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Kolonialismus und Museum

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Kolonialismus und Museum

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Materielle KulturMaterielle Kultur =

Umgang mit Dingen

Museum

19. Jhd.: „Institutionelle Heimat der Ethnologie“

Kunst Bedeutung

Wahrnehmung

Handlung

Materialität

21. Jhd.: multidisziplinäres intellektuelles

Feld

Ortsbestimmung: Erste Vorlesung

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Themen der 2. Vorlesung

• Kolonialismus als Rahmenbedingung

• Museum als Ort ethnologischer Wissenschaft

• Sammeln als wissenschaftliche Methode

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1. Europäischer Kolonialismus

• 19. Jahrhundert: Großbritannien führende koloniale Weltmacht

• Aufteilung der Welt unter Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Deutschland, Spanien, Portugal, Italien

• Koloniale Imperien: aus „Entdeckungszeitalter“ im späten 15. Jhd. entstanden

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Britisches Kolonialreich 1897

• Seefahrt und Handel

• Phasen der Kolonialisierung: 1. Amerika; 2. Asien, Australien, Afrika

•British East India Company im 17. Jhd. gegründet

•1815: Sieg über Frankreich in napoleonischen Kriegen

• 19. Jhd.: Industriemacht, Aufstieg zur führenden

Kolonialmacht

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Niederländische Kolonien Ende 19. Jhd.

• Bis 17. Jhd. Niederländer „Großmacht der Meere“

•17. Jhd.: Gründung „Durch East India Company“

•19. Jhd: Indonesien, Surinam, Holländische Antillen, Teile Südafrika, Enklaven Westafrika

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Französische Kolonialgebiete 17. – 20.

Jahrhundert

• 19. / 20. Jhd.: Frankreich an 2. Stelle Kolonialmacht

•17. Jhd.: Nordamerika, Karibik (Haiti)

•Gründung „French East India Company“

•Mitte des 18. Jhd. Verlust von Kolonien an GB

•ab 1830: Invasion Algerien, Nord- u. Westafrika

• Asien (Vietnam, Cambodia)

•Südpazifik

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Deutsche Kolonialgebiete(„Deutsche Schutzgebiete“)

1871 - 1914

• Deutscher Kolonialismus mit Beginn des Deutschen Kaiserreichs (Bismarck)

• Pazifik, West Samoa

• Nordneuguinea: „Kaiser-Wilhelm-Land“

• Inselgruppe: Bismarck-Archipel

• Deutsch-Ostafrika

• Deutsch-Südwestafrika (Namibia)

• Enklave in China

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2. Museum

• Kolonialismus: Rahmenbedingung für Formierung Ethnologie als Wissenschaft

• Handlungszyklus von Ethnologen: Sammlung von Objekten, Archivierung / Klassifizierung, Darstellung / Ausstellung in Museen

• Handlungszyklus eingebettet in: Definitionen von Wissenschaftlichkeit, Konstruktionen von Ordnung, Praktiken des Reisens

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Klassifizierung und Ordnung von Objekten

Um Jahrhundertwende 19. /20. Jahrhundert:

Museum war Ort zum Studium der „Naturgeschichte der Menschheit“

Studium anhand von: materiellen Objekten

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1. Definition Museum: wissenschaftliche Funktion

"A museum is an institution for the preservation of those objects which best illustrate the phenomena of nature and the works of man and the utilisation of them for the increase of knowledge and for the culture and enlightenment of the people"

(Brown Goode, Principles of Museum

Administration, 1895)

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2. Definition Museum: soziale Funktion

"(Museums are) non-profit-making, permanent institution in the service of society and of its development, and open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates, and exhibits, for purposes of study, education, and enjoyment, material evidence of man and environment

(Handbook of Material Culture, 2006: 483)

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Museen um Jahrhundertwende

• Wissenschaftlichkeit• Laboratorien ethnologischer Forschung• Bestätigung Evolutionismus &

Diffusionismus durch Anordnung von Objekten in Museen

• Überlegenheit europäische Zivilisation: Beweis koloniale Unterwerfung anderer Völker

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Deutscher Kolonialbeamter in Deutsch-

Ostafrika, Photographie, Deutsch-Ostafrika, 1908/09

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Deutsch-Ost-Afrika, PhotopostkarteVerlag: Walter Dobbertin

Deutsch-Ost-Afrika, um 1900

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Kaiserreich: Gruß aus Kiao-Tschau

Postkarte, 1900

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Pitt Rivers Museum in Oxford

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Pitt Rivers‘ Typologische Methode, Vorannahmen:

• Evolutionistisches Paradigma in Metapher des Baumes:

• Äste und Zweige repräsentieren verschiedene gegenwärtige „Rassen“

• Stamm führt zu Zivilisation durch europäische ‚Rassen‘

• Aufgabe der ‚fortgeschrittenen Rassen‘: durch Krieg und Eroberung Technologie und Kunst zu den niederen ‚Rassen‘ zu bringen

• Australische Aborigines: Illustration der ‚primitivsten Stufe der Menschheit‘

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Methode:

• Vergleich von Artefakten mit Ziel, die Beziehungen zwischen Rassen und den jeweiligen Stand ihrer Entwicklung – immer im Abstand zur Spitze der europäischen Zivilisation - zutage zu fördern

• Objekte, z.B. Schlagstöcke und Boomerangs wurden als ‚Worte‘ufgefasst, die etwas über die Verschiedenheit der Rassen erzählten

• Ermöglichte Rekonstruktion der Geschichte der Menschheit

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Sammeln von Artefakten

• Professionalisierung des Faches Ethnologie

• Verbindung Kolonialismus und Museum

• Museum als Ort der Aufbewahrung von Artefakten: Schauplatz von nationalen Rivalitäten und Konkurrenz

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Britische Stimmen

""Germans of all classes find ethnography of great interest", and he estimated that the collections in the Berlin museum alone were "six or seven times as extensive" as those in London“

Kurator am Britischen Museum, 1898,

"in the "last twenty-five years the Berlin Museum has accumulated ethnographical collections more than ten times as large as those of the British Museum. In Germany (…) the work of collection goes on incessantly. (Yet England) with the greatest colonial empire which the world has ever seen, lags far behind"

Herausgeber einer Zeitschrift über "Native Races of the British Empire"

zit n. Penny 2002:1

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Ethnologische Museen in Deutschland / Kaiserreich

• Berlin, Hamburg, Leipzig

• Aufgabe: Artefakte in großer Zahl zu sammeln

• Bastian: das ideale ethnographische Museum sollte materielle Kulturzeugnisse aus allen Erdteilen und aus allen Zeiten der Menschheitsgeschichte enthalten

• Ethnologen sahen ihre Aufgabe darin: materielle Zeugnisse vergänglicher Kulturen vor Kolonialismus, Industrialisierung, Zivilisation zu retten: „Rettungs-Ideologie“

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Materielle Objekte ...

• waren eine Währung, um Museen und Sammler-Aktivitäten zu finanzieren

• Interesse der Stadtverwaltungen: Objekte von international anerkanntem Wert zu erhalten

• Wert geschaffen: von Autorität der Wissenschaft und Umstand, dass die prestigeträchtigsten Besitztümer solche sind, die andere Leute nicht haben können.

• Verstärkte Konkurrenz, „Sammlungswut“

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Hamburger Südsee-Expedition 1908-1910

• Leitung: Georg Thilenius, Direkter des Hamburger Museums für Völkerkunde

• "Bismarck-Archipel„& "Kaiser-Wilhelms-Land" (Nordosten Neuguinea)

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Ziele der Expedition: "Die wissenschaftliche und damit allgemeine Bedeutung des Museums kann (...) nur dadurch begründet werden, dass eine Spezialsammlung geschaffen wird, welche alle seitens der Forschung zu stellenden Anforderungen erfüllt und gleichzeitig groß und einzigartig genug ist, um sich dauernd die Beachtung und den Besuch der auswärtigen Forscher zu erzwingen.

Für die Praxis des Museums handelt es sich damit um eine Spezialsammlung, welche so vollständig ist und das zu wählende Gebiet so gründlich erschöpft, dass ein späterer von anderer Seite etwa zu planender Versuch der gleichen Art von vornherein als aussichtslos erscheinen muß"

(Thilenius 1905; zit. nach H. Fischer 1981: 29).

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Doppelmaske.

Baummark, Gras, Kasuarfedern. Sulka,

Gazelle-Halbinsel, Neubritannien. 1908

gesammelt durch die Hamburgische

Südsee-Expedition. Für diese Maske wird

zunächst ein Gerüst aus Bambusstreifen

hergestellt, auf das Wülste aus

Baummark genäht werden. Die

Mundpartien und die Flügelohren werden

aus Holz geschnitzt, die Haare mit

Kasuarfedern dargestellt. Auch der

Schirm wird aus einem Bambusgerüst

gefertigt und mit Baummarkwülsten

bezogen. Die Maske ist mit roter Farbe

bemalt, die Ornamente sind in Ocker,

Schwarz, Weiß und Türkis aufgebracht.

SAMMLUNG OZEANIEN: Hamburger Museum für Völkerkunde

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Über den Sinn der Expedition angesichts

der Zerstörung von Kulturen:"Diese überall mit tragischer Regelmäßigkeit auftretende Erscheinung lässt sich indessen für die Ziele der zuletzt auf dem Plane erscheinenden hamburgischen Expedition verwerten. Es wird sich darum handeln, eine Bevölkerung zu wählen, welche der Europäisierung zur Zeit unterliegt und dabei noch alle wichtigen Elemente ihrer Kultur bewahrt hat, andererseits doch schon so weit europäisiert ist, dass ein Wiederaufleben der alten Kultur ausgeschlossen ist. Die Expedition wird in diesem Falle ein in allen wesentlichen Zügen vollständiges Bild der Kultur heimbringen können, ohne befürchten zu müssen, dass die später etwa von einem anderen Museum unternommene Expedition nach dem gleichen Gebiete gleichwertige Ergebnisse erlangt" (Thilenius 1907, zit. n. H. Fischer 1981: 29-30).

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„Angewandte Ethnologie“

"Die Entwicklung des europäischen Einflusses auf den Inselgruppen des Stillen Ozeans und die Vertiefung unserer Kenntnisse über deren ursprüngliche Bevölkerung hat zu der klaren Erkenntnis geführt, dass der Europäer die Eingeborenen im guten und vorwiegend im schlechten Sinne europäisiert, was überall zu einem raschen Bevölkerungsrückgange führt. Ebenso klar steht die Tatsache vor uns, dass der Europäer den Eingeborenen nicht zu kultivieren vermag, aus dem einfachen Grunde, weil der Eingeborene bereits eine alte und stark spezialisierte Kultur besitzt, die sich von der unsrigen nur durch die erreichte Höhe, nicht durch die zeitliche Tiefe unterscheidet. Vernünftigerweise kann daher eine günstige Einwirkung auf den Eingeborenen nur erfolgen, wenn man dessen Kultur zum Ausgangspunkt nimmt. Die Lösung der Arbeiterfrage setzt die genaue

Kenntnis der Bevölkerung voraus, welcher die Arbeiter entnommen werden

sollen“.