Kommunale IT im Umbruch - Zur Umstrukturierung des DV ...

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SCHWERPUNKT: KONSOLIDIERUNG Die Konsolidierung in der kommunalen IT ist in vollem Gange. Trotz un- terschiedlicher Maßnahmen ist das Muster immer ähnlich: Einzelgrößen werden zu einer Gesamtgröße zusammengefasst. Im Vitako-Verbund gibt es verschiedene Maßnahmen, Konsolidierungsprozesse umzuset- zen. Neben der Fusion, wie sie Dataport realisiert hat und gegenwärtig in Baden-Württemberg angestrebt wird, können dies verstärkte Koopera- tionen in Form von Shared Services oder interkommunaler Zusammen- arbeit sein oder auch ein Leistungsaustausch, wie ihn die Mitglieder des KDN oder ProVitako praktizieren. Auch wenn Konsolidierung die öffentli- chen Haushalte nicht retten wird, ist sie für die technische Weiterentwick- lung und den „State of the art“ bei den IT-Dienstleistern immens relevant. Im Vitako-Verbund zeigt sich, dass Spezialisierung zu den wichtigen An- sätzen zählt, da die Komplexität von Verfahren mit fortschreitender Digi- talisierung immer mehr zunimmt. Kommunale IT im Umbruch Die Umstrukturierung des DV-Verbundes in Baden-Württemberg > Marktkonsolidierungen in der IT haben viele Gesich- ter. Kommunale IT-Dienstleister betreiben schon heute bundesweit gemeinsame Adress-, Verzeichnis-, Scan- und Digitalisierungsdienste, profitieren vom Leistungsaus- tausch im Verbund oder schließen sich in Einkaufsge- meinschaften zusammen. Sie betreiben gemeinsame Re- chenzentren, bieten RZ-Leistungen für andere an oder fusionieren, um zu noch mehr Synergien zu gelangen. In Baden-Württemberg haben die ersten Zusammenschlüsse lokaler Rechenzentren zu größeren Einheiten schon in den 1970er-Jahren stattgefunden. In der nächsten „Ausbaustufe“ kam es beim Zusammenschluss der Regionen Reutlingen und Ulm zum Zweckverband KIRU. Analog dazu fusionierten die Rechenzentren der Regionen Baden und Franken zum Zweck- verband KIVBF. Mitte der 90er-Jahre erfolgte dann auf Basis von Vereinbarungen die institutionalisierte Zusammenarbeit von KIRU und KIVBF mit dem Zweckverband KDRS und der Datenzentrale (DZ) als gemeinsamer Entwicklungsanstalt im Datenverarbeitungs-Verbund Baden-Württemberg (D W BW). Erste Überlegungen zu einerweiteren Intensivierung die- ser Zusammenarbeit gab es schon seit 2008, um die erforder- lichen IT-Leistungen für die rund 1.100 Kommunen, die neun Stadt- und 35 Landkreise sowie das Land Baden-Württemberg angesichts der rasanten Veränderungsgeschwindigkeit dauer- haft sicherzustellen und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig hat der digitale Wandel immer mehr an Ge- schwindigkeit gewonnen, E-Government und E-Akte erhöhen zudem den Handlungsdruck. Mit Blick auf die Kommunalent- wicklungs- und Infrastrukturpolitik ist angesichts dieser rasan- ten Entwicklung auch eine digitale Agenda auf kommunaler Ebene erforderlich, um die Standort- und Lebensqualität im Land weiterhin zu sichern und die Aufgaben der Daseinsvor- sorge zu erledigen. Eine enge Vernetzung zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft - horizontal in den Regionen, vertikal zwischen Kommunen, Stadt- und Landkrei- sen, Land und Bund - ist dabei unabdingbar, benötigt aber eine effiziente IT-Infrastruktur. Dazu gehört in einem Flächenland wie Baden-Württem- berg natürlich auch der Ausbau der Breitbandversorgung, dem eine entscheidende Schlüsselrolle zukommt, wenn es um die Schaffung von modernen und effizienten Verwaltungsstruktu- ren geht. Für diesen Ausbau werden jährlich hohe zweistellige Millionenbeträge zur Verfügung gestellt, damit alle gesellschaft- lichen Gruppen über einen vernünftigen Zugang zur digitalen Welt verfügen. Die Umsetzung erfolgt oft in Zusammenschlüs- sen von Gemeinden und Landkreisen, um die Attraktivität der Kommunen für die Bürger und die Unternehmen zu erhalten beziehungsweise zu steigern. KNAPPE KASSEN, IMMER WENIGER PERSONAL Ein weiterer Anlass für die Umstrukturierung des bestehenden Datenverarbeitungs-Verbundes Baden-Württemberg und die Vollfusionierung der vier Partnerunternehmen, ist der Umstand, dass die öffentliche Verwaltung auch auf absehbare Zeit weiter unter dem Eindruck von knappen Haushaltsmitteln und immer weniger Personal stehen wird. VITAKO INTERN Nr. 4 | 2016 2

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SCHWERPUNKT: KONSOLIDIERUNG

Die Konsolidierung in der kommunalen IT ist in vollem Gange. Trotz un­terschiedlicher Maßnahmen ist das Muster immer ähnlich: Einzelgrößen werden zu einer Gesamtgröße zusammengefasst. Im Vitako-Verbund gibt es verschiedene Maßnahmen, Konsolidierungsprozesse umzuset­zen. Neben der Fusion, wie sie Dataport realisiert hat und gegenwärtig in Baden-Württemberg angestrebt wird, können dies verstärkte Koopera­tionen in Form von Shared Services oder interkommunaler Zusammen­arbeit sein oder auch ein Leistungsaustausch, wie ihn die Mitglieder des KDN oder ProVitako praktizieren. Auch wenn Konsolidierung die öffentli­chen Haushalte nicht retten wird, ist sie für die technische Weiterentwick­lung und den „State of the art“ bei den IT-Dienstleistern immens relevant. Im Vitako-Verbund zeigt sich, dass Spezialisierung zu den wichtigen An­sätzen zählt, da die Komplexität von Verfahren mit fortschreitender Digi­talisierung immer mehr zunimmt.

Kommunale IT im UmbruchDie Umstrukturierung des DV-Verbundes in Baden-Württemberg

> Marktkonsolidierungen in der IT haben viele Gesich­ter. Kommunale IT-Dienstleister betreiben schon heute

bundesweit gemeinsame Adress-, Verzeichnis-, Scan- und Digitalisierungsdienste, profitieren vom Leistungsaus­tausch im Verbund oder schließen sich in Einkaufsge­meinschaften zusammen. Sie betreiben gemeinsame Re­chenzentren, bieten RZ-Leistungen für andere an oder fusionieren, um zu noch mehr Synergien zu gelangen.

In Baden-Württemberg haben die ersten Zusammenschlüsse lokaler Rechenzentren zu größeren Einheiten schon in den 1970er-Jahren stattgefunden. In der nächsten „Ausbaustufe“ kam es beim Zusammenschluss der Regionen Reutlingen und Ulm zum Zweckverband KIRU. Analog dazu fusionierten die Rechenzentren der Regionen Baden und Franken zum Zweck­verband KIVBF. Mitte der 90er-Jahre erfolgte dann auf Basis von Vereinbarungen die institutionalisierte Zusammenarbeit von KIRU und KIVBF mit dem Zweckverband KDRS und der Datenzentrale (DZ) als gemeinsamer Entwicklungsanstalt im Datenverarbeitungs-Verbund Baden-Württemberg (DW BW).

Erste Überlegungen zu einerweiteren Intensivierung die­ser Zusammenarbeit gab es schon seit 2008, um die erforder­lichen IT-Leistungen für die rund 1.100 Kommunen, die neun Stadt- und 35 Landkreise sowie das Land Baden-Württemberg angesichts der rasanten Veränderungsgeschwindigkeit dauer­haft sicherzustellen und weiterzuentwickeln.

Gleichzeitig hat der digitale Wandel immer mehr an Ge­schwindigkeit gewonnen, E-Government und E-Akte erhöhen zudem den Handlungsdruck. Mit Blick auf die Kommunalent-

wicklungs- und Infrastrukturpolitik ist angesichts dieser rasan­ten Entwicklung auch eine digitale Agenda auf kommunaler Ebene erforderlich, um die Standort- und Lebensqualität im Land weiterhin zu sichern und die Aufgaben der Daseinsvor­sorge zu erledigen. Eine enge Vernetzung zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft - horizontal in den Regionen, vertikal zwischen Kommunen, Stadt- und Landkrei­sen, Land und Bund - ist dabei unabdingbar, benötigt aber eine effiziente IT-Infrastruktur.

Dazu gehört in einem Flächenland wie Baden-Württem­berg natürlich auch der Ausbau der Breitbandversorgung, dem eine entscheidende Schlüsselrolle zukommt, wenn es um die Schaffung von modernen und effizienten Verwaltungsstruktu­ren geht. Für diesen Ausbau werden jährlich hohe zweistellige Millionenbeträge zur Verfügung gestellt, damit alle gesellschaft­lichen Gruppen über einen vernünftigen Zugang zur digitalen Welt verfügen. Die Umsetzung erfolgt oft in Zusammenschlüs­sen von Gemeinden und Landkreisen, um die Attraktivität der Kommunen für die Bürger und die Unternehmen zu erhalten beziehungsweise zu steigern.

KNAPPE KASSEN, IMMER WENIGER PERSONALEin weiterer Anlass für die Umstrukturierung des bestehenden Datenverarbeitungs-Verbundes Baden-Württemberg und die Vollfusionierung der vier Partnerunternehmen, ist der Umstand, dass die öffentliche Verwaltung auch auf absehbare Zeit weiter unter dem Eindruck von knappen Haushaltsmitteln und immer weniger Personal stehen wird.

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SCHWERPUNKT: KONSOLIDIERUNG

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Die Gremien der DZ und der Zweckverbände KDRS, KIRU und KIVBF haben diesen Aspekten Rechnung getragen und sich zwischen Sommer 2014 und Frühjahr 2015 intensiv mit der Frage beschäftigt, ob durch einen Zusammenschluss der vier Fläuser relevante Synergien erzeugt werden können, um den kommunalen Beitrag zum digitalen Wandel zukünftig noch effizienter und effektiver zu leisten. Die vorhandenen Stärken sollen nach Möglichkeit gebündelt und fokussiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der kom­munalen IT in Baden-Württemberg zu steigern.

Eine bei einem externen Beratungshaus in Auftrag gege­bene und als „friendly due diligence“ durchgeführte Untersu­chung hat die zugrunde liegenden Vermutungen bestätigt. Im Ergebnis konnte festgehalten werden, dass ab dem fünften Jahr nach einer Fusion ein erhebliches Einsparpotenzial pro Jahr zu erwarten ist.

In der Folge haben die DW-Partner sich in der zweite Jah­reshälfte 2015 in häuserübergreifenden Projekten sehr intensiv mit den möglichen Umsetzungsszenarien auseinandergesetzt und diese in einem Umsetzungskonzept konsolidiert. Im Ergeb­nis zeichnete sich ab, dass eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) am besten dazu geeignet ist, um die ins Auge gefass­ten Ziele zu erreichen und die Interessen aller Fusionspartner angemessen zu berücksichtigen. Getragen werden soll diese AöR von einem Gesamtzweckverband aus dem Zusammen­schluss der drei heute noch selbstständigen Zweckverbände und dem Land Baden-Württemberg.

SICHERUNG DER INNOVATIONSFÄHIGKEITAls Ziel hat sich das neue Gesamtunternehmen die Schaf­fung und Bereitstellung von IT-gestützten integrierten Lösun­gen für die kommunale öffentliche Hand entlang ihrer gesam­ten Wertschöpfungskette gesetzt. Konkret bedeutet dies, die vorhandene Qualität zu steigern und Innovationsfähigkeit für neue Lösungen und innovative Technologien zu sichern. Dazu gehören die Optimierung der Kundenbetreuung und Stärkung der Kundenbindung in allen Kundensegmenten ebenso wie die dafür notwendige Absicherung gegen demografische und fachliche Personaleffekte.

Doch bevor dieser Weg weiterverfolgt werden konnte, war eine grundsätzliche Zustimmung der Zweckverbandsmitglie­der zur Fusion erforderlich, die von den Verbandsspitzen der KIRU, KDRS und der KIVBF Ende 2015 auf den jeweiligen Verbandsversammlungen eingeholt wurde. Gemeinsam mit der Zustimmung des Verwaltungsrates der DZ war der Weg für das erforderliche Gesetzgebungsverfahren des Landes freigemacht. Politisch unterstützt wird dieser Prozess von den kommunalen Spitzenverbänden in Baden-Württemberg und der Landesregierung, die hierzu eine entsprechende Absichtser­klärung in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat.

Das ermittelte Optimierungspotenzial speist sich zu einem wesentlichen Teil aus einer Standardisierung der bislang an­

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gebotenen Lösungen und Dienstleistungen, denn die derzeiti­gen IT-Landschaften sind historisch gewachsen und teilweise durchaus heterogen.

Natürlich sind mit einem solchen fundamentalen Wandel nicht nur große Chancen, sondern auch diverse Risiken ver­knüpft. Um den Unsicherheiten zu begegnen, die bei Verände­rungen solchen Ausmaßes geradezu zwangsläufig auftreten, wurde deshalb für die nächste Phase ein Transformationspro­gramm ins Leben gerufen.

Bis Ende 2017 sollen in dem Programm alle juristischen, technischen, prozessualen und fachlichen Fragen geklärt und die Wertschöpfungsprozesse neu ausgerichtet sein, damit die Fusion Realität werden kann. Dabei wird es ganz wesentlich darauf ankommen, dass die Fusionsvorteile auch aus Kunden­sicht deutlich erkennbar sind.

REGIONALER BEZUG BLEIBT ERHALTENNeben den bereits erwähnten technischen und wirtschaftli­chen Synergien gehören dazu auch der Erhalt der Inhouse- Fähigkeit, die Drittmarktfähigkeit und vor allem der regionale Bezug in der Betreuungsstruktur. Eine Voraussetzung für den Zusammenschluss ist dementsprechend konsequenterweise der Erhalt aller bisherigen Standorte.

Auch fusions- oder betriebsbedingte Kündigungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden ausgeschlossen, so dass niemand Existenzängste haben muss. Trotzdem wird es durch neue fachliche Zuschnitte und die Zusammenlegung von Aufgabenbereichen zu Veränderungen für den Einzelnen kommen. Dies ist unumgänglich, denn die Herausforderun­gen der Zukunft können nur mit neuen Herangehensweisen erfolgreich gemeistert werden, und der Entwicklungsschritt zur Fusion ist notwendig, um die gemeinsame Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Zur Minimierung der Reibungsverluste und zur Fokus­sierung der Aufmerksamkeit auf die Leistungserbringung als Kernaufgabe des Unternehmens müssen die notwendigen kulturellen Veränderungen vollzogen werden, damit am Ende ein neues Unternehmen mit einer gemeinsamen Identität und einem einheitlichen Selbstverständnis am Markt agiert.

Die hervorragende Zusammenarbeit, die bereits gemein­sam gemachten positiven Erfahrungen und das zwischen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bestehende Vertrauen bilden dafür eine sehr gute Ausgangsbasis und stärken die Überzeu­gung, dass dies zusammen auch gelingen wird.

AUTOREN: ANDREAS PELZER (DZ BW), HANS JÜRGEN SIMACHER, (KDRS),

MANFRED ALLGAIER (KIRU), WILLIAM SCHMITT (KIVBF)

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