Kneipp-Journal - aktiv & gesund

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Januar 12 Februar 12

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Als Zeitschrift für gesundes Leben, Naturheilverfahren und Prävention hat sich das Kneipp-Journal zu einem wertvollen Ratgeber entwickelt. Im Rahmen der Mitgliedschaft bei einem Kneipp-Verein erhalten Sie es gratis zehnmal im Jahr. Das gleichbleibend hohe Informationsniveau garantiert der Mitarbeiterstab von erfahrenen, engagierten Wissenschaftlern und Medizinern. Verständlich und populär aufbereitet wecken die vielfältigen Themen bei unseren Leserinnen und Lesern Interesse und vermitteln Verständnis für die Zusammenhänge und Hintergründe. Beiträge und Rubriken zu verschiedenen Naturheilverfahren, Heilkräutern und Umweltschutz, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet von Forschung und Medizin, Bewegungs- und Entspannungstrends für Jung und Alt, Diät- und Ernährungstipps sowie köstliche Rezepte sorgen für eine informative und abwechslungsreiche Lektüre.

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Januar 12Februar 12

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Editorial und Inhalt 3

Kneipp-Journal 01-02/2012

121. Jahrgang 01-02/2012

Titelbild: 5 am Tag/www.machmit-5amtag.de

Allgemeines  |  Information  |  Kur / Erholung

Editorial� 3

Sebastian-Kneipp-Akademie� 30Mehr Gesundheit durch Bildung

Kneipp-Journal� 32Verbandsarbeit, Personalien, Nachrichten, Gesundheitspolitik, Programme

Vorschau� |� Bildnachweis� |� Impressum� 46

Gesundheit  |  Körper & Geist

Sekundäre�Pflanzenstoffe� 4Die Vitamine des 21. Jahrhunderts?

Gewürze� 10...für den besonderen Geschmack und die Gesundheit

Heilweine� 14Wein als traditionell gebräuchliches Heilmittel

Vitamine�und�Mineralstoffe� 20...für die Schönheit

Zeit�zu�handeln� 24Nachhaltige Ernährung

Familienpflegezeit� 37...startet am 1. Januar 2012

Ernährung

Fischvitamine� 44...machen vital und fit!

Kinder & Jugend

Fast�Food� 28Essen auf die Schnelle

Marion Caspers-Merk Präsidentin des Kneipp-Bundes

Von der Forschung in die Praxis

Schmerzen�bei�rheumatoider�Arthritis� 36Chinakraut wirksamer als Basismedikament

Alles�Gute

...wünsche ich Ihnen für das Jahr 2012. Mit dieser Jahreszahl haben wir

die besten Aussichten auf ein positives Jahr, denn die Zahl 12 ist in allen

Kulturkreisen eine kosmische Zahl. Unsere Zeit ist in 12er Schritten be-

messen: Der Tag hat 2 mal 12 Stunden und das Jahr 12 Monate. Der

menschliche Körper hat 12 Mittelfußknochen und 12 Brustwirbel. Und

nicht zuletzt beginnt der Darm mit dem Zwölffingerdarm, der eine

wichtige Funktion für die Verdauung innehat, somit vielleicht auch ein

gutes Omen für das Gelingen unserer Veranstaltungen zum Jahresmot-

to „Essbare Gesundheit“.

Feststehende Termine der Kneipp-Bund-Veranstaltungen haben

wir für Sie auf Seite 32 notiert.

Auch im Kneipp-Journal werden wir immer wieder das Thema gesunde

Ernährung bzw. Ernährung und Gesundheit aufgreifen. Der enge Zu-

sammenhang zwischen der Ernährungs- und Lebensweise und dem

Vorkommen bestimmter chronischer Krankheiten ist inzwischen an-

hand vieler Forschungsergebnisse belegt und unser Autor Dr. Markus

Keller schreibt in seinem Artikel auf Seite 24, dass die ernährungsbe-

dingten Krankheiten unser Gesundheitssystem jährlich mit 70 Milliar-

den Euro belasten. Zahlen machen das Ausmaß deutlich, doch kaum

messbar ist die Last, die die Betroffenen zu tragen haben. Ein hochaktu-

elles Thema also, mit dem wir uns in diesem Jahr beschäftigen und ein

Thema, das nicht nur die Krankheiten im Fokus hat, sondern das auch

die schönen Seiten der Ernährung, z. B. den Genuss, mit einbezieht. Ich

freue mich, wenn Sie sich in Ihren Kneipp-Vereinen wieder mit kreativen

Veranstaltungen zu unserem Jahresmotto engagieren. Machen Sie mit,

begeistern Sie mit einem schönen Sebastian-Kneipp-Tag und werben

Sie für die Kneipp-Bewegung.

Kneipp-Journal 01-02/2012

Sekundäre Pflanzenstoffe Die Vitamine des 21. Jahrhunderts?

Mit pflanzlichen Lebensmitteln nimmt der Mensch nicht nur fast alle 50 bekannten essenziellen Nährstoffe auf, sondern eine Vielzahl an sekundären Pflanzenstoffen. Noch vor weni-gen Jahren wurde diesen Substanzen keine gesundheitliche Bedeutung zugemessen. Aufgrund von Labor- und Tierversu-chen galten sie zum Teil sogar als antinutritiv bzw. gesund-heitsschädigend. Was ist der aktuelle Wissensstand zu sekun-dären Pflanzenstoffen und welche Bedeutung haben diese im Rahmen einer gesunderhaltenden Ernährung?

Seit Anfang der 1990er-Jahre be-schäftigt sich die wissenschaftliche Ernährungsforschung vermehrt mit

sekundären Pflanzenstoffen. Dieses Inte-resse ist zweifach begründet. Zum einen vermuten viele Wissenschaftler, dass die gesundheitsfördernden Auswirkungen einer pflanzenbetonten Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Ge-treide und Nüssen wesentlich auf deren Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen zurückzuführen sind. Zum anderen er-hoffen sich die Pharma- und Lebensmit-telindustrie, mit einmal identifizierten und isolierten Einzelsubstanzen gewinn-bringende Nahrungsergänzungsmittel und funktionelle Lebensmittel herstel-

len zu können. Eine große Vielzahl an epidemiologischen Studi-

en zeigt, dass ein hoher Verzehr von pflanzlicher

Nahrung ein deutlich verringertes Risiko

für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Adipositas, rheu-matoide Arthritis, Asthma, Osteopo-rose, neurologische Erkrankungen und

Makuladegenera-tion zur Folge hat.

Bezüglich der ge-nauen Mechanismen,

warum ein reichlicher Verzehr von pflanzlichen

Lebensmitteln die menschli-che Gesundheit positiv beein-flusst, liegt die Wissenschaft trotz diverser Erklärungsan-

Das aktuelle Thema4

Entscheidend ist das Zusammenwirken aller natürlich im Lebensmittel vorkommenden Substanzen.

Dr. med. Max Bircher-Benner erkannte schon vor Jahrzehnten den Wert der pharmakolo-gischen Substanzen in pflanzlicher Nahrung.

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Kneipp-Journal 01-02/2012

Das aktuelle Thema

sätze nach wie vor völlig im Dunkeln. Die Ernährungswissenschaftlerin Catherine Conway bringt es treffend auf den Punkt: „Wir wissen, dass der Verzehr von Gemü-se und Obst dem Entstehen von chroni-schen Krankheiten vorbeugt, aber wir wissen nicht warum.“

In der Ernährungsforschung pflegt man seit Jahrzehnten eine reduktionisti-sche Arbeitsweise, d.h. bestimmte Subs-tanzen werden aus dem komplexen Le-bensmittelgefüge herausgenommen und in ihrer isolierten Wirkung in Labor- und

Humanstudien untersucht. Zu der über-schaubaren Anzahl von Vitaminen, Bal-laststoffen und Fettsäuren liegt heute eine gewaltige Menge an Studiendaten vor. Zu einem besseren Verständnis der Nahrungswirkung haben diese jedoch kaum beigetragen. Man könnte meinen, dass diese Erkenntnis Grund genug da-für wäre, die übliche wissenschaftliche Herangehensweise des Reduktionismus ernsthaft zu hinterfragen und aufzuge-ben. Stattdessen wendet sich die Ernäh-rungswissenschaft seit gut 20 Jahren verstärkt der unüberschaubaren Vielfalt an sekundären Pflanzenstoffen zu, in der Hoffnung, nun darin das präventiv und therapeutisch wirksame Prinzip ei-ner pflanzenbetonten Ernährung wo-möglich in Form einer Einzelsubstanz zu finden.

Was sind sekundäre Pflanzenstoffe?

Zu den primären Pflanzenstoffen zäh-len Kohlenhydrate, Fett, Protein und Bal-laststoffe. Diese sind für die Pflanze von spezifischer lebensnotwendiger Bedeu-tung, wie z. B. für den Prozess der Photo-synthese. Den Begriff „sekundäre Pflan-

zenstoffe“ hat angeblich der Mediziner und Nobelpreisträger Albrecht Kossel (1853-1927) geprägt. Im Englischen wer-den diese Verbindungen „phytochemi-cals“ (Phytochemikalien) genannt. Se-kundäre Pflanzenstoffe stellen eine he-terogene Gruppe von Substanzen dar und kommen in sehr unterschiedlichen Mengen in Pflanzen vor, für welche sie auch oft spezifisch sind. Ihre Funktionen sind mannigfaltig: Abwehrgifte gegen Pilze und Schädlinge, Pigmentfunktion, Schutz vor UV-Licht und negativen Um-welteinflüssen, Signalfunktionen, Bildung von Farb-, Duft- und Aromastoffen. Zu-dem wirken sie antioxidativ, tumorprä-ventiv und fangen freie Radikale. Sekun-däre Pflanzenstoffe werden nicht im Energiehaushalt und im auf- bzw. ab-bauenden Stoffwechsel produziert und sind für die Aufrechterhaltung des Le-bens nicht zwingend erforderlich. Es ist bemerkenswert, dass es in tierischen Le-bensmitteln so gut wie keine Stoffe gibt („sekundäre Tierstoffe“), die wirkungs-mäßig mit den sekundären Pflanzen-stoffen verglichen werden könnten; ab-gesehen von Omega-3-Fettsäuren (Fisch) und Milchsäure (gesäuerte Milchpro-dukte).

Sekundäre Pflanzenstoffe in der Nahrung: eine unerforschte Vielfalt

Bei mehr als 250 000 höheren Pflan-zen auf der Erde ist anzunehmen, dass es mindestens genauso viele sekundäre Pflanzenstoffe gibt. Bislang wurden et-wa 80 000 davon identifiziert. In der menschlichen Nahrung werden 5 000 bis 10 000 sekundäre Pflanzenstoffe vermu-tet. Da der weltweite Kalorienbedarf zu 90% durch den Verzehr von etwa 30 Pflanzen gedeckt wird, beschränkt sich die wissenschaftliche Forschung auf die-se wenigen Nahrungspflanzen. In einzel-nen Lebensmitteln ist nur eine begrenz-te Anzahl sekundärer Pflanzenstoffe vor-zufinden, z. B. Zwiebel: 70-100, Apfel: 200-300, Tomate: 300-350. Die bislang hauptsächlich erforschten Klassen sind Carotinoide, Phytosterine, Glucosinolate, Polyphenole (Flavonoide, Phenolsäuren) und Phytoöstrogene (Isoflavonoide, Lig-

nane). Wenige Untersuchungen liegen zu Saponinen, Monoterpenen, Sulfiden, Chlorophyll und Phytinsäure vor. Flavo-noide sind die am weitesten verbreite-ten sekundären Pflanzenstoffe. Bislang wurden mehr als 6500 verschiedene Ver-bindungen identifiziert. Bei anderen Ver-bindungsklassen besteht nach wie vor ein großer Forschungsbedarf (siehe Tab. 1), wie es auch Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe, ein Experte für sekundäre Pflanzenstoffe, feststellt: „Insgesamt ist erst ein kleiner Teil aller relevanten sekundären Pflanzenstoffe identifiziert.“

Die bislang vorliegenden Forschungs-ergebnisse bestätigen jedoch das, was der Schweizer Arzt Max Bircher-Benner aufgrund seiner therapeutischen Erfolge mit vegetarischer Heilkost bereits vor Jahrzehnten intuitiv erkannt hat, dass nämlich pflanzliche Lebensmittel eine große Menge an pharmakologisch akti-ven Verbindungen mit weitreichenden physiologischen Wirkungen enthalten (siehe Tab. 2). Obwohl sich die Analytik von sekundären Pflanzenstoffen in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, liegen bislang kaum Datenbanken mit fundierten Angaben zu deren Gehalt in bestimmten Lebensmitteln vor.

Bioverfügbarkeit, individuelle Verstoffwechslung und Zufuhrempfehlung

Mit der üblichen gemischten Kost nimmt der Mensch täglich etwa 1,5 g se-kundäre Pflanzenstoffe auf, Vegetarier oftmals deutlich mehr. Über die Biover-fügbarkeit von sekundären Pflanzenstof-fen aus Lebensmitteln ist wenig be-

„Es gibt kaum eine Erkrankung

oder ein biochemisches System,

welches nicht durch Phytochemikalien

positiv beeinflusst wird.“

Prof. Dr. med. Paolo SuterDepartment für Innere Medizin

Universitätsspital Zürich

„Die Berechtigung zur weitgehenden

Einschränkung von Medikamenten ist

da, denn dem kranken Organismus

wird ja Besseres geboten. Der vegeta-

bile Nahrungsschatz ist ein pharmako-

logisches Arsenal, das noch viel zu

wenig erforscht ist.“

Dr. med. Max Bircher-Benner, 1933

6 Das aktuelle Thema

kannt. Während Carotinoide, Glucosino-late, Phytoöstrogene, Monoterpene und Sulfide vom Körper relativ gut aufge-nommen werden (> 15%), gibt es bei Fla-vonoiden teils gut bioverfügbare, teils auch sehr schlecht bioverfügbare Ver-bindungen wie z. B. Anthocyane (< 1%). Durch die Verarbeitung von Lebensmit-teln (z. B. Erhitzen) kann die Bioverfüg-barkeit bestimmter Stoffe deutlich er-höht werden (z. B. bei ß-Carotin aus Möhren und Lycopin aus Tomaten). Dies kann unter Umständen vorteilhaft sein, muss es aber nicht. So haben verschiede-ne Studien gezeigt, dass der Konsum von Fruchtsäften (z. B. Orangensaft) im Ge-gensatz zum Verzehr von ganzen Oran-gen keine schützende Wirkung bezüg-lich Herz-Kreislauf-Krankheiten hat. Die meisten sekundären Pflanzenstoffe sind im Gegensatz zu bestimmten Vitaminen (z .B. Vitamin C, Folsäure) hitzestabil und überstehen diverse Zubereitungsverfah-ren, industrielle Verarbeitungsschritte und längere Lagerzeiten.

Sekundäre Pflanzenstoffe befinden sich in Gemüse und Obst meist in den Schalen, äußeren Schichten und Blättern und gelangen zum Teil bis in den Dick-darm, wo sie individuell unterschiedlich verstoffwechselt werden. Über das Aus-

maß dieser unterschiedlichen Verstoff-wechslung ist bislang nichts bekannt. Für den Großteil der sekundären Pflan-zenstoffe fehlen derzeit zuverlässige Da-ten bezüglich Bioverfügbarkeit, Metabo-lisierung und Wirkmechanismen. Dies erklärt, dass bislang auch keine wissen-schaftlich begründeten Zufuhrempfeh-lungen existieren. Einzig für ß-Carotin hat die DACH-Gesellschaft einen Schätz-wert von 2-4 mg für eine tägliche Zufuhr veröffentlicht, der über den Verzehr von

Gemüse relativ leicht zu erreichen ist (siehe Tab. 3).

Die Heilkraft naturbelassener Nahrung

In einer bereits 1955 publizierten Ar-beit mit dem Titel „Die Heilwirkung von Nahrungspflanzen“ vermutete der Er-nährungsforscher Arrien Gerhard Winter (1910-1960) von der Universität Bonn, dass unsere Nahrung neben den Vitami-

Hauptgruppen der SPSGruppe Anzahl unterschiedlicher Strukturen

Carotinoide > 700Saponine nicht bekanntPhytosterine > 100Glucosinolate > 120Flavonoide > 6500Phenolsäuren nicht bekanntProtease-Inhibitoren nicht bekanntPhytoöstrogene-Isoflavonoide > 870-Lignane nicht bekanntMonoterpene nicht bekanntSulfide nicht bekannt

Tab. 1: Viele sekundäre Pflanzenstoffe (SPS) sind noch unerforschtes Gebiet.

Watzl, B.: Fundort Pflanzenzelle. Einführung in Vorkommen, Eigenschaften und Wirkungsweise sekundärer Pflanzenstoffe. Aktuelle Ernährungsmedizin 36 (Suppl. 1) : S2-S5, 2011

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Kneipp-Journal 01-02/2012

Das aktuelle Thema

Lebensmittel ß-Carotin (mg/100 g)

Grünkohl 8,7Möhre 8,5Wirsing 4,7Feldsalat 4,0Paprika, rot 3,5Chicorée 3,4Spinat 3,3Kopfsalat 1,5Tomate 0,6Rosenkohl 0,5Brokkoli 0,3Zucchini 0,1

Tab. 3: ß-Carotin-Gehalt in Gemüse

SPS A B C D E F G H ICarotinoide ✔ ✔ ✔ ✔Saponine ✔ ✔Phytosterine ✔ ✔ ✔ ✔Glucosinolate ✔ ✔ ✔Flavonoide ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔Protease-Inhibitoren ✔ ✔ ✔Monoterpene ✔ ✔ ✔ ✔Phytoöstrogene ✔ ✔ ✔Sulfide ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔A = antikanzerogenB = antimikrobiellC = antioxidativD = antithrombotischE = Immunmodulation

F = entzündungshemmendG = Blutdruck-beeinflussendH = Cholesterin-senkendI = Blutglucose-beeinflussend

Tab. 2: Effekte von sekundären Pflanzenstoffen (SPS)

nen auch Stoffe enthält, welche den Or-ganismus bei der Abwehr von Krankhei-ten unterstützen können. Diesen Subs-tanzen schrieb er präventive und thera-peutische Wirkungen zu. Winter weist darauf hin, dass bestimmte Gemüse-pflanzen durch Kochen entwertet wer-den und damit ihre Eigenschaft als Heil-pflanze verlieren. Diesen Aspekt hält er für bedeutsam, auch wenn es um die Be-urteilung von roher Nahrung geht. Die vielfach ärztlich dokumentierte Heilkraft pflanzlicher, unerhitzter Nahrung ist wahrscheinlich zum Teil auf das Zusam-menwirken von sekundären Pflanzen-stoffen zurückzuführen.

Das Konzept der „Nahrungssynergie“

Die gesundheitsfördernden Effekte einer pflanzenbetonten Ernährungswei-se lassen sich nicht durch Einzelkompo-nenten erklären. Entscheidend ist das Zusammenwirken aller natürlich im Le-bensmittel vorkommenden Substanzen. Die daraus resultierenden additiven und synergistischen Effekte können zwar wissenschaftlich nachgewiesen, jedoch nicht verstanden, geschweige denn im Labor imitiert werden. Der Ernährungs-forscher David Jacobs von der School of Public Health der University of Minneso-ta hat in der wissenschaftlichen Litera-tur im Jahre 2003 erstmals den Begriff „food synergy“ geprägt (Synergetik: die

Lehre vom Zusammenwirken). Mit „Nah-rungssynergie“ bezeichnet er das ge-sundheitsfördernde Wirkprinzip von ge-ring bis nicht verarbeiteten Lebensmit-teln. Demzufolge ist auch eine möglichst naturbelassene, überwiegend pflanzli-che Ernährung mit größtenteils regiona-len und saisonalen Produkten die beste Voraussetzung dafür, gesundheitlich von dieser Nahrungssynergie zu profitieren und ausreichend mit sekundären Pflan-zenstoffen versorgt zu sein. Der aktuelle Trend der Pharma- und Lebensmittelin-dustrie, vermehrt Nahrungsergänzungs-mittel und funktionelle Lebensmittel mit zugesetzten sekundären Pflanzen-stoffen auf den Markt zu bringen, birgt das Risiko einer Überdosierung in sich. Es ist wissenschaftlich belegt, dass isolierte sekundäre Pflanzenstoffe dosisabhängig die Gesundheit schädigen können (siehe Tab. 4). Die Wirkungen isolierter sekun-därer Pflanzenstoffe wurden bisher nicht in Interventionsstudien am Menschen untersucht. Auch über die additiven und synergistischen Wirkungen isolierter Pflanzenstoffe ist nichts bekannt. Gesi-cherte Befunde sind die Ausnahme.

Enthalten Bio-Lebensmittel mehr sekundäre Pflanzenstoffe?

Eine häufig in den Medien themati-sierte Frage dreht sich darum, ob Bio-Le-bensmittel besser und gesünder als kon-ventionelle Lebensmittel sind. In der Re-

gel beschränkt man sich dabei auf den Vergleich des Gehalts an bestimmten wertgebenden Inhaltsstoffen. Dabei wird jedoch das Entscheidende nicht berück-sichtigt, dass nämlich Bio keine qualitati-ve Eigenschaft irgendeines Endproduktes ist, sondern als Prozessqualität verstan-den werden muss. Studien zeigen zwar, dass Bioprodukte nachweislich weniger Pestizide und durchschnittlich höhere Gehalte an Vitamin C, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen (v. a. Flavono-ide und Phenole) aufweisen als konventi-onell erzeugte Lebensmittel. Ob dies je-doch eine gesundheitliche Relevanz hat, kann nicht beantwortet werden. Aus wis-senschaftlicher Sicht ist der Grad der Ver-arbeitung das wichtigste Qualitätskriteri-um für ein Lebensmittel und nicht sein Gehalt an bestimmten Nährstoffen.

Ernährungsumstellung: Es ist nie zu spät

Sekundäre Pflanzenstoffe haben viel-fältige Wirkungen auf zahlreiche Stoff-wechselprozesse im menschlichen Orga-nismus und tragen wahrscheinlich durch ihr Zusammenwirken im natürli-chen Verbund wesentlich zur Gesund-heit bei. Gesundheitsfördernde Wirkun-gen auf das Gefäß- und Nervensystem sind belegt. Ein langfristig zu niedriger Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln (v. a. Gemüse und Obst) ist heute als po-

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Maschkowski, G.: Nahrungsergänzungsmittel. UGB-Forum 25 (1) : 6-9, 2008

Nebenwirkung Sekundäre Pflanzenstoffeprooxidativ ß-Carotin, Myricetin

erbgutschädigendQuercetin, Genistein, Coumestrol, Pyrollizidinalkaloide

leber- und nierenschädigend

bestimmte Glucosinolate, Rutin, Catechin, Pyrrolizidinal-kaloide, Aristolochiasäure,Methyloxymethanol

schilddrüsenschädigend Goitrin, Isoflavone(Genistin, Daidzein)

krebsfördernd u. krebshemmendPhytoöstrogene (Biochanin A,ß-Sitosterol, Daidzein, Genistein)

Interaktionen mit Medikamenten

Johanniskraut, Glucosinolate, Isothiozyanate

Tab. 4: Mögliche gesundheitsschädliche Wirkungen von sekundären Pflanzenstoffen

tenzieller krankmachender Faktor anzu-sehen. Zahlreiche Studien zeigen auch ein deutlich reduziertes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes und be-stimmte Krebsarten bei Menschen, die regelmäßig Vollkornprodukte verzehren. In der Iowa Women´s Health Study wur-de eine 15%ige Reduktion der Sterblich-keitsrate bei regelmäßiger Aufnahme von Vollkornprodukten festgestellt.

Wissenschaftliche Studien und Erfah-rungswerte weisen darauf hin, dass es nie zu spät für eine Ernährungsumstel-lung ist. So kann das Risiko für die Ent-stehung chronischer Erkrankungen durch einen erhöhten Konsum von Ge-müse und Obst in einem relativ kurzen Zeitraum von ca. 5 Jahren deutlich verrin-gert werden.

Die günstigen Auswirkungen einer pflanzenbetonten Ernährungsweise sind bereits innerhalb weniger Tage bis Wo-chen anhand der Veränderungen von Ri-sikofaktoren messbar (z. B. gewichts- und blutdrucksenkende Wirkung, Rückgang der Blutfettwerte). Hierfür reichen be-reits kleine Änderungen, die jedoch kon-sequent und langfristig erfolgen müs-sen. Das belegt eine Studie von Maria Conceicao de Oliveira von der State Uni-versity in Rio de Janeiro. Übergewichti-gen Damen wurde empfohlen, die Er-nährung täglich mit drei Äpfeln zu „sup-plementieren“. Nach 12 Wochen „Three-apples-a-day“ hatte die Versuchsgruppe durchschnittlich 1,22 kg an Gewicht ver-loren, Blutdruck- und Blutfettwerte wa-ren signifikant verringert.

Fazit

Alle pflanzlichen Lebensmittel sind wichtige Quellen für sekundäre Pflan-zenstoffe (v. a. Gemüse), wobei in unse-ren Gegenden besonders Hülsenfrüchte und Nüsse gering geschätzt werden. Bei-de enthalten jedoch große Mengen an bestimmten Flavonoiden und sollten nicht nur deshalb vermehrt gegessen werden. Die aktuellen Verzehrsmengen von Gemüse und Obst liegen deutlich unter den offiziellen Zufuhrempfehlun-gen (400 g Gemüse und 250 g Obst täg-lich). So verzehren Männer in Deutsch-land durchschnittlich 112 g Gemüse und

222 g Obst täglich, bei Frauen sind es 129 g Gemüse und 270 g Obst.

Sekundäre Pflanzenstoffe sind nicht die neuen Vitamine des 21. Jahrhunderts. Sie sind für die Aufrechterhaltung des Lebens nicht notwendig und führen bei langfristiger Nichtzufuhr auch nicht un-mittelbar zum Tod, wie es bei bestimm-ten Vitaminen der Fall ist. Es deutet aber

vieles darauf hin, dass deren reichliche und regelmäßige Aufnahme über die Nahrung eine wichtige Voraussetzung für beste Gesundheit im (hohen) Alter darstellt („best aging“).

Dr. oec. troph. Edmund SemlerErnährungswissenschaftler, www.academia-diaetetica.de

8 Das aktuelle Thema

Die gesundheitlichen Erfolge einer pflanzlichen Ernährung sind messbar.

Kneipp-Journal 01-02/2012

SKA-Seminar-Tipp

Schmeckt gut, tut gut und schont die UmweltErnährungserziehung in Theorie und Praxis Gesundheit kann man essen – Lebensqualität und Genuss beginnen in der Küche. Es tut Kindern gut, von Anfang an ihren Blick für die Vielfalt unserer Ernährungsmöglichkeiten zu schaffen. Über eine sinnvoll-sinnliche Ernährungs-erziehung lernen sie auf den ganzen Körper zu achten und ihm Gutes zu tun.Die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern, ihre Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie ihre Widerstandskraft gegen Krankheiten, werden entscheidend beeinflusst durch eine stimmige Ernährung. Ziel der ganzheitlichen Ernährungserziehung ist es, die Kinder Schritt für Schritt mit biologischen, ökologischen, physiologischen und psychisch-sozialen As-pekten vertraut zu machen. Herkunft, Entstehung und Zubereitung von Lebens-mitteln können kindgemäß zugänglich gemacht werden.In Kitas, Horten, Schulen und in den Familien lassen sich Wahrnehmungsfähig-keit und Sinnesfreude beim Kochen und Essen erschließen. 8 Lerneinheiten (LE)

Zielgruppe: Erzieher/in, Lehrer/in, Gesundheitspädagoge/in SKA mit dem Schwerpunkt Ernährung, Kneipp-Gesundheitstrainer/in, offen für alle Interessierten

Ort: Bad WörishofenLeitung: Henrike VogelTermin: Freitag, 24.02.2012 (09.00 Uhr bis 17.00 Uhr)Gebühr: MG 75 €, NMG 95 €, reine Seminargebühr

Nähere Informationen unter www.kneippakademie.de

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