KIND 11/08 Die Zeitung des Vorarlberger · PDF fileDr. Siegfried Kalbist klinischer Psychologe...

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  • KINDDie Zeitung des Vorarlberger Kinderdorfs11/08

    (Un)heimliche Erzieher

    www.kinderdorf.cc

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  • Dr. Siegfried Kalb ist klinischer Psychologe undPsychotherapeut. Er leitet die Qualittsentwick-lung im Vorarlberger Kinderdorf und ist Mitgliedder Geschftsleitung.

    STANDPUNKT

    Keine Angst vor KultfigurenOder: Idole gehren ins KinderzimmerWenn sich auch die meisten Kinder (45 %) in ihrerFreizeit immer noch am liebsten mit Freunden tref-fen, rangiert das Fernsehen bereits an zweiter Stelleder Beliebtheitsskala (35%). 25 Prozent der Kinderverbringen ihre freie Zeit bevorzugt vor dem Com-puter.* Lngst sind die Kinderzimmer zur Medien-welt geworden. Film und Fernsehen, Handy, Spiel-konsolen und insbesondere das Internet ziehen Kin-der magisch an, bieten viele Vorbilder und nochmehr Idole. Verbunden damit ist die Angst mancherEltern, dass die medial propagierten Kultfigurenihre Kinder negativ beeinflussen knnten.

    Leitbild oder ProjektionsflcheWhrend Vorbilder als Leitbild fr die persnlicheEntwicklung, den eigenen Lebensentwurf fungierenund der Nachahmung und Identifikation dienen,sind Idole unerreichbar. Sie sind idealisierte Wesen,deren berzeugungskraft davon abhngt, ob siesich als Projektionsflche fr eigene Sehnschte,Hoffnungen und Erwartungen eignen.

    Die grten Vorbilder: die ElternSchenken wir vorliegenden Jugendstudien** Glau-ben, so ist es doch erstaunlich, dass der Einfluss derMedien weit weniger stark zu sein scheint als weit-hin angenommen. An erster Stelle im Ranking derVorbilder sind nmlich nach wie vor die Eltern posi-tioniert, wobei Mdchen hufiger die Mtter undJungen den Vater nennen.

    Idole kommen und gehen . . .Wie verhlt es sich nun bei Idolen? Hier geben gutdie Hlfte der Kinder an, dass sie ein Idol haben.Viele Idole sind schnelllebig, kommen und gehen

    und wechseln sich ab, manche behaupten sich er-folgreich in den Hitlisten. Es sind Medienstars wieHeidi Klum, Sportler wie Michael Ballack, Harry Pot-ter als literarisches Idol, die Pokemons, Yu-Gi-Oh,Hannah Montanah, Spongebob, die Simpsons oderTokio Hotel.

    . . . oder berdauern mhelos die ZeitenEs gibt auch Idole, die die Zeit scheinbar mhelosberdauern. So durchleben heutige Kinder mitHnsel und Gretel nach wie vor das Getrennt-werden von Mutter und Vater und wie man sich imgeschwisterlichen Zusammenhalt im Lebenskampfbehauptet. Und Pipi Langstrumpf zieht als Urbildder Spezies fiktiv-literarischer Kinderidole Kindermit ihren ungenierten Regelverletzungen um nichtsweniger in den Bann als frher.

    Idole haben ihren Platz im KinderlebenOb alt oder neu: Idole sind als Objekte schwrme-rischer Verehrung stets Spiegelbilder ihrer Fans. Siebieten Kindern ein Feld fr experimentelles Probe-handeln und tragen zur Selbstfindung bei. So ge-sehen sind insbesondere neuere Idole zwarSchreckensbilder mancher Eltern, aber fr Kinderund Jugendliche wesentliche Begleiter auf demWeg zum Erwachsenwerden.

    * Medienpdagogischer Forschungsverbund Sdwest** Shell Jugendstudie

    Dr. Siegfried KalbTel.: 05574-4992-29Fax: 05574-4992-48e-mail: [email protected]

    Kinderdorf KronhaldeAuffanggruppeAmbulanter FamiliendienstPflegekinderdienstSchnenbacher KindersommerSozialpdagogisches InternatSozialpdagogische SchuleFamilienImpulse

    In diesem Heft

    3 EditorialMedienkinder

    4 (Zu) groe Welt fr kleine KinderDie Auswirkungen von Passiv-Fernsehen

    5 Den berblick behaltenMediennutzung schafft Medienkompetenz

    6 Einigung statt SabotageMedienerziehung als beliebtes Streitthema

    7 Vertrauen ist gut . . .. . . Kontrolle besser?

    8/9 Jugendliche und JugendkulturenWie wichtig sind Styles und Konsum?

    10 Ochs am Berg & CoDer Spielbus bringts!

    11 Wertvolle Kinder(Un)heimliche Erzieher

    12 Helfen beflgeltFAMILIENemPOWERment: Spiel, Spa, Sinn

    13 Fit frs (reale) LebenEhemaligenbetreuung hilft medial auf die Sprnge

    14/15 Mein Handy ist mein bester Kollege . . .Globale Vernetzung als lokale Herausforderung

    16 Ich schau die ganze NachtFernsehen ohne Limit und wies anders geht

    17 Kuhglockengebimmel . . .. . . anstelle von Handytnen beim Kindersommer

    18 Wo Hilfe am dringlichsten istSieghard Baier erhlt Stein im Brett

    19 Helfen von A Z

    ImpressumVorarlberger Kinderdorf Informationen 2/2008; Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Vorarlberger Kinderdorf gemeinntzige GmbH, Kronhaldenweg 2, 6900 Bregenz, Tel. 05574/4992-0, Fax 05574/4992-48,[email protected], www.kinderdorf.cc; Verlagsort: Bregenz

    Redaktion und Konzept: Mag. Christine Flatz-PoschLayout: Barbara DrexelFotos: Vorarlberger KinderdorfDruck: BUCHER Druck Verlag Netzwerk, Hohenems

    KINDSTANDPUNKT

    2

  • EDITORIAL Von Dr. Christoph Hackspiel

    Es war vor etwa 35 Jahren. Bei uns zu Hause gab esseit kurzer Zeit einen Schwarzweifernseher. DasRhrenradio in der Kche hatten wir schon frher.Morgens lag die Tageszeitung vor der Tr, und ein-mal in der Woche kam das Kirchenblatt. Uns Kinderinteressierte eigentlich nur der Fernseher. Die Zei-tung und der Regionalsender mit Polka und deut-schen Schlagern waren aus unserer Kindersichtlangweilig und ausschlielich etwas fr eine uns un-verstndliche Erwachsenenwelt.

    Die Serienhits von damalsAber im Fernseher gab es Lassie und Pippi Lang-strumpf, Wicki und die starken Mnner, Flipper oderBezaubernde Jeannie. Serienhits und Quotenbrin-ger der damaligen Zeit. Natrlich, Fernsehen warstreng reglementiert. Im Kirchenblatt waren Alter-angaben abgedruckt. Bonanza erst ab 14 Jahren.Keine Chance, wenn man 13 war. Und trotzdem hat-ten wir auch damals Zugang zu Verbotenem: Ak-tenzeichen XY, wenn Papa und Mama im Theaterwaren, Bonanza beim Schulfreund oder die 3-Hit-parade mit Kopfhrern unter der Bettdecke. Wirhaben in der Schule Bilder, Aufklrungsbcher unddas Bravo getauscht. Auch wir hatten unsere Welt,von der die Erwachsenen nichts wussten, die unsirritiert, fasziniert und verwirrt, aber uns ebenso dasGefhl von Freiheit und Unabhngigkeit gegebenhat. Nur etwas war anders. Wir kamen erst viel sp-ter damit in Kontakt und nicht annhernd so inten-siv wie die meisten Kinder von heute.

    Das grenzenlose Angebot von heuteDie Kommerzialisierung der Medien war erst amAnfang und wir Kinder nur am Rand eine Ziel-

    gruppe. Heute ist das anders. Die Wucht der tgli-chen Angebote und Verfhrungen, ob im TV, amHandy, im Internet oder ber Videospiele ist gren-zenlos. Altersbeschrnkungen finden praktisch nichtstatt, und unbedarfte, oftmals gleichgltige oderberforderte Eltern sind froh, wenn ihre Kinder sichunbeaufsichtigt beschftigen. Nicht selten wer-den sie mit brutalen und verchtlichen Szenen kon-frontiert, stundenlang vor TV und PC allein ge-lassen, oder gar, wie wir von manchen unserer Kin-der wissen, als Mutprobe zum Konsum von aus-schlielich fr Erwachsene bestimmten Bildern undVideos animiert.

    Kinder im Medien-DschungelEs sind diese Auswchse, gegen die wir als huma-nistisch denkende Menschen mit aller Entschie-denheit auftreten mssen. Kinder werden immerhufiger in ihrer seelischen Integritt verletzt. Siewerden in eine bedrohliche, unverdauliche Erwach-senenwelt hineingestoen oder verirren sich ineinem Dschungel angstbesetzter, verwirrender Ge-fhle. Es muss uns nicht wundern, wenn Unauf-merksamkeit, Hyperaktivitt oder Aggressionen inFamilie und Schule bedenklich ansteigen.

    Kinder brauchen schne ErlebnisseDabei ist der bermige Medienkonsum nur einSymptom einer komplexen und immer schnellerenWelt, in der auch viele Erwachsene nicht mehr zurecht kommen. Aus meiner Sicht geht es heute wiedamals darum, dass wir unsere Kinder nicht anHeilsbringer und Verfhrer verlieren. Kinderbrauchen schne, strkende Erlebnisse und denAustausch darber, was sie erlebt und gesehen

    haben. Dies erfordert Zeit und Energie, die viele El-tern heute nicht mehr investieren wollen oder kn-nen. Umso mehr sind gute Kinderbetreuungs-einrichtungen und lebensweltorientierte Schulennotwendig.

    Wir knnen voneinander lernenEs liegt in unserer Verantwortung, Kinder in dieneuen Medien einzufhren, Grenzen zu setzen undsie zur mavollen Mediennutzung hinzufhren. Diesgelingt, wenn wir mit unseren Kindern im Austauschbleiben. Es ist uns deshalb ein Anliegen, mit denArtikeln in diesem Heft und unserer Reihe Wert-volle Kinder einen Beitrag zur aktiven Auseinan-dersetzung zu leisten. Ein Fortbildungsprogramm,bei dem uns viele Fachleute und nicht zuletzt dieKinder und Jugendlichen selbst zeigen werden, inwelchen virtuellen Welten sie unterwegs sind. Wir knnen auch heute viel voneinander lernenund uns gegenseitig bereichern. Fr ein erflltesLeben brauchen wir immer wieder schne, manch-mal durchaus anstrengende, aber letztlich gemein-same Erfahrungen ob beim Erklimmen einesBerges oder beim sinnvollen Umgang mit Medien.Packen wir es an und berlassen wir dies nicht un-reflektiert TV, Gameboy und Internet. Ein aufeinan-der Zugehen und das daraus erwachsende Ein-verstndnis ist doch immer wieder der Lohn fr somanche erzieherische Mhe.

    Dr. Christoph HackspielTel.: 05574-4992-24Fax: 05574-4992-48e-mail: [email protected]

    Medienkinder

    KINDEDITORIAL

    3

  • Beschftigt man sich mit dem Thema Kinder undFernsehen, findet man vieles ber den durch-schnittlichen Fernsehkonsum und die Fernsehge-wohnheiten von Kindern, ber die Auswirkungenvon Fernsehen im Allgemeinen und die von Gewaltin Filmen im Besonderen. Vergleichsweise wenig er-giebig ist die Suche, wenn es um die Auswirkungengeht, die eine Dauerberieselung durch Fernsehenbei Kindern hat.Spricht man mit Familien, bei denen der Fernsehersehr hufig eingeschaltet ist und weist sie daraufhin, dass beispielsw