Kongressdokumentation - DOSB

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Kongressdokumentation

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Kongressdokumentation

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Der Sport nimmt eine Facette der Integrationsarbeit in den Blick, der neben den Kernbereichen Sprache und Arbeit von großer Be-deutung ist, und das ist der ganze Bereich der gesellschaftlichen Integration. Es geht darum, zuzu-hören, auf einander zuzugehen, miteinander zu reden – letztlich darum, Beziehungen und Freund-schaften von Zugewanderten und Einhei mischen zu befördern und damit die soziale Isolation aufzubrechen.

Hinter uns liegen bewegte Zeiten. Dabei ist „Integration durch Sport“das beständigste und erfolgreichste Programm in unserem Portfolio. Viele haben geredet, wir haben gemacht. Und der Sport hat sich in bewegten Zeiten als agiler Integrations akteur bewiesen.

Man muss besser verständlich machen, wie ein Verein funktio-niert: Welche Aufgaben erfüllt er, und wie begeistert man Menschen dafür, im Ehrenamt soziale Ver-antwortung zu übernehmen? Am Ende aber gilt: Trotz aller Erfolge bei der Integration darf man den Sport und seine Menschen nicht überfordern.

INTEGRATION DURCH SPORTPerspektiven der sportbezogenen Integration Kongressdokumentation vom 17. November 2017 im Haus des Sports, Frankfurt

Man darf das Kongressthema durchaus wörtlich nehmen, das war „In-tegration durch Sport“, als sich mitten im November tief im Frankfurter Stadtwald beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) rund 140 Vertreterinnen und Vertreter trafen aus ganz Deutschland und aus allen möglichen Landessport- und Spitzensportverbänden, Vereinen und sozia-len Organisationen. Ihr Anliegen? Über die Bedingungen erfolgreicher Inte-gration in und durch den Sport zu diskutieren. Ihr Ziel: durch regelmäßige und kritische Reflexion des eigenen Handelns auch auf Dauer erfolgreich integrativ wirken zu können.

Diese Dokumentation gibt einen atmosphärischen Überblick über den Kon-gress unter dem Titel „Integration durch Sport – Perspektiven der sportbe-zogenen Integrationsarbeit“. Und sie liefert einen Einblick in einige wichtige Ergebnisse der Veranstaltung sowie Verweise auf einzelne Vorträge. Ver-anstalter des Kongresses war der DOSB in Kooperation mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Humboldt-Universität zu Berlin.

Zur Eröffnung sprachen Dr. Karin Fehres, DOSB-Vorstand Sportentwick-lung, Martin Lauterbach vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Heike Kübler, Leiterin des Bundesprogramms beim DOSB. Die Grundlage für weitere Diskussionen lieferten die empirischen Untersu-chungsergebnisse zu „Integration durch Sport“, die Prof. Sebastian Braun von der Humboldt-Universität vorstellte. Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) sorgt seit vier Jahren für die wissenschaftliche Begleitung des Bundesprogramms.

Besprochen wurden die Ergebnisse aus vier Jahren empirischer Forschungs-begleitung in einem sogenannten World Café, einer Workshop-Methode aus den USA für größere Gruppen; ein „Reflecting-Team“ fasste die Diskussi-on anschließend zusammen. Ihm gehörten neben Cacau, dem 23-maligen deutschen Fußballnationalspieler und aktuellen DFB-Integrationsbeauf-tragten noch Prof. Sebastian Braun, Dr. Karin Fehres, Iris Escherle vom BAMF und DOSB-Vorstand Jugendsport Martin Schönwandt an.

I.Den Weg in die Veranstaltung wiesen Martin Lauterbach Gruppenleiter beim BAMF, DOSB-Vorstand Sport entwicklung Dr. Karin Fehres und die Bundesprogrammleiterin Heike Kübler:

Matin Lauterbach

Heike Kübler

Dr. Katrin Fehres

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II. DREI FRAGEN AN CACAUSie sind seit rund einem Jahr als DFB-Integrationsbeauftragter unterwegs und konzentrieren sich in Ihrer Tätigkeit vor allem auf die Ehrenamtlichen. Warum?

Man kann es nicht oft genug betonen: Ohne Ehrenamt funktioniert Integration nicht. Aber es wird immer schwieriger für die Vereine, entspre-chenden Nachwuchs zu finden. Deshalb müssen wir diese Menschen, dieses Amt stärken, auch von den Arbeitgebern muss mehr Anerkennung und Un-terstützung erfolgen. Das sind die Punkte, an denen unsere Überlegungen ansetzen. Wichtig ist zudem, mehr Menschen mit Migrationsgeschichte fürs Ehrenamt zu gewinnen. Da ist noch viel Luft nach oben.

Haben Sie ein Ziel, dass Sie mit Ihrem Engagement erreichen wollen?

Das ist schwierig, aber mir wird immer wieder eine Frage gestellt: Ab wann braucht man keinen Integrationsbeauftragten mehr?

Und?

Das weiß ich nicht, aber ich denke, wenn sich die Gesellschaft ein bisschen mehr vom Sport abschauen würde, hätte sie viel gewonnen. Die Menschen werden hier nicht nach Hautfarbe oder Religion bewertet. Da ist der Sport der Gesellschaft voraus.

„Der Fußball kann so viel mehr als Stadien füllen, für tolle TV-Quoten sorgen oder Titel ge-winnen. In meinen Jahren als Profi habe ich das soziale Engagement an der Basis des Fußballs überhaupt nicht mitbekommen. Jetzt bin ich beeindruckt. “

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„Die außergewöhnliche Vielfalt der Ansätze, das hat mich ermutigt. Wir halten uns in Frankfurt für den Nabel der Welt, aber das ist angesichts der Vielfalt und der Netzwerke natürlich überzogen. Doch das Thema ‚Sport und Integration‘ muss weiter vorangetrieben werden. Dafür brauchen wir Zeit, um über die Zukunft nachzudenken.“

STIMMEN

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IM DIALOGSeit vier Jahren begleitet die Humboldt-Universität zu Berlin das Bundesprogramm „Integration durch Sport“. In dieser Zeit hat Prof. Sebastian Braun mit seinem Team im BIM und in der Sportsoziologie am sportwis-senschaftlichen Institut rund 10.000 Fragebögen aus-gewertet, die von rund 4.000 Organisationen und etwa 6.000 freiwillig Engagierten stammen. Für das Jahr 2016 fußen die empirischen Analysen auf den Daten von 597 teilnehmenden Stützpunktvereinen und 2.375 freiwillig Engagierten.

Die wissenschaftliche Auswertung des Bundespro-gramms „Integration durch Sport“ spielt in mehrfacher Hinsicht eine große Rolle. Vor allem aber geht es darum, dem tatsächlichen Integrationspotenzial des Sports nachzuspüren, also der Frage, wie Rahmen-bedingungen geschaffen werden können, damit eine Integration nicht nur in den Sport, sondern auch durch den Sport in die Gesellschaft glücken kann.

Es geht mithin um die Frage, wie der organisierte Sport mit seinen 28 Millionen Mitgliedschaften in etwa 91.000 Sportvereinen der eigenen wie der politischen Erwartungshaltung in Bezug auf die soziale Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gerecht wer-den kann. Dazu konnte Prof. Braun auf dem Kongress interessante Ergebnisse vorstellen.

Ein kurzes Interview in vier Teilen.

III.Im Folgenden wird das Bundesprogramm anhand von beispielhaften Untersuchungs ergebnissen der Hum-boldt-Universität zu Berlin wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Ergänzt ist die Analyse durch einige Fragen an Prof. Sebastian Braun.

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bis 100 Mitglieder 101 bis 250 Mitglieder 251 bis 1.000 Mitglieder über 1.000 Mitglieder

2013

2014

2015

2016

Größe der IdS-geförderten Stützpunktvereine 2013, 2014, 2015 und 2016.

Basis: Stichprobe 1: Stützpunktvereine. Angaben in Prozent.

Mehr Informationen dazu im Vortrag von Prof. Braun, siehe ➔ hier

19,018,3

19,218,6

22,2 22,4 22,623,2

28,127,6

30,529,0

30,731,7

29,2

27,7

IdS-geförderte Stützpunktvereine

Gibt es bedeutende Unterschiede zwischen den Stützpunktvereinen?

Bei der Betrachtung sticht eins sofort ins Auge: Großvereine sind im Ver-gleich zur Sportvereinslandschaft in Deutschland überrepräsentiert. Ein Viertel bis ein Drittel aller IdS-geförderten Vereine der vergangenen vier Jahre zählt mehr als 1000 Mitglieder. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil der Großvereine laut letztem Sportentwicklungsbericht im Bundesdurch-schnitt nur fünf Prozent. Nach wie vor ist Deutschland durch eine kleine Ver-einslandschaft geprägt, im Osten des Landes noch mehr als im Westen.

Was sind die Gründe für das Übergewicht der Großen?

Großvereine sind in der Regel einfach besser ausgestattet, haben zum Beispiel auch hauptamtliches Personal. So können sie den administrativen und projektbezogenen Anforderungen an staatliche und verbandliche För-derprogramme leichter gerecht werden.

WER IST STÜTZ PUNKT VEREIN?

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Häufigkeit geselliger Aktivitäten in den Stützpunktvereinen im Jahr 2013 und 2016. Basis: Stichprobe 2: ÜL in SPV. Angaben in Prozent.

Mehr Informationen dazu im Vortrag von Prof. Braun, siehe ➔ hier

Häufigkeit geselliger Aktivitäten in den Stützpunktvereinen im Jahr 2013 und 2016

2013

2016

2013

2016

2013

2016

2013

2016

53,8

48,7

58,3

47,2

18,7

19,5

11,9

8,1

38,3

43,7

31,4

38,3

52,9

44,3

41,1

40,2

7,9

7,6

10,3

14,5

28,4

36,1

47,0

51,7

Zusammensitzen vor/nach dem Sportreiben

Vereinsfeste

Gemeinsame Ausflüge

Geburtstagsfeiern

regelmäßig gelegentlich gar nicht

Im Bundesprogramm spielen integrative Sportgruppen eine zentrale Rolle. Was zeichnet sie aus?

Neben niederschwelligen, breitensportlich ausgerichteten Sportangeboten bieten integrative Sportgruppen Gelegenheitsstrukturen für das Zusam-mensein vor oder nach dem Sport oder bei Vereinsfesten und damit die Möglichkeit, soziale Beziehungen anzubahnen und auszubauen. Befördert werden solche Interaktionen natürlich immer auch durch günstige Rah-menbedingungen, etwa passende Vereinsräumlichkeiten und eine gute Sportstätteninfrastruktur.

Es scheint aber noch mehr zu geben als Sport und Geselligkeit.

Natürlich. Rund 95 Prozent aller Stützpunktvereine haben ein breites Angebot jenseits des Sports: etwa Ausbildungs-, Praktikums- und Arbeits-platzsuche, Hausaufgabenhilfe, Begleitung bei Arztbesuchen, Fahrdienste, Sprachförderungen und Patenschaften. Rund ein Drittel der Vereine bieten zwischen sieben und neun solcher Angebote. Zu weiteren Maßnahmen gehören gesonderte Mitgliedsbeiträge, Kooperationen mit Städten und Kommunen oder anderen Sportorganisationen. Sehr viele Stützpunkt-vereine schaffen also offenbar Strukturen, die grundsätzlich geeignet sind, Integration durch Sport zu befördern. Oder konkreter: Menschen im sozialen Umfeld des Vereins Fähigkeiten und Orientierungen zu vermitteln, die ihnen auch außerhalb der Turnhalle weiterhelfen. Ich sage das allerdings mit Vorsicht. Ob das tatsächlich so ist, können wir anhand unserer Daten nicht überprüfen.

WAS MACHEN STÜTZ PUNKT­VEREINE?

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Durchschnittlicher Anteil an Mitgliedern mit Migrationshintergrund im Jahr

2013, 2014, 2015 und 2016. Basis: Stichprobe 3: Längsschnitt SPV. Angaben in

Prozent. Mehr Informationen dazu im Vortrag von Prof. Braun, siehe ➔ hier

Durchschnittlicher Anteil der Mitglieder mit Migrationshintergrund

2013 2014 2015 2016

29,0 29,530,9 31,9

Wie hoch ist in Stützpunktvereinen der Anteil an Mit-gliedern mit Migrationshintergrund?

Unsere Datenauswertungen haben ergeben, dass er bei ungefähr 30 Prozent liegt. Damit ist der Anteil etwa fünfmal höher als in der Sportvereinslandschaft insgesamt, der laut Sportentwicklungsbericht 2013/14 bei rund sechs Prozent lag. Selbst unter Berücksich-tigung der Tatsache, dass für das Bundesprogramm Vereine ausgewählt werden, die entweder über einen hohen Anteil an Mitgliedern mit Migrationshintergrund verfügen oder in entsprechenden sozial strukturierten Gegenden zu finden sind, scheint es den Stützpunkt-vereinen gut zu gelingen, ihre maßgebliche Zielgruppe anzusprechen.

Wie verhält es sich mit den Migrantensportvereinen?

Im vergangen Jahr hatten in fast jedem fünften ge-förderten Stützpunktverein mehr als 75 Prozent der Mitglieder einen Migrationshintergrund. Dieser Anteil ist gegenüber 2015 deutlich gestiegen.

WER IST IN STÜTZ PUNKT­VEREINEN?

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Anteil der IdS-Stützpunktvereine 2016 mit mindestens einer Person mit Migrationshintergrund in ehren-

amtlicher Position im Vergleich zu Breuer & Feiler (2015, S. 33). Basis: Stichprobe 1: Stützpunktvereine.

Angaben in Prozent. Mehr Informationen dazu im Vortrag von Prof. Braun, siehe ➔ hier

Freiwillig Engagierte mit Migrationshintergrund in Stützpunktvereinen

Vorstandsebene

Ausführungsebene

gesamt

40,6

10,8

89,2

14,6

91,4

19,8

IdS 2016 SEB 2013/14

Wie ist das ehrenamtliche und freiwillige Engagement im Sport einzuordnen?

Es ist eine ganz wichtige Ressource für Vereine. Ohne die Zeit und das Wis-sen, das die Mitglieder ihrem Verein zur Verfügung stellen, wären weder der Sportbetrieb möglich noch die ganzen darüber hinausgehenden sozialen Aktivitäten, die für die Kultur eines Vereins maßgeblich sind.

Und wie hoch liegt der Anteil der engagierten Mitglieder mit Migrationshintergrund?

Analog zum Mitgliederanteil ist ihr freiwilliges und ehrenamtliches En-gagement in den Stützpunktvereinen relativ hoch. In den untersuchten Jahren variierte der Mitgliederanteil zwischen einem Viertel im Jahr 2014 und etwa 31 Prozent zwei Jahre später. Im Übrigen zeigt sich, dass sich in rund 90 Prozent der Stützpunktvereine Menschen mit Migrationshinter-grund ehrenamtlich engagieren, zumeist als Übungsleiterinnen und -leiter. In 40 Prozent der Vereine sind sie in Vorstandsämtern tätig.

Die Zahlen scheinen zu belegen, dass Stützpunktvereine besonders erfolgreich darin sind, Menschen mit Migrationsgeschichte für das ehrenamtliche Engage-ment zu gewinnen. Woran liegt das nach Ihrer Einschätzung?

Anhand der Daten können wir zumindest erkennen, dass die IdS-Stütz-punktvereine in hohem Maße versuchen, Personen mit Migrationshin-tergrund für ein Engagement im Verein zu gewinnen, um zum Beispiel Übungsleiterin oder -leiter zu werden. Interkulturelle Öffnungsprozesse scheinen sich, durchaus typisch für Vereine, besonders auch über die per-sönliche Ebene zu vollziehen.

WER LEISTET DIE ARBEIT IN STÜTZ PUNKT­VEREINEN?

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STIMMEN

„Es ist alles gut, was wir tun, aber ich

habe immer stärker den Eindruck, dass

der Sport ein Auffangbecken für Men-

schen mit Fluchthintergrund ist. Wir

müssen aber bedenken, dass Integration

nicht auf dem Sportplatz aufhört,

sondern dass sie nur funktioniert, wenn

die Menschen letztlich auch in unsere

Arbeits- und Regelsysteme kommen.“

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INTEGRATION UND SPORT – EINE BESTANDS­AUFNAHMEDrei zentrale Fragen zum Thema „Integration durch Sport“ standen im Mittelpunkt der Diskussionen. Sie wurden in kleinen Gruppen im sogenannten „World Café“ be arbeitet und anschließend im „Reflecting-Team“ vom DFB-Integrationsbeauftragten Cacau, den DOSB- Vorständen Dr. Karin Fehres (Sportentwicklung) und Martin Schönwandt (Jugend sport), Prof. Sebastian Braun von der Humboldt- Universität und Iris Escherle vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf großer Bühne noch einmal persönlich bewertet. Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte der Diskussionen zusammen gefasst und die Kern aussagen in Zitaten aufgeführt.

IV.

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Die Sicht des PlenumsMehr Netzwerke

Ein wichtiger Aspekt, der immer wieder auftaucht: Netzwerke bilden ist essenziell. Es lastet auf wenigen Schultern eine immense Arbeit und Ver-antwortung und die Frage ist: „Wie bekommen wir das verteilt?“

Die Learnings? Persönliche Kontakte nutzen, Eltern nutzen! Um das Engagement in seinem persönlichen Umfeld zu koordinieren, braucht es Ansprechpartner und Strukturen.

Weiterer wichtiger Aspekt: die Kommunikation in den Verein hinein, Werte vermitteln. Dafür braucht es Zeit, Geduld, Vertrauen und Toleranz. Es gilt, Schritt für Schritt, Bürokratiehürden abzubauen. Aber es geht auch um die Kommunikation mit den Menschen mit Migrationshintergrund, Stichwort: „Interkulturelle Kompetenz“. Für dieses Thema müssen wir Ansprechpartner im Verein gewinnen und sie qualifizieren.

Fra

ge 1

3 Cacau

„Letztlich ist der persönliche Kontakt wichtig, man muss auf Menschen zugehen. Man fühlt sich fremd, wenn man in ein neues Land kommt, traut sich nicht, auf andere zuzugehen. Vorurteile abbauen. Viele Menschen, die nach Deutsch-land kommen, leiden an einem Fluchttrauma. In dieser Situation aufeinander zuzugehen, kann Brücken bauen.“

1 Martin Schönwandt

„Vor dem Hintergrund der sozialen Veränderungen reden zu wenige über den Verein. Hier werden Werte vermittelt, die in vielen Bereichen der Gesellschaft von Bedeutung sind. Aus meiner Sicht fehlt dafür die angemessene Wertschätzung.“

„Die Vielfalt, die im ‚System Sport‘ zusammenkommt, ist enorm. Aus der Erfahrung im Umgang mit Vielfalt ist zugleich eine Stärke erwachsen, sich auf verschiedene Situationen einzulassen.“

2 Prof. Sebastian Braun

„Es geht hier um Begriffe, die auch öffentlich wieder intensiv diskutiert werden: etwa verlässliche soziale Beziehungen aufbauen, Normen der Gegenseitigkeit pflegen, sich Zeit nehmen gerade auch für geselli-ge Interaktionen. Das Wissen, dass verlässliche Personen als Ansprech-partner zur Verfügung stehen, die mir auch in außersportlichen Fra gen weiterhelfen. Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Put-nam hat die Vielzahl der Vereine auf lokaler Ebene als Quelle be-schrieben, die zum ,Sozialkapital‘ der Gesellschaft substanziell beiträgt.“

4 Iris Escherle

„Vieles, was in der Gesellschaft passiert, basiert auf dem sozialen Miteinander und der Verein ist der Ort des sozialen Miteinanders. Der Zugang zum Arbeitsmarkt funktioniert zum Beispiel oft über informelle Wege und hier bietet der Verein die Möglichkeit, sich ein soziales Netz aufzubauen, das über den Sport hinaus trägt. Auch deswegen fördern wir das Bundes-programm seit fast 30 Jahren.“

5 Dr. Karin Fehres

„Man muss sich einmal vor Augen führen: Hier sitzen 140 Personen aus Sportvereinen und Sportorga-nisationen zusammen und spre-chen nicht über den Sport, sondern nur über seine gesellschaftlichen Aufgaben. Dabei ist doch eigentlich die wichtigste Aufgabe von Sport-vereinen, Sport zu organisieren.“

WIE GELINGT INTE GRA ­ TIONSARBEIT IM SPORT­ VEREIN UND AUS WEL CHEN FEH LERN HABEN WIR GELERNT?

1

2

3

4

5

Die Anmerkungen des Reflecting-Teams

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Die Sicht des Plenums Mehr Anerkennung

Ein zentraler Aspekt ist die finanzielle Unterstützung. Für fachliche Quali-fi kation, für Aufklärung, für Schulungen in den eigenen Vereinen. Zudem braucht es Multiplikatoren und eine bessere Anerkennung und Wertschät-zung des Ehrenamts.

Auch mehr Flexibilität in den politischen Strukturen wäre vonnöten, das wäre zum Beispiel eine Antwort auf die gestiegenen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Engagierten möchten mehr Interesse für das, was sie leisten, und mehr Konstanz in der Unterstützung. Und diese Haltung möge bitte auch vorgelebt werden.

Für die Kommunen gilt: „Sie brauchen bessere Rahmenbedingungen, Strukturen, Räume, Zeiten und Ansprechpartner, das alles ist nicht optimal gelöst. Und auch an dieser Stelle taucht die Frage nach Vernetzung auf: Woher bekommen die ehrenamtlichen Helfer ihre Informationen? Wo erfahren sie was, wie funktionieren die kommunalen Strukturen und wie kann man diese transparenter machen?

Martin Schönwandt

„Es geht darum, die eigenen Kom-petenzen besser einzubringen, also die persönliche Erfahrung darüber, wie so ein Verein funktioniert. Sich dieser Erfahrung zu vergewissern und zu lernen, sie auch gegenüber Dritten zu formulieren und als wer-tig zu vertreten.“

Prof. Sebastian Braun

„Organisationen können in Netz-werken immer auch nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben und kurzsichtig handeln. Neu ent-stehende Netzwerke in der sport-bezogenen Integrationsarbeit, an denen ja gerade auch Sport vereine und -verbände beteiligt sind, müs-sen darin unterstützt werden, trag-fähige Kooperationsbeziehungen im Interesse lang fristiger positiver Wirkungen für die Zielgruppen auszubauen. Dabei können die Sport verbände eine wichtige Scharnier- und Vermittlungs-funktion wahrnehmen.“

Dr. Karin Fehres

„Es braucht Übersetzer zwischen den ehrenamtlich geführten Ver-einen und der öffentlichen Verwal-tung. Denn in beiden werden unter-schiedliche Sprachen gesprochen und wir müssen lernen, die Sprache des jeweils anderen noch besser zu verstehen.“

Fra

ge 2 WELCHE

ERWARTUNG HABEN SIE AN DIE KOMMUNE, POLITIK UND VERBÄNDE? WELCHE UNTERSTÜTZUNG BENÖTIGEN SIE?

Die Anmerkungen des Reflecting-Teams

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Iris Escherle

„Was ich mitnehme, ist der Wunsch nach Vernetzung. Es ist wichtig, dass wir häufiger in dieser Form und Konstellation zusammen-kommen, sodass Hauptamt und Ehrenamt künftig stärker mitein-ander zusammenwachsen. Wichtig ist aber auch eine andere Seite: Das Ehrenamt muss als besonderer Träger der Integrationsarbeit besser kommuniziert und die gesellschaft-liche Kraft, die in dieser Tätigkeit liegt, stärker gewürdigt werden.“

Prof. Sebastian Braun

„Ich würde empfehlen, den Ak-zent viel stärker auf den Verein zu legen. Es gilt, diese spezielle Organisations form einschließlich der besonderen Stärken auch ge genüber den anderen Organi sa-tionen im Feld der sportbezogenen Integrationsarbeit deutlicher he-raus stellen. Dabei darf man nicht vergessen, dass es eben nicht selbst-verständlich ist, was in Vereinen über den Sport hinaus geleistet wird, zum Beispiel bei Themen wie Integration, Gesundheit oder Bildung.“

Fra

ge 3 WAS SIND DIE

DRINGLICHSTEN AUFGABEN IM VEREIN, UM INTEGRATION ZU BEFÖRDERN?

Die Sicht des PlenumsMehr Konzentration

Die Stichworte waren alle gefallen, man war sich einig: Vieles von dem, was sich künftig verbessern muss, ist bereits angelegt: vorhandene Netzwerke ausbauen und stärken, interkulturelles Verständnis weiter fördern. Auch das, was Geflüchtete an sportlichen Kompetenzen und neuen Sportarten mitbringen, gilt es, deutlicher als in der Vergangenheit zu würdigen.

Klar wurde aber auch, dass die Vereine bei allem Engagement das Kern-geschäft nicht vernachlässigen dürfen. Die Mitglieder müssen im Fokus der Vereinsarbeit bleiben, sonst verlieren die Vereine ihre Basis: Wenn Legiti-mation und Mitglieder schwinden, geht damit auch die Unterstützung ver-loren, die es dringend braucht, um integrativ erfolgreich wirken zu können.

Die Anmerkungen des Reflecting-Teams

Martin Schönwandt

„Das Netzwerk ist etwas, das bei immer stärker und schneller werdenden gesellschaftlichen Veränderungen an Bedeutung gewinnt. Allerdings sind Netzwerke nie einfach. Deshalb müssen wir der Frage nachgehen, wie Netzwerke funktionieren und was zu deren erfolgreichen Arbeit beiträgt.“

Cacau

„Ich wusste bis vor zwei, drei Jahren nicht wirklich, was ein Verein macht. Erst als mein Sohn Fußball spielen wollte, habe ich eine andere Mutter gefragt: Was muss ich tun? Und sie sagte: Sie müssen ihren Sohn anmelden. Also habe ich ihn angemeldet. Und dann? Ja, man muss einen Beitrag bezahlen. Also habe ich einen Beitrag bezahlt. Doch bevor er spielen kann, muss erst mal der Spielerpass kommen. Kurzum: Es gibt viele Hürden, von denen man nichts weiß, wenn man nach Deutschland kommt. Das muss man erst lernen. Migranten müssen lernen, wie so ein Verein funktioniert, bevor sie mitmachen können. Aber letztlich sprechen wir über Sport und da, meine ich, kann man es einfacher machen. Manch-mal braucht es vor allem Herz und Leidenschaft, um Menschen zu gewinnen – nicht noch mehr Struk-turen und Qualifizierung. Das wäre mein Appell.“

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„Damit Integration gelingt, habe ich zwei Appelle an Vereine: Punkt eins ist, dass sie sich stärker mit interkultureller Öffnung und Kompetenz beschäftigen müssen, weil diese Interkulturalität das Tor ist, durch das gelingende Integration führt. Der zweite Punkt wäre, dass sich die Vereine offen zeigen, um Menschen mit Migrationshintergrund die Mit gestaltung in Vereinen zu ermöglichen und damit auch Veränderungen zuzulassen.“

STIMMEN

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GRAPHICRECORDINGV. Wenn Worte sich zu Bildern formen und ein

Programm anschaulich wird – Sabine Soeder und Katrin Faensen von Visual Facilitators boten eine Simultanübersetzung des Kongresses.

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Impressum

Titel: Kongressdokumentation · „Integration durch Sport“ – Perspektiven der sportbezogenen Integrationsarbeit

Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund e. V. · Geschäftsbereich Sportentwicklung Ressort Chancengleichheit und Diversity, Fachbereich Sport und Integration · Otto-Fleck-Schneise 12 · 60528 Frankfurt am Main T +49 69 6700-0 · F +49 69 674906 · [email protected] · www.dosb.de · www.integration-durch-sport.de

Konzept, Texte und Redaktion: Marcus Meyer

Bildnachweise: DOSB/picture alliance/Jan Haas

Gestaltung: LWP Kommunikation GmbH · 40479 Düsseldorf · www.lwp-kom.de

Dezember 2017

AUS DER VERAN­

STALTUNG

AUS DEM PROGRAMM

AUS DEM LEBEN

• Präsentation Heike Kübler: Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ ➔ Link zum PDF

• Präsentation Prof. Braun: „Integration durch Sport“ – Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung ➔ Link zum PDF

• Zur Homepage „Integration durch Sport“ ➔ Link zur Webseite

• Pressemeldung zum Kongress ➔ Link zur Webseite

• Programm-Flyer „Integration durch Sport“ – Ein Name wird Programm ➔ Link zum PDF

• Wie geht Integration? Zwei Vereine, zwei Ansätze – ein Ziel – zwei bewegende Webreportagen ➔ Link zur Webreportage FV Gonnesweiler ➔ Link zur Webreportage Cricket Club Park Orient

• Der Blick von außen: SZ-Beilage der Deutschen Jour-nalistenschule in München zu Integration und Sport ➔ Link zur Webseite.

WOHIN SURFEN, WAS NOCH LESEN?

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Deutscher Olympischer Sportbund · Otto-Fleck-Schneise 12 · 60528 Frankfurt am Main T +49 69 6700-0 · F +49 69 674906 · [email protected] · www.dosb.de