KompaKt anästhesiologie intensivmedizin - medical.pall.com · in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt...

4
2/2018 Herausgeber: Prof. Dr. med. Thomas Standl 87747 K OMPAKT A NÄSTHESIOLOGIE UND I NTENSIVMEDIZIN Europäische Referentenstimmen zu Partikeln in parenteralen Injektionslösungen.

Transcript of KompaKt anästhesiologie intensivmedizin - medical.pall.com · in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt...

Page 1: KompaKt anästhesiologie intensivmedizin - medical.pall.com · in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt Anästhesiologie und Intensivmedizin haben wir für Sie interessante Publi-kationen

in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt Anästhesiologie und Intensivmedizin haben wir für Sie interessante Publi-kationen aus den Bereichen Regional-anästhesie, Allgemeinänsthesie und Intensivmedizin zusammengestellt. Aus dem Bereich der Regionalanäs-thesie möchte ich eine interessante Studie von du Toit et al. hervorheben, die erstmalig bei Patientinnen mit Spi-nalanästhesie zur Sectio caesarea eine signifikante und anhaltende Hypothermie nachweist. Zum Thema postoperative Schmerztherapie nach Kaiserschnittentbindung zeigt eine Arbeit von Allen et al., dass neuraxial verabreichtes Clonidin die postopera-tive Analgesie (gemessen am Mor-phinverbrauch über 24 h) verbessert, allerdings auch zu vermehrten intra-operativen Hypotensionen führt. Bei der TAP-Blockade zur postoperativen Schmerztherapie nach Sectio schei-nen niedrigere Bupivacain-Konzent-rationen ebenso wirksam zu sein wie höhere (Ng et al.).

Bei Patienten nach knieendopro-thetischer Versorgung hat sich in einer Untersuchung aus Singapur die Adduktorkanalblockade zur postope-rativen Schmerztherapie analgetisch effektiver erwiesen als die sogenannte LIA-Technik (Tong et al.). Und auch aus dem Netzwerk Regionalanästhesie der DGAI gibt es wieder Neuigkeiten: Die Daten von über 44.000 Patienten, die eine kontinuierliche Regionalan-ästhesie mit Katheter erhalten hatten, zeigen mit zunehmender Verweildauer der Schmerzkatheter eine anstei-gende Rate an lokoregionalen Infek-tionen, bei insgesamt aber niedriger Inzidenz (Bomberg et al.).

Aus dem Bereich der Allgemein-anästhesie zeigt eine Studie die Bedeutung der Restblockade nach Muskelrelaxierung für die Erholung unter Verwendung von Neostigmin (Tjaate et al.). Eine Metaanalyse zum Zeitpunkt des Einsatzes von Tran-examsäure bei akuten Blutungen zeigt wiederum die Bedeutung der frühen Applikation (Gayet-Ageron et al.). Zwei Arbeiten zur perioperativen Flüs-sigkeits- und Volumentherapie zeigen einerseits keinen Unterschied zwi-schen Albumin und einer modernen HES-Lösung hinsichtlich des renalen Outcomes (Kammerer et al.) und

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ? Schwerpunkt: Lokal- und RegionalanästhesieTotale KnieendoprotheseAKB reduziert Morphinbedarf.......................................................................Seite 2Perioperative HypothermieSchluckbarer Sensor misst die Temperatur....................................................Seite 4KaiserschnittentbindungPostoperative Effekte von Clonidin...............................................................Seite 5TAP-BlockadeNiedrige und hohe Dosis gleich wirksam......................................................Seite 5Postoperative RestblockadeGabe von Neostigmin hinauszögern............................................................Seite 10Katheterbedingte InfektionenRisiko steigt mit der Verweildauer an...........................................................Seite 10Primäre TotalendoprotheseIntrathekale Schmerztherapie mit Morphin.................................................Seite 11

? BeatmungAkutes LungenversagenPrävalenz der Bauchlagerung........................................................................Seite 5EinlungenbeatmungNoch zu oft ohne Lungenprotektion.............................................................Seite 6Eingriffe am offenen AbdomenHöherer PEEP vorteilhaft..............................................................................Seite 11

? Perioperative MedizinCRS/HIPEC bei PeritonealkarzinoseFlüssigkeitsgabe mit Morbidität assoziiert....................................................Seite 3Nicht kardiochirurgische EingriffeNiedriger Blutdruck mit Tod assoziiert..........................................................Seite 4Forcierte LufterwärmungBesteht ein Kontaminationsrisiko?...............................................................Seite 10

? IntensivmedizinIntensivpflichtige KinderUltraschall verbessert ZVK-Anlage...............................................................Seite 2Stressulkus-ProphylaxePPI am effektivsten, aber mit Risiko..............................................................Seite 2Akute schwere BlutungenTranexamsäure rasch verabreichen...............................................................Seite 4Volumenersatz mit HESKein Effekt auf Nierenfunktion....................................................................Seite 10

? Sepsis/SchockSeptischer SchockHöheres Risiko bei höherem Zielblutdruck?..................................................Seite 3Katheterbedingte InfektionenMultimodale Strategien beugen Sepsis vor...................................................Seite 5SchockEnterale Ernährung ohne Vorteil...................................................................Seite 6KardiochirurgieSepsis-3-Kriterien nützlich für Diagnose.....................................................Seite 11

? SonstigesAnästhesieversorgungÜbergaben schlecht für den Patienten...........................................................Seite 4Akute NatriumbelastungNegativer Effekt auf das Endothel.................................................................Seite 6Radiale ArterienpunktionUltraschall verbessert die Erfolgsrate............................................................Seite 6Anästhesie bei SäuglingenLeichte zerebrale Entsättigung häufig..........................................................Seite 11

? Industrie...................................................................................................Seite 12

? Forschung, Hochschule und Verbände...................................................Seite 14

? Termine....................................................................................................Seite 15

Inhalt

©2018 Biermann Verlag GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung der Biermann Verlag GmbH urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Biermann Verlag und Biermann Verlag Logo sind eingetragene Warenzeichen. Auch wenn diese nicht gekennzeichnet sind, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen.

Fortsetzung siehe Seite 2

2/2018Herausgeber: Prof. Dr. med. Thomas StandlEinzelpreis: Euro 7,40

87747

KompaKtanästhesiologie und intensivmedizin

Herausgeber Thomas Standl

andererseits den negativen Einfluss einer höheren im Vergleich zu einer niedrigeren Volumenapplikation bei Patienten mit hyperthermer intrape-ritonealer Chemotherapie (Eng et al.).

Auch Infusionlösungen mit hohem Natriumgehalt scheinen einen nega-tiven Einfluss insbesondere auf die endotheliale Oberfläche zu haben, wie eine Studie an gesunden Probanden zeigt (Rorije et al.). Sollte es immer noch kritische Stimmen gegen die int-raoperative Wärmung von Patienten geben, so zeigt diesen Skeptikern die Studie von Shirozu et al. aus Japan, dass bei intaktem Laminar-Airflow keine Gefahr der Kontramination durch konvektive Wärmeapplikation besteht. Interessant auch eine Studie aus Kanada, die klar aufzeigt, dass sich bei Personalwechsel von Seiten der Anästhesisten während Operatio-nen, insbesondere bei vollständigen Übergaben, das Outcome der Patien-ten verschlechtern kann (Jones et al.).

Aus dem Bereich der Intensivmedi-zin gibt es ebenfalls wieder einige interessante Studien, beispielsweise zur Wirksamkeit von Protonenpum-peninhibitoren hinsichtlich der Reduktion gastrointestinaler Komp-likationen auf Kosten einer höheren Inzidenz von Pneumonien (Alhazzani et al.). Die Studie von Lamontagne et al. zeigt, dass kardiovaskuläre Risiko-patienten im septischen Schock offensichtlich keine höheren Blut-druckwerte benötigen. Weitere Stu-dien zeigen den Vorteil multimodaler Europäische Referentenstimmen zu Partikeln in parenteralen Injektionslösungen.

Page 2: KompaKt anästhesiologie intensivmedizin - medical.pall.com · in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt Anästhesiologie und Intensivmedizin haben wir für Sie interessante Publi-kationen

Seite 2 Report

„Partikel in parenteralen Injektionslösungen“

Bericht zur Konferenz der PDA Europe, 2017

Vom 10. bis 11. September 2017 veranstaltete die Parenteral Drug Association (PDA) eine europäi­sche Konferenz zum Thema „Par­tikel in parenteralen Injektions­lösungen“ in Berlin.

Eingeladen waren Wissenschaftler, Pharmazeuten, Qualitätsbeauf­tragte der pharmazeutischen Un­ternehmen, Regulationsbehörden und Kliniker. Ziel der Konferenz war der Austausch von Informatio­

nen zu Partikeln hinsichtlich Her­stellung und Inspektion von Arz­neimitteln, Risikoeinschätzung auf die Gesundheit von Patienten so­wie möglichen Vermeidungsstrate­gien. Rund 150 Teilnehmer aus 10 Ländern diskutierten die Experten­beiträge. Der folgende Bericht bezieht sich vor allem auf Referen­ten, welche partikelinduzierte Infu­sionsrisiken für Patienten vorstell­ten. Am Ende der 2­tägigen Konferenz verabschiedete John Shabushnig, Insight Pharma Con­

sulting und Vorsitzender der Kon­ferenz, die Teilnehmer mit den Worten: „ Die letzten 2 Tage haben uns alle den Wert der Zusammen­arbeit zwischen Pharmaherstellern und Regulierungsbehörden be­wusst gemacht. Es ist jetzt wichtig, dass wir uns mit Klinikern und Me­dizinprodukteherstellern zusam­menschließen, um Bedenken hin­sichtlich der Fremdpartikel und der Auswirkungen auf den Patienten anzugehen.“

Positiver Trend – Zahl der Rückrufaktionen von

Arzneimitteln aufgrund von „sichtbaren“ Partikeln sinkt

in den letzten Jahren

Dr. Stephen Langille, von der U.S. Food & Drug Administration (FDA), beleuchtete das Thema der Arznei­mittelverunreinigungen mit sicht­baren Partikeln (> 100 µm) aus regulatorischer Perspektive. Unter den sichtbaren Partikelverunreini­gungen finden sich zumeist Parti­

kel aus Cellulosefasern, Gummi, Silikonöle, aber auch intakte oder denaturierte Proteine, Glas und Metall, manchmal auch Haare oder Insekten. Dr. Langille riet dazu, einen Lebenszyklus­Ansatz bei der Kontrolle auf sichtbare Partikel in injizierbaren Produkten zu verfol­gen – als wichtige Stationen nann­te er Prävention, Qualifizierung des Inspektionsprozesses sowie weiter­führende Untersuchungen. Erfreu­licherweise ist die Zahl der Rück­rufaktionen aufgrund von sicht­baren Partikelverunreinigungen in den letzten Jahren zurückgegan­gen: Wurden im Jahr 2014 noch 41 Produkte von der FDA zurückgeru­fen, so waren es 2016 nur noch 12 Fälle. Dr. Langille empfahl weiter­hin, die Anforderungskriterien ge­mäß der guten Herstellerpraxis ein­zuhalten und die GMP (Good

Manufacturing Practice) – Compli­ance bei Prävention und Kontrolle zu implementieren.

Partikelbelastung für Patienten – Nationale

Leitlinien verändern das Infusionsmanagement

Ton von Boxtel (Präsident der Or­ganisation World Congress on Vas­cular Access [WoCoVA]) berichtete über weltweite regulatorische Ver­änderungen in den letzten 2 Jah­ren, die das Infusionsmanagement und das Klinikpersonal nachhaltig beeinflussen. Beispielhaft hierfür stehen die neuen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaus­hygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch­Institut (KRIN­KO, 2017) in Deutschland: Bei intensivmedizinisch behandelten Patienten sollen Partikelfilter im Infusionssystem eingesetzt werden. Die von der KRINKO entwickelten

Leitlinien dienen als verbindlicher Standard und richten sich an alle Einrichtungen im Gesundheits­wesen, wie z. B. Kliniken, Heime, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Dia­lysezentren, Rehabilitationsein­richtungen oder Einrichtungen für ambulantes Operieren. Als Grund für die Empfehlung über den Ein­satz von Partikelfiltern werden kli­nische Studien angeführt, welche die Partikelbelastung für nachfol­gende systemische Entzündungs­reaktionen nahelegen.

Laut Dr. Sasse von der Medizini­schen Hochschule Hannover (MHH) wird die Umsetzung der klinischen Leit linien eine große Herausforde­rung in der Implementierung für Krankenhäuser darstellen. Man kann aber davon ausgehen, dass die KRINKO Leitlinien vom Kran­kenhausmanagement sehr ernst

genommen werden und mit einer Umsetzung in den nächsten 5 Jah­ren zu rechnen ist. Auch die US­Leitlinien der International Nursing Society (INS) 2016 befürworten die Filtration von Arzneimitteln bei kritisch kranken Patienten auf­grund von Partikelbelastungen, um allgemeine Komplikationen und systemische Entzündungsreaktio­nen zu vermindern. Darüber hinaus gelte, es parenterale Nährstoff­lösungen sowohl mit als auch ohne Lipide zu filtern und die Filter alle 24 Stunden zu wechseln. In der nachfolgenden Diskussion wurde die Bedeutung der Validierung von Filtern auf Arzneimittelretention unterstrichen, sowie die mögliche Rolle von Filterherstellern, Arznei­mittelfirmen und regulatorischen Behörden in diesem Prozess disku­tiert. Ton von Boxtel forderte zudem eine globale Richtlinie zum Einsatz von Partikelfiltern im Infu­sionsmanagement.

Europäische Referentenstimmen zu Partikeln in parenteralen Injektionslösungen.

Positiver Trend – Zahl der Rückrufaktionen von Arzneimitteln aufgrund von „sichtbaren“ Partikeln sinkt in den letzten Jahren.

Partikelbelastung für Patienten – Nationale Leitlinien verändern das Infusionsmanagement.

Page 3: KompaKt anästhesiologie intensivmedizin - medical.pall.com · in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt Anästhesiologie und Intensivmedizin haben wir für Sie interessante Publi-kationen

Seite 3Report

Nanopartikel in Infusionen– unsichtbar aber nicht

ungefährlich

Das Europäische Arzneibuch regelt die Prüfung der Partikelkontamina­tionen und unterscheidet bisher lediglich in sichtbare und nicht sichtbare Partikel. Partikel, die klei­ner als 10 µm sind, unterliegen bis heute keiner Reglementierung. Darunter fallen auch Nanopartikel

oder Submikron­Partikel. Partikel also unter 1 µm, anstatt Nanoparti­kel können – je nach Material des Partikels  ­ verschiedene Größen, Formen, Ladungen oder spezifische Eigenschaften haben, erklärte Prof. Cornelia Keck, Philipps­Universität Marburg.

Nachdem Partikel in den Blut­kreislauf gelangen, können sie in die Zellen gelangen oder mit Blut­proteinen interagieren und deren Eigenschaften verändern. Zahlrei­che Studien beschäftigten sich mit dem Verbleib von Nanopartikeln im Körper. Man wisse zwar noch nicht exakt, was mit den Partikeln passiere, allerdings gibt es Hinwei­se auf ein „nanotoxisches Risiko“, so Keck. Man gehe davon aus, dass größere, abbaubare Partikel weni­ger gefährlich seien als sehr kleine, nicht abbaubare. Die Frage, wie viele Nanopartikel während der Infusionstherapie in einen Patien­ten gelangen, wurde im Rahmen einer Studie geklärt.

Die Versuchsanordnung simu­lierte eine reale klinische Situation in einer Intensivstation. Anstelle von echten Patienten wurden Glas­fläschchen verwendet, in denen die Infusionslösungen über 72 Stun­den eingeflößt wurden. Das Experi­ment wurde ohne und mit intrave­nösen In­Line­Filtern (ELD96LLCE & NEO96E) an der Infusionsstelle durchgeführt. Es konnte gemessen werden, dass während einer 72­stündigen Infusionstherapie etwa 69 Milliarden Submikro­meter­Partikel in einen Patienten

gelangen. Auch wurden die Parti­kel auf ihren Ursprung hin qualifi­ziert – ca. 50 % der Partikel stam­men aus dem Infusionsequipment und 50 % sind von den Arzneimit­teln abgleitet.

Die Anzahl der Submikron­Par­tikel konnte durch den Einsatz von Pall Nanodyne® In­Line­Filtern um 97 % reduziert werden. Die Ver­wendung von Filtern mit Nanopar­tikelretention reduziert die Anzahl

der in den Patienten geleiteten Submikron­Partikel effizient. Auch wenn deren Toxizität heute noch nicht abschließend bewertet wer­den könne, zeigte sich Keck über­zeugt davon, dass eine hohe Zahl von Partikeln Stress für den Körper bedeute und vor allem bei bereits erkrankten Patienten unbedingt vermieden werden sollte.

Nanotoxisches Risiko – Beeinträchtigung der Mikro­

zirkulation und Förderung der Inflammation

Diese Meinung teilte auch PD Mar­kus Rehberg, LMU München – er sprach über Effekte von Nanoparti­keln in Mikrogefäßen. Er wies dar­auf hin, dass die im Blutstrom vor­handenen Nanopartikel mit Throm­bozyten, Monozyten / Leukozyten und Endothelzellen interagieren. Sie beeinflussen die Mikrozirkula­tion und begünstigen Entzün­dungsreaktionen. Das Risiko für Herz­Kreislauf­Erkrankungen, Krebs, Thrombose und Schlaganfall kann durch Nanopartikel erhöht werden. Er demonstrierte in Modell­Nanopartikel­Studien unter Verwendung von Quantenpunkten (Quantum Dots, QD), dass sowohl die Oberflächenbeschaffenheit von QD (z. B. negative Ladungen) als auch der pathophysiologische Zu­stand des Gewebes, die Wechsel­wirkungen zwischen Partikeln und Mikrogefäßen die postischämische Gefäßwände beeinflussen. Abhän­gig von beiden Parametern sind die

QD­Aufnahme in die Zellen, ihre Translokation / Verteilung in das Gewebe und ihre proinflammatori­schen Eigenschaften. Daher sollte, wenn es eine vorherrschende un­günstige Situation gibt, die Parti­kellast so weit wie möglich redu­ziert werden, riet Rehberg.

Partikelrisiko – Klinische und ökonomische

Auswirkungen

Sepsis, Systemisches Entzündungs­syndrom (SIRS) oder Organversa­gen erschweren oft den klinischen Verlauf. Auf Intensivstationen trete SIRS sehr viel häufiger auf als eine Sepsis, erklärte Dr. Michael Sasse. Daten aus Australien zeigten, dass das schwere nicht infektiöse SIRS auch öfter mit ZNS­Versagen asso­ziiert sei. Partikelverunreinigungen können laut Sasse zur klinischen Verschlechterung von Patienten beitragen. „Patienten mit schwerer SIRS brauchen keinen zusätzlichen

Trigger, der ihre Verfassung ver­schlechtert“, unterstrich Sasse. Die Verwendung von In­line­Filtern mit Nanopartikelretention verhin­dere die Partikelinfusion fast voll­ständig (s. Nanopartikel in Infusio­nen – unsichtbar aber nicht ungefährlich). Er präsentierte Daten einer Studie, die den Effekt der In­line­Filtration auf die Verringerung der wichtigsten Komplikationen bei schwerkranken Kindern unter­suchte1.

In der randomisierten prospekti­ven Studie wurden 807 pädiatri­sche Patienten (Alter: 4 Wochen bis 18 Jahre) der PICU des Universi­tätsklinikums MHH entweder der Kontroll­ oder der interventionel­len Gruppe zugewiesen. Letztere erhielt während der gesamten Infu­sionstherapie In­line­Filtration (Pall Nanodyne® und B. Braun®). Als primäre Endpunkte galten die Reduktion schwerer Komplikatio­nen (Sepsis, SIRS, Organversagen,

Mortalität und Thrombose). In der Gruppe von Kindern, die eine In­line­Filtration erhielten, konnte über alle Altersgruppen hinweg eine signifikante Reduktion der SIRS­Häufigkeit beobachtet wer­den, berichtete Sasse. Darüber hin­aus waren Organfunktionsstörun­gen von Lunge, Niere und des hämatologischen Systems signifi­kant reduziert. Die Kinder wurden weniger lang beatmet und die Auf­enthaltsdauer auf der Intensivsta­tion konnte um 23 % (von 4 auf 3 Tage) verkürzt werden. Durch die reduzierte Aufenthaltsdauer sei es möglich, die PICU­Kapazitäten zu erweitern und jährlich 209 pädiat­rische Patienten zusätzlich zu ver­sorgen. Müsse man Patienten aus Kapazitätsgründen abweisen, hät­ten die Kinder in weniger speziali­sierten Zentren oftmals schlechte Überlebenschancen, gab Sasse zu bedenken.

Auch unter ökonomischen Aspekten mache der Einsatz von

Filtern Sinn: Verrechne man die Kosten für die Filter (etwa 50.000 € p. a.) mit den Erstattungskosten für die Behandlung der zusätzlichen Patienten (etwa 1.600.000 € p. a.), werden durch die In­line­Filtration Kosten eingespart, erklärte Sasse. Übertrage man dies auf die gesamte MHH mit 11 Intensivstationen und 9.812 Patienten, ständen Kosten von 350.000 € für die Filter einer Erstattungssumme für Behandlun­gen von 18.000.000 € p. a. gegen­über. Vor allem für Patienten mit mittlerer (3–7 Tage) und längerer Aufenthaltsdauer sei der Filter­Ein­satz sinnvoll, um eine frühzeitige Prävention zu erzielen, so Sasse.

Sasse fasste die Ergebnisse zu­sammen: • Partikel in Infusionslösungen be­

einträchtigen das Immunsystem. • Die Filtration der Infusions­

partikel reduziert schwere Kom­plikationen und Organdysfunkti­onen.

Submikron-Partikel (< 1μm) in Infusionen, unsichtbar, aber nicht ungefährlich.

Nanotoxisches Risiko – Beeinträchtigung der Mikrozirkulation und Förderung der Inflammation.

Page 4: KompaKt anästhesiologie intensivmedizin - medical.pall.com · in der 2. Ausgabe 2018 von Kompakt Anästhesiologie und Intensivmedizin haben wir für Sie interessante Publi-kationen

Seite 4 Report

• Die Filtration steigert die Patien­tensicherheit, reduziert die ICU­Aufenthaltsdauer und hat entscheidende ökonomische Ef­fekte.

Hinweise für einen klinischen Benefit durch Filtration gebe es auch bei Neu­ und Frühgeborenen, erklärte Prof. Olivier Baud, Inserm, Paris, Frankreich2. In der randomi­sierten, kontrollierten Studie mit Pall Nanodyne® In­line­Filtern (NEO96NYE und NLF1E Pall®) wurde der Stellenwert der Filtra­tion bei Frühgeborenen genauer beleuchtet. Leider konnte die Stu­die noch nicht vollends vorgestellt werden, da noch nicht alle Daten zum Zeitpunkt der Konferenz aus­gewertet waren.

Dr. Gianluca Villa von der Uni­versität in Florenz, Italien, stellte eine klinische Studie mit 268 Patien ten vor. Mittelpunkt der Studie waren die Inzidenzraten der Thrombophlebitis – die häu­figste Komplikation nach einer pe­ripheren venösen Infusion. Eine Thrombophlebitis kann an Tag 3 bei etwa 26 % der Patienten beob­achtet werden, sagte Villa. Nor­malerweise erfordere sie den Austausch des vaskulären Zu­gangs – dies belastet den Patien­ten und erhöht den Aufwand für das Personal. Es wird davon aus­gegangen, dass auch Partikel zum Auftreten einer Thrombophlebitis führen können. In der Studie konnte gezeigt werden, dass die Inzidenzrate der Thrombophlebitis mit Pall  Nanodyne® In­line­ Filtern (ELD96LLCE und NEO96E) auf 2 % sinkt. Am Ende seines Vortrages zitierte Villa Patientenstimmen: Einige berichteten, dass durch die Verwendung der Filter ihr Venen­katheter erstmals „keine Probleme und keinen Schmerz bereitete“, während des gesamten Kranken­hausaufenthaltes „funktionierte“ – ein Patient bat darum, dass der Filter nach Tag 4 nicht entfernt werden sollte (wie es das Studien­protokoll vorsah).

Arzneimittelin­kompatibilitäten –

Partikelentstehung im Infusionsregime

Die parenterale Therapie ist heute zunehmend komplex und so stelle auch die Kompatibilität gemein­sam verabreichter Arzneimittel ein Problem dar, berichtete weiterhin Prof. Patrick Ball (Universität Wolverhampton, UK). In­vitro­Kompatibilitätstests mit fixen Konzentrationen erlauben keine verlässlichen Aussagen. In der Pä­diatrie werden Infusionen oft langsam verabreicht, so dass nicht zirkulierende Flüssigkeitsräume entstehen und es zur Abtrennung der Medikation in bestimmten Be­reichen eines Infu sionsequipments

kommen könne, erklärte er. Dass kleine Veränderungen immense Auswirkungen haben können, verdeutlichte Ball am Beispiel von Krankenhäusern, die bereits seit Jahren Filter verwenden und plötzlich einen Anstieg von Ok­klusionen verzeichnen. Die Beleg­schaft folgert, es müsse ein Prob­lem der Filter sein, doch Ball stellte fest, dass in allen 24 Fällen andere Ursachen vor lagen. „Der Filter blockierte und tat damit ge­nau das, wofür man ihn eingesetzt hatte“, so Ball. Geringfügige Ver­änderungen – wie der Wechsel ei­nes Herstellers oder Abweichungen vom Protokoll – könnten ein zu­vor sicheres System in ein gefähr­liches verwandeln. Werde jedoch kein Filter benutzt, blieben diese Fehler unentdeckt und das Präzi­pitat gelange in den Patienten. „Die Okklusion, die den Filter blo­ckiert, könnte dann stattdessen die Lunge des Patienten blockieren“, gab Ball zu bedenken.

Partikelrisiko – proteinbasierte Medikamente

Die Filtration sei eine zukunfts­fähige Lösung auch für protein­basierte Medikamente, erklärte Benjamin Werner, LMU München. Proteinaggregate könnten Immun­reaktionen auslösen.

Die In­line­Filtration sei daher auch z. B. für verabreichte Fusi­ons­Proteine, Antikörper, Immun­globuline, Enzyme oder anti­hämophile Medikamente sinnvoll. Er plädierte dafür, die Filtration am Krankenbett auszuweiten und so die Patien tensicherheit zu stei­gern. Der Einsatz von 0,2­µm­Filtern habe sich bewährt. Durch die Filtration sei weder ein Pro­teinverlust noch eine Denaturie­rung zu erwarten. Er riet zur Ver­wendung von Silikonöl­freien Injektionsspritzen aus Plastik sowie Filter­Nadeln auf Luer­Lock­Spritzen (ohne eingeklebte

Nadeln und mit eingeba­ckenem Silikonöl bzw. frei von Silikonöl).

Partikulose – ein neues

Krankheitsbild?

Ein häufig vorgebrachtes Argument für die Nicht­verwendung von Filtern ist, dass kein erkennbarer Zustand von „Partiku­lose“ erkennbar ist – kein klares Bild eines klini­schen Syndroms, das durch Partikelkontami­nation verursacht wird. Prof. Patrick Ball berich­tete von Studien, bei de­nen den Patienten ab­sichtlich Partikel injiziert worden waren; in Verte­broplast ie­Techniken und Talkum­Pleurese­Verfahren. Er präsentier­te auch Daten von inji­zierenden Drogenkonsu­menten, die Injektionen aus oralen Darreichungs­formen mit großen Men­gen unlöslicher Partikel vorbereiteten. Die Bewei­se aus diesen Studien legen nahe, dass ein Par­tikel­betroffener Patient mit „Partikulose“ wie je­der andere „kranke“ Pati­ent aussieht und es nicht möglich ist, ein separates klinisches Syndrom zu identifizieren. Folglich werden die Symptome dieses Zustandes dem zu­grunde liegenden Zu­stand des Patienten zu­geschrieben, nicht der Partikelkontamination.

Weitere Informationen zu Partikeln in der Infusi­onstherapie finden Sie

unter https://medical.pall.com/en/infusion­therapy.html Susanne Pickl

Quelle: Tagung der Parenteral Drug Association (PDA), Europe Conference 2017, „Particles in Injectables“ vom 26.­27. September in Berlin

Literatur:1. Jack T et al. Intensive Care Medicine

2012;38(6):1008–1016. doi: 10.1007/s00134­012­2539­7]

2. Van Lingen et al. The use of in­line intravenous filters in sick newborn infants. Acta Paediatr 2004 May;93(5):658–662.

Mit freundlicher Unterstützung der Pall GmbH

Partikelrisiko – Klinische und ökonomische Auswirkungen.