Kommentar · Yearbook 7 (1976), S. 31–58; Kirsten Beißwenger, Zur Chronologie der...

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171 Abkürzungen und Siglen BG J. S. Bach’s Werke. Gesamtausgabe der Bach-Gesellschaft, Leipzig 1855– 1899 BJ Bach-Jahrbuch Hs(s), hs. Handschrift(en), handschriftlich Ms. 7 Leipziger Städtische Bibliotheken, Musikbibliothek, Sammlung Mempell-Preller, Ms. 7 NA vorliegende Neuausgabe NBA Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Kassel etc. 1954–2007 NBA IV/2 KB NBA, Serie IV, Band 2 (Die Orgelchoräle der Leipziger Originalhand- schrift), Kritischer Bericht von Hans Klotz, Kassel etc. 1957 P Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabtei- lung, Mus. ms. Bach P (Signatur für Partituren) Ped Pedal Zz Zählzeit In den Einzelanmerkungen werden die Stimmen einheitlich mit römischen Zahlen für die Systeme und nötigenfalls arabischen Zahlen für die Einzelstimmen innerhalb des Systems bezeichnet, und zwar in absteigender Folge (I 2 = 1. System, 2. Stimme). Die Angaben beziehen sich auf die Notation der vorliegenden Ausgabe. Soweit nicht anders vermerkt, beziehen sich die Einzelanmerkungen auf die Abwei- chungen der Hauptquelle vom Notentext der vorliegenden Ausgabe. Musikalisch relevante Alternativ-Lesarten werden in den Einzelanmerkungen ausge- wiesen. Allen Bibliotheken, insbesondere der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kultur- besitz, den Leipziger Städtischen Bibliotheken und dem Bach-Archiv Leipzig sei für die Bereitstellung der Quellen sowie für die Erteilung der Publikationsgenehmigung herzlich gedankt. Über das Autograph P 271 wird in der Einleitung berichtet. Ähnlich wie im ersten Teil der Hs. mit den Orgelsonaten BWV 525–530 (vgl. Bd. 5 der NA), begann Bach mit einzelnen Bifolia, wohl um jedes Stück auf einem Bogen unterzubringen, bemerkte aber schon bei BWV 651, dass er mehr Platz benötigte. Von der dritten Lage an legte er mehrere Bogen Papier ineinander und beschriftete die Lagen fortlaufend. 1 Meist beginnt also ein neuer Choral noch auf der Seite mit dem Ende des vorigen Chorals oder auf dessen Rückseite. P 271 wird den Leipziger Fassungen vorrangig zugrunde gelegt; nur bei wenigen fragli- chen Stellen mussten die Frühfassungen oder spätere Vergleichsquellen herangezogen 1 Johann Sebastian Bach, Die achtzehn großen Orgelchoräle BWV 651–668 und Canonische Veränderun- gen über „Vom Himmel hoch“ BWV 769 – Faksimile der Originalhandschrift, mit einem Vorwort hrsg. von Peter Wollny, Meisterwerke der Musik im Faksimile 5, Laaber 1999 [Wollny Faksimile], S. VIII. werden. Einige Abweichungen zur NBA ergeben sich aus der Hypothese von Hans Klotz, in den Quellen P 1109 und P 1160 hätten sich spätere Verbesserungen Bachs erhalten (siehe dazu unten). Zur Chronologie der Beschriftung siehe die Einleitung. Das Wasserzeichen des Bandes ist „M A mittlere Form“; in NBA IX/1 (Kobayashi) wird es unter Nr. 122 geführt. 2 Im Jahr 1790 wird die Quelle im Verzeichniß des musi- kalischen Nachlasses des verstorbenen Capellmeisters Carl Philipp Emanuel Bach auf S. 73 folgendermaßen erwähnt: „Sechs Trios mit 2 Clavieren und Pedal und ohngefehr 20 Vorspielen und ausgeführten Chorälen für die Orgel. Von der eigenen Hand des Ver- fassers.“ Zwischenzeitlich war möglicherweise Johann Christoph Altnickol Besitzer der wertvollen Sammlung. 3 Vergleichsquellen zu den Leipziger Fassungen P 1109, angelegt von Christian Friedrich Penzel (1737–1801). Nach Christe, du Lamm Gottes BWV 619 ( Orgelbüchlein) steht von der Hand Penzels „Lips. d. 22. Jan. 1766“. Umfangreiche Handschrift mit BWV 651–654, 656–660, 662–663, Chorälen aus dem Orgelbüchlein, aus den Schübler-Chorälen und einzelnen Orgelchorälen (darunter auch Incerta). Penzels Sammlung ging an seinen Neffen Johann Gottlieb Schuster (1765–1838) und wurde 1833 an Franz Hauser verkauft. Davon geben Nachträge eines Hauser-Kopisten (S. 72–79) und von Hauser selbst (S. 80–84) Zeugnis. 4 Penzel ist vor allem bekannt als Kopist von Kantaten; der Anlass und die näheren Umstände dieser Abschriften sind aber unbekannt. 1765 wurde er als Kantor in Merseburg gewählt, trat das Amt aber erst 1766 an. Das oben genannte Datum könnte darauf hinweisen, dass P 1109 in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Merseburg angelegt wurde. Vor dem Hintergrund der wenig zuverlässigen Kantaten-Abschriften wird man Penzels Son- derlesart in T. 88 von BWV 651 kaum Vertrauen schenken (vgl. unten zu BWV 651). 5 P 1160. 50 Variirte und Fugirte CHORALE für die Orgel mit 1 und 2 Clavieren u. Pedal, von Johann Sebastian Bach. Die Titelfassung weist auf das Angebot des Breitkopf-Kata- logs von 1764. 6 Nach Kobayashi sind die Hauptschreiber dieser Quelle professionelle Kopisten des Hauses Breitkopf, die aufgrund der sogenannten Stammhandschriften 2 Wisso Weiss und Yoshitake Kobayashi, Katalog der Wasserzeichen in Bachs Originalhandschriften, NBA IX/1, Textband, Kassel etc. 1985, S. 95–99. 3 Peter Wollny, Zur Überlieferung der Instrumentalwerke Johann Sebastian Bachs: Der Quellenbesitz Carl Philipp Emanuel Bachs, BJ 1996, S. 13. 4 NBA IV/11 (Wollny), KB, S. 176. 5 MGG 1, Art. Penzel (Dürr). Die frühere Ansicht, Penzel habe nach Harrers Tod (1755) als Praefekt Aufführungen des Thomanerchors geleitet, konnte widerlegt werden: Hans-Joachim Schulze, Studien zur Bach-Überlieferung im 18. Jahrhundert, Leipzig 1984 [Schulze Studien], S. 93f. 6 Bach-Dokumente, Bd. III, Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750–1800, vorgelegt und erläutert von Hans-Joachim Schulze, Kassel etc. 1972 [Dok III], Nr. 711, bes. S. 166. Kommentar

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Abkürzungen und SiglenBG J. S. Bach’s Werke. Gesamtausgabe der Bach-Gesellschaft, Leipzig 1855–

1899BJ Bach-JahrbuchHs(s), hs. Handschrift(en), handschriftlichMs. 7 Leipziger Städtische Bibliotheken, Musikbibliothek, Sammlung

Mempell-Preller, Ms. 7NA vorliegende NeuausgabeNBA Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Kassel etc.

1954–2007NBA IV/2 KB NBA, Serie IV, Band 2 (Die Orgelchoräle der Leipziger Originalhand-

schrift), Kritischer Bericht von Hans Klotz, Kassel etc. 1957P Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabtei-

lung, Mus. ms. Bach P (Signatur für Partituren)Ped PedalZz Zählzeit

In den Einzelanmerkungen werden die Stimmen einheitlich mit römischen Zahlen für die Systeme und nötigenfalls arabischen Zahlen für die Einzelstimmen innerhalb des Systems bezeichnet, und zwar in absteigender Folge (I 2 = 1. System, 2. Stimme). Die Angaben beziehen sich auf die Notation der vorliegenden Ausgabe.Soweit nicht anders vermerkt, beziehen sich die Einzelanmerkungen auf die Abwei-chungen der Hauptquelle vom Notentext der vorliegenden Ausgabe.Musikalisch relevante Alternativ-Lesarten werden in den Einzelanmerkungen ausge-wiesen.Allen Bibliotheken, insbesondere der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kultur-besitz, den Leipziger Städtischen Bibliotheken und dem Bach-Archiv Leipzig sei für die Bereitstellung der Quellen sowie für die Erteilung der Publikationsgenehmigung herzlich gedankt.

Über das Autograph P 271 wird in der Einleitung berichtet. Ähnlich wie im ersten Teil der Hs. mit den Orgelsonaten BWV 525–530 (vgl. Bd. 5 der NA), begann Bach mit einzelnen Bifolia, wohl um jedes Stück auf einem Bogen unterzubringen, bemerkte aber schon bei BWV 651, dass er mehr Platz benötigte. Von der dritten Lage an legte er mehrere Bogen Papier ineinander und beschriftete die Lagen fortlaufend.1 Meist beginnt also ein neuer Choral noch auf der Seite mit dem Ende des vorigen Chorals oder auf dessen Rückseite. P 271 wird den Leipziger Fassungen vorrangig zugrunde gelegt; nur bei wenigen fragli-chen Stellen mussten die Frühfassungen oder spätere Vergleichsquellen herangezogen

1 Johann Sebastian Bach, Die achtzehn großen Orgelchoräle BWV 651–668 und Canonische Veränderun-gen über „Vom Himmel hoch“ BWV 769 – Faksimile der Originalhandschrift, mit einem Vorwort hrsg. von Peter Wollny, Meisterwerke der Musik im Faksimile 5, Laaber 1999 [Wollny Faksimile], S. VIII.

werden. Einige Abweichungen zur NBA ergeben sich aus der Hypothese von Hans Klotz, in den Quellen P 1109 und P 1160 hätten sich spätere Verbesserungen Bachs erhalten (siehe dazu unten). Zur Chronologie der Beschriftung siehe die Einleitung. Das Wasserzeichen des Bandes ist „M A mittlere Form“; in NBA IX/1 (Kobayashi) wird es unter Nr. 122 geführt.2 Im Jahr 1790 wird die Quelle im Verzeichniß des musi-

kalischen Nachlasses des verstorbenen Capellmeisters Carl Philipp Emanuel Bach auf S. 73 folgendermaßen erwähnt: „Sechs Trios mit 2 Clavieren und Pedal und ohngefehr 20 Vorspielen und ausgeführten Chorälen für die Orgel. Von der eigenen Hand des Ver-fassers.“ Zwischenzeitlich war möglicherweise Johann Christoph Altnickol Besitzer der wertvollen Sammlung.3

Vergleichsquellen zu den Leipziger FassungenP 1109, angelegt von Christian Friedrich Penzel (1737–1801). Nach Christe, du Lamm

Gottes BWV 619 (Orgelbüchlein) steht von der Hand Penzels „Lips. d. 22. Jan. 1766“. Umfangreiche Handschrift mit BWV 651–654, 656–660, 662–663, Chorälen aus dem Orgelbüchlein, aus den Schübler-Chorälen und einzelnen Orgelchorälen (darunter auch Incerta). Penzels Sammlung ging an seinen Neffen Johann Gottlieb Schuster (1765–1838) und wurde 1833 an Franz Hauser verkauft. Davon geben Nachträge eines Hauser-Kopisten (S. 72–79) und von Hauser selbst (S. 80–84) Zeugnis.4 Penzel ist vor allem bekannt als Kopist von Kantaten; der Anlass und die näheren Umstände dieser Abschriften sind aber unbekannt. 1765 wurde er als Kantor in Merseburg gewählt, trat das Amt aber erst 1766 an. Das oben genannte Datum könnte darauf hinweisen, dass P 1109 in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Merseburg angelegt wurde. Vor dem Hintergrund der wenig zuverlässigen Kantaten-Abschriften wird man Penzels Son-derlesart in T. 88 von BWV 651 kaum Vertrauen schenken (vgl. unten zu BWV 651).5

P 1160. 50 Variirte und Fugirte CHORALE für die Orgel mit 1 und 2 Clavieren u. Pedal,

von Johann Sebastian Bach. Die Titelfassung weist auf das Angebot des Breitkopf-Kata-logs von 1764.6 Nach Kobayashi sind die Hauptschreiber dieser Quelle professionelle Kopisten des Hauses Breitkopf, die aufgrund der sogenannten Stammhandschriften

2 Wisso Weiss und Yoshitake Kobayashi, Katalog der Wasserzeichen in Bachs Originalhandschriften, NBA IX/1, Textband, Kassel etc. 1985, S. 95–99.

3 Peter Wollny, Zur Überlieferung der Instrumentalwerke Johann Sebastian Bachs: Der Quellenbesitz Carl Philipp Emanuel Bachs, BJ 1996, S. 13.

4 NBA IV/11 (Wollny), KB, S. 176.5 MGG 1, Art. Penzel (Dürr). Die frühere Ansicht, Penzel habe nach Harrers Tod (1755) als Praefekt

Aufführungen des Thomanerchors geleitet, konnte widerlegt werden: Hans-Joachim Schulze, Studien zur Bach-Überlieferung im 18. Jahrhundert, Leipzig 1984 [Schulze Studien], S. 93f.

6 Bach-Dokumente, Bd. III, Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750–1800, vorgelegt und erläutert von Hans-Joachim Schulze, Kassel etc. 1972 [Dok III], Nr. 711, bes. S. 166.

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Verkaufskopien anfertigten.7 P 1160 gelangte „aus dem Besitz Oleys über den Samm-ler Constantin von Werder an Hauser“.8 Inhalt: Orgelbüchlein sowie BWV 651–654, 657–659 und 664a. Oley und Hauser haben Nachträge eingefügt. Auch diese Quelle hat gegenüber dem Autograph eine Redaktion erfahren, z. B. BWV 651: Cantus-fi r-mus-Schlusstöne alle in gleicher Länge, BWV 659: sechste Note im Pedal es; BWV 658: Angabe „Pedal 4 Fuss“, hinzugefügtes Achtel in T. 5 (c. f.). Da Breitkopfs Stamm-handschrift nicht erhalten ist, lässt sich über die Provenienz solcher Varianten nichts aussagen.9

Zürich, Ms Car XV 244. Ein wichtiges Dokument zur Überlieferungsgeschichte ist, aus der Sammlung von Hans Georg Nägeli stammend, in der Zentralbibliothek Zürich erhalten. Es enthält die Choräle BWV 651–653 in einer Abschrift von Johann Heinrich Michel, dem Hamburger Hauptkopisten Carl Philipp Emanuel Bachs (siehe Faksimile S. 63). Gleich beim ersten Stück BWV 651 fällt gegenüber den beiden eben genannten Quellen auf, dass die relevanten Details genau dem Autograph – es befand sich im Besitz C. Ph. E. Bachs – entsprechen. Die Varianten in P 1109 und P 1160

büßen dadurch noch mehr an Glaubwürdigkeit ein.

Handschriften aus dem Kirnberger-Kreis. Johann Philipp Kirnberger bestellte am 10. 9. 1777 bei Breitkopf & Härtel die „Sammlung von 110 variirter und fugierter Cho-räle von 1 u. 2 Cl. u. Pd.“ und dürfte die Stammhandschrift leihweise erhalten haben.10 Die früher als „Kirnberger-Sammlung“ bezeichneten Hss. der Amalien-Bibliothek (Am.B. 46, Am.B. 47, Am.B. 72a, Am.B. 75) sind von professionellen Kopisten aus Kirnbergers Umgebung hergestellte Abschriften; sie nehmen somit einen ähnlichen Stellenwert ein wie die oben beschriebene Quelle P 1160.11

Die Quellen der FrühfassungenP 802 spiegelt die Situation in Weimar in den Jahren 1708 bis 1717 wider: Johann Gottfried Walther war Organist an der Stadtkirche, Johann Sebastian Bach am herzog-lichen Hof. Walther ist seit langem als zuverlässiger Kopist und wichtiger Gewährs-mann zur Musik der Bach-Zeit bekannt. Der junge Johann Tobias Krebs (1690–1762) nahm zunächst Unterricht bei Walther, später auch bei Bach. Die umfangreiche Quelle P 802 enthält ausschließlich Choralbearbeitungen; sie zeigt die Schriftzüge von Walther und von Johann Tobias Krebs, zudem Nachträge von Johann Ludwig Krebs, der später die Hs. von seinem Vater übernahm. Seit einigen Jahren wird P 802

in einzelnen Faszikeln aufbewahrt, so dass die Lagen der Hs. leicht erkennbar sind.

7 Yoshitake Kobayashi, Breitkopfs Handel mit Bach-Handschriften, in: Beiträge zur Bachforschung, Heft 1, Leipzig 1982, S. 84; Yoshitake Kobayashi, On the Identifi cation of Breitkopf ’s Manuscripts, in: J. S. Bach, the Breitkopfs, and Eighteenth-Century Music Trade, in: Bach Perspectives, vol. 2, Lincoln and London 1996, S. 117; Ulrich Leisinger, Peter Wollny, Die Bach-Quellen der Bibliotheken in Brüs-sel – Katalog. Mit einer Darstellung von Überlieferungsgeschichte und Bedeutung der Sammlungen Westphal, Fétis und Wagener, Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung 2, Hildesheim 1997, S. 78–84.

18 NBA IV/11, KB, S. 193.19 Zu neuen Breitkopf-Funden siehe Christine Blanken, Ein wieder zugänglich gemachter Bestand alter

Musikalien der Bach-Familie im Verlagsarchiv Breitkopf & Härtel, BJ 2013, S. 79–128.10 Dok III, Nr. 824.11 Ernest May, Breitkopf’s role in the transmission of J. S. Bach’s organ chorales, Diss. Princeton 1974, S. 119.

Besonders die von Walther geschriebenen Faszikel (siehe bei BWV 653a/b und bei BWV 665a/666a, vgl. Faksimile S. 59) scheinen ursprünglich selbständig gewesen zu sein. Im Gegensatz dazu ist die Schlussphase des Bandes (spätestens ab S. 303) zusam-menhängend: Johann Tobias Krebs kopiert nun ausschließlich große Werke von J. S. Bach, nämlich sieben der hier edierten Choräle (siehe Faksimile S. 42) und die beiden Partiten O Gott, du frommer Gott BWV 767 und Sei gegrüßet, Jesu gütig BWV 768 (kür-zere Fassung). Nach Zietz, Daw und Beißwenger12 war P 802 mit Bachs Weggang nach Köthen (1717) abgeschlossen, allerdings steht eine Erfassung aller Schriftzeugnisse von Johann Tobias Krebs noch aus; der Kontakt mit Bach brach 1717 nicht ab, schickte er doch 1726 seinen Sohn Johann Ludwig nach Leipzig zum Studium. Die im Folgen-den jeweils genannte Datierung „vor 1717“ beruht auf den Studien von Zietz, Daw und Beißwenger. Bestätigt wird diese Datierung durch eine ältere Notationsgewohnheit: in P 802 wird öfter eine erhöhte Note durch das Akzidens j aufgelöst. Diese Eigenheit verliert sich in Bachs Autographen ab etwa 1714.13

Ms. 7. Seit kurzem ist die Sammlung Mempell-Preller wieder zugänglich; sie befi n-det sich als Leihgabe der Leipziger Städtischen Bibliotheken im Bach-Archiv Leipzig. Die meisten hier herangezogenen Abschriften stammen von Johann Gottlieb Preller (1727–1786), der in den Jahren 1744 bis 1750 (eventuell 1751) das Gymnasium in Weimar besuchte, dann an der Universität Jena studierte und schließlich in Dort-mund als Landmesser, Organist und Musikorganisator eine weitreichende Tätigkeit entfaltete (siehe Faksimile S. 63). Prellers Bach-Abschriften tragen Daten von 1743 bis 1749, wodurch sich die Entwicklung seiner Schrift verfolgen lässt; die unten gegebenen Datierungen beruhen auf der chronologischen Reihung von Thomas Synofzik.14 In zwei Fällen stammt die Abschrift in Ms. 7 nicht von Preller, sondern aus dem Umkreis von Johann Nicolaus Mempell (1713–1747).

Aus der Sammlung von Johann Caspar Vogler hat sich eine Abschrift von BWV 664a erhalten – erneut eine Verbindung zu Weimar. Vogler war Bach-Schüler und sein zweiter Amtsnachfolger im Hoforganistenamt, zudem als Bürgermeister von Weimar eine geachtete Persönlichkeit. Zu seiner Sammlung sind neue Forschungsergebnisse von Peter Wollny zu erwarten.15

Für spezielle Fragen wurden fallweise weitere Quellen herangezogen (siehe besonders bei BWV 654, 655, 664, 665, 667). Nicht zur Redaktion herangezogene Quellen:

12 Hermann Zietz, Quellenkritische Untersuchungen an den Bach-Handschriften P 801, P 802 und P 803 aus dem „Krebs’schen Nachlass“ unter besonderer Berücksichtigung der Choralbearbeitungen des jungen J. S. Bach, Hamburger Beiträge zur Musikwissenschaft 1, Hamburg 1969 [Zietz 1969]; Stephen Daw, Copies of J. S. Bach by Walther & Krebs: A Study of the Manuscripts P 801, P 802, P 803, The Organ Yearbook 7 (1976), S. 31–58; Kirsten Beißwenger, Zur Chronologie der Notenhandschriften Johann Gottfried Walthers, in: Acht kleine Präludien und Studien über BACH – Festschrift für Georg von Dadel-sen, hrsg. vom Kollegium des Johann-Sebastian-Bach-Instituts Göttingen, Wiesbaden 1992 [Beiß-wenger 1992]. Zietz’ These, P 802 sei ein fortlaufend beschrifteter Band, ist wohl nicht haltbar.

13 Siehe dazu NBA I/35 (Dürr), KB, S. 40.14 Thomas Synofzik, Johann Gottlieb Preller und seine Abschriften Bachscher Clavierwerke – Kopisten-

praxis als Schlüssel zur Aufführungspraxis, in: Bach und seine mitteldeutschen Zeitgenossen, Bericht über das internationale musikwissenschaftliche Kolloquium, Erfurt und Arnstadt 2000, hrsg. von Rainer Kaiser, Schriften zur mitteldeutschen Musikgeschichte, Eisenach 2001, S. 45–64.

15 Vorgesehen für das Bach-Jahrbuch 2015.

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Brüssel, Conservatoire 15142 MSM, Faszikel 2; P 1112 (Michel); P 284 (zwei unbe-kannte Schreiber, 18. Jh.); P 311 (Wiener Kopisten, 19. Jh.); P 406 (Günsch); P 409 (Kopist Fischhofs); SA 4719 (unbekannt); Oxford, MS. M. Deneke Mendelssohn c. 55 (Schreiber Gleichauf), c.70, Faszikel 2 (Korrekturen von Mendelssohn), c. 71 (unbe-kannt); US NH LM 4704.

Der Notentext der NA lehnt sich eng an Bachs Niederschrift in P 271 an. Wie in der Einleitung dargelegt, stehen auch für die Frühfassungen sehr vertrauenswürdige Quellen zur Verfügung; so liegt es nahe, auch hier die graphische Gestaltung der NA möglichst den Manuskripten anzugleichen.

Fantasia super Komm, Heiliger Geist BWV 651P 271, S. 58–61: Über der ersten Akkolade: J. J. Fantasia sup Kom Heiliger Geist. canto

fermo in Pedal. di J. S. Bach. Vor der ersten Akkolade: in / organo / pleno. Am Schluss: Fine (siehe Faksimile S. 24).Innerhalb der Choralmelodie fi nden weiträumige Wiederholungen statt; die Zeilen-folge lässt sich folgendermaßen darstellen: a b c d / a’ b c d’ / Halleluja. In der Fassung BWV 651a hat Bach nur vier Zeilen bearbeitet: a b c d’. Wahrscheinlich um 1739/42 geschah die Erweiterung zur Fassung BWV 651, wobei Bach so viel wie möglich von dem schon vorhandenen Material verwendete.16 Neu zu komponieren waren somit ein Abschnitt in der Mitte (zweite Hälfte der Zeile d, Zwischenspiel, erste Hälfte der Zeile a’) und das Halleluja. So sind T. 12 bis T. 43 Mitte und T. 55 bis T. 86 Mitte weit-gehend identisch. Vermutlich hat Bach jeweils von der Frühfassung abgeschrieben, wobei kleine Varianten festzustellen sind. Es ist denkbar, dass die zweite Abschrift (T. 55–86a) Verbesserungen enthält, die der Komponist in T. 12–43a vielleicht noch nachtragen wollte. Die NA folgt Bachs Autograph; die Möglichkeit, die Fassungen von T. 55–86a schon beim ersten Durchgang (T. 12–43a) zu spielen, ist jedoch gegeben. Insbesondere sei empfohlen, alle Zeilenschlüsse im Pedal in der Form ganze Note + halbe Note auszuführen (so P 1160) .17

Gegenüberstellung der Abschnitte T. 12–43 und T. 55–86:Takt Stimme Bemerkung Takt Bemerkung

17 Zz1 II d1 als Viertel 60 d1 als Achtel mit Achtelpause

19 Zz 1-2 II ? b œ œ œ œ œ œ œ

62 ? b œ œ œ œ œ œ œ œ

21 Ped ganze Note 64 halbe Note + Pause21 Zz 3 I 2 f 1 Achtel mit Achtelpause 64 f 1 als Viertel28 Zz 3 I 1 zweite Note c2 71 c2 und g2 (vgl. BWV 651a),

unklar, welche Note gilt 34 Zz 4 I 2 g als Viertel 77 g als Achtel + Pause37 Ped ganze Note 80 halbe Note + Pause

16 Zum Verhältnis der beiden Fassungen siehe die Einleitung.17 Klotz (NBA IV/2) korrigiert im Gegenteil in T. 64 und 80 ganze Note + ganze Note. Bei Bachs

Revisionen ist aber eine Verkürzung von Schlusstönen fast ausschließlich zu beobachten (etwa im Trio Herr Jesu Christ, dich zu uns wend BWV 655a/655, T. 55 etc.).

Zudem fällt auf, dass in T. 55–86 öfter die Schreibweise

& b Jœœ œ œ73

und & b œ œ œ œ œ81

Anwendung fi ndet, während davor (wie auch

in der Frühfassung) die Notation mit Bogen & b œ œ œ œ œ30

und & b œ œ œ œ œ œ38

vorherrscht. Die NA übernimmt die spätere Schreibweise auch an folgenden Stellen: T. 6 Sopran, T. 14 Alt (Zeilenumbruch), T. 15 Alt, T. 21 Sopran, T. 30 Sopran, T. 33 Sopran und Tenor, T. 37 Tenor, T. 38 Sopran, T. 57 Alt, T. 58 Alt, T. 64 Sopran (Zeilenumbruch), T. 80 Tenor.

Weitere Bemerkungen:Takt Stimme Bemerkung

9 I 2 / II Zz 3 unklare Halsung ; NA dürfte Bachs Absicht ent-

sprechen, bestätigt durch P 1160 und BWV 651a.85 I 1 Zz 2 fehlt Akzidens j vor e2, wohl aus Versehen; ergänzt nach

T. 42.

88 Ped und I 2 P 1109 (Penzel): Variante

&?

b

b

œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œJœœ œ œ œb œ œ œn œ œ œ œ œ

œ œ œ œ œ œ œ œ˙ ˙

œœ œ̇

Vgl. die Bemerkungen über Penzel in der Einleitung (S. 8 und oben S. 171). Dass diese Lesart Bachs letzte Verbesserung darstelle,18 ist unwahrscheinlich.

Fantasia super Komm, Heiliger Geist, Frühfassung BWV 651aHauptquelle: P 802, S. 228–230: Fantasia super Kom Heiliger Geist J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs [1690–1762], vor 1717).Vergleichsquelle: Ms. 7, Faszikel 33: Fantasia supra / Kom heiliger Geist / di / J. S. Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller [1727–1786], vor 1749).

Takt Stimme Bemerkung

8 II Ms. 7: letzte Note h.19 II Ms. 7: vorletzte Note c1.26–27 I 1 Ms. 7: ohne Ornamente. 34 I 2 Ms. 7: Zz 4 Pause (statt Viertel g1).36–37 Ped P 802: fehlt Haltebogen.39 I 2 Ms. 7: Zz 4 vier 16tel e1-f 1-e1-d1 (statt Viertel e1).45 I/II P 802: Mittelstimmen unklar, NA nach Ms. 7.47–48 II 1 Ms. 7: Haltebogen c1-c1.

18 So Hans Klotz in NBA IV/2, KB, S. 14.

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Komm, Heiliger Geist BWV 652P 271, S. 62–66: Über der ersten Akkolade: Komm Heiliger Geist. alio modo. à 2 Clav.

et Ped. di J. S. Bach. Am Schluss: Fine.Zu den Verzierungen vergleiche man den Abschnitt in der Einleitung. Im Gegensatz zu BWV 651 hat Bach hier schon in der Frühfassung alle neun Zeilen der Choral-melodie bearbeitet. Von der Möglichkeit, bei Wiederholung der Choralmelodie auch den ganzen Satz zu wiederholen, macht er nur bei Zeile c Gebrauch (T. 42–66 = T. 124–148). Wieder gibt es dabei einige Differenzen:

Gegenüberstellung der Abschnitte T. 42–66 und T. 124–148:

Takt Stimme Bemerkung Takt Bemerkung

42 II 2 g als halbe Note 124 g halbe Note korrigiert in Viertel Ped g halbe Note korrigiert zwei Viertel g-G

in Viertel46 II 1 Zweite Note Achtel e1 128 Zwei 16tel cis1-h (Korrektur autograph)

56 II &?

##

.œ Jœ œ#œ œ .œm œ œœ œ ˙

œ œ ˙

138 &?

##

.œ œ# œ œœ œ .œ œ œœ œ ˙

œ œ ˙

vgl. dazu auch die Frühfassung, T. 55 und 134 &?

##

.œ Jœ œ#œ œ .œ jœœ œ ˙

œ œ ˙

Weitere Bemerkungen:Takt Stimme Bemerkung

19 I Zz 2–3: Trillerzeichen in zwei Teilen, nach der (normalen) kür-zeren Wellenlinie setzt Bach nochmals an, um die ganze Noten-dauer abzudecken. Bisherige Ausgaben lesen die zweite Hälfte als Legatobogen.

36 I Zz 1: Legatobogen vielleicht späterer Nachtrag.118 II 2 3. Note: verdickter Notenkopf, ante correcturam wohl Achtel g1

(vgl. BWV 652a).189–190 II 2 Versehentlich auch fi s-g mit Bogen.

Komm, Heiliger Geist, Frühfassung BWV 652aHauptquelle: P 802, S. 303–309: Kom Heiliger Geist, Herre Gott, a 2 Clav. è Ped: J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717, siehe Faksimile S. 42).Vergleichsquelle: Ms. 7, Faszikel 34: Kom heiliger Geist, / HERRE GOTT / à / 2 Clavier

et Pedal / di / Giov: Bast: Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, vor 1749; auf dem Titelblatt Namenszug Preller).Zur Anlehnung an die französische Sarabande siehe die Einleitung. Ob eine Verzie-rung mit großen oder kleinen Noten notiert wird, ist zwischen P 802 und Ms. 7 gele-

gentlich kontrovers; die NA folgt P 802. Insgesamt sind die Verzierungen in Ms. 7

etwas weniger zahlreich.

Takt Stimme Bemerkung

1 II Ms. 7: punktierte Viertel e1–Achtel d1–Viertel c1 (übrige Themen in normaler Form).

19 I Ms. 7: Zz 1, zwei Achtel (ohne Punktierung).62/141 I Ms. 7: Zz 1 ohne kleine Nötchen.86 II 1 Ms. 7: Zz 2–3 punktierte Viertel und zwei 16tel.165 II 2 Legatobögen nach Ms. 7 (in P 802 zusätzlicher Bogen Zz 1).186 II 3 Ms. 7: Zz 1 d1 (statt c1, ohne Haltebogen von T. 185).

An Wasserfl üssen Babylon BWV 653P 271, S. 66–67: Vor der ersten Akkolade (drittes System S. 66): An Wasser / fl üßen /

Babylon / a 2 Clav. / et / Pedal di / J. S. Bach. Am Schluss: Fine.Zu den Verzierungen vergleiche man den Abschnitt in der Einleitung. Die Länge der französischen Trillerzeichen wird, soweit es klar ersichtlich ist, nach dem Autograph wiedergegeben. Im Zweifelsfall gilt die Regel: kürzere Note – kürzeres Trillerzeichen; längere Note – längeres Zeichen. Fehlerfreie Niederschrift.

An Wasserfl üssen Babylon, Doppelpedal-Fassung (Frühfassung) BWV 653b und vierstimmige Frühfassung BWV 653aHauptquellen: P 802, S. 293–300: Am Waßerfl ußen Babylon. Vers 1 à 5 con 2 Clav: è

doppio pedale. di J. S. B. / vers 2 a 4 con 2 Clav: è simp: Ped: (Schreiber: Johann Gottfried Walther [1684–1748], vor 1717, Schriftstadium III19; siehe Faksimile S. 59). Die zwei Lagen waren ursprünglich selbständig; auf der letzten Seite beginnt ein Vers aus Georg Böhms „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“, der vermutlich auf einem anderen Blatt fortgesetzt wurde. Die Seitenzahl 296 ist falsch platziert (fremder Schreiber), so wurde S. 295a notwendig, dafür fehlt eine Seite mit der Nummer 301. BWV 653b nimmt 3½ Seiten ein, auf S. 296 beginnt BWV 653a, die Rückseite ist rastriert, aber leer (wegen starkem Durchschlag der Tinte), ebenso S. 299. Ms. 7, Faszikel 31: Am Waßer Flüßen Babylon / 1) à 5, con 2 Clavier / e doppio Pedale. /

2) à 4. con 2 Clavier / e simpl: Pedale / da / Giov: Bast: Bach. (Schreiber: Johann Gott-lieb Preller, vor 1749).Beide Quellen notieren die Fassungen in der Reihenfolge BWV 653b – BWV 653a (vgl. dazu die Einleitung). Hans Klotz hat festgestellt, dass BWV 653b in P 802 durch Überschreiben „normalisiert“ worden ist.20 Hauptquelle für BWV 653b ist deshalb Ms. 7 (die ursprünglichen Fassungen sind in P 802 teilweise unter den Rasuren erkenn-bar). Einige Korrekturen lassen die Schrift von Johann Ludwig Krebs erkennen; die bearbeitete Fassung steht auf der CD-ROM zur Verfügung, wo auch genauer berichtet wird.

19 Beißwenger 1992 (wie Anm. 12), S. 28.20 NBA IV/2, KB, S. 68.

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175

Im Pedal wird in der Fassung BWV 653b die Taste e1, in der Fassung BWV 653a die Taste es1 verlangt. Das entspricht der von Bach gespielten Orgel in der Weimarer Schlosskirche.21

Doppelpedalfassung BWV 653bTakt Stimme Bemerkung

5 II 2 Ms. 7: letzte Note a1 (statt g1).25–26 Ped 1 Ms. 7: fehlt Haltebogen.

Vierstimmige Fassung BWV 653aP 802: vor dem oberen System piano, vor dem mittleren System forte, vor dem unteren System pedale.

Takt Stimme Bemerkung

35 II Ms. 7: Zz 1 Bogen über drei Noten (c1-d1-e1).65 I 1 P 802: fehlt Bogen e2-e2.

76 I 1 Ms. 7: letzte Note fi s1.

Schmücke dich, o liebe Seele BWV 654P 271, S. 68–70: Vor der ersten Akkolade (zweites System S. 68): Schmücke / dich, o liebe

/ Seele. / a 2 Clav. et / Pedal. / di J. S. Bach. Am Schluss: Fine.Zu den Verzierungszeichen vgl. die Bemerkung zu „An Wasserfl üssen Babylon“ BWV 653 und den Abschnitt Zu den Verzierungen in der Einleitung. Fehlerfreie Nieder-schrift.

Fantasia super Schmücke dich, o liebe Seele, Frühfassung BWV 654aHauptquelle: P 802, S. 332–335: Fantasia super. Schmücke dich ò liebe Seele a 2 Clav: è

Ped: / J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717).Vergleichsquellen: Ms. 7, Faszikel 39: Schmücke dich o liebe Seele, / à / 2 Clavier et Pedal.

/ di / Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, vor 1749, siehe Faksimile S. 63).P 291, Faszikel 4: Veränderung / über den / Choral / Schmücke dich ô liebe Seele. ex Dis

maj: / à 2 Claviere et Pedale. / von / Herrn / Johann Sebastian Bach / verfertiget. (Kittel-Schule, um 1800). In der NBA erscheinen mehrere Legato-Bögen (T. 24, 46, 55) und Verzierungszeichen, deren Herkunft nicht nachgewiesen wird.22 Die NA folgt konsequent P 802, wobei freilich spezielle Zeichen (wie T. 15, Zz 2) kaum im Druck wiederzugeben sind. Die „accente“ in T. 27, 55 und 67 tragen zusätzlich einen Legato-Bogen. Aus weiteren Abschriften gewinnt man den Eindruck, manche Spieler hätten ihre eigenen Ideen zur Ornamentik zu Papier gebracht, was im Sinne der Zeit selbstverständliches Recht jedes

21 Winfried Schrammek, Orgel, Positiv, Clavicymbel und Glocken der Schloßkirche zu Weimar 1658 bis 1774, Bericht über die Wissenschaftliche Konferenz zum V. Internationalen Bachfest Leipzig 1985, Leipzig 1988, S. 99–111, hier S. 102. Christoph Wolff, Markus Zepf, Die Orgeln J. S. Bachs – Ein Handbuch, Edition Bach-Archiv Leipzig 2006, S. 105.

22 Siehe dazu Zietz 1969 (wie Anm. 12), S. 142f.

Ausführenden war. Der Kopist von P 291 (Kittel-Schule) setzt gern kompliziertere Triller-Zeichen %mmtm und Bmtm , etwa in T. 12 und 67; Johann Andreas Dröbs (P 1111)

ergänzt (durchaus sinnvolle) Legato-Bögen in T. 55, fühlt sich aber auch berechtigt, in T. 89 die Oberstimme zu vereinfachen.

Takt Stimme Bemerkung

67 I P 802 und Ms. 7: Die leicht nach rechts gerückte Position des Trillers deutet vielleicht an, nach dem „accent“ das g1 einen Moment klingen zu lassen, dann erst den Triller zu beginnen.

Trio super Herr Jesu Christ, dich zu uns wend BWV 655P 271, S. 70–73: Vor der ersten Akkolade (zweites System S. 70): Trio sup / Herr Jesu Xst

/ dich zu uns wend. / a 2 Clav. et / Pedal di / J. S. Bach. Am Schluss: Fine.Fehlerfreie Niederschrift.

Trio super Herr Jesu Christ, dich zu uns wend, Frühfassung BWV 655aHauptquelle: P 802, S. 316–321: Trio Super Herr Jesu Christ dich zu uns wend. à 2 Clav:

et Ped: J. S. Bach (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717).Vergleichsquellen: Ms. 7, Faszikel 32: Trio super, Herr Jesu Christ dich zu uns wend / à 2

Clavier et Pedal di Joh: Seb: Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, um 1747). Leipzig, Bach-Archiv, Rara I b, 9: Trio. Herr Jesu Christ dich zu uns wend, à 2 Clavier.

Pedal. di Sig: Bach. (Sammlung Scholz, unbekannter Schreiber, wohl vor 1750).P 1009, Faszikel 1: (am oberen Blattrand beschnitten) â 2 Clav. et Choral / in Pedal. ex

G K / di Joh: Seb: Bach. (Schreiber unbekannt, Kittel-Schule um 1800). P 1009 ist reicher ornamentiert, oft aber mit M, wo N zu erwarten wäre.

Takt Stimme Bemerkung

1 Ms. 7 und Rara I b, 9: Taktzeichen Á. Das Zeichen À wird durch Bachs Weimarer Autograph des Trios Nun komm der Heiden

Heiland BWV 660a bestätigt (siehe dort).27–29 Ped Ms. 7: versehentlich Bass von T. 30–32 schon hier notiert.31 II Unsicherer Text, verursacht durch Schlüsselwechsel (wohl schon

in Bachs verlorenem Autograph); P 802: Zz 4 Rasur, durch Überschreiben sind die Notenköpfe c1-h-a klar erkennbar, nicht aber die Akzidentien; Ms. 7: ais-gis-fi s; P 1009: a-g-fi s; Rara I b,

9: gis1-fi s1-e1. In Anbetracht der gegenüber P 271 abweichenden Pedalstimme ist cis1-h-ais (P 802 mit Ergänzung der Akzidentien) am passendsten. Melodisch überzeugend ist auch die Höher-legung der Figur (Rara I b, 9), wobei statt gis1 besser g1 zu spielen wäre.

37 I Ms. 7: zweite Note c2. II P 1009: langes Trillerzeichen auf d1.67 II P 802: Zz 2 dis2 als Nachtrag von späterer Hand; Ms. 7 bestätigt

d2.

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Zwei kürzere, bearbeitete Versionen (früher BWV 655b und 655c) galten seit der BG – wohl zu Unrecht – als „ältere Fassungen“.23 Die älteste Quelle der Fassung BWV 655b stammt von dem Nürnberger Papierwarenhändler, Organisten und Bach-Verehrer Leonhard Scholz, dessen Bearbeitungspraxis aus vielen verwandten Fällen bekannt ist.24 Reinmar Emans hat weitere Trios aus der Sammlung Scholz als Varianten von BWV 655 bezeichnet;25 trotz des kurzen Anklangs zu Beginn haben sie als selbstän-dige Kompositionen, wahrscheinlich von Scholz selbst, zu gelten. BWV 655b wird auf der CD-ROM mitgeteilt; über die Quellen und die genannten Stücke gibt der Kommentar zur CD-ROM nähere Auskunft.

O Lamm Gottes, unschuldig BWV 656P 271, S. 73–76: Vor der ersten Akkolade (zweites System S. 73): O Lam Gottes /

unschuldig. / 3 Versus. / di / J. S. Bach. Unter dem Schlussakkord: Fine.

Takt Stimme Bemerkung

13 II Zz 2: h vor der letzten Note fehlt, NA nach P 802 und Ms. 7.36 I 2, I 3 Zz 2: halbe Noten a1 und e1 zu Vierteln verdickt, Viertelpausen

ergänzt (autograph); es sollte wohl auch die ganze Note cis2 (I 1) um ein Viertel kürzer gespielt werden (so Ms. 7).

51a I 2 Zz 2: halbe Note a1 zu Viertel verdickt (autograph); vgl. T. 36.94 I 2 letzte Viertelnote Korrektur; wahrscheinlich zuerst fi s1, dann

korrigiert zu gis1 (der Notenkopf gis1 ist dicker). fi s1 fügt sich harmonisch unproblematisch ein (so P 802 und Ms. 7), gis1 ist spannungsvoller.

101–104 Die von Bach intendierte Stimmführung ist aus der Halsung nur annähernd zu erschließen.

O Lamm Gottes, unschuldig, Frühfassungen BWV 656aP 802, S. 310–315: O Lamb Gottes unschuldig J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717).Ms. 7, Faszikel 38: O Lam Gottes. dà / J. S. Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, vor 1749). Diese von Thomas Synofzik erstmals publizierte Fassung steht auf der CD-ROM zur Verfügung.26

23 BG, Jg. 25.2, S. 159–161. Die BWV-Nummern nach der 1. Aufl age (1950); da die Stücke in NBA IV/2 als unecht ausgeschieden wurden, fehlen die Nummern BWV 655b und c in den neueren Aufl agen des BWV.

24 Christine Blanken, Orgelwerke der „Sammlung Scholz“ in ihrer Beziehung zu Nürnberger Instrumenten, in: Vom Klang der Zeit – Besetzung, Bearbeitung und Aufführungspraxis bei Johann Sebastian Bach, Klaus Hofmann zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 2004, S. 44–68.

25 Johann Sebastian Bach, Orgelchoräle zweifelhafter Echtheit – Thematischer Katalog, zusammengestellt von Reinmar Emans unter Mitarbeit von Michael Meyer-Frerichs, Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen 1997, S. 46–47.

26 Neues aus Bachs Werkstatt – Die Choralbearbeitung „O Lamm Gottes unschuldig“ aus der Sammlung Mempell-Preller, kommentiert und hrsg. von Thomas Synofzik, Concerto Jg. 17, Heft 155, S. 26–35.

Zum mutmaßlichen Zusammenhang der drei Fassungen vgl. die Einleitung. Auf eine frühe Entstehung weist vor allem das partitenartige Motiv von Vers 1.27 Das Verhältnis von Ms. 7 und dem Leipziger Autograph wird weiter zu diskutieren sein.

Fassung nach P 802

Takt Stimme Bemerkung

36 II Die Fermate unter der halben Note a sagt aus, dass Vers 1 einzeln gespielt werden und hier abgeschlossen werden kann. Der Ver-merk „V. 2“ (Vers 2) steht am Ende dieser Seite (Seitenumbruch vor T. 37).

51a I 2, I 3 halbe Note a1 zu Vierteln verdickt, vermutlich spätere Korrektur nach P 271.

63–64 Mit Vers 3 beginnt eine neue Seite; die halbe Note A (Pedal) steht nicht unter dem Schlussakkord von Vers 2, sondern auf der neuen Seite. Wieder deutet die Notation an, dass die Verse einzeln spielbar sind. Neun Achtel im 3/2-Takt ist eine ältere Schreibweise, wie sie auch bei In dulci jubilo BWV 608 (Orgel-

büchlein) verwendet wird. Kein Tempounterschied zur Notation 9/4 in BWV 656.

Nun danket alle Gott BWV 657P 271, S. 76–78: Über der ersten Akkolade: Nun dancket alle Gott. a 2 Clav. et Ped.

Canto fermo in Sopran di J. S. Bach. Am Schluss: Fine.Zur Notation des Autographs vgl. die Einleitung; die NA verzichtet darauf, dem c. f. ein eigenes, nur für ihn reserviertes System zu geben. Man beachte, dass der Alt nie höher liegt als der Sopran (im Unterschied etwa zu BWV 652 und 654). In P 1109 (Penzel) Notation auf drei Systemen.

Takt Stimme Bemerkung

10 Ped vierte Note zuerst g (nur schwach durchstrichen), korrigiert in c.19b I 1 Zeilenumbruch zwischen Zz 1 und 2. Auf der oberen Zeile

zunächst halbe Note, korrigiert in Viertel; auf folgender Zeile angebundene halbe Note. Vielleicht Schlussnote als halbe Note gedacht (so in P 1109); vgl. P 802.

49 I 2 Zz 4, 2. Note: Bach schrieb zunächst e1, setzte dann mit star-kem Federdruck ein Aufl ösungszeichen darüber, daneben den Notenkopf f 1; vgl. P 802.

Nun danket alle Gott, Frühfassung in P 802, S. 94–97: Nun danket alle Gott. a. 2.

Clav. è ped: J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717). P 802 zeigt gegenüber P 271 so geringfügige Varianten, dass dafür keine eigene BWV-Nummer gegeben wurde und ein eigener Abdruck unnötig ist. Notation auf zwei Systemen. Abweichungen von BWV 657:

27 Jean-Claude Zehnder, Die frühen Werke Johann Sebastian Bachs – Stil, Chronologie, Satztechnik, Schola Cantorum Basiliensis Scripta 1, Basel 2009, S. 320.

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Takt Stimme Bemerkung

2 II Zz 4: ohne Triller.17 I 1 ohne Triller.19a, 19b I Schlusston des c. f. als ganze Note.22 II Zz 4: ohne Triller.23 I Zz 2: ohne Triller.29 II Zz 2: N auf cis1.49 I 2 Zz 4: 2. Note e1 (vgl. BWV 657).

Von Gott will ich nicht lassen BWV 658P 271, S. 78–79: Über der ersten Akkolade: Von Gott will ich nicht [Abbreviatur] lassen.

Canto fermo in pedal. di J. S. Bach. Am Schluss: Fine. Oberes System im Violinschlüs-sel. Fehlerfreie Niederschrift.

Takt Stimme Bemerkung

4 Ped P 1160 (Breitkopf-Kopist): Vermerk Pedal. 4 Fuß. Vgl. die Einlei-tung.

5 Ped P 1160 (Breitkopf-Kopist): Zz 4 zwei Achtel b-as (statt Viertel b). Dass diese Lesart Bachs letzte Verbesserung sei,28 ist unwahr-scheinlich.

11–12 II Der Übergang zur Wiederholung ist mit einer klein geschriebe-nen Note as und einem Kustos zu f nicht leicht verständlich; erst die NBA hat dies richtig aufgelöst.

Fantasia super Von Gott will ich nicht lassen, Frühfassung BWV 658aHauptquelle: P 802, S. 340–342: Fantasia super. Von Gott will ich nicht lassen. / J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717). Oberes System im Violinschlüssel.Vergleichsquelle: Ms. 7, Faszikel 40: Fantasia super / Von Gott will ich nicht laßen / di

/ J. S. Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, vor 1749). Oberes System im Violin-schlüssel.

Takt Stimme Bemerkung

1 I 1 Ms. 7: Zz 4 Viertel b1 (statt zwei Achtel b1-as1).9 I 1 P 802: Zz 3–4 Haltebogen es2-es2; Zz 4 Haltebogen des2-des2; NA

nach Ms. 7. 9–10 I 1 P 802: fehlt Haltebogen des2-des2.

Nun komm der Heiden Heiland BWV 659P 271, S. 79–81: Vor der ersten Akkolade (vorletztes System S. 79): Nun Kom / der

Hey= / den Hey= / land. / a 2 Clav. / et Ped. / di /J. S. Bach. Am Schluss: Fine.

28 So Hans Klotz in NBA IV/2, KB, S. 14.

Zu den Verzierungen vergleiche man den Abschnitt in der Einleitung. NA übernimmt die originale Schreibweise des Titels ohne Komma: „komm“ ist nicht als Imperativ, sondern als Bitte („möge kommen“) aufzufassen. Gleich zu Beginn fallen zwei feh-lende Akzidentien (T. 1 und 4) auf, die aber in fast allen Abschriften und Ausgaben ergänzt wurden.

Takt Stimme Bemerkung

1 Ped 6. Note: fehlt Akzidens j vor e; Korrekturvorschlag nach P 802, Ms. 7, P 1109, P 1160.

4 I Zz 4: 1. Note, fehlt k vor f 1; Korrekturvorschlag nach P 802 und nach der 4. Choralzeile (T. 28, mit der 1. Zeile identisch).

7 II Zz 2: im Akkord nach der Pause steht zusätzlich ein Notenkopf auf d1 (ohne eigenen Notenhals), wahrscheinlich Korrektur von d1 zu b.

Fantasia super Nun komm der Heiden Heiland, Frühfassung BWV 659aHauptquelle: P 802, S. 337–339: Fantasia super Nun kom. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717).Vergleichsquelle: Ms. 7, Faszikel 35: Fantasia super / Nun kom der Heyden / Heyland /

di / J. S. Bach. (Schreiber unbekannt; Kopist aus dem Umkreis Johann Nicolaus Mem-pells [1713–1747]).

Takt Stimme Bemerkung

4 I Ms. 7: zusätzlich zum Doppelschlagzeichen vier kleine Nöt-chen a1-g1-fi s1-g1 (vgl. Einleitung S. 14); P 802 singuläre Form des Doppelschlagzeichens.

7 I Zz 4: Verzierung nach Ms. 7; in P 802 Bogen und N als Nach-trag.

Trio super Nun komm der Heiden Heiland BWV 660P 271, S. 81–82: Vor der ersten Akkolade (zweites System S. 81): Trio sup / Nun Kom

der / Heyden Heyland / a due Baßi / è canto fermo / di / J. S. Bach.

Takt Stimme Bemerkung

21 II Vorletzte Note ohne k entgegen den bisherigen Ausgaben; so auch die Frühfassung. Das f betont die Zieltonart B-dur (T. 22). Nur P 1109 (Penzel) schreibt fi s.

27 Ped Zz 1: das ursprünglich notierte g wurde ausgekratzt und durch b

ersetzt; die Lesart b widerspricht der normalen Gestalt des Cho-ralthemas. NA nach der Frühfassung und nach P 1109.

36 I Verzierung auch als %mmm lesbar.

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Nun komm der Heiden Heiland, Frühfassung BWV 660aHauptquelle ist das Weimarer Autograph P 271 Anhang (S. 107–110). Titelseite: Nun

komm der Heyden Heyl: / â 2 Clav: et Ped: / di / Joh: Seb: Bach. Über dem ersten Noten-system eine fast identische Titelformulierung (siehe Faksimile auf S. 107). Der Anhang wurde erst später mit dem Hauptteil von P 271 vereinigt. Vergleichsquelle: P 802, S. 182–184: Nun kom der Heyden Heyland, a 2 Clav: et Ped:

J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717). J. T. Krebs reproduziert die Eigen-heiten von P 271 Anhang getreulich.Weitere Quellen: Ms. 7, Faszikel 36 ( J. G. Preller), P 603 ( J. F. Hering), Mus. ms.

22541/1 ( J. G. Walther, Kopie nach P 802); Mus. ms. 22541/2 ( J. G. Walther).

Das Taktzeichen À gebraucht Bach von etwa 1710 bis 1730 zur Bezeichnung eines fl ießenden, wenig akzentuierenden Concerto-Charakters. Auch in den Orgel-Sonaten (vgl. NA, Band 5) und in den Brandenburgischen Konzerten sind viele Allegro-Sätze so bezeichnet. Geht man von der Angabe Kirnbergers aus, dass im Á-Takt auch die Achtel einen leichten Nachdruck (eine leichte Akzentuierung) erhalten, so zeigt das Zeichen À mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass dieser „leichte“ Nachdruck nicht auf die Achtel, sondern auf die Viertel gelegt werden soll. In der Leipziger Fassung BWV 660 kehrt Bach zum normaleren Á zurück.

Takt Stimme Bemerkung

19 I Zz 1–2: Legatobogen in P 271 Anhang als Nachtrag (fehlt in P 802).

21 II Vgl. BWV 660; vorletzte Note f in P 802, Ms. 7, Mus. ms. 22541/1. 34 I Zz 1–2: siehe T. 19.42 Über und unter dem Schlussstrich fermatenartiges Zeichen, eher

graphischer Schmuck als Fermate.

Die früher als BWV 660b bezeichnete Fassung, in der die Choralmelodie ins Pedal verlegt und dekoloriert wird, ist in P 802 von der Hand Johann Tobias Krebs’ über-liefert. Auch wenn Zweifel an ihrer Authentizität bestehen, dürfte Bach sie zumindest gekannt haben. Sie steht auf der CD-ROM zur Verfügung.

Nun komm der Heiden Heiland BWV 661P 271, S. 82–84: Vor der ersten Akkolade (vorletztes System S. 82): Nun Kom der / Hey-

den Heyland / in Organo / pleno. Canto fermo in Pedal / di / J. S. Bach. Am Schluss: Fine.Ausnahmsweise schreibt Bach hier ein drittes System für den Pedal-Cantus-fi rmus; noch die Frühfassung kommt mit zwei Systemen aus. Selten ist auch die Verwendung des Violinschlüssels im oberen System. Fehlerfreie Niederschrift.

Takt Stimme Bemerkung

83–84 I 1, I 2 Der Haltebogen vom g1 im T. 83 (Sopran) zum g1 in T. 84 (Alt) ist eines der wenigen Beispiele von notes communes in Bachs Autographen (in NBA eliminiert).

Nun komm der Heiden Heiland, Frühfassung BWV 661aHauptquellen: P 802, S. 286–287: Nun kom der Heyden Heyland J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717). Ms. 7, Faszikel 37: Nun komt der Heyden / Choral in Pedal / di / J. S. Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, vor 1749). In P 802 fi nden sich zahlreiche Rasuren; durch Überschreiben wurden die späteren Fassungen eingetragen.29 Die Lesarten ante correcturam sind noch erkennbar und

werden durch Ms. 7 bestätigt.Weitere Quellen: Mus. ms. 22541/1 (Walther, Kopie nach P 802); Mus. ms. 22541/2

(Walther).

Takt Stimme Bemerkung

3 I 1 P 802: Zz 4 Version der Fassung BWV 661 (a-f-g-e) als Über-schreibung; so auch beim weiteren Auftreten des Kontrasub-jekts.

19–20 II 2 Ms. 7: Haltebogen g-g. 25 I 2 Zz 1–2: Ms. 7 statt Viertel b1 zwei Achtelpausen.

Allein Gott in der Höh sei Ehr BWV 662P 271, S. 85–86: Über der ersten Akkolade: Allein Gott in der Höh sey Ehr. a 2 Clav. et

Ped. canto fermo in Sopr. di J. S. Bach. Am Schluss: Fine.

Takt Stimme Bemerkung

17a II 2 letzte Note e1; korrigiert nach T. 1 und P 802.23 II 1 Zz 1–2: eventuell Haltebogen fi s1-fi s1 nach BWV 662a zu ergän-

zen.36 I Zz 4: Das Zeichen kann als „accent und trillo“ oder als „Triller

mit Vorschleife“ gelesen werden (siehe Abschnitt „Zu den Verzie-rungen“ in der Einleitung):

P 271

P 802

Allein Gott in der Höh sei Ehr, Frühfassung BWV 662aHauptquelle: P 802, S. 278–280: Allein Gott in der Höh sey Ehr. a 2 Clav: e ped: J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717).Vergleichsquellen: Ms. 7, Faszikel 30: Allein Gott in der Höh. / sey Ehr / à / 2 Clavier

/ et / Pedal / di / J. S. Bach. (Schreiber unbekannt; Kopist aus dem Umkreis Johann Nicolaus Mempells).

29 Zietz 1969 (wie Anm. 12), S. 149–151.

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Princeton, Princeton/NJ (USA), University Library, AM 16915: Allein Gott in der Höh

sey Ehr. a 2 Clav: et Ped: J. S. Bach. (Schreiber: Heinrich Nicolaus Gerber [1702–1775], um 173030). Gerber hat die Gewohnheit, anstelle der Häkchen kleine Nötchen und anstelle des N das Zeichen t zu setzen.31

Takt Stimme Bemerkung

1 Ms. 7: Taktzeichen À . Ms. 7 und Princeton: Oberes System Forte, mittleres System

Piano, unteres System Pedal.1 II 1 Princeton: Zz 4 Vorschlagsnötchen fi s1; beim Häkchen ist nicht

ohne weiteres klar, ob die Verzierungsnote „von oben“ (a1) oder „von unten“ ( fi s1) auszuführen ist.

14 I Ms. 7: Zz 3 & ### œ œ œ œ œ œ3 3

30 I Ms. 7: Zz 4 cis2-h1 als 16tel.36 I Siehe bei BWV 662.

Allein Gott in der Höh sei Ehr BWV 663P 271, S. 86–90: Vor der ersten Akkolade (letztes System S. 86): Allein Gott in / der

Höh sey / Ehr. / a 2 Clav. et / Ped. / canto fermo / in Tenore / di J. S. Bach.

Takt Stimme Bemerkung

13 II Verzierung nach BWV 663a.15 I Vor Zz 2: senkrechte Wellenlinie, Anweisung, die beiden Ober-

stimmen mit der r.H. zu greifen; ähnliches Zeichen in BWV 665, T. 50 zur Bezeichnung des Doppelpedals.

41 Ped P 271: punktierte ganze Note d, korrigiert nach P 802 und nach der Gestalt der Choralmelodie.

64 Den Vermerk adagio notiert Bach zwischen II und dem Pedal-System.

Allein Gott in der Höh sei Ehr, Frühfassung BWV 663aHauptquelle: P 802, S. 343–348: Allein Gott in der Höh sey Ehr, a 2 Clav: con Ped.

J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717). Vergleichsquelle: P 803, Faszikel 19: Allein Gott in der Höh sey Ehr à 2 Clav. è ped /

J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs; ab T. 89 unbekannter Schreiber32). Die Schrift ist fl üchtiger, weniger sorgfältig als in P 802; warum Krebs das Stück zweimal kopiert hat, ist nicht ersichtlich.

30 Alfred Dürr, Heinrich Nicolaus Gerber als Schüler Bachs, BJ 1978, S. 7–18.31 Thomas Synofzik, Avec les Agréments – Beobachtungen zur Verzierungskunst des Bachkreises, Bericht

über das 4. Dortmunder Bach-Symposium 2002, hrsg. von Martin Geck, Dortmund 2003, S. 52–53; NBA V/3 (Inventionen und Sinfonien), Bemerkungen zur Quelle G, S. 32 und 93–106.

32 Zietz 1969 (wie Anm. 12), S. 70 und 109.

Takt Stimme Bemerkung

19 II P 802: Zz 2, vierte Note k (gis) als Nachtrag; P 803: g.63 II Überlanger Takt, rezitativisch frei zu spielen. P 803: sechste

Note c1, siebente Note d1; P 802: sechste Note cis1, siebente Note ursprünglich d1, k (dis1) als Nachtrag.

88 II P 802: ab Zz 3 gilt für das gehaltene g des c. f. der Alt-Schlüssel, zur Aufzeichnung der oberen Stimme der Bass-Schlüssel.

Trio super Allein Gott in der Höh sei Ehr BWV 664P 271, S. 90–94: Vor der ersten Akkolade (drittes System S. 90): Trio sup / Allein Gott /

in der Höh / sey Ehr. / a 2 Clav. et / Ped. di J. S. Bach. Das spätere Schriftstadium Bachs zeigt sich z. B. an den abwärts kaudierten halben Noten, wobei der Hals in der Mitte des Notenkopfs angesetzt wird.33

Vergleichbar der Fantasia super Komm, Heiliger Geist BWV 651 gibt es auch in diesem Trio einen längeren Abschnitt, der später (in transponierter Form und mit Vertau-schung der Oberstimmen) ein zweites Mal erklingt. Auch hier gibt es kleine Abwei-chungen; zur Beurteilung werden auch die Hss. der Fassung BWV 664a herangezogen:

Gegenüberstellung der Abschnitte T. 35–51 und T. 56–72:

Takt Stimme Bemerkung Takt Stimme Bemerkung

38 I Zz 2–3 59 II Zz 2–3

& ### œ œ œ œ œ œ œ œP 271, III. 8. 8

& ### œ œ œn œ œ œ œ œP 271, III. 8. 8

& ### œ œ œ œ œ œ œ œP 801, Ms. 7, Fitzwilliam

& ### œ œ œn œ œ œ œ œMs. 7, Fitzwilliam

& ### œ œ œn œ œ œ œ œ œ P 801

47 I Zz 4 zweite Note a1 68 II Zz 4 zweite Note e1

In T. 38 und 59 respektiert die NA Bachs Autograph, eine etwaige Angleichung sei den Ausführenden überlassen. Dagegen ist in T. 68 ein Schreibversehen Bachs wahr-scheinlich, da alle Hss. der Frühfassung d1 schreiben (Stimmtausch zu T. 47). Die NA gibt die Stelle mit d1wieder.

33 Yoshitake Kobayashi, Zur Chronologie der Spätwerke Johann Sebastian Bachs – Kompositions- und Auf-führungstätigkeit von 1736 bis 1750, BJ 1988, S. 35 und 56.

Page 10: Kommentar · Yearbook 7 (1976), S. 31–58; Kirsten Beißwenger, Zur Chronologie der Notenhandschriften Johann Gottfried Walthers, in: Acht kleine Präludien und Studien über BACH

180

Weitere Bemerkungen:Takt Stimme Bemerkung

55 Ped P 271, vorletzte Note ohne h, also gis (Zeilenumbruch Zz 2/3); auch so in P 801, Ms. 7 und Fitzwilliam, jedoch g in III. 8. 8. Ein Konfl ikt mit dem g in der Mittelstimme ist unwahrscheinlich.

91 II Zz 1: der senkrechte Strich durch das Trillerzeichen steht nicht mittig (Mordent), sondern gegen Ende; diese Trillerform (mit Nachschlag) ist anzustreben, allerdings bei schnellem Tempo problematisch.

NA verzichtet auf die Ergänzung von Ornamenten bei analogen Motiven.

Trio super Allein Gott in der Höh sei Ehr, Frühfassung, BWV 664aHauptquelle: P 801, Faszikel 4: Trio super / Allein Gott in der Höh sey Ehr / à / 2 Clav: /

è / Pedale / di / J. S. B. (Schreiber: Johann Tobias Krebs, vor 1717). Am Schluss S.D.G.

(Soli Deo Gloria).Vergleichsquellen: Fitzwilliam, Cambridge (UK), Fitzwilliam Museum (ohne Signa-tur). Titelblatt: Trio ex A di J. S. Bach. (Schreiber: Johann Caspar Vogler [1696–1763], spätes Schriftstadium, nach 1729). Die Quelle galt seit Griepenkerl als Autograph; die Identifi zierung des Kopisten ist Hans-Joachim Schulze gelungen.34 Notation auf zwei Systemen, deshalb unübersichtlich.Ms. 7, Faszikel 29: Trio super / Allein Gott in der Höh sey / à / 2 Clavier et / Pedal / di /

J. S. Bach. (Schreiber: Johann Gottlieb Preller, vor 1749).III. 8. 8. Leipzig, Städtische Bibliotheken, Musikbibliothek, Sammlung Becker, III. 8. 8: Trio / sopra Chorale / Allein Gott in der Höh sey Ehr / 2. Clav. e Ped. / di /

Giov. Bast. Bach. Der Schreiber dieser Handschrift ist zwar nicht namentlich bekannt, doch in die ebenfalls von ihm stammende Hs. Leipzig, III. 8. 7 (Präludium und Fuge

g-moll BWV 535) hat J. S. Bach eine kurze Ergänzung eingetragen.35 Es handelt sich demnach um einen Schreiber aus Bachs Umgebung, vermutlich um einen Schüler. Einige seiner Lebensstationen konnte Peter Wollny kürzlich ermitteln: er dürfte um 1740 in Leipzig eingetroffen sein.36 In III. 8. 8 sind Lesarten der Frühfassung und der Autograph-Fassung P 271 gemischt anzutreffen. Gegenüber BWV 664a sind primär verzierungsartige Weiterentwicklungen zugefügt, etwa eine „elegantere“ Dissonanzauf-lösung im Thema (T. 2, Zz 1–2) oder Trillerketten in T. 39–43 bzw. 60–64, mithin Veränderungen, die vielleicht auf einer mündlichen Anweisung beruhten. Denkbar ist auch, dass Bachs Revision in zwei Schritten verlaufen ist. Weitere Quelle: Mus. ms. 30377 (2. Hälfte 18. Jh.).

34 Schulze Studien (wie Anm. 5), S. 59–68, besonders S. 61. 35 Handschriften der Werke Johann Sebastian Bachs in der Musikbibliothek der Stadt Leipzig, bearbeitet

von Peter Krause, Bibliographische Veröffentlichungen der Musikbibliothek der Stadt Leipzig, 1964, S. 16–18 (mit Faksimile). Datierung nach dem Wasserzeichen des Papiers, WZ 72 (NBA IX/1, Kata-log der Wasserzeichen, S. 62–63).

36 Peter Wollny, Eine unbekannte Bach-Handschrift und andere Quellen zur Leipziger Musikgeschichte in Weißenfels, BJ 2013, S. 157–158.

Takt Stimme Bemerkung

1 Zum Taktzeichen À vgl. BWV 660a. Ms. 7 und III. 8. 8 setzen das Taktzeichen Á.

1 I Fitzwilliam: ohne Legato-Bogen.5 I Ms. 7: fehlt Bogen auf Zz 2; Fitzwilliam: ohne Legato-Bögen. II Ms. 7: fehlt Bogen auf Zz 4; Fitzwilliam: ohne Legato-Bogen.13 II P 801: sechste Note zuerst fi s1, dann korrigiert in dis1.

37 I Fitzwilliam: letzte Note cis2.

48 II Zz 1: Fitzwilliam e1-d1-e1; P 801 und Ms. 7 eis1-d1-eis1; NA nach III. 8. 8.

Zz 3: beide Quellen eis1-d1-eis1; NA nach III. 8. 8.49 I P 801: letzte Note e2; NA nach Fitzwilliam, Ms. 7 und III. 8. 8.55 Ped Siehe oben bei BWV 664.57 II P 801: Zz 3 zweite Note fi s1 (statt gis1).58 II P 801: letzte Note fi s1; NA nach Fitzwilliam, Ms. 7 und III. 8. 8.59 II P 801: Zz 2, dritte Note ohne h; NA nach III. 8. 8. Fitzwilliam: Zz 2 letzte Note d2.95 I III. 8. 8: Zz 3 zwei Achtel f 1-h.

Die von Hans Klotz als BWV 664b bezeichnete Fassung wird seit BG, Bd. 25.2 als älteste Version des Trios betrachtet. Die Abweichungen von BWV 664a sind aber meist „Umknickungen“ der Pedalstimme, die sehr ungelenk wirken; es dürfte sich um eine Bearbeitung (von zurzeit unbekannter Hand) handeln. Die älteste Handschrift Go. S.

311.1 ist als Faksimile auf der CD-ROM greifbar, wo auch über die Probleme genauer berichtet wird.

Jesus Christus, unser Heiland BWV 665P 271, S. 94–95: Über der ersten Akkolade: Jesus Christus unser Heyland. sub Comuni-

one. pedaliter di J. S. Bach.

Wie in der Einleitung dargelegt, folgt die NA Bachs Autograph und ediert ausnahms-weise auf zwei Systemen; so wird sichtbar, dass beispielsweise in T. 5 die anfangs von der linken Hand gespielte Bassstimme ins Pedal übergeht. Umgekehrt wird nach dem Choralvortrag des Pedals (T. 8) die unterste Manualstimme wieder zur Bass-Stimme. Der Sopran tritt jeweils erst als letzte Stimme jeder Choralzeile in Erscheinung, wobei die Halsung des Alt keine Rücksicht auf die spät einsetzende Sopranstimme nimmt. Auch hierin folgt die NA Bachs Anordnung.

Takt Stimme Bemerkung

13 I 1 Zz 4: Viertelhals fehlt in P 271; ergänzt nach Frühfassung.16 II 2 Zz 2, 2. Note: Bach schrieb zuerst H (Frühfassung), korrigierte

dann in c, wobei das k wohl nur aus Versehen vergessen wurde (vgl. T. 22); cis fi ndet sich z. B. in der Abschrift von Johann Andreas Dröbs (P 1111).

Page 11: Kommentar · Yearbook 7 (1976), S. 31–58; Kirsten Beißwenger, Zur Chronologie der Notenhandschriften Johann Gottfried Walthers, in: Acht kleine Präludien und Studien über BACH

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Jesus Christus, unser Heiland, Frühfassung BWV 665aHauptquelle: P 802, S. 188–193 (S. 190–191 leer): Jesus Christus unser Heyland, in pleno

Organo. J. S. B. (Schreiber: Johann Gottfried Walther, vor 1717). Walthers Aufzeich-nung der beiden Choräle BWV 665a und 666a bildet einen ursprünglich selbständi-gen Faszikel, vergleichbar mit An Wasserfl üssen Babylon BWV 653b und 653a (siehe oben). Wie dort hat Walthers Tinte stark durchgeschlagen, so dass die Rückseite eines Blattes nicht mehr beschrieben werden konnte. Der Faszikel beginnt mit S. 187, die leer blieb und wohl zur Aufnahme eines Titels bestimmt war.Vergleichsquellen: R 16, Leipzig, Städtische Bibliotheken, Musikbibliothek, Samm-lung Rudorff, Ms. R 16: Jesus Christus unser Heyland. per il Organo pieno: dal Sigre J. S.

Bach. (Schreiber: Johann Friedrich Agricola [1720–1774], um 1740).37 Pedal mit roter Tinte geschrieben. III. 8. 11, Leipzig, Städtische Bibliotheken, Sammlung Becker, III. 8. 11: Jesus Christus

unser Heyland, in Organo pleno di J. S. Bach (gleicher Schreiber wie Quelle III. 8. 8 bei BWV 664a, um 1740–45).

Weitere Quellen: P 285 (19. Jh.), Mus. ms. 30377 (2. Hälfte 18. Jh.), Oxford, Bodleian Library, MS. M. Deneke Mendelssohn c. 49 (19. Jh.).

Takt Stimme Bemerkung

12 I, II 1 Zz 2: P 802 und R 16 offensichtlich verderbte Lesarten (vermut-lich unklare Stelle in Bachs Autograph). NA nach III. 8. 11.

42 II P 802: Zz 2 fehlt k vor 3. Note, NA nach R 16.

Jesus Christus, unser Heiland BWV 666P 271, S. 96–97: Jesus Christus unser / alio modo / di / J. S. Bach. (Schreiber: Johann Christoph Altnickol [1719–1759], siehe Faksimile S. 117).Die Eintragung der beiden Choräle BWV 666 und 667 in die Hs. P 271 durch Johann Christoph Altnickol lässt sich – wie in der Einleitung dargelegt – zurzeit nicht genauer datieren; es muss offen bleiben, ob diese Eintragungen im Hause J. S. Bachs vor 1750 oder erst später vorgenommen worden sind. Damit ist auch nicht gesichert, dass Bach selbst die Sammlung so abschließen wollte.

Takt Stimme Bemerkung

21 I 1 P 271: fehlt Haltebogen d1-d1; ergänzt nach P 802.

Jesus Christus, unser Heiland, Frühfassung BWV 666aEinzige Quelle: P 802, S. 196–201 (S. 198–199 leer): Jesus Christus unser Heyland. alio

modo. J. S. B. (Schreiber: Johann Gottfried Walther, vor 1717).Die oben bei BWV 665a genannte Quelle R 16 lässt auf die Frühfassung BWV 665a den Choral BWV 666 in der Fassung von P 271 folgen. Die Frühfassung BWV 666a ist demnach nur in der Walther-Hs. P 802 überliefert. In T. 26, 28, 31, 32 und 33 wurden

37 Alfred Dürr, Zur Chronologie der Handschrift Johann Christoph Altnickols und Johann Friedrich Agricolas, BJ 1970, S. 56.

die späteren Lesarten (auf Rasur) nachgetragen, wobei die ursprünglichen Lesarten meist noch erkennbar sind. Ob Bach BWV 666 in den 1740er Jahren oder früher revidiert hat, muss offenbleiben.38

Takt Stimme Bemerkung

6, 14 etc. I Choraleintritt jeweils durch „C“ (=Choral) vermerkt.17 I 1 Zz 3 ohne Note, ohne Pause.33 II 1 Zz 4, Lesart ante correcturam hier nicht erkennbar; NA nach

T. 26, Zz 2.

Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist BWV 667P 271, S. 98–99: Kom Gott Schöpfer Heiliger Geist. In Organo pleno con Pedale obligato

d. J. S. Bach. (Schreiber: Johann Christoph Altnickol).Zur Eintragung durch Altnickol siehe oben bei BWV 666.

In allen Fassungen fehlen gelegentlich Augmentationspunkte bei Vierteln, etwa im Schlussakkord.

Takt Stimme Bemerkung

12–13 II 2 Haltebogen nach P 802.25–26 Ped Haltebogen in P 271; nach der Silbenverteilung der Choral-

melodie wäre das G nochmals anzuschlagen (vgl. BWV 667a).

Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist, Frühfassung BWV 667aAuf die Bezeichnung BWV 667b (siehe NBA IV/2, S. 194) wird im Folgenden verzich-tet, da sie auf Grund der heutigen Quellenkenntnis nicht stichhaltig ist. Hauptquelle: P 802, S. 243–244: Kom Gott Schöpfer Heiliger Geist, J. S. B. (Schrei-ber: Johann Gottfried Walther oder Johann Tobias Krebs, vor 1717). Nach Zietz und Beißwenger wurde die Eintragung von BWV 667a durch Walther vorgenommen; eine erneute Prüfung der Schlüssel- und Notenformen sowie der Buchstabengraphik durch Peter Wollny lässt jedoch Zweifel aufkommen. Besonders zu Anfang der Schülerschaft bei Walther ist Krebs’ Schrift schwer von der seines Lehrers zu unterscheiden. Eine erneute Durchsicht der ganzen Hs. drängt sich auf, ist jedoch im Rahmen dieser Aus-gabe nicht zu leisten. Hermann Zietz hat bemerkt, dass einige Korrekturen in BWV 667a die Hand von Johann Ludwig Krebs zeigen.39

Vergleichsquellen: P 801, Faszikel 31, im Anschluss an eine Abschrift der Suite d-moll von Gaspard Le Roux (Schreiber: J. G. Walther) fi ndet sich ein Fragment von BWV 667a (T. 11–24, Schreiber: Johann Tobias Krebs).40 Ein Vermerk, der sich auf M endels-sohns Meinung stützt, bezeichnet diese Niederschrift als Autograph J. S. Bachs, was noch in NBA IV/2 akzeptiert wurde.41 Hermann Zietz konnte aber nachweisen, dass

38 Hans Klotz plädiert sogar für Weimar; NBA IV/2, KB, S. 84.39 Zietz 1969 (wie Anm. 12), S. 157.40 Faksimile NBA IV/2, S. VI.41 Die Bemerkung ist signiert mit CR; es handelt sich um einen Nachbesitzer des Bandes, der sich auf

S. 1 als „C Reichardt / Altenburg 1831“ zu erkennen gibt; siehe dazu Zietz 1969 (wie Anm. 12), S. 17.

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der Schreiber in Wirklichkeit Johann Tobias Krebs ist.42 Der Schriftduktus ist fl üchtig und es bleibt unklar, warum Krebs das Stück kopiert hat, da ihm doch die Abschrift in P 802 zur Verfügung stand. Unklar ist ferner, warum die Aufzeichnung in P 801 fragmentarisch geblieben ist.Mus. ms. 22541/3, S. 171–172: Kom Gott Schöpffer, Heiliger Geist / J. S. B. (Schreiber: Johann Gottfried Walther, nach 1717, vermutlich um 1730). Walther hat viele Choräle für seine großen, nach dem Kirchenjahr geordneten Sammelbände erneut abgeschrie-ben. Da in P 801 und P 802 Fragen bestehen bleiben, wird auch diese späte Kopie in die Diskussion einbezogen.P 283. Heranzuziehen ist zudem das Orgelbüchlein, da die erste Choraldarstellung von BWV 667/667a mit dem Orgelbüchlein-Choral gleichen Titels BWV 631/631a iden-tisch ist. Im Autograph des Orgelbüchleins (P 283) hat Bach durch Überschreiben eine „bereicherte“ Fassung eingetragen.43 Die Frühfassung BWV 631a ist übereinstimmend mit T. 1–8 von BWV 667a, entsprechend die bereicherte Fassung BWV 631 mit T. 1–8 von BWV 667. Welches von beiden Werken Bach zuerst überarbeitet hat, muss offen bleiben.

Takt Stimme Bemerkung

6 I 2 P 802: Zz 3 k vor zweiter Note ( f 1) als Nachtrag ( J. L. Krebs?).8 II Zz 3, zweite Note undeutlich durchgestrichen, 16tel-Balken aber

intakt.13 I 2 Zz 4: P 801 g1 (Oktavparallelen zum Pedal); P 802 ursprünglich

ebenfalls g1, korrigiert in h1 (Oktavparallelen zum Tenor); NA nach Mus. ms. 22541/3 (Pause).

13 I 1 P 802: Zz 4 alternativ zwei 16tel d2-c2 (statt Achtel h1 ), wohl als späterer Zusatz.

18 I 2 P 802: Zz 4, vierte Note f, NA nach P 801. II Zz 4, letzte und vorletzte 16tel: P 801 h-cis1; P 802 h-cis1, korri-

giert in b-cis1; Mus. ms. 22541/3 b-c1. Der Konfl ikt h (Tenor) und b (Sopran) ist unwahrscheinlich; NA übernimmt die korrigierte Version von P 802, wenn auch vieles für b-c1 spricht (diese Ver-sion ist von BWV 667 her vertraut).

21 I Zz 4: In P 801 merkwürdige Doppelschreibung

& œ œ œ œb œ œ≈ œ œ# œ œ œ œ≈ Die obere Stimme (= Lesart von P 802) erscheint in etwas dün-

nerer Schrift, aber anderen 16tel-Gruppen in diesem Stück ver-gleichbar. Bei der unteren Stimme fehlt ein Zielton der Passage. Ob es sich um eine spontane Korrektur von Tobias Krebs han-delt oder ob wirklich eine Ur-Fassung Bachs vorliegt, bleibt frag-

42 Zietz 1969, S. 103–105. 43 Wollny Faksimile (wie Anm. 1), S. VI; NBA IV/1 (Löhlein), KB, S. 116.

lich. In P 802 steht im Alt auf Zz 4 eine Viertelnote e1, was Oktav-parallelen zum Sopran ergibt; NA nach Mus. ms. 22541/3.

22 I / II Zz 4: die Fortschreitungen a1-h1 im Alt und d1-e1 im Tenor sind parallele Quinten; diese Lesart in P 801, P 802 und Mus. ms.

22541/3.

25 I / II P 802: Zz 3 Klammer zu g1 und es1 zur Bezeichnung der Hand-verteilung.

26 Ped P 802: Zz 3 ohne Note, ohne Haltebogen; NA nach Mus. ms.

22541/3.

Die Überlieferung der Frühfassung zeichnet sich durch eigenartige satztechnische Fragen aus. Es ist freilich deutlich, dass Bachs Revision zur Fassung BWV 667 alle diese Probleme beseitigt hat.

Vor deinen Thron tret ich / Wenn wir in höchsten Nöten BWV 668/668aZur Stellung von BWV 668 in P 271 und zu den Fragen um „Bachs Sterbechoral“ siehe die Einleitung. BWV 668 (Fragment). Einzige Quelle: P 271, S. 106: Vor deinen Thron tret ich pp. (siehe Faksimile S. 117). Auf der Seite mit dem Schluss des Augmentationskanons aus BWV 769a steht das Fragment BWV 668 (T. 1–26 Mitte); das letzte Blatt des Sammelbandes war schon 1790 verloren. Der Schreiber, als Anonymus Vr bezeichnet, ist noch nicht namentlich bekannt; seine frühesten Abschriften sind Stücke aus dem Wohltemperier-

ten Klavier II, außerdem ist er beim Ausschreiben der Stimmen zur vierten Fassung der Johannes-Passion beteiligt. Klaviersonaten von C. Ph. E. Bach hat er wahrscheinlich nach 1750 kopiert. Ähnlich wie bei BWV 666 und 667 ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Eintragung von BWV 668 nach 1750 erfolgt ist.44

BWV 668a. Hauptquelle: Originaldruck der Kunst der Fuge, S. 66–67: Wenn wir in

hoechsten Noethen / Canto fermo in Canto (siehe Faksimile S. 156). Vier Systeme (Partitur-anordnung) mit Sopran-, Alt-, Tenor- und Bassschlüssel. Zur Rechtfertigung der Einfü-gung von BWV 668a schreibt Friedrich Wilhelm Marpurg im „Vorbericht“ Folgendes: „Es ist nichts mehr zu bedauern, als daß selbiger [Bach] durch seine Augen-Krankheit, und den kurz darauf erfolgten Tod außer Stande gesetzet worden, es [das vorstehende Werk] selbst zu endigen und gemein zu machen. Er wurde von demselben mitten unter der Ausarbeitung seiner letzten Fuge, wo er sich bey Anbringung des dritten Satzes nahmentlich zu erkennen giebet, überraschet. Man hat indessen Ursache, sich zu schmeicheln, daß der zugefügte vierstimmig ausgearbeitete Kirchenchoral, den der selige Mann in seiner Blindheit einem seiner Freunde aus dem Stegereif in die Feder dictiret hat, diesen Mangel ersetzen, und die Freunde seiner Muse schadlos halten wird.“

44 Yoshitake Kobayashi und Kirsten Beißwenger, Die Kopisten Johann Sebastian Bachs – Katalog und Dokumentation, NBA IX/3, Textband, S. 171–172 (Nr. 231); NBA V/6.2 (Dürr), KB, S. 57.

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Die NA folgt P 271 bis T. 26 Mitte (wo das Ms. abbricht); von dort bis Schluss wird die Fassung der Kunst der Fuge zugrunde gelegt. Die Fassung aus P 271 (BWV 668) variiert an vier Stellen; die einfacheren Lesarten aus der Kunst der Fuge (BWV 668a) lauten:

Takt Stimme Bemerkung

7 II 2 ? # œ ˙ œ

9 Ped Zz 1: zwei Achtel (ohne Punktierung).10 Ped Zz 3: erste Note G (statt E).26 I Zz 1–2: vier Achtel (ohne Punktierung).

Alle vier Veränderungen können als typisch für Bachs späte Revisionen betrachtet werden. Die Stelle in T. 7 ist eine Belebung durch Einfügung zweier komplementärer 16tel-Gruppen im Tenor. In T. 9 und 26 wird die rhythmische Profi lierung durch ein-fache Punktierung in einer Stimme erzielt. Und in T. 10 wird das In-Fluss-Bleiben des Satzes durch späteren Eintritt der I. Stufe unterstützt.45

45 Direkt vergleichbar ist die Kadenz in T. 163–164 der Frühfassung BWV 652a, die revidiert wird zu BWV 652, T. 168–169.

Weitere Bemerkungen:Takt Stimme Bemerkung

13–14 II Haltebogen a-a fehlt in Kunst der Fuge.

18 Ped P 271 letzte Note e; korrigiert nach Kunst der Fuge.43 II 2 Die quinta vox ist im Basssystem der Partitur notiert.45 Ped Halbe Note c fehlt (Haltebogen vorhanden).

In P 271 wird BWV 668 auf zwei Systemen notiert, ohne Bemerkung zur Pedalver-wendung und zum Spiel auf zwei Manualen. Ähnlich wie bei Nun danket alle Gott BWV 657 sind Stimmkreuzungen zwischen Alt und Sopran vermieden, so dass sich BWV 668 problemlos auf nur einem Manual spielen lässt. In Abschriften der komplet-ten Kunst der Fuge wird auch BWV 668a in Partitur wiedergegeben (vier Systeme). Der Choral wird aber auch einzeln kopiert; eine Notation auf drei Systemen (die beiden Mittelstimmen im Alt-Schlüssel) scheint sich im Umfeld Kirnbergers eingebürgert zu haben, so in Am. B. 46 II (S. 60). In den Augen eines Organisten suggeriert dies ein Spiel auf zwei Manualen und Pedal. Hält man sich an P 271, wäre auch eine manuali-ter-Ausführung denkbar, freilich entstehen in T. 9–10 mehrere Dezimen spannungen. Die dichte kontrapunktische Sprache der Unterstimmen verlangt jedenfalls eine Registrierung, die auch in tiefer Lage die Stimmführung erkennen lässt.

The english version of the “Kommentar” is to be found on the CD-ROM and can be downloaded under www.breitkopf.com.