Klinikleitfaden - Elsevier...• Anwendung in der Karotischirurgie • Kardiopulmonaler Bypass •...

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3. Auflage Eva Knipfer Eberhard Kochs (Hrsg.) Klinikleitfaden Anästhesiepflege

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  • 3. Auflage

    Eva Knipfer Eberhard Kochs (Hrsg.)

    KlinikleitfadenAnästhesiepflege

  • 2.4 Monitoring/Überwachung während der Narkoseführung 131

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    • Falscher Nullabgleich • Geschlossene Dreiwegehähne • Abgeknickte Leitungen • Eine über das gleiche Katheterlumen laufende Infusion

    Vorsicht • Patienten mit erhöhtem Hirndruck oder erhöhter Aspirationsgefahr zur

    ZVD-Messung niemals flach positionieren • Bei beatmeten Patienten den ZVD in der Exspirationsphase messen; ein-

    gestellten PEEP-Wert evtl. abziehen.

    2.4.8 Herzzeitvolumen-Messung über Pulmonalarterienkatheter

    Normwerte HZV ▶ 2.1.4Die HZV-Messung ist von der Verwendung des jeweiligen Monitors abhängig. Nach der Th ermodilutionsmethode ist sie Grundlage für die Errechnung des Herz index und des systemischen Widerstands. • PAK an den HZV-Computer anschließen • Körpergewicht, Größe, Katheterkennung eingeben • Starttaste drücken. Nach Ertönen eines Signals über den proximalen Schenkel

    des Katheters rasch 10 ml kalte Kochsalzlösung 0,9 % als Bolus injizieren • Kalte Flüssigkeit wird mit dem Blut im rechten Vorhof verdünnt und zum

    Th ermistor geschwemmt. Anhand der Temperaturdiff erenz nach der Injekti-on errechnet der Computer folgende Werte:

    – Herzzeitvolumen (HZV in l/Min.) – Herzindex (CI; l/Min./m2 Körperoberfl äche) – Gefäßwiderstände im großen und kleinen Kreislauf (errechneter Wert:

    SVR, PVR) – Schlagvolumen (SV; ml/Herzschlag) • Messung dreimal wiederholen, um einen Mittelwert zu erhalten.

    2.4.9 PiCCOMit der PiCCO-Technologie ist die Kombination zweier Messmethoden zum er-weiterten hämodynamischen und volumetrischen Patientenmonitoring möglich. Für die Messung benötigt der Patient einen beliebigen zentralvenösen und einen arteriell platzierten speziellen Th ermodilutationskatheter (▶ Abb. 2.37).Vorteile gegenüber dem Pulmonaliskatheter • Geringe Invasivität (nur zentralvenöser und arterieller Zugang nötig) • Geringer Zeitaufwand • Längere Liegedauer • Kontinuierliche hämodynamische Messung: Herzzeitvolumen, Nachlast und

    Volumenreagibilität werden Schlag für Schlag gemessen • Kein Röntgen-Th orax zur Lagekontrolle nötig • Kostengünstiger • Extravasales Lungenwasser (Ausschluss eines Lungenödems direkt am Kran-

    kenbett)

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    Gemessene ParameterDie Parameter werden z. T. diskontinuierlich mittels Transpulmonaler Th ermodilu-tionstechnik als auch kontinuierlich durch die arterielle Pulskonturanalyse ermittelt.

    Thermodilutions Parameter • Herzzeitvolumen (HZV) • Globales Enddiastolisches Volumen (GEDV) • Intrathorakales Blutvolumen (ITBV) • Extravaskuläres Lungenwasser (EVLW) • Pulmonalvaskulärer Permeabilitätsindex (PVPI) • Kardialer Funktionsindex (CFI) • Globale Auswurff raktion (GEF)Kontinuierliche Pulskonturanalyse Parameter • Pulskontur-Herzzeitvolumen (PCHZV) • Arterieller Blutdruck (AD) • Herzfrequenz (HR) • Schlagvolumen (SV) • Schlagvolumen-Variation (SVV) • Pulsdruck-Variation (PPV) • Systemischer vaskulärer Widerstand (SVR) • Index der linksventrikulären Kontraktilität (dPmx)Nach: www.pulsion.com [17.4.2014]

    Technik • Verbinden des Injektat-Temperatur-Sensorgehäuses mit dem ZVK • Legen eines PiCCO-Katheters in eine große Arterie: A. femoralis, A. brachia-

    lis, A. axillaris, A. radialis • Den Injektat-Temperatur-Sensor sowie den Temperaturstecker des arteriel-

    len Katheters und dessen Druckleitung mit dem PiCCO-Monitor verbinden • Gekühltes NaCl 0,9 % wird durch den Temperatursensor in den ZVK ge-

    spritzt, die Messwerte über den PiCCO-Katheter ermittelt • Wie beim PAK mind. 3 Messungen zur Mittelwertberechnung nötig.

    Abb. 2.37 PiCCO-Anschlussschema. [V213]

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    2.4.10 NierenfunktionDie Niere ist das wichtigste Organ zur Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaus-halts; sie kontrolliert die extrazelluläre Flüssigkeit (▶ 2.5.1). Das Volumen des ex-trazellulären Raums (EZR), etwa 20 % des Körpergewichts ( 14 Liter bei 70 kg KG), wird ca. 15-mal am Tag fi ltriert. ! Normwert der Urinausscheidung: 1 ml/kg KG/hParameter zur Beurteilung der Nierenfunktion • Kontrolle der kontinuierlichen Urinausscheidung • Verlauf der harnpfl ichtigen Substanzen: Kreatinin und Harnstoff im Serum • Kreatinin-ClearanceUrsachen der Oligurie oder Anurie während der Narkose • Blasendauerkatheter verstopft oder abgeklemmt • Hypotonie • Hypovolämie, z. B. durch Nahrungskarenz oder Blutverluste • Wirkung von Anästhetika • Abdrücken der unteren Hohlvene durch chirurgische Manipulation oder OP-

    Technik • Niedriges Herzzeitvolumen oder kardiales Pumpversagen • Vasomotorenversagen mit Vasodilatation • Nephrotoxische Substanzen, z. B. Kontrastmittel, Aminoglykoside, Cephalo-

    sporine, • Myoglobin oder freies Hämoglobin • Eiweiß bei Verbrennungskrankheit

    VorsichtDie Ursache einer Oligurie oder Anurie ist immer zu klären!

    Maßnahmen • Katheterkontrolle und kontinuierliche Überprüfung der Urinausscheidung • Volumenzufuhr erhöhen • Blutdruck auf Normniveau anheben • Evtl. Dopamingabe in „Nierendosis“: 2–4 μ/kg KG/Min. • Evtl. Diuretika geben (Lasix ) • Wenn möglich, chirurgische Blockade aufh eben

    2.4.11 Intrakranieller DruckDie Messung des intrakraniellen Drucks (ICP) ist im Rahmen neurochirurgischer Operationen (▶ 9.9) und der Versorgung von polytraumatisierten Patienten mit-unter notwendig.

    PrinzipLiquorableitung ▶ 2.1.6Im Allgemeinen ist unter dem Hirndruck der Liquordruck im Ventrikelsystem in Höhe des Foramen Monroi zu verstehen. Verschiedene Messverfahren gewähr-leisten eine kontinuierliche Überwachung des Hirndrucks und geben die Mög-lichkeit den zerebralen Perfusionsdruck zu errechnen. Dies ist zur Überwachung und Steuerung hirndrucksenkender Maßnahmen nötig.

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    Die Kontrolle des intrakraniellen Drucks ermöglicht im Falle einer Hirndruck-steigerung ein sofortiges Eingreifen und hilft so, einer weiteren Druckschädi-gung des Gehirns entgegenzuwirken.

    MessverfahrenEpidurale Messung • Nach Anlegen eines Bohrlochs wird ein Messfühler vorgeschoben und zwi-

    schen Dura und Schädelknochen platziert • Die Werte dieser lokalen Druck-

    messung liegen etwas höher als der Druck im Ventrikel

    • Eine Liquorabnahme ist nicht mög-lich.

    Ventrikeldruckmessung • Die Liquordruckmessung (▶ Abb.

    2.38) erfolgt u. a. bei schweren Sub-arachnoidalblutungen und eignet sich zur Hydrocephalusprophylaxe

    • Die Ventrikeldruckmessung beinhal-tet die Möglichkeit des fraktionierten oder kontinuierlichen Liquorabfl us-ses zur Entlastung bei intrakranieller Drucksteigerung (▶ 2.1.6)

    • Erhöhte Infektionsgefahr durch die Drainage.

    Werte des intrakraniellen Drucks im LiegenNorm 5–15 mmHgLeicht erhöht 15–30 mmHgStark erhöht ≥ 30 mmHg

    • Ein kontinuierlicher Druck von über 20 mmHg sollte gesenkt werden • Erhöhte Druckwerte von 50–100 mmHg führen zu Mydriasis (Pupillenerwei-

    terung), Herz-Kreislaufstörungen, Atemstörungen und zu vegetativer Dysre-gulation und schließlich zur Einklemmung

    • Die Drucksteigerung erfolgt in Wellen und nicht kontinuierlich • Ziel der Überwachung des Hirndrucks ist es, durch eine umgehend eingelei-

    tete Th erapie der intrakraniellen Drucksteigerung einen ausreichenden zereb-ralen Perfusionsdruck zu sichern.

    Zerebraler Perfusionsdruck (CPP)Der CPP ist eine Messgröße, die sich aus der Differenz von arteriellem Mittel-druck (MAP) und mittlerem Hirndruck (ICP) errechnet: CPP = MAP – ICPBeispiel: Aus einem MAP-Wert von 110 mmHg und einem ICP-Wert von 30 mmHg ergibt sich ein CPP-Wert von 80 mmHg 110 mmHg – 30 mmHg = 80 mmHg. Fällt der Wert unter 50 mmHg, kommt es zur Abnahme der Hirn-durchblutung mit der Gefahr von zerebralen Ischämien und zum Absterben von Hirngewebe bis hin zum Hirntod.

    Abb. 2.38 Möglichkeiten der Hirn-druckmessung. [L157]

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    2.4.12 Neuromuskuläre Funktion/RelaxometrieDie neuromuskuläre Funktion wird mithilfe des neurologischen Monitorings er-fasst. Die Relaxometrie ist ein nichtinvasives Verfahren zur Messung des Relaxie-rungsgrades der quergestreift en Muskulatur. Hierzu werden Nerven stimuliert und objektive Aufzeichnungen der muskulären Zuckungsart erfasst. Sie ermög-licht die Beurteilung des Relaxierungsgrades und somit eine individuelle, dem Operationsverlauf angepasste Muskelrelaxation.

    Indikationen • Neuromuskuläre Erkrankungen, z. B. Myasthenia gravis • Wenn möglich bei jeder Gabe von Muskelrelaxanzien • Abnorme Pharmakokinetik (Leber-, Nierenerkrankungen)

    VorsichtTrotz der immer besser zu steuernden Muskelrelaxanzien, findet sich bei manchen Patienten ein postoperativer Relaxanzienüberhang.

    Dies kann durch klinische Kontrollen überprüft werden: • Augen öff nen • Zunge herausstrecken • Hand drücken • Anheben des Kopfes und Hochhalten über mehr als 5 Sek. • Spontanatmung kehrt zurück (erschwerter Verschluss des Abdomens)Prinzip • Über dem Versorgungsgebiet, meist dem des Nervus ulnaris im Bereich des

    Handgelenks, werden zwei Klebeelektroden (Stimulationselektroden) ange-bracht

    • Anschließend wird der Ulnanerv elektrisch stimuliert und die Antwort der Handmuskulatur erfasst

    • Neuere Geräte messen die Bewegung des Daumens mit einem Geschwindig-keitssensor und zeigen den Grad der Relaxierung in Prozent an. Manche Re-laxometer müssen vor der Gabe des Relaxans kalibriert werden

    • Die Reaktion des Muskels (Musculus adductor pollicis, Musculus fl exor digi-torum) auf die elektrische Reizung steigt – bis zu einer individuellen Grenze – mit der Stromstärke an

    • Stromstärke: 40–50 mA, auf keinem Fall über 70 mA • Die Impulsdauer beträgt 200–300 Millisekunden. Nach Gabe eines Muskelre-

    laxans schwächt die Reizantwort ab, bis sie schließlich vollständig unter-drückt wird

    • Die Muskelgruppen zeigen unterschiedliche Reaktionsmuster auf Muskelre-laxanzien. Am empfi ndlichsten reagieren die peripheren Muskeln der Extre-mitäten und die der Bauchmuskulatur

    • Das Zwerchfell benötigt gegenüber den peripheren Muskeln die doppelte Zeit, um den gleichen Grad an Relaxierung zu erreichen.

    StimulationsmusterAm häufi gsten fi ndet die Train-of-four-Stimulation (TOF) Anwendung (▶ Abb. 2.39).Bei der TOF-Stimulation werden 4 supramaximale Stimuli (Impulsdauer 0,2 ms) im Abstand von 0,5 s (2 Hz) ausgelöst.

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    Während einer Narkoseeinleitung empfi ehlt sich zur Abschätzung des Re-laxierungsgrades der Einsatz der Rela-xometrie, um unnötiges Husten und Pressen zu vermeiden.Ziel in der Einleitungsphase: • Erfassen des optimalen Intubati-

    onszeitpunktes • Langsame Gabe des Muskelrelaxans

    bei neuromuskulären Erkrankun-gen

    Ziel in der operativen Phase: • Genauer Zeitpunkt der Dosierung • Reduzierung und Beendigung des

    MuskelrelaxansIn der intraoperativen Phase ermög-licht die Relaxometrie die Kontrolle, Steuerung und Zufuhr der Relaxanzien.Neben dem Relaxationsgrad wird zwischen verschiedenen neuromuskulären Blo-ckadeformen unterschieden (▶ Abb. 2.39). • T4 beim nicht-relaxierten Patienten: alle vier Anschläge sind gleich hoch • T4 beim Depolarisationsblock (z. B. Lysthenon): gleichbleibende niedrige

    Reizantwort • T4 beim kompetitiven Block (z. B. Tracrium): abnehmende Reizantwort

    VorsichtDie bei der Relaxometrie ausgelösten Reize sind sehr schmerzhaft! Deshalb keine Messung am wachen Patienten durchführen.

    2.4.13 Narkosetiefe EEG/AEP/SEPDie Narkosetiefe wird charakterisiert durch die Reaktionsfähigkeit des zentralen Nervensystems auf die intraoperativ auf den Patienten einwirkenden sensori-schen Stimuli unter dem Einfl uss von zentralnervös dämpfenden Anästhetika. Die Narkosetiefe, d. h. ein ausreichender Grad an Hypnose, Analgesie und Amnesie, ist mit einfachen Mitteln nicht mess- oder überprüfb ar. Relativ exakte Angaben über die Sedierungstiefe erhalten wir durch folgende Parameter: Elektroenzepha-logramm (EEG) und/oder Akustisch evozierte Potenziale (AEP), Somatosenso-risch evozierte Potenziale (SEP) (▶ Abb. 2.40).

    Eine adäquate Anästhesie wird routinemäßig durch subjektive Beobachtung der klinischen Parameter beurteilt: • Herzfrequenz • Blutdruck • Tränenfluss • Perspiration • Bewegung

    Nicht-relaxierterPatient

    Depola-risations-block

    Kom-petitiverBlock

    Abb. 2.39 Muskelreaktion bei Train-of-four-Stimulation: a) Nicht-relaxier-ter Patient; b) Depolarisationsblock (ca. 40 % Muskelkraft), c) Kompetitiver Block (ca. 40 % Muskelkraft). [L157]

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    • Die spontane EEG-Aktivität liefert Informationen über die Funktion der Großhirnrinde. Nur indirekt lassen sich Rückschlüsse auf pathologische Vor-gänge im Hirnstamm ziehen

    • Das EEG refl ektiert die elektrische Aktivität beider Hemisphären. Es fi ndet Anwendung, wenn eine Seitendiff erenz zu erwarten ist.

    Indikationen • Überwachung von Narkosen • Anwendung in der Karotischirurgie • Kardiopulmonaler Bypass • Fokale HirnverletzungenDer Bispektralindex (BIS ▶ Tab. 2.13) ist ein prozessierter EEG-Parameter, in der Regel abgeleitet über nur einer Hemisphäre. Üblicherweise dient er zur Ab-schätzung der Narkosetiefe unter zusätzlicher Beurteilung vegetativer und moto-rischer Reaktionen auf Schmerzreize.Zum intraoperative EEG- und EP-Monitoring wird kontinuierlich das EEG, SEP, AEP, VEP, und MEP (einzeln oder in Kombination) abgeleitet (siehe unten). So können die neuronalen Funktionen überwacht und physiologische und anästhesi-ologische Parameter protokolliert werden.

    Prinzip der EEG-Signalaufnahme • Die EEG-Signalaufnahme erfolgt über spezielle Einmal-Klebeelektroden (z. B.

    BIS Sensor) • Sie werden auf der Stirn, vorzugsweise über der dominanten Hemisphäre,

    platziert • BIS enthält eine Referenz sowie drei Messelektroden (BIS quatro Sensor) • Nach Umwandlung des EEG-Signals in einem digitalen Signalkonverter wird

    der BIS -Wert ermittelt.Der BIS -Wert ist eine dimensionslose Zahl zwischen 100 (wach) und 0 (keine EEG-Aktivität); er wird nach der Analyse des Roh-EEGs aus unterschiedlichen Subparametern berechnet.Mit zunehmender Hypnosetiefe ändert sich die Elektroenzphalografi e (EEG) von einem unregelmäßigen zu einem regelmäßigen Muster.Für BIS -Werte werden die in ▶ Tab. 2.13 dargestellten Zuordnungen empfohlen. Tab. 2.13 BIS®-Werte

    BIS Skala-Leitfaden

    100 Wach

    70 Leichte/mittlere Sedierung

    60 Tiefe SedierungExplizite Erinnerung unwahrscheinlich

    40 VollnarkoseBewusstsein unwahrscheinlich

    0 Tiefe HypnoseIsoelektrisches EEG

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    Prinzip der EP-MonitoringsDie Messung evozierter Potenziale ist die Darstellung einer zeitlich abhängigen, spezifi schen Reaktion auf einen gegebenen Stimulus (evoziertes Potenzial): • Visuell evozierte Potenziale (VEP) • Akustisch evozierte Potenziale (AEP) • Somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP) • Motorisch evozierte Potenziale (MEP) ! Die Messung von AEP, SEP und MEP kann vom Bewusstsein unabhängig,

    d. h. unter Narkose oder in der Intensivmedizin angewandt werden.

    Abb. 2.40 Narkosetiefemessung. [T341]Oben: Typisches SEP nach Stimulation des N. medianus mit kortikaler (N20, P25) und subkortikaler Aktivität (N9).Unten:1.Kurve: Original EEG eines Patienten vor Einleitung mit rascher, niedergespannter Aktivität, teilweise von Muskelaktivität überlagert.2.Kurve: nach Einleitung der Narkose mit Verlangsamung der Aktivität.3.Kurve: in tiefer Narkose mit dominanter theta-delta Aktivität.

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  • 2.5 Intraoperative Infusionstherapie 139

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    Klinischer Nutzen des Monitorings der Narkosetiefe in der Anästhesie • Vermeidung intraoperativer Wachheit „Awareness“ • Sollte wenn möglich bei der TIVA zum Einsatz kommen, um eine paravenöse

    Infusion sofort zu bemerken • Einschätzung des Bewusstseinszustand • Gezielterer Einsatz von Anästhetika • Schnelleres Erwachen und optimierte Extubation • Postoperativ weniger Übelkeit/Erbrechen • Höhere PatientenzufriedenheitKlinische Verwendung • Indikationsstellung in Bezug auf den geplanten operativen Eingriff • Auswahl der dafür geeigneten neurophysiologischen Parameter und Verfahren • Positionierung der Elektroden in Abhängigkeit vom Operationsgebiet und

    unter Vermeidung von Artefakten • Ableitung von Referenz-EEG und/oder EP vor Beginn und nach Ende des

    Eingriff s • Analyse und Dokumentation der Ergebnisse ! Es sind nur Geräte zu verwenden, die den für den Einsatz im Operationssaal

    geltenden Sicherheitsnormen entsprechen ! Es gelten die Anforderungen aus dem MPG.

    Die klinische Bestimmung der Sedierungstiefe bleibt immer ein notwendiges Beurteilungskriterium während der Narkose.

    2.5 Intraoperative InfusionstherapieFlorian Kronawitter

    2.5.1 Überwachung des Wasser- und ElektrolythaushaltesDer prozentuale Anteil der gesamten Körperfl üssigkeit des menschlichen Orga-nismus schwankt je nach Alter und Geschlecht zwischen 50–75 % des Körperge-wichts, bei Säuglingen beträgt er 75 %. Bilanzstörungen im Wasser- und Elektro-lythaushalt können sich als Dehydration (Verminderung des Wassergehalts) oder Hyperhydration (Erhöhung des Wassergehalts) bemerkbar machen. Mit zuneh-mendem Lebensalter nimmt der Wasseranteil in Relation zum Körpergewicht ab.In Abhängigkeit der Zufuhr scheidet ein Erwachsener über den Urin täglich etwa 1.000–1.500 ml Wasser, 130 mval Natrium, 75 mval Kalium und 150 mval Chlorid aus.

    Flüssigkeitsverteilung im OrganismusUnter physiologischen Umständen liegt das Wasser im Organismus nicht in freier Form vor, sondern ist durch osmotische und onkotische Kräft e gebunden. Die Körperfl üssigkeit ist funktionell und anatomisch durch Zellmembranen in zwei Hauptfl üssigkeitsräume unterteilt. Die Flüssigkeit in jedem Flüssigkeitsraum hat eine bestimmte Elektrolytzusammensetzung (▶ Abb. 2.41).Intrazellulärer RaumFlüssigkeit innerhalb der Zellen = intrazelluläre Flüssigkeit. Kalium ist das Haupt-kation (positiv geladenes Ion) und Phosphat das Hauptanion (negativ geladenes Ion).

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    Extrazellulärer RaumFlüssigkeit außerhalb der Zellen = extrazelluläre Flüssigkeit. Die extrazelluläre Flüssigkeit setzt sich zusammen aus: • Plasma, der intravasalen Flüssigkeit in Herz und Blutgefäßen • Interstitieller Flüssigkeit, die sich im Gewebe zwischen den Blutgefäßen und

    den Zellen befi ndet.

    Abb. 2.41 Ionogramm der Elektrolytkonzentrationen im Plasma, interstitiell und intrazellulär. [L106]

    Im Plasma und der interstitiellen Flüssigkeit ist Natrium das Hauptkation und Chlorid das Hauptanion. Kalzium, Magnesium, Bikarbonat, Sulfat, Proteinat und Reste organischer Säuren sind in unterschiedlicher Menge in den verschiedenen Körperfl üssigkeiten enthalten (▶ Tab. 2.14). Tab. 2.14 Normwerte von Elektrolyten, BZ und Proteinen im Blut

    Normwerte

    Natrium 135–145 mmol/l

    Kalium 3,6–4,8 mmol/l

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  • 2.5 Intraoperative Infusionstherapie 141

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    2.5.2 Intraoperative FlüssigkeitstherapieDie Infusionstherapie wird stets an Alter, bestehendem Krankheitsbild, vorbeste-hender medikamentöser Th erapie (z. B. Diuretika) sowie der Art des operativen Eingriff s angepasst. Ziel der Th erapie ist es, prä- und intraoperative Flüssigkeitsver-luste richtig einzuschätzen, um Elektrolyte, Kolloide und Blutkomponenten gezielt ersetzen zu können. Extrarenale Wasser- und Elektrolytverluste variieren je nach Schwere des Verlustes, z. B. bei Diarrhö, Erbrechen, Plasmaverlust und Schweiß.

    Kriterien zur Einschätzung des Flüssigkeitsbedarfs • Anamnese: Fieber, Diarrhö, Erbrechen, Aszites, Medikamente, Alter • Hautturgor sowie Mundschleimhaut und Zunge: feucht trocken • Venenfüllung: vermindert vermehrt; Kapillarfüllung: Nagelbett Kon-

    junktiven • Urinfarbe und -menge • Blutdruck: hoch tief • Herzfrequenz: hoch tief • Herztöne, sind bei Hypovolämie gedämpft und leiser • Temperatur (Fieber) • Atmung: schnell langsam • ZVD-Bestimmung: hoch niedrig • Laborparameter: Elektrolyte, Kreatinin, Hb, HktIntraoperatives FlüssigkeitsmanagementMit der intraoperativen Flüssigkeitszufuhr müssen die durch die präoperative Nahrungskarenz entstandenen Flüssigkeits- und Elektrolytdefi zite ausgeglichen werden, z. B. durch Substitution von 500–1.000 ml Voll- oder Halbelektrolytlö-

    Tab. 2.14 Normwerte von Elektrolyten, BZ und Proteinen im Blut (Forts.)

    Normwerte

    Kalzium 2,2–2,6 mmol/l

    Chlorid 95–105 mmo/l

    Kreatinin 0,6–1,2 mg/dl

    Serumprotein (Gesamteiweiß evtl. besser) 6–8,1 g/dl

    Albumine 3,5–5,5 g/dl

    alpha1Globulin 0,1–0,4 g/dl

    Glukose (nüchtern) 70–100 mg/dl (entspricht 3,3–6,1 mmol/l)

    Tab. 2.15 Anhaltswerte zur intraoperativen Flüssigkeitszufuhr bei Erwachsenen

    Intraoperative Flüssigkeitszufuhr bei Erwachsenen

    Erhaltungsbedarf 1,5–2 ml/kg KG/h

    Kurze OP-Dauer < 1 h 4 ml/kg KG/h

    Mittlere OP-Dauer < 2,5 h 6 ml/kg KG/h

    Lange OP-Dauer > 3 h 8 ml/kg KG/h

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  • 5 Anästhesie bei Begleiterkrankungen 300

    5

    • Pancuronium sollte wegen seiner sympathikusstimulierenden Wirkung nicht eingesetzt werden (▶ 3.8.2)

    • Das intraoperative Monitoring umfasst neben einem zentralvenösen Zugang obligatorisch eine invasive Blutdruckmessung.

    Tipps und Tricks • Bei intraoperativ auftretenden hypertensiven Episoden (besonders bei chi-

    rurgischer Manipulation am Tumor) können Na-Nitroprussid, Nitroglyze-rin, Urapidil oder auch Magnesiumsulfat zur Blutdrucksenkung eingesetzt werden

    • Nach Abklemmung der venösen Tumorgefäße und nach Tumorentfernung können ausgeprägte Blutdruckabfälle auftreten. Die Therapie besteht hier aus Volumen- und Noradrenalingabe.

    PostoperativDie weitere Überwachung erfolgt auf der Intensivstation.

    5.5.3 SchilddrüsenerkrankungenFür die Anästhesie ist besonders die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) von Bedeutung. Dabei kommt es zu einer Überproduktion der Schilddrüsenhor-mone.

    Symptome • Wärmeintoleranz, Schwitzen • Tremor • Nervosität • Gewichtverlust • Tachykardie ! Gefährdet sind diese Patienten perioperativ durch die mögliche Auslösung ei-

    ner thyreotoxischen Krise.Diese zeigt sich klinisch durch vital bedrohliche Symptome wie Tachykardie bis zum Herzversagen, Fieber mit Exsikkose, Schock und ist mit einer hohen Letalität verbunden.

    Präoperativ

    Therapie • Die Patienten sollten in einer „euthyreoten“ Stoff wechsellage sein • Dabei spielen weniger die Laborwerte als die klinische Symptomfreiheit eine

    Rolle • Medikamentös wird eine Hyperthyreose mit Carbimazol oder Th iamazol the-

    rapiert

    Präoperativ ist eine Einschätzung hinsichtlich möglicher Intubationsschwie-rigkeiten wichtig.

    • Bei Anhalt für eine retrosternale Strumaausdehnung Rö-Zielaufnahme der Trachea zum Ausschluss von Trachealstenosen oder extremer Trachealverla-gerung.

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  • 5.6 Gerinnungsstörungen 301

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    Narkosedurchführung • Alle Anästhesieformen sind möglich • Die Einleitung und Aufrechterhaltung kann mit allen zur Verfügung stehen-

    den Medikamenten durchgeführt werden • Regionalanästhesien sind ebenfalls möglich.PostoperativBei akzidentiellen Schädigungen oder Entfernung der Epithelkörperchen können Hypokalziämien als Zeichen eines Hypoparathyreoidismus auft reten. Daher Kon-trollen des Kalziumspiegels (Messung des freien, ionisierten Kalziums – nicht des Gesamtkalziums)!

    5.6 GerinnungsstörungenBei der Beurteilung von Störungen der Blutgerinnung muss zwischen angebore-nen und den häufi ger auft retenden erworbenen Störungen unterschieden werden. Bereits die Anamnese kann erste Hinweise auf die mögliche Ursache von Gerin-nungsstörungen geben.

    Symptome • Petechien treten gehäuft bei Störungen der Th rombozytenfunktion auf • Stichkanalblutungen können auf eine Hypofi brinogenämie hinweisen • Gelenkblutungen können auf eine Hämophilie hinweisen.Als initiale Laboruntersuchung werden als Globaltests die PTT (partielle Th rom-boplastinzeit, ▶  2.6) und der INR/Quick-Wert (Th romboplastinzeit) sowie die Th rombozytenzahl bestimmt.Damit werden alle Gerinnungsfaktoren außer Faktor XIII erfasst.Bei Verdacht auf angeborene Gerinnungsstörungen (▶ Tab. 5.9) können zusätz-lich Einzelfaktoren bestimmt werden.

    5.6.1 Angeborene GerinnungsstörungenBei der Hämophilie A liegt ein Mangel an Faktor VIII, bei der Hämophilie B an Faktor IX vor. Dies führt zu einer Verlängerung der PTT. Die klinische Sympto-matik hängt von der Restaktivität der betroff enen Faktoren ab. Diese sollten für eine Operation mindestens 30–50 % betragen; anderenfalls ist eine Substitution von Faktorenkonzentrat oder PPSB (enthält die Faktoren II, VII, IX und X) nötig. • Beim von-Willebrand-Jürgens-Syndrom besteht eine Störung der Th rombo-

    zytenadhäsion durch Mangel oder Dysfunktion des vWF (von-Willebrand-Faktor)

    Tab. 5.9 Verschiedene angeborene Gerinnungsstörungen

    Bezeichnung Störung Klinik

    Hämophilie A Faktor VIII Mangel PTT verlängert

    Hämophilie B Faktor IX Mangel PTT verlängert

    von-Willebrand-Jürgens-Syndrom

    Dysfunktion des vWF (von-Willebrand-Faktor)

    Störung der Thrombozy-tenadhäsion

    Knipfer_27451.indb 301fer_27451.indb 301 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5 Anästhesie bei Begleiterkrankungen 302

    5

    • Klinisch zeigen sich entsprechend Symptome einer Th rombozytenfunktions-störung wie Petechien

    • Die Th erapie erfolgt durch die Gabe von Desmopressin (Minirin 0,3 μg/kg KG über 20 Min. i. v.). Dies führt zu einer Freisetzung von vWF.

    Das von-Willebrand-Jürgens-Syndrom ist nicht mit den Gerinnungstests (Quick, PTT) diagnostizierbar!

    5.6.2 Erworbene GerinnungsstörungenHier sind die medikamentös induzierten Störungen durch gerinnungshemmende Medikamente, z. B. Heparin, Marcumar, Th rombozytenaggregationshemmer, so-wie die erworbenen, z. B. durch Leberfunktionsstörungen, zu nennen (▶ Tab. 5.10). Tab. 5.10 Erworbene Gerinnungsstörungen

    Medikament Klinik/Diagnose Therapie

    Marcumar INR erhöht Vitamin K SubstitutionPPSB Gabe

    Heparin PTT verlängert Protamin i. v. (10 mg antago-nisieren 1.000 IE Heparin)

    Thrombozytenaggre-gationshemmer

    Verlängerte Blutungszeit Desmopressin i. v.Thrombozytenkonzentrate

    Neue orale Antiko-agulanzien (NOAK), z. B. Rivaroxaban, Dabigatran, Apixaban

    Verändern die Globaltests (INR, PTT), aber ohne ein-deutige Aussage über Inten-sität der Antikoagulation

    Bisher keine spezifischen Antidota verfügbar

    • Die Gerinnungsstörungen durch Lebererkrankungen sind meist kombinierte Störungen, da sowohl die Bildung der Gerinnungsfaktoren in der Leber als auch eine Verminderung der Th rombozyten vorliegt. Dies führt zu einer Er-höhung des INR-Wertes, einer leicht verlängerten PTT und einer Th rombo-zytopenie

    • Die perioperative Th erapie besteht aus der Gabe von Fresh-frozen-Plasma (FFP ▶ 2.6), Th rombozytenkonzentraten, PPSB oder Faktorenkonzentraten, Fibrinogen, Antifi brinolytika (oder Tranexamsäure, z. B. Cyclocapron ).

    5.7 Neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen

    5.7.1 Morbus ParkinsonDiese Erkrankung betrifft hauptsächlich ältere Menschen; bei den über 65-Jähri-gen sind ca. 3 % betroff en. Durch den Untergang von dopaminergen Zellen kommt es zu einem Überwiegen von cholinergen Einfl üssen im ZNS.

    Knipfer_27451.indb 302fer_27451.indb 302 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5.7 Neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen 303

    5

    Leitsymptome • Ruhetremor • Muskelrigidität • AkinesieBegleitende vegetative Symptome zeigen sich als glänzendes „Salbengesicht“ mit (nächtlichem) Schwitzen; weiterhin fi nden sich häufi g schleppende geistige Ab-läufe (Bradyphrenie) und Depression.

    Anästhesierelevante Erscheinungen • Atemwege: Aspirationsgefahr durch eingeschränkte Magen-Darm-Motili-

    tät und Schluckstörungen • Herz-Kreislauf-System: orthostatische Dysregulation mit Blutdruckabfällen.

    Präoperativ

    Therapie • Als Dauertherapie erhalten die Patienten in der Regel L-Dopa (ggf. in Kombi-

    nation mit einem Decarboxylasehemmer Benzerazid, Carbidopa), Dopamin-agonisten (Bromocriptin), Anticholinergika (Biperiden) sowie die den Dopa-minabbau hemmenden MAO-B-Hemmer (Selegelin) oder Amantadin

    • Diese sollten bis zum Operationstag eingenommen werden.Narkosedurchführung • Wenn möglich Regionalanästhesieverfahren (▶ 4.2) einsetzen. So ist z. B. die

    Weiterführung der medikamentösen Dauertherapie problemloser möglich • Die Allgemeinanästhesie kann als balancierte Anästhesie (▶ 4.1.6) oder als

    TIVA (▶ 4.1.5) durchgeführt werden • Wegen der Aspirationsgefahr ist eine RSI (▶ 4.1.4) zu bevorzugen.PostoperativBei Patienten mit M. Parkinson treten häufi ger respiratorische Komplikationen durch eingeschränkte Atemmechanik auf.

    Vorsicht • Alfentanil sollte wegen möglicher akuter dystoner Reaktionen vermieden

    werden • Kontraindiziert sind Metoclopramid, Butyrophenone (DHB, Haloperi-

    dol) und Phenothiazine Diese können eine akute Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik auslösen.

    5.7.2 Myasthenia gravisDiese Erkrankung ist eine Autoimmunerkrankung bei der Antikörper gegen die Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatte der quergestreift en Muskula-tur gebildet werden. Durch die Störung der neuromuskulären Erregungsübertra-gung kommt es zu einer belastungsabhängigen Muskelermüdung und Muskel-schwäche.

    Symptome • Doppelbilder • Ptosis

    Knipfer_27451.indb 303fer_27451.indb 303 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5 Anästhesie bei Begleiterkrankungen 304

    5

    • Schluck- und Atemstörungen • Generalisierte MuskelschwächePräoperativ

    Therapie • Cholinesterasehemmer, z. B. Pyridostigmin, Neostigmin an der neuromus-

    kulären Endplatte steht eine größere Menge Acetylcholin als Überträgerstoff zur Verfügung

    • Der Autoimmunprozess kann medikamentös mit Kortikoiden oder Immun-suppressiva wie Azathioprin behandelt werden

    • Plasmapherese entfernt zirkulierende Antikörper gegen Acetylcholin • Th ymektomie verhindert die Bildung der Antikörper • Die Dauertherapie mit Cholinesterasehemmern wird bis zum Operationstag

    fortgeführt.

    PrämedikationAuf eine Gabe von Benzodiazepinen wird wegen ihrer muskelrelaxierenden Wir-kung verzichtet.

    Narkosedurchführung • Die Regionalanästhesie bietet wegen des Verzichts auf Narkotika und Mus-

    kelrelaxanzien Vorteile • Wird eine Allgemeinanästhesie mit Muskelrelaxation durchgeführt, so wird

    ein neuromuskuläres Monitoring (▶ 2.4.12) empfohlen – Der individuelle Bedarf an nichtdepolarisierenden Relaxanzien kann da-

    mit abgeschätzt werden – Gegen Succinylcholin scheint dagegen oft eine Art Resistenz vorzuliegen,

    die eine höhere Dosis von 1,5–2 mg/kg KG zur RSI (▶ 4.1.4) nötig macht • Bei der Auswahl der Medikamente zur Narkoseeinleitung gibt es keine beson-

    deren Empfehlungen • Zur Aufrechterhaltung empfi ehlt sich eine (TIVA ▶ 4.1.5) mit kurz wirksa-

    men Substanzen wie Propofol, Remifentanil (▶ 3.6) oder eine Inhalations-anästhesie (▶ 4.1) mit schnell abfl utenden Stoff en wie Desfl uran (▶ 3.7.4).

    Postoperativ • Alsbald die Medikation mit Cholinesterasehemmern wieder aufnehmen • Initial die Dosis ggf. reduzieren • Bei ausgeprägten Formen der Myasthenie ist eine postoperative Überwa-

    chung und ggf. Nachbeatmung auf der Intensivstation nötig.

    Tipps und TricksFalls Muskelrelaxanzien komplett vermieden werden sollen, ist eine fiberopti-sche Wachintubation (nasal, ▶ 2.2.5) vorteilhaft.

    5.7.3 Multiple Sklerose (MS)Die Multiple Sklerose tritt häufi g im frühen Erwachsenenalter auf und verläuft meist schubförmig. Durch die herdförmigen Demyelinisierungen im Gehirn und im Rückenmark ist die klinische Symptomatik sehr unterschiedlich.

    Knipfer_27451.indb 304fer_27451.indb 304 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5.7 Neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen 305

    5

    Symptome • Sehstörungen • Schwindel und Gangstörungen • Sensibilitätsstörungen • Tremor • Blasen-/Mastdarmstörungen • Spastische ParesePräoperativ

    Therapie • Eine kurative Th erapie existiert derzeit nicht • Behandlung des akuten Schubs mit ACTH oder Kortikoiden und Immunsup-

    pressiva, z. B. Azathioprin • Diazepam oder Baclofen bei Spastiken.PrämedikationDa emotionaler Stress eine Verschlechterung des Krankheitsbildes verursachen kann, ist eine ausreichende Prämedikation mit Benzodiazepinen nötig.

    NarkosedurchführungDie Durchführung einer Regionalanästhesie wird unterschiedlich beurteilt: • Bei einigen Patienten wurde nach Spinalanästhesien über eine Verschlechte-

    rung der Symptomatik berichtet. Durch das Fehlen der schützenden Nerven-scheide in demyelinisierten Arealen des Rückenmarks könnten neurotoxische Wirkungen der Lokal-anästhetika dafür verantwortlich sein

    • Es wird daher empfohlen, Lokalanästhetika in niedriger Konzentration zu ver-wenden und eine peridurale oder periphere Nervenblockade zu bevorzugen

    • Bei der Durchführung einer Allgemeinanästhesie sind keine speziellen Inter-aktionen zwischen den verwendeten Substanzen und der MS bekannt

    • Lediglich Lachgas sollte wegen möglicher Demyelinisierung als Nebenwir-kung vermieden werden

    • Succinylcholin kann bei spastischen Paresen eine erhöhte Kaliumfreisetzung verursachen

    • Gegenüber nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien wurden sowohl Resis-tenzen als auch eine verlängerte Wirkung berichtet; sie sollten daher nur un-ter neuromuskulärem Monitoring angewendet werden.

    Tipps und TricksKontinuierliche Temperaturmessung (▶ 2.4.6) und Vermeidung perioperati-ver Temperaturerhöhung bei Patienten mit Multipler Sklerose.

    5.7.4 Muskelerkrankungen (Myopathien)Unter diesem Oberbegriff werden mehrere Erkrankungen zusammengefasst. Die-se können die quergestreift en Muskelfasern selbst, die motorische Endplatte oder das intramuskuläre Bindegewebe betreff en. In der Regel handelt es sich um Erb-krankheiten.

    Symptome • Zunehmende Muskelschwäche Muskeldystrophien • Langanhaltende Muskelkontraktion Myotonien

    Knipfer_27451.indb 305fer_27451.indb 305 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5 Anästhesie bei Begleiterkrankungen 306

    5

    Die häufi gste Form der Dystrophien ist die progressive Muskeldystrophie vom Typ Duchenne; die häufi gste Myotonie die Myotonia dystrophica Curschmann Steinert.

    Präoperativ

    TherapieHäufi g Mitbeteiligung anderer Organe, z. B. Herz und Atemmechanik, daher: • Präoperativer Herzultraschall • 24 Std.-EKG • LungenfunktionsprüfungPrämedikationKeine orale Prämedikation wegen möglicher Atemdepression.

    Narkosedurchführung • Die Regionalanästhesie bietet wegen des Verzichts auf Narkotika und Mus-

    kelrelaxanzien Vorteile • Eine myotonische Kontraktur wird aber nicht unterdrückt.

    Tipps und TricksWegen des erhöhten Risikos für eine Maligne Hyperthermie (▶ 6.3.3) trigger-freie Narkose bei Muskelerkrankungen.

    • Die Patienten reagieren wegen ihrer kardialen Dysfunktion auf Hypnotika und Opioide sehr empfi ndlich, daher langsame Titration unter invasivem Monitoring (▶ 2.4): arterielle Kanüle, ZVK

    • Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien (▶ 3.8.2) können unter neuromus-kulärem Monitoring verwendet werden. Die Wirkdauer ist in der Regel deut-lich verlängert.

    PostoperativEine Überwachung auf Intensivstation ist indiziert.

    5.8 Suchterkrankungen

    5.8.1 AlkoholabususChronischer Alkoholmissbrauch ist ein weit verbreitetes Problem in Europa. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) defi niert eine (regelmäßige) Alko-holzufuhr von mehr als 20 g/Tag für Männer bzw. 10 g/Tag für Frauen als gesund-heitsschädigenden Alkoholkonsum (0,33 l Bier entsprechen etwa 13 g Alkohol) Durch den chronischen Alkoholabusus werden fast alle Organsysteme geschädigt.Besondere Relevanz haben für die Anästhesie die Auswirkungen auf das: • ZNS Entzugssyndrom, Wernickesyndrom • Herz-Kreislauf-System dilatative Kardiomyopathie mit linksventrikulärer

    Funktionsstörung, Rhythmusstörungen • Leber Beeinträchtigung der Synthese und Abbauleistung • Knochenmark Th rombozytopenie, LeukopenieDamit einher geht eine erhöhte Rate an postoperativen Komplikationen wie In-fektionen, Sepsis, Nachblutungen und Entwicklung eines Entzugssyndroms.

    Knipfer_27451.indb 306fer_27451.indb 306 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5.8 Suchterkrankungen 307

    5

    Präoperativ

    Prämedikation • Zur gleichzeitigen Prophylaxe einer perioperativen Entzugssymptomatik

    Benzodiazepine verwenden • Diese ggf. mit Clonidin kombinieren.NarkosedurchführungUnterscheidung zwischen der akuten Alkoholintoxikation und dem chronischen Abusus.

    Akute Alkoholintoxikation • Bei der akuten Intoxikation erfolgt wegen der erhöhten Aspirationsgefahr die

    Narkoseeinleitung als RSI (▶ 4.1.4) • Die Medikamentendosen wegen der additiven Wirkung des Alkohols ggf. re-

    duzieren! • Eine mögliche Wirkungsverlängerung der Muskelrelaxanzien (außer Atracu-

    rium und CisAtracurium ▶ 3.8.2) beachten.Tipps und Tricks • Bei akuter Alkoholintoxikation wegen der Abatmung von Alkohol eine

    Low-Flow- oder Minimal-Flow-Anästhesie (▶ 2.7.2) vermeiden • Intraoperativ Blutzuckerkontrollen wegen bestehender Hypoglykämiege-

    fahr durchführen.

    Chronischer Alkoholabusus • Beim chronischen Alkoholabusus gibt es keine standardisierte Dosis für alle

    Patienten. In der Regel ist hier aufgrund von Toleranz und gesteigertem Me-tabolismus eine höhere Medikamentendosis nötig

    • Potenziell lebertoxische Substanzen (z. B. Halothan) sollten vermieden werden • Die Narkose kann als balancierte Anästhesie (▶ 4.1.6) oder als TIVA (▶ 4.1.5)

    durchgeführt werden • Auch hier wird eine RSI (▶ 4.1.4) empfohlen • Regionalanästhesieverfahren sollten nur bei normaler Blutgerinnung und ad-

    äquater Kooperationsfähigkeit des Patienten eingesetzt werden ! Perioperativ stellt das Alkoholentzugsdelir ein großes Problem dar. Eine Pro-

    phylaxe und ein rechtzeitiges Erkennen mit entsprechender Th erapie senken die Mortalität. Diese beträgt trotz intensiver Th erapie immer noch 5 %.

    VorsichtDas Alkoholentzugssyndrom beginnt meist 12–24 Stunden nach der letzten Alkoholeinnahme.Typische Symptome • Kognitive Funktionsstörungen: Desorientiertheit, Halluzinationen, Be-

    schäftigungsdrang, motorische Unruhe/Nesteln • Vegetative Symptome: Schwitzen, Tremor, Tachykardie, Blutdruckdysre-

    gulation, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit und Erbrechen • Epileptische Anfälle.

    • Prophylaktisch können oral Benzodiazepine, Clonidin, Haloperidol und Clo-methiazol gegeben werden.

    Knipfer_27451.indb 307fer_27451.indb 307 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5 Anästhesie bei Begleiterkrankungen 308

    5

    PostoperativPatienten mit klinischem Vollbild eines Entzugsdelirs benötigen eine intensivme-dizinische Behandlung.

    5.8.2 DrogenabhängigkeitUnter diesem Oberbegriff lässt sich eine Vielzahl von missbräuchlich verwende-ten Substanzen zusammenfassen. Als häufi gste sind hier Opioide und syntheti-sche Drogen zu nennen.

    OpioideBei opioidabhängigen Patienten können durch den chronischen Missbrauch peri-operativ mehrere Probleme auft reten.

    EntzugssyndromWird die gewohnte Opioidzufuhr plötzlich unterbrochen, können nach wenigen Stunden (meist 4–6 Std.) die ersten Entzugssymptome auft reten.

    Milde Entzugssymptome • Gähnen • Rhinorrhoe • SchwitzenMäßige Entzugssymptome • Tremor • Gänsehaut • Tachykardie • BlutdruckanstiegSchwere Entzugsymptome • Ruhelosigkeit • Erbrechen • Dehydrierung • FieberProphylaxe • Zur Vermeidung von Entzugserscheinungen diese Patienten perioperativ

    substituieren – Dies erfolgt durch die Gabe von Levomethadon (L-Polamidon , 1 ml =

    5 mg) oral – Die übliche Dosis beträgt initial 10–20 mg verteilt auf 2 Gaben pro Tag • Als Adjuvans zur Entzugsprophylaxe hat sich klinisch die Gabe von Clonidin

    bewährt.

    Narkosedurchführung • Bei fehlenden Kontraindikationen sind Regionalanästhesieverfahren zu

    bevorzugen • Allgemeinanästhesie (▶ 4.1) wird bevorzugt als balancierte Anästhesie

    (▶ 4.1.6) durchgeführt • Intraoperativ erhöhter Analgetikabedarf möglich • Remifentanil sollte wegen einer möglicherweise ausgeprägten Hyperalgesie

    vermieden werden

    Knipfer_27451.indb 308fer_27451.indb 308 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 5.8 Suchterkrankungen 309

    5

    • Succinylcholin kann bei Opioidabusus Rhabdomyolysen auslösen und sollte vermieden werden.

    VorsichtSchwere perioperative hypotone Kreislaufdysregulationen bei chronischer Opioidexposition durch eine Suppression der Nebennieren-Hypothalamus-Funktion möglich. Hydrocortisonsubstitution erwägen!

    Postoperativ • Die Methadon-Substitution trägt zur Behandlung postoperativer Schmerzen

    nur gering bei. Sie dient vorrangig der Vermeidung von Entzugssymptomen. Daher ist eine zusätzliche Th erapie des postoperativen Schmerzes nötig!

    • Hierzu eignen sich neben Nichtopioid-Analgetika besonders (kontinuierli-che) Regionalanästhesieverfahren

    • Bei Bedarf können auch Opioide verabreicht werden, hier ist mit einem deut-lich erhöhten Bedarf zu rechnen.

    Tipps und TricksKeine Verabreichung von Partialantagonisten, wie z. B. Buprenorphin, Penta-zocin und Nalbuphin oder Opioidantagonisten (Naloxon) wegen möglicher Auslösung von Entzugssymptomen!

    Besonderheit bei ehemaligen, jetzt abstinenten Drogenabhängigen • Eine intraoperative Opioidgabe (nach Gabe des Narkotikums) ist als pro blem-

    los anzusehen • Der postoperative Einsatz sollte allerdings vermieden werden • Postoperativ Nichtopioid-Analgetika und Regionalanästhesieverfahren be-

    vorzugen.

    Synthetische DrogenUnter diesem Oberbegriff wird eine Vielzahl von Stoff en zusammengefasst: Ecsta-sy, LSD, Amphetamin und dessen Derivate. • Im drogenfreien Intervall sind bei der Narkoseführung keine Besonderheiten

    zu beachten • Eine orale Prämedikation mit einem Benzodiazepin hat sich klinisch bewährt.Literatur 1. Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin; Deutsche Gesell-

    schaft für Innere Medizin; Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. Präoperative Eva-luation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen Eingriffen. In: Kardiologe 5, 13–26. 2011.

    2. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Leitlinien. http://leitlinien.dgk.org/ [20.5.2014].

    3. Nationale Versorgungsleitlinie Asthma http://www.asthma.versorgungsleitlinien.de/ [20.5.2014].

    Knipfer_27451.indb 309fer_27451.indb 309 11/13/2014 8:11:27 AM11/13/2014 8:11:27 AM

  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 409

    9

    9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie

    Martin Dufner

    9.1.1 Mögliche Komplikationen und Probleme

    Aspiration ! Bei Patienten in der Abdominalchirurgie ist die eingehaltene Nahrungskarenz

    keine Garantie für einen leeren Magen, da z. B. die Entleerungszeit des Ma-gens verlängert ist. Deshalb besteht immer eine erhöhte Aspirationsgefahr (▶ 6.1.4, Ileuseinleitung ▶ 4.1.4).VorsichtErbrechen während der ExtubationEbenso häufig wie bei der Einleitung kann Erbrechen bei der Extubation auftre-ten. Um die Gefahr eines Laryngospasmus und der Aspiration gering zu halten (▶ 2.2.5), ist es deshalb wichtig, dass der Patient vor der Extubation unbedingt wach und ansprechbar ist und seine Schutzreflexe ausreichend vorhanden sind.

    Elektrolytstörungen • Hypokaliämie ist die häufi gste Elektrolytstörung bei abdominalchirurgischen

    Patienten, z. B. durch Erbrechen, Durchfälle, Pankreas- oder Darmfi steln • Weitere Elektrolytverschiebungen sind durch Flüssigkeitsverluste in den Ma-

    gen-Darm-Trakt über das Peritoneum bedingt • Durch ausgedehnte präoperative Darmspülungen kann es ebenfalls zu Stö-

    rungen im Säure-Basen-Elektrolythaushalt kommen ! Säure-Basen-Haushalt, Elektrolyte und Gerinnungsparameter kurz vor Ope-

    rationsbeginn kontrollieren. Gravierende Elektrolytstörungen sollten vor Narkosebeginn ausgeglichen werden.

    Blutdruck- und Temperaturabfall • Durch abdominalen Volumenverlust, präoperative Darmspülungen oder

    Verluste in den „dritten Raum“, z. B. bei Ileus oder Aszites, kann es bei Nar-koseeinleitung und intraoperativ zu schweren Blutdruckabfällen kommen. Dies gilt insbesondere bei großen Eingriff en

    • Je nach Ausmaß den Volumenmangel entsprechend der Zusammensetzung der Volumenverluste und Art der Hypovolämie präoperativ ausgleichen, z. B. mit Kristalloiden, Blut, FFP (▶ 2.6.4)

    • Über die eröff nete Bauchhöhle kommt es zum Wärmeverlust mit Tempera-turabfall. Zur Vermeidung einer Hypothermie (▶ 6.3.1) Th ermoregulations-systeme (▶ 7.4.2) einsetzen

    ! Je nach Eingriff evtl. mehrere großlumige Gefäßzugänge, mehrlumigen ZVK und arterielle Kanüle zur invasiven Blutdruckmessung (▶ 2.4.2) legen

    ! Bei Eingriff en > 2 Std. Blasendauerkatheter legen (▶ 2.1.6) ! Den Flüssigkeitshaushalt anhand der Halsvenenfüllung, des ZVD und des

    Hautturgors beurteilen ! Hohen Volumenbedarf unter hämodynamischem Monitoring, z. B. PiCCO

    ausgleichen kardiale Leistungsfähigkeit kann durch Herzinsuffi zienz, Hy-pertonus oder Arrhythmien eingeschränkt sein.

    Knipfer_27451.indb 409fer_27451.indb 409 11/13/2014 8:11:39 AM11/13/2014 8:11:39 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 410

    9

    BlutverlusteBei Operationen an der Leber und der Milz ist mit größeren Blutverlusten zu rechnen. ! Mehrere großlumige Gefäßzugänge zur Volumensubstitution legen.

    9.1.2 Überwachung und Narkoseführung

    BasismonitoringBei jungen, gesunden Patienten: • EKG • Blutdruck • Pulsoxymetrie • Kapnometrie • ggf. Relaxometrie • ggf. EEG Überwachung (z. B. BIS Messung ▶ 2.4.1)Erweitertes MonitoringBei Patienten mit mäßigen bis hohen Risikofaktoren, speziellem intraoperativen Vorgehen oder langer Operationsdauer, z. B. Whipple, Leberresektion, Ösopha-gusresektion: • Arterielle RR-Messung, auch zur BGA-Kontrolle • ZVK für evtl. Katecholamintherapie • Bei Zwei-Höhlen-Eingriff en Pulsiofl ex oder PiCCO (▶ 2.4.9) • Blasendauerkatheter, evtl. mit Temperaturmessung, ggf. mit Stundenurinmeter • Temperaturmessung • Relaxometrie • LiMON vor und nach LeberoperationenNarkoseführung • Bei abdominalen Eingriff en ist die Intubationsnarkose (▶ 4.1.4), evtl. kombi-

    niert mit einer thorakalen Periduralanästhesie, die Methode der Wahl, da sie gut steuerbar ist und eine ausreichende Relaxierung ermöglicht

    ! N2O wird zunehmend weniger verwendet, da es durch seine Diff usion in gas-gefüllte Hohlräume z. B. Darmschlingen voluminös auft reiben kann und so die Operationsbedingungen verschlechtert

    ! Alle intraabdominalen Eingriff e bedürfen einer ausreichenden Muskelrelaxierung • Gabe von Antibiotika nach Anweisung des Operateurs oder nach Klinikstandard • Isolierte Leitungsanästhesien in Form von Spinal- und Periduralanästhesie

    werden nur bei Eingriff en an Anus und Rektum oder bei Eingriff en im Unter-bauch vorgenommen, z. B. bei konventionellen Leistenhernien

    • Eine Kombination von Intubationsnarkose und Periduralanästhesie ist bei großen Eingriff en angezeigt

    • Die Möglichkeit der postoperativen Schmerztherapie über einen Periduralkathe-ter erleichtert die Mobilisation der Patienten und senkt das postoperative Kom-plikationsrisiko, z. B. Pneumonien. Ein weiterer Vorteil ist die Einsparung von Anästhetika, wodurch die Patienten postoperativ schneller mobilisierbar sind.

    Besonderheiten bei der Narkoseausleitung • Einsatzbereite Absaugung, Laryngoskop und Ersatztuben griffb ereit halten • Patienten evtl. in Kopft iefl age oder Seitenlage bringen • Durch Restfl üssigkeiten im Magen-Darm-Trakt besteht bei Erbrechen Aspi-

    rationsgefahr

    Knipfer_27451.indb 410fer_27451.indb 410 11/13/2014 8:11:39 AM11/13/2014 8:11:39 AM

  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 411

    9

    ! Patient vor Extubation über die Magensonde gründlich absaugen • Extubation erst bei ausreichend vorhandenen Schutzrefl exen vornehmen • Ggf. Dekurarisierung am Narkoseende, z. B. mit Prostigmin , Mestinon

    oder Bridion . Sie erhöhen den Ösophagussphinkterverschlussdruck und stellen somit eine „gewisse“ Aspirationsprophylaxe dar.

    Besonderheiten bei Ileus und akutem AbdomenIleusEine paralytische Lähmung oder ein mechanischer Verschluss des Darms führen zum massiven Einstrom von Flüssigkeit in die Darmwand und ins Darmlumen. Dies hat eine Dehydratation mit Beeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems sowie ggf. eine Hypochlorämie, Hypokaliämie, Hyponatriämie und Hypalbuminämie zur Fol-ge. Die gestörte Mikrozirkulation führt zusätzlich zur metabolischen Azidose.Präoperativ folgende Laborparameter bestimmen: BB, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff , Gesamteiweiß und BGA Elektrolytstörungen sowie Volumen- und Eiweißdefi zite ausgleichen, falls erforderlich.

    Monitoring ! Basismonitoring (siehe oben) plus • ZVK • Evtl. arterielle RR-Messung, ggf. zusätzlich Pulsiofl ex • Evtl. Blasendauerkatheter, ggf. mit Temperaturmessung • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungNarkoseführung ! Absolute Indikation zur Ileuseinleitung (▶ 4.1.4) • Dicklumige Magensonde zum Absaugen des Mageninhalts legen • Wegen Luft schlingenbildung im Darm kein N2O verwenden • Auf großzügige Volumenzufuhr achten • Evtl. Kalium substituieren und metabolische Azidose ausgleichen • Extubation nur beim wachen Patienten vornehmen. Je nach Ausdehnung der

    Operation ist eine Nachbeatmung erforderlich.

    Akutes AbdomenBeim akuten Abdomen können folgende Störungen vorliegen: • Hypovolämie RR , HF • Elektrolytstörungen Hypokaliämie, Hypernatriämie • In der Regel eine metabolische Azidose • Ggf. eine eingeschränkte Nierenfunktion • Mitunter auch ein septischer Schock.Präoperativ sollten die Laborparameter BB, Gerinnung, Elektrolyte, Gesamtei-weiß, Kreatinin, Harnstoff und BGA vorhanden sein.

    Narkoseführung • Ileuseinleitung (▶ 4.1.4), da es sich meist um einen Notfall handelt • Monitoring: ZVK, evtl. arterielle RR-Messung (ggf. mit Pulsiofl ex oder

    PiCCO), evtl. Blasendauerkatheter (ggf. mit Temperaturmessung) • Bei vermehrter Gasansammlung in den Darmschlingen evtl. auf N2O verzichten • Volumensubstitution • Extubation erst nach Rückkehr aller Schutzrefl exe Indikation zur Nachbe-

    atmung großzügig stellen.

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    9

    9.1.3 Spezielle abdominale OperationenIm Folgenden wird eine Auswahl spezieller abdominaler Operationen vorgestellt.Postoperative Störungen ▶ 7.4.2ÖsophagusoperationenDivertikelEchte Ösophagusdivertikel sind Ausstülpungen der Ösophaguswand; bei Pseudo-divertikeln ist nur die Mukosa und Submukosa ausgestülpt. Typischerweise sind Divertikel an den physiologischen Engstellen lokalisiert. Operativ werden die Di-vertikel abgetragen und eine Myotomie vorgenommen.

    Positionierung des PatientenJe nach Lage des Divertikels ist die Rückenlage (▶  2.3.3) oder eine Seitenlage (▶ 2.3.3) notwendig.Narkoseführung ! Ileuseinleitung (▶ 4.1.4), da die Patienten als nicht nüchtern gelten.ÖsophagusresektionDie Ösophagusresektion, z. B. bei Ösophaguskarzinom, erfolgt über eine Laparo-tomie und rechtsseitige Th orakotomie Zwei-Höhlen-Eingriff mit den dafür be-kannten Komplikationen große Flüssigkeits- und Wärmeverluste. Die Operati-onstechnik bedingt unter Herz- und Gefäßkompressionen, Läsionen des N. phre-nicus und Pleuraverletzungen.Ösophaguserkrankungen betreff en häufi g Patienten mit Alkoholabusus (▶ 5.8.1). Ihr Allgemeinzustand ist daher oft reduziert. Nicht selten sind diese Patienten ka-chektisch und darum einer erhöhten Dekubitusgefahr (▶ 2.3.2) ausgesetzt. ! Postoperativ kann ein Entzugsdelir auft reten ! Hohe Mortalität durch krankheitsbedingten schlechten Allgemeinzustand.

    Positionierung des Patienten • Seitenlage links (▶ 2.3.3) • Rückenlage (▶ 2.3.3) • Th orakoabdominallage: Rückenlage mit seitlich erhöhtem Oberkörper, bis zu

    45°

    Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • ZVK: Platzierung auf der rechten Halsseite • Arterielle Kanülierung zur BGA-Kontrolle und arteriellen RR-Messung

    links • Ggf. PiCCO oder Pulsiofl ex • Blasendauerkatheter mit Temperaturmessung (▶ 2.4.6) aufgrund der langen

    Operationsdauer • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungNarkoseführung • Intubation mit Doppellumentubus (▶ 2.2.4) zur Ein-Lungen-Ventilation • Alternativ: Univenttubus verwenden • Ggf. PDK zur Durchführung der Anästhesie und der postoperativen

    Schmerztherapie legen (▶ 4.2.11)

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  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 413

    9

    • Großlumige Venenzugänge zur Volumensubstitution legen • TIVA oder Inhalationsanästhesie, z. B. Sevorane , Isofl uran • BGA: nach Ausgangsbefund alle 10–60 Min. • Intraoperativ: ggf. mehrlumige MagensondeFalls eine Nachbeatmung und Intensivtherapie erforderlich ist Umintubation bei Verwendung eines Doppellumentubus oder Univenttubus

    MagenoperationenHäufi ge Operationen: • Magenteilresektion: Zweidrittelresektion des Magens mit Gastroduodenosto-

    mie (Billroth I) • Gastrojejunostomie (Billroth II) • Gastrektomie, z. B. bei Magenkarzinom • Selektiv-proximale Vagotomie: Durchtrennung der feinen Äste des N. vagus

    an der kleinen Kurvatur des Magens bei gastroduodenaler Ulkuskrankheit

    Positionierung des PatientenRückenlage (▶ 2.3.3)Seitenlage (▶ 2.3.3) für thorakalen ZugangMonitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus erweitertes Monitoring in Abhängigkeit von

    der Art der Operation und den zu erwartenden Blutverlusten: • Mehrlumiger ZVK • Ggf. arterielle RR-Messung, ggf. Pulsiofl ex oder PiCCO • Zweiter peripherer Zugang • Bei einer Operationsdauer > 2 Std. evtl. Blasendauerkatheter mit Temperatur-

    messung • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungNarkoseführung • Die Narkoseeinleitung und -führung richtet sich nach der jeweiligen Operati-

    on • Als Anästhesieverfahren wird häufi g eine Kombinationsanästhesie mit PDK

    zur postoperativen Analgesie gewählt • Bei vorbestehender Stenose Ileuseinleitung (▶ 4.1.4) • Ggf. Nachbeatmung.Minimal invasive Chirurgie (MIC)Laparoskopisch werden folgende Eingriff e durchgeführt: • Appendektomie und Kolostomie • Cholezystektomie • Herniotomie • Dünn- und Dickdarmresektion • Diagnostik • Drainage von Leber- und PankreaszystenDurch Insuffl ation von CO2 wird ein Pneumoperitoneum hergestellt. Dadurch kommt es zum Anstieg des intraabdominalen Drucks und Beeinträchtigung der Atmung. Insgesamt kann es zum Abfall des Herzminutenvolumens und Anstieg des arteriellen pCO2 kommen.

    Knipfer_27451.indb 413fer_27451.indb 413 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 414

    9

    VorsichtOperationsbedingte Komplikationen treten in Form von Gefäß- und Ner-venverletzungen auf. Beim Einstechen der Trokare können zudem Magen und Darm verletzt werden.

    Positionierung des PatientenDiese Positionen (▶ 2.3.3) können, um ein besseres Einsehen in das OP-Gebiet zu bieten, auch kombiniert werden. • Rückenlage • Steinschnittlage, die Beine dabei jedoch abgesenkt • Trendelenburg-Lage • Anti-Trendelenburg-LageMonitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • ZVK • Arterielle RR-Messung, ggf. Pulsiofl ex oder PiCCO • Bei längerer Operationsdauer evtl. Blasendauerkatheter mit Temperaturmes-

    sung • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungNarkoseführung • Evtl. Ileuseinleitung (▶ 4.1.4) • Vor dem Einstechen der Trokare Magen über Magensonde absaugen. Beein-

    trächtigung der Atmung durch eingeschränkte Zwerchfellbeweglichkeit, Kopf-tiefl age PEEP von 5–10 cmH2O, Hämodynamik des Patienten beobachten

    • Vagusrefl ex kann Herzrhythmusstörungen hervorrufen • Da ein Teil des insuffl ierten CO2 auch in die Blutbahn resorbiert wird,

    kommt es zum Anstieg des pCO2 Atemminutenvolumen anhand des ET-CO2 oder der BGA anpassen

    • Extubation nur beim wachen Patienten. Magensonde vor der Ausleitung ab-saugen

    • Postoperative Überwachung ▶ 7.4Eingriffe an der LeberOperative Eingriff e an der Leber können sein: • Lebersegmentresektionen • Lobektomien • Hemihepatektomien • Wedge-Exzisionen, d. h. Ausschälung kleinerer Lebertumoren • LebertransplantationenAufgrund der meist präoperativ vorliegenden Leberfunktionsstörungen sind für die Beurteilung der Leberfunktion präoperativ folgende Parameter notwendig: Serum-Bilirubin, Quick-Wert, Albumin, Cholinesterase, SGOT, SGPT, LDH, AP.

    Positionierung des PatientenRückenlage (▶ 2.3.3)Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • ZVK, mehrlumig

    Knipfer_27451.indb 414fer_27451.indb 414 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 415

    9

    • Arterielle RR-Messung, ggf. Pulsiofl ex oder PiCCO (▶ 2.4.9) • Blasendauerkatheter, ggf. mit Temperaturmessung • Relaxometrie • Ggf. EEG Überwachung • LiMON (prä- und postoperativ)Narkoseführung • Magensonde legen • Aufgrund der intraoperativ zu erwartenden großen Blutverluste 1–3 großlu-

    mige Zugänge für adäquaten Volumenausgleich legen • PDK (Vorsicht: Hypovolämie und Blutdruckabfall bei Sympathikolyse oder

    größeren Blutverlusten) • Prüfen, ob bestellte Blutkonserven bzw. FFP vorhanden sind • Bei längeren Eingriff en werden ggf. intraoperativ die Gerinnungsparameter

    kontrolliert. Ggf. Gabe von Gerinnungspräparaten (▶ 2.6.5) ! Die postoperative Überwachung erfolgt in der Regel auf der Intensivstation.

    Pringel-ManöverUm den Blutverlust bei Leberoperationen zu minimieren, wird ggf. der Leber-hilus abgeklemmt und so die arterielle und portale Blutzufuhr unterbrochen. Die Abklemmungszeit sollte 60 Min. nicht überschreiten. Nach Öffnen der Klemme kommt es zur Reperfusion der Leber mit der Gefahr des Blutdruckab-falls. Nach Wiederfreigabe der Leberdurchblutung können saure Metaboliten und vermehrt frei gewordenes Kalium zu Herzrhythmusstörungen bzw. zu einem Herzstillstand führen.

    TransplantationenNierentransplantationDie Patienten leiden in der Regel an Begleiterkrankungen wie: • Hypertonus falls dieser durch Renin verursacht ist, wird manchmal eine bi-

    laterale Nephrektomie erforderlich • Arteriosklerose • Skelettveränderungen sekundärer Hyperparathyreoidismus, Vitamin-D-

    Mangel, Kortisontherapie

    IndikationenErkrankungen wie: • Glomerulonephritis • Pyelonephritis • Zystennieren • Diabetes mellitusMonitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • Arterielle RR-Messung, ggf. Pulsiofl ex oder PiCCO • ZVK mit der Möglichkeit der ZVD-Messung • Blasendauerkatheter, ggf. mit Temperaturmessung • Relaxometrie • Ggf. EEG Überwachung

    Knipfer_27451.indb 415fer_27451.indb 415 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 416

    9

    Prämedikation • In der Anamnese sind Besonderheiten wie Trinkmenge, Restdiurese, Dialyse-

    intervall und Medikamente zu berücksichtigen • Zur klinischen Untersuchung gehören die Lokalisation und das Abhorchen

    des Dialyseshunts. Die Funktionsfähigkeit wird dokumentiert • Im Labor fi nden sich Hyperkaliämie, Azidose, Anämie bei K+ > 5,5 mmol/l

    ist in der Regel eine erneute Dialyse indiziert.

    Narkoseeinleitung • In der Regel wird eine Allgemeinnarkose durchgeführt, eine Regionalanästhe-

    sie (▶ 4.2) ist ebenfalls möglich • Evtl. Ileuseinleitung (▶ 4.1.4) • Medikamentenauswahl abhängig von Begleiterkrankungen (▶ Kap. 5). Keine

    depolarisierenden Relaxanzien wegen des Kaliumanstiegs – Bei den nichtdepolarisierenden Relaxanzien sind CisAtracurium, Vecuro-

    nium, Rocuronium zu bevorzugen • Alle Inhalationsanästhetika verringern die renale Durchblutung und die glo-

    meruläre Filtrationsrate (GFR).

    Tipps und TricksBei der Narkoseeinleitung den Shunt-Arm gut polstern und geschützt lagern, Funktion des Shunts überprüfen, an diesem Arm keine RR-Manschette anle-gen und keine Braunüle legen!

    • Bei CAPD-Patienten ohne Shunt evtl. Einbringen eines großlumigen, dialyse-fähigen ZVK in Narkose

    • Infusionslösung: Vollelektrolytlösung, z. B. JonosterilIntraoperative Begleitung • Regelmäßig kontrollieren: BGA, Hb, BZ, K+ • ZVD sollte etwa bei 10 mmHg gehalten werden • Blutdruckabfall durch akute Sequestration von ca. 200–300 ml Blut • Bei arterieller Anastomosenfreigabe den systolischen Blutdruck nicht

  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 417

    9

    ! Chirurgisch-technisch: Blutungen, Stenosen der Anastomosen, Knicksteno-sen der Gefäße, Ureternekrose, Stenose oder Insuffi zienz der Ureterneozysto-stomie

    ! Abstoßungsreaktion ! Gesteigerte Infektanfälligkeit durch die Immunsuppression

    Lebertransplantationen

    IndikationenErkrankungen wie: • Primäre billiäre Zirrhose (PBC) • Alkoholtoxische Leberzirrhose bei nachgewiesener Abstinenz • Virushepatitiden und Leberversagen nach – Verschiedenen Noxen, z. B. Intoxikationen durch Pilze oder Medikamente – Infektionen

    Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • 5-Pol-EKG • Arterielle RR-Messung, evtl. in 2 Arterien • Pulsiofl ex oder PiCCO • Kontinuierliche ZVD-Messung • Temperaturmessung • Blasendauerkatheter • Labor: Gerinnung, Hb, BGA, BZ • EEG/AEP/SEP • Relaxometrie • 4-fach Druckaufnehmer • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungPrämedikation • Gegenwärtige körperliche Belastungsfähigkeit ermitteln • Kardiale Funktion überprüfen, fragliche Dysfunktionen abklären, z. B. pul-

    monaler Hypertonus, Hypervolämie, Ödeme, Kardiomyopathien • Pulmonale Funktion überprüfen – Auskultation auf Stauungszeichen, Atelektasen und Pleuraerguss – Diagnostik: BGA, Lungenfunktionstest, Röntgen-Th orax • Leberfunktion überprüfen: Aszites abklären und bisherige Blutungsanamnese

    erheben, z. B. Gastrointestinalblutung, Ösophagusvarizen • Nierenfunktion abklären • Neurologischen Status abklären

    Tipps und Tricks • Beim Legen einer Magensonde ist Vorsicht geboten, da Umgehungskreis-

    läufe, Blutgerinnungsstörungen und Thrombozytopenie Blutungen auslö-sen können

    • Bei der Verabreichung von neurotoxischen Substanzen, die durch die ge-schädigte Leber nicht mehr abgebaut werden können, kann es durch die Veränderung der Blut-Hirn-Schranke zu leichten Bewusstseinsstörung bis zum Coma hepaticum kommen

    ! Erhöhten ICP als Ursache ausschließen.

    Knipfer_27451.indb 417fer_27451.indb 417 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 418

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    Narkoseeinleitung • Alle üblichen Einleitungsmedikamente können verwendet werden. Die Wahl

    ist abhängig von den Begleiterkrankungen (▶ Kap. 5) • Sehr gute Präoxygenierung • Ileuseinleitung mit Krikoiddruck • 2 große periphere Zugänge, 5-Lumen-ZVK • Sauerstoff -Luft -Gemisch und kein Lachgas verwenden • Volatile Anästhetika gering dosieren Isofl uran und Sevofl uran scheinen

    den anderen volatilen Anästhetika überlegen zu sein, trotzdem besteht die Gefahr einer potenziellen Reduktion der arteriellen Leberperfusion und da-mit des Sauerstoff angebots

    • Relaxation mit Rocuronium • Analgesie mit Fentanyl, Sufentanyl, UltivaIntraoperative Begleitung • Wird im Operationsverlauf die V. cava inferior abgeklemmt, darf nur der

    Oberkörper gewärmt werden • Die operative Phase gliedert sich in 4 Stadien – Präanhepatische Phase: Präparationsphase bis zur Entnahme des erkrank-

    ten Organs – Anhepatische Phase: Phase des Einsetzens der neuen Leber – Reperfusionsphase: Wiedereröff nung der leberversorgenden Gefäße – Posthepatische (neohepatische) Phase: Rekonstruktion der Gallenwege

    und Verschluss

    Präanhepatische Phase (Präparationsphase) • Veränderung der Hämodynamik Manipulation an den großen leberver-

    sorgenden Gefäßen, Mobilisation der Leber und Kompression des Peri-kards

    • Massive Blutverluste durch vorbestehende Gerinnungsstörungen • Ausgeprägte portale Hypertension mit Umgehungskreisläufen • Ausreichende Urinausscheidung • Wärmeschutz, konstante KörpertemperaturAnhepatische Phase • Leber fällt nach dem Verschluss der Lebervenen und Arterien als Stoff-

    wechselorgan aus Narkosemittelbedarf , Gesamt-O2-Aufnahme • Körpertempertur , CO2-Gehalt im Blut • Beginn mit der festgelegten Immunsuppression (Prednisolon) und Substi-

    tution von Gerinnungsfaktoren • Kein Zitrat- und Laktatstoffwechsel • Kaliumwert an der unteren Grenze halten • Unmittelbar vor der Reperfusion, die neu implantierte Leber mit ca. 600 ml

    Blut spülenReperfusionsphase • Erstmalige Perfusion des Organs • Azidose und Hyperkaliämie, mit typischen EKG-Veränderungen und Bra-

    dykardie bis zum Herzstillstand, evtl. Glukose-Insulin-Gemisch verabrei-chen

    • O2-Verbrauch , CO2-Gehalt im Blut • Häufig Koagulopathien

    Knipfer_27451.indb 418fer_27451.indb 418 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 419

    9

    • Normalisierung des Plasmaspiegels von Laktat, Zitrat, Glukose, Gerinnung ca. 2 Std. nach Reperfusion

    • Kalzium im Normbereich halten • Hypovolämie z. B. durch Erythrozytenkonzentrate und/oder FFP ausglei-

    chen ! Evtl. Katecholamine erforderlich • Lungenembolie durch Verschleppung thromboembolischer Partikel oder

    Luft • Hyperglykämie Gabe von Alt-InsulinPost- oder Neohepatische Phase • Rekonstruktion der Gallenwege und Beendigung der Operation • Aufnahme der Funktion der Leber • ZVD im Normbereich Vermeidung einer Stauung durch Hypervolämie:

    Diurese, Flüssigkeitsrestriktion

    Postoperative Frühphase • Intensivmedizinische Versorgung • Postoperative Überwachung ▶ 7.4 • Postoperative Frühkomplikationen sind relativ häufi g – Transplantatdysfunktion bis „non-function“ – Chirurgische Komplikationen: Blutungen, Gefäßverschluss, Nahtinsuffi zi-

    enzen an den Anastomosen

    Spätkomplikationen • Abstoßung des Organs • Infektion • Folgen der immunsuppressiven Th erapie • Störungen der Leberfunktion mit persistierender pathologischer Blutgerin-

    nung • Häufi g Re-Operation z. B. aufgrund von Nachblutungen, einem Galle-Leck

    oder Infektionen • Retransplantation bei OrganversagenPhäochromozytomDie Entfernung eines Phäochromozytoms stellt aufgrund der möglichen Aus-schüttung von Katecholaminen (▶  5.5.2) durch die operative Manipulation am Tumor eine Operation mit Risiken dar, z. B. Hypertonus mit systolischen Blut-druckwerten > 250 mmHg.

    Positionierung des PatientenRückenlage (▶ 2.3.3), ggf. beide Arme auslagern.Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • Arterielle RR-Messung, ggf. Pulsiofl ex oder PiCCO • ZVK • Temperaturmessung • Relaxometrie • Ggf. EEG Überwachung

    Knipfer_27451.indb 419fer_27451.indb 419 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 420

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    Narkoseführung • Balancierte Anästhesie oder TIVA möglich • Großlumige Zugänge legen • Medikamente in Bereitschaft (▶ 3.10) – Nitroprussid – Dopamin, Arterenol – Adalat • Kontrollieren, ob bestellte Erythrozytenkonzentrate bereitstehenHämorrhoiden/Analfi stelAnalfi steln sind röhrenförmige Verbindungen des Anus nach außen, z. B. bei Spontanperforation eines Abszesses oder als Folge von Colitis ulzerosa und Mor-bus Crohn.

    Indikationen • Hämorrhoiden im Stadium III treten beim Pressen hervor und bilden sich

    nicht spontan zurück • Hämorrhoiden im Stadium IV dauernd sichtbar, thrombosiert, inkarzeriert • InkarzerationPositionierung des PatientenSteinschnittlage (▶ 2.3.3)MonitoringBasismonitoring (▶ 9.1.2)Narkoseführung • Die Operation ist von kurzer Dauer • Eingriff e im Analbereich erfordern eine gute Analgesie • Bei nüchternen Patienten erfolgt sie in Maskennarkose (▶ 4.1.1), Larynxmas-

    kennarkose (▶ 4.1.2) oder in Spontanatmung (▶ 4.1.9).DarmoperationenBei ausgedehnten Darmoperationen sind größere Blutverluste durch Verletzung von Gefäßen sowie Wärme- und Flüssigkeitsverluste durch die eröff nete Bauch-höhle zu erwarten (Hypothermie ▶ 6.3.1; Wärmegeräte ▶ 2.7.5).Präoperativ notwendige Darmspülungen führen häufi g zu Störungen des Elektro-lyt- und Säure-Basen-Haushalts, sodass folgende Laborparameter besondere Be-achtung verdienen: BB, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff , Gesamteiweiß und BGA.

    VorsichtGefahr der Hypokaliämie und Hypovolämie!

    Falls möglich werden präoperativ Volumen- und Eiweißdefi zite ausgeglichen und Kalium substituiert.

    Positionierung des PatientenRückenlage (▶ 2.3.3), bei Rektumresektion Steinschnittlage (▶ 2.3.3) und intra-operative Umlagerung erforderlich.

    Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • ZVK

    Knipfer_27451.indb 420fer_27451.indb 420 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9.1 Anästhesie in der Abdominal- und Allgemeinchirurgie 421

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    • Evtl. arterielle RR-Messung, ggf. Pulsiofl ex oder PiCCO • Temperaturmessung, alternativ Blasendauerkatheter mit Temperaturmes-

    sung • Blasendauerkatheter • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungNarkoseführung • Magensonde vor der Intubation legen, wenn Verdacht auf nicht leeren Ma-

    gen besteht • Intubationsnarkose, evtl. zusätzlich PDK (▶ 4.2.11) legen • Volumendefi zite ausgleichen • Je nach Ausdehnung der Operation ist eine Nachbeatmung und postoperative

    Intensivtherapie notwendig.

    StrumektomieIndikationen • Große Strumen, die umliegende Organe, wie z. B. die Trachea, verdrängen

    und komprimieren • Autonome Adenome • Karzinome • Intrathorakale Struma • Hyperthyreose: Immunogene Hyperthyreose (Morbus Basedow), Th yreoidale

    Autonomie (Jodmangelgebieten)

    Mögliche Operationsverfahren • Enukleation: isolierter Knoten wird herausgeschält, z. B. eine Zyste oder ein

    Adenom • Hemithyreoidektomie: totale Entfernung eines Schilddrüsenlappens • Subtotale Resektion: ein- oder beidseitige Resektion der Schilddrüse, bei der

    ein kleiner Geweberest belassen wird • Totale Th yreodektomie: Entfernung der gesamten SchilddrüsePositionierung des PatientenHalbsitzende Lage: • Unter die Schultern und den Kopf ein Vakuumkissen legen die Schultern

    liegen an den Kanten des Operationstisches • Kopfplatte absenken, der Hals wird dadurch überstreckt und das Operations-

    gebiet hervorgehoben die Halsregion ist bei dieser Operation der höchste Punkt

    ! Die Hände dürfen das Metall des Tisches nicht berühren • Während der Operation ist ein Zugang zum Kopf nur eingeschränkt möglich – Für die Ableitung der Beatmungsschläuche wird ein gerades Y-Stück oder

    eine Gänsegurgel benötigt – Tubus, Y-Stück und Beatmungsschläuche mit Pfl aster vor Diskonnektion

    schützen • Augen mit Augenklappen schützen, um Druckschäden durch den Operateur

    zu vermeiden.

    Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • Evtl. Spezialtubus zur Überwachung des N. recurrens verwenden (▶ Abb. 9.1)

    Knipfer_27451.indb 421fer_27451.indb 421 11/13/2014 8:11:40 AM11/13/2014 8:11:40 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 422

    9

    Abb. 9.1 NIM TriVantageEMG Endotracheal Tubus. [V170–1]

    • Ggf. arterielle Blutdruckmessung • Relaxometrie • Ggf. EEG ÜberwachungNarkoseführungBei diesen Patienten ist mit Intubationsschwierigkeiten (▶ 2.2.5) zu rechnen, Air-waymanagementkoff er (wenn vorhanden) bereitstellen. ! Tubus in kleinerer Größe bereithalten ! Ggf. ist eine bronchoskopische Intubation erforderlich

    Tipps und TricksFixierung des TubusDie OP-Positionierung des Patienten erfordert, dass der Tubus über die Stirn abgeleitet und besonders sorgfältig fixiert wird.

    • Nach erfolgter Intubation Augensalbe in die Augen des Patienten geben, mit Augenklappen oder Gelkissen abdecken und diese mit einem Pfl aster fi xieren

    • Verlängerung an den Tubus anbringen • Ohren dürfen nicht durch das Pfl aster abgeschnürt werden Dekubitusge-

    fahr • Bei Öff nung großer Gefäße besteht die Gefahr einer Luft embolie (▶ 6.1.3)

    Knipfer_27451.indb 422fer_27451.indb 422 11/13/2014 8:11:41 AM11/13/2014 8:11:41 AM

  • 9 Anästhesie nach Fachgebieten 430

    9

    Abb. 9.2 Wichtige Arterien des Menschen. [L190]

    Knipfer_27451.indb 430fer_27451.indb 430 11/13/2014 8:11:41 AM11/13/2014 8:11:41 AM

  • 9.3 Anästhesie in der Gefäßchirurgie 431

    9

    9.3.2 Überwachung und NarkoseführungDie Kunst der Anästhesieführung bei gefäßchirurgischen Patienten besteht darin, auf notwendige chirurgische Maßnahmen, z. B. intermittierendes Abklemmen großer Gefäße, und gleichzeitig auf bestehende Kreislaufi nstabilität entsprechend zu reagieren.

    MonitoringIn der Gefäßchirurgie bestimmen die Vorerkrankungen des Patienten und der Umfang der Operation das einzusetzende Monitoring. ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • EKG zur Erkennung intraoperativer Infarkte evtl. Ableitungen II und V5 • Arterielle RR-Messung Kanülierung nicht in dem Gefäßgebiet vornehmen,

    das intraoperativ abgeklemmt wird • PiCCO oder Pulmonaliskatheter bei entsprechender Indikation, z. B. bei

    Linksherzinsuffi zienz • Temperaturmessung • Blasendauerkatheter • Transkranielle Doppler-Sonografi e (zerebrale Blutfl ussmessung in der A. ce-

    rebri media) • SEP Monitoring bei A. carotis Desobliterationen (▶ 2.4.13) • Ableitung somatosensorisch evozierter Potenziale (SEP) bei Eingriff en an

    hirnversorgenden Arterien

    NarkoseführungIn der Gefäßchirurgie kommen Allgemeinanästhesie (▶ 4.1) und Regionalanäs-thesieverfahren (▶ 4.2) zur Anwendung. Eine Kombination dieser Anästhesiever-fahren ist für den Patienten vorteilhaft , denn sie verringert den Anästhetikaver-brauch und ermöglicht eine bessere postoperative Schmerztherapie. • Die Auswahl des Anästhesieverfahrens hängt von folgenden Faktoren ab: All-

    gemeinzustand des Patienten, Alter und Begleiterkrankungen ! Bei der Narkoseeinleitung den Blutdruck an beiden Armen messen nicht

    selten besteht eine Diff erenz ! Wegen möglicher großer Blutverluste großlumige periphere Venenzugänge

    und ggf. ZVK legen – Gefäßzugänge nicht in die Venen legen, über die Blut aus dem Operati-

    onsgebiet abfl ießt • Regelmäßige BGA-Kontrollen • Temperaturkontrolle – Milde Hypothermie (33–34 °C) ist meist erwünscht – Wärmemanagement (▶ 2.7.5) • Evtl. präkordiales oder Ösophagusstethoskop zur Erkennung von Luft embo-

    lien (▶ 6.1.3) bzw. transösophageale Echokardiografi e (TEE) verwenden, vor allem bei kopfnahen Eingriff en in sitzender Position (▶ 2.3.3)

    • Bei Eingriff en an den Arterien der Hirnversorgung zerebrale Funktionen, z. B. EEG, EP (▶ 2.4.13) überwachen.

    9.3.3 Spezielle gefäßchirurgische Operationen

    Karotis-ThrombendarteriektomieDie Karotisoperation ist eine relativ häufi ge Operation, bei der aus der Intima der A. carotis Plaques entfernt werden. Indiziert ist sie bei auft retenden transitori-

    Knipfer_27451.indb 431fer_27451.indb 431 11/13/2014 8:11:42 AM11/13/2014 8:11:42 AM

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    schen ischämischen Attacken (TIA), prolongierten reversiblen neurologischen Defi ziten (PRIND) und Schlaganfällen verursacht durch die Lösung von Plaques.

    Intraoperative Komplikationen • Verletzung von Gefäßen und Nerven, bis hin zu massiven Blutungen • Embolisation bei Shunteinlage • Apoplex • Bradykardien durch Manipulationen am Sinus caroticus

    VorsichtAufgrund ihrer Vorerkrankungen zeigen diese Patienten oft eine einge-schränkte bzw. verlangsamte Wahrnehmungsfähigkeit • Patienten im Einleitungsraum nie allein lassen • Einzelne Handlungen dem Patienten angepasst erklären.

    Abb. 9.3 Positionierung des Patienten bei Karotis-OP. [L157]

    Positionierung des Patienten • Rückenlage (▶ 2.3.3) mit leicht erhöhtem Oberkörper • Kopf seitlich drehen (▶ Abb. 9.3) ! Positionierung des Kopfes mit speziellen Hilfsmitteln

    Monitoring ! Monitoring auf die gegenüberliegende Operationsseite legen ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • Arterielle RR-Messung • ZVK • Neurologisches Monitoring evtl. EEG, evozierte Potenziale (SEP), TCD um

    Minderdurchblutung des Gehirns und Embolien rechtzeitig zu erkennen • SaO2 und etCO2

    Knipfer_27451.indb 432fer_27451.indb 432 11/13/2014 8:11:42 AM11/13/2014 8:11:42 AM

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    Narkoseführung • Folgende Narkoseverfahren sind möglich: – TIVA mit Propofol oder Remifentanil – Allgemeinanästhesie mit volatilen Inhalationsanästhetika und Opioiden – Regionalanästhesie des Plexus cervicalis (C2–C4) mit Sedierung. Vorteil

    ist hier die Überwachung der Neurologie – Die Intubation erfolgt in tiefer Narkose und ausreichender Relaxierung,

    um Intubationsstress mit Pressen und Husten zu vermeiden • Ausreichend hohen Perfusionsdruck während der OP erhalten. Arterieller

    Mitteldruck sollte im Bereich der Ausgangswerte des Patienten liegen • Barbiturate und Opiate langsam injizieren, um einen Blutdruckabfall zu ver-

    meiden • Hypotension vermeiden, vermindert den zerebralen Perfusionsdruck und fördert

    somit die Minderdurchblutung des Gehirns mit nachfolgenden Schädigungen • Vollheparinisierung zur Verhinderung von Th rombenbildung • Anstreben von normalen Blutgaswerten.Mögliche Komplikationen und Prävention • Manipulationen im Bereich des Karotissinus führen zu Hypotonie und Bra-

    dykardie Gabe von 0,5–1 mg Atropin i. v. • Antagonisierung der Heparinwirkung mit Protamin kann mitunter zu ei-

    nem unerwarteten Blutdruckabfall führen. Protamin mind. 10 Minuten mit-tels Spritzenpumpe infundieren

    ! Bei der Extubation starkes Husten des Patienten unbedingt vermeiden, da es zu einem Blutdruckanstieg und damit zur Belastung der Gefäße führt

    • Besonderheiten bei der postoperativen Überwachung (▶ 7.4.3).VorsichtErhöhte Nachblutungsgefahr mit Kompression des Kehlkopfes durch ein Hämatom und dadurch erschwerte Intubation.Fiberoptische Intubationsausrüstung (▶ 2.2.5) in Bereitschaft halten, ggf. so-fortige Tracheotomie (▶ 2.2.6) erforderlich!

    Aneurysmen der AortaDie häufi gste Ursache für die Ausbildung von Aortenaneurysmen sind degenerati-ve, durch Atherosklerose bedingte Gefäßwandprozesse, überwiegend beim älteren Menschen. Die Aneurysmaausbildung bei Jüngeren begründet sich meist durch klassische Bindegewebserkrankungen mit Gefäßbeteiligung, z. B. Marfan-Syndrom. Die akute Aortendissektion ist gekennzeichnet durch einen plötzlichen Einriss im Bereich der Wandschichten der Aorta und einem Einbluten in die Aortenwand.Beim endovaskulären Verfahren wird eine Stentgraft prothese verwendet. Der zu-sammengefaltete Stent wird durch eine Schleuse i. d. R. über die Beckenarterien unter Röntgenkontrolle im Aneurysma platziert und anschließend entfaltet. Off en chirurgisch wird z. B. eine Rohrprothese oder ein y-Bypass (Bypass zwischen Aor-ta abdominalis und den beiden Femoralarterien) eingesetzt.

    Thorakales Aortenaneurysma • Aortenaneurysma: entsteht durch eine Dilatation der gesamten Gefäßwand • Aortendissektion: durch einen Riss in der Intima dringt Blut zwischen Inti-

    ma und Media und bildet ein falsches Lumen in der Gefäßwand. Begünsti-

    Knipfer_27451.indb 433fer_27451.indb 433 11/13/2014 8:11:42 AM11/13/2014 8:11:42 AM

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    gende Risikofaktoren sind: Hyper-tonie, Diabetes mellitus, Nikotin-abusus und Adipositas.

    Es besteht Rupturgefahr mit letalem Ausgang. Off en chirurgisch wird das erkrankte Gefäßsegment entfernt und durch eine Gefäßprothese ersetzt oder es wird endovaskulär z. B. über einen Leistengefäßzugang ein Stentgraft (▶ Abb. 9.4, ▶ Tab. 9.3) eingesetzt.Besonderheiten Aorta ascendens und Aortenbogenaneurysma (einschließlich Typ A)Die Operation der Aorta ascendens so-wie der Ersatz des Aortenbogens erfor-dert den Einsatz der Herz-Lungen-Ma-schine (HLM ▶ 9.5.4). Die Narkosefüh-rung des Aneurysmas der Aorta ascen-dens entspricht dem Vorgehen einer

    Abb. 9.4 Stentgraft bei abdominalem Aortenaneurysma. [V170–1]

    Tab. 9.3 Positionierung des Patienten und Intubation bei Aortenersatz

    Eingriff Positionierung Tubus

    Disseziertes AneurysmaTyp A: Ersatz der aszendierenden Aorta

    Rücken-mediane Sterno-tomie

    Einlumentu-bus

    Disseziertes AneurysmaTyp B: Ersatz der deszendierenden Aorta

    Rechte SeitenlageLinksseitige Thoraktomie

    Doppellu-mentubus

    Aneurysma der Aorta ascendens Rücken-mediane Sterno-tomie

    Einlumentu-bus

    Aortenbogenaneurysma Rücken-mediane Sterno-tomie

    Einlumentu-bus

    Aortenklappenoperation. Beim Aortenbogenaneurysma (einschließlich Typ A) ist die Operation unter Einsatz der HLM nur in tiefer Hypothermie 16–20 °C und totalem Kreislaufstillstand (max. 30–40 Minuten!) möglich.

    Monitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • Arterielle RR-Messung wird vor der Einleitung in LA gelegt • ZVK • Ggf. Pulmonaliskatheter (▶ 2.1.4) oder PiCCO (▶ 2.4.9) • Ggf. Neuromonitoring (SEP, MEP) • Ggf. NIRS (Nah-infrarot Spektroskopie = nicht invasives Verfahren zur Mes-

    sung der zerebralen Perfusion), fi ndet Anwendung zur Neuroprotektion und Vorhersage des zerebralen Risikos

    • Temperaturmessung • Blasendauerkatheter

    Knipfer_27451.indb 434fer_27451.indb 434 11/13/2014 8:11:42 AM11/13/2014 8:11:42 AM

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    Narkoseführung ! Bei der Narkoseeinleitung Blutdruckspitzen vermeiden, Druck soll nicht

    > 110 mmHg systolisch steigen • Narkose TIVA oder balancierte Anästhesie • 2–3 großlumige Zugänge zur schnellen Volumensubstitution • Ausreichend Blutkonserven (mind. 6 EK), FFP und Th rombozytenkonzentrate • Cell-Saver bereitstellen • Ggf. Antihypertensiva vorbereiten, z. B. Na-Nitroprussid, Nifedipin, Dihyd-

    ralazin in Spritzenpumpen • Verabreichung von β-Blockern, um Kontraktionskraft des Herzen zu verrin-

    gern

    Tipps und TricksBlutdruck vor der Sternotomie senken, um die akute Ruptur zu vermeiden!

    Besonderheiten bei der Narkoseführung descendierende Aorta (Typ B) • Linksseitige Th orakotomie mit Ein-Lungen-Anästhesie • Abklemmen der Aorta ober- und unterhalb des Aneurysmas – Die obere Körperhälft e wird durch das Herz selbst versorgt – Die untere Körperhälft e durch einen künstlichen Bypass – Arterielle Kanülen in die Femoralarterien oder A. radialis rechts legen • Beim Öff nen der Aorta (nach Prothesenersatz) besteht die Gefahr des Volu-

    menmangels Volumensubstitution, Vasodilatoren reduzieren und ggf. Ga-be von Katecholaminen, z. B. Arterenol .

    BauchaortenaneurysmaZur Ausschaltung abdominaler Aortenaneurysmen wird zunehmend die endo-vaskuläre Behandlung genutzt. Beim alternativen off en chirurgischen Verfahren wird über eine Laparotomie nach Resektion des Aneurysmas eine Rohrprothese implantiert.

    Positionierung des PatientenRückenlage (▶ 2.3.3), nach Möglichkeit beide Arme auslagernMonitoring ! Basismonitoring (▶ 9.1.2) plus • Pulsoxymetrie und EtCO2 • EKG (Ableitung II und V5) • Arterielle RR-Messung • Temperaturmessung • Blasendauerkatheter • ZVK und evtl. Pulmonaliskatheter (▶ 2.1.4) oder PiCCO (▶ 2.4.9)Vorbereitung • Mehrere großlumige Gefäßzugänge legen ggf. F8-Schleuse und/oder Shal-

    don-Katheter • Präkordiales Stethoskop zur Früherkennu