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Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG 5. Jahrgang www.kompass-gesundheit-bw.de Nr. 4 2016 In Zusammenarbeit mit der Chronisches Sodbrennen Blut bedeutet Leben Tiergestützte Therapie TOP-THEMA Adipositas-Chirurgie

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Kompass GesundheitDAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG

5. Jahrgang www.kompass-gesundheit-bw.de

Nr. 4 2016

In Zusammenarbeit mit der

Chronisches Sodbrennen

Blut bedeutet Leben

Tiergestützte Therapie

TOP-THEMA

Adipositas-Chirurgie

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Liebe Leserin, lieber Leser,

mehr als eine Million Menschen in Deutschland gelten als stark übergewichtig, adipös. DieFrage, wie denn Adipositas zustande kommt, lässt sich nicht einfach beantworten. Eine einzi-ge Erklärung dafür, warum sich ein Mensch im Lauf der Jahre – mal früher, mal später – zumÜbergewichtler entwickelt hat, gibt es nicht. Dabei handelt es sich stets um ein ziemlich kom-plexes Zusammenspiel unterschiedlichster Ursachen: genetischer Disposition, biologischerFaktoren, psychischer Einflüsse.

Viele adipöse Menschen leiden an Typ-2-Diabetes. Konservative Behandlungsverfahren wieErnährungsumstellung und mehr Bewegung bringen solchen Patienten nur selten Erfolg, undder Diabetes lässt sich mit Insulin oder oralen Antidiabetika ebenfalls nicht heilen. Als letzteHoffnung gilt dann oft die Operation.Wir geben Ihnen in dieser Ausgabe vom „Kompass Gesundheit“ einen Überblick über die so-genannten bariatrischen Operationen (Adipositas-Operationen) und informieren Sie übermögliche Diäten und Medikamente zum Abnehmen.

Mit Prof. Dr. med. Bodo Klump vom Paracelsus-Krankenhaus in Ostfildern-Ruit sprachenwir über ein Problem, das sehr viele Menschen immer wieder quält: das Sodbrennen. Wäh-rend ein einmaliger Vorfall zwar unangenehm, aber unproblematisch ist, kann andauerndesSodbrennen der Speiseröhre nachhaltig schaden. Prof. Klump erklärt die Ursachen und dieeffektive Behandlung von Sodbrennen.

Ein besonders spannendes Thema ist unser Blut. Da sich Veränderungen im Körper häufigin einer veränderten Blutzusammensetzung widerspiegeln, sind die Blutentnahme beim Arztund die Blutuntersuchung durch ein Labor sowohl beim routinemäßigen Check-up als auchfür die Diagnose von Krankheiten unverzichtbar. Wir erklären Ihnen, welche Blutwerte warumuntersucht werden, auf welche Krankheiten bestimmte Veränderungen im Blutbild hinweisenkönnen und welche Blutkrankheiten es gibt.

Es gibt immer mehr Studien über die Wirksamkeit der tiergestützten Therapie. Zwar wird siein den seltensten Fällen von den Krankenkassen bezahlt, aber die Akzeptanz bei den Men-schen steigt kontinuierlich. Seit einiger Zeit bietet das Praxis-Zentrum Göppingen unter ande-rem auch die tiergestützte Therapie an. Wir stellen den Freihof vor.

Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre

Ihr Werner Waldmann

Werner Waldmann ist Medizinjournalist und leitetdie Redaktion von „Kompass Gesundheit“.

editorial

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4 Kompass Gesundheit 4/2016

Impressum

Kompass Gesundheit –Das Magazin für Baden-Württemberg

Herausgeber: Dr. Magda AntonicRedaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.)

Botschafter: Dr. med. Suso Lederle

Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat:Prof. Dr. med. Tilo Andus, Prof. Dr. med. Walter-Erich Aulitzky, Dr. med.Alexander Baisch, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med.Hansjörg Bäzner, Prof. Dr. med. Gerd Becker, Dr. med. Wolfgang Bosch,Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Dr. med. Ernst Bühler, Prof. Dr. med.Claudio Denzlinger, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Prof. Dr. med. Ulrich Franke, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med.Rainer Graneis, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Bodo Klump, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Dr. med. Klaus Kraft, Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Prof. Dr. med. Ralf Lobmann,Dr. Tobias Meile, Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Prof. Dr. med. ThomasNordt, Dr. med. Jürgen Nothwang, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Dr. med. Martin Runge, Dr. med. Nobert Smetak, Dr. med. WolfgangSperber, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki,Dr. med. Bernd Voggenreiter, Holger Woehrle, Dr. med. Sieglind Zehnle

Gesundheitspolitik: Markus Grübel (MdB), Michael Hennrich (MdB)Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Andrew Leslie, Ursula Pieper, Marion ZerbstArt Direction: Dr. Magda AntonicHerstellung: Barbara SchülerDruck: Wahl-Druck GmbH

Fotos: Cover: © Aksabir/shutterstock.com; S. 6: © Spectral-Design/ThinkstockPhotos.de; Illustrationen S. 8 oben und unten rechts: © AlilaMedical Media/shutterstock.com; S. 10: © pixabay.com; S. 13: © pixa-bay.com; S. 14: © pixabay.com; S. 20: © shutterstock.com; S. 28: © GiZGRAPHICS content/fotolia.de; S. 32: © wavebreakmedia/ shutter-stock.com; S. 34: © designed by Pressfoto/Freepik.com; S. 38/39: © PET-Freihof; Für die Autoren- und Ärzteporträts liegen die Rechte beiden abgebildeten Personen. Alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic

Verlag: MEDITEXT Dr. AntonicVerlagsleitung: Dr. Magda AntonicPanoramastr. 6; D-73760 OstfildernTel.: 0711 7656494; Fax: 0711 [email protected]; www.meditext-online.de

Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweitin dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darfder Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Redaktion und Verlaggrößte Mühe darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau demWissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprachen. Dennochsollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamenteselbst prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort ge-gebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindi-kationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Leseraußerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vor-schriften der für sie zuständigen Behörden richten. Geschützte Warenna-men (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein.Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen wer-den, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlichgeschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Ver-wertung ohne Einwilligung von MEDITEXT Dr. Antonic strafbar. Die Red-aktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt ein-gesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung über-nommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfas-sers wieder. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen.

Ein Einzelheft ist zum Preis von 1,60 Euro (zzgl. Versandkosten) beim Verlag erhältlich.

Copyright © 2016 by MEDITEXT Dr. Antonic, 73760 Ostfildern

ISSN 2194-5438

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Wenn Schafe zählen nicht mehr hilft …

Das Schlafmagazin –für bessere Nächte und Tage.

www.dasschlafmagazin.de

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5Kompass Gesundheit 4/2016

inhaltLetzte Hoffnung bei starkem ÜbergewichtAdipositas-Chirurgie 6

Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Rudolf WeinerDie Anfänge der modernen Adipositas-Chirurgie in Deutschland 7

Bevölkerungsanteile der Erwachsenen mit Fettleibigkeit 9

Bei Übergewicht helfen keine einseitigen Diäten 10

Ein neuer Hoffnungsschimmer am Horizont? Medikamente zum Abnehmen 14

Blut bedeutet Leben 20

Ihr Hausarzt meint 25

Das Gesundheitsgespräch mit Johannes BauernfeindArzt und Klinik 26

Chronisches Sodbrennen immer behandeln 28

Sport treiben – verletzungs- und risikofrei 32

Smartphones beeinflussen die Gehirnströme 34

Sind Patienten heute Kunden? 36

Wenn Hühner und Vierbeiner gesund und glücklich machenTiergestützte Therapie in Göppingen 38

Diakonie-Klinikum Stuttgart Förderpreis für gesundes Arbeiten 42

Nach 13 Jahren wieder in Stuttgart! Körperwelten 42

RubrikenImpressum 4 | Aboformular 19 | Kolumne Dr. Lederle 35 | Terminhinweis 35 |

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Letzte Hoffnung bei starkem Übergewicht

Adipositas-Chirurgie

Wer übergewichtig ist, hat in unserer Gesellschaft meist schlechte Karten. Übergewicht, Fettleibigkeit oder –medizinisch höflicher – Adipositas, gemeint ist immer dasselbe Phänomen: fette, unansehnliche Menschen, dievon einem normalen Sitzmöbel mit Lehne eingeklemmt werden und sich nur mühsam daraus befreien können,die im Ferienflieger nicht in den üblichen Economy-Spar-Sitz passen und sich im Alltag nur schwitzend fortbe-wegen. Selbst bei Kindern und Jugendlichen fällt Adipositas ins Gewicht. Des Volkes Meinung ist eindeutig: Die-se Leute, jung oder alt, sind offenbar maßlos, futtern zuviel, liegen lieber auf der Couch und knabbern Chipsbeim Vorabend-TV anstatt im Fitnessstudio zu trainieren.

Viele Ärzte, die es eigentlich besser wissenmüssten, pflegen dasselbe Vorurteil und predi-

gen ihren dicken Patienten, sich doch ausgewoge-ner zu ernähren und sich fleißig zu bewegen. Unddabei bleibt es. Man lässt die Adipösen lieber allei-ne, grenzt sie aus, verweist auf Diäten (die nur derRegenbogenpresse nützen) und reißt seine Witzeüber sie. Rank und schlank, das ist das Körperver-ständnis unserer Gesellschaft. Nur sollte man andie Folgen für unser solidarisches Gesundheitssys-tem denken!

Männer haben ein siebenfaches und Frauen einzwölffaches Risiko, an Diabetes zu erkranken undein zwei- bzw. dreifaches Risiko für koronare Herz-krankheiten. Die Adipositas in Deutschland kostetuns im Jahr unter Einbezug der Begleiterkrankun-gen und Pflegekosten bis zu 30 Milliarden Euro.

Das muss nicht sein! Begreifen wir die Adiposi-tas als eine Krankheit, die dringender Therapie be-darf. Etablieren wir ein flächendeckendes Angebotan spezialisierten Ärzten und qualifizierten Ge-wichtsreduktionsprogrammen und akzeptieren wirbei extremem Übergewicht die Chancen einer chi-

rurgischen Spezialintervention. Adipositas-Opera-tionen sind keine Lifestyle-Maßnahmen, sonderneine bewährte Therapie, deren Wirksamkeit durchStudien gut belegt ist.

Die USA sind Spitzenreiter, was adipositaschirur-gische Eingriffe angeht. Rund 250 000 Operatio-nen sind es im Jahr. Die zweitgrößte Zahl derdurchgeführten Eingriffe (30 450) kommt ausFrankreich. Deutschland glänzt als Schlusslicht.

Die deutschen Krankenkassen genehmigen Adi-positas-Eingriffe nur nach administrativ aufwendi-gen Einzelentscheidungen, in die der MedizinischeDienst der Krankenkassen einbezogen ist. Die An-wärter auf einen chirurgischen Eingriff müssen einJahr lang konventionell versuchen, abzunehmen.Wenn sie dabei übers Ziel schießen, wird ihnen derEingriff verwehrt, denn sie könnten ja auch ohneOP auskommen. Dass sie dann dank des Jo-Jo-Effekts wieder zunehmen, steht auf einem anderenBlatt.

Jeder dieser körperlich und psychisch heftig lei-denden Menschen mit extremem Übergewichtbraucht uneingeschränkten Zugang zu einer quali-

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Werner Waldmann

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fizierten und individuellen Thera-pie. Dies ist eine Forderung an dieKostenträger, aber auch an Ärzteund Kliniken, Adipositas-Chirugieverantwortlich zu betreiben undnicht nur aus vordergründigemwirtschaftlichen Anreiz auf einenZug aufzuspringen, der gerade inFahrt kommt. Adipositas-Chirurgiemuss mit großer Verantwortungund hoher ärztlicher Expertise be-trieben werden.

Verschiedene Operations-verfahren und die IndikationMan kennt drei Klassen adiposi-taschirurgischer Eingriffe, die amhäufigsten angewendet werden:• Restriktive Verfahren, die das

Volumen der Nahrungsaufnahmebremsen (Schlauchmagen, Ma-genband)

• Malabsorptive Verfahren, diedie Aufnahme von Nahrungsbe-standteilen im Dünndarm ver-mindern (biliopankreatische Di-version mit/ohne duodenalemSwitch)

• Kombinierte Verfahren, die bei-de Wirkungsweisen zusammen-bringen (Roux-en-Y-Magenby-pass).

Risiken der OperationJede Operation bedingt auch eingewisses Risiko für Komplikatio-nen, z. B. Blutungen, Wundhei-lungsstörungen, Nahtundichtig-keit, und in sehr seltenen Fällenauch, an den Folgen des Eingriffszu versterben.

Mit zunehmendem Gewicht desPatienten wachsen die allgemei-nen Operationsrisiken wie bei-spielsweise Kreislaufproblemewährend der Narkose, die Gefahreine Thrombose oder Embolie inden Tagen nach der Operation.Aber: Den Operationsrisiken der

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Prof. Dr. med. Rudolf A.Weiner ist Facharzt fürChirurgie, Viszeral-chirurgie, Urologie undBiophysik.Klinik für AdipositasChirurgie und Metaboli-sche ChirurgieSana Klinikum Starkenburgring 66 63069 Offenbach

Prof. Rudolf A. Weiner: Meine ersten Kon-takte mit der Adipositas-Chirurgie reichenin die 70er Jahre zurück. Damals fürchte-ten Chirurgen und Patienten diesen Ein-griff, denn er wurde in offener Operations-technik mit Bauchschnitt und allen ent-sprechenden Nebenwirkungen durchge-führt. Das Ganze begann für mich eigent-lich erst wieder im Jahr 1993, als in Bel-gien erstmals durch minimalinvasiveTechnik Magenbänder implantiert wurden.Und bei dieser Operationstechnik, derSchlüssellochchirurgie, waren die Patien-ten weitaus weniger beeinträchtigt. Siekonnten sofort wieder aufstehen nach derOperation. Das war damals ein Grund fürmich, sofort nach Belgien zu fahren undmir das anzuschauen. Damit begann ei-gentlich der unaufhaltsame Siegeszugdieser Operationen in Deutschland.

War es schwierig, Kollegen von dieserOperationsmethode zu überzeugen?Prof. Rudolf A. Weiner: Die Adipositas-Chirurgie wurde lange Zeit von meinenKollegen sehr skeptisch betrachtet. Adi-positas galt nicht als Krankheit. Das än-derte sich erst, als die WHO in den 80erJahren Adipositas als Krankheit einstufte.

1998 haben Sie in Frankfurt den erstenwissenschaftlichen Kongress über die laparoskopische Adipositas-Chirurgie initiiert.Prof. Rudolf A. Weiner: Wir haben damalsviele Chirurgen eingeladen. Es kamenauch viele junge Kollegen, die an der mini-malinvasiven Chirurgie interessiert waren.Doch insgesamt war die Resonanz nochsehr zurückhaltend.

Wie ist die Akzeptanz heute?Prof. Rudolf A. Weiner: Die Akzeptanz beiden Chirurgen ist heute sehr groß. DasWissen um Adipositas und ihre Behand-lungsmöglichkeiten durch die moderneChirurgie ist jedoch in weiten Ärztekreisennoch unzureichend, also generell das Wis-sen um die Mechanismen der Adipositasund letztendlich auch die Erkenntnis, dasseine Therapie dieser Erkrankung eigentlichnicht existiert. Auch wir Chirurgen thera-pieren Adipositas eigentlich nicht. Mit ei-nem chirurgischen Eingriff unterstützenwir die Patienten, ihr großes Übergewichttatsächlich abzubauen, jedoch müssensie dies mit einer lebenslangen Lebensstil-änderung selbst umsetzen.

Manche Hausärzte kennen diese Be-handlungsmethode, weil sie positive Er-fahrungen damit gemacht haben, undschicken deshalb ihre Patienten zu uns.Viele Kollegen sind aber der Ansicht, wennjemand übergewichtig ist, dass er dannselbst schuld daran sei. Es wird verkannt,dass solche Patienten so gut wie nicht inder Lage sind, auf herkömmliche Weise ihrÜbergewicht los zu werden. Die Adiposi-tas-Chirurgie ist die einzige Möglichkeit,wieder ein vernünftiges Gewicht zu errei-chen.

Die Anfänge der modernen Adipositas-Chirurgie in DeutschlandEin Gespräch mit Prof. Dr. med. Rudolf Weiner

Prof. Dr. Alfred Weiner gilt als führende Persönlichkeit auf dem Gebiet der Adiposi-tas-Chirurgie in Deutschland. Er hat den Siegeszug dieser Therapiemethode von ih-ren Anfängen mittels offener Operationstechnik bis zur heutigen schonenden lapa-roskopischen Operationstechnik miterlebt und mitgestaltet. Wir sprachen mit ihmüber die Anfänge dieser Behandlungsmethode übergewichtiger Menschen.

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Adipositas-Chirurgie stehen wesentlich größere Ri-siken gegenüber, an den Folgen des Übergewichtszu versterben.

Vermindertes Risiko durch minimalinvasive OP-TechnikGreift der Chirurg zum Skalpell, so geht das nichtohne Schmerzen. Der Körper wird an einer Stellegeöffnet, um kranke Organe zu reparieren oder zu

entfernen. Man hat gelernt, dass es vor allem dasTrauma des großen Bauchschnitts ist, das den Pa-tienten belastet und nicht so sehr die Operation anden Bauchorganen selbst. Erst die Einführung derminimalinvasiven Operationstechnik führte auf die-sem Gebiet zum großen Durchbruch: Bei dieserbesonders schonenden und schmerzarmen Vorge-hensweise werden durch wenige Millimeter großeEinschnitte dünne Operationshülsen (sogenannte

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Die Abbildung zeigt ein Magenband mit einem Schlauch-system und der Portkammer, durch die mit einer speziellenNadel Flüssigkeit abgezogen oder aufgefüllt werden kann,um das Magenband zu erweitern oder enger zu stellen.

Vormagen (Magenpouch)

Portkammer

Magenband

Bei der Schlauchmagen-Technik werden etwa2/3 des Magenvolumens abgetrennt, sodasszur Nahrungsaufnahme nur noch ein kleinerRestmagen (Pouch) zur Verfügung steht.

Der Roux-en-Y-Magenbypass ist eine sehr wirkungsvolle Methode,um viel Gewicht zu verlieren und dies auch künftig zu halten. Der Magen wird verkleinert und der Dünndarm um einiges verkürzt. DerPatient nimmt einerseits weniger Nahrung zu sich und andererseitswird diese infolge einer eingeschränkten Verdauung nur mangelhaftverwertet.

Leerdarm (Jejunum)

Verdauungssäfte

Nahrung

Restmagen (Pouch)

überbrücktesMagenteil

überbrückterZwölffingerdarm (Duodenum)

Verdauungssäfte zuführender Schen-kel (biliodigestiverSchenkel)

Gallenblase

Blinddarm

Bauchspeicheldrüse (Pankreas) Magen

Zwölffingerdarmstumpf(Duodenalstumpf)

GemeinsamerVerdauungskanal

NahrungszuführenderSchenkel (alimentärerSchenkel)

Die verschiedenen Operationsmethoden

Die Abbildung zeigt, wie der Verdau-ungstrakt beim biliopankreatischenBypass verändert wird.

Restmagen(Pouch)

entferntes Magenteil

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Bevölkerungsanteile der Erwachsenen mit Fettleibigkeit in % in den Jahren 2000 und 2013

31% 35,3%

22% 28,3%

12% 23,6%

21% 24,9%

13% 16,6%

9% 14,5%

9% 10,3%

2000 2013

USA

Deutschland

Großbritanien

Spanien

Frankreich

Australien

Italien

In den USA leben zwar prozentual die meisten fettlei-bigen Erwachsenen, aber ihr Anteil hat von 2000 bis2013 nur um 4,5% zugenommen.

Deutschland lag 2013 mit einem Anteil von 23,6% anFettleibigen im Mittelfeld von insg. 40 erfassten Län-dern. Erschreckend ist allerdings, dass sich der Anteilvon 2000 bis 2013 mit 11,6 % fast verdoppelt hat. Einhöheres Wachstum gab es nur noch in Finnland.

Italien, die Schweiz und Norwegen waren 2013 dieeuropäischen Staaten mit dem geringsten Anteil anfettleibigen Erwachsenen, aber unter 10 % schafftenauch sie es nicht. Erfreulich ist, dass in den LändernBelgien und Niederlande der Anteil sogar zurückging.

Weltweit hat Japan 2013 mit 3,7% den geringsten An-teil an erwachsenen Fettleibigen.

Quelle: Statista

Trokare) in den Bauch- oder Brustraum geschoben. Durch diese bringtman eine hochauflösende Videokamera und spezielle Instrumente in denKörper ein. Die Kamera stellt auf großen Monitoren im OP das Körperin-nere dar, falls erwünscht, auch in Vergrößerung. Mit den Instrumentenlassen sich kranke Organe filigran und schonend manipulieren. DieseTechnik ist für den Patienten extrem schonend, da die kleinen Einschnitteohne Verwachsungen und Narben schnell verheilen. Die Schmerzen, dieein großer Bauchschnitt mit sich bringt, wenn eine mit dem Skalpelldurchtrennte Bauchmuskulatur wieder zusammenwächst, können wo-chenlang anhalten und schränken die Beweglichkeit des Patienten ein.

Der Schmerz nach einer Operation rührt von der Eröffnung der Bauch-decke her. Das Schneiden und Nähen an den Organen selbst schmerztnicht. Daher profitiert der Patient von der Schonung seiner Bauchdeckedurch die minimalinvasive Technik ungemein. Die Trokare werden überrund 5 mm lange Einschnitte durch die Bauchmuskulatur hindurchge-führt. Diese bleibt dabei unverletzt. Beim Herausziehen des Trokarsschließt sich dieses kleine „Loch“ wieder. Man muss es nicht einmal ver-nähen; man kann es verkleben. Die Gefahr eines Narbenbruchs – zu demes bei der offenen Operationstechnik in rund 15 von 100 Fällen kommt –kennt man bei der minimalinvasiven Technik nicht. Und noch ein anderesRisiko wird dabei ausgeschaltet: Vereiterungen der Bauchdecke. Denndank der Trokare kommt die Bauchdecke nicht mehr mit Entzündungenin der Bauchhöhle in Kontakt. Vereiterungen können in der mit einer aus-gezeichneten Immunabwehr ausgestatteten Bauchhöhle fast immer aus-heilen, in der Bauchdecke jedoch liegt eine sehr schlechte Abwehr fürEntzündungen vor, sodass bereits kleinste Mengen von Keimen ausrei-chen, um hier sehr langwierige und komplizierte Heilungsprozesse zuverursachen. Durch das Vermeiden großer Schnitte und den Schutzdurch die Trokare werden Entzündungsverschleppungen aus der Bauch-höhle in die Bauchwand verhindert.

Diabetes mellitus Typ 2 verschwindet nach der OperationMan weiß inzwischen, dass die Adipositas-Chirurgie nicht nur das Ge-wicht reduziert, sondern auch den Blutzuckerstoffwechsel verbessertoder sogar normalisiert – und zwar schon vor einer Gewichtsreduktion.Der Mechanismus für diese erstaunliche Blutzuckersenkung ist bislangungeklärt. Im Verdauungstrakt bilden sich zahlreiche Botenstoffe, vondenen viele den Kohlenhydratstoffwechsel und die Appetitregulation be-einflussen. Möglicherweise verändert sich deren Produktion und Freiset-zung nach einer Operation. In Studien erreichten kurz nach der Opera-tion zwischen 40 bis über 90 % der übergewichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes auch ohne Medikamente einen normalen Blutzuckerspiegel.In einer großen Vergleichsstudie traf dies nach 15 Jahren immerhin nochauf 30 % der operierten Patienten zu, während es bei nichtoperierten le-diglich 6 % waren. Der Effekt auf die Blutzuckereinstellung ist aber kei-neswegs bei allen Patienten dauerhaft. Jedoch entwickeln operierte Pa-tienten seltener diabetische Folgekomplikationen wie an den Augen, denNieren und am Herz-Kreislauf-System. Es zeigte sich auch, dass sichnach einer Operation der Fettstoffwechsel und der Blutdruck besserten.

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Bei Übergewicht helfen keine einseitigen DiätenGespräch mit der Ernährungswissenschaftlerin Verena Frickvom Klinikum Stuttgart

67 % aller Männer und 53 % aller Frauen in Deutschland sind übergewichtig, darunter jeweils rd. 23 % adipös.Das ergab die 2011 abgeschlossene Studie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit Erwachsener in Deutsch-land (DEGS-Studie). Übergewicht begünstigt die Entstehung schwerer Krankheiten, darunter Diabetes, Krebs-und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Kompass Gesundheit sprach mit Verena Frick, Diplom-Ernährungswissen-schaftlerin und staatlich anerkannte Diätassistentin am Klinikum Stuttgart, darüber, wie Übergewicht entstehtund was man dagegen unternehmen kann.

Frau Frick, wie kommt es zu Übergewicht? Verena Frick: Wir gehen davon aus, dass Überge-wicht sehr viele Ursachen haben kann. Dazu gehö-ren unter anderem der Lebensstil und unsere Um-gebung. Wir leben in einer sogenannten adipoge-nen Umgebung, in der Essen jederzeit verfügbarist, in der jeder Mensch überall billiges, hochkalori-sches Essen erhalten kann. Zudem hat die Mahl-zeitenstruktur, die früher eine wesentliche Rollespielte, nicht länger die Relevanz und wird oft nichtmehr gelebt – viele Menschen essen zwischen-durch statt zu festgelegten Zeiten. Das ist sicher ei-ner der Faktoren, der Übergewicht heute leichterentstehen lässt als noch vor einigen Jahrzehnten.

Auch der Bewegungsmangel ist an der Entste-hung von Übergewicht beteiligt – viele Menschenbewegen sich nicht mehr so viel wie früher, vieleTätigkeiten werden heute hauptsächlich im Sitzen

ausgeübt. Und natürlich spielen auch individuelleUrsachen eine Rolle. Wir sehen zum Beispiel, dasspsychische Ursachen häufig Übergewicht bedin-gen, im Umkehrschluss ist bestehendes Überge-wicht oft an der Entstehung psychischer Problemewie Depressionen beteiligt. Auch die familiäre Ver-anlagung kann an der Entstehung von ÜbergewichtAnteil haben. Es ist letztendlich immer ein multifak-torielles Geschehen, das zu Übergewicht führt.

Einerseits wünschen sich die meisten von uns,schlank zu sein, andererseits essen wir zu üppigund zu nahrhaft und verbrauchen zu wenig Ener-gie, Diäten sollen das dann korrigieren. Funktio-niert das und kann das überhaupt funktionieren?Verena Frick: Jeder von uns kennt Modediäten, dieZeitschriften sind voll davon. Aber die Erfahrungzeigt, dass diese oft nicht funktionieren, dass die

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Diäten entweder sehr einseitig sind, bestimmte Le-bensmittel völlig ausschließen oder dass sie ledig-lich den Verzehr bestimmter Lebensmittel propa-gieren. Häufig machen diese Diäten auch abstruseVersprechungen und bedienen ein Wunschdenken,das so gar nicht mit der Realität übereinstimmt.Man kann daher davon ausgehen, dass viele dieserDiäten nicht gut funktionieren oder zwar einenschnellen Gewichtserfolg bringen, aber aufgrundihrer Strukturierung oder ihrer eingeschränkten Le-bensmittelauswahl nicht lange durchgehalten wer-den.

Unsere Empfehlungen gehen eher dahin, wiedereine geregelte Mahlzeitenstruktur sowie eine ver-nünftige Lebensmittelzusammensetzung entspre-chend der üblichen Empfehlungen der Ernährungs-gesellschaften zu etablieren. Ziel ist es, geregelteHauptmahlzeiten zu haben und wieder wegzukom-men vom ständigen Essen oder andauernden„Snacken“. Wir empfehlen daher sehr häufig keineirgendwie geartete Diät, sondern eine Umstellungdes Lebensstils und der Lebensgewohnheiten.Dazu gehört auch, sich wieder mehr zu bewegen.Ein wichtiger Aspekt in der Arbeit mit übergewichti-gen Menschen ist das „achtsame Essen“.

Welche Umstände können aus einem molligeneinen adipösen Menschen machen?

Verena Frick: Das geht sicher in die Richtung, dieich vorhin bereits genannt habe – nämlich, dasssich die Lebensumstände negativ entwickeln. Viel-leicht findet ein Mensch, der bislang zwar mollig,aber durchaus beweglich war und sich sportlichbetätigt hat, keine Zeit mehr für den Sport, weil erberuflich stark eingespannt ist. Womöglich ver-nachlässigt er deshalb auch das Thema gesundesEssen und verändert seine Essgewohnheiten insNegative. Damit jemand adipös wird, muss einszum anderen kommen – und nicht zuletzt werdenauch das hohe Gewicht und die damit verbunde-nen negativen Folgen für die Gesundheit häufig zu-nächst verharmlost.

Weshalb gelingt es krankhaft adipösen Menschen selten, in Eigenregie das Normal-gewicht zu erreichen und zu halten?Verena Frick: Krankhaft adipöse Menschen wiegenhäufig so viel, dass eine moderate Umstellung derErnährungsgewohnheiten nicht ausreicht, um dasGewicht dauerhaft auf ein gesundes Maß zu sen-ken. Wir gehen davon aus, dass man mit einer Op-timierung der Ernährung und der Essgewohnheitenmöglicherweise bis zu 5 %, vielleicht auch bis zu10 % des Körpergewichts abnehmen kann. DieserGewichtsverlust erfolgt zudem über einen längerenZeitraum, was natürlich sinnvoll ist. Aber was sind

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bei einem Körpergewicht von 180 kg denn schon5 %? Es bleibt also auch bei einer Umstellung derGewohnheiten bei einem hohen Körpergewicht,was dann wieder zur Frustration führt. Deshalbsind die Betroffenen auch sehr schwer zu motivie-ren, die geänderten Ernährungsgewohnheiten übermehrere Jahre durchzuhalten. Das kann vermutlichjeder gut verstehen.

Es gibt die Möglichkeit, Übergewicht mit einemspeziellen chirurgischen Eingriff in den Griff zubekommen. Aber die Operation alleine bewirktkeine dauerhafte Gewichtsabnahme, hinzu-kommt, dass die Krankenkassen vor der Operation ein bestimmtes Prozedere fordern.Dazu gehört eine Bestandsaufnahme, eine Ernährungsanamnese. Warum ist diese wichtig?Verena Frick: Die Leitlinie der Fachgesellschaftenbesagt, dass eine Ernährungsanamnese und zu-sätzlich eine Ernährungsberatung im Vorfeld derOperation erfolgen müssen, weil ein durch vieleEinflüsse bedingtes Geschehen ursächlich für dasÜbergewicht ist. Deshalb muss auch in der Thera-pie interdisziplinär zusammengearbeitet werden.Eine Ernährungsanamnese und -beratung ergebenmeiner Meinung zudem Sinn, weil die Ernährungeine der Ursachen für die Entstehung des Überge-wichts ist.

Die Betroffenen müssen ein Ernährungsprotokollführen, in dem sie festhalten, wann sie was undunter welchen Umständen zu sich nehmen. Wasgenau gehört in ein Ernährungsprotokoll?Verena Frick: Wir fordern im Rahmen unserer Erst-vorstellung von unseren Klienten, dass sie über ei-nen Zeitraum von sieben Tagen ein Ernährungspro-tokoll führen. Manche Krankenkassen fordern je-doch auch Protokolle über mehrere Wochen. Einsolches Protokoll muss natürlich in jedem Fall ent-halten, wann und was gegessen wird und in wel-cher Situation gegessen wird. Das „was“ schauenwir uns noch mal genauer an: Welche Mengen wer-den verzehrt, welche Lebensmittel sind das genau,aus welchen Komponenten setzen sich die Mahl-zeiten zusammen? Wenn Fertigprodukte oder ver-packte Produkte im Ernährungsprotokoll auftau-chen, wollen wir zum Beispiel auch wissen: Wardas jetzt der kleine Schokoriegel oder der XXL-Schokoriegel?

Welche „Sünden“ kann man beim Essen undTrinken oder vielleicht bereits beim Einkaufenbegehen? Verena Frick: Ich würde noch einen Schritt weiter-gehen – die Problematik fängt oft bereits vor demEinkauf an, nämlich bei der Planung. Was plane icheinzukaufen, mache ich einen Wochenplan, schrei-be ich einen Einkaufszettel und gehe ich mit demZettel dann tatsächlich einkaufen? Diese erstenzwei bis drei Punkte finden heutzutage häufig garnicht mehr statt. Viele gehen entweder hungrigoder ungeplant zum Einkaufen und kaufen schließ-lich Dinge, die sie gar nicht wollten oder brauchten.

Lässt sich ein Reglement aufstellen für die Esshygiene, also dafür, wie man am günstigstenisst, auch damit man nicht zunimmt?Verena Frick: Für die Auswahl der Lebensmittelgibt es natürlich die Ernährungsempfehlungen derDeutschen Gesellschaft für Ernährung, die soge-nannte Ernährungspyramide. Dahinter stecken ne-ben anderem Zufuhrempfehlungen für alle wichti-gen Nährstoffe – das ist somit die Basis der Ernäh-rung. Für mich jedoch gehört zur Esshygiene vielmehr: die Strukturierung der Mahlzeiten, regelmä-ßig zu essen, sich die Mahlzeit schön zuzubereiten,sich hinzusetzen und Zeit zum Essen zu lassen.Allerdings wird es heutzutage zunehmend schwie-riger, sich an all diese Empfehlungen zu halten oderauch gemeinsam mit der Familie oder dem Partnerzu essen.

Das bedeutet, das Essen zu genießen, nichtnebenbei zu essen und in der Mittagspause nichtweiterzuarbeiten während des Essens?Verena Frick: Genau, schafft man das nicht, sollteman in der Mittagspause lieber das Büro verlassenund sich die Zeit zum Essen nehmen. Mahlzeitensollten wieder stärker wertgeschätzt werden.

Kann man sich eigentlich die Lust auf Süßes ab-gewöhnen?Verena Frick: Es kommt immer ein bisschen daraufan, wie groß diese Lust auf Süßes ist. Bin ich je-mand, der täglich große Mengen verzehrt,und habe ich das Gefühl, ich muss dastun, damit es mir gut geht? Oder gehöreich zu den Menschen, die täglich mitzwei bis drei Stücken Schokolade aus-

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komme? Es ist somit auch eine Frage der Aus-gangslage.

Beim Abgewöhnen spielt wieder die Regelmä-ßigkeit der Mahlzeiten eine gewisse Rolle. WerMahlzeiten auslässt, den überfällt früher oder spä-ter der Heißhunger. Und Heißhunger lässt uns nichtzu Vollkornbrot greifen, sondern zu Schokoladeoder zum süßen Getränk, weil der menschliche Or-ganismus rein physiologisch in einer solchen Situa-tion den Zucker, die schnelle Energiezufuhrbraucht.

Wie motiviert man sich, sich an die Regeln fürvernünftiges Essen und eine gesunde Ernährungzu halten? Hilft es vielleicht, an mögliche Folgeerkrankungen von Übergewicht zu denken,an Beschwerden, die bereits vorliegen, oderganz allgemein an das körperliche und seelischeWohlbefinden?Verena Frick: Das kann ein Teil der Motivationsstra-tegie sein. Wir sehen viele Patienten, die sich alleinüber das Gewicht definieren bzw. über den Ge-wichtsverlust. Das bedeutet jedoch gleichzeitig,dass bereits eine leichte Gewichtszunahme zuFrust und dem Gedanken führt, alle Bemühungenwieder aufzugeben. Ich weise deshalb sehr genaudarauf hin, was sich neben dem Gewicht noch ver-ändert, falls die Betroffenen dies nicht erkennen.Ich frage sie etwa, ob sie sich durch die Gewichts-abnahme leichter bewegen können, besser Luftbekommen, ob sich ihre Erkrankung, zum Beispielihr Diabetes verändert, ob sie weniger Medikamen-te brauchen. Das sind Dinge, die die Motivationdurchaus fördern können.

Motiviert vielleicht auch die Tatsache, dass dasSelbstwertgefühl mit fallendem Körpergewichtsteigt?

Verena Frick:Das spielt sicher

eine Rolle, zumal vielePatienten gerade in diesem

Bereich Schamgefühle haben,sich zum Teil nicht mehr in die Öffent-

lichkeit wagen, sich nicht mehr mit Freun-

den treffen, schon gar nicht mehr zum Sport oderins Schwimmbad gehen, weil sie sich wegen ihresKörpers schämen.

Und dass kleinere Kleidergrößen wieder passen?Verena Frick: Das ist sicher auch eine Motivation.

Noch einmal zur Operation. Wie geht es nach einer Operation weiter? Wie sieht es zum Beispiel mit dem Kostaufbau aus? Unterscheidetsich der Kostaufbau abhängig vom Operations-verfahren?Verena Frick: Prinzipiell starten wir mit dem Essenam ersten Tag nach der Operation, die Patientenkönnen trinken und Brühe essen. Es folgen pürierteLebensmittel und im Anschluss Lebensmittel mitweicher Konsistenz. Manche Kliniken empfehlen inden ersten Wochen ausschließlich Flüssignahrung,wir gehen da ein bisschen schneller vor. Wir emp-fehlen, diesen Kostaufbau vier Wochen lang durch-zuführen.

Wann muss man Vitamine und Spurenelementezusätzlich zu sich nehmen?Verena Frick: Nach einer Operation immer, wobeiwir da differenzieren. Die Patienten, die einenSchlauchmagen erhalten, haben ein etwas gerin-geres Risiko, einen Mikronährstoffmangel zu entwi-ckeln; für Patienten mit Bypass-Operationen liegtdieses Risiko erheblich höher. Beise Patienten-gruppen erhalten Empfehlungen zur Mikronähr-stoffsupplementation.

Auch Wochen und Monate nach einer Operationmüssen die Patienten weiter auf ihre Ernährungachten. Steht die Ernährungsberatung der Klinikweiter zur Verfügung, falls sie damit Schwierig-keiten haben?Verena Frick: Ja. Wir empfehlen allen Patientennach der Operation, stichprobenartig ein Ernäh-rungsprotokoll zu führen. Dabei geht es darum, in-dividuelle Unverträglichkeiten sowie die Proteinzu-fuhr und Mahlzeitenfrequenz nachvollziehen zukönnen. Patienten können sich jederzeit bei unsmelden. Für kleinere Fragen bieten wir eine telefo-nische Rücksprache an oder wir machen längereTermine in der Nachsorge. Unser Ziel ist es, alle Pa-tienten regelmäßig zur Ernährungsberatung in derNachsorge zu sehen.

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Medikamente zum Abnehmen:

Ein neuer Hoffnungsschimmeram Horizont? Marion Zerbst

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15Kompass Gesundheit 4/2016

Die Vorstellung ist verlockend: Man wirft jedenTag ein bestimmtes Medikament ein und

nimmt ab – ohne etwas dafür tun zu müssen.Doch leider ist das eine Illusion. In den letzten

Jahren mussten viele Schlankheitspillen wegen un-erwünschter, teilweise sogar gefährlicher Neben-wirkungen wieder vom Markt genommen werden.Der Verkauf des Appetitzüglers Sibutramin (Reduc-til®) wurde wegen des erhöhten Herzinfarkt- undSchlaganfallrisikos im Jahr 2010 gestoppt. Nichtviel besser erging es der vor zehn Jahren auf denMarkt gekommenen Abnehmpille Rimonabant(Acomplia®): Viele verzweifelte Abnehmwillige be-zahlten das nicht gerade billige Mittel, das die ge-setzlichen Krankenkassen als „Lifestyle-Medika-ment“ einstuften und die Kosten dafür deshalbnicht übernahmen, aus eigener Tasche. Dochschon zwei Jahre später nahm der PharmagigantSanofi-Aventis den Schlankmacher wegen eineserhöhten Vorkommens psychischer Störungen bishin zum Selbstmord wieder vom Markt.

Danach sah es auf dem Sektor der rezeptpflichti-gen Schlankheitsmittel viele Jahre lang ziemlichmau aus: Als letzte medikamentöse Abnehmhilfeblieb jetzt nur noch der Lipasehemmer Orlistat (Xe-nical®) übrig. Von seinem Wirkmechanismus her istdas Medikament durchaus überzeugend: Diedurch Orlistat gehemmte Lipase ist ein Enzym, dasFett aufspaltet, damit der Körper es aufnehmenund entweder verarbeiten oder in Form von Fettge-webe speichern kann. Wird dieses Enzym im Darmblockiert, so kann etwa die Hälfte des Fetts nichtmehr aufgenommen werden, sondern wird überden Darm wieder ausgeschieden.

Allerdings haben Xenical® und andere Medika-mente, die uns nach diesem Prinzip um überflüssi-ge Pfunde erleichtern wollen, einige gravierendeNachteile: Wer Xenical® einnimmt, muss sich fett-arm ernähren; sonst kommt es durch die hoheMenge unverdauten Fetts zu unangenehmenNebenwirkungen. Die Liste der im Beipackzettelverzeichneten Nebeneffekte ist eindrucksvoll undwird sicherlich manchen zum Abnehmen Ent-schlossenen abschrecken: ölige Flecken am After,Blähungen, fettige, weiche oder flüssige Stühle,öliger Ausfluss, vermehrte Stühle, Unfähigkeit desStuhlverhaltes, Bauchschmerzen …

Rezeptfrei – und weitgehend wirkungslosNeben dem verschreibungspflichtigen Fett-weg-Medikament Xenical® gab und gibt es natürlichauch noch eine Fülle rezeptfreier „Schlankmacher“,die ihre teilweise vollmundigen Abnehmverspre-chen aber leider nicht halten. Im Jahr 2014 testetedie Stiftung Warentest 20 rezeptfreie Pillen und Pül-verchen zum Abnehmen und kam zu einem ver-nichtenden Urteil: Obwohl jeder Sechste laut einerUmfrage der Stiftung schon einmal frei verkäuflicheSchlankheitsmittel ausprobiert hat, waren die Teil-nehmer von den Erfolgen nicht überzeugt.

Um zu einem wissenschaftlich fundierten Ergeb-nis zu kommen, forderte Stiftung Warentest die An-bieter der ausgewählten Mittel auf, zum Nachweisder behaupteten Abnehmerfolge Studien vorzule-gen, und führte zudem eigene Recherchen durch.Leider waren auch die Ergebnisse dieser Prüfungalles andere als überzeugend: Für 15 der 20 Mittelwar noch nicht einmal hinreichend belegt, dass sieüberhaupt eine spürbare Gewichtsreduktion bewir-ken. Zwar enthielt keines dieser Produkte gesund-heitsschädliche Substanzen; dennoch weist dieStiftung Warentest darauf hin, dass es zu allergi-schen Reaktionen (etwa auf Bestandteile von Krebstieren) kommen kann. Schlankheitsmittel, dieim Magen aufquellen, können darüber hinaus zuVerstopfung führen, wenn man nicht genügendFlüssigkeit zu sich nimmt.

Nur bei fünf der 20 getesteten Mittel ließ sich zu-mindest eine kurzfristige (allerdings nur geringfügi-ge) Gewichtsreduktion feststellen:

• Vier Sättigungskapselprodukte mit Glucoman-nanen aus der asiatischen Konjakwurzel (das sindstärkeähnlichen Substanzen, die auf den Sätti-gungseffekt durch Aufquellen im Magen setzen)führen laut Stiftung Warentest tatsächlich zu einerleichten Gewichtsabnahme, was auch die Europäi-sche Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) be-stätigt – allerdings nur bei kalorienarmer Ernäh-rung. Laut Studien ist allerdings nur mit einer Ge-wichtsabnahme von etwa 1 kg in drei Monaten zurechnen. Hand aufs Herz: Schafft man das nichtauch ohne Quellstoffe, wenn man sich wirklich ka-lorienarm ernährt?

• Das fünfte Schlankheitsmittel, das bei der Stif-tung Warentest nicht völlig durchfiel, ist der Fett-

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blocker Formoline, der Übergewichtigen nach ei-nem ähnlichen Prinzip zum Abnehmen verhelfenmöchte wie Xenical®: Chitosan, ein Inhaltsstoffaus Krebstierpanzern, quillt im Magen auf und bin-det außerdem Fett im Darm. Die Studien, die einegeringfügige Gewichtsabnahme nachweisen, sindallerdings höchstens auf eine Dauer von sechs Mo-naten angelegt. Und damit sind wir bei einem Pro-blem angelangt, das all diese Schlankheitsmittelmiteinander vereint, so unterschiedlich ihre Wirk-mechanismen auch sein mögen: Wer das Mittel ab-setzt, nimmt unweigerlich wieder zu – es sei denn,er hat während der Dauer der Einnahme gelernt,sein Ernährungsverhalten umzustellen. Das gibtselbst der Hersteller von Formoline zu: „Ohne län-gerfristige Verhaltensänderung wird … nur einemoderate Gewichtsabnahme möglich sein“, heißtes in der „Information für Fachkreise“ des Herstel-lers.

Auch zu den diversen Pulvern zum Abnehmenhat die Stiftung wenig Positives zu berichten: Dieals „Formuladiäten“ bezeichneten Pulver, die mitWasser angerührt werden, bestehen zumeist ausSoja- oder Milcheiweiß und enthalten lebenswichti-ge Nährstoffe, sodass man sich über längere Zeitausschließlich davon ernähren kann, ohne einenNährstoffmangel befürchten zu müssen. Dochauch hier ist man mit dem gleichen Problem kon-frontiert wie bei anderen Abnehmmitteln und Diä-ten – nämlich, dass man nach Beendigung der Ein-nahme oder Diät unweigerlich wieder zunimmt unddann womöglich auch noch der berüchtigte Jo-Jo-Effekt zuschlägt.

Fazit der Stiftung Warentest: Formuladiäten kön-nen zwar helfen, wenn man schnell abnehmenmöchte – beispielsweise vor einer Operation oderbei starkem Übergewicht. Ohne ärztliche Beglei-tung und Kontrolle geht das jedoch nicht, und esführt auch hierbei kein Weg an einer dauerhaftenVeränderung des Lebensstils vorbei.

Zwei Fliegen mit einer Klappe: ein Antidiabetikum als SchlankheitsmittelSeit Juli 2009 ist in Deutschland das ArzneimittelLiraglutid auf dem Markt. Zugelassen war das zurGruppe der GLP-1-Analoga gehörende injizierbareMedikament unter dem Produktnamen Victoza®zunächst nur für die Behandlung von Typ-2-Diabe-tikern in Kombination mit anderen Antidiabetika.

Doch da Liraglutid auch zu einer Gewichtsabnah-me führt, ist diese Substanz nun seit März 2015 un-ter dem Namen Saxenda® auch für die Gewichts-reduktion zugelassen – allerdings nur bei folgen-den Patientengruppen:

• Fettleibigen mit einem Body-Mass-Index (BMI)über 30

• Übergewichtigen mit einem BMI zwischen 27und 30, wenn zusätzlich übergewichtsbedingteGesundheitsprobleme wie Typ-2-Diabetes, erhöhteBlutfettwerte, Bluthochdruck oder eine obstruktiveSchlafapnoe vorliegen.

Der Wirkmechanismus von Liraglutid ist nochnicht genau erforscht: Die Substanz bindet anGLP-1-Rezeptoren in Gehirnzellen, die an der Ap-petitregulation beteiligt sind und in aktiviertem Zu-stand vermutlich ein Sättigungsgefühl bewirken.

Erste Studien mit Saxenda® zeigen recht über-zeugende Ergebnisse: Bei einer täglichen Dosisvon 3 mg führt das Arzneimittel zu einer Gewichts-abnahme von durchschnittlich 7,5 %. Die in Fertig-pens erhältliche Injektionslösung wird einmal täg-lich unter die Haut von Oberschenkel, Oberarmoder Bauch injiziert. Allerdings hat auch diesesMedikament Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbre-chen, Durchfall und Verstopfung kommen unter Sa-xenda® relativ häufig vor. Um einer besseren Ver-träglichkeit willen soll das Mittel daher langsamaufdosiert werden: Man beginnt mit einer Anfangs-dosis von 0,6 mg pro Tag, die dann wöchentlich um0,6 mg auf eine Höchstdosis von 3,0 mg täglich er-höht wird. Wenn ein Patient nach zwölfwöchigerBehandlung mit dieser Höchstdosis nicht mindes-tens 5 % seines Ausgangsgewichts verloren hat,sollte die Therapie abgesetzt werden. Im Übrigensollen Patienten sich einmal pro Jahr beim Arzt vor-stellen, damit dieser über die Notwendigkeit einerFortsetzung der Behandlung entscheiden kann.

Doch auch Saxenda® ist kein Wundermittel: DieEuropäische Arzneimittelagentur (EMA) weist aus-drücklich darauf hin, dass das Arzneimittel „zu-sätzlich zu einer Diät und körperlicher Aktivität“ an-gewendet werden soll. Ohne Eigenaktivität geht esalso nicht! Darüber besteht – wie bei allen erst seitkurzem auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln –natürlich immer das Problem, dass noch keine Da-ten zur Langzeitsicherheit vorliegen. Diese müssenim Rahmen weiterer Studien erst noch gesammeltwerden.

Kompass Gesundheit 4/2016

Quellen:Adipositas: Liraglutidzum Abnehmen zu-gelassen. Pharma-zeutische Zeitung online 31.03.2015

Zusammenfassungdes Europäischen Öffentlichen Beurtei-lungsberichts (EPAR)für Saxenda(www.ema.europa.eu)

Schlankheitsmittel:Was Pillen und Pulverbewirken (StiftungWarentest,30.01.2014

Formoline L112: Information für Fachkreise (www.enantiomer.at/upload/pdf/formoli-ne_fachinformation.pdf)

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20 Kompass Gesundheit 4/2016

Blut bedeutet

LebenSimone Harland

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21Kompass Gesundheit 4/2016

Das menschliche Blut setzt sich zusammen ausverschiedenen Zellen, dem flüssigen Anteil

des Bluts (Blutplasma) und den darin gelöstenStoffen, zu denen neben anderem verschiedene Ei-weiße (z. B. Enzyme), Abbauprodukte des Stoff-wechsels und der Blutzucker (Glukose) gehören.Auch Fette, die als Lipide bezeichnet werden, sindim Blutplasma enthalten. Da sich Veränderungenim Körper häufig in einer veränderten Blutzusam-mensetzung widerspiegeln, sind die Blutentnahmebeim Arzt und die nachfolgende Blutuntersuchungdurch ein Labor sowohl beim routinemäßigenCheck-up als auch für die Diagnose von Krankhei-ten unverzichtbar.

Es gibt zahlreiche Blutwerte, deren Veränderungauf eine Krankheit hindeuten kann. Welche Wertebei einer Laboruntersuchung erhoben werden, ent-scheidet der Arzt abhängig von den Krankheiten,die er abklären lassen will. Bei bereits diagnosti-zierten Erkrankungen können in Abständen durch-geführte Blutuntersuchungen Aufschluss darübergeben, ob eine Therapie anschlägt. Bei besondersaggressiven Therapien (z. B. Chemotherapie) zeigteine Blutuntersuchung vor jeder Behandlung an,ob eine weitere Therapie möglich oder der Körperzu geschwächt ist. Denn sterben infolge einer Be-handlung zu viele Blutzellen – die roten und weißenBlutkörperchen oder die Blutplättchen – ab, ist dasImmunsystem des Körpers zu sehr beeinträchtigtund/oder der Transport von Sauerstoff zu den Zel-len bzw. die Blutgerinnung funktionieren nichtmehr richtig. Dann ist eine weitere Behandlung un-ter Umständen zu gefährlich für die Betroffenen –die Blutwerte müssen sich erst wieder verbessern.

Das Blutbild Beim sogenannten kleinen Blutbild werden dieMenge der roten und weißen Blutkörperchen undder Blutplättchen (Thrombozyten), der Anteil desroten Blutfarbstoffs Hämoglobin und das Verhältnisder festen zu den flüssigen Blutbestandteilen, Hä-matokrit genannt, ermittelt. Außerdem untersuchtdas Labor die roten Blutkörperchen, die Erythrozy-ten, noch etwas genauer: Wie viel Hämoglobin sieenthalten und wie groß ihr durchschnittliches Volu-men ist (MCV-Wert = mittleres korpuskuläres Volu-men). Für all das gibt es Referenzwerte – Werte,innerhalb derer sich das jeweilige Ergebnis be-wegen sollte. Diese unterscheiden sich teilweise

für Männer und Frauen, bei Kindern sind sie alters-abhängig.

LeukozytenFür die Leukozyten, also die weißen Blutkörper-

chen, gilt für Männer und Frauen gleichermaßeneine Zahl zwischen 3800 und 10500 pro Mikroliter(µl) Blut als normal. Leukozyten gibt es in verschie-denen Formen und mit unterschiedlichen Funktio-nen. Sie sind Teil des Immunsystems und wehrenKrankheitserreger ab. Eine zu geringe Leukozyten-zahl deutet darauf hin, dass das Immunsystem ge-schwächt ist und Infektionen gefährlich sein könn-ten, während eine zu hohe Zahl auf eine Infektionhinweist. Bei einem Mangel an Leukozyten sprichtder Arzt von einer Leukopenie, bei einer Leukozy-tose finden sich zu viele Leukozyten im Blut.

ErythrozytenDie Erythrozyten erhalten ihre Farbe vom Blut-

farbstoff Hämoglobin. Mithilfe dieses Farbstoffsbringen sie den Sauerstoff zu den Zellen. Währendfür Männer zwischen 4,3 Millionen (Mio.) und 5,7Mio. Erythrozyten pro µl Blut als normal gelten,sind es bei den Frauen 3,9 Mio.–5,3 Mio. Einer zugeringen Erythrozyten-Zahl kann z. B. eine Blutar-mut (Anämie) oder ein großer Blutverlust zugrundeliegen, eine zu hohe Zahl etwa auf einer zu gerin-gen Flüssigkeitsaufnahme oder einer krankhaftenVermehrung der Erythrozyten beruhen.

HämoglobinDie Menge des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin

hängt eng zusammen mit der Zahl der Erythrozy-ten. Für Männer liegt der Hämoglobinwert zwi-schen 13,5 Gramm (g) pro Deziliter (dl) Blut und17 g/dl im Normbereich, bei Frauen zwischen 12 gund 16 g/dl. Ursächlich für zu geringe Werte isthäufig eine Anämie, die etwa aus einem Mangel amSpurenelement Eisen resultieren kann. Mit den Ery-throzyten und dem Hämoglobin verbunden sindder oben bereits erwähnte MCV-Wert, der dasdurchschnittliche Volumen eines roten Blutkörper-chens anzeigt (Normwert für Frauen und Männer:78–94 fl = Femtoliter = ein billiardstel Liter), derMCH-Wert oder das mittlere korpuskuläre Hämo-globin, also die durchschnittliche Menge an Hämo-globin pro Erythrozyt (Normwert für Frauen undMänner: 25–34 Pikogramm = pg pro Zelle), sowiedie mittlere korpuskuläre Hämoglobin-Konzentra-tion aller Erythrozyten (MCHC; Normwert Frauenund Männer: 30–36 g/dl).

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HämatokritAls Hämatokrit bezeichnet man den Volumenan-

teil der Erythrozyten am gesamten Blutvolumen.Damit lässt sich beispielsweise feststellen, wieflüssig oder zähflüssig das Blut ist – bei einem gro-ßen Anteil an Blutzellen ist das Blut selbstverständ-lich „dicker“. Für Frauen liegt der Normwert bei ei-nem Anteil zwischen 37 % und 47 %, für Männerzwischen 40 % und 54 %. Ist der Anteil zu hoch,kann die Ursache unter Umständen eine zu geringeTrinkmenge sein, ist er zu gering, ist Blutverlusteine mögliche Ursache.

ThrombozytenDie Thrombozyten, die Blutplättchen, sind maß-

geblich an der Blutgerinnung beteiligt. Ihr Norm-wert liegt bei Männern und Frauen gleichermaßenzwischen 150 000 und 400 000 pro Mikroliter. So-wohl zu hohe als auch zu niedrige Werte sind imAllgemeinen ein Indiz für eine Erkrankung, etwa derBlutbildung.

Das DifferenzialblutbildErhebt das Labor auf Anweisung des Arztes zu-

sätzlich zum kleinen Blutbild das Differenzialblut-bild, spricht man vom großen Blutbild. Das Diffe-renzialblutbild schlüsselt die einzelnen Leukozy-tenarten nach ihrem Anteil am Blut bzw. ihrer Men-ge auf. Der Grund: Die verschiedenen Leukozyten(Granulozyten, Monozyten, Lymphozyten) habenunterschiedliche Funktionen für die Immunabwehr.Von der Norm abweichende Werte können z. B. er-ste Hinweise auf eine Leukämie (Blutkrebs) geben.

Weitere LaborwerteBlutsenkungsgeschwindigkeitDie Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG, auchBlutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit) zeigtan, wie rasch die roten Blutkörperchen im Blut ab-sinken. Für diese Untersuchung, die insbesonderebeim Verdacht auf entzündliche Krankheiten undzur Feststellung ihres Verlaufs durchgeführt wird,wird das entnommene Blut so behandelt, dass esnicht gerinnt. Die Normwerte für Männer liegen fürMänner unter 50 Jahren zwischen 3 und 10 Milli-meter (mm) pro Stunde, für Frauen unter 50 bei 6–20 mm. Für Männer und Frauen im Alter über 50 lie-gen die Werte etwas höher. Ist die BSG erhöht,deutet dies häufig auf eine Entzündung hin, ist siezu niedrig, ist eine krankhaft vermehrte Bildungvon Blutzellen eine mögliche Ursache.

GlukoseDer Blutzuckerwert gehört zu den am häufigsten

ermittelten Blutwerten. Ein zu hoher Blutzucker-spiegel deutet häufig auf Diabetes mellitus hin,kann aber auch andere Ursachen (z. B. eine Bauch-speicheldrüsenentzündung) haben. Zu geringeWerte sind häufig Resultat zu großer Mengen vonaußen zugeführten Insulins. Sowohl zu hohe alsauch zu niedrige Glukosewerte sind gefährlich; zuviel Glukose im Blut etwa schädigt die Blutgefäßeund als Folge die Organe. Die Normwerte für Män-ner und Frauen liegen im nüchternen Zustand zwi-schen 70 mg/dl Blut (kapillares und venöses Blut)und 109 mg/dl im kapillaren bzw. 115 mg/dl im ve-nösen Blut.

LipideZu den Fetten im Blut gehören das Cholesterin

und die Triglyzeride. Cholesterin ist ein Stoff, dender Körper selbst herstellt, den wir aber auch mitder Nahrung aufnehmen. Zu hohe Cholesterinwer-te treten oft zusammen mit Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, zu niedrige Cholester-

Kompass Gesundheit 4/2016

Blutgruppen und ihre VerträglichkeitBlut ist nicht gleich Blut – die roten Blutkörperchen unterscheiden sichvon Mensch zu Mensch in bestimmten Merkmalen voneinander. Des-halb kommt auch nicht jedes Blut infrage, muss einem Menschennach einem großen Blutverlust fremdes Blut übertragen werden. Dennes ist lebensgefährlich, erhält jemand Blut, das sich mit seinem nichtverträgt – das Blut kann in diesem Fall verklumpen. Abhängig von sei-nen Merkmalen ist das menschliche Blut daher in Blutgruppen unter-teilt. In Deutschland ist das AB0-Blutgruppensystem gebräuchlich,das die Blutgruppen A, B, AB und 0 sowie zusätzlich den Rhesusfak-tor (Rhesus positiv oder negativ) auflistet. Menschen mit Rhesus-ne-gativem (RH-) Blut dürfen kein Rhesus-positives Blut (RH+) erhalten,da auch das lebensbedrohlich sein kann. Umgekehrt gibt es hingegenkeine Probleme.Menschen mit der Blutgruppe AB+ (+ = Rhesus-positiv) vertragen dasBlut jeder anderen Blutgruppe, Menschen mit AB- (- = Rhesus-nega-tiv) hingegen nur Blut der Gruppen 0-, A-, B- und AB-. Mit den Blut-gruppen A+ und B+ sind jeweils die Blutgruppe 0+/- sowie für A dieBlutgruppe A+/- und für B das Blut von Menschen mit B+/- kompati-bel, bei A- und B- entfallen die Blutsorten mit dem positiven Rhesus-faktor. Menschen, die die Blutgruppe 0 haben, können zwar allen an-deren Blut spenden, sie selbst vertragen jedoch nur das Blut ihrer ei-genen Blutgruppe. Auch hier muss bei einer Transfusion der Rhesus-faktor beachtet werden. Am häufigsten ist in Deutschland die Blut-gruppe A+, am seltensten AB-.

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inwerte sind etwa bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen häufig. Der Normwert für Cho-lesterin liegt für Männer und Frauen zwischen120 mg/dl und 200 mg/dl. Auch Triglyzeridwerteüber 150 mg/dl können auf Diabetes hinweisen.

LeberwerteAls Leberwerte werden die Blutwerte bezeichnet,

deren Erhöhung häufig auf Erkrankungen oder eineSchädigung der Leber zurückzuführen ist. Manchedieser Werte können jedoch auch erhöht sein, wennkeine Probleme mit der Leber vorliegen. Zu den Le-berwerten gehört die Gamma-Glutamyltransferase,auch Gamma-Glutamyltranspeptidase oder kurzGGT genannt. Dabei handelt es sich um ein Enzymim Blut, dessen Wert häufig infolge übermäßigen,dauerhaften Alkoholkonsums erhöht ist. Der Norm-wert für Frauen liegt bei bis 40 Einheiten (Units = U)pro Liter Blut, für Männer bei bis zu 60 U/l.

Die Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) oderAlanin-Aminotransferase (ALT oder ALAT), eben-falls ein Enzym, ist vor allem in den Leberzellen zufinden. Ist der GPT-Wert im Blut erhöht, liegt dashäufig daran, dass vermehrt Leberzellen zugrundegehen. Aber auch eine Herzschädigung kann Aus-löser sein. Der Normwert liegt für Frauen zwischen10 und 35 U/l, bei Männern zwischen 10 und 50 U/l.

Eine Erhöhung des Enzyms Glutamat-Oxalaze-tat-Transaminase (GOT) oder Aspartat-Amino-transferase (AST oder ASAT) deutet häufig auf Le-berschäden hin, kann aber auch andere Ursachen(z. B. Erkrankungen der Skelettmuskulatur) haben.Bei Frauen gilt der GOT-Wert bei mehr als 35 U/l er-höht, bei Männern ab 50 U/l.

Neben diesen Werte können u. a. auch der Biliru-

bin-Wert (Obergrenze für Männer und Frauen 1,2mg/dl Blut) sowie der Wert der alkalischen Phos-phatase bei Lebererkrankungen erhöht sein.

Kompass Gesundheit 4/2016

Kurze Geschichte der Bluttransfusion

1628: Der englische Arzt William Harvey entdeckt den Blutkreislauf.

1667: Unabhängig voneinander führen französische und englischeÄrzte Bluttransfusionen von Schafen zu Menschen durch, diebald darauf verboten werden, weil sie schwere körperliche Reaktionen hervorrufen.

1795: Die erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch findet in Philadelphia (USA) statt.

1900: Der österreichische Arzt Karl Landsteiner entdeckt die erstendrei Blutgruppen A, B und C (später 0) und erhält dafür 1930den Nobelpreis für Medizin.

1914: Die Entdeckung von Langzeitantikoagulanzien, die eine Gerinnung des Bluts verhindern, sorgt für eine längere Haltbarkeit von Blutkonserven.

1932: Eröffnung der ersten Blutbank in den USA.

1933: Einführung des ersten überregionalen Blutspenderegisters inDeutschland.

1943: Erstmals wird die Möglichkeit der Übertragung von Hepatitis-Viren über Bluttransfusionen beschrieben.

1990 und 1992: Einführung von Tests der Blutkonserven auf HepatitisC bzw. HIV.

Wichtige Blutkrankheiten im Überblick

Beeinträchtigung der roten Blutzellen

Anämie (Blutarmut): zu geringe Zahl roter Blutkörperchen. Ursachen: Blutverlust, Eisenmangel, Vitamin-B12-Mangel, chronische Nierenerkrankungen, Unfähigkeit des Knochenmarks, rote Blutzel-len in ausreichender Menge herzustellen; Zerstörung der roten Blutzellen durch Autoimmunprozesse.

Sichelzellenanämie: Erbkrankheit, bei der die roten Blutkörperchen eine sichelähnliche Form annehmen und verklumpen.

Beeinträchtigung der weißen Blutzellen

Malignes Lymphom (Lymphdrüsenkrebs): verschiedene Krebserkrankungen, die von unterschied-lichen Lymphozyten (Form der weißen Blutzellen) ausgehen.

Leukämie: Krebserkrankung, bei der die weißen Blutzellen im Knochenmark entarten, was zu einerStörung der Blutbildung führt.

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Die Bluttransfusion – Chance, aber auch Gefahr Viele, die das Wort Bluttransfusion hören, stellensich vor, dass das komplette Blut eines Spenderseiner anderen Person übertragen wird. Diese soge-nannte Vollblutspende ist heute jedoch die Ausnah-me. Stattdessen erhält der Empfänger in der Regelnur die Bestandteile des Blutes, die er wegen sei-ner Krankheit oder eines Unfalls dringend benötigt.So bekommen Menschen nach großem Blutverlustim Allgemeinen eine Erythrozytenspende, das heißtsie erhalten rote Blutkörperchen, aber kein Blut-plasma. Blutplasma (Blut ohne Zellen) hingegenwird etwa bei einem Mangel an Gerinnungsfakto-ren gegeben. 2015 wurden in Deutschland der Ge-sundheitsberichterstattung des Bundes zufolge ca.3,5 Mio. Beutel mit Erythrozytenkonzentrat ausFremdblut verbraucht.

Eine Bluttransfusion ist in vielen Fällen notwen-dig, um das Leben von Menschen zu retten, siekann aber auch Gefahren bergen. Aus diesemGrund müssen Patienten – soweit ihr gesundheit-licher Zustand dies zulässt – ihr Einverständnis füreine Transfusion erklären, nachdem ein Arzt sieüber mögliche Risiken aufgeklärt hat.

Die Gefahr, durch eine Bluttransfusion an einerVirusinfektion (Hepatitis B oder C oder HIV) zu er-

kranken, ist zwar mittlerweile gering, da die Blut-spendedienste unter anderem vermehrt daraufachten, nur gesunde Spender zur Blutentnahmezuzulassen. Zusätzlich untersuchen sie das Blutauf Antikörper gegen diese Infektionen. Dennochkönnen infizierte Spenden im Einzelfall „durchrut-schen“, da es nach der Infektion immer eine gewis-se Zeit dauert, bis der Körper Antikörper bildet.Auch Erkrankungen durch Bakterien oder Prionenaufgrund von verunreinigtem Blut lassen sich nichtvöllig ausschließen.

Daneben besteht das Risiko, dass der Empfän-ger eine sogenannte transfusionsassoziierte Im-munreaktion entwickelt. Dabei handelt es sich umReaktionen der Körperabwehr auf das fremde Blut.Dazu zählen einerseits allergische Reaktionen bishin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischenSchock, andererseits schwerwiegende Erkrankun-gen wie die lebensgefährliche Schädigung derLungengefäße. Mediziner diskutieren, ob Problememit der Wundheilung Folge von Transfusionen seinkönnen, manche befürchten sogar, dass Transfu-sionen das Krebsrisiko erhöhen könnten.

Doch diese möglichen Risiken spielen in Fällenakuter Lebensgefahr durch Blutverlust für diemeisten Betroffenen keine Rolle. Klar ist, dass Blut-transfusionen bereits seit Einrichtung des ersten

überregionalen Blutspenderegis-ters in Deutschland 1933 zahlrei-che Leben gerettet haben. Vorgeplanten Operationen gibt eszudem für Menschen, die eineFremdspende ablehnen, dieMöglichkeit, sich Blut abnehmenzu lassen. Dies wird für eineeventuelle Transfusion gesam-melt (sogenannte Eigenblut-spende). Da Blut jedoch nur einebestimmte Haltbarkeitsdauerhat, reicht die Eigenblutspendenicht immer, um eventuelle Blut-verluste zu decken. Um Blut-transfusionen zu verhindern,wenden Mediziner bei Operatio-nen, die häufig mit hohen Blut-verlusten einhergehen, bereitsVerfahren an, bei denen das Blutdes Patienten aufgefangen undwiederverwendet wird.

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Viele Blutkrebspatienten auch.

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25Kompass Gesundheit 4/2016

Ihr Hausarzt meintLiebe Patienten,also die Techniker Krankenkasse (TK) hat irgendwieein Problem mit ihren Ärzten. Jedes Jahr bringt dieKasse zu Jahresbeginn ihren Report über Abrech-nungsbetrug bei Ärzten heraus. Und meistens istnicht viel dahinter. Er wird nächstes Jahr auch wie-der kommen. Diesmal sind die Krankenkassen dran.Ja wie, die TK auch? Ist der Vorstand der TK, HerrJens Baas, ein Nestbeschmutzer?

Es geht ganz einfach ums Geld. Die TK ist neidischauf die AOK, die angeblich zu viel Geld erhält, weildie Diagnosen der Patienten besser codiert werdenals bei den Patienten der TK. Wie kommt das? Manmuss unser Gesundheitssystem verstehen. Natür-lich geht es hier auch um Geld, um Ihre Versicherten-beiträge, die Sie an Ihre Krankenkasse abführen.Und dieses Geld soll doch gerechterweise wiederoptimal für die Versorgung von Krankheiten und zurGesundheitsvorsorge ausgegeben werden.

Nun ist es so, dass die Krankenkassen unter-schiedlich kranke Menschen versorgen. Die einenverursachen mehr Kosten, weil sie kränker sind. An-dere verursachen weniger, weil meist jünger und ge-sünder. Eine Krankenkasse, die viele ältere undkränkere Mitglieder hat, ist mit mehr Ausgaben be-lastet als eine Kasse mit vielen jüngeren Mitgliedern.Das waren in den letzten Jahren vor allem die vielenneu gegründeten Betriebskrankenkassen. Diese Un-gerechtigkeit wollte der Gesetzgeber ausgleichen,indem er vor einigen Jahren den Gesundheitsfondeingerichtet hat. Der Gesundheitsfond bedeutet,dass nicht Ihre Krankenkasse Ihren vom Lohn abge-zogenen Krankenkassenbeitrag erhält, sondern derGesundheitsfonds. Hier liegt zuerst einmal das Geldaller Versicherten. Dann wird das Geld wieder an dieKrankenkassen verteilt nach Art und Schwere derErkrankungen ihrer Mitglieder. Das heißt, eine Kas-se, die viele kranke Mitglieder hat, bekommt auchmehr Geld, um diese gut zu versorgen. Eine Kran-kenkasse mit weniger schwerkranken Mitgliedernbraucht ja nicht soviel Geld.

Und wie werden die kranken Mitglieder kenntlichgemacht? Durch die Codierung der Diagnosen. Hiergibt es einen international anerkannten Code: denICD-Code. Und wer codiert diese Diagnosen? Wir

Ärzte. Das ist eine der vielen Verwaltungsaufgaben,die wir nebenher am Computer verrichten, da wir zuoft reinschauen müssen und manchmal sogar denPatienten nebenan auf dem Stuhl aus dem Auge ver-lieren!

Die Krankenkasse braucht Geld, um die in An-spruch genommenen Leistungen der Versichertenbezahlen zu können. Dann ist es doch verständlich,dass die Krankenkassen darauf schauen, dass dieDiagnosen der Patienten ausreichend codiert wer-den. Die Krankenkassen erhalten über die Art derverschriebenen Medikamente und über die Abrech-nung der Leistungen der Ärzte die Diagnosen. Esdarf der Kasse erlaubt sein, bei einem Arzt nachzu-fragen, ob diese oder jene Diagnose bei dem Patien-ten zusätzlich zutreffen könnte. Wenn dem so ist,bedeutet es mehr Geld für die Kasse aus dem Ge-sundheitsfond und mehr Geld für ihre Versicherten.Dass dann in der Presse gleich wieder der Vorwurfder Manipulation durch Ärzte auftaucht, erschüttertmich und hat mit der Behandlung meines Patientenüberhaupt nichts zu tun. Sollte ich schwere Diagno-sen erfinden, um damit der Kasse einen Gefallen zutun? Ich habe gewiss Besseres zu tun in meinemPraxisalltag. Es gibt auch keine Prämie für den Arzt,wenn er sich gezielt um schwerere Diagnosen küm-mert. Es ist allerdings so, dass man für die Behand-lung von Schwerkranken mit schwereren Diagnoseneinen Zuschlag im Honorar bekommt. Dies ist aberein Ausgleich für den überdurchschnittlichen Zeit-aufwand in der Betreuung der Schwerkranken.

Ja, ja, wenn’s ums Geld geht, wird immer gestrit-ten. Auch im Gesundheitswesen.

Ihr

Ihr Wolfgang Bosch

Dr. med. Wolfgang Bosch Facharzt für Allgemeinmedizin und NaturheilverfahrenKronenstraße 30; 73760 Ostfildernwww.praxis-bosch-hauser.de

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Das Gesundheitsgespräch mit Johannes Bauernfeind

Arzt und KlinikEs gibt drei Berufe, denen die Menschen seit jeher Vertrauen entgegenbrachten: dem Lehrer, dem Geistlichen,dem Arzt. Doch das Vertrauen hat sich verflüchtigt. Ein schleichender Prozess wohl. Lehrer brauchen wir zwar,doch wir gehen ignorant und kalt mit ihnen um. Die Geistlichkeit hat ihr Ansehen bewahrt, wenn auch diverseSkandale wegen sexuellen Missbrauchs das Image angekratzt haben. Die Ärzte genießen immer noch großesAnsehen bei uns. Vielleicht weil wir Ärzte und Kliniken wirklich brauchen. Doch das mit dem Vertrauen ist so eineSache. Werner Waldmann unterhielt sich mit Johannes Bauernfeind, dem Geschäftsführer der AOK Neckar-Filsüber Ärzte, Kliniken und Vertrauen.

Werner Waldmann: Wie hat sich das Verhältnis zwischenPatient und Arzt seit den Tagen verändert, als die Chefärztein den Kliniken noch als Halbgötter in Weiß galten?Johannes Bauernfeind: Zunächst hat sich, glaube ich, viel beiden Patienten verändert. Sie sind informierter, sind mündiger,sie treten auch mit ihren Bedürfnissen in der Gesundheitsver-sorgung selbstbewusster und sicherer auf. Auf der anderenSeite haben die Ärzte auch langsam gelernt, stärker auf diesemündigen Patienten einzugehen, wobei ich nicht sagen möch-te, dass das wirklich immer im Gleichschritt erfolgt. Das hängtvom Arzt ab, auch welche Sozialisierung er selbst hat. Teilweisegibt es immer noch Ärzte, die ihre Patienten bevormunden, undes gibt andere Ärzte, die auf Augenhöhe mit ihren Patientensprechen. Für das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist esauf jeden Fall förderlich, wenn die Bedürfnisse der Patientenernst genommen werden. Nicht umsonst ist gerade die spre-chende Medizin immer mehr in den Vordergrund gerückt.

Werner Waldmann: Das Gespräch zwischen Arzt und Pa-tient ist sehr wichtig, um eine Vertrauensbasis zu schaffen.Schätzen das die Patienten?Johannes Bauernfeind: Die Patienten merken, wenn ihnen jemand begegnet, der sich Zeit für sie nimmt. Das zeugt vonEmpathie. Menschen erwarten, dass das Gegenüber auf sieeingeht. Ärzte sind darin geschult, sehr schnell zu erfassen,worum es konkret geht. Es ist für die Patienten wichtig, dass eingroßer Teil der Diagnostik aus dem Gespräch heraus erfolgt. DiePatienten merken es, wenn sie ernst genommen werden.

Werner Waldmann: Vertrauen die Patienten nicht eher derApparatemedizin, dem Labor, den bildgebenden Verfahren,was sie auch teilweise einfordern?Johannes Bauernfeind: Menschen, die heute eine gänzlichandere Informationsmöglichkeit haben als noch vor 20 oder 30Jahren wollen natürlich auch umfassendere Informationen undsie wissen um die technischen Möglichkeiten. Es ist sicherlich

auch ein gewisser Aufwand für die Ärzte, den Patienten zu ver-mitteln, was das Richtige ist; nicht alles, was der wissende Pa-tient weiß, ist das Richtige, nicht immer sind es die richtigenLösungen, aber er hat zumindest die Möglichkeit, seine Vorstel-lungen auch mit einzubringen.

Werner Waldmann: Was soll man eigentlich verstehen unterdem Terminus mündiger Patient? Ist es der informierte Patient, der sich im Internet Informationen besorgt? Dakann ein Patient auch fehlgeleitet werden. Johannes Bauernfeind: Es ist ein großes Problem, dass imInternet Informationen völlig unqualifiziert herumschwirren.Man kann nicht bewerten, ob eine Aussage, die man dort fin-det, richtig ist oder falsch. Und viele Menschen, die im Internet,egal zu welchem Thema, recherchieren, können da auch fehl-geleitet werden. Patienten müssen lernen, Informationen ausdem Netz kritisch zu betrachten. Sich nur mit Informationenaus dem Netz zu versorgen, macht noch keinen mündigen Pa-tienten aus, eher den neugierigen. Um wirklich mündig zu sein,sollte man alle Informationen kritisch hinterfragen.

Ich glaube, dass es guten Ärzten trotzdem immer gelingt,den Patienten davon zu überzeugen, was jetzt in diesem oderjenem Fall das Richtige ist. Er muss die Patienten auch darüberaufklären, dass bestimmte Informationen schlicht und einfachnicht der aktuellen medizinischen Realität entsprechen. Dakommen Patienten zu uns ins Kundencenter und fragen, wes-halb sie eine bestimmte Leistung vom Arzt nicht bekommenhätten. Da ist unsere Beratungsarbeit gefordert, um den Men-schen zu vermitteln, dass nicht alles, was irgendwo gesagtwird, tatsächlich den Möglichkeiten der Medizin oder denMöglichkeiten der Gesetzlichen Krankenversicherung ent-spricht.

Werner Waldmann: In unseren Kliniken sterben Patientennicht nur an den Krankheiten, mit denen sie in die Klinik eingeliefert werden, sondern sie sterben auch deshalb, weil

Kompass Gesundheit 4/2016

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Ärzte unnötig operieren und weil sie bestimmteOperationen nicht beherrschen und trotzdemoperieren.Johannes Bauernfeind: Es ist ein Riesenproblem,dass wir nach wie vor keine durchgängigen Regelndafür haben, generell eine möglichst hohe Qualitätder Versorgung zu garantieren, indem entsprechen-de Mindestmengen eingehalten werden und dassan gewissen Standorten hohe Kompetenz ge-schaffen wird, die eine besonders hohe Qualitätgarantiert. Wir haben inzwischen Mindestmengen-regelungen durchgesetzt in Bereichen wie beiKnie-Endoprothesen und bei der Frühgeborenen-Versorgung, aber auch bei Operationen, die seltenvorkommen wie der Nierentransplantation oder derStammzelltransplantation als Beispiel. Qualitätmüsste generell nachgewiesen werden, damit dieentsprechende Leistung zugelassen wird. Unddort, wo die Qualität nicht stimmt, kann diese Leis-tung eben nicht erbracht werden.

Das neuste Krankenhausstrukturgesetz formu-liert es so, dass Vergütungszu- und -abschläge ge-macht werden können, also bei hoher Qualität gibtes Zuschläge, bei niedriger Qualität Abschläge.Aus Sicht eines Patienten finde ich es zweifelhaft,wenn meine Krankenkasse auch ein Krankenhausvergüten muss, in dem schlechte Qualität erbrachtwird: Das sollte dann zu der Konsequenz führen,dass diese Leistung dort überhaupt nicht mehr er-bracht werden darf.

Werner Waldmann: Unsere Kliniken nagen amHungertuch, die Kosten steigen verlässlich: Esheißt, dass die Qualität diesem Kostenanstieg inDeutschland oftmals nicht folge. Trifft das zu?Johannes Bauernfeind: Langfristig kann ein Kran-kenhaus, das nicht ausreichend finanziert ist, na-türlich keine Qualität liefern. Wenn die Kranken-hausträger die Defizite nicht mehr ausgleichen,werden die Krankenhäuser Probleme bekommen.Natürlich muss man auch die Frage stellen, warumdie Krankenhäuser Defizite haben? Sie müssenheute Teile ihrer für die Leistungserbringung vorge-sehenen Mittel, die wir als Krankenkassen bezah-len, dazu verwenden, um Investitionen zu tätigen.Doch die Kostenverantwortung für diese Investitio-nen liegt eigentlich beim Land. Das Problem: DieAusgaben für Krankenversorgung bei der AOK Ba-den-Württemberg sind in den letzten 20 Jahren um

25% gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die In-vestitionsmittel, die das Land zur Verfügung ge-stellt hat, um 18% gesunken. Wenn das Land sei-ner Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionenvollumfänglich nachkäme, wäre die Situation derKliniken sicherlich besser.

Werner Waldmann: Wäre das Rezept nicht „Weniger Exzellenzzentren, viele kommunaleGrundversorger“?Johannes Bauernfeind: Wir brauchen tatsächlichweniger Standorte, an denen Exzellenz stattfindet.Wir brauchen aber eine starke regionale Grundver-sorgung, allerdings auch dort nicht in Größenord-nungen von unter 200 Betten, weil diese Strukturenwirtschaftlich nicht zu betreiben sind.

Werner Waldmann: Um die Gesundheitsausga-ben einzudämmen und den Mangel an qualifi-zierten Pflegekräften und Ärzten auszugleichen,sollten Kliniken vielleicht auf kostspielige Infra-struktur verzichten und mehr auf Vernetzung,Partnerschaft mit Universitäten, Unternehmenund anderen Kliniken setzen. Wird das funktio-nieren?Johannes Bauernfeind: Es wird dann funktionie-ren, wenn die Kliniken untereinander ein größeresVerständnis dafür gewinnen, dass es nicht in ersterLinie um Wettbewerbsvorteile, sondern in erster Li-nie um die Qualität der Versorgung geht. Die Pro-blematik einer Zusammenarbeit ist, dass jede Ko-operation immer auch ein Risiko für beide Beteilig-ten ist, dass der andere vielleicht mehr daraus ge-winnt.

Werner Waldmann: Haben denn die Kostenträ-ger, z. B. die AOK in Baden-Württemberg, Mög-lichkeiten, die Kliniken zur Zusammenarbeit, zurKooperation zu motivieren?Johannes Bauernfeind: Natürlich sprechen wir inden Pflegesatzverhandlungen an, wenn wir derAuffassung sind, dass bestimmte Leistungen nichtin ein bestimmtes Krankenhaus gehören, dass siein der Menge nicht adäquat sind, um dort tatsäch-lich Qualität zu erbringen. Wir sprechen dabei auchan, wie man durch ein abgestimmtes Leistungsan-gebot über die jeweiligen Klinikgrenzen hinweg zueiner besseren Versorgung kommt.

Kompass Gesundheit 4/2016

Johannes Bauernfeind, Geschäftsführer derAOK Neckar-Fils

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Sodbrennen ist ein unangenehmes Phänomen.Weiß man, wie viele Menschen darunter leiden?Prof. Bodo Klump: Sodbrennen ist mittlerweile zurVolkskrankheit geworden – die meisten Menschenin Deutschland haben es wenigstens einmal erlebt.Daneben steigt die Zahl der Menschen an, derenLebensqualität durch quälendes, häufiges Sod-brennen eingeschränkt ist.

Wie entsteht Sodbrennen?Prof. Bodo Klump: Unser Körper trennt bestimmteAbschnitte des Körpers, sog. Kompartimente,durch muskuläre Schleusen voneinander. Ein sol-cher Abschnitt ist unser Magen, der die Magensäu-re produziert, die wiederum die Nahrung verdautbzw. vorverdaut. Gelangt diese aggressive Säure ineinen anderen Abschnitt des Körpers – etwa in dieSpeiseröhre oder den Rachen –, verursacht siedort erhebliche Beschwerden. Schuld daran isteine kurzzeitige oder anhaltende Fehlfunktion dermuskulären Schleuse zwischen Speiseröhre undMagen: Der Mageneingang ist locker oder er-weitert, die Säure steigt in die Speiseröhre auf. Beieinem Zwerchfellbruch kann es sogar zu einem Ver-rutschen des Magens kommen, sodass das mus-kuläre Türchen zwischen Speiseröhre und Magennicht länger dicht schließt und kontinuierlich Säureden Magen verlässt. Da im Bauchraum ein leichterÜberdruck vorliegt, im Brustkorb hingegen einleichter Unterdruck, wird die Säure in die Speise-röhre gesaugt und ruft dort die Probleme hervor,die wir als Sodbrennen bezeichnen.

Kann das auch mit dem Alterungsprozess zusammenhängen?Prof. Bodo Klump: Sodbrennen ist durchaus einPhänomen, das häufiger mit dem Älterwerden auf-tritt. Aber auch ganz junge Menschen sind betrof-fen.

Es gibt eine ganze Reihe von Risikofaktoren fürSodbrennen: Übergewicht, falsche Ernährung,Stress. Inwiefern sind sie an der Entstehung von Sodbrennen beteiligt?Prof. Bodo Klump: Diese Lebensumstände sindmaßgeblich daran beteiligt, dass Sodbrennen häu-figer vorkommt. Sodbrennen ist damit nicht nureine Volkskrankheit, sondern ein Zivilisationsphä-nomen der westlichen Gesellschaften, des west-lichen Lebensstils.

So sind viele Menschen in der westlichen Welt zudick. Als Folge des Übergewichts steigt der Druckim Bauchraum – die Magensäure wird förmlich indie Speiseröhre gepresst. Viele Menschen ernäh-ren sich zudem fleisch- oder fettreich und nehmengroße Mahlzeiten zu sich, was wiederum Säure-exzesse, also eine vermehrte Magensäureproduk-tion, begünstigt. Und nicht Wenige essen spät undlegen sich direkt danach zu Bett. Die horizontaleLage erleichtert das Aufsteigen von Säure in dieSpeiseröhre zusätzlich. Auch das Rauchen ist einwichtiger Faktor bei der Entstehung von Sodbren-nen, denn es regt die Säureproduktion im Magenan. Nicht zuletzt ist da noch der RisikofaktorStress, unter dem wir alle mehr oder weniger lei-

Kompass Gesundheit 4/2016

Chronisches Sodbrennen immer behandelnGespräch mit Prof. Dr. med. Bodo Klump Sodbrennen entsteht, wenn die Magensäure in die Speiseröhre hochsteigtund dort mit der empfindlichen Speiseröhrenschleimhaut in Kontakt kommt.Während ein einmaliger Vorfall zwar unangenehm, aber unproblematisch ist,kann andauerndes Sodbrennen der Speiseröhre nachhaltig schaden. Kom-pass Gesundheit sprach mit Prof. Dr. med. Bodo Klump vom Paracelsus-Krankenhaus in Ostfildern-Ruit über die Ursachen und die effektive Behand-lung von Sodbrennen.

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den. Er führt ebenfalls zu einer vermehrten Säure-produktion. Und je mehr Magensäure der mensch-liche Organismus produziert, umso größer ist dieWahrscheinlichkeit, dass die Säure an Orte im Kör-per gelangt, wo sie nicht hingehört.

Wie kommt es, dass Stress die Magensäure-produktion erhöht?Prof. Bodo Klump: Es handelt sich um einen kom-plizierten Mechanismus, an dem viele Hormonebeteiligt sind. Kurz gesagt: Steigt uns die Gallehoch, weil wir unter Druck stehen, weil wir ge-stresst sind, regt das die Magenschleimhautzellenzu einer vermehrten Produktion von Salzsäure an.

Wie sieht es mit Kaffee oder Süßigkeiten aus?Sind sie auch an der Entstehung von Sod-brennen beteiligt?Prof. Bodo Klump: Ja, durchaus. Kaffee und Sü-ßigkeiten oder auch fettreiche Nahrungsmittel re-gen die Säureproduktion an.

Wie sieht es in der Schwangerschaft mit Sodbrennen aus?Prof. Bodo Klump: Schwangere sind besondershäufig von Sodbrennen betroffen, denn das Kindim Bauch erhöht den Druck im Bauchraum undvermindert den Platz, was den Rückfluss von Säu-re fördert, ebenso wie die hormonellen Umstellun-gen, die im Rahmen der Schwangerschaft erfol-gen.

Warum kommt Sodbrennen oft im Schlaf vor?Prof. Bodo Klump: In der horizontalen Lage hat esdie Magensäure bei einem nicht mehr voll funk-tionsfähigen Schleusensystem besonders leicht,durch die offenen Tore nach oben zu fließen. Es istbei der Anamnese, der Aufnahme der Krankenge-schichte, ganz typisch, dass Patienten Sätze sagenwie „Morgens, wenn ich aufwache, habe ich einenbitteren Geschmack im Mund. Mein erster Gangführt mich zum Waschbecken, um mit einem GlasWasser den Mund und den Rachen auszuspülen“.Manchen ist sogar übel, bis hin zum Brechreiz.

Kann es auch sein, dass bestimmte Medika-mente Sodbrennen auslösen?Prof. Bodo Klump: Ja. Grob zusammengefasstkönnen all die Medikamente Sodbrennen hervorru-

fen, die die Spannung der glatten Muskulatur imKörper vermindern. An erster Stelle sind die Blut-druckmedikamente zu nennen, die maßgeblichdarüber wirken, dass sie die Muskeln in den Blut-gefäßen entspannen. Diese Wirkung betrifft abernicht nur die Blutgefäße, sondern auch die Musku-latur im Magen-Darm-Trakt. Somit tragen sie unterUmständen dazu bei, dass es zu einem Reflux,dem Rückfluss von Magensäure in die Speiseröh-re, kommt. Hormone, hormonelle Präparate, Anti-konzeptiva wie die Pille – auch diese Medikamentekönnen über eine Beeinflussung der Muskulatur zueinem vermehrten Reflux führen.

Was für Möglichkeiten gibt es, die überschüssigeMagensäure medikamentös zu neutralisieren?Schaffen auch frei verkäufliche Präparate Abhilfe?Prof. Bodo Klump: Die potentesten Säure blockie-renden Medikamente sind die sogenannten Proto-nenpumpeninhibitoren oder Protonenpumpen-hemmer, abgekürzt PPI. Erkennen lassen sich dieWirkstoffe daran, dass ihr Name auf -ol endet, z. B.Pantoprazol, Esomeprazol oder Omeprazol. DieseMedikamente koppeln an die Säuremaschinerieder Magenschleimhaut an und bremsen die Säure-produktion im Magen sehr umfassend. Ein wenigproblematisch ist, dass sie sich nicht für die Akut-medikation eignen. Sie helfen also nicht, wenn manabends einen Tisch beim Italiener bestellt hat undeinen kurz vorher das Sodbrennen ereilt, denn siebrauchen zwei, drei Tage, bis sie ihre Wirkung ent-falten. Dann sind sie jedoch sehr effektiv.

Falls jemand situativ von Sodbrennen betroffenist und rasch Hilfe benötigt, können basische, neu-tralisierende Substanzen, die frei verkäuflichen An-tazida, eingesetzt werden. Zu warnen ist jedoch voreiner langfristigen Behandlung mit diesen Medika-menten, denn will man mit ihnen schweres Sod-brennen effektiv behandeln, braucht man hohe Do-sen. Dies ist mit hohen Belastungen für den Körperund unter Umständen mit unerwünschten Neben-wirkungen verbunden.

Wie schätzen Sie simple Hausmittel gegen Sodbrennen wie das Trinken von Wasser oderMilch ein?Prof. Bodo Klump: Es gibt immer wieder Patien-ten, die mit solchen Hausmitteln gut zurechtkom-

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men. Das Prinzip ist einfach: Man nimmt basische Diätkompo-nenten zu sich – Heilerde, ein Stück saugendes Brot –, die dieSäure binden und vom Rückfluss abhalten. All das ist erlaubt,denn schließlich ist das Ziel der Therapie eine zufriedenstellen-de Lebensqualität. Geht es einem Patienten mit Hausmittelngut, ist das sicher besser, als immer neue Mittel aus der Apo-theke auszuprobieren. Bei anhaltenden Beschwerden sollte je-doch immer der Arzt aufgesucht werden.

Kann chronisches Sodbrennen gefährlich werden?Prof. Bodo Klump: Ja. Wir beobachten in den westlichen Ge-sellschaften, dass die Krebserkrankungen am Übergang vonder Speiseröhre zum Magen zu den am stärksten zunehmen-den Krebserkrankungen überhaupt gehören. Das, zusammenmit unserem Wissen um die Zunahme des Sodbrennens, be-fördert natürlich die Hypothese, dass das Sodbrennen ein Risi-kofaktor für die Krebserkrankungen des Übergangsbereichesvon Speiseröhre und Magen darstellt. Es ist also wahrschein-lich der Fall, dass ein chronisches und schweres Rückflusslei-den ein Risikofaktor für die Krebsentstehung ist.

Welche diagnostischen Möglichkeiten gibt es? Die Gastro-skopie, umgangssprachlich Magenspiegelung genannt, diepH-Metrie (Messung des pH-Werts in der Speiseröhre) oderdie Ösophagus-Manometrie (Druckmessung in der Speiseröhre)? Gibt es weitere Verfahren?Prof. Bodo Klump: Das immer noch wichtigste diagnostischeInstrument ist meiner Meinung nach die Anamnese, das Ge-spräch mit dem Patienten, bei dem man in aller Regel schon guterfassen kann, ob eine Reflux-Krankheit und eine Reflux-Pro-blematik vorliegen. Es kommt dann sicherlich die Endoskopie(Gastroskopie) ins Spiel, nicht so sehr als diagnostische Maß-nahme, um den Reflux festzustellen und zu dokumentieren,sondern als sehr wichtige Untersuchung, um auszuschließen,dass eine Komplikation, eine Krebsentstehung, durch chroni-schen Reflux eingetreten ist oder droht. Diese Spiegelung solltebei längerem und starkem Rückfluss meiner Meinung nach un-bedingt ein Mal erfolgen. Ist die Endoskopie erfolgt und Schlim-meres ausgeschlossen, wird immer dann eine pH-Metriedurchgeführt, wenn wir uns nicht sicher sind, ob wirklich eineRefluxkrankheit für die Beschwerden des Patienten verantwort-lich ist. Oder wenn wir wissen wollen, warum Medikamentenicht wie üblich funktionieren. Das sind Situationen, in denenwir heute mit der 24-Stunden-Impedanz-pH-Metrie, einer mo-dernen Form der Rückflussmessung in der Speiseröhre, in derRegel feststellen können, was den Patienten plagt.

Wie funktioniert diese Untersuchung?Prof. Bodo Klump: Dem Patienten wird über die Nase eine

sehr dünne Sonde in die Speiseröhre eingeführt, die dort 24Stunden lang verbleibt. An diese Sonde ist eine Messeinheitangeschlossen, die sowohl die sauren, als auch die nicht-sauren Refluxepisoden in die Speiseröhre an bestimmtenMess-punkten aufzeichnet. Darüber hinaus hat der Patientselbst die Möglichkeit, Beschwerden zu dokumentieren, dieihn während der Messzeit plagen. Aus der Zusammenführungvon Patientendokumentation und Messergebnissen lässt sichschlussfolgern, ob das Problem des Patienten wirklich in ei-nem Rückfluss, egal ob sauer oder nicht-sauer, begründetliegt.

Tolerieren Patienten diese Untersuchung gut?Prof. Bodo Klump: Die Anlage der Sonde über die Nase in dieSpeiseröhre ist etwas unangenehm, aber sie dauert nur etwafünf Minuten. Danach kann der Patient sein alltägliches Lebenfortsetzen. Denn wir möchten ja, dass die Patienten sich wäh-rend der Aufzeichnung ganz normal verhalten, um festzustel-len, wie Beschwerden mit Rückflussepisoden im Alltag korre-lieren.

Die Patienten können also weiter trinken und essen?Prof. Bodo Klump: Ja. Die Patienten sollen ganz normal leben.Die Sonde wird mit einem Pflaster festgeklebt und nach etwa24 Stunden wieder entfernt, was vollkommen unbelastend fürdie Patienten ist.

Und was ist mit der Ösophagus-Manometrie?Prof. Bodo Klump: Bei der Manometrie handelt es sich nichtum ein Verfahren zur Bestätigung eines vermuteten Rückflus-ses, sondern es geht bei der Druckmessung in der Speiseröhreum die differenzialdiagnostische Abgrenzung anderer Speise-röhrenerkrankungen, die ebenfalls zu Beschwerden hinter demBrustbein führen können. So gehen der Nussknacker-Ösopha-gus oder die Achalasie – muskuläre Erkrankungen, Bewe-gungsstörungen der Speiseröhre – manchmal mit ähnlichenBeschwerden einher, haben aber nichts mit dem gastroöso-phagealen Reflux zu tun.

Bei welcher Ausprägung des Refluxes kommt der Chirurgins Spiel?Prof. Bodo Klump: Die Rolle der Chirurgie ist in den letztenJahren dank der Entwicklung der Protonenpumpeninhibitorenzurückgegangen. Die Chirurgie spielt nur dann eine Rolle,wenn eine zufriedenstellende Lebensqualität medikamentösnicht erzielt werden kann. Dann muss der Chirurg den Refluxdurch eine operative Verengung des Übergangs von der Spei-seröhre zum Magen in die Schranken weisen.

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Kann man Protonenpumpeninhibitoren kontinuierlich nehmen oder sind Nebenwirkungen zu befürchten?Prof. Bodo Klump: Das ist eine wichtige Frage, denn Proto-nenpumpeninhibitoren gehören zu den am häufigsten ver-schriebenen Medikamenten weltweit und sind mittlerweileauch rezeptfrei erhältlich. Da viele Patienten einen Rückfall er-leiden, wenn sie ihren PPI absetzen, sind sie gezwungen, dasMedikament dauerhaft einzunehmen, wollen sie beschwerde-frei bleiben. Keine Frage, dass Patienten, die über Jahre diePräparate einnehmen, Nebenwirkungen oder Langzeitneben-wirkungen befürchten.

Protonenpumpeninhibitoren werden ungefähr seit Ende der1980er Jahre eingesetzt, das heißt mittlerweile blicken wir aufeinen Zeitraum von etwa 25 Jahren des klinischen Einsatzesdieser Wirkstoffe zurück. Zu Anfang hatten wir große Befürch-tungen im Hinblick auf viele Abläufe im Körper, die durch eineso potente, bis dahin ungekannte Unterdrückung der Säure-produktion unter Umständen verändert oder gestört werdenkönnten. Doch rückblickend können wir heute feststellen, dassdie kumulativen Nebenwirkungen sehr gering sind; es handeltsich insgesamt um gut verträgliche Medikamente. Wir beob-achten vielleicht eine leichte Zunahme von Atemwegsinfekten,dadurch, dass die Säurebarriere zwischen Magen, Verdau-ungstrakt und Lufttrakt beeinflusst ist. Wir sehen isoliert beiden Frauen eine ganz leichte Zunahme der Schenkelhalsfrak-turen, die wohl nicht auf einer Osteoporose beruhen – esscheint stattdessen ein direkter Effekt der PPI auf den Kno-chen vorzuliegen. Schließlich scheinen bestimmte Darminfek-tionen ein wenig häufiger aufzutreten. Aber diese Nebenwir-kungen sind doch eher selten. Dennoch ist bei jedem Patientenzwischendurch von Neuem kritisch zu prüfen, ob er das Medi-kament weiterhin braucht oder ob sich die Dosis reduzierenlässt. Denn meiner Meinung nach ist man in der Medizin immergut beraten, jedes Verfahren, jedes Medikament in einem mög-lichst geringen Maß einzusetzen. Ist ein Patient jedoch auf ei-nen PPI angewiesen, kann er das Medikament relativ beden-kenlos auch über lange Jahre nehmen.

Wäre es in letzterem Fall nicht sinnvoller, das dem Reflux zugrunde liegende Problem chirurgisch zu beheben? Prof. Bodo Klump: Das Problem an der Fundoplikatio – soheißt die Operation bei einer Refluxkrankheit – besteht darin,dass sie nicht immer zum gewünschten Erfolg führt. Denn beider Steuerung des neuromuskulären Systems während unse-res Schluckaktes, der die Nahrung von der Mundhöhle überden Rachen, die Speiseröhre bis in den Magen transportiert,handelt es sich um ein extrem kompliziertes Geschehen. Undes ist natürlich eine sehr optimistische Annahme, durch die Ver-engung eines einzelnen Übergangs ein erkranktes komplexes

System heilen zu können. Zwar ist die Verengung dieses Mus-kels für viele Patienten ein Segen, aber wir dürfen nicht überse-hen, dass sie manchen Patienten nicht hilft. Selbst für den Fall,dass die Operation die Probleme behebt, handelt es sich nichtunbedingt um eine lebenslange Lösung. Über die Jahre undJahrzehnte kann es wieder zu einer Lockerung dieser Veren-gung kommen, die eine erneute Einnahme von Medikamentenerfordert. Und schließlich kann auch der chirurgische EingriffNebenwirkungen nach sich ziehen. Manche Patienten habenhinterher durch einen zu engen Übergang zwischen Speiseröh-re und Magen Probleme mit dem Schlucken oder dem Aufsto-ßen, die unter Umständen eine erneute Intervention mit einerDehnung und Aufweitung des verengten Übergangs erfordern.

Natürlich ist die Fundoplikatio eine sehr wichtige Behand-lungsmethode, jedoch nur, wenn die Einnahme von PPI und dieanderen sogenannten allgemeinen Antirefluxmaßnahmen wieGewichtsabnahme, Verzicht auf Nikotin, eine besondere Ernäh-rung, das Schlafen in der Schräge sowie die Einhaltung eineszeitlichen Abstand zwischen der Abendmahlzeit und dem Zu-bettgehen nicht fruchten.

Müssen trotzdem viele Patienten chirurgisch behandelt werden?Prof. Bodo Klump: Es gibt natürlich viele Menschen, die beimChirurgen an der richtigen Stelle sind, z. B. weil sie einen nicht-sauren Reflux haben. Wir sprechen immer von der Säure, dieaus dem Magen zurückläuft, und übersehen dabei manchmal,dass sich im Magen auch nicht-saure Sekrete aus der Bauch-speicheldrüse oder dem Gallesystem finden können, die beiRückfluss ähnliche Beschwerden auslösen, welche sichschlecht durch Medikamente eindämmen lassen. Diese Pa-tienten profitieren sehr von der chirurgischen Therapie, ebensodie Menschen mit einem großen Zwerchfellbruch, also mit ei-ner weit offenen Tür zwischen Speiseröhre und Magen.

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Prof. Dr. med. Bodo Klump istChefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und TumormedizinParacelsus-Krankenhaus RuitKreiskliniken Esslingen gemeinnützige GmbHHedelfinger Straße 16673760 OstfildernE-Mail: [email protected]

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Sport treiben – verletzungs- und risikofrei

Eine falsche Bewegung beim Sport – und schonhat man sich eine schmerzhafte Muskelzer-

rung geholt. Der falsche Laufschuh – und schonwird das Joggen zur Qual. Eine zu starke Belastungkann bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Vorerkran-kungen manchmal sogar gefährliche Konsequen-zen haben. Durch gute Vorbereitung lassen sichsolche Risiken ausschalten – damit der Sport auch

wirklich Spaß macht und die angestrebte gesund-heitsfördernde Wirkung entfalten kann.

Warum richtiges Aufwärmen so wichtig istMachen Sie es wie die Fußballprofis: Die stürzensich auch nicht einfach ins Spiel, sondern laufensich vorher warm und führen Dehnübungen durch.Das erhöht die körperliche Leistungsfähigkeit und

Anne Greveling

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senkt die Verletzungsgefahr. Denn beim Aufwär-men steigt die Körpertemperatur und die Durchblu-tung; Kreislauf und Stoffwechsel werden angeregt,die Beweglichkeit von Muskeln, Sehnen und Bän-dern verbessert sich. Es wird mehr Gelenkflüssig-keit produziert, sodass die Gelenke die Belastun-gen beim Sport besser abfedern können. Deshalbsollten vor dem Training Dehnübungen und langsa-mes Warmlaufen auf dem Programm stehen. Aller-dings ist für jede Sportart ein etwas anderes Auf-wärmprogramm sinnvoll. Fragen Sie Ihren Sport-oder Fitnesstrainer um Rat!

Überfordern Sie sich nichtWichtig ist es, seine Leistungsgrenzen zu kennenund zu respektieren. Neuanfänger sollten liebererst mal mit einem moderaten Training beginnenund dieses dann schrittweise steigern. Auch hierkann es sinnvoll sein, sich von einem Fachmann(z. B. einem Personal Trainer oder Physiotherapeu-ten) beraten zu lassen. Wer an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet oder Risikofaktoren hierfür mit-bringt (also beispielsweise raucht oder einen zu ho-hen Blutdruck hat) und womöglich schon seit län-gerer Zeit keinen Sport mehr getrieben hat, für denist das besonders wichtig: In solchen Fällen sollteman sich auf jeden Fall vorher vom Hausarzt oderKardiologen untersuchen und beraten lassen.Außerdem sollte man auf Warnsignale achten, alsoz. B. Brustschmerzen beim Sport nicht einfach ig-norieren, sondern das Training dann sofort abbre-chen und einen Arzt konsultieren.

Menschen mit Gelenkproblemen wie beispiels-weise Arthrose sollten vorher ihren Arzt oder Or-thopäden um Rat fragen, denn es gibt Sportarten,die die Gelenke besonders stark belasten – vor al-lem, wenn zu dem Gelenkverschleiß auch nochÜbergewicht hinzukommt.

Die richtige Ausrüstung nicht vergessen!Auch ein geeignetes Equipment ist wichtig, um Ver-letzungen und Gelenkschäden vorzubeugen. Sosind beispielsweise beim Inlineskaten Knie- und El-lenbogenschoner und ein Schutzhelm sinnvoll. BeiLaufsportarten wie Joggen kommt es auf das rich-tige Schuhwerk an. Lassen Sie sich dazu am be-sten in einem Sportfachgeschäft beraten – denn je-der Fuß ist anders, daher ist eine individuelle Bera-tung durch einen Fachmann unerlässlich. Optimal

ist es, vor dem Schuhkauf eine Laufbandanalysedurchführen zu lassen und am besten auch Ihre al-ten Laufschuhe mitzubringen! An den abgelaufe-nen Stellen erkennt der Verkäufer nämlich, an wel-chen Stellen Sie Ihre Füße beim Laufen am meistenbelasten. Grundsätzlich ist es gelenkschonender,auf weichem Boden (z. B. Wald- oder Wiesen-wegen) zu joggen. Falls Sie diese Möglichkeit nichthaben und daher hauptsächlich auf Asphaltwegenlaufen, sollten Sie auch dies dem Schuhverkäufermitteilen, damit er Ihnen Schuhe mit entsprechendguter Dämpfung empfehlen kann.

Essen und TrinkenWer Sport treibt, schwitzt – und verliert dadurchnicht nur Flüssigkeit, sondern auch wichtige Mine-ralien und Spurenelemente. Sportler sollten dahermindestens 2,5 Liter Flüssigkeit pro Tag zu sichnehmen (an heißen Tagen entsprechend mehr). Ge-eignet sind stilles Mineralwasser, Fruchtsaftschor-len oder Sportgetränke. Bei sportlichen Belastun-gen über 30 Minuten sollten Sie auch während desTrainings das Trinken nicht vergessen! Kohlensäu-rehaltige Getränke sind allerdings nicht zu empfeh-len, denn sie können blähend wirken und Schluck-auf oder Seitenstechen verursachen.

Für Sportler ist eine ausgewogene Ernährung mitreichlich Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenele-menten noch wichtiger als für „Bewegungsmuffel“.Auch auf eine ausreichende Zufuhr an Eiweiß(wichtiger Ernährungsbaustein für den Muskelauf-bau) und Kohlenhydraten (als Energielieferant) soll-ten Sie achten. Aber bitte nicht direkt vor demSport essen – denn ein voller Bauch trainiert nichtgern! Die letzte größere Mahlzeit sollte etwa dreiStunden vor Beginn des Trainings liegen; einen klei-neren, leicht verdaulichen Snack (Apfel, Bananeoder Joghurt) können Sie auch eine Stunde vordem Sport noch einnehmen.

Auch wichtig: das Stretching nach dem TrainingAuch nach dem Sport sollten Sie darauf achten, Ih-ren Organismus langsam wieder „herunterzufah-ren“ – also das Joggen oder Radfahren nicht ab-rupt beenden, sondern langsam und allmählichauslaufen lassen. Wer nach dem Training noch ein-mal alle Körperpartien dehnt, beugt einem Muskel-kater vor.

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Smartphonesbeeinflussendie Gehirn-ströme

Ich ahnte es schon immer, dass es nicht gut ge-hen kann: der stiere, permanente Blick auf’s

Smartphone-Display. Die Leute sitzen nicht nurüberall herum mit dem Ding vor den Augen, in derS-Bahn, im Restaurant, im Supermarkt, am Steuer,nein, sie laufen in derselben Haltung auch durchdie Gegend und über die Straße. Stets den Mini-bildschirm vor der Nase. Der Text-Messenger er-setzt die verbale Kommunikation in unserem Alltag.Man muss kein Neurowissenschaftler sein, um die-ses gesellschaftliche Phänomen für höchst be-denklich zu halten. Oder wenigstens für kurios. Hinund wieder geriet ein Smartphone-Fanatiker untersAuto oder die Stadtbahn, weil er nur auf seinenBildschirm fixiert war. Und beim Autofahren nochschnell eine Message eingetippt, hat manchemschon den Tod gebracht. Die krankhafte Smartpho-ne-Nutzung hat aber auch physische Folgen: Dassdie Nutzung von Mobilgeräten Auswirkungen aufunsere Hirnströme hat, zeigte sich jüngst in einerUS-Untersuchung und belegte einmal mehr: Tip-pen am Steuer ist keine gute Idee. Ein Forscher-team um Dr. William Tatum, Professor für Neurolo-gie an der Mayo Clinic in Jacksonville, Florida, wiesnach, dass das Tippen von Nachrichten mit demRhythmus unserer Hirnwellen gekoppelt ist.

Die Wissenschaftler beobachteten anhand einesElektroenzephalogramms (EEG) und Videoauf-zeichnungen die Gehirnströme von 129 Versuchs -personen über einen Zeitraum von 16 Monaten.Während der Untersuchung baten die Forscher dieTeilnehmer, verschiedene Aktivitäten mit ihrenSmartphones durchzuführen, etwa Nachrichten

einzutippen oder zu telefonieren. Parallel dazumussten sich die Studienteilnehmer einer Reihevon Aufmerksamkeitstests unterziehen.

Herauskam, dass das Schreiben von Nachrich-ten bei jedem fünften Probanden zu einem verän-derten, neuartigen Rhythmus der Gehirnwellenführte. Die Hirnstrom-Aktivität änderte sich wohl,weil die Nutzung des kleinen Bildschirms die Kon-zentrationsfähigkeit mehr als üblich forderte. Inter-essant ist auch, dass die exzessive Smartphone-Nutzung eine ganz andersartige Verbindung men-taler und motorischer bzw. auditiv-verbaler Akti-vität fordert. Diese unterscheidet sich zu bisheri-gen Formen geistiger Stimulation. Übrigens sindnicht nur die Minibildschirme das Problem, dassel-be gilt auch für Mobilgeräten wie Tablets. Die Wis-senschaftler zogen aus ihrer Studie lapidar denSchluss, dass „Menschen halt nicht gleichzeitigschreiben und fahren sollten!“ Das Nachrichten-schreiben verändert die Gehirnströme und damitKonzentrations- und Reaktionsfähigkeit.

Ich weiß, der Smartphone-Tsunami lässt sichnicht eindämmen, er hat uns längst hinweggeris-sen. Intelligenteren Zeitgenossen lässt sich wahr-scheinlich vermitteln, dass man die kleinen elektro-nischen Wunderlinge zumindest bei Autofahrten inder Tasche stecken lassen sollte. Dass wir unserebisher übliche Kommunikation durch das gespro-chene Wort aufs Spiel setzen und am Ende selbstbeim Flirten nur noch per WhatsApp oder SMSZärtlichkeiten austauschen: Was soll’s? Man hatmit der Zeit zu gehen.

Werner Waldmann

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Gesundheit beginnt im KopfDie Kolumne von Dr. Suso Lederle

Wie essen wir richtig? Es gilt: Was rein kommt,muss auch wieder raus, oder es bleibt drin. Ge-

meint ist das Essen, das wir täglich zu uns nehmen unddas unter anderem eine bestimmte Menge Kalorienenthält. Wenn wir berücksichtigen, dass unser Körpernur aus dem besteht, was wir gegessen haben, unddass er nur das wiegt, was an Kalorien zugeführt undnicht verbraucht worden ist, dann essen wir richtig.

Kaum etwas prägt unseren Alltag so sehr wie dieNahrungsaufnahme. Und so kommt es, dass Millionenvon Kilokalorien im Laufe eines Lebens in unserenMündern verschwinden, durchaus mit Spaß und Ge-nuss. Wir Menschen sind nun einmal Lustesser undschätzen auch Ausgefallenes, von Artischocken bisZabaione. Doch bei der Nahrungsaufnahme geht esleider nicht nur um den guten Geschmack. Es mussauch die Frage nach der Gesundheit gestellt werden,kann man sie mit dem Löffel beeinflussen, und gehtdas, sich mit Messer und Gabel fit zu halten?

Den Spruch „Essen und Trinken hält Leib und Seelezusammen“ kennt wohl jeder. Und eigentlich ist auchden meisten bekannt, um beim Essen und Trinken ge-sund zu bleiben, kommt es auf die richtige Zu-sammensetzung an. Denn jedes Mal, wenn wir unse-ren Mund mit Nahrung füllen, füttern wir einen kompli-ziert arbeitenden menschlichen Organismus. Und:Eine Vielzahl von Nährstoffen wird benötigt, um Ener-gie zu gewinnen, um Baustoffe bereit zu halten, undum alle Organe am Funktionieren zu halten.

Unser Körper verträgt durchaus vieles. Und so soll-ten wir uns auch nicht durch immer neue diätetischeGebote und Verbote verwirren lassen, mal ‚low’ oder‚slow’ und dann wieder ‚no’. Keiner muss auf seineLieblingsspeise verzichten. Auf das richtige Maßkommt es an: Auf eine abwechslungsreiche, ausgewo-gene und kalorienbewusste Mischkost! Dann stimmtauch das Gewicht.

Dr. med. Suso LederleCharlottenstraße 470182 Stuttgart Tel.: 0711 241774E-Mail: [email protected]

Gymnasiumstraße 170173 Stuttgart

Neckarstraße 49 | 73728 Esslingen a. N.Hahnweidstraße 21 | 73230 Kirchheim u.T.

Zentrale Hotline 07221 9565-55www.radiologie.de | www.mammascreen-bw.de

Mitglied in

Kirstin Langer

www.

TERMINHINWEIS09.11.2016 20.00 UhrHerzkrankheiten – Stressfolge oder Schicksal?„Herz und Stress“ lautet das Motto der Herzwochen 2016. Jederweiß, ohne unser Herz geht gar nichts. Doch wenn es stolpert, wennes müde wird, wenn das Blut keine freie Bahn mehr hat, führt diesmit Hochdruck zum Herzinfarkt. Rauchen, wenig Bewegung, vielStress durch psychosoziale Belastungen – der Körper verzeiht vie-les, aber auf Dauer nicht alles. Dem Herzen zu liebe, Sie solltenmehr wissen über Ihre persönliche Risikolage und über möglichemedizinische Interventionen.

Dr. med. Suso Lederle im Gespräch mit Prof. Dr. med. Thomas NordtTreffpunkt Rotebühlplatz; Rotebühlplatz 28; Stuttgart

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Werner Waldmann: Sie betreiben einen Sani-

tätsfachhandel. Ihre Kunden sind andersgearte-

te Kunden als im übrigen Geschäftsleben. Ihre

Kunden leiden an einer Krankheit, meist einer

chronischen oder sind vielfach auch einge-

schränkt in ihren Lebensfunktionen. Ihr Ange-

botsspektrum reicht von Therapiegeräten für

Schlafapnoe-Patienten und sauerstoffpflichtige

Lungenkranke über alltägliche Hilfsmittel wie or-

thopädische Schuheinlagen, Orthesen, Hilfsmit-

tel für Rheumatiker bis hin zu diversen Hilfen für

Querschnittsgelähmte, vom Badelift bis zum

Rollstuhl. Ganz offensichtlich sind das ihre Kun-

den, aber allesamt sind sie vornehmlich Patien-

ten, Kranke, Leidende. Wo sehen Sie den Unter-

schied zwischen Kunde und Patient?

Joachim Glotz: Sagen wir so: Unsere Kunden

sind ganz besondere Kunden. Ihnen ging es ein-

mal sehr schlecht oder geht es immer noch

schlecht. Ihre Lebensqualität ist durch eine

chronische Erkrankung oder ein mehr oder we-

niger starkes Handicap eingeschränkt. Wir bie-

ten diesen Menschen Hilfsmittel an, die ihre kör-

perlichen Defizite ausgleichen und sie soweit

wie möglich normal am Leben teilhaben lassen.

Bei einem Menschen, dem ein Arm oder Bein

amputiert wurde, können wir heute mit einer

modernen Prothese wieder fast ganz normale

Beweglichkeit erreichen. Denken Sie nur an die

Teilnehmer der Paralympics. Bei schwer kran-

ken Patienten beispielsweise mit COPD, die

dauerhaft künstlich beatmet werden müssen,

„Wir vom Vital-Zentrum Glotz sind nicht nur dafür da, bestimmte Hilfsmittel zu liefern. Wir beraten und begleiten unsere Kunden, solange sie unsere Unterstützung brauchen.“

Joachim Glotz

Sind Patienten heute Kunden?

Wer ein Auto kauft, hat viele Fragen. Die wird ihm ein Profiverkäufer ausführlich beant-worten. Er will seinen Kunden überzeugen, den Wagen gerade bei ihm zu kaufen. Dermögliche Käufer entscheidet sich jedoch frei. Er hat die Wahl. Niemand zwingt ihn. Erwird dort kaufen, wo ihn der Verkäufer überzeugt. Begeistert. Wo alle seine Fragen be-antwortet werden. Kurz: Sympathie und Kompetenz des Verkäufers geben den Aus-schlag. Ein Patient beim Arzt oder im Krankenhaus hat meist keine große Wahl, be-sonders im Notfall. Vielfach wird er heute auch gerne als Kunde betrachtet. Ob aber einPatient, ein Kranker, ein Leidender wirklich „Kunde“ ist?

Werner Waldmann im Gespräch mit Joachim Glotz über die neue Rolle des Patientenals Kunden.

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können wir nur eine lebenserhaltende Unterstüt-

zung bieten. Die alte Lungenkapazität können

wir mit unseren Mitteln nicht wiederherstellen.

Werner Waldmann: Die „Kunden“ in der Klinik

verweilen heutzutage aufgrund der DRGs nur

noch wenige Tage unter Aufsicht der Ärzte. Die-

se sind dann auch mit Ratschlägen und einer

Weiterbetreuung aus dem Schneider. Ihre Kun-

den dagegen setzen auf eine unter Umständen

lebenslange Betreuung uber die Versorgung mit

einem bestimmten Hilfsmittel hinaus.

Joachim Glotz: Unsere Kunden sind keine Ein-

malkunden. Wir schauen nicht nur auf das Re-

zept, wir betrachten auch den Menschen und

seine Bedürfnisse. Die meisten unserer Kunden

bleiben uns ihr Leben lang verbunden. Da ist

eine verantwortliche Betreuung Voraussetzung.

Wir sind nicht nur dafur da, bestimmte Hilfsmit-

tel zu liefern und in deren Gebrauch einzuwei-

sen, wir beraten und begleiten diese Menschen,

solange sie leben und unsere Unterstützung

brauchen. Da entwickelt sich ein gänzlich ande-

res Vertrauensverhältnis und ein hohes Gefuhl

der Verantwortung.

Werner Waldmann: Wie schaffen Sie den Spa-

gat zwischen einer kostenintensiven Betreuung

Ihrer Patienten und der ständig sinkenden Er-

stattung durch die Kostenträger?

Joachim Glotz: In der Tat sprechen Sie hier ein

großes Problem an. Ein Beispiel soll das deut-

lich machen. Wir betreuen einige Tausend Pa-

tienten, die an Schlafapnoe leiden. Diese Krank-

heit begleitet sie ein Leben lang. Sie lässt sich

nicht kurieren. Die Therapie besteht aus einem

Atemtherapiegerät, das durch einen Schlauch

Luft in eine Maske bläst und so die kollabieren-

den Atemwege nachts offen hält. Diese Therapie

verlangt eine Menge von den Patienten. Es gibt

immer wieder Probleme mit der Maske, sei es,

dass sie drückt oder durch eine Leckage stört.

Wir versorgen unsere Patienten also nicht nur

mit Gerät und Maske, wir beraten sie auch, be-

gleiten sie ein Leben lang bei ihrer Therapie und

den immer wieder dabei auftretenden Proble-

men. Würden wir dies nicht ernst nehmen, so

gäbe es eine Menge Therapieabbrüche. Die Be-

treuung unserer ganz speziellen Kunden, unse-

rer Patienten, ist ein elementarer Bestandteil un-

serer Arbeit. Deshalb trifft es uns wirklich

schwer, wenn uns die Krankenkassen durch

Sparmaßnahmen die Möglichkeit beschneiden,

unserer Verantwortung gerecht zu werden.

Werner Waldmann: Wenn die gesetzliche Kran-

kenversicherung ihren Versicherten nicht mehr

das bietet, was nicht nur wirtschaftlich, sondern

auch wirksam ist, bleibt den Patienten doch nur

noch selbst ins Portemonnaie zu greifen und

dort aufzuzahlen, wo die Krankenkasse sie im

Stich lässt.

Joachim Glotz: Das ist leider die Konsequenz.

Den Menschen heute ist Gesundheit und Le-

bensqualität ein immer wichtigeres Anliegen.

Und da ist es nur zu konsequent, wenn der eine

oder andere sich das privat leisten will, was ihm

die Kasse verweigert. Ich denke, dass wir erst

am Beginn einer solchen Entwicklung stehen.

Versorgungsqualität ist einfach nicht zum Dis-

countpreis anzubieten. Dies zu behaupten wäre

unredlich.

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Manchmal finden Ärzte, Therapeuten, Pflege-kräfte einfach keinen Zugang zu einem Pa-

tienten. Sicher auch, weil sich manche Patientenaufgeben. Und dann passiert ein Wunder, quasivon heute auf morgen. Und dieses Wunder bewirktbeispielsweise ein Huhn. So erzählt Dr. Katrin Hof-mann, Leiterin des Praxis-Zentrums der GöppingerKlinik Christophsbad (PET-Freihof) von einemschwer chronisch kranken und depressiven Mann,der nur noch in seinem Rollstuhl saß und an nichtsmehr Freude hatte. Als in einem Gespräch das The-ma Tiere auf dem Freihof zur Sprache kam, merkteDr. Hofmann, wie plötzlich eine Veränderung indem Mann vorging. „Bei dem Wort Tiere haben wirschon so ein bisschen gemerkt, dass er sich rührt,bei dem Wort Hühner ist der Kopf hochgegangen,er hat mich angeguckt und hat angefangen zu re-den und hat gleich gefragt, ob er ein Vesper mit-bringen kann, also er wollte den ganzen Tag bei unsbleiben“.

Regelmäßig besuchte der Mann den Freihof undverbrachte viel Zeit mit den Hühnern und anderen

Tieren. In erstaunlich kurzer Zeit machte der psy-chische Zustand des Mannes erstaunliche Fort-schritte.

Dr. Hofmann erklärt, dass das nicht selten derFall ist: „Gerade so 50- bis 60-Jährige sagen Daswar damals, die Nachbarn hatten Hühner oder Ichhatte Kaninchen als ich klein war oder Ich wollteimmer reiten und durfte nie und solche Geschich-ten. Wenn man das dann ermöglicht, sind die Men-schen wirklich ganz im Glück“.

Vier Therapiepferde, vier Zwerghühner, zwei Ka-ninchen, zwei Zwergziegen, zwei Laufenten undzwei Esel befinden sich auf dem Hof und helfengroßen und kleinen Patienten, ihre gesundheit-lichen Probleme zu bewältigen.

Jedes Tier hat unterschiedliche Verhaltensweisenund Charakterzüge. Die einen sind eher scheu, an-dere richtige Draufgänger, manche sind wie einFels in der Brandung – von daher kann man sieganz unterschiedlich einsetzen. Die Hühner wer-den gerne bei Kindern eingesetzt, die Angst habenvor Tieren; auch bei Kindern, die hyperaktive Züge

Kompass Gesundheit 4/2016

Wenn Hühner und Vierbeiner gesund und glücklich machenTiergestützte Therapie in Göppingen Dr. Magda Antonic

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haben, ganz unruhig sind, sich nicht konzentrierenkönnen. „Die Hühner kommen nur dann zum Men-schen, wenn man selbst ruhig ist. Verhält man sichhektisch, werden die Hühner auch hektisch undflattern herum“, so Dr. Hofmann. „Wenn man sichhinsetzt und die Hand hinhält, dann kommen dieher und fressen aus der Hand. Aber das bedarf einbisschen Ruhe und das haben viele Kinder nicht,die kriegen dann eben von den Hühnern direkt dasFeedback und nicht von den Erwachsenen undTherapeuten. Und das ist eigentlich das Schöne,dass wir da gar nicht groß reden, sondern die Kin-der bekommen ein unmittelbares Feedback überihr Verhalten.“

Zwischen einer dreiviertel und einer Stunde dau-ert eine Einheit der tiergestützten Therapie in derRegel. Zusätzlich werden die Tiere dann oft mit fri-schem Wasser und Futter versorgt. Man mistetauch mal den Stall aus. Zum Hühnerstall führt eineRampe, die die kleinen Kinder im Grundschulalternach oben kraxeln können und dort putzen. Aufdiese Weise wird gleichzeitig die Motorik unter-stützt und gefördert. Dr. Hofmann: „Es kommtmeistens auf den Patienten an, ob wir nur bei denHühnern bleiben, oder auch was anderes machen.Wir sammeln auch manchmal Futter, Gras, oder wirbereiten eine Mahlzeit zu. Die Tiere essen ja bei-spielsweise Gurken und Äpfel, die man schneidenkann. Das fördert auch wieder die Feinmotorik.“

Die tiergestützte Therapie wird in den seltenstenFällen von den Krankenkassen bezahlt. Es gibtzwar viele Studien über die Wirksamkeit dieserTherapie, aber „das Problem dabei ist, dass gera-de der pädagogische und psychologische Bereichmanchmal schwer greifbar ist, es ist nicht immermöglich, anhand von Fragebögen genau das raus-zukriegen, was man eben rauskriegen möchte.Man kann nicht immer eindeutig sagen, ob der po-sitive Nutzen der Therapie am Tier liegt oder amTherapeuten“.

Ein Grund für die Zurückhaltung der Kranken-kassen ist sicherlich der Sicherheitsfaktor. Wennjemand vom Pferd fällt, kommen Kosten auf dieKrankenkassen zu. Außerdem berufen sich dieKrankenkassen eben darauf, dass es nicht ausrei-chend fundierte wissenschaftliche Studien gibt, diedie Wirksamkeit der tiergestützten Therapie ein-deutig belegen. „Ich mache seit 16 Jahren Reitthe-rapie und jetzt auch noch die tiergestützte Thera-pie“, so Dr. Hofmann, „und wenn man dann sieht,wie gut das wirken kann und wie viele tolle Effekteman mit der Therapie erreichen kann, ist es einfachschade, wenn sie nicht unterstützt wird. Wir kriegendas Feedback auch von Eltern, von Therapeuten,Pflegekräften, wie die Menschen sich plötzlich zumPositiven verändern. Deshalb versuchen wir Spen-dengelder einzuholen, damit möglichst viele Men-schen an unseren Angeboten teilnehmen können.“

Kompass Gesundheit 4/2016

Praxis-Zentrum Göppingen

Pappelallee 49 / 73037 GöppingenTel.: 07161 601 - 9690Öffnungszeiten:Mo.- Do. 8:00Uhr - 20:00Uhr Fr. 8:00Uhr - 19:00UhrLeitung: Dr. Katrin Hofmann Dipl.-Sportwissenschaftlerin, Bewegungsthe-rapeutin, Psychomotorikerin, Reittherapeutin (Schwerpunkt Erwachsene)[email protected]

Die Kontonummer des Spendenkontos derGöppinger Patientenstiftung lautet:DE77 6105 0000 1000 2994 70KSK GP BIC: GOPSDE6GXXXBitte Stichwort „Spende für PET-Freihof“ verwenden.

Das Praxis-ZentrumGöppingen bietetnicht nur die tierge-stützte Therapie an,sondern auch Ergo-therapie, Physio-therapie sowiePhysiotherapie spe-ziell für Kinder. DasAngebot kann vonjedem genutzt werden.

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THEMENTAGSCHLAF 201619.11.2016StuttgartTreffpunkt Rotebühlplatz

dasschlafmagazin in Zusammenarbeit mit der

sowie dem Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e. V. (BSD)

und dem Landesverband Baden-Württemberg Schnarchen-Schlafapnoe e. V. (LVBWSS)

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41Kompass Gesundheit 4/2016

ANMELDUNG

� Ich komme alleine

� Wir nehmen mit insg. _________ Personen an der Veranstaltung teil.

Name: _________________________________________

Vorname: _________________________________________

Straße: _________________________________________

PLZ: _________________________________________

Ort: _________________________________________

Tel.: _________________________________________

Der Eintritt ist frei!

Die Anzahl der Plätze im Vortragssaal ist begrenzt.

Bei zu vielen Anmeldungen entscheidet das Anmeldedatum.

Schicken Sie eineE-Mail an:

[email protected]

Oder schicken Sie ein Fax an: 0711 7656590

PROGRAMMEinlass: 9.00 Uhr

Moderation: Dr. Suso Lederle (Stuttgart)

10.00 Uhr Begrüßung

10.15 Uhr Dr. Stefan Reinecke (Stuttgart):Schlafapnoe und ihre Folgeerkrankungen

10.45 Uhr Prof. Barbara Wilhelm (Tübingen):Sekundenschlaf – erkennen und vermeiden

11.15 Uhr Holger Woehrle (Blaubeuren/Ulm):Neue Strategien in der Schlafapnoe-Therapie

11.45 Uhr Prof. Winfried Randerath (Solingen):Herzinsuffizienz und zentrale Schlafapnoe

12 . 15 – 13 . 15 M i t t a g s p a u s e

13.15 Uhr PD Dr. Helmut Frohnhofen (Essen):Schlafapnoe und Demenz

13.45 Uhr Dr. Susanne Schwarting (Kiel):Schienentherapie – Was gibt es Neues?

14.15 Uhr Dr. Thomas Bolm (Stuttgart):Schlaf und psychische Gesundheit

14 . 4 5 – 15 . 15 K a f f e e p a u s e

15.15 Uhr Dr. Martina Bögel (Schwalmstadt-Treysa):

Vorbeugen ist besser als heilen –Prävention in der Schlafmedizin

15.45 Uhr Joachim Glotz (Gerlingen):Müssen wir für eine gute Therapie

selbst bezahlen?

Workshops

13.15 Uhr Dipl.-Psych. Sabine Eller (Gerlingen):Wie verschlafe ich pünktlich?

Mögliche und unmögliche Fragen an die Schlafmedizin

14.15 Uhr Dr. Winfried Hohenhorst (Essen):Alternative Therapien bei OSAS:

Zungenschrittmacher

15.15 Uhr Thomas Kunze (Hamburg):Maskensprechstunde

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Diakonie-Klinikum Stuttgart Förderpreis für gesundes Arbeiten

Das Diakonie-Klinikum Stuttgart zählt zu den Gewinnerndes 2. deutschen Förderpreises für betriebliches Gesund-

heitsmanagement. Das Klinikum belegt mit seinem Projekt„Gesundheitsfaktor Innere Qualität“ den zweiten Platz im Wett-bewerb der DAK-Gesundheit und der Kommunikationsbera-tung MCC. Es erhält einen Sachpreis im Wert von 20 000 Euro,um sein Projekt zur Gesundheitsförderung in die Tat umzuset-zen. 65 Firmen hatten sich bundesweit an dem Wettbewerbzum Schwerpunktthema „Personelle Vielfalt – Diversität undGesundheit“ beteiligt.

Der Wirtschaftsfachmann Prof. Bert Rürup und der stellver-tretende Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, AndreasStorm, ehrten das Klinikum im Oktober bei der Preisverleihungim Rahmen des Kongresses „Betriebliches Gesundheitsma-nagement“ in Düsseldorf. Mit seinem Projekt, an dem Vertreter

verschiedener Arbeitsbereiche in Gremien mitarbeiten, enga-giert sich das Diakonie-Klinikum in besonderem Maße für dasDiversitätsmanagement, also einen diskriminierungsfreienUmgang mit Menschen. „Erfolgreiches Diversitätsmanage-ment und gute innere Qualität sind zwei Seiten derselben Me-daille. In Zeiten ausgeprägten Fachkräftemangels – auch undgerade in der Pflege – wirkt sich Diversität oftmals kritisch aus.Unterschiedliche Sprachkenntnisse, Werthaltungen und Ver-haltensweisen führen leicht zu Reibungsverlusten und Wider-stand. Umso wichtiger ist es, die Probleme frühzeitig zu erken-nen und mit modernen Verfahren wirksam zu lösen“, so um-reißt es Prof. Kuno Rechkemmer, Leiter der mit der Durchfüh-rung des Projekts betrauten CGIFOS Institute GmbH. Die Juryzeigte sich besonders beeindruckt vom methodischen Ansatzdes Projekts: „Das Instrumentarium des betrieblichen Gesund-heitsmanagements und des Umgangs mit Diversität wirddurch das System des Managements innerer Qualität in höchstsinnvoller Weise erweitert“, sagte Storm. DAK-Gesundheit

30. NOV. – 20. MAI 2017

KÖRPERWELTEN nach 13 Jahren wieder in Stuttgart!

Plastinator Dr. Gunther von Hagens und Kuratorin Dr. Ange-lina Whalley präsentieren zusammen ihre aktuelle Ausstel-

lung KÖRPERWELTEN & Der Zyklus des Lebens vom 30. No-vember 2016 bis 20. Mai 2017 in der Schleyer-Halle. Viele erin-nern sich sicher noch an das Jahr 2003, als die Ausstellung inStuttgart in nur neun Tagen einen bis heute ungebrochenenBesucherrekord aufstellte. „Dieses Mal bleiben wir länger!“verspricht Dr. Angelina Whalley.

Seit 2003 haben sich das Ausstellungskonzept und die Plas-tinationstechnik stetig weiter entwickelt. Die Ausstellungen ha-ben weltweit in den namhaftesten Museen Station gemacht

und mehr als 40 Millionen Besuchern Einblick in das Innere desmenschlichen Körpers gewährt. Gunther von Hagens wurdefür sein Lebenswerk und seinen herausragenden Beitrag zurVermittlung von Wissenschaft an ein Laienpublikum von derinternationalen Vereinigung der 650 WissenschaftsmuseenASTC ausgezeichnet.

Im Fokus der aktuellen Stuttgarter KÖRPERWELTEN Aus-stellung steht der menschliche Körper im Kreislauf von Entste-hen und Vergehen. Der kontinuierliche Veränderungsprozessdes Körpers wird anhand einer Vielzahl von eindrucksvollenGanzkörper-Plastinaten spannend und leicht verständlich auf-bereitet. Die einzelnen Stationen – von der Zeugung bis inshohe Alter – laden dazu ein, sich intensiv mit seinem eigenenKörper und Lebensstil zu beschäftigen. Red.

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Keine Angst vor der

NarkoseProf. Dr. med. René Schmidt

Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT

in Kooperation mit dem Marienhospital Stuttgart

OsteoporoseHilfe bei Knochenschwund

Werner Waldmann im Gespräch mit

Prof. Dr. med. Ulrich Liener

Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT

in Kooperation mit dem Marienhospital Stuttgart

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Seelischer Kummerund warum er krank macht

Prof. Dr. med. Christian Herdeg

Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT

in Kooperation mit den Kreiskliniken Esslingen

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Gefäße gut – alles gutwie man Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt

Prof. Dr. med. Christian Herdeg

Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT

in Kooperation mit den Kreiskliniken Esslingen

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Kompass Gesundheit zum Hören!

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