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27 LuK KOLLOQUIUM 2006 Kupplung und Ausrücksystem – So macht das Kuppeln Spaß! Matthias Zink Markus Hausner Roland Welter René Shead

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Kupplung und Ausrücksystem –So macht das Kuppeln Spaß!

Matthias ZinkMarkus HausnerRoland WelterRené Shead

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Bereits im Kolloquium des Jahres 1998 wurde aufdie Drehmomentanstiege vor allem der Diesel-motoren durch neue Technologien (Hochdruck-einspritzung, Aufladung) im Zusammenhang mitder Modulierbarkeit von Kupplungssystemeneingegangen [1]. Die damit einhergehende Pro-blematik ansteigender Pedalkräfte bzw. Pedal-wege schien zum damaligen Zeitpunkt durch dieselbstnachstellende Kupplung (Self AdjustingClutch – SAC) auf lange Sicht gelöst zu sein. EinBlick auf den Verlauf der maximalen Drehmo-mente eines 2,0-Liter-Dieselmotors zeigt aller-dings, dass die Motormomente gegenüber demJahr 1998 durch die Weiterentwicklung der Aufla-de- und Einspritztechnologie noch einmal um ca.40 % angestiegen sind (siehe Bild 1).

Diese – im wahrsten Sinne des Wortes – starkeLeistung der Kollegen aus der Motorenentwicklunghat dazu geführt, dass innerhalb relativ kurzerZeit selbst neue und intelligente Technologienwie die der ausrückkraftreduzierten, selbstnach-stellenden Kupplungen an ihre Grenzen gelangtsind.

Hinsichtlich eines günstigen Niveaus der Betäti-gungskräfte setzt die SAC in Kombination miteiner Übertotpunktfeder (ÜTF) in der Pedalanla-

ge den Standard für heute in der Serie eingesetz-te Kupplungssysteme. In Bild 2 ist dargestellt,welche Pedalkräfte abhängig vom Motormomentderzeit notwendig sind. Für diese Auswertungwurde eine Vielzahl von Fahrzeugen untersucht.Das Streuband ergibt sich unter anderem ausunterschiedlichen Betätigungswegen zusammenmit entsprechend variierenden Übersetzungs-verhältnissen des Ausrücksystems. Die maximaleBetätigungskraft sollte zwischen 90 N und 110 Nliegen. Das entspricht bei einer SAC mit ÜTFAnwendungen bis ca. 300 Nm, die ohne Kompro-misse abgedeckt werden können.

Um dem Fahrer auch bei hohen Drehmomenteneine komfortable Betätigungskraft zu bieten,genügt es mittlerweile bei Weitem nicht mehr,sich auf Innovationen innerhalb der Kupplungalleine zu beschränken. Es ist vielmehr eineneue Gesamtbetrachtung des Systems Kupp-lung/Betätigung erforderlich.

Modulations- undBetätigungsarbeit –Stand der TechnikDas Betätigen der Kupplung ist für den Fahrerweder ergonomisch besonders günstig nochbequem. Im Gegensatz zu automatisierten Ge-

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Einleitung

Bild 1 Entwicklung des maximalen Drehmoments beim 2,0-Liter-Dieselmotor seit 1980

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trieben lässt sich dieser Kraftaufwand jedochbeim Handschalter nicht vermeiden bzw. belie-big reduzieren, da der Momentenfluss zwischenMotor und Getriebe für den Fahrer modulierbarsein muss und die Betätigungsarbeit bis zu einemgewissen Grad diese Modulation unterstützt.

Die Betätigungsarbeit am Kupplungspedal zumAusrücken der Kupplung liegt für den Fahrer beiheutigen Systemen je nach Anwendung zwi-schen sechs und zwölf Joule (Mittelwert ohneReibung), für eine Anwendung mit 300 Nmbeträgt sie beispielsweise acht Joule (Bild 3).

In erster Näherung ergibt sich empirisch ein proportionaler Bezug zwischen der Betätigungs-arbeit und der maximalen Pedalkraft. Um Opti-mierungspotenzial der Betätigungsarbeit aufzu-zeigen, muss zunächst deren Zusammensetzunganalysiert werden. Bei der nachfolgenden Betrach-tung wird von einem unendlich steifen Kupp-lungsdeckel und einem reibungsfreien Systemausgegangen.

Die Arbeit, die in der Trennstelle Motor zu Ge-triebe gespeichert ist, entspricht der Fläche unter-halb der Belagfederkennlinie und wird hier alsBezugsgröße auf 100 % gesetzt (Bild 4). Bei einem

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Bild 2 Erreichbare maximale Pedalkraft heutiger Systeme in Abhängigkeit vom Motormoment

Bild 3 Betätigungsarbeit am Kupplungspedal am Beispieleiner 300-Nm-Anwendung

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Motormoment von300 Nm entsprichtdiese Arbeit etwa 1,0Joule. Diese Arbeit istnotwendig, damit dasvon der Kupplungübertragene Momentvom Fahrer moduliertwerden kann. DieKupplungsscheibe darfalso nicht unendlichsteif sein, da sonst nureine digitale Momen-tenübertragung mög-lich wäre.

Damit die Kupplungvom Fahrer nicht zu-sondern aufgedrücktwerden kann, wird be-kanntermaßen die Be-lagfederarbeit durcheinen Energiespeicherin Form einer bauraum-günstigen Tellerfederaufgebracht. Bild 5zeigt die entsprechen-de Kennlinie. Die Flä-che zwischen Tellerfe-der- und Belagfeder-kennlinie entsprichtder Differenzarbeit,die zum Trennen derKupplung erforderlichist. Zusätzlich mussArbeit für das Lüftender Kupplung aufge-wendet werden.

Bei einer konventio-nellen Kupplung istdie Tellerfedercharak-teristik flach ausge-legt, um einen zu gro-ßen Arbeitszuwachsüber der Lebensdauerzu vermeiden. Für denNeuzustand ergibt sich dadurch prinzipbedingteine Betätigungsarbeit an der Anpressplatte inder Größenordnung von 800 %, die mit zuneh-mendem Verschleiß auf etwa 1000 % anwächst.

Ohne eine Betriebspunktverschiebung durchden Belagverschleiß kann die Tellerfederkennli-

nie dem Verlauf der Belagfederkennlinie ange-nähert werden, wodurch die Ausrückarbeit ander Anpressplatte reduziert wird.

Bei der von LuK im Jahr 1994 eingeführten SACwurde dieses Prinzip realisiert. Durch den kraft-gesteuerten Verstellmechanismus bleibt der

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Bild 5 Betätigungsarbeit einer aufgedrückten Kupplung (SAC)

Bild 6 Kräfte und Wege an den Tellerfederzungen

Bild 4 Momentenübertragung und Modulationsarbeit einer zugedrückten Kupplung

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Betriebspunkt nahezu konstant. Dadurch kanndie Arbeit im Vergleich zur konventionellenKupplung im Neuzustand deutlich auf etwa 640% reduziert werden (Bild 5) – ohne signifikantenAnstieg über der Lebensdauer. Damit vergrößertsich der Vorteil einer SAC gegenüber einer konventionellen Kupplung deutlich, wenn dieseSysteme über dem Belagverschleiß verglichenwerden.

Unabhängig davon, ob eine konventionelleKupplung oder eine SAC eingesetzt wird, sindzum Betätigen der Tellerfeder Hebel notwendig,die bei heutigen Tellerfederkupplungen durchdie Tellerfederzungen realisiert sind (Bild 6).Diese Konstruktion ist günstig hinsichtlich Kos-ten und Bauraum, ungünstig hinsichtlich Steifig-keit und damit verbundener Wegverluste beimAusrücken. Dadurch erhöht sich bei einer SACdie Arbeit auf ca. 720 %, bezogen auf die in derBelagfederung gespeicherte Energie. Für eineAnwendung mit 300 Nm sind daher zum Ausrü-cken der Kupplung ca. 7,2 Joule aufzubringen.Weitere Steifigkeitsverluste sind im Ausrücksys-tem zu lokalisieren (siehe Bild 7).

Insgesamt muss der Fahrer für ein Kupplungs-system mit SAC 800 % der Arbeit aufbringen, dieeigentlich notwendig ist, um die Momentenüber-tragung der Kupplung sicher zu stellen (Bild 7).

Wie bereits in Bild 3 gezeigt, entspricht dies füreine Anwendung mit 300 Nm einer Betätigungs-arbeit von 8,0 Joule.

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Bild 7 Kräfte und Wege am Kupplungspedal

Bild 8 Zusammensetzung der Betätigungsarbeit bei einem Kupplungssystem mit SAC

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Die eben beschriebe-ne Zusammensetzungder Betätigungsarbeitzeigt zugleich denStand der Technikauf. Sicherlich habendiese Systeme durchdie Entwicklungen in den vergangenenJahren einen hohenStandard erreicht.Dennoch ist davonauszugehen, dass einsignifikantes Potenzi-al noch nicht ausge-schöpft wird, immer-hin beträgt der Anteilder Steifigkeitsver-luste etwa 20 % dergesamten Betätigungs-arbeit (rote und gelbeAnteile in Bild 8).

Diese Verluste kön-nen zum einen durcheine konsequenteOptimierung der Ein-zelbauteile, zum an-deren durch eineOptimierung desgesamten Systemsreduziert werden.

Verlustreduzierungdurch Bauteil-optimierungWie aus Bild 8 ersichtlich, ist etwa die Hälfte derVerluste auf die Steifigkeit der Tellerfederzungenzurückzuführen. Das bedeutet, dass 10 % der Arbeitam Kupplungspedal durch diese Nachgiebigkeitverursacht werden. Es ist daher nahe liegend, die-ses Bauteil in besonderer Weise hinsichtlich mög-lichen Optimierungspotenzials zu untersuchen.

Die Einführung der Tellerfederkupplung im Jahre1962 brachte augenscheinlich ausschließlichVorteile. Bei geringem Bauraumanspruch konn-ten Federn mit nahezu konstanter Kraft und mithohen Anpresskräften dargestellt werden.

Bei der Tellerfederkupplung wird die Tellerfedersowohl für die Erzeugung der Anpresskraft alsauch zur Betätigung genutzt. Mit der Dicke derTellerfeder ist somit im Wesentlichen auch dieSteifigkeit der Zungen und damit die Steifigkeitder Betätigung definiert.

Bei den Schraubenfederkupplungen war dieseFunktionalität klar getrennt (siehe Bild 9).

Dieser Zielkonflikt zwischen Anpresskraft undBetätigungssteifigkeit lässt sich aber auch beiTellerfederkupplungen auflösen. Hierzu werdenbei LuK verschiedene Möglichkeiten untersucht.

Bearbeiteter KraftrandDurch „Schwächung“ des Kraftrandes lassensich Tellerfedern mit hoher Zungensteifigkeitdarstellen. Dies erlaubt zum Beispiel eine Anhe-

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Bild 9 Schraubenfederkupplung

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bung der Dicke der Tellerfeder um 50 % bei gleichbleibender Anpresskraftkennlinie (Bild 10).

Versteifte TellerfederDurch Zusatzelemente wird die Biegesteifigkeitder Tellerfeder erhöht. Diese Maßnahme bringtbei konsequenter Umsetzung einen Steifigkeits-gewinn von 80 % (Bild 11).

TellerfederdesignDie Dicke der Tellerfeder wird hier bezüglich derBetätigungssteifigkeit optimiert (Bild 12). DieGeometrie des Kraftrandes wird mit FE-Optimie-rungstools so definiert, dass die gewünschteAnpresskraftkennlinie dargestellt wird. Mit die-ser Maßnahme lässt sich die Dicke einer Tellerfe-der bei gleich bleibender Anpresskraftkennlinieproblemlos verdoppeln.

Verlustreduzierungdurch Gesamt-systemoptimierungDurch eine intensive Betrachtung des Gesamt-systems Kupplung und Betätigung könnenSchwachstellen aufgezeigt und bei zukünftigenEntwicklungen durch eine verbesserte Ausle-gung ersetzt werden.

Neben der klassischen Vorgehensweise in Formvon iterativen Abstimmprozessen werden beiLuK verstärkt simulationsgestützte Optimie-rungsverfahren angewendet. Eine Methode indiesem Zusammenhang ist die statistische Ver-suchsplanrechnung. Die hierbei zugrunde geleg-te Vorgehensweise wird ausführlich im Beitrag„Simulationstechnik am Beispiel des ZMS“ [2]beschrieben.

Durch diese Methode können sowohl durch vielekleine Änderungen optimierte Ergebnisseerreicht, als auch allgemeingültige Tendenzenabgeleitet werden. Ein Beispiel hierfür ist die

„Verlustreduzierung durch Steifigkeitsreduzie-rung“

eines hydraulischen Ausrücksystems. Dies istzunächst ein Widerspruch, der erst bei nähererBetrachtung verständlich wird.

Eine gängige Darstellung der Steifigkeit vonAusrücksystemkomponenten ist der Zusam-menhang zwischen der Volumenaufnahme unddem Druck. Bild 13 zeigt am Beispiel eines Zen-tralausrückers (Concentric Slave Cylinder –

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Bild 10 Tellerfeder mit bearbeitetem KraftrandBild 12 Geometrieoptimierte Tellerfeder

Bild 11 Tellerfeder mit Zusatzelementen

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CSC) schematischden Messaufbau zurErmittlung dieserCharakteristik, sowiedie dafür typischeDarstellungsform fürdas Ergebnis. DieseVorgehensweise istzur Beschreibung der Einzelkomponen-te sicherlich richtig.In Bezug auf dasGesamtsystem istdiese Betrachtungjedoch nicht uneinge-schränkt geeignet, da hier nur derZusammenhang zwi-schen Verlustweg amPedal und Ausrück-kraft der Kupplung von Bedeutung ist.

Die Volumenaufnahme von Geber- und Nehmer-zylinder wird unter anderem von der dynami-schen Dichtung beeinflusst.

Im drucklosen Zustand verbleibt ein Freiraumzwischen Dichtung und Zylinderwand. Dieserergibt sich aus der in Bild 14 gekennzeichnetenroten Fläche multipliziert mit der Dichtungslän-ge. Wird der Zylinder mit Druck beaufschlagt, sowird dieses Verlustvolumen VV zunächst von derDichtung aufgefüllt. Die Dichtung selber kann alsnahezu inkompressibel betrachtet werden. Zwi-schen der Volumenaufnahme und der Dichtungs-länge kann ein proportionaler Zusammenhangangenommen werden.

Daraus folgt unmittelbar, dass eine Vergröße-rung der Kolbenflächen eine Vergrößerung der

Volumenaufnahme zur Folge hat. Damit wird die Steifigkeit von Geber- und Nehmerzylinderbei der üblichen Darstellung zunächst herabge-setzt und die Volumenaufnahme erhöht (Bild 15).Dass damit auch ein erhöhter Verlust für dasGesamtsystem folgt, ist in Bezug auf dasGesamtsystem ein Irrtum, wie sich im Folgendenzeigen wird.

Die Eingangsgröße für das Gesamtsystem istnicht der Druck, sondern die Ausrückkraft derKupplung. Bei Vergrößerung der Flächen sinktdemnach der Systemdruck.

Ein signifikanter Vorteil wird erst klar erkenn-bar, wenn nicht die Volumenaufnahme, sondern der Verlustweg am Kupplungspedalüber der Ausrückkraft betrachtet wird (Bild 16).

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Bild 14 Verlustvolumen am Beispiel eines Zentralausrückers (CSC)

Bild 13 Messung der Volumenaufnahme von Ausrücksystemkomponenten

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Diese Erkenntnis wurde bereits anhand von Pro-totypen verifiziert. Hierbei wurden ausgehendvon einem heute üblichen System (Geberzylin-derfläche 285 mm², Nehmerzylinderfläche 775 mm²)die Zylinderflächen exemplarisch um 30 % ver-größert (Geberzylinderfläche 380 mm², Nehmer-zylinderfläche 1025 mm²). Durch diese Maß-nahme wurde der Verlustweg am Kupplungs-pedal bei einer Ausrückkraft von 2000 N von 25 mm um 30 % auf 17 mm verringert (Bild 16) –eine bemerkenswerte Verbesserung aufgrundeiner gesamthaften Betrachtung von Kupplungund Betätigung.

Hiermit kann mit einem jahrzehntelangen Irrtum– auch der Experten – aufgeräumt werden.

Die heute gängigen Flächen der Geber- und Neh-merzylinder stammen im Wesentlichen aus denstandardisierten Größen der Bremszylinder.Diese sind aber nach dieser neuen Erkenntnis inFrage zu stellen bzw. neu zu definieren.

Maßnahmen zurReduzierung derBetätigungskraftDer erste und auch nahe liegende Ansatz wurdebereits im vorangegangenen Kapitel beschrie-ben – die Optimierung des vorhandenen Systems.Nach derzeitigem Kenntnisstand kann diesesPotenzial zur Reduzierung der Betätigungskräfteum etwa 10 % bis 15 % genutzt werden, womitnun bei vertretbaren Pedalwegen und -kräftenMotormomente bis 350 Nm abgedeckt werdenkönnen. Darüber hinaus werden weiterführendeMaßnahmen erforderlich, um Betätigungskräftekleiner 110 N zu realisieren. Hierzu gibt es eineReihe von Möglichkeiten, die in den nachfolgen-den Kapiteln näher beschrieben werden:

• Arbeitsumverteilung

• Energiespeicher

• Mehrscheibenkupplung

• Fremdenergie (aktive Unterstützung)

• Clutch by Wire

ArbeitsumverteilungBei der Arbeitsumverteilung bleibt die Gesamt-arbeit konstant und wird lediglich günstiger überdem Betätigungsweg verteilt. Das Prinzip ist ein-fach: Bei niedrigem Kraftniveau soll die Arbeiterhöht werden, um sie im Bereich hohen Kraftni-veaus reduzieren zu können (Bild 17).

Insbesondere kraftreduzierte Kupplungen habenprinzipbedingt durch die Annäherung vonTeller-und Belagfederkennlinie einen starken „drop-

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Bild 15 Vergrößerung der Volumenaufnahme bei Vergrößerung der Kolbenflächen

Bild 16 Zusammenhang zwischen Pedalverlustweg und Ausrückkraft

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off“ in der Ausrückkraftcharakteristik. Daherkann mit der Umverteilung ein doppelter Effekterzielt werden, nämlich die Realisierung einerharmonischen Kraftcharakteristik sowie dieAbsenkung der maximalen Betätigungskraft.

Die technische Lösung besteht in einer variablenÜbersetzung der Kupplungsbetätigung. Bei nied-rigen Betätigungskräften wird die Übersetzungreduziert und bei hohen Betätigungskräftenerhöht. Ein Kupplungssystem bietet mit Kupp-lung, Hydraulik und Pedal drei Möglichkeiten dieVariabilität umzusetzen. Gegen eine konstrukti-ve Umsetzung innerhalb der Kupplung sprechenBauraum und Toleranzempfindlichkeit. Bei LuKwerden daher die Varianten „Variable hydrauli-sche Übersetzung“ und „Variable Pedalüberset-zung“ verfolgt.

Variable hydraulische ÜbersetzungDie hydraulische Übersetzung ergibt sich ausdem Flächenverhältnis von Nehmer- zu Geberzy-linder. Dies bedeutet, dass die Variabilität durcheine Veränderung einer der beiden Flächen als

Funktion des Kolbenhubes erreicht werden kann.Die Umsetzung im Nehmerzylinder ist allerdingsaufgrund der Toleranz- und Verschleißsituationdes Kupplungssystems nicht beherrschbar. DerGrund dafür ist, dass die Kolbenposition desNehmerzylinders über der Geamtbauteilelebens-dauer betrachtet, nicht eindeutig einer bestimm-ten Kupplungsposition entspricht. Daher wirdbei LuK der Geberzylinder mit variabler Kolben-fläche entwickelt (Bild 18). Eine Konstruktion mitbewegter Primärdichtung und variablem Zylin-derdurchmesser ist zu bevorzugen, da hierbeidie größten Drücke bei geringstem Dichtungs-spalt auftreten und dadurch die Gefahr der Spalt-extrusion minimiert wird.

Vorteile des variablen Geberzylinders sind einrelativ geringer konstruktiver Aufwand ohnezusätzliche Bauteile bei neutralem Bauraumbe-darf. Da die Variabilität durch den veränderli-chen Dichtspalt realisiert wird, sind dieser Kon-struktion Grenzen gesetzt. Die derzeit erprobteSpreizung (Unterschied zwischen größter undkleinster Übersetzung) beträgt 14 %. Da dieGesamtarbeit konstant bleiben muss, ergibt sichein Potenzial zur Kraftabsenkung von ca. 7 %.Kombiniert mit den oben beschriebenen Opti-mierungsmaßnahmen sowie einer modifiziertenÜTF können mit dieser Lösung Motormomentebis 400 Nm bei Pedalkräften kleiner 110 N abge-deckt werden.

Variable PedalübersetzungFür Motormomente größer 400 Nm ist eine varia-ble Pedalübersetzung (Variable Pedal Ratio –VPR) ein viel versprechender Ansatz. Das Prinzipist gleich dem im vorangegangenen Abschnitt,wobei mit einer mechanischen Konstruktion auf-

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Bild 17 Arbeitsumverteilung bei der Kupplungsbetätigung

Bild 18 Geberzylinder mit variablem Querschnitt

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grund einer Spreizung von bis zu 60 % mehrArbeit umverteilt werden kann. Das Potenzial zurKraftreduzierung liegt hiermit bei etwa 30 %,womit nun Anwendungen bis 500 Nm bedientwerden können.

Bild 19 zeigt einen Serienentwurf für dieseLösung. Das System besteht aus zwei am Pedalgelagerten Rollen und einer fest mit der Kolben-stange verbundenen Kulissenbahn. Beim Betäti-

gen des Kupplungspedals folgen die Rollen derKulissenbahn, wobei jede der beiden Rollen eineKraft senkrecht zur Bahn abstützen kann (Bild20). Die Wirklinien fR1 und fR2 dieser beiden Kräf-te und die Wirklinie fK der Kolbenkraft schneidensich im Kraftzentrum des Systems. Der paralleleAbstand lH (sP) der Wirklinie fK zur Pedaldrehach-se bestimmt den Hebelarm und damit die Über-setzung des Kupplungspedals in Abhängigkeitdes Pedalweges sP.

Durch die Gestaltung der Kulisse sind auf dieseWeise beliebige Übersetzungsverläufe desKupplungspedals über dem Pedalweg möglich.Es gibt jedoch konstruktive Grenzen in Form vonKolbenquerkraft, Flächenpressung und System-steifigkeit.

Bild 21 zeigt ein Beispiel für die Messung derPedalkraft mit einem Funktionsmuster. Ausge-hend von einer maximalen Pedalkraft von 200 Nund einem Drop-Off von 100 N konnte mit diesemSystem die maximale Pedalkraft auf 160 N beieinem Drop-Off von 40 N reduziert werden.

Ein günstiger Nebeneffekt zu der flacheren Pedal-kraftkennlinie ist eine ebenfalls flachere Kenn-linie des Kupplungsmomentes im Bereich zwi-schen dem Greifpunkt und etwa 100 Nm, da dorteine größere Übersetzung wirkt als bei einemvergleichbaren System ohne variable Überset-zung. Dadurch ergibt sich eine bessere Modu-lierbarkeit der Kupplung im unteren Momenten-bereich (Staufahrt oder Rangierbetrieb).

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Bild 19 Kupplungspedal mit variabler Übersetzung

Bild 20 Zusammenhang Kulissenbahn und Pedalübersetzung

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Verglichen mit der variablen hydraulischen Über-setzung steigt mit der hier vorgestellten Varianteder konstruktive Aufwand. Es sind zusätzlicheBauteile notwendig und die Anforderungen anden Bauraum und die Schnittstelle Geberzylin-der zu Pedal steigen. Um diese Anforderungenmöglichst gering zu halten, wird die von LuK ent-wickelte Variante weitgehend in den Geberzylin-der integriert. Bei der in Bild 19 dargestelltenKonstruktion muss pedalseitig lediglich einzweiter Befestigungspin vorgesehen werden.

EnergiespeicherEnergiespeicher werden im Bereich niedrigerBetätigungskräfte aufgeladen und geben ihreEnergie im Bereich höherer Betätigungskräftewieder ab. In heutigen Systemen wird diesesPrinzip in Form der Übertotpunktfeder (ÜTF) amPedal bereits häufig angewendet. Übertotpunkt-federn haben den Vorteil, dass sie im unbetätig-ten System bereits vorgespannt sind. Dadurchwird die Betätigungsarbeit nicht nur umverteilt,sondern insgesamt reduziert. Übertotpunktfe-dern haben bezogen auf den Totpunkt immereine punktsymmetrische Charakteristik, da-durch sind der Kraftkorrektur bereits prinzipbe-dingte Grenzen gesetzt. Eine Weiterentwicklunginsbesondere in Kombination mit den Anforde-rungen der SAC-Kennlinien sind zweistufige ÜTF-Kennlinien (Bild 22). Dadurch konnten bisherauch kritische Anwendungen komfortabel aus-gelegt werden. Im Hinblick auf die steigenden

Motormomente stoßen diese Systeme an ihreGrenzen. Wie eingangs erwähnt, sind bereits abeinem Motormoment von 350 Nm kaum nochPedalkräfte kleiner 110 N zu realisieren.

Bei LuK werden daher Alternativen untersucht.Das Kupplungssystem bietet hier ebenfalls dreimögliche Einbauorte: Kupplung, Hydraulik oderPedalanlage. Eine Integration in die hydrauli-sche Einheit wäre nur durch eine umfangreicheUmgestaltung möglich. Bei LuK werden daherdie Varianten „Kupplung mit Servofeder“ und„Pedalanlage mit Blattfeder, Rolle und Kulisse“verfolgt.

Kupplung mit ServofederDie Integration der Servofeder in die Kupplungbietet ein Kraftreduktionspotenzial von bis zu 20 N am Kupplungspedal und ist eine in sichautarke Lösung (Bild 23). Allerdings gehen hieralle Toleranzen der Tellerfederzungenhöhe inklu-sive Kupplungsverschleiß ein und führen zueiner großen Varianz im Kraftniveau und in derKraftcharakteristik.

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Bild 22 Pedalkraftverläufe mit ein- und zweistufiger ÜTF

Bild 21 Pedalkraftmessung mit und ohne variable Pedalübersetzung

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Pedalanlage mit Blattfeder, Rolle und KulisseBei diesem System dient eine Blattfeder, die mitdem einen Ende fest mit der Pedalbox verbundenist, als Energiespeicher (Bild 24). An dem freienEnde befindet sich eine gelagerte Rolle, die aufdie pedalseitige Kulisse drückt, womit das not-wendige Drehmoment um den Pedaldrehpunkterzeugt wird.

Im Vergleich zur konventionellen ÜTF bietetdieses System eine Reihe von Vorteilen:

• Beliebige Unterstützungscharakteristik

• Antrittskraft unabhängig von Unterstützungs-kraft

• Push-Pull-Push möglich

Bei der heute eingesetzten ÜTF ist nur eine Kraft-richtungsumkehr möglich. Vor dem Totpunkt er-zeugt die ÜTF zur Pedalrückstellung eine positiveKraft und nach dem Totpunkt zur Pedalkraftreduzie-rung eine negative Kraft. Bei dem hier vorgestelltenFedersystem kann die Kraftrichtung prinzipiellbeliebig oft umgekehrt werden (Push-Pull-Push-Funktion, Bild 24). Dadurch kann bei zu geringerRückstellkraft in ausgekuppelter Pedalpositionauch das Pedalkraftminimum angehoben werden.

Messungen mit Funktionsmustern führten zu gutenErgebnissen mit einem deutlichen Leistungsge-winn gegenüber der heute eingesetzten Übertot-punktfeder. In dem Beispiel in Bild 24 wird bei

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Bild 23 Konstruktion und Wirkungsweise der Servofeder

Bild 24 Energiespeicher mit Blattfeder, Rolle und Kulisse

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einer gewünschten Antrittskraft von 15 N das Pedal-kraftmaximum um 65 N reduziert. Bemerkenswertist hierbei, dass das System nahezu reibungsfreiarbeitet (relativ geringe Zunahme der Hysterese).

Mit diesem System können ebenfalls Anwendun-gen bis 500 Nm bei einer gewünschten maxima-len Pedalkraft von 110 N abgedeckt werden. Kon-struktive Grenzen werden durch die zulässigeSpannung in der Blattfeder und die Flächenpres-sung zwischen Rolle und Kulissenbahn gesetzt.

MehrscheibenkupplungDurch die Vergrößerung der Anzahl der Reibflä-chen lässt sich in der Mehrscheibenkupplungdie Betätigungskraft absenken. Bei einer Zwei-scheibenkupplung ist zum Beispiel die Absen-kung der Betätigungskraft bei gleichem Übertra-gungsmoment um 40 % möglich. Ein Teil deseigentlichen Vorteils wird für die Sicherstellungdes Trennens der beiden Kupplungsscheibenallerdings wieder aufgezehrt (Bild 25).

Neben den Kraftvorteilen bietet die Mehrscheiben-kupplung auch eine verbesserte Wärmekapazitätbzw. das Potenzial, die Kupplung im Durchmes-ser zu verkleinern. Axial sind ca. 20 mm mehrBauraum notwendig.

Bei LuK sind inzwischen verschiedene Zwei-scheibenkupplungen für Motormomente über500 Nm in Serienanwendung. Diese Kupplungensind ausschließlich in der bewährten SAC-Tech-nologie ausgeführt.

Fremdenergie zurReduzierung der PedalkraftLuK geht derzeit davon aus, dass bei den heuteüblichen Pedalwegen (120 … 160 mm) undKupplungsabmessungen im Pkw-Bereich fürein Motormoment von 500 Nm gerade nocheine Pedalkraft von 110 N realisiert werdenkann. Für Anwendungen oberhalb 500 Nm, beidenen eine Zweischeibenkupplung nichtumsetzbar ist, gibt es die Möglichkeit, dasKupplungspedal analog der Servolenkungaktiv zu unterstützen. Eine solche aktive Unter-stützung erfordert hohen konstruktiven Auf-wand. Mögliche Einsatzgebiete solcher ver-gleichsweise aufwändigen Konstruktionensind:

• Geforderte Pedalkräfte unter 110 N beiAnwendungen zwischen 400 Nm und 500 Nm

• Anwendungen über 500 Nm

• Verkürzung Pedalweg / Neudefinition Ergonomie

• Anwendungen außerhalb des Kfz-Bereichs(z.B. Nfz, Traktoren)

• Nachrüstung

• Sonderausstattung

Bei LuK wurde eine Vielzahl möglicher Variantenund Anordnungen für eine aktive Unterstützung

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Bild 25 Konstruktion und Kennlinien einer Zweischeibenkupplung

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untersucht. Wichtige Entwicklungsziele warenhierbei:

• Eigenständige, leicht zu adaptierende Einheit

• Geringste Schnittstellenanforderungen(Add-On)

• Funktionalität unabhängig von anderenAggregaten (z.B. Verbrennungsmotor)

• Abgrenzung von Clutch by Wire

• Erhaltung der direkten Verbindung zwischenKupplung und Kupplungspedal

Diesen Anforderungen wird das bei LuK entwi-ckelte elektrohydraulische System CSA (ClutchServo Assistance) gerecht. Hierbei handelt essich um eine elektromotorisch angetriebenePumpeneinheit, die direkt zwischen Nehmer-und Geberzylinder positioniert ist (Bild 26).

Die Einheit besteht aus Elektromotor, Elektronikund Hydraulik, wobei die Elektronik lediglich zurÜberwachung dient, um das System hinsichtlichÜberlast (Temperatur, Strom) zu schützen. Fürdie eigentliche Funktionalität wird sie nichtbenötigt.

Die Hydraulik (Bild 27) besteht aus einer Innen-zahnradpumpe, einem Regelventil und einem

Sicherheitsventil, welches eine Kupplungsbetä-tigung unter allen Bedingungen gewährleistet.

Das System hat fünf mögliche Betriebszustände:

Das System befindet sich im Ruhezustand, wennbeispielsweise der Zündschlüssel abgezogenist. In diesem Zustand ist das gesamte Systeminaktiv und stromlos. Damit hat das System kei-nen Energiebedarf und es ist keine Funktionali-tät gegeben.

Ist eine mögliche Betätigungsabsicht gegeben,befindet sich das System im Stand-By-Betrieb.Dieser Zustand ist beispielsweise dadurch defi-niert, dass sich der Zündschlüssel im Zünd-schloss befindet. Die Elektronik ist nun aktiv, derElektromotor jedoch weiterhin unbestromt.

Wird ausgehend vom Stand-By-Betrieb dasKupplungspedal betätigt, wird die Pumpe vomElektromotor angetrieben. Zunächst erfolgt biszu einer frei wählbaren Druckschwelle pS im Aus-rücksystem noch keine Unterstützung, da dasRegelventil durch eine Feder vorbelastet ist. DieSteuerkante ist noch vollständig geöffnet unddie Pumpe kann keinen Druck aufbauen.

Wird die Druckschwelle pS überschritten, erfolgteine druckproportionale Unterstützung und dasAusrücksystem wird in die Druckbereiche Hoch-

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Kupplung und Ausrücksystem 2

Bild 26 Clutch Servo Assistance (CSA) – Anordnung imGesamtsystem

Bild 27 Hydraulik des CSA

Ruhezustand Elektronik und Elektromo-tor unbestromt

Stand-By-Betrieb Elektronik bestromt, Elektromotor unbestromt

Pumpe dreht Regelventil offen

Pumpe dreht Regelventil im Betriebspunkt

Notbetrieb Betätigung über Sicherheitsventil

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druck (pNehmer) undNiederdruck (pGeber)aufgeteilt (Bild 28 undBild 29). Die Propor-tionalität wird durchden Reduktionsfak-tor k ausgedrücktund durch das Flä-chenverhältnis A2/A1

des Regelventils be-stimmt. Ist beispiels-weise eine Halbierungdes Druckniveaus ober-halb der Einschalt-schwelle pS im Geber-zylinder erwünscht,ergibt sich für das Regelventil ein Flächenver-hältnis von A2/A1 = 1/2.

Zusammenfassend ergibt sich für die Auslegungdes Regelventils die folgende charakteristischeGleichung:

Durch die beiden Parameter Druckschwelle pS

und Reduktionsfaktor k kann damit die Pedal-kraftkurve exakt auf zwei Zielwerte korrigiert

werden. Bild 29 zeigt hierfür ein Beispiel. Ausge-hend von einer maximalen Pedalkraft von 250 Nohne CSA soll dieser Wert auf einen Zielwert von120 N mit CSA reduziert werden. Für denanschließenden Pedalkraftabfall (Drop-Off) giltein Zielwert von 20 N. Diese Vorgaben konntendurch eine Einschaltschwelle von 30 N (ent-spricht einer Druckschwelle pS von 5 bar) undeinem Reduktionsfaktor von 0,4 erreicht werden.

Eine preisgünstigere Variante für den CSA ist bei-spielsweise ein Direktantrieb der Pumpe über

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2 Kupplung und Ausrücksystem

Bild 29 Messung der Pedalkraft mit und ohne CSA

Bild 28 Pumpe dreht, Regelventil im Betriebspunkt (Unterstützung)

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die Nebenaggregate. Der Vorteil hierbei ist derEntfall von Elektromotor und Elektronik, wodurchunter anderem die Systemkosten signifikantgesenkt werden können. Nachteile sind einehöhere Anforderung an die Schnittstellen zuanderen Systemen, sowie die fehlende Funktio-nalität bei nicht laufendem Verbrennungsmotor.

Clutch by WireBei modernen Motoren ist das Gaspedal nicht mehrmechanisch mit der Drosselklappe oder der Ein-spritzanlage verbunden. Stattdessen befindet sicham Gaspedal lediglich ein Sensor, der über einSteuergerät den Fahrerwunsch an einen Aktorweitergibt (elektrisches Gaspedal). Dadurch ist dieMöglichkeit geschaffen, die Motorcharakteristikbeliebig an die Fahrsituation anzupassen. Diesist mittlerweile eine Grundvoraussetzung, um dasPotenzial heutiger Motoren optimal zu nutzen undeinen komfortablen Antrieb zu gewährleisten.

Ein vergleichbares Potenzial für die Kupplungbietet ein Clutch by Wire-System (CbW, Bild 30).Dies ist die Einstiegsvariante der Familie derautomatisierten Schaltgetriebe und stellt ausSicht des Handschaltgetriebes die komplexesteVariante zur Kupplungsbetätigung dar. Beieinem CbW entfällt das Ausrücksystem als festeVerbindung zwischen Kupplung und Kupplungs-pedal und wird durch einen Pedalwegsensor, einSteuergerät und einen Aktor zur Kupplungsbetä-tigung ersetzt (Bild 30). Die Gestaltung der Betä-tigungskraft ist durch eine Pedalfeder oder einenvergleichbaren Mechanismus frei wählbar.

Damit ist eine optimale Auslegung unabhängigvom Motormoment möglich.

Um dem hohen Aufwand an Hard- und Softwaregerecht zu werden, bietet ein CbW-System viel-fältige Möglichkeiten, um den Fahrkomfort zuverbessern. Hierzu zählt insbesondere dieSchlupfregelung zur Schwingungsisolation zwi-schen Verbrennungsmotor und Getriebe, auf diein dem Beitrag „Software für automatisierteGetriebe“ [3] eingegangen wird.

Analog dem oben erwähnten elektrischen Gas-pedal, kann mit CbW ebenfalls die Momenten-charakteristik der Kupplung an die jeweiligeFahrsituation angepasst werden. Ein wichtigesBeispiel in diesem Zusammenhang ist derAnfahrvorgang, der durch das Zusammenspielvon Motormoment und Kupplungsmomentgeprägt ist. Bild 31 zeigt, wie sich in den vergan-genen Jahren die Volllastkennlinie eines 2,0-Liter-Dieselmotors verändert hat. Im Bereich derLeerlaufdrehzahl arbeiteten die Motoren damalswie heute im Saugbetrieb, womit die maximalenMotormomente bei geringen Drehzahlen nahezuunverändert sind. Die maximalen Motormomenteund damit auch die Kupplungsmomente habensich jedoch in den vergangenen Jahren verdrei-facht (siehe auch Bild 1). Dies hat zur Folge, dassbei niedrigen Drehzahlen (roter Bereich in Bild31) ein geringes Motormoment mit einem hohenKupplungsmoment kombiniert ist.

Mit einem CbW kann dieser Umstand aufgelöstwerden. Abhängig von den Informationen über

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Kupplung und Ausrücksystem 2

Bild 30 Clutch by Wire (CbW)

Bild 31 Entwicklung der Volllastkennlinien eines 2,0-Liter-Dieselmotors

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Motor- und Getriebedrehzahl wird der Zusam-menhang zwischen Pedalweg und Kupplungs-moment derart angepasst, dass Motor und Kupp-lung in jeder Fahrsituation zueinander passen.

Bei LuK wurden bereits verschiedene Fahrzeugemit CbW-Prototypen ausgerüstet und getestet.Dabei wurde durch die eben beschriebene Funktion das Anfahrverhalten im Vergleich zumkonventionellen Kupplungssystem deutlich ver-bessert.

ZusammenfassungDie hier vorgestellten unterschiedlichen techni-schen Lösungen lassen sich klar den verschiede-nen Anwendungen und Einsatzbereichen zuord-nen.

Die Einsatzbereiche ergeben sich, wie in Bild 32dargestellt, abhängig von den Werten des maxi-malen Motormoments und der gewünschtenmaximalen Pedalkraft. Die gezeigte Darstellungist durchaus als eine Empfehlung zur Industriali-sierung zu sehen, die je nach Philosophie desFahrzeugherstellers auch abweichen kann.

Kleinere Schritte lassen sich erreichen mit unab-hängiger Optimierung einzelner Komponenten.Die technisch nachhaltigen Lösungen für dieDrehmomentanstiege der kommenden Jahre las-sen sich nur über die zielgerichtete Dimensionie-rung des Gesamtsystems lösen.

Unabhängig davon, welche Variante man bevor-zugt, scheint der Aufwand zur Realisierung nied-riger Pedalkräfte bei hohen Drehmomentenzunächst recht hoch. Wenn die Fahrzeugherstel-ler aber künftig Fahrzeuge dieser Leistungsklas-se mit manuell betätigten Getrieben anbietenmöchten, muss kurzfristig mit der Entwicklungder entsprechenden Systeme begonnen werden.

Eine solche Entwicklung erfordert die engeZusammenarbeit zwischen den Entwicklern desKupplungssystems und des Fahrwerkes. LuK hatsich durch den Wechsel vom Komponenten- zumSystemlieferant genau auf diese Anforderungenbereits eingestellt. In Zusammenarbeit mit denAutomobilherstellern wird LuK deshalb auch künf-tig innovative Lösungen anbieten, die dem End-kunden trotz deutlich gestiegener Motormomenteden optimalen Betätigungskomfort bieten.

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Bild 32 Optionen und Potenziale zur Reduzierung der Betätigungskraft

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Literatur[1] Zink, M.; Shead, R.: Kupplung und Betäti-

gung als System, 6. LuK Kolloquium, 1998

[2] Fidlin, A.; Seebacher, R.: Simulationstechnikam Beispiel des ZMS, 8. LuK Kolloquium,2006

[3] Küpper, K.; Serebrennikov, B.; Göppert, G.:Software für automatisierte Getriebe , 8. LuKKolloquium, 2006

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