823 übergeben.20

Dann wurden aber auch erstmals Neubauten für die Universität errichtet, zunächst ein kleines Gebäude für die Zootomie 1824/25 in der Lingelgasse. Der erste

14 Felschow, Ein Haus für die Universität (wie Anm. 7), S. 166 f.15 Das Hauptgebäude der 1877 gegründeten Technischen Hochschule wurde 1893–1895 erbaut

(Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bd. Hessen II, bearb. von Folk-hard Cremer u. a., München, Berlin 2008, S. 158).

16 Hier zu nennen ist Hans-Dieter Nägelke, Hochschulbau im Kaiserreich. Historistische Architektur im Prozess bürgerlicher Konsensbildung, Kiel 2000. Zum Hochschulbau der Mitte des 20. Jahrhunderts siehe Astrid Hansen, Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdi-nand Kramers. Überlegungen zum Hochschulbau der 50er Jahre, Weimar 2001.

17 Davon zeugt eine sehr lange Reihe von Baurechnungen im Archiv der Philipps-Universität (UniA Marburg): 305r 21 Nr. 1–269 (1572–1847).

18 Christina Vanja, Im Zeichen von Philanthropie und Naturwissenschaft. Der Dienst am Kranken im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Paul Jürgen Wittstock (Hrsg.), Elisabeth in Marburg. Der Dienst am Kranken, Katalogbuch, Kassel 2007, S. 134–173, hier S. 148–151.

19 Das Lieblingsprojekt des Königs, die Errichtung einer Sternwarte auf dem Bibliotheksgebäu-de, konnte bis zum Untergang des Königreichs 1813 nicht realisiert werden; vgl. Margret Lemberg, Der „restaurierte Musensitz“. Die Universität Marburg im Königreich Westfalen, in: dies., Bernd Reifenberg (Hrsg.), Die Universität Marburg im Königreich Westfalen (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg 130), Marburg 2007, S. 9–50, hier S. 16, 22 f. Vor allem der Bücherbestand der Bibliothek konnte in dieser Zeit nennenswerte Zuwächse verzeichnen und der Botanische Garten wurde von der Ketzerbach an den Pilgrimstein ver-legt.

20 Werner Fritsche, Joachim Hardt, Karlheinz Schade, Universitätsbauten in Marburg 1945–1980. Baugeschichte und Liegenschaften der Universität (Schriften der Universitätsbi-bliothek Marburg 116), Marburg 2003, S. 178.

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Neubau für die Universität diente der Tieranatomie.21 Das Chirurgische Krankenhaus erbaute man 1854 bis 1858 neben dem Elisabethhospital, das trotz eines bereits auf-gesetzten Stockwerks zu wenig Raum für die Patienten bot.22 Ein Gebäude für die Anatomie war bereits 1838 bis 1841 an der oberen Ketzerbach entstanden.23 Dazu zu rechnen ist auch das auf den Grundmauern des Dörnberger Hofs weitgehend neu errichtete Physikalische Institut am Renthof.24 Die längere Zeit als erster Neubau der Universität (1731)25 gehandelte Reithalle am Plan erwies sich bei genauerem Hin-schauen als ein grundlegender Umbau der ehemaligen Franziskanerkirche, wie der Beitrag von Carsten Lind in diesem Band zeigt. Noch in kurhessischer Zeit wurde die Frauenklinik geplant und 1866 bis 1868 erbaut.26

Mit der preußischen Annexion Kurhessens 1866/67 nahm die Universität nicht nur hinsichtlich der Zahl der Studierenden und der Professoren einen starken Aufschwung,27 sondern auch bei den Gebäuden.28 Nachdem das 1527 übernommene Dominikanerkloster zunehmend baufällig geworden war,29 wurde von 1874 bis 1891 in zwei Bauabschnitten ein neues Universitäts- oder Auditoriengebäude mit einer Aula im neugotischen Stil weitgehend auf dem alten klösterlichen Grundriss errich-tet. 1903 erfolgte die Ausschmückung der Aula mit sieben monumentalen Wandge-mälden. Heute wird dieses beeindruckende Bauwerk die Alte Universität genannt. Sie ist das einzige Gebäude der Universität, das bis jetzt Gegenstand einer Monogra-

21 Dieter Grossmann, Bau- und Kunstgeschichte der Stadt Marburg – ein Überblick, in: Er-hart Dettmering, Rudolf Grenz, Marburger Geschichte. Rückblick auf die Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen, Marburg 1980, S. 775–880, hier S. 836 f.; Hans Wilhelm Bohle, Von der Naturgeschichte zur Zoologie. Blasius Merrem und die Entwicklung der Zoologie an der Universität Marburg im 19. Jahrhundert (1807–1928) (Academia Marburgensis 12), Müns-ter 2015, S. 45 f. Siehe auch die Biographie des Universitätsbaumeisters Cöster im Beitrag von Jutta Schuchard in diesem Band.

22 Vanja, Dienst am Kranken (wie Anm. 18), S. 149, 151–153; Fritsche/Hardt/Schade, Universitätsbauten (wie Anm. 20), S. 186 f.; zu Architektur siehe Krause, 500 Jahre Bauten der Philipps-Universität Marburg (wie Anm. 2), S. 32. Siehe auch den Beitrag von Ulrich Klein in diesem Band zur den Universitätsbauten in der Nordstadt.

23 Fritsche/Hardt/Schade, Universitätsbauten (wie Anm. 20), S. 138 (Zoologisches Institut) und der Beitrag von Ulrich Klein zu den Universitätsbauten im Nordviertel in diesem Band.

24 Siehe dazu den Beitrag von Katharina Schaal und Ulrich Klein in diesem Band.25 Grossmann, Bau- und Kunstgeschichte der Stadt Marburg (wie Anm. 21), S. 826 und

Abb. 42.26 Siehe dazu den Beitrag von Ulrich Klein zu den Universitätsbauten im Nordviertel in die-

sem Band.27 Vgl. dazu Hellmut Seier, Zum Verhältnis von Universität und Stadt in Marburg 1785–1945,

in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 38, 1988, S. 171–201.28 Vgl. dazu im Überblick auch Bernhard vom Brocke, Marburg im Kaiserreich 1866–1918,

in: Marburger Geschichte (wie Anm. 21), S. 367–540, hier S. 386–390, und für das Nord-viertel den Beitrag von Ulrich Klein in diesem Band.

29 Im Januar 1846 kamen bei dem Einsturz eines Teils der Stützmauer zum Lahntor hin drei Schüler zu Tode. Vgl. dazu Margret Lemberg, Der Einsturz der Mauer am Universitäts-gebäude am 26. Januar 1846 und seine Folgen, in: Erdmute Pickerodt-Uthleb (Hrsg.), Zukunft braucht Erfahrung. Eine Festschrift, Marburg 2002, S. 169–181.

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Einleitung

phie geworden ist.30 Der Gemäldezyklus der Aula wurde eigens in einem Sammel-band thematisiert.31

Seit 1866 waren bereits das Pharmazeutische Institut am Marbacher Weg, das in den 1960er Jahren abgerissen wurde,32 und das Botanisch-Pharmakognostische Ins-titut am Botanischen Garten errichtet worden,33 später entstanden neben dem Phy-siologischen Institut (1885–1888) südlich der Elisabethkirche34 auch zahlreiche Kli-nikgebäude entlang der heutigen Robert-Koch-Straße und ein neues Chemisches Institut in der Bahnhofstraße. Die Medizinische Klinik, die Chirurgische Klinik und die Augenklinik wurden im Februar 1944 schwer beschädigt, das Chemische Insti-tut im März 1945 fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau veränderte ihre äußere Erscheinung und teilweise auch die Innenaufteilung stark, so dass die ursprüng-liche Architektur nur noch an wenigen Gebäuden in diesem Areal zu erkennen ist. Ihre Baugeschichte ist im Beitrag von Ulrich Klein zu den Universitätsbauten im Nordviertel erstmals dargestellt. In diesem Zeitraum konnte außerdem ein neuer Bi bliotheksbau in Marburg errichtet werden, der im Jahr 1900 eingeweiht wurde. Am südlichen Ende der Altstadt unterhalb des bis dahin als Bibliothek genutzten spät-mittelalterlichen Gebäudes Am Plan erbaut, fanden die Bücher erstmals in einem Zweckgebäude einen angemessenen Platz.35

Dieser starke Ausbau der Universität unter preußischer Ägide ging einher mit einem enormen Wachstum der Stadt. Der Straßenbauplan für das Südviertel wurde 1873 genehmigt,36 westlich und nördlich der Altstadt entstanden am Schlossberg zahlreiche Villen, etliche von ihnen von Professoren bewohnt. Und auch die Bahn-hofstraße, zu dieser Zeit eine angesehene Wohngegend, wurde bebaut.37 Das Biegen-viertel, dessen „großstädtische“ Häuserzeilen in geschlossenen Reihen, vier bis fünf

30 Christiane Stamm-Burkart, Die Planungs- und Baugeschichte der Alten Universität in Marburg (1872–1891) (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 133), Darm-stadt und Marburg 2002; der Band geht auf eine Marburger Magisterarbeit aus dem Jahr 1993 zurück. Siehe auch Jutta Schuchard, Ulrich Klein (Hrsg.), Neugotik in Marburg und Hessen (Marburger Beiträge zur hessischen Geschichte 23), Marburg 2017, passim, insbe-sondere Katalog der Ausstellungsexponate Teil II, S. 145–161.

31 Holger Th. Gräf, Andreas Tacke (Hrsg.), Preußen in Marburg. Peter Janssens historistische Gemäldezyklen in der Universitätsaula (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschich-te 140), Darmstadt und Marburg 2004.

32 Jutta Schuchard, Carl Schäfer 1844–1908. Leben und Werk des Architekten der Neugotik, München 1979, S. 195–197; Fritsche/Hardt/Schade, Universitätsbauten (wie Anm. 20), S. 133 f.

33 Schuchard, Carl Schäfer (wie Anm. 32), S. 197–202.34 Siehe dazu den Beitrag von Ulrich Klein zu den Universitätsbauten im Nordviertel in die-

sem Band.35 Vgl. dazu Katharina Schaal, Bauten der Universität an der Universitätsstraße: Bibliothek,

Landgrafenhaus, Savignyhaus, Altes Amtsgericht und die Planungen für das Universitäts-kuratorium, in: Fachbereich Planen, Bauen und Umwelt der Universitätsstadt Marburg (Hrsg.), Die Universitätsstraße in Marburg (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 100), Marburg 2013, S. 491–533, hier S. 491–508, mit älterer Literatur. Wegen der Auslagerung von Teilen der Staatsbibliothek Berlin 1946–1977 nach Marburg erhielt die Universitätsbibliothek in den 1960er Jahren einen zweiten Neubau, gerade wurde ein dritter Neubau bezogen.

36 Grossmann, Bau- und Kunstgeschichte (wie Anm. 21), S. 851; vgl. auch vom Brocke, Marburg im Kaiserreich 1866–1918 (wie Anm. 28), S. 380–384.

37 Vom Brocke, Marburg im Kaiserreich 1866–1918 (wie Anm. 28), S. 399 f.

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Stockwerke hoch, Proteste hervorriefen, wurde seit der Jahrhundertwende angelegt.38 Im Zusammenhang mit dem dafür notwendigen Abriss des ehemaligen Wirtschafts-hofes des Deutschen Ordens gelangte das Backhaus der Niederlassung an die Univer-sität. Der preußische Staat hatte es aus Gründen des Denkmalschutzes erworben und suchte eine Nutzung dafür. Heute befindet sich dort das Mineralogische Museum der Universität. Seine Bau- und Nutzungsgeschichte ist in einem Beitrag der Herausgebe-rin dieses Bandes dargestellt.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs, im Jahr 1915, konnte das neue Physikalische Institut am Renthof 5 fertig gestellt werden, dessen Errichtung ein energischer Ins-titutsdirektor über mehr als zehn Jahre immer wieder gefordert hatte. Dessen Geschichte und Architektur wird in einem gemeinsamen Beitrag von der Herausge-berin und Ulrich Klein beschrieben. Der im Sommer 1914 gerade begonnene Neu-bau des Landgrafenhauses, das u. a. Räume für die Universitätsverwaltung und zwei Hörsäle schaffen sollte, verzögerte sich hingegen in der Fertigstellung durch den Krieg und seine Folgen bis zum Jahr 1921.39

Weitere Gebäude wurden zur 400-Jahrfeier der Universität errichtet: die Kinder-klinik, deren Bau durch eine großzügige Spende gefördert wurde, die Hals-Nasen-Ohrenklinik und die Hautklinik40 sowie der sog. Jubiläumsbau, 1950 zu Ehren des langjährigen Kurators der Universität Ernst-von-Hülsen-Haus und seit 2017 Kunstge-bäude genannt. Nicht nur über die Namensgebung,41 sondern auch über den Anteil des Kunsthistorikers Richard Hamann an der Konzeption dieses Gebäudes, in dem ein Museum, das Kunsthistorische Seminar, die Archäologie mit ihrer Abguss-Samm-lung, die Vor- und Frühgeschichte, die Musikwissenschaften und das von Hamann begründete Bildarchiv Foto Marburg untergebracht sind, wurde zuletzt gestritten.42 Die Entstehungsgeschichte des der Universität gehörenden Museums kann im Beitrag von Christoph Otterbeck nachgelesen werden.

Daneben nutzte die Universität weitere Häuser, die gekauft oder gemietet wur-den. Lange in ihrem Besitz befand sich beispielsweise das Haus Am Plan 3, in dem zunächst das Kuratorium untergebracht war und das anschließend viele Jahrzehnte lang verschiedene Institute nutzten,43 bevor es vor einigen Jahren der Stadt Marburg übergeben wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die Univer-sität mehrere Gebäude, die keine andere Nutzung mehr hatten, u. a. das Marburger

38 Vom Brocke, Marburg im Kaiserreich 1866–1918 (wie Anm. 28), S. 396 f., S. 407 f.39 Schaal, Bauten der Universität an der Universitätsstraße (wie Anm. 35), S. 508–520.40 Dazu siehe den Beitrag von Ulrich Klein zu den Universitätsbauten im Nordviertel.41 Krause, 500 Jahre Bauten der Philipps-Universität Marburg (wie Anm. 2), S. 58.42 Vom 28. bis 30. Mai 2015 veranstalteten das Museum für Kunst und Kulturgeschichte der

Philipps-Universität Marburg und das Deutsche Dokumentationszentrum für Kunstge-schichte – Bildarchiv Foto Marburg eine Tagung unter dem Titel „Der Grosse Bau – Kul-turbauten und Bildungskonzepte der Weimarer Republik“. Aus dem Vortrag von Christoph Otterbeck, Die räumliche Grammatik des Ausstellens in den 1920er Jahren, ging sein Bei-trag in diesem Band hervor. Die Vorträge von Sigrid Hofer, Richard Hamann und die Kon-zeption des Jubiläumsbaus, und von Andre Rompf, Das Museum in der Stadt. Beziehung und Bedeutung, wurden im Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 44, 2017, veröffent-licht.

43 Das sog. Beneke’sche Haus wurde 1907 angekauft (UniA Marburg 310 Nr. 1025, f. 77); zur Nutzung siehe auch Fritsche/Hardt/Schade, Universitätsbauten (wie Anm. 20), S. 131.

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Einleitung

Landgrafenschloss und die Alte Jägerkaserne.44 Bevor das Savignyhaus von Teilen der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät bezogen werden konnte, waren etliche Institute an anderer Stelle untergebracht.45 Diese Beispiele ließen sich weiter fortset-zen. Gehören diese Gebäude auch zur Baugeschichte der Universität? Wenn man von der Unterbringung einzelner Fakultäten oder Institute ausgeht, geraten auch sie oder zumindest die jeweils genutzten Bereiche von ihnen in das Blickfeld. In diesem Band ist das an der Baugeschichte des heutigen Fachbereichs Chemie mit allen seinen Vor-gängerinstituten im Beitrag von Christian Reichardt nachvollziehbar.

Wer war zuständig für die Errichtung der Universitätsgebäude? Neben dem bekanntesten Universitätsarchitekten Carl Schäfer, nach dessen Entwürfen die Alte Universität gebaut wurde, gab es weitere Universitätsbaumeister, von denen sieben aus dem Zeitraum vom späten 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von Jutta Schu-chard mit Kurzbiographien in diesem Band vorgestellt werden. Fast alle Amtsträger hatten neben der Universität auch staatliche Gebäude zu errichten und zu betreuen – und fast alle gerieten früher oder später in Konflikt mit der Universität, was offen-bar mit der Aufgabenüberhäufung und dem eher schlechten Verdienst zu tun hatte.

Schließlich wird die Baugeschichte eines Privatgebäudes, das nie der Universität gehörte, von Ulrike Enke in diesem Band vorgestellt, das sog. Schlossberglaborato-rium Emil von Behrings. Zunächst ließ er es als Wohnhaus mit Labor errichten, zog jedoch bald mit seiner wachsenden Familie in eine größere Villa. Neben der beson-deren Stellung des Bauherren sowohl als Universitätsprofessor als auch als Gründer eines pharmazeutischen Unternehmens steht dieses Haus exemplarisch für die von Professoren errichteten und/oder bewohnten Gebäude in Marburg, die im weiteren Sinne auch zur Universitätsbaugeschichte gerechnet werden können. Ähnlich verhält es sich mit den Verbindungshäusern, die seit dem späten 19. Jahrhundert rund um den Schlossberg errichtet worden sind.46

Mit der Ausnahme des Fachbereichs Chemie wurden in diesem Band die Neu-bauten der Universität aus den 1960er und 1970er Jahren nicht berücksichtigt,47 die zunächst in den Jahre 1963 bis 1967 für die Geisteswissenschaften und die Univer-sitätsbibliothek am Krummbogen, heute Wilhelm-Röpke-Straße, errichtet wurden. Etwa zur gleichen Zeit begannen die Planungen für die Lahnberge, wo die Fachbe-reiche Biologie, Chemie, Physikalische Chemie, Mathematik und Geowissenschaf-ten sowie die Vorklinik und das Rechenzentrum in Gebäuden untergebracht wurden, die im sog. „Marburger Bausystem“ mit vor Ort gefertigten Bauelementen aufge-führt wurden. In mehreren Abschnitten zog das Universitätsklinikum ebenfalls auf die Lahnberge, wo auch ein neuer Botanischer Garten angelegt wurde. In diese Zeit

44 Einen Überblick gibt Krause, 500 Jahre Bauten der Philipps-Universität Marburg (wie Anm. 2), S. 64–77.

45 Dies zeigt ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis vom Wintersemester 1962/63, S. 57.46 Als Beispiel sei das Corpshaus der Teutonia Marburg genannt: Elmar Brohl, Das Corps-

haus der Teutonia Marburg (Marburger Stadtschrift zur Geschichte und Kultur 95), Mar-burg 2010.

47 Der bereits zitierte Band Fritsche/Hardt/Schade, Universitätsbauten (wie Anm. 20), wurde von an diesen Planungen und Arbeiten beteiligten verfasst und gibt sowohl einen Überblick über die Planungen und Maßnahmen 1945–1980 als auch eine Beschreibung ein-zelner Gebäude.

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fallen schließlich auch die Errichtung eines eigenen Mensagebäudes und zahlrei-cher Studentenwohnheime.48 Diese Ausbauphase spiegelt die Entwicklung zur Mas-senuniversität mit stark angestiegenen Studierendenzahlen, aber auch den Umbruch der Universitätsverfassung mit der Abschaffung des Rektors und der Einführung des Präsidentenamtes, der Einrichtung von zwischenzeitlich 21 Fachbereichen nach der Auflösung der Fakultäten sowie einem völlig veränderten Verständnis von Forschung und Wissenschaft.

2007 ist mit dem HEUREKA-Programm eine neue Phase des Bauens und der Umnutzung vor allem nicht mehr benötigter Klinikgebäude im Lahntal eingeläutet worden. Mehrere Institute sind bereits auf den Lahnbergen errichtet worden, darun-ter das in dem Beitrag von Christian Reichardt erwähnte neue Chemiegebäude, in der Stadt ist der markanteste Bau die neue Universitätsbibliothek am Alten Botani-schen Garten, die 2018 eröffnet wurde. Weitere Baumaßnahmen und Planungen lau-fen noch.49 Auch hier fließen veränderte Konzepte des Lernens und Forschens in die Planungen ein.

Der vorliegende Band soll und kann keine vollständige Baugeschichte der Mar-burger Universität bieten, sondern nur einzelne Schlaglichter werfen: Auf die mit-telalterlichen Klöster, die der Universität 1527 bis 1533 übertragen wurden, auf den Umbau der ehemaligen Franziskanerkirche zu einer Reithalle, auf einen weiteren „Altbau“, das ehemalige Backhaus des Deutschen Ordens, auf den Neubau des Phy-sikalischen Instituts von 1915, auf das Museum im „Jubiläumsbau“ von 1927, auf die „Baugeschichte“ der Chemie, die etliche Gebäude, aber häufig nur bestimmte Zeit-abschnitte von deren Geschichte betrifft, auf die Fachleute, die die Gebäude entwar-fen und bauen ließen, und schließlich auch auf die Universitätsprofessoren, für die die Institute errichtet wurden. Auch die Planung, der Bau und der Umbau einer Pro-fessorenvilla, in der eine private Firmengründung aus der Universität heraus unter-gebracht war, sind Thema in diesem Band. Die Mehrzahl der Beiträge ist historisch angelegt, soll heißen, dass es um die Schritte und Ereignisse geht, die zu der Errich-tung der Gebäude führten. Der kunsthistorische Blick fällt vor allem auf die in preu-ßischer Zeit entstandene Architektur. Deutlich wird ferner, welche Bauwerke noch nicht näher untersucht wurden, und auch, wie diese Lücken geschlossen werden könnten: bauhistorisch, architekturgeschichtlich, von der Nutzungsgeschichte her, in der Zusammenschau mit der Entwicklung und Veränderung der Universität, einzel-ner Wissenschaftszweige und der Stadt. Es ist zu wünschen, dass der Baugeschichte der Universität bald weitere Kapitel angefügt werden.

48 Siehe Krause, 500 Jahre Bauten der Philipps-Universität Marburg (wie Anm. 2), S. 82–85, 88 f.

49 Vgl. dazu Krause, 500 Jahre Bauten der Philipps-Universität Marburg (wie Anm. 2), S. 116–137.

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Ulrich Klein

Bauarchäologische Bemerkungen zu den Ursprungsbauten der Marburger Universität1

Zeitgleich mit der Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen wurde im Mai 1527 durch Landgraf Philipp die Marburger Universität in erster Linie zur Ausbildung der nun in großer Zahl benötigten loyalen Theologen, Beamten, Juris-ten und Ärzte gegründet.2 Sie stellte damit den Prototypen für eine zukünftige pro-testantische Universität dar, ihre Organisation musste ebenso wie das Konzept ihrer baulichen Ausgestaltung von den landgräflichen Räten völlig neu entwickelt werden, zumal sich die traditionelle Universitätsorganisation inzwischen unübersehbar in einer schweren Krise befand.3 Zur Ausstattung seiner neuen Universität stellte Phi-lipp daher sukzessive die Einkünfte von mehreren der nun aufgelösten hessischen Klöster zur Verfügung, wobei deren Verwaltungsstrukturen im Prinzip erhalten blie-ben, diese nun aber die Einkünfte an die Universität zu liefern hatten.4

In der Stadt Marburg selbst wurden auch die Gebäude der dortigen drei Klös-ter an die Universität übergeben, nämlich die Klöster der Dominikaner5 bzw. Predi-ger in der Süd-Ostecke der Stadt, der Franziskaner6 (Barfüßer oder Minoriten) in der Süd-Westecke und das Kloster der Brüder vom gemeinsamen Leben7 („Kugelherren“) nördlich darüber. (Abb. 1) Der neu gegründeten Universität mit anfangs elf Profes-soren und bald zwischen etwa 200 und 400 Studenten stand damit bereits ein Raum-angebot zur Verfügung, das im Prinzip bis in das 19. Jahrhundert ausreichend sein

1 Der Beitrag geht zurück auf den ungedruckten Vortrag: Ulrich Klein, „Marburg (1527). Bauforschung und Archäologie an Marburger Universitätsgebäuden“ zu dem Workshop „Archäologie und Baugeschichte mittelalterlich-frühneuzeitlicher Universitäten und Hoch-schulen in Ostmitteleuropa“ des GWZO der Universität Leipzig zu deren 600-jährigem Ju-biläum am 19.-21. November 2009.

2 Heinrich Hermelink, Siegfried A. Kaehler u. a., Die Universität Marburg 1527–1927. Fünf Kapitel aus ihrer Geschichte, Marburg 1927; Walter Heinemeyer, Thomas Klein, Hellmut Seier, Academia Marburgensis. Beiträge zur Geschichte der Philipps-Universität Marburg (Academia Marburgensis 1), Marburg 1977; Wolf-Friedrich Schäufele, Reformation und Bildung. Die Universität Marburg und der reformatorische Bildungsauftrag, in: Ders. (Hrsg.), Reformation im Kontext. Eine Bilanz nach 500 Jahren, Leipzig 2018, S. 9–21.

3 Wilhelm E. Winterhager, Die Gründung der Universität Marburg in ihrem historischen Kontext, in: Christina Schlag, Wolf-Friedrich Schäufele, Christoph Otterbeck (Hrsg.), Bildungsereignis Reformation. Ideen – Krisen – Wirkungen, Weimar 2017, S. 36–43.

4 Siehe dazu demnächst Katharina Schaal, Was kostet eine Universität? Die Finanzierung der Marburger Universität durch Güter säkularisierter Klöster, in: Wolf-Friedrich Schäufe-le (Hrsg.), Reformation der Kirche – Reform der Bildung. Die Universität Marburg und der reformatorische Bildungsauftrag (Academia Marburgensis 16).

5 Albrecht Eckhard (Bearb.), Die oberhessischen Klöster. Regesten und Urkunden (Ver-öffent lichungen der Historischen Kommission für Hessen 9), Marburg 1967, S. XI f., S. 3–40.

6 Eckhard (Bearb.), Die oberhessischen Klöster (wie Anm. 5), S. XII-XIV; S. 41–62.7 Eckhard (Bearb.), Die oberhessischen Klöster (wie Anm. 5), S. XIV f.; S. 71–254; Karl

Heinemeyer, (Kugelkloster) Marburg 1476–1527, in: Wolfgang Leesch, Ernest Persoons, Anton G. Weiler (Hrsg.), Monasticon Fratrum Vitae Communis, Teil II: Deutschland (Ar-chives et Bibliotheques de Belgique 19), Brüssel 1979, S. 147–165.

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Ulrich Klein

sollte. Auch die baulichen Anpassungen blieben nach Aussage der gut überlieferten Quellen anfangs gering und erfolgten, wenn überhaupt, erst sukzessive über einen längeren Zeitraum.

Für die bauhistorische Erforschung der frühen Universitätsbauten bedeutet dies methodisch, in erster Linie die Klöster in ihrer spätmittelalterlichen Ausgestaltung im Blick zu haben, um dann daran die universitären Nutzungen und ggf. auch Ver-änderungen zu analysieren – ein anspruchsvolles Unterfangen, ist es doch bekannt-lich relativ einfacher, einen Ursprungsbau heraus zu arbeiten, als die späteren Ver-änderungsphasen zu erfassen, zumal wenn diese nicht von einem eigenen umfassen-den Gestaltungswillen getragen wurden. Da es hier auf jeden Einzelbefund ankommt, sollen die vorliegenden hier zusammengefasst vorgestellt werden, so gering der neue Erkenntnisgewinn in manchen Fällen vorerst auch scheinen mag.

Das ehemalige Dominikanerkloster: Collegium Lani

Erstes und immer wichtigstes Universitätsgebäude war das nach der Übernahme durch die Universität als Collegium Lani bezeichnete ehemalige Dominikaner-kloster, in dem sich über Jahrhunderte neben den Juristen und dem Paedago-gium (Lateinschule) auch die Aula und die Verwaltung der Universität befanden.

Abb. 1: Die stadtbestimmenden Gebäude der Universität auf der Stadtdarstellung Dilichs in der Hessischen Chronik von 1605: von links nach rechts das Collegium pomerii, darüber das ehemalige Kugelkloster und das Collegium Lani.

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Bauarchäologische Bemerkungen zu den Ursprungsbauten der Marburger Universität

Erst durch den Bau, der nach den Planungen Carl Schäfers in zwei Bauabschnit-ten zwischen 1873 und 1891 errichtet wurde, ist das ehemalige Klostergebäude durch einen neogotischen Neubau in Form der heute sogenannten Alten Univer-sität abgelöst worden.8 (Abb. 2) Das Konzept Schäfers für das Auditoriengebäude (1. Bauabschnitt) und das Aulagebäude (2. Bauabschnitt) sah im Grundriss eine, wie man es heute nennen würde, archäologische Rekonstruktion des vorher hier vorhan-denen Klosters vor, war dagegen aber im Aufgehenden nach größtenteils französi-schen Vorbildern weitaus prächtiger als das spätmittelalterliche Vorbild gestaltet.9

8 Jutta Schuchard, Carl Schäfer 1844–1908. Leben und Werk des Architekten der Neugotik, München 1979; Ulrich Klein, Das Dominikanerkloster und die „Alte Universität“ (Bürger-information Marburg 82), Marburg 1999; Christiane Stamm-Burkart, Die Planungs- und Baugeschichte der Alten Universität in Marburg (1872–1891) (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 133), Darmstadt und Marburg 2003.

9 Carl Schäfer, Neubau der Universitätsaula in Marburg (1888), in: Carl Schäfer, Von deutscher Kunst. Gesammelte Aufsätze und nachgelassene Schriften, Berlin 1910, S. 377–384.

Abb. 2: Das Universitätsgebäude nach der Fertigstellung des 1. Bauabschnittes in der Aufnahme von Ludwig Bickell um 1880. (Bildarchiv Foto Marburg/MGV Nr. 810.324)

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Lediglich die spätgotische, um 1308 (d) im Chorbereich und um 1420 (d) mit dem asymmetrischen Langhaus fertiggestellte Klosterkirche und ein angrenzendes Joch der Gebäude auf der Ostseite des Kreuzganges blieben von der ursprünglichen Klos-teranlage erhalten und wurden unmittelbar in den Neubau einbezogen. Allerdings hat Schäfer den Vorgängerbau so gut zeichnerisch dokumentiert, dass zusammen mit den erhaltenen Fotografien des Abbruches der Klostergebäude eine nachvollziehbare Rekonstruktion der Baugeschichte durchaus möglich ist bzw. die diesbezüglichen Angaben Schäfers überprüft werden können. (Abb. 3) Dabei zeigt sich als wichtigste Entwicklung, dass der Kernbereich des Klosters aus der Zeit um 1300 in der zwei-ten Hälfte des 15. Jahrhunderts deutlich erweitert wurde, während man zuletzt noch 1521 weitere Bauten errichtet hatte; die Zeit der Nutzung durch die Universität in den nächsten etwa 350 Jahren war dagegen im Wesentlichen nur an begrenzten Ver-änderungen im Inneren ablesbar.10

Schäfer hat natürlich auch bereits die Frage bewegt, was vor der Klostergründung im ausgehenden 13. Jahrhundert an dieser strategisch wichtigen Stelle der Stadt ober-halb der Lahnfurt und dann der um 1250 errichteten steinernen Brücke gestanden

10 Carl Schäfer, Zur Geschichte des alten Universitätsgebäudes zu Marburg (1872), in: Schäfer, Von deutscher Kunst (wie Anm. 9), S. 81–86.

Abb. 3: Bestandsaufnahme des zuletzt im Inneren barock ausgebauten Aulaflügels durch Carl Schäfer 1872. (StA Marburg PII Nr. 3582)

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Bauarchäologische Bemerkungen zu den Ursprungsbauten der Marburger Universität

haben könnte, denn der Platz wurde und wird von der lokalen Forschung immer wieder auch für eine mittelalterliche Befestigungsanlage in Anspruch genommen. Als Schäfer 1891 bei den Abbrucharbeiten für den Neubau des Aulagebäudes, der sich auf dem preußischen Instanzenweg aus seinen ursprünglichen Umbauplanungen ent-wickelt hatte, eindeutig romanisch skulptierte Bauspolien11 fand, stand für ihn fest, dass er die Überreste einer romanischen Burganlage an dieser Stelle gefunden haben musste, die auch durchaus Sinn gemacht hätte, denn von der weit oberhalb auf dem Berg gelegenen Burg wäre ein wirksamer Schutz von Furt bzw. Brücke kaum möglich gewesen.12 Allerdings fanden sich trotz der tiefen Bodeneingriffe während der Bau-arbeiten keine weiteren Relikte einer solchen Anlage in Form von Mauerzügen etc. mehr in situ. Friedrich Küch hat dann einige Jahre später auf eine Quelle von 1447 aufmerksam gemacht, nach der das Dominikanerkloster damals bereits länger lagern-des Abbruchmaterial des älteren romanischen Schiffes der Pfarrkirche als Baumate-rial aufgekauft hatte.13 Seitdem wird davon ausgegangen, dass es sich bei den Funden von Schäfer um Reste dieses Abbruchmateriales gehandelt hat, was durch die formale Ähnlichkeit zu den an der Außenfront des Pfarrhofes vermauerten romanischen Spo-lien ebenfalls von der Pfarrkirche auch bestätigt wird. Damit ist allerdings die Frage wieder offen, was an diesem Platz dem Dominikanerkloster vorangegangen ist.

Schäfer kam dann aufgrund seiner Untersuchungen für das Kloster seit dem aus-gehenden 13. Jahrhundert zu den folgenden fünf Bauphasen (Abb. 4):14

11 Heute größtenteils noch in den Sammlungen des Marburger Geschichtsvereins als Deposi-tum im Universitätsmuseum erhalten.

12 Schäfer, Zur Geschichte des alten Universitätsgebäudes (wie Anm. 10), S. 81–86.13 Friedrich Küch, Die älteste Pfarrkirche Marburgs, in: Hessenkunst 1912, S. 1–5; wieder

abgedruckt in: Friedrich Küch, Marburger Kulturleben. Aus Mittelalter und Früher Neuzeit, Marburg 2013, S. 99–107, hier S. 103.

14 Schäfer, Zur Geschichte des alten Universitätsgebäudes (wie Anm. 10), S. 81–86.

Abb. 4: Die von Carl Schäfer ermittelten Bauphasen des ehemaligen Dominikanerklosters. (Grafik IBD 2009)

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Phase I:Begonnen wurde bald nach der urkundlich überlieferten Klostergründung 1291 mit der Errichtung der Kirche (A), deren hoch aufragender Chor mit 5/8-Schluss im Osten, wie man heute durch die dendrochronologische Datierung der erhaltenen Dachkonstruktion15 weiß, 1308 mit seinem Dachwerk fertiggestellt werden konnte. Das für Bettelordenskirchen dieser Zeit typische asymmetrische Hallenkirchenschiff mit einem gegenüber dem Chor deutlich niedrigeren Mittelschiff und nur einem nördlichen Seitenschiff wurde dann erst im Laufe des 14. Jahrhunderts westlich ange-fügt und mit einem Dachwerk um 1420 abgeschlossen. Zu der ersten Phase mit dem fertiggestellten Chor und dem begonnenen Schiff der Kirche gehörte an Konventsge-bäuden lediglich der nördliche Teil des Ostflügels (B) mit der gewölbten Sakristei im Norden, dem Refektorium im Süden und dem darüberliegenden Dormitorium mit einer Holztonnendecke. Hinzu kam im Zwickel zwischen diesem Flügel und der Kir-che ein großer, annähernd quadratischer Kreuzgang, an dessen äußere Umfassungs-mauern sich im Süden und Westen damals noch keine weiteren Gebäude anschlossen.

Phase II:Zwischen 1400 und 1420, gleichzeitig mit der Fertigstellung der Kirche, ist der süd-liche Teil des Kreuzganges bis auf die südliche Außenmauer abgerissen und an diese angelehnt nach Norden ein breiter Südflügel (D) mit dem Kapitelsaal errichtet wor-den, so dass der Kreuzgang – wesentlich verkleinert – nun eine langrechteckige Form bekam.

Phase III:Um 1450 wurde der Ostflügel (B) fast um das Doppelte nach Süden verlängert, wodurch sich Refektorium und Dormitorium entsprechend vergrößerten. Unmittel-bar westlich mit einem Pultdach hieran anschließend entstand der neue Küchenbau (E).

Phase IV:Ein vor dem Abbruch durch eine Inschrift auf 1484 datierbarer neuer vierseitiger Kreuzgang ersetzte die Reste des zuletzt noch an drei Seiten vorhandenen Vorläufers aus Phase I. Den Westflügel des Kreuzganges verbreiterte man dabei wesentlich zum Eingangsbereich des Klosters.

Phase V:Noch kurz vor der zu diesem Zeitpunkt nicht absehbaren Auflösung des Klosters wurde um 1521 an den Westflügel ein weiterer Bau (H) nach Westen angebaut und im Südwesten, alleinstehend und getrennt von den Gebäuden im Kreuzgangbereich, das Haus des Priors (F) errichtet.

15 Wie bei dem Chor der Pfarrkirche von 1291 (d), hat also auch das Dachwerk des Chores der Dominikanerkirche von 1308 (d) den großen Marburger Stadtbrand von 1319 überstanden.

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Bauarchäologische Bemerkungen zu den Ursprungsbauten der Marburger Universität

1527 ist das Dominikanerkloster wie alle Marburger Klöster durch Landgraf Philipp aufgelöst und das Gebäude der neu gegründeten Universität zur Nutzung übergeben worden. Von nun an befand sich hier das Collegium Lani der Juristen, deren größter Hörsaal im Ostflügel auch der gesamten Universität für Jahrhunderte als Aula diente. Im Südflügel wurde dagegen vor allem das auf das Universitätsstudium vorbereitende Paedagogium als Vorläufer des Marburger Gymnasiums untergebracht. Die bauliche Anlage des ehemaligen Klosters ist in dieser Zeit vergleichsweise wenig verändert worden, Umbauten bezogen sich vor allem auf die Raumeinteilung im Inneren. Erst im 19. Jahrhundert scheinen dann die aufgrund unzureichender Gebäudeunterhal-tung notwendigen Reparaturarbeiten deutlich zugenommen zu haben, wie sich aus der dann dichteren Aktenüberlieferung ergibt.

Bei der Rekonstruktion der älteren Baugeschichte des Klosters ist man heute wesentlich auf die Dokumentation von Schäfer angewiesen, denn durch die von Lud-wig Bickell fotografisch dokumentierten großflächigen Bodeneingriffe während der damaligen Bauarbeiten kann nicht damit gerechnet werden, hier im Kernbereich der Anlage noch ältere Befunde anzutreffen; lediglich in dem vorgelagerten Hof, wo die Linde erhalten blieb, wären zwischen Linde und Reitgasse bzw. Hirschberg dort, wo keine Leitungen verlaufen, noch ungestörte Befunde zu erwarten. (Abb. 5, 6)

Hier hatte dann im Jahr 2002 vorsorglich die Abteilung Bodendenkmalpflege des Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege eine archäologische Baubegleitung ver-langt, als seitens der Universität in kleineren Eingriffsflächen ein versenkbarer Pol-ler für die Parkplatzzufahrt mit seinen notwendigen Zuleitungen eingebaut werden

Abb. 5: Ausschachtungsarbeiten für den 1. Bauabschnitt des Universitätsgebäudes in der Auf­nahme von Ludwig Bickell Ende des Jahres 1873 mit Blick nach Osten. (Bildarchiv Foto Marburg/MGV Nr. 810.328)

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Abb. 6: Ausschachtungsarbeiten für den 1. Bauabschnitt des Universitätsgebäudes in der Aufnahme von Ludwig Bickell Ende des Jahres 1873 mit Blick nach Norden. (Bildarchiv Foto Marburg/MGV Nr. 810.327)

Abb. 7: Übersicht zu der Grabung westlich der Kirche des Dominikanerklosters. (Zeichnung IBD 2002)

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sollte. (Abb. 7) Bei der Untersuchung durch das Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation (IBD) fanden sich auf der kleinen Fläche zwei Mauerzüge unter-schiedlicher Zeitstellung, ein älterer des 13. Jahrhunderts nördlich annähernd paral-lel zur Reitgasse und ein jüngerer des 14./frühen 15. Jahrhunderts, der von der Süd-west-Ecke der Kirche aus nach Süden verlief. Soweit die begrenzten Flächen eine Folgerung zulassen, wird davon ausgegangen, dass der ältere Mauerzug zu einem Wohnbau auf der Südseite der Reitgasse gehörte, der mit der Klosteransiedlung über-nommen und abgerissen wurde, während der jüngere Mauerzug auf einen Vorgänger des inschriftlich auf 1484 datierten westlichen Kreuzgangflügels verweisen könnte.

Das Beispiel macht deutlich, wie wichtig eine regelmäßige archäologische Bau-begleitung bei allen Eingriffen in solchen sensiblen Bereichen ist, wo, wie in dem beschriebenen Abschnitt, offenbar noch ungestörte Befunde vorkommen können, die bis in die vorklösterliche Zeit zurückreichen.

Das ehemalige Barfüßerkloster: Collegium pomerii

Im Mai 1528 wurde im ehemaligen Franziskanerkloster aus der Zeit um 1235 mit seinem zusätzlichen zweiten Südflügel ein weiteres Universitätsgebäude eingerichtet, das als Collegium pomerii vor allem die Medizinische und die Artistenfakultät mit ihren beiden Hörsälen und der Bibliothek – basierend auf den aufgelösten Kloster-bibliotheken – im Südflügel aufnahm.16 Die lange Zeit funktionslose Kirche wurde 1730/31 zu einer Reithalle umgebaut,17 während in der danebenliegenden ehemaligen Sakristei 1607 das erste chemische Labor der Universität eingerichtet wurde. 1811 hat man den für das Wohnen der Stipendiaten genutzten, inzwischen baufälligen Ostflü-gel und den Kreuzgang abgerissen und schließlich 1825 den weiterhin als Bibliothek genutzten Südflügel mit einer klassizistischen Hoffassade versehen; der Westflügel wurde schließlich neu errichtet. Bis dahin war bis auf die Kirche auch dieses ehema-lige Kloster zumindest in den Umfassungsmauern noch weitgehend in seinem mit-telalterlichen Zustand erhalten geblieben. Auch hier reicht die Überlieferung durch ältere Pläne und Ansichten aus, um den mittelalterlichen Baubestand grundsätzlich zu rekonstruieren, wenngleich die Baugeschichte immer noch viele Fragen aufwirft.

Neben der bekannten, perspektivisch verzerrten Ansicht von Dilich (Abb. 2 im Beitrag Lind) stehen für die Kirche inzwischen zwei weitere Pläne zur Verfügung, ein Blick in den Innenraum nach Osten von 162618 (siehe Abb. 4 im Beitrag Lind) und ein Grundriss der gleichen Zeitstellung19 (siehe Abb. 3 im Beitrag Lind). Hier-nach stellt sich die Kirche als gewölbter Saalbau20 von vier Jochen mit einem langge-streckten Chorbereich von zwei Jochen, der im Osten mit einem 5/8-Schluss endet,

16 Hermelink/Kaehler, Die Philipps-Universität (wie Anm. 2), S. 32 f.17 Siehe den Beitrag von Carsten Lind in diesem Band.18 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (StA Darmstadt) R4 30298 UF.19 StA Darmstadt E 6 B Nr. 8/2.20 Die Darstellung der Gewölbe ist unterschiedlich: Im Grundriss wären nach heutiger zeich-

nerischer Konvention bei Bettelordenskirchen sehr seltene sechsstrahlige Kreuz rippen-gewölbe angedeutet, während die Innenraumdarstellung steile Kreuzgratgewölbe auf Wand-konsolen zeigt, was wahrscheinlicher erscheint.

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dar; die angesichts der Wölbung zwingend vorauszusetzenden Strebepfeiler fehlen allerdings in dem jüngeren Grundriss, wurden aber von Dilich angedeutet. Das nied-rigere nördliche Seitenschiff könnte noch zum ursprünglichen Bestand einer Kir-che des letzten Drittels des 13. Jahrhunderts bis um 1300 gehören und schloss mit einer Arkatur auf Rundpfeilern an das Schiff an; die figurierten Gewölbe im östlichen Bereich des Seitenschiffs sind dabei offenbar eine Erneuerung der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert. Andererseits weist dieses Seitenschiff so viele Unregelmäßigkeiten auf, dass auch eine spätere Errichtung möglich erscheint. Wenn die Zeichnung von Dilich in dieser Hinsicht zutrifft, war dieses Seitenschiff in der Marburger Tradition, die auf die Elisabethkirche zurückgeht, trotz des basilikalen Schemas mit Querdä-chern überdeckt, die an das Hauptdach anschleppten.

Dass hier im Chor auch bestattet wurde, ist archivalisch belegt,21 bis hin zu der Mutter Anna von Landgraf Philipp, die erst nach der Reformation von hier umge-bettet wurde. Zu Beginn der 1990er Jahre wurden bei Bauarbeiten im Keller des öst-lichen Bereichs des Instituts für Leibesübungen knapp unter dem rezenten Fußbo-den auch Bestattungen angetroffen; leider verhinderte das zuständige Staatsbauamt damals eine Untersuchung. Immerhin wird hierdurch belegt, dass die spätere Reit-halle ohne größere Bodeneingriffe den Chorbereich der Kirche überbaut hatte, ohne dessen Grundriss aufzunehmen.

So kann die Reithalle nur in Abschnitten vor allem im auf der Südseite zurück-springenden westlichen Bereich und auf der Nordseite mit dem Grundriss der Kirche übereinstimmen, wo möglicherweise auch noch aufgehendes Mauerwerk vorhanden ist, während Ost- und Westabschluss sicherlich neu sind. Auffällig sind dabei aller-dings die unmotiviert erscheinende Verschmälerung der Reithalle im Westen und der dortige 5/8-Schluss, wie er vorher bei der Kirche nach Osten in wohl ganz ähnlichen Dimensionen vorhanden gewesen war. Dies legt den Verdacht nahe, dass man die heute an der Oberfläche barock bearbeiteten Quader des Chorabschlusses nach Wes-ten versetzt hat, um den Wünschen nach einer möglichst sparsamen Bauweise nach-zukommen.22 Die im Sockelbereich zu beobachtenden geflächten Quader hat man offenbar direkt von der vorangehenden Kirche wiederverwendet, anderes Werkstein-material aber sorgfältig steinmetzmäßig barock überarbeitet.

Nach den Abrissarbeiten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist abgesehen von den wohl mehr oder weniger vollständig erhaltenen Fundamenten im Boden vor allem noch der südliche Klosterflügel hinter einer zum Hof hin klassizistischen Fas-sade erhalten. Kurt Meschede hat als einer der wenigen Bearbeiter der Anlage 1968 diesen südlichen Kreuzgangflügel zu einem Zubau der Zeit um 1500 erklärt,23 als das Kloster im Rahmen der spätmittelalterlichen Reformbewegung nach 1497 von Obser-

21 Eckhard (Bearb.), Die oberhessischen Klöster (wie Anm. 5), S. 58.22 Siehe dazu den Beitrag von Carsten Lind in diesem Band; die auf frühneuzeitlichen Bau-

stellen häufiger anzutreffende Sparsamkeit der Obrigkeit hat öfter zu kuriosen Anweisungen geführt; so verlangte beim Umbau von Kloster Heydau (Morschen-Altmorschen) zu Beginn des 17. Jahrhunderts Landgraf Moritz, dass der vorhandene Gipsestrich zu Platten geschnit-ten werden sollte, um sie neu zu verlegen, was natürlich nicht funktionierte.

23 Kurt Meschede, Marburgs zweitälteste Ordensniederlassung. Das Barfüßer- oder Franzis-kanerkloster, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 79, 1968, S. 77–86.

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vanten neu besetzt wurde, was allerdings in deutlichem Gegensatz zu der dort z. B. von Görich und Gutbier beobachteten älteren Substanz des 13. Jahrhunderts stand.24

Jüngere Forschungen haben nun ergeben, dass doppelte, dabei aber oft nicht voll ausgebildete Kreuzgänge gerade für die frühen Franziskanerklöster des 13. Jahrhun-derts typisch sind,25 wozu in Marburg ein weiteres Beispiel vorläge:26 „Die Anlage um einen teilöffentlichen Kreuzgang und einen kleineren Klausurhof ist bei Kloster-gebäuden der konventualen Franziskaner häufig nachweisbar.“ Diese Interpretation, die sich hier vor allem auf einen erst Ende der 1990er Jahre identifizierten Plan der Anlage von nach 1776 stützt,27 erlaubt nun eine plausible, mit den älteren Beobach-tungen in Einklang stehende Ansprache des südlichen, in zwei Phasen von Westen nach Osten wohl bereits im 13. Jahrhundert errichteten Klausurgebäudes, das später die Universitätsbibliothek aufnahm (Abb. 8)

Dagegen gilt der Ostflügel des Klosters, der zuletzt als Stipendiatengebäude genutzt worden war, nach dem überlieferten Abriss von 1811 bis auf einen 0,95 m starken Mauerrest an der Südmauer der ehemaligen Reithalle als völlig verschwun-den. Die Pläne des Landbaumeisters Johann Henrich Rudolph, die kurz vor dem Abbruch entstanden, zeigen diesen Flügel als (teil-)unterkellerten zweigeschossi-gen Massivbau unter einem hohen gotischen Dach mit einem Dachreiter im Süden. (Abb. 9) Der hier von ihm dargestellte Keller ist allerdings bis heute erhalten und konnte als Auflage der Abteilung Bodendenkmalpflege des Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege im Rahmen von Bauarbeiten für die Verlegung einer neuen Was-serleitung im Jahre 2001 durch das IBD untersucht werden.28 Dabei zeigte sich, dass Rudolph die Gewölbetonne offenbar in der falschen Richtung eingezeichnet hatte, während ansonsten der teilweise verfüllte Kellerraum mit seiner Tonne in Nord-Rich-tung genau den Abmessungen in diesen Plänen entsprach.

Die Länge des Kellers beträgt ca. 5,20 m bei einer Breite von mehr als 4,20 m, überfangen ist er mit einem auf Schalung gemauerten Tonnengewölbe. In der öst-lichen Hälfte der südlichen Schildmauer liegt ein Portal mit Werksteingewänden in Formen des 14. Jahrhunderts, durch das der Keller betreten werden konnte. Im süd-lichen Drittelspunkt des Kellers wurde im 18. Jahrhundert nachträglich ein Gurtbo-gen unter das Gewölbe gesetzt, um darüber im südlichen Bereich des Ostflügels eine neue massive Trennmauer aufmauern zu können. Es handelt sich dabei um eine der typischen Veränderungen aus der Universitätszeit, die mit wenig Aufwand die ange-troffene Bausubstanz an neue Nutzungen anzupassen bestrebt waren. (Abb. 10) Spä-ter stellte sich heraus, dass dieser Keller bereits 1961/62 wieder angetroffen worden

24 Meschede, Marburg zweitälteste Ordensniederlassung (wie Anm. 23), S. 83–85, und Willi Görich gegenüber dem Verfasser.

25 Leonie Silberer, Domus fratrum minorum. Klosterbaukunst der konventualen Franziska-ner vom 13. Jahrhundert bis zur Reformation, Petersberg 2016, S. 66–79.

26 Silberer, Domus fratrum minorum (wie Anm. 25), S. 274 f., hier S. 275.27 Hessisches Staatsarchiv Marburg (StA Marburg) P II Nr. 14.522; der Plan war bis dahin

fälschlich dem Marburger Dominikanerkloster zugeordnet gewesen.28 IBD-Untersuchungsbericht, Archäologische Untersuchung Marburg, Am Plan 1, Ms.

Marburg 2001.

Page 28: Katharina Schaal (Hrsg.) Academia Marburgensis

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Ulrich Klein

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