Kommentar zur partiellen Nephrektomie – laparoskopisch vs. robotisch

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Urologe 2012 · 51:656–657 DOI 10.1007/s00120-012-2885-7 Online publiziert: 19. April 2012 © Springer-Verlag 2012 J.W. Thüroff Urologische Klinik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz Kommentar zur   partiellen Nephrektomie –  laparoskopisch vs. robotisch Zufällig entdeckte asymptomatische Nierentumoren sollen im Stadium cT1a (<4 cm) – wenn resektabel – leitlinien- gerecht organerhaltend operiert werden. Auch findet sich in der Literatur zuneh- mend Evidenz dafür, dass größere Tumo- ren im Stadium cT1b (4–7 cm) ebenfalls organerhaltend reseziert werden kön- nen, wenn die Lokalisation des Tumors dies möglich erscheinen lässt. Dabei ist die Operationsdauer gegenüber kleine- ren Tumoren um etwa 20 min verlängert, ein eröffnetes Hohlsystem muss um 20% häufiger operativ verschlossen werden, der mittlere Blutverlust ist um 124 ml hö- her, die Transfusionsrate steigt von 6,3% auf 14,8% und die Inzidenz von Harnfis- teln von 1,7 auf 5,4%, ohne dass aus die- ser geringfügig erhöhten Komplikations- rate eine Kontraindikation für das organ- erhaltende Vorgehen abzuleiten wäre [1]. In dieser Gruppe liegt das tumorspezifi- sche 5-Jahres- und 10-Jahres-Überleben zwischen 91% und 100%. Auch Tumo- ren im Stadium cT2 (>7 cm) lassen sich elektiv mit einer akzeptablen Komplika- tionsrate von 29,6% Komplikationen, da- von 10,9% „Major-Komplikationen“, und tumorspezifischen 5-Jahres- und 10-Jah- res-Überlebensraten von 98% und 84% organerhaltend operieren [2]. Derzeit ist weder die laparoskopische noch die robotisch assistierte laparo- skopische Technik Standard für die nie- renerhaltende Tumorresektion (partielle Nephrektomie), wohingegen für die ra- dikale Tumornephrektomie die laparo- skopische Operationstechnik bis inklu- sive Stadium cT2 sehr wohl das Stan- dardverfahren darstellt. Dies hat dazu geführt, dass mit Zunahme der laparo- skopischen radikalen Nephrektomiera- te eine Abnahme der Rate an partiellen Nephrektomien einherging, obwohl im gleichen Zeitraum die Zahl der kleinen Nierentumoren zunahm [3]. In diesem Trend spiegelt sich die Schwierigkeit der Durchführung einer laparoskopischen partiellen Nephrektomie wieder, deren Schwierigkeitsgrad erheblich über dem einer laparoskopisch durchgeführten ra- dikalen Nephrektomie liegt und die des- halb nach wie vor spezialisierten Zent- ren vorbehalten bleibt. Da die Vorteile laparoskopischer Nierenoperationen im Sinne der minimal-invasiven Chirurgie mit geringerem intraoperativem Blutver- lust, weniger postoperativen Schmerzen, schnellerer Rekonvaleszenz und besse- rem kosmetischem Resultat evident sind, besteht bei Patienten wie auch Operateu- ren offensichtlich die Neigung, eine la- paroskopische radikale Nephrektomie einer offenen Nierenteilresektion vor- zuziehen, auch wenn letztere technisch möglich wäre. »   Für die robotisch assistierte  partielle Nephrektomie ist  die Lernkurve kürzer mit  reduzierten Operationszeiten Das Problem ist die lange Lernkurve der laparoskopischen partiellen Nephrekto- mie mit initial langen Operationszeiten und Ischämiezeiten [4]. Für die robotisch assistierte partielle Nephrektomie ist die Lernkurve kürzer mit reduzierten Ope- rationszeiten [5]. In vergleichenden Stu- dien finden sich für die robotisch assis- tierte laparoskopische partielle Nephrek- tomie ca. 8 min kürzere warme Ischämie- zeiten als für die konventionelle laparo- skopische partielle Nephrektomie [6, 7]. In einer neueren Sammelstatistik der Pu- blikationen der robotisch assistierten la- paroskopischen partiellen Nephrektomie liegen für eine mittlere Tumorgröße von 2,9 cm die Operationsdauer bei 200 min, die warme Ischämiezeit bei 19,6 min, die Komplikationsraten zwischen 0 und 27%, die Raten positiver Absetzungsrän- der zwischen 0 und 5% und die Kranken- hausverweildauer bei 3 Tagen [8]. Opera- tionsdauer, warme Ischämiezeit, Blutver- lust und Komplikationsraten reduzieren sich deutlich nach etwa 30 robotischen partiellen Nephrektomien [9]. Die robotisch assistierte laparoskopi- sche Technik ermöglicht es, schwierige partielle Nephrektomien innerhalb einer akzeptablen warmen Ischämiezeit von 30 min durchzuführen. Dabei bestehen klare Vorteile der robotischen Opera- tionstechnik für eine schnelle Rekons- truktion eines eröffneten Hohlsystems, für Kapsel- und Parenchymnähte und für die Exzision von Tumoren in schwieri- ger Lokalisation z. B. im Hilus und unter Nutzung der Zero-Ischämie-Technik. All dies ist auch mit der konventionellen la- paroskopischen Technik prinzipiell mach- Leitthema 656 | Der Urologe 5 · 2012

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Urologe 2012 · 51:656–657DOI 10.1007/s00120-012-2885-7Online publiziert: 19. April 2012© Springer-Verlag 2012

J.W. ThüroffUrologische Klinik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz

Kommentar zur  partiellen Nephrektomie – laparoskopisch vs. robotisch

Zufällig entdeckte asymptomatische Nierentumoren sollen im Stadium cT1a (<4 cm) – wenn resektabel – leitlinien-gerecht organerhaltend operiert werden. Auch findet sich in der Literatur zuneh-mend Evidenz dafür, dass größere Tumo-ren im Stadium cT1b (4–7 cm) ebenfalls organerhaltend reseziert werden kön-nen, wenn die Lokalisation des Tumors dies möglich erscheinen lässt. Dabei ist die Operationsdauer gegenüber kleine-ren Tumoren um etwa 20 min verlängert, ein eröffnetes Hohlsystem muss um 20% häufiger operativ verschlossen werden, der mittlere Blutverlust ist um 124 ml hö-her, die Transfusionsrate steigt von 6,3% auf 14,8% und die Inzidenz von Harnfis-teln von 1,7 auf 5,4%, ohne dass aus die-ser geringfügig erhöhten Komplikations-rate eine Kontraindikation für das organ-erhaltende Vorgehen abzuleiten wäre [1]. In dieser Gruppe liegt das tumorspezifi-sche 5-Jahres- und 10-Jahres-Überleben zwischen 91% und 100%. Auch Tumo-ren im Stadium cT2 (>7 cm) lassen sich elektiv mit einer akzeptablen Komplika-tionsrate von 29,6% Komplikationen, da-von 10,9% „Major-Komplikationen“, und tumorspezifischen 5-Jahres- und 10-Jah-res-Überlebensraten von 98% und 84% organerhaltend operieren [2].

Derzeit ist weder die laparoskopische noch die robotisch assistierte laparo-skopische Technik Standard für die nie-renerhaltende Tumorresektion (partielle Nephrektomie), wohingegen für die ra-dikale Tumornephrektomie die laparo-skopische Operationstechnik bis inklu-

sive Stadium cT2 sehr wohl das Stan-dardverfahren darstellt. Dies hat dazu geführt, dass mit Zunahme der laparo-skopischen radikalen Nephrektomiera-te eine Abnahme der Rate an partiellen Nephrektomien einherging, obwohl im gleichen Zeitraum die Zahl der kleinen Nierentumoren zunahm [3]. In diesem Trend spiegelt sich die Schwierigkeit der Durchführung einer laparoskopischen partiellen Nephrektomie wieder, deren Schwierigkeitsgrad erheblich über dem einer laparoskopisch durchgeführten ra-dikalen Nephrektomie liegt und die des-halb nach wie vor spezialisierten Zent-ren vorbehalten bleibt. Da die Vorteile laparoskopischer Nierenoperationen im Sinne der minimal-invasiven Chirurgie mit geringerem intraoperativem Blutver-lust, weniger postoperativen Schmerzen, schnellerer Rekonvaleszenz und besse-rem kosmetischem Resultat evident sind, besteht bei Patienten wie auch Operateu-ren offensichtlich die Neigung, eine la-paroskopische radikale Nephrektomie einer offenen Nierenteilresektion vor-zuziehen, auch wenn letztere technisch möglich wäre.

»  Für die robotisch assistierte partielle Nephrektomie ist die Lernkurve kürzer mit reduzierten Operationszeiten

Das Problem ist die lange Lernkurve der laparoskopischen partiellen Nephrekto-

mie mit initial langen Operationszeiten und Ischämiezeiten [4]. Für die robotisch assistierte partielle Nephrektomie ist die Lernkurve kürzer mit reduzierten Ope-rationszeiten [5]. In vergleichenden Stu-dien finden sich für die robotisch assis-tierte laparoskopische partielle Nephrek-tomie ca. 8 min kürzere warme Ischämie-zeiten als für die konventionelle laparo-skopische partielle Nephrektomie [6, 7]. In einer neueren Sammelstatistik der Pu-blikationen der robotisch assistierten la-paroskopischen partiellen Nephrektomie liegen für eine mittlere Tumorgröße von 2,9 cm die Operationsdauer bei 200 min, die warme Ischämiezeit bei 19,6 min, die Komplikationsraten zwischen 0 und 27%, die Raten positiver Absetzungsrän-der zwischen 0 und 5% und die Kranken-hausverweildauer bei 3 Tagen [8]. Opera-tionsdauer, warme Ischämiezeit, Blutver-lust und Komplikationsraten reduzieren sich deutlich nach etwa 30 robotischen partiellen Nephrektomien [9].

Die robotisch assistierte laparoskopi-sche Technik ermöglicht es, schwierige partielle Nephrektomien innerhalb einer akzeptablen warmen Ischämiezeit von 30 min durchzuführen. Dabei bestehen klare Vorteile der robotischen Opera-tionstechnik für eine schnelle Rekons-truktion eines eröffneten Hohlsystems, für Kapsel- und Parenchymnähte und für die Exzision von Tumoren in schwieri-ger Lokalisation z. B. im Hilus und unter Nutzung der Zero-Ischämie-Technik. All dies ist auch mit der konventionellen la-paroskopischen Technik prinzipiell mach-

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bar, allerdings nur von wenigen Operateu-ren weltweit. Dahingegen eröffnet die ro-botisch assistierte Technik der partiellen Nephrektomie die Vorteile der minimal-invasiven Chirurgie auch für die meisten komplexen Fälle des Organerhalts, die bislang der offenen Operation vorbehal-ten waren.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. J.W. ThüroffUrologische Klinik, Universitätsmedizin  der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,Langenbeckstraße 1, 55131 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Patard JJ, Pantuck AJ, Crepel M et al (2007) Morbi-dity and clinical outcome of nephron-sparing sur-gery in relation to tumour size and indication. Eur Urol 52:148–154

  2.  Becker F, Roos FC, Janssen M et al (2011) Short-term functional and oncologic outcomes of neph-ron-sparing surgery for renal tumours ≥ 7 cm. Eur Urol 59:931–937

  3.  Abouassaly R, Alibhai SM, Tomlinson G et al (2010) Unintended consequences of laparoscopic surge-ry on partial nephrectomy for kidney cancer. J Urol 183:467–472

  4.  Shah SK, Matin SF, Singer EA et al (2009) Outcomes of laparoscopic partial nephrectomy after fellow-ship training. JSLS 13:154–159

  5.  Benway BM, Wang AJ, Cabello JM, Bhayani SB (2009) Robotic partial nephrectomy with sliding-clip renorrhaphy: technique and outcomes. Eur Urol 55:592–599

  6.  Kural AR, Atug F, Tufek I, Akpinar H (2009) Robot-assisted partial nephrectomy versus laparoscopic partial nephrectomy: comparison of outcomes. J Endourol 23:1491–1497

  7.  Benway BM, Bhayani SB, Rogers CG et al (2009) Ro-bot assisted partial nephrectomy versus laparosco-pic partial nephrectomy for renal tumors: a multi-institutional analysis of perioperative outcomes. J Urol 182:866–872

  8.  Van Haute W, Gavazzi A, Dasgupta P (2010) Cur-rent status of robotic partial nephrectomy. Curr Opin Urol 20:371–374

  9.  Mottrie A, De Naeyer G, Schatteman P et al (2010) Impact of the learning curve on perioperative out-comes in patients who underwent robotic partial nephrectomy for parenchymal renal tumours. Eur Urol 58:127–132