Komplementärmedizinische Therapien beim Prostatakarzinom · tragen und die Therapie und ihre...

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10/2015 10/2015 In einem systematischen Review sämtli- cher Studien der Jahre 1970 bis 2009 zur Anwendungshäufigkeit zeigte sich, dass im Median zwischen 40 und 50 % der Tu- morpatienten komplementäre Therapien anwenden – häufig ohne Wissen der be- handelnden Ärzte [1]. Neben den klassi- schen Naturheilverfahren wie Ernährung, Bewegung, Entspannungsverfahren, Hyd- ro- und Thermotherapie, Ordnungsthera- pie und Phytotherapie kommen in den deutschsprachigen Ländern auch kom- plementärmedizinische Therapiesysteme zur Anwendung wie die anthroposophi- sche Medizin, die Homöopathie oder die Traditionelle Chinesische Medizin ein- schließlich Akupunktur. Diese Komple- Erhalten Patienten die Diagnose Prosta- takarzinom, so bricht meistens ihre Welt zusammen. Oft ist es die erste ernst zu nehmende Erkrankung im Leben und das erste Mal, dass der Körper „nicht funktioniert“. Zügig wird in der Regel ei- ne schulmedizinische Therapie ange- strebt, um den Tumor zu beseitigen. Vie- le der Betroffenen informieren sich aus- führlich über die Erkrankung und haben den Wunsch, die Therapie selbstbe- stimmt, aufgeklärt und mit einem ganz- heitlichen Anspruch aktiv zu begleiten. Sie möchten ihren Teil zur Genesung bei- tragen und die Therapie und ihre Neben- wirkungen positiv beeinflussen. mentärmedizinischen Verfahren sind da- bei keine Alternative zur Schulmedizin, sondern eine Ergänzung. Selbstverständ- lich sollten die ausgewählten komple- mentärmedizinischen Methoden und Prä- parate daher so eingesetzt werden, dass sie die Operation, die Strahlentherapie oder Chemotherapie in ihrer Wirksamkeit nicht beeinträchtigen, sondern unterstüt- zen und Nebenwirkungen durch die kon- ventionelle Therapie abschwächen. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Bewegung zu onkologischen Erkran- kungen ist in der Medizin allgemein aner- kannt. Die Substitution von Nahrungser- gänzungsmitteln dagegen wird kontro- vers diskutiert und rückt zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Untersu- chungen. So wurden in den vergangenen Jahren zunehmend komplementärmedizi- nische Fragestellungen in Studien unter- sucht und es können heute bereits Aussa- gen zur möglichen Wirksamkeit in der Be- handlung von Patienten mit einer Tumor- erkrankung gemacht werden. Ernährung und Mikronährstoffe Epidemiologische Untersuchungen zei- gen eine Korrelation zwischen dem Auf- treten von einzelnen Malignomen und der in den Regionen typischen Ernäh- rung. Die WHO postuliert, dass ca. 10 – 70 % aller Malignome durch Ernährungsfak- toren ausgelöst werden [2]. Tatsächlich haben große epidemiologische Untersu- chungen der 70er und 80er Jahre des letz- ten Jahrhunderts ergeben, dass Men- schen mit einem Mangel an bestimmten Vitaminen oder Spurenelementen (z.B. Vitamin C, ß-Karotin oder Selen) eine hö- here Inzidenz für bestimmte Krebser- krankungen (z.B. Magen-, Bronchial- und Prostatakarzinom) aufwiesen. Die daraufhin initiierten randomisierten In- terventionsstudien mit einzelnen, meist höher dosierten Mikronährstoffen mit dem Ziel einer Primär-, z.T. auch Tertiär- prävention führten allerdings zum größ- ten Teil zu enttäuschenden Ergebnissen [3]. Dies führte zur Schlussfolgerung, dass ein Mangel an diesen Substanzen in einem umfassenderen Zusammenhang gesehen werden muss. Eine alleinige Substitution ohne Umstellung der Ernäh- rungsgewohnheiten und weiterer Le- bensstilfaktoren ist langfristig nicht sinnvoll. Selen Ein in den letzten Jahren intensiv be- forschtes Nahrungsergänzungsmittel ist Selen. Dabei handelt es sich um ein essen- tielles Spurenelement, welches in soge- nannten Selenoproteinen eingebaut wird. Komplementärmedizinische Therapien beim Prostatakarzinom Die aktuelle Studienlage Urologie 4 4 © Jakub Jirsák – Fotolia

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In einem systematischen Review sämtli-cher Studien der Jahre 1970 bis 2009 zurAnwendungshäufigkeit zeigte sich, dassim Median zwischen 40 und 50 % der Tu-morpatienten komplementäre Therapienanwenden – häufig ohne Wissen der be-handelnden Ärzte [1]. Neben den klassi-schen Naturheilverfahren wie Ernährung,Bewegung, Entspannungsverfahren, Hyd-ro- und Thermotherapie, Ordnungsthera-pie und Phytotherapie kommen in dendeutschsprachigen Ländern auch kom-plementärmedizinische Therapiesystemezur Anwendung wie die anthroposophi-sche Medizin, die Homöopathie oder dieTraditionelle Chinesische Medizin ein-schließlich Akupunktur. Diese Komple-

Erhalten Patienten die Diagnose Prosta-takarzinom, so bricht meistens ihre Weltzusammen. Oft ist es die erste ernst zunehmende Erkrankung im Leben unddas erste Mal, dass der Körper „nichtfunktioniert“. Zügig wird in der Regel ei-ne schulmedizinische Therapie ange-strebt, um den Tumor zu beseitigen. Vie-le der Betroffenen informieren sich aus-führlich über die Erkrankung und habenden Wunsch, die Therapie selbstbe-stimmt, aufgeklärt und mit einem ganz-heitlichen Anspruch aktiv zu begleiten.Sie möchten ihren Teil zur Genesung bei-tragen und die Therapie und ihre Neben-wirkungen positiv beeinflussen.

mentärmedizinischen Verfahren sind da-bei keine Alternative zur Schulmedizin,sondern eine Ergänzung. Selbstverständ-lich sollten die ausgewählten komple-mentärmedizinischen Methoden und Prä-parate daher so eingesetzt werden, dasssie die Operation, die Strahlentherapieoder Chemotherapie in ihrer Wirksamkeitnicht beeinträchtigen, sondern unterstüt-zen und Nebenwirkungen durch die kon-ventionelle Therapie abschwächen.

Der Zusammenhang zwischen Ernährungund Bewegung zu onkologischen Erkran-kungen ist in der Medizin allgemein aner-kannt. Die Substitution von Nahrungser-gänzungsmitteln dagegen wird kontro-vers diskutiert und rückt zunehmend inden Fokus wissenschaftlicher Untersu-chungen. So wurden in den vergangenenJahren zunehmend komplementärmedizi-nische Fragestellungen in Studien unter-sucht und es können heute bereits Aussa-gen zur möglichen Wirksamkeit in der Be-handlung von Patienten mit einer Tumor-erkrankung gemacht werden.

Ernährung undMikronährstoffeEpidemiologische Untersuchungen zei-gen eine Korrelation zwischen dem Auf-treten von einzelnen Malignomen und

der in den Regionen typischen Ernäh-rung. Die WHO postuliert, dass ca. 10 – 70% aller Malignome durch Ernährungsfak-toren ausgelöst werden [2]. Tatsächlichhaben große epidemiologische Untersu-chungen der 70er und 80er Jahre des letz-ten Jahrhunderts ergeben, dass Men-schen mit einem Mangel an bestimmtenVitaminen oder Spurenelementen (z.B.Vitamin C, ß-Karotin oder Selen) eine hö-here Inzidenz für bestimmte Krebser-krankungen (z.B. Magen-, Bronchial-und Prostatakarzinom) aufwiesen. Diedaraufhin initiierten randomisierten In-terventionsstudien mit einzelnen, meisthöher dosierten Mikronährstoffen mitdem Ziel einer Primär-, z.T. auch Tertiär-prävention führten allerdings zum größ-ten Teil zu enttäuschenden Ergebnissen[3]. Dies führte zur Schlussfolgerung,dass ein Mangel an diesen Substanzen ineinem umfassenderen Zusammenhanggesehen werden muss. Eine alleinigeSubstitution ohne Umstellung der Ernäh-rungsgewohnheiten und weiterer Le-bensstilfaktoren ist langfristig nichtsinnvoll.

SelenEin in den letzten Jahren intensiv be-forschtes Nahrungsergänzungsmittel istSelen. Dabei handelt es sich um ein essen-tielles Spurenelement, welches in soge-nannten Selenoproteinen eingebaut wird.

KomplementärmedizinischeTherapien beim ProstatakarzinomDie aktuelle Studienlage

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Die wichtigsten sind die Glutathionper-oxidasen, die freie Radikale neutralisie-ren und so Zellen und Zellmembranenschützen. Selenoproteine sind in Prosta-ta, Hoden und Spermien angereichert.Frühere epidemiologische Untersuchun-gen zeigten erniedrigte prädiagnostischeSelenspiegel bei Prostatakarzinomen undgastrointestinalen Tumoren [4].

Im Rahmen der sogenannten SELECT-Studie (Selenium and Vitamin E CancerPrevention Trial) wurde der primärprä-ventive Effekt einer Einnahme von 200 µgSelenmethionin und/oder Vitamin E ge-genüber Placebo an 35.000 Männern aufdas Auftreten eines Prostatakarzinomsuntersucht. Die Hinweise auf eine dies-bezügliche Wirksamkeit aus Vorstudienkonnte nicht bestätigt werden. Das Ge-genteil war der Fall, denn unter hochdo-sierter Einnahme von 400 IU α-Tocophe-rol erhöhte sich die Inzidenz signifikant,während unter Selen kein Unterschiedgegenüber Placebo festgestellt wurde.Kontrollen des Serumspiegels ergabenjedoch, dass diese nicht unter Selenman-gel gelitten hatten, sondern, bereits vorSubstitution hochnormale bis erhöhteSelenwerte aufgewiesen hatten und so-mit Selen möglicherweise überdosiertwurde. Verschiedene epidemiologischeStudien sprechen dafür, dass Selenman-gel das Auftreten von Prostatakarzino-men begünstigt [5].

Der deutschsprachige Raum gilt als partiel-les Selenmangelgebiet. Daraus ergibt sichdie eigentlich interessante Frage, ob Selen-Substitution bei bestehendem Selenman-gel einen präventiven Effekt auf das Prosta-takarzinom haben könnte. Diese Fragewurde jedoch nicht mit der beschriebenen,sehr aufwändigen Studie untersucht [6].

Aber nicht nur in der Primärpräventionspielt die Versorgung mit Mikronährstoffeneine wichtige Rolle. Sowohl tumor- alsauch therapiebedingt scheinen höhereMengen erforderlich zu sein, weshalb beiTumorpatienten die Versorgung meistschon vor der Therapie im unteren Bereichdes üblicherweise notwendigen liegt. Sowird bei erniedrigten Werten zur adjuvan-ten Therapie unter laufender Chemothera-pie oder Strahlentherapie eine Selensubs-titution empfohlen. Dies ist sinnvoll, da dieSelenwerte durch Radikalbildung unterder Therapie weiter reduziert werden [7].

Vitamin DAuch bei anderen Mikronährstoffenscheint es von Bedeutung zu sein, vor ei-ner etwaigen Substitution zu eruieren,ob der jeweilige Patient überhaupt an ei-nem Mangel leidet. So konnten Zusam-menhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und dem vermehrten Auftre-ten von Prostatakarzinomen in den nörd-lichen Gebieten mit geringer UV-Strah-lung beobachtet werden [8].

Die in vitro und in Tierversuchen nachge-wiesenen antitumorösen Wirkungenkonnten nur zum Teil in Fall-Kontroll-Studien nachgewiesen und eine Meta-analyse konnte keinen Zusammenhangzwischen den Vitamin-D-Serumspiegelund der Prostatakarzinominzidenz zei-gen [9]. Andererseits erhöht sich bei be-stehendem Mangel u.a. das Risiko für dasAuftreten aggressiver Prostatakarzino-me, weshalb in dieser Situation auch ausonkologischer Sicht eine Substitution alssinnvoll erachtet werden kann [10].

LykopinDas Carotinoid Lykopin gehört zu denpflanzlichen gelben und roten Farbstof-

Als roter Farbstoff kommt das Carotinoid Lykopinin Wassermelonen, Guaven, der roten Grapefruitund in höchster Konzentration in Tomatenproduk-ten vor. Es sorgt dafür, dass aggressive Tumoreweniger wahrscheinlich werden.

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fen. Als roter Farbstoff in Wassermelo-nen, Guaven, der roten Grapefruit und inhöchster Konzentration in Tomatenpro-dukten wirkt es antioxidativ und schütztdie DNA vor Radikalen. Auch bei diesemBeispiel übertrifft der Effekt des lykopin-reichen Nahrungsmittels den des isolier-ten Extrakts. So führte beim Prostatakar-zinom eine lykopinreiche Nahrung durchinsbesondere Tomatenprodukte zu einergeringeren Entwicklung von aggressiven

Tumoren [11]. Dies konnte durch mehrereklinische Studien und tierexperimentelleVersuche bestätigt werden.

Lebensstil

Während die alleinige Einnahme einzel-ner isolierter Mikronährstoffe unabhän-gig von der Ernährung sich nicht als prä-ventiv erweisen konnte, ist der Einflussdes Faktors „Ernährung“ als Ganzes aufdie Ätiologie von Tumoren wissenschaft-lich belegt.Das American Institute for Cancer Re-search und der World Cancer ResearchFund (WCRF) erstellten 2014 eine Aus-wertung der bis dahin vorliegenden Stu-dien zum Zusammenhang von Ernäh-rung, anderen Lebensstilfaktoren undKrebsinzidenz zusammen. Das Ergebniswar, dass der Entstehung von rund 30 –40 % aller Tumore durch eine entspre-chende Diät, ausreichende körperlicheBewegung und Reduktion des Körperge-wichtes vorgebeugt werden könnte. Inseinem abschließenden Report veröf-fentlichte der WCRF allgemeine Empfeh-lungen zur Prävention von Tumorerkran-kungen (►Tab. 1) [12].

Pflanzliche Nahrungs-ergänzungen

Grüner TeeDer grüne Tee enthält aufgrund seinerHerstellung hohe Anteile an Polyphen-olen mit antioxidativen Eigenschaften.Im Vordergrund stehen dabei die Katechi-ne, deren Hauptvertreter das Epigalloca-techin-3-Gallat (EGCG) ist. In vitro und imTiermodell konnten verschiedene antitu-moröse Wirkungen wie Wachstumshem-

mung, Apoptoseinduktion, Hemmungder Angiogenese und Verringerung desTumorvolumens bewirkt werden [14, 15].Verschiedene epidemiologische Studienkonnten einen Effekt in der Primärprä-vention zeigen. Dabei war der Effekt zumTeil nur bei einer größeren Menge an grü-nem Tee nachweisbar [16, 17, 18].

Dass der phytotherapeutische Einsatzvon starken antioxidativen Mitteln untereiner Therapie nicht unbedenklich ist,die gerade durch die Bildung von Sauer-stoffradikalen wirkt, zeigte eine In-vitro-Studie an Prostatazellkulturen. Es konn-te gezeigt werden, dass der Effekt der Be-strahlung der Zellen unter Grünteeein-nahme reduziert wurde [19].

GranatapfelWeitere viel versprechende Untersu-chungen zur antitumorösen Wirkungwurden am Granatapfel bzw. seines Ex-trakts durchgeführt. Der Granatapfelex-trakt enthält viele hochaktive Polyphe-nole, deren Hauptvertreter die Ellagsäu-re ist. Diese scheint, neben noch enthal-tenen Flavonoiden wie Anthocyanen undQuercetinen, die Hauptwirkung auf Pros-tatakarzinomzellen zu haben. In einemTiermodell konnte die Wirksamkeitdurch Induktion der Apoptose und da-durch eine verminderte Progression derTumore nachgewiesen werden [20].

Auch klinisch konnte eine Wirksamkeitan Patienten mit einem PSA-Progressnach Primärbehandlung ihres Prostata-karzinoms gezeigt werden. Nach tägli-cher Einnahme von 240 ml Granatapfel-saft mit einem Gehalt von 570 mg Poly-phenolen verlängerte sich die PSA-Ver-dopplungszeit signifikant von 15 auf 54Monate [21]. Eine randomisierte Folge-studie konnte diesen Effekt, wenn auchnicht so eindrucksvoll, bestätigen. Bei104 Patienten in vergleichbarer Situationstieg die PSA-Verdopplungszeit nach Ein-nahme von je 1 oder 3 g Granatapfel-Ex-trakt (entsprechend einem Polyphenol-gehalt von 1000 mg bzw. 3000 mg) signi-fikant an, wobei die höhere Dosierungkeinen zusätzlichen Effekt hatte [22].

Auch wenn dies durchaus vielverspre-chende Ergebnisse sind, müssen weiterekontrollierte Studien folgen, um den klini-schen Stellenwert eindeutiger bewerten zukönnen. Bei einem Einsatz komplementä-rer Therapiemaßnahmen bei Slow-rising-PSA ist in jedem Falle zu bedenken, dassdas Fenster für einen optimalen Therapie-erfolg der hier indizierten sekundär kura-tiven Strahlentherapie bei einem PSA-Wertvon 0.5 bis maximal 1.0 ng/ml liegt.

KombinationenVerschiedene Studien lassen auch ver-muten, dass nicht Einzelfaktoren alleine,sondern das Zusammenspiel von mehre-

Allgemeine Empfehlungen desWCRF zur Prävention von Tumor-erkrankungen* Normalisierung des Körperge-

wichtes (BMI <25)* Tägliche körperliche Bewegung

von mind. 30 Minuten* Vermeidung von hochkalori-

schen, fettreichen und zuckerhal-tigen Lebensmitteln

* Steigerung der Aufnahme pflanz-licher Nahrungsmittel (5 Portio-nen pro Tag)

* Reduktion von rotem und verar-beitetem Fleisch (maximal 500 gpro Woche)

* Reduktion des Alkoholkonsums* Vermeidung von konservierten

Lebensmitteln und Salz* Nahrungsergänzungsmittel un-

nötig bei vollwertiger Kost

Dass die Einhaltung der oben ge-nannten Empfehlungen sich positivauf die Erkrankung des Prostata-karzinoms auswirken kann, zeigteeine Untersuchung, die eine signifi-kante Reduktion von aggressiverenTumoren zeigte [13].

Eine Veränderung des Lebensstils mit mehr Bewegung, einer gesunden Ernährung und Anwendungen der Mind-Body-Medizin kann die Entstehung von Tumoren nachweislich verhindern.

Tabelle 1: Allgemeine Empfehlungen des WCRF zurPrävention von Tumorerkrankungen.

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ren Verfahren oder Substanzen wirksa-mer sind. So zeigte eine Interventionsstu-die mit Änderungen der Lebensstilfakto-ren bei Patienten mit einem früh lokali-sierten Prostatakarzinom einen leichtenPSA-Abfall, während die Kontrollgruppein der aktiven Überwachung einen leich-ten Anstieg zeigte. Zur Lebensstilverän-derung gehörte eine vegane Kost, dieStressreduktion mit Hilfe von Meditati-ons- und Entspannungstechniken sowieeine Substitution der Vitamine C und E,dem Spurenelement Selen und Fischöl[23]. Eine phytotherapeutische Kombina-tion aus Curcuma, Grünteeextrakt, Brok-koli und Granatapfel konnte den PSA-Ver-lauf von Patienten mit einem PSA-Rezidiv

nach primärer Therapie signifikant posi-tiv beeinflussen [24].

Lavendelöl & JohanniskrautextraktWeitere Indikationen für die Phytothera-pie liegen in der begleitenden Behandlungvon Tumorpatienten. Dabei können Ängs-te und/oder Depressionen unterstützendz.B. mit Lavendelöl (Lavandula angustifo-lia) oder Johanniskrautextrakt (Hyper-icum perforatum) behandelt werden. Da-bei muss jedoch die Interaktion des Johan-niskrauts mit vielen anderen Medikamen-ten bedacht und abgeklärt werden.

Traubensilberkerze & SalbeiblätterHitzewallungen als typische Nebenwir-kung der antihormonellen Therapie beimProstatakarzinom werden in der Erfah-rungsheilkunde häufig mit Extrakten ausdem Cimicifugawurzelstock (Traubensil-berkerze) und Salbeiblättern (Salvia offi-cinalis) behandelt. Klinische Forschungs-daten hierzu stehen jedoch noch aus.

MistelDie im deutschen Sprachraum am häu-figsten von Patienten mit Tumorerkran-kungen eingesetzte Heilpflanze ist dieMistel (Viscum album). Mistelextrakt wirdals Injektionspräparat i.d.R. ergänzendzur konventionellen Therapie zwei- bisdreimal wöchentlich subkutan injiziert.Die Hauptindikation der Mistel in derkomplementären Krebstherapie ist aber

die Begleitbehandlung zur konventionel-len Therapie mit dem Ziel, hierdurch eineVerbesserung ihrer Verträglichkeit, eineMinderung ihrer Nebenwirkungen und ei-ne Optimierung der Lebensqualität derPatienten erreichen zu können. Einem Re-view der Cochrane Collaboration zur Mis-teltherapie zufolge konnte dies in derMehrzahl der hierzu durchgeführten The-rapiestudien zumindest in Teilbereichenerzielt werden. Es werden aber methodo-logische Schwächen in einem Großteil derStudien bemängelt [25] und es sollte be-dacht werden, dass der Großteil der Studi-en an nicht-urologischen Tumorpatientendurchgeführt wurden. Auch wenn die Mis-teltherapie weiterhin Gegenstand kontro-verser Diskussionen in der Onkologie ist,gehört sie zu den wenigen Ausnahmen inder Komplementärmedizin, für die zu-mindest in der palliativen Therapiesitua-tion eine Erstattungsfähigkeit in der ge-setzlichen Krankenversicherung besteht.

Akupunktur

Große Akupunkturstudien in Deutsch-land, wie z.B. die GERAC-Studie konntendie klinische Wirksamkeit bei Schmerzendurch Gonarthrose und Lumbalsyndromnachweisen [26]. Zudem wurde 2003 eineIndikationsliste für Akupunktur von derWHO veröffentlicht, die die Indikationzur Behandlung von Patienten mit Tu-

Granatapfelextrakte weisen eine antitumoröse Wir-kung auf. © yurakp – Fotolia

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morerkrankungen zur Reduktion vonTherapienebenwirkungen bei Strahlen-und Chemotherapie sowie Tumor-schmerzen beinhaltet [27].

In kleineren Beobachtungsstudien erga-ben sich darüber hinaus Hinweise auf dieReduktion von chemotherapieinduzier-ter Fatigue und die mit der Behandlungdes fortgeschrittenen Prostatakarzinomsmit Hormonen einhergehenden Hitze-wallungen [28, 29].

Mind-Body-Medicine

Die Therapieverfahren, die der sogenann-ten Mind-Body-Medicine zugerechnetwerden, beinhalten verschiedene Metho-den wie z.B. Yoga, Tai Chi, Qigong, Auto-genes Training, Hypnose und Meditation.Zudem gibt es weitere gruppentherapeu-tische Programme, die mehrere dieserVerfahren miteinander kombinieren undauch naturheilkundliche Selbsthilfestra-tegien integrieren können.

Ein besonders intensiv beforschtes Bei-spiel hierfür ist die Mindfulness BasedStress Reduction (MBSR, Achtsamkeitsba-sierte Stressreduktion), dessen zugrunde-liegendes Konzept von Jon Kabat-Zinn ent-wickelt wurde. Hierbei werden die Teil-nehmer in einem acht- bis zehnwöchigenGruppenprogramm zu Maßnahmen derStressreduktion wie Meditation, BodyScan, Yoga und kognitiver Umstrukturie-rung geschult sowie zur Optimierung vonErnährung und Bewegung angeleitet. Ne-ben den in wöchentlichen Abständenstattfindenden Gruppensitzungen wen-den die Teilnehmer das Erlernte an denweiteren 6 Wochentagen regelmäßig inÜbungen zu Hause an. Dass diese Pro-gramme die Faktoren Lebensqualität,Stress und das Stimmungsbild positiv be-einflussen können, konnte in einer Meta-analyse der bislang durchgeführten Studi-en gezeigt werden. Der Großteil dieser Stu-dien wurde v.a. mit Brustkrebspatientin-nen durchgeführt, ein Teil der teilneh-menden Patienten war aber auch an einemProstatakarzinom erkrankt [30].

Fazit

Viele an einem Prostatakarzinom er-krankte Patienten nutzen komplemen-tärmedizinische Therapiemaßnahmen.Die positiven Effekte lassen sich in ver-schiedenen wissenschaftlichen Studiennachweisen, dennoch ist die wissen-schaftliche Datenlage für viele Wirkstof-fe oder Verfahren noch unzureichend, dafür komplementärmedizinische bzw. na-turheilkundliche Therapieansätze häu-fig komplexe Interventionen notwendigsind und eine Verblindung oder Rando-

misierung je nach Verfahren nicht immermöglich ist. Dennoch bildet die wissen-schaftliche Evaluation der Daten eine Ba-sis in der komplementärmedizinischenBeratung, sodass diese überlegt und ge-zielt angewendet, eine sinnvolle Ergän-zung der konventionellen Behandlungdarstellen.

Dr. med. ImkeThederan

Fachärztin für Urolo-gie und Ernährungs-

medizinMartini-Klinik am

UKE GmbHMartinistraße 5220246 Hamburg

www.martini-klinik.de

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