Ökonomische Bildung in der gymnasialen Oberstufe Das ......2.1 Die historische Entwicklung - Wandel...
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Ökonomische Bildung in der gymnasialen Oberstufe
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades
der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
vorgelegt von
Dipl. Hdl. Hartmut Räther
Kiel, 23.09.2000
Referent: Prof. Dr. Klaus-Peter Kruber
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Referent: Prof. Dr. Eberhard Dall’ Asta
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Referent: Prof. Dr. Horst Friedrich
Universität zu Köln,
Erziehungswissenschaftliche Fakultät
Tag der mündlichen Prüfung: 26.04.2001
Zum Druck genehmigt: Kiel, am 15.05.2001
Prof. Dr. Gerd Walther
Dekan der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
II
VORWORT
Durch die halbe Abordnung an die Erziehungswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-
Universität zu Kiel ist mir ein Problem deutlich geworden, das sich mit folgendem Satz umschreiben
lässt:
„Über die Zukunft zu reden, ist der beste Vorwand, sich vor der Gegenwart zu drücken.“ (Mark
Twain)
Während ich an den Seminartagen mit den Studentinnen und Studenten didaktische Konzeptionen für
den Wirtschafts- und Politikunterricht diskutierte und weiterentwickelte, verliefen die Unterrichtstage
in der Berufsschule und im Fachgymnasium- wirtschaftlicher Zweig - in den durch den Lehrplan
vorgegebenen Bahnen. Sehr schnell wurde für mich deutlich, dass eine Lücke zwischen den didakti-
schen Theorien und der Unterrichtspraxis besteht. So entwickelte sich die Idee, für das Fachgymnasi-
um - wirtschaftlicher Zweig - die Erkenntnisse aus Theorie und Praxis aufeinander abzustimmen.
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Kruber für die Betreuung der Arbeit und Herrn Prof. Dr.
Eberhard Dall’ Asta sowie Herrn Dr. Karl-Heinz Breier für die kritisch geführten Diskussionen. Mein
besonderer Dank gilt meiner Frau und unseren beiden Kindern, die die Wochenenden und Ferien ohne
mich gestalten mussten.
Kiel, im September 2000 Hartmut Räther
III
INHALTSVERZEICHNIS
1 Problemstellung und Forschungsziel 1
2 Bezugsbereiche fachgymnasialer Wirtschaftsbildung
4
2.1 Die historische Entwicklung - Wandel im Profil
5
2.1.1 Der Merkantilismus als Wegbereiter 5
2.1.2 Der Neuhumanismus als Bremse 8
2.1.3 Die Handelshochschulen als Initiatoren 10
2.2 Der organisatorische Aufbau - Wahlfreiheit im Kurssystem
14
2.2.1 Die Unterrichtsorganisation 15
2.2.2 Die Abschlüsse 19
2.2.3 Die Schulwegbegleitung 23
2.3 Der inhaltliche Schwerpunkt - Berufsbezogene Wirtschaftsbildung
26
2.3.1 Die Intentionen der Kultusministerkonferenz 27
2.3.2 Die unterrichtliche Umsetzung 35
3 Ziele der Wirtschaftsbildung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
41
3.1 Die Arbeits- und Berufswelt - Persönlichkeitsbildung
43
3.2 Die Wirtschaftswissenschaften - Denken und Handeln in Systemen
50
4 Inhaltsbezogene Anforderungen an eine neue Wirtschaftsbildung
57
4.1 Das Bildungsverständnis - Berufliche oder Allgemeine Bildung
59
4.1.1 Das inhaltlich-organisatorische Bildungsverständnis 60
4.1.2 Das pädagogisch-psychologische Bildungsverständnis 66
IV
4.2 Die Berufsvorbildung - Berufs- oder Berufswahlvorbereitung 71
4.2.1 Die Berufswahltheorien als Erklärungsansatz der Berufsfindung 73
4.2.1.1 Gesellschaftsorientierte Ansätze 74
4.2.1.2 Individuumsorientierte Ansätze 77
4.2.2 Die Didaktik der Berufsvorbildung als Unterrichtskonzept 84
4.2.2.1 Didaktische Theorien zur Berufsvorbildung 86
4.2.2.2 Kooperationen als Unterrichtsansatz 91
4.3 Die ökonomische Bildung - Fachwissenschaften oder Wirtschaftspraxis
103
4.3.1 Die Erziehungstheorie als Basisstruktur 105
4.3.1.1 Pädagogischer Bezugsbereich 111
4.3.1.2 Ökonomischer Bezugsbereich 117
4.3.2 Die Erziehungspraxis als Umsetzungsbeschreibung 129
4.3.2.1 Persönlichkeitsbildung als pädagogische Perspektive 135
4.3.2.2 Wissenserweiterung als ökonomische Perspektive 145
5 Strukturbezogene Anforderungen an eine neue Wirtschaftsbildung
162
5.1 Die Unterrichtsorganisation - Fach- oder Lernbereichsorientierung
164
5.1.1 Die Aufgabenfelder als Strukturprinzip der Gymnasien 168
5.1.2 Die Berufsfelder als Strukturprinzip der Berufsschulen 176
5.1.3 Die Durchtränkung als Strukturprinzip des Fachgymnasiums 183
5.2 Das Zertifikat - Äquivalenz- oder Allokationsfunktion
194
5.2.1 Die Gleichwertigkeit als Qualifizierungsziel 196
5.2.2 Die Doppelqualifikation als Profilierungsansatz 201
6 Gestaltung einer profilgebenden fachgymnasialen ökonomischen Bildung
207
LITERATURVERZEICHNIS
213
ZUSAMMENFASSUNG 236
ABSTRACT 237
ERKLÄRUNG ZUR ANFERTIGUNG DER ARBEIT 238
LEBENSLAUF 239
V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Lehrplan Wirtschaftstheorie und -politik (Auszüge) 36
Abb. 2: Lehrplan Rechnungswesen (Auszüge) 38
Abb. 3: Inhalte der Allgemeinbildung 64
Abb. 4: Pädagogisch-psychologische Lehr-/Lerntheorien 66
Abb. 5: Leitfragen zur Berufswahlvorbereitung 89
Abb. 6: Wirtschaftsdidaktische Fundierung 105
Abb. 7: Paradigma der vierfachen Anbindung der Wirtschaftsdidaktik 108
Abb. 8: Pädagogische Kategorien 117
Abb. 9: Pädagogische Leitfragen 117
Abb. 10: Ökonomiebezogene Kategorien 127
Abb. 11: Ökonomiebezogene Leitfragen 128
Abb. 12: Ökonomische Zusammenhänge 156
Abb. 13: Gesamtdarstellung des wirtschaftsdidaktischen Paradigmas 160
Abb. 14: Berufsschulkonzept 180
VI
1 Problemstellung und Forschungsziel
Das Fachgymnasium wird in Schleswig-Holstein in die vier Zweige Agrarwirtschaft, Ernährung,
Technik und Wirtschaft getrennt. Die Wirtschaftsoberschule, der Vorgänger des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig -, ist 1998 in Schleswig-Holstein 50 Jahre alt geworden. Damit ist das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - aber kein neuer Schultyp und auch nur teilweise auf die in
den zwanziger Jahren außerhalb von Schleswig-Holstein gegründeten Wirtschaftsoberschulen
zurückzuführen. Seine Wurzeln reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück.
Während 1977 in Schleswig-Holstein ca. 1500 Lernende das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - besuchten, waren es 1997 bereits 2500 Schülerinnen und Schüler an 19 Schulstandorten. Die
zahlenmäßige Entwicklung des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - zeigt für die letzten zehn
Jahre eine deutliche Konstanz. (vgl. Focks 1999, 10) Die Abschlüsse der Fachgymnasien sind die
allgemeine Fachhoch- und Hochschulreife. Insgesamt beträgt in Schleswig-Holstein die Zahl der
Schulabgänger mit Hochschulreife 34,3 % der gleichaltrigen Bevölkerung und fällt damit etwas unter
den Durchschnitt der deutschen Bundesländer. (vgl. Rössner 1999, 94) „Ca. 20 % der Abiturientinnen
und Abiturienten erwerben in Schleswig-Holstein die allgemeine Hochschulreife an einem Fachgym-
nasium, davon etwa die Hälfte an einem Wirtschaftsgymnasium.“ (Focks 1999, 10)
Umfassende Untersuchungen zum Entwicklungs- und Leistungsstand vor und nach Abschluss des
Fachgymnasiums wurden bisher nicht durchgeführt. Die immer wieder in der Presse und in den
Mitteilungen der Lehrerverbände auftauchenden Meinungen, dass für Absolventinnen und Absolven-
ten des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - überdurchschnittlich gute Chancen am Arbeits-
markt bestehen, weil sie über sehr gute wirtschaftliche Kenntnisse verfügen, werden durch die
empirische Untersuchung von Klaus Beck (vgl. 1997, 48 ff.) nicht bestätigt. In den neuen Bundeslän-
dern hat die positive Beurteilung der Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - zu einer stetig
steigenden Zahl von Schülerinnen und Schüler geführt.
Die Inhalte und Strukturen des Unterrichts werden durch die von der Kultusministerkonferenz
(KMK) vor über fünfundzwanzig Jahren beschlossene reformierte gymnasiale Oberstufe geprägt.
Dabei wird der allgemeine und wirtschaftlich bildende Unterricht während der letzten beiden
Schuljahre in Form von Leistungs- und Grundkursen erteilt. Die Lehrpläne für die Kurse stammen in
Schleswig-Holstein überwiegend aus den achtziger Jahren und befinden sich zur Zeit in der Überarbei-
tung.
Neben unterrichtsstofflichen Problemen werden in den nächsten Jahren auch organisatorische
Veränderungen im schleswig-holsteinischen Bildungssystem Auswirkungen auf das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - haben. Zum einen kann zukünftig an den allgemeinbildenden Gymnasien das
Fach „Wirtschaft/Politik“ auch als Leistungskurs unterrichtet werden. Zum anderen haben die
Fachgymnasien durch die Einführung der Berufsoberschulen „Konkurrenz im eigenen Hause“
bekommen. Die beiden Neuerungen werden dazu beitragen, dass alle drei Schultypen ihre zukünftigen
„Kunden“ durch entsprechend reizvolle Unterrichtsangebote stärker umwerben. Es wird damit immer
1
wichtiger, das Profil des Fachgymnasiums zu bestimmen und besonders gegen die allgemeinbildenden
Gymnasien abzugrenzen.
Die Suche nach einem Profil findet nicht nur auf der Ebene von Schultypen, sondern zunächst auf
der Schulebene statt. Obwohl die Einführung der reformierten Oberstufe den Konkurrenzkampf
zwischen den Schulen verringern sollte, wird durch den Auftrag zur Schulentwicklung letztlich ein
Wettbewerb um Lernende ausgelöst, der wiederum Auswirkungen auf die Schulorganisation und die
wirtschaftbezogenen Unterrichtsinhalte im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - hat. Der
Schwerpunkt dieser Arbeit liegt genau in diesem Spannungsfeld zwischen der Inhaltsbestimmung von
wirtschaftsbezogener Bildung und den dafür notwendigen organisatorischen Strukturen des Schultyps.
Die Ausblendung eines dieser beiden miteinander verknüpften Teilbereiche liefert daher ein unvoll-
ständiges Bild des Fachgymnasiums.
Für die Absolventinnen und Absolventen der Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - wird die
These aufgestellt, dass ihre Wirtschaftsbildung weder den bildungspolitischen noch den beschäfti-
gungsbereichbezogenen Anforderungen der heutigen Zeit entspricht.
Die These lässt sich durch folgende Problemdarstellungen konkretisieren:
• Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - vermittelt eine Wirtschaftsbildung, die keinen
zielgerichteten Gesamtzusammenhang herstellt;
• es verknüpft nicht die wirtschaftsberuflichen mit den allgemeinbildenden Inhalten und orientiert
sich am kleinschrittigen 45-/90-minütigen Frontalunterricht;
• im Leistungskurs „Wirtschaftstheorie und -politik“ werden überwiegend mit Theorie überfrachtete
Inhalte aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium vermittelt, und der Grundkurs Rech-
nungswesen vermittelt eine Berufspraxis aus vergangenen Zeiten;
• es gelingt dem Fachgymnasium nicht, eine eindeutige Brücke zwischen der schulischen und der
beruflichen Ausbildungsphase der Jugendlichen zu schlagen.
Der Gegenstand dieser Arbeit ist:
• die Veränderungen im Bildungsauftrag des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - darzustel-
len,
• eine Verbindung von vorberuflicher und beruflicher Wirtschaftsbildung herzustellen,
• die Suche nach den wesentlichen Elementen einer vorberuflichen Wirtschaftsbildung,
• die Darstellung des Elementaren eines Unterrichtsfaches „Wirtschaft“,
• strukturelle und inhaltliche Veränderungen für das Fachgymnasium zu analysieren, die zu einem
neuen Schwerpunkt im Ökonomischen führen.
Ziel dieser Arbeit ist nicht:
• eine umfassende Strukturanalyse der Lernenden vorzunehmen, 2
• alle Fächer des Fachgymnasiums auf ihren wirtschaftsbezogenen Inhalt zu untersuchen und
erforderliche Veränderungen darzustellen,
• für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - alle Wirtschaftsthemen und deren zu unterrich-
tenden Inhalte zu bestimmen,
• die Beschreibung und Analyse der Unterrichtsformen für die methodische Umsetzung der
Wirtschaftsbildung im Fachgymnasium.
Mit den folgenden fünf Kapiteln wird der Versuch unternommen, das Besondere der ökonomischen
Bildung des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - darzustellen. Durch das zweite Kapitel wird
zunächst die aktuelle Situation dieses Schultyps vor seinem historischen Hintergrund offen gelegt.
Hierdurch soll deutlich werden, dass dieser Schultyp in früheren Zeiten für Neuerungen und Experi-
mente stets offen war und durch die Oberstufenreform der 70er Jahre deutliche Einschränkungen in
seinen Entwicklungsmöglichkeiten hinnehmen musste.
Im dritten Kapitel erfolgt die Beschreibung veränderter Ziele einer fachgymnasialen Wirtschafts-
bildung als Reaktion auf die Situation der Jugendlichen, auf den Wandel im Beschäftigungssystem, in
den Wissenschaften und in der bildungspolitischen Gesamtsituation. Die entwickelten Ziele lassen
sich für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nur durch abgestimmte Veränderungen
zwischen den Unterrichtsinhalten und der Organisationsstruktur verwirklichen.
Im vierten Kapitel werden die zentralen inhaltlichen Elemente einer neuen Wirtschaftsbildung für
das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - herausgearbeitet. Vom Bildungsverständnis ausgehend,
werden die Anforderungen an die Berufsvorbildung und letztlich an die gesamte fachgymnasiale
ökonomische Bildung dargestellt.
Neben inhaltlichen Vorgaben wird das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - aber auch durch
organisatorische Rahmenbedingungen bestimmt, die im fünften Kapitel in Beziehung zu der im
vierten Kapitel beschriebenen neuen Wirtschaftsbildung diskutiert werden.
Um die Besonderheiten und die Vorgehensweise bei der Einführung einer neuen Wirtschaftsbildung
im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - aufzuzeigen, erfolgt im sechsten Kapitel eine zusam-
menhängende Analyse der vorher getrennt dargestellten Problembereiche.
Für die Leserinnen und Leser, die zunächst mehr an den Ergebnissen als an deren Entstehungswegen
interessiert sind, ist am Ende aller Abschnitte (X.X.X), Unterabschnitte (X.X.X.X) und in den beiden
Unterkapiteln des dritten Kapitels eine Zusammenfassung erstellt worden, die vor dem Textrand mit
einem -Symbol gekennzeichnet wurde.
3
2 Bezugsbereiche fachgymnasialer Wirtschaftsbildung
In diesem Kapitel wird untersucht, welche Veränderungen sich im Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - und seinen Vorgängerschultypen vollzogen haben und wie diese die heutige Wirtschaftsbil-
dung des Schultyps beeinflussen. Die Anfänge des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - liegen
bereits über drei Jahrhunderte zurück und sind mit unterschiedlichen Schulbezeichnungen, wie z. B.
Wirtschaftsgymnasium, Wirtschaftsoberschule und Handelsakademie verbunden. Das Ziel dieses
Kapitels ist nicht, eine umfassende historische Aufarbeitung der Entstehung und Entwicklung des
Fachgymnasiums darzustellen, sondern das ursprüngliche Selbstverständnis dieses Schultyps im
historischen Gesamtzusammenhang am Beispiel und mit besonderem Schwerpunkt für seine Weiter-
entwicklung aufzuzeigen. Daher erfolgt die Systematisierung dieses Kapitels in zwei unterschiedlichen
Formen.
Der Abschnitt 2.1 beschreibt die Entwicklungsgeschichte zum Fachgymnasium bis zur Einführung
der reformierten gymnasialen Oberstufe in den siebziger Jahren, ist chronologisch aufgebaut und hebt
die Besonderheiten und Eigenarten einiger seiner Vorgängerschultypen hervor, um daraus Anknüp-
fungspunkte für Veränderungen ableiten zu können.
Die Abschnitte 2.2 und 2.3 berücksichtigen nur das letzte Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts, das
durch die Strukturen der reformierten gymnasialen Oberstufe geprägt ist. Im Gegensatz zum Abschnitt
2.1 erfolgt hier eine Systematisierung nach sachlichen Gegebenheiten, weil die Entwicklung einer
neuen Wirtschaftsbildung auch die Darstellung der Komplexität dieses Schultyps erfordert. Durch die
Einführung der reformierten gymnasialen Oberstufe wurde neben den inhaltlichen Fragestellungen
von Wirtschaftsbildung der organisatorische Aufbau sehr stark in den Mittelpunkt gedrängt. Weil sich
aus beiden Strukturierungen Besonderheiten und Probleme ergeben, erfolgt eine getrennte Analyse des
organisatorischen und inhaltlichen Bereichs.
4
2.1 Die historische Entwicklung - Wandel im Profil
Für Jahrhunderte wurde die deutsche Bildungslandschaft durch Stifts- und Klosterschulen geprägt, in
denen die Vermittlung der lateinischen Sprache ein entscheidendes Bildungskriterium darstellte. Der
Kanon wurde durch die aus der Antike überlieferten „sieben freien Künste“ (dem Trivium mit der
Grammatik der lateinischen Sprache, der Rhetorik und der Dialektik sowie, darauf aufbauend, dem
Quadrivium mit der Arithmethik, der Geometrie, der Astronomie und der Musik) geprägt. Erst im 13.
Jahrhundert erfolgte eine Differenzierung der Bildungsangebote in speziellen Institutionen. Es wurden
Stadtschulen und Universitäten gegründet. Die Voraussetzung für die Zulassung zum Universitäts-
studium war das „Durchlaufen“ der „niederen Fakultät“ (Artistenfakultät). Der Unterricht war auch
hier auf die „sieben freien Künste“ konzentriert und konnte mit den heute wieder aktuell gewordenen
Abschlüssen Baccalarius oder Magister beendet werden. Erst daran anschließend durften die Studien
an der „höheren Fakultät“ (Theologie, Jurisprudenz oder Medizin) begonnen werden. In dieser Zeit
spielten die Wirtschaftswissenschaften noch keine Rolle.
Im 14. Jahrhundert wurden die ersten privaten Schreib- und Rechenschulen gegründet, in denen
überwiegend die Kinder der Handel- und Gewerbetreibenden unterrichtet wurden. Da diese Schulen
die Lernenden auf ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in den elterlichen Betrieben vorbereiten sollten,
werden diese Schulen auch als Vorformen der heutigen Berufsschulen angesehen. (vgl. Georg/Kunze
1981, 91)
Seit dem 15. Jahrhundert erfolgte allmählich auch die Beschulung des ländlichen Raums. Mit der
Reformation im 16. Jahrhunderts verliert die lateinische Sprache in den Stadtschulen allmählich ihren
Einfluss. Stadtschulen, die Latein weiter vermitteln, entwickeln sich zu den sogenannten Gelehrten-
schulen, die als einzige zum Hochschulzugang berechtigten. Der Aspekt der Berechtigung ist bis
heute die prägende Struktur für unser Schulsystem. Weil sich die Entstehung von Fachgymnasien in
Beziehung zur Berechtigungsfrage und damit zu gesellschaftlichen Veränderungen vollzogen hat,
werden im Folgenden vier Phasen unterschieden: die Phasen der Entstehung, Zurückdrängung und
Förderung, die in diesem Unterkapitel beschrieben werden, sowie die noch andauernde Phase der
Oberstufenreform, die in den beiden folgenden Unterkapiteln umfassend beschrieben wird.
2.1.1 Der Merkantilismus als Wegbereiter
Im 17. und 18. Jahrhundert nahm der „landesherrliche“ Einfluss auf das Schulwesen erheblich zu.
Besonders im ländlichen Bereich wurden die Schulpflicht und die Trägerschaft für die Schulen neu
geregelt. Die Ideen der Aufklärung, die merkantilistische Wirtschaftsform und der einsetzende Prozess
der Industrialisierung führten zur allmählichen Auflösung der Standesgesellschaft. Um den landesherr-
5
schaftlichen Reichtum zu steigern, sollte das Volk auf Tätigkeiten im Handel und Gewerbe vorbereitet
werden. Im absolutistischen Staat wurden Ausbildungseinrichtungen für zukünftige Beamte notwen-
dig, weil die Wirtschaftsform des Merkantilismus „praktisch“ vorgebildete und nicht „geborene“
Beamte (Hofadel) erforderte. So wurden in dieser Zeit Staats- und Kanzleiakademien gegründet.
Diese, auch als „Ritterakademien“ bezeichneten Schulen glichen die Defizite, die die Universitäten
in der Vermittlung von berufsbezogenen Inhalten hatten, aus. Maßstab für die Selektion in den
Schulen wurde die Zahl der zur Verfügung gestellten Staatsämter. (vgl. Georg/Kunze 1981, 85 ff.)
In der merkantilistischen und der sie ablösenden liberalistischen Wirtschaftpolitik sollte Gewerbe-
förderung durch „realistische“ Bildung betrieben werden. Im 18. Jahrhundert wurden daher an den
Universitäten Lehrstühle für Ökonomie und Kameralistik sowie Spezialschulen für Verwaltungsbeam-
te, die sich am Beispiel Frankreichs orientierten, eingerichtet. Gleichzeitig wurde auch der Auf- und
Ausbau von Schulen für Techniker gefördert. Daneben entstanden Real- und Bürgerschulen, deren
Ziel auf die „Verwertbarkeit“ (Georg/Kunze 1981, 90) der Unterrichtsinhalte gerichtet war. Hiermit
war aber nicht eine spezielle berufliche Qualifizierung mit der Vermittlung von besonderen Fertigkei-
ten gemeint, sondern es sollte, im Sinne der Aufklärung, die Anwendung neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse vermittelt werden. (vgl. Georg/Kunze 1981, 84 ff.)
Zusätzlich wurde eine Krise in den kaufmännischen und handwerklichen Ausbildungsstrukturen
sichtbar, da u. a. neue Produktionsformen (wie z. B. Manufakturen) entstanden. So gab es bald erste
Überlegungen, die Ausbildung in Schulen zu verlagern und an die Tradition der kaufmännisch
orientierten Schreib- und Rechenschulen anzuknüpfen. Es entwickelten sich zwei grundsätzlich
unterschiedliche Schulvarianten, die sich nicht in allen Teilbereichen eindeutig trennen lassen: Die
„realistischen“ Universalschulen und die fachbezogenen kaufmännischen Spezialschulen (vgl. Berke
1957, 111 und Georg/Kunze 1981, 91).
Die ersten, die sich mit der Einführung von realistischen Universalschulen beschäftigten, waren
Christoph Semler und Johann Julius Hecker. Bereits 1705 beschrieb Semler, wie eine Schule aussehen
sollte, die die Jungen auf das Erlernen eines Handwerks vorbereitet. Es ging ihm dabei aber nicht um
die Spezialisierung auf ein bestimmtes Handwerk. (vgl. Wollenweber 1992, 457 f.) Hecker gründete
1747 in Berlin die sich privat tragende „Oekonomisch-Mathematische Realschule“ und führte Fächer
ein, die zusätzlich eine Berufsorientierung über mehrere berufliche Tätigkeiten vermitteln sollten.
Neben den Unterrichtsfächern Deutsch, Mathematik und Religion waren auch Instrumenten- und
Gerätekunde, Material- und Fertigungslehre sowie berufspraktische Übungen in der Schulwerkstatt
vorgesehen. (vgl. Adolphs 1942, 4 f.)
Nach Heckers Vorstellungen sollten seine Schulen nicht eigenständige Typen sein, sondern als
Segment (additiv) in die bestehenden Schulen eingefügt werden. (vgl. Wollenweber 1992, 459 ff.)
Diese Schulen scheiterten an den enzyklopädisch überfrachteten Unterrichtsinhalten, an der Breite der
Berufsfelder und an der Konkurrenz mit der Einführung formaler Studienberechtigungen, die in
Preußen 1788 als „Reifeprüfung“ an Gymnasien umgesetzt wurden. Durch den Verzicht auf die
berufliche Qualifizierung, von Georg/Kunze auch als „Entprofessionalisierung“ (ebd. 1981, 92)
6
bezeichnet, entwickelten sich aus ihnen später Realschulen, Realgymnasien und Oberrealschulen. Als
Schultyp würden wir Semlers und Heckers Institutionen heute den Berufsfachschulen zuordnen, wenn
ihr Schwerpunkt in der Vermittlung gewerblich-technischer und kaufmännisch-verwaltender „Grund-
qualifikationen“ liegen würde, und als Realschulen, wenn sie überwiegend allgemeine Berufsorientie-
rung betreiben würden.
Zeitgleich mit der Abnahme der Vielfalt von realistischen Universalschulen stieg die Zahl der
kaufmännischen Spezialschulen. Der königlich polnische und kursächsische Hof- und Kommerzien-
rat Paul Jacob Marperger beschrieb 1715 erste sehr detaillierte Vorschläge zur Errichtung einer
„Kauffmanns-Academie“. Er hielt diese völlig neuen Schulen für notwendig, weil die Schreib- und
Rechenschulen die Jugendlichen nicht mehr hinreichend auf den Kaufmannsberuf vorbereiteten. Er
ging davon aus, dass eine zwei- bis dreijährige Kaufmanns-Akademie die Berufsorientierung der
Jugendlichen fördern würde und dass die sich anschließende Ausbildung nicht mehr so stark von den
Fähigkeiten des „Lehrherrn“ abhängig wäre. Zusätzlich forderte er die Einrichtung von Berufsschulen
und die Einführung der Handelswissenschaften an den Universitäten. Auf die kaufmännischen Fächer
sollten nach Marpergers Plänen fast 65 % der Unterrichtszeit entfallen (vgl. Berke 1957, 107 ff.).
Dafür waren die folgenden Handels-fächer vorgesehen: doppelte Buchführung, Fremdsprachen,
Handelskorrespondenz, Handelsrecht, kaufmännisches Rechnen, Wirtschaftsgeographie und Waren-
kunde. (vgl. Georg./Kunze 1981, 91 f.) Marpergers Ideen zur Veränderung des Schulwesens wurden
jedoch noch nicht umgesetzt, da sie ihrer Zeit weit voraus waren.
Verwirklicht wurde die Handelsakademie erst 1768 von Johann Georg Büsch in Hamburg. Den
fachlichen Schwerpunkt dieser Internatsschule bildeten neben den Fremdsprachen (Englisch,
Französisch und Italienisch) die kaufmännischen Fächer Buchhaltung, Rechnen und Wirtschaftsge-
ographie. Um den Unterricht auch durch praktische Inhalte zu ergänzen, wurden die Schüler anfangs
noch einen Tag in der Woche im Kontor beschäftigt. Diese Schule wurde ebenso wie die Heckersche
Schule mit dem Tod des Gründers um die Jahrhundertwende geschlossen. (vgl. Horlebein 1976, 24 ff.)
Eine ähnliche Ausgestaltung wies die von dem Nürnberger Kaufmann Johann Michael Leuchs
1794 gegründete „Akademie Lehr- und Pensions-Anstalt der Handlung“ auf, die aber nur zwei
Jahrzehnte existierte. Der Unterricht erfolgte auch hier in der Schule und im Unternehmen und machte
so den Schulbesuch im Vergleich zur Lehre noch attraktiver (vgl. Georg/Kunze 1981, 94). Die Schüler
wurden in zwei Gruppen geteilt. Während die einen theoretischen Unterricht erhielten, der sich an
Marperges Handelsfächern orientierte, wurde der andere Teil im Unternehmen ausgebildet. (vgl.
Adolphs 1942, 7 f.). Mit Leuchs Akademie endet zunächst auch der Gründungszeitraum von neuen
höheren Wirtschaftsschulen, die aus heutiger Sicht alle mehr den Charakter einer Berufsfachschule als
einer Fachschule hatten, da sie lediglich auf die kaufmännischen Berufe vorbereiteten.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich im 18. Jahrhundert durch den Bedarf an wirtschaftlich
Vorgebildeten aus den Schreib- und Rechenschulen kaufmännische Spezialschulen entwickelten, die
als Vorläufer des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - gesehen werden können. Im Gegensatz
zur heutigen Zeit definierten sich diese Schulen nicht überwiegend durch ihren organisatorischen
7
Aufbau und die Hochschulzugangsberechtigung, sondern über die Inhalte und den Fächerkanon. So
wiesen die kaufmännischen Spezialschulen, aber auch die realistischen Universalschulen, einen engen
Bezug zur Arbeits- und Berufswelt auf, der durch Übungskontore, praktische Tätigkeiten und den
engen Kontakt zur Kaufmannschaft umgesetzt wurde.
2.1.2 Der Neuhumanismus als Bremse
Am Anfang des 19. Jahrhundert trennen sich die weiteren Entwicklungen im Schulsystem. Während
im süddeutschen und österreichischen Raum der Gedanke der kaufmännischen Spezialschulen
weiteren Auftrieb erhielt, setzten sich im Preußischen Schulsystem die Ideale des Neuhumanismus
durch. Die Schulen mit fachlicher Bildung wurden von denen mit allgemeiner Bildung getrennt. In
Preußen konnten sich Höhere Wirtschaftsschulen und Wirtschaftsschulen mit Universitätszugangsbe-
rechtigung nicht entwickeln, weil Wilhelm von Humboldt die preußischen Fachschulen zu Beginn
des Jahrhunderts (1809/10) so reorganisiert hatte, dass sie nicht mehr als „Bildungsanstalten“ galten.
(vgl. Adolphs 1942, 8 ff.)
Durch die 1788 in Preußen eingeführte „Reifeprüfung“ hatte die Gelehrtenschule als einzige die
begehrte Zubringerberechtigung zum Universitätsstudium erhalten. Während bis in das 18. Jahrhun-
dert der Zugang zum Universitätsstudium der Fächer Jura, Theologie und Medizin durch die Vorberei-
tung in den vorgelagerten Fakultäten (facultas artium) erfolgte, war durch die Umwandlung der
facultas artium in eine eigenständige philosophische Fakultät eine „Vorbereitungslücke“ entstanden,
die durch die Einführung der „Reifeprüfung“ auf niedrigerer Ebene geschlossen wurde. Hierdurch
konnte gleichzeitig eine Zulassungsbeschränkung zum Universitätsstudium für die bürgerlichen
Schichten erreicht werden, die seit einiger Zeit verstärkt zum Studium drängten. Insgesamt verlor die
Gelehrtenschule die Funktion der „Einheitsschule“, in der noch zukünftige Kaufleute, Handwerker
und Studenten zusammen gesessen hatten und für die es nach dem Verlassen der Schule mit der
Quarta oder Tertia nicht das „Stigma des Schulversagens“ (Georg/Kunze 1981, 105) gegeben hatte.
Die Trennung in berechtigende und berechtigungslose Schulen löste eine weitere Differenzierung
des gesamten Schulsystems aus und führte in allen Schultypen zu einem Kampf um die Vergabe der
Hochschulzugangsberechtigung. Die berufsbildenden Schulen waren zunächst ausnahmslos berechti-
gungslose Institutionen. Besonders die berechtigungslosen beruflichen Vollzeitschulen versuchten
durch die Verschiebung ihrer fachlichen Inhalte zum Fächerkanon der Gelehrtenschule (z. B. mit
Latein), die „Berechtigung zum Universitätsbesuch“ für ihre Lernenden zu erhalten. (vgl. Ge-
org/Kunze 1981, 104 ff.)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Naturwissenschaften, der
Technik und der Wirtschaft weiter zu. Während der Staat an dem gerade eingeführten Schulsystem
festhielt, versuchte die Wirtschaft, sich durch Einrichtung von Wirtschaftsschulen den Erfordernissen
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der Zeit anzupassen. Für die höheren Wirtschaftsschulen wurden diese Initiativen aber nur im
südlichen und südöstlichen Deutschland in der Gründung von Handelsakademien wirksam. Besonde-
re Vorbildfunktion für zahlreiche süddeutsche Schulen hatte die 1831 in Leipzig entstandene
„Öffentliche Handelslehranstalt mit höherer Abteilung“. Sie entwickelte sich zu einer attraktiven
Alternative zur kaufmännischen „Lehre“, da sie neben den kaufmännischen Fächern ein „Übungskon-
tor“ für berufspraktische Tätigkeiten einrichtete. Nach diesem Vorbild wurden 1834 in Nürnberg die
Selbständige Handelsschule, 1856 die Prager Handelsakademie und im heutigen Österreich weitere
Handelsakademien durch Handelskammern und kaufmännische Vereine gegründet.
Handelsakademien waren drei- und teilweise auch vierjährige Schulen, die bei einer vierjährigen
Ausbildung, im ersten „Vorbereitungsjahr“ die notwendigen Sprach- und Physikkenntnisse „auffrisch-
ten“. Die Handelsakademien besaßen Warensammlungen, Übungskontore, Büchereien, geographische
Sammlungen, chemische und physikalische Laboratorien. In vielen Schulen hatte die Kaufmannschaft
die Initiative ergriffen und unterstützte ein vielfältiges Kursangebot, das nicht nur für die Lernenden,
sondern auch für die bereits tätigen Kaufleute gedacht war. So betonten z. B. einige Handelsakade-
mien das Assekuranz-Wesen, andere boten Frachtrechtskurse oder Bank- und Bilanzkurse an. Für
Juristen und Techniker wurden spezielle Handelskurse eingeführt und für die Kaufleute gab es
Weiterbildungsmöglichkeiten in Abiturientenkursen. Die Eltern der Schüler waren überwiegend
Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende, die ihre Kinder auf die Übernahme ihrer Betriebe und
auf gehobene Stellungen in der Wirtschaft vorbereiten wollten. Die Kaufmannschaft förderte diese
Einrichtungen auch in den folgenden Jahrzehnten und versuchte, diesen Schultyp zu profilieren, indem
er von den zweijährigen Handelsschulen abgegrenzt wurde. (vgl. Adolphs 1942, 14 ff.)
Die süddeutschen Handelsakademien hatten aus heutiger Sicht sowohl Berufsfach- als auch
Fachschulcharakter, da die Möglichkeit zum direkten Eintritt in den kaufmännischen Bereich oder die
Anrechnung auf die „Lehrzeit“ bestand oder Berufstätige hier an Kursen teilnehmen konnten. Im
Gegensatz zum preußischen Schulsystem mit seinem Streben nach allgemeiner Bildung und Hoch-
schulzugangsberechtigungen konnten die süddeutschen Schulen ihren fachlichen Schwerpunkt
erhalten.
Während im norddeutschen Raum das Schulsystem immer auf der Suche nach einer reinen, höheren,
klassischen Allgemeinbildung war, findet die Abstufung der Berufsbildung im süddeutschen und
österreich-ungarischen Raum nicht statt. Hier werden Handelsakademien gegründet und zu einer
Schulart mit kaufmännischem Schwerpunkt entwickelt. Durch die Unterstützung in der Kaufmann-
schaft in Form von finanziellen Zuwendungen und durch aktive Mitgestaltung, z. B. durch Vortrags-
veranstaltungen entstand in diesen Schulen eine innere Vielfalt, von der sie noch heute als berufliche
Vollzeitschulen in Österreich profitieren.
9
2.1.3 Die Handelshochschulen als Initiatoren
Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkten sich in Norddeutschland vier
Umstände positiv auf die weitere Entwicklung der höheren Wirtschaftsschulen aus:
• die Gründung des Deutschen Verbandes für das kaufmännische Unterrichtswesen,
• die Schaffung von Handelshochschulen,
• die veränderten Vorstellungen in der Pädagogik und
• die Diskussionen über die innere Gestaltung der bestehenden Wirtschaftsschulen.
Im Jahre 1895 wurde der Deutsche Verband für das Kaufmännische Unterrichtswesen gegründet,
der in den folgenden Jahren als Förderer und Diskussionsforum der Wirtschaftspädagogik und des
kaufmännischen Schulwesens tätig war. Dieser Verband setzte sich besonders für die Gründung
spezieller Handelshochschulen ein, die im technischen Bereich bereits vorhanden waren. So wurde
schließlich 1898 in Leipzig die erste deutsche Handelshochschule begründet. Der Besuch dieser
Hochschulen war entweder mit dem „Reifezeugnis“, mit dem Abschluss einer kaufmännisch-
praktischen Berufsausbildung oder einer höheren kaufmännischen Schulbildung möglich. Wie bereits
die Gründung der Technischen Hochschulen für den Wandel der Bürger-/Realschulen zu Realgymna-
sien und Oberrealschulen verantwortlich war, wirkte sich die Entstehung der Handelshochschulen in
den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts positiv auf die Diskussion um die Entwicklung von
wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasialvarianten als Zubringerschule für die um Profilierung
bedachten Handelshochschulen aus. (vgl. Georg/Kunze 1981, 124 ff.)
In dieser Zeit veränderten sich auch die pädagogischen Vorstellungen über den scheinbaren Konflikt
zwischen der allgemeinen und beruflichen Bildung. So rückte u. a. durch Eduard Spranger (vgl.
1928) die Berufsbildung in den Vordergrund der Bildungsbetrachtung.
In den zwanziger Jahren verstärkte sich die Diskussion über die Errichtung und die Ziele von
höheren Wirtschaftsschulen. So formulierte u. a. Hermann Südhof 1921 sehr konkrete Forderungen
zu einer dreistufigen Höheren Wirtschaftsschule, die er als Handels-Oberrealschule bezeichnete.
Diese Bezeichnung wurde gewählt, weil der Unterbau dieser Schulen die Realschulen sein sollten.
Grundsätzlich sollte aber auch kaufmännischen Berufsschülerinnen und -schülern nach entsprechen-
den Kursen ein Eintritt in diese Schulen möglich sein. Der Unterricht sah Allgemeinbildung und
Wirtschaftsbildung in gleichen Anteilen vor. Das Ziel dieser Schulen sollte die Vorbereitung auf die
kaufmännische Praxis und den Verwaltungsdienst sein. Sie sollten die Lücke zwischen der Handels-
und der Handelshochschule schließen und in Ausnahmefällen auch den Übergang zu den Universitäten
ermöglichen. Fächer wie Buchhaltung, Handelsbetriebslehre, kaufmännisches Rechnen, Staatsbürger-
kunde (einschließlich Rechtslehre, Wirtschaftsgeographie und -geschichte), Übungskontor und
Volkswirtschaftslehre sollten nur Teilbereiche einer weitgefassten Handelslehre sein, deren Zerlegung
in Einzelfächer jedoch für notwendig gehalten wurde. Man ging weiterhin davon aus, dass alle
10
wirtschaftsbezogenen Fächer von Handelslehrern unterrichtet würden. Südhof kritisierte zu diesem
Zeitpunkt bereits die Überfrachtung der Lehrpläne von Wirtschaftsschulen, die nur zu einer Vermeh-
rung von Faktenwissen führen könnten. (vgl. Berke 1957, 117)
Neben diesen vier Entwicklungen dürfte auch die veränderte gesellschaftliche Einstellung zur
wirtschaftlichen Bildung der Grund für den Aufbau von Wirtschaftsoberschulen gewesen sein.
Deren Hauptaufgabe wurde nicht darin gesehen, eine Alternative zum kaufmännischen Beruf zu
bieten. Die Hochschulzugangsberechtigung war zunächst nur eine Frage des Ansehens, da etwa vier
Fünftel der Absolventen nach der Schule direkt in einen kaufmännischen Beruf wechselten. (vgl.
Georg./Kunze 1981, 126 f.)
Wegen der von Wilhelm von Humboldt ausgelösten neuhumanistischen Veränderungen befanden
sich in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts Wirtschaftsoberschulen zunächst nur in
Sachsen und Baden. Dort wurden sie auch unter den Bezeichnungen Höhere Handelslehranstalt oder
Oberhandelsschule geführt. (vgl. Berke 1957, 121) In Preußen bestanden um die Jahrhundertwende
lediglich erste Pläne für die Einrichtung von Wirtschaftsoberschulen. Diese sollten durch die Umstruk-
turierung der Höheren Handelsschulen aufgebaut werden. Das Konzept scheiterte jedoch an der
preußischen Regierung und an den Zulassungsvoraussetzungen der Handelshochschulen, die ein
Studium ohne Reifezeugnis ermöglichten. In den folgenden Jahren etablierten sich die Handelshoch-
schulen. Sie wurden zu wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten und erhielten somit den vollen
Universitätsstatus.
Da die Wirtschaftsoberschule eine auf das Studium der Wirtschaftswissenschaften beschränkte
Hochschulreife erteilte, konnten die Lernenden nur durch die Teilnahme an einer „Nichtschülerreife-
prüfung“, später „Ergänzungsprüfung“ genannt, an allen Fakultäten studieren. Das erschien jetzt den
in den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten integrierten Handelshochschulen als diskriminierend
für den eigenen Studiengang. In der Hoffnung, die Geringschätzung der Betriebswirtschaftslehre als
Handlungs- und Profitlehre abzubauen, plädierte man für eine Vorbildung am allgemeinbildenden
Gymnasium. Unter diesem Druck war die Wirtschaftsoberschule für eine Minderheit von Absolventen
gezwungen, die „gymnasialen Inhalte“ in den Stundentafeln auszudehnen, um die allgemeine
Hochschulreife erteilen zu können. Als 1937 die Lehrabschlussprüfung als Voraussetzung für den
Einstieg in einen Kaufmannsberuf eingeführt wurde und der Abschluss der Wirtschaftsoberschule die
kaufmännische Ausbildung, genau wie alle anderen gymnasialen Varianten, um nicht mehr als ein Jahr
verkürzte, verlor die Wirtschaftsoberschule für Lernende mit „nur“ beruflichen Ausbildungszielen
immer mehr an Attraktivität. (vgl. Georg/Kunze 1981, 127)
Bereits in der frühen Nachkriegszeit hatte in den wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulen eine
erneute Diskussion um die Zugangsberechtigung begonnen, bei der wiederum für eine Abschaffung
der Wirtschaftsoberschulen plädiert wurde. Die Hochschullehrerinnen und -lehrer sahen in den
Institutionen der allgemeinen Gymnasien einen größeren propädeutischen Effekt als in den Wirt-
schaftsoberschulen. Daher wurden in Deutschland ab 1958 neben den Wirtschaftsoberschulen
zusätzlich Wirtschaftsgymnasien eingerichtet. Diese waren überwiegend den allgemeinbildenden
11
Gymnasien zugeordnet, da sie außer durch das Fach Wirtschafts- und Soziallehre keinen differenzier-
ten Wirtschaftsunterricht anboten. Im Gegensatz zu den Wirtschaftsoberschulen wurden auch keine
Handelsschulabsolventen aufgenommen und als Abschluss wurde die Allgemeine Hochschulreife
erteilt. In Schleswig-Holstein wurde diese Besonderheit nicht eingeführt.
Als wesentliche Hemmnisse für den Aufbau der Wirtschaftsoberschulen in Schleswig-Holstein
sind die Weltwirtschaftskrise und die Machtergreifung der Nationalsozialisten zu nennen. Letztere
wollten sich der Vereinheitlichung des Berufs- und Fachschulwesens zuwenden, bevor die Wirt-
schaftsoberschulen reorganisiert werden sollten (vgl. Berke 1957, 121 f.). Wirtschaftsoberschulen, die
immer als die unmittelbaren Vorgänger des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - dargestellt
werden, wurden in Schleswig-Holstein erst 1948 und dann zunächst nur an den Standorten Flensburg,
Kiel und Lübeck eingeführt. In Lübeck wurde die Wirtschaftsoberschule anfangs sogar zweizügig
eingerichtet. Der sogenannte „B-Zug“ wandte sich an Lernende mit dem Abschlusszeugnis der
Volksschule und einer mit „sehr gut“ bestandenen Kaufmannsgehilfenprüfung. Hiermit wurde den
Jugendlichen nach dem Krieg die Chance gegeben, das Abitur nachzuholen. Von den 32 im ersten
Jahrgang aufgenommenen Schülerinnen und Schülern erreichten aber nur 18 den Abschluss, der ein
Studium der Wirtschaftswissenschaften und mit Ausnahmegenehmigung der Universität auch ein
Studium der Rechtswissenschaften ermöglichte. In dieser Zeit nutzte jedoch nur ein Fünftel der
Lernenden die Möglichkeit zum Studium. Die Einrichtung des „B-Zuges“ erfolgte nur einmal, da die
Nachfrage in den folgenden Jahren nicht mehr groß genug war. (vgl. Richter 1988, 7)
Da die Wirtschaftsoberschule als dreijährige „Aufbauschule“ organisiert war, kamen in den
folgenden Jahren als Aufnahmevoraussetzungen das Versetzungszeugnis in die Obersekunda eines
Gymnasiums, das Abschlusszeugnis einer Realschule, der Abschluss an einer zweijährigen Handels-
schule (mit zusätzlichen Aufbaukursen in Mathematik, Physik und Chemie) oder der Abschluss einer
dreijährigen kaufmännischen Berufsausbildung mit „gutem Erfolg“ (mit einem zweijährigen Aufbau-
kurs in Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie und Geographie) in Betracht. Außerdem war
teilweise eine Aufnahmeprüfung in Deutsch, Englisch und Mathematik vorgesehen. (vgl. Richter
1988, 12 ff.)
Die Wirtschaftsoberschulen verliehen in Schleswig-Holstein zunächst nur die fachgebundene
Hochschulreife. Erst ab 1967 war es möglich, durch eine Ergänzungsprüfung die allgemeine Hoch-
schulreife zu erhalten. Die Prüfung bestand aus einem schriftlichen Teil in einer Fremdsprache und
Mathematik und aus einem mündlichen Teil. Die Zahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler
war gering. Bereits ein Jahr später wurde die Ergänzungsprüfung im schriftlichen Teil auf die „zweite“
Fremdsprache (Französisch oder Spanisch) reduziert. Die Teilnehmerzahl stieg aber auch in den
folgenden Jahren nicht an, da ab 1970 nur noch diejenigen die Prüfung ablegen mussten, die in einem
anderen Bundesland an einer nichtwirtschaftswissenschaftlichen Fakultät studieren wollten. (vgl.
Richter 1988, 25 ff.)
Im Jahre 1968 erfolgte in Schleswig-Holstein die Umbenennung der Wirtschaftsoberschule in
Wirtschaftsgymnasium. Mit dem neuen Namen ging eine wesentliche Kürzung des wirtschaftswis-
12
senschaftlichen Unterrichts zugunsten allgemeiner Fächer einher. Die Aufnahmeprüfungen wurden
abgeschafft und stattdessen wurden von den Bewerbern besondere Leistungen im Realschulzeugnis in
den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Erdkunde und Geschichte oder Politische Bildung
(Gegenwartskunde, Gemeinschaftskunde) als Voraussetzung gefordert. Außerdem wurden berufsqua-
lifizierende Leistungen sowie die Ableistung des Wehr-/Zivildienstes oder eine mindestens einjährige
Wartezeit positiv berücksichtigt. Außerhalb von Schleswig-Holstein war für ein anderes als das
wirtschaftswissenschaftliche Universitätsstudium immer noch eine Ergänzungsprüfung erforderlich.
(vgl. Landeshauptstadt Kiel 1978, 51 ff.)
Die Umbenennung in Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - erfolgte 1971 und führte in
Schleswig-Holsteins an fast allen Kreisberufsschulen zum Aufbau von drei der vier Fachgymnasiums-
typen. Wichtiger als der Namenswechsel war aber die Umsetzung der von der Kultusministerkonfe-
renz 1972 beschlossenen reformierten gymnasialen Oberstufe im Jahre 1977. Diese hatte zwar keine
wesentliche Änderung der Stundenzahl der wirtschaftsbezogenen Fächer zur Folge, aber im Vergleich
zum Wirtschaftsgymnasium nahmen die Wahlmöglichkeiten für die Lernenden in den letzten beiden
Schuljahren vordergründig zu. Die Bestimmungen der Ergänzungsprüfung wurden gegenstandslos.
Erst ab 1980 wurde die uneingeschränkte bundesweit (landesweit bereits 1970) gültige Allgemeine
Hochschulreife erteilt, die es bereits ab 1977, jedoch nur mit Zusatzvermerk im Zeugnis, gab. Durch
weitere Erlasse erfolgten noch einige Änderungen im Kurssystem und Beschränkungen zur Wahl der
Abiturprüfungsfächer, die alle dazu führten, dass die allgemeinbildenden Fächer ein noch größeres
Gewicht bekamen. (vgl. Richter 1988, 10 f.)
Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass die Handelshochschulen zunächst die Schaffung von
Wirtschaftsoberschulen förderten. Als sie jedoch ihr Ziel, die Anerkennung als universitäre Fakultäten,
erreicht hatten, entwickelten sich die Handelshochschulen zu den schärfsten Gegnern dieses Schultyps.
Durch diesen Druck waren die Wirtschaftsoberschulen gezwungen, auch die allgemeine Hochschulrei-
fe als Abschluss zu vergeben. Dadurch verlagerten sich die Unterrichtsinhalte immer mehr zu den
allgemeinbildenden Bereichen, und der auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer so wichtige
direkte Übergang der Absolventinnen und Absolventen in den kaufmännischen Beruf verlor an
Bedeutung. Die KMK-Vereinbarung zur gymnasialen Oberstufenreform von 1972 verstärkte diesen
Prozess und verhinderte den Aufbau einer wirtschaftsbezogenen Bildung, da das Kurssystem eine
immer größere Fächerung notwendig machte. So wie der Merkantilismus dazu beigetragen hat, dass
wirtschaftliche Bildung ein Bestandteil im Schulsystem wurde, so förderte der Neuhumanismus die
Besinnung auf das Klassische und weniger auf die wirtschaftliche Bildung im allgemeinbildenden
Schulbereich. Das letzte Jahrhundert verschmolz die oben beschriebenen Entwicklungen des Merkan-
tilismus mit denen des Neuhumanismus und brachte durch die Weiterentwicklung der Wirtschafts-
oberschule zum Fachgymnasium- wirtschaftlicher Zweig - einen neuen Schultyp hervor, in dem der
Fachschul- und auch der Berufsfachschulcharakter, d. h. die Vorbereitung auf Wirtschaftsberufe,
weitgehend verloren gegangen ist.
13
2.2 Der organisatorische Aufbau - Wahlfreiheit im Kurssystem
Die Organisation des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - in Schleswig-Holstein wird im
Wesentlichen durch die Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 07.07.1972
(Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II) und vom
02.12.1977 (Empfehlungen zur Arbeit in der gymnasialen Oberstufe gem. Vereinbarung...) bestimmt,
die ihre aktuelle schulische Umsetzung durch die KMK-Vereinbarung vom 28.02.1997 sowie letztlich
durch Landesverordnungen und Handreichungen (vgl. Ständige Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland o. Jg.) finden.
Zum Kern der reformpädagogischen KMK-Bestrebungen der sechziger Jahre „gehörten vor allem
• die Herstellung höchstmöglicher Chancengerechtigkeit im Bildungswesen,
• die Individualisierung des Bildungsangebotes,
• die optimale Förderung jedes einzelnen Kindes.“ (Giesecke 1998, 20 f.)
Diese Prinzipien sind bis in die heutige Zeit durch Übertreibungen und Irrtümer verfälscht worden, so
dass die Erziehungswissenschaften in den Ruf gekommen sind, keine Lösungen für die Praxis bieten
zu können. (vgl. Giesecke 1998, 20 f.)
In Schleswig-Holstein sind die Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - seit ihrer Gründung den
berufsbildenden Wirtschaftsschulen zugeordnet und unterliegen gleichzeitig den Strukturen der
allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe. Der Beschulungszeitraum beträgt grundsätzlich drei
Schuljahre und kann sich nur durch ein Wiederholungsjahr sowie eine erneute Abiturprüfung
verlängern. Mit der Entscheidung für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - werden die in der
gymnasialen Oberstufe sonst üblichen Kurswahlmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Als Schwer-
punktfach, das ist die Bezeichnung für das wichtigste „berufsbezogene“ Fach in der 11. Klasse und
damit als zweiter Leistungskurs des 12. und 13. Schuljahres, steht das Fach Wirtschaftstheorie und -
politik mit dem ersten Schultag fest.
Um das Wesen der Fachgymnasien darzustellen, wird häufig auf die Beschreibung der o. g. KMK-
Vereinbarungen zur gymnasialen Oberstufe zurückgegriffen oder es werden die historischen Entwick-
lungen, die in den siebziger Jahren zur Strukturänderung der Oberstufe führten, aufgezeigt. Letztlich
können dadurch die aktuellen Besonderheiten und Probleme der Fachgymnasien kaum herausgearbei-
tet werden. Die folgenden Darstellungen füllen diese Lücke und beschreiben die schul- und unter-
richtspraktischen Auswirkungen des o. g. Rahmens für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -.
Ziel ist es, die bestehenden „Freiheiten“ und „Einschränkungen“ des Kurssystems, die in der Literatur
für die allgemeinbildenden Gymnasien sehr umfassend z. B. von Arno Schmidt (vgl. 1994, 322 ff.)
und Klaus Westphalen (vgl. 1979) dargestellt werden, auch für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - aufzuzeigen. Für die Analyse wird der organisatorische Aufbau des Fachgymnasiums in drei
Teilbereiche gegliedert, in denen die wesentlichen Strukturen dargestellt werden.
14
Der Abschnitt 2.2.1 erläutert die Unterrichtsorganisation, d. h. die Fächer- und Kursstrukturen. Mit
dem Abschnitt 2.2.2 folgt eine Beschreibung der möglichen Abschlüsse, die für die Lernenden
erreichbar sind. Will man zu einer fundierten Beurteilung der Wirtschaftsbildung im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - kommen, muss die Wirkung der komplexen Organisationsstruktur auf die
Lernenden berücksichtigt werden. Dieser Aspekt wird durch den Abschnitt 2.2.3 in einer getrennten
Analyse besonders hervorgehoben.
2.2.1 Die Unterrichtsorganisation
Für die Betrachtung der bestehenden Unterrichtsorganisation wird der dreijährige Schulzeitraum in
nur zwei Abschnitte, die Einführungsphase (11. Jahrgangsstufe) und die Qualifikationsphase (12. und
13. Jahrgangsstufe) geteilt. In der 11. Jahrgangsstufe wird der Unterricht im Klassenverbund
durchgeführt. Das erste Jahr hat im Fachgymnasium eine doppelte „Gelenkfunktion“ (Schmidt 1994,
334) oder auch „Brückenfunktion“ (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1998 a, Abschnitt 5.1). Auf der einen Seite müssen die
Lernenden den Wechsel an einen bisher unbekannten Schultyp verkraften, und auf der anderen Seite
ist dieses Jahr besonders durch die Vorbereitung auf das Kurssystem geprägt. Zunächst bedeutet dieser
Schultyp für die Lernenden eine neue Klassenzusammensetzung, eine Umstellung auf bisher unbe-
kannte wirtschaftsbezogene Fächer und evtl. auch auf eine neu zu beginnende zweite Fremdsprache.
Zusätzlich müssen die Lernenden am Ende des Schuljahres den ersten Leistungskurs aus den Fächern
Deutsch, Mathematik und Englisch wählen. Die Lehrenden haben die Aufgabe, die unterschiedlichen
Leistungsniveaus der Jugendlichen mit den Anforderungen in Einklang zu bringen, auf die Arbeits-
weise im Kurssystem vorzubereiten, die Persönlichkeitsentwicklung weiter zu fördern und die
Sozialkompetenz zu erweitern.
Diese Aufgaben kann das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - seit einigen Jahren bei 40
Schulwochen und fachlich überfrachteten Lehrplänen immer weniger erfüllen. Hohe Schülerzahlen im
11. Jahrgang (32 Lernende), Probleme in den Lernfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, die
Zunahme von Konzentrationsschwächen, ein unterschiedliches Niveau der Realschulabschlüsse, die
von den Zubringerschulen abhängen und deren Qualifikationsstufe nicht an den Noten erkennbar ist,
veränderte Einstellungen zur Leistung sowie zur Anwesenheitspflicht machen es immer schwieriger,
die Lernenden auf die Anforderungen des Kurssystems vorzubereiten, obwohl durch § 1 Absatz 3 der
Fachgymnasiumsverordnung von 1999 als Aufnahmebedingung ein Notendurchschnitt „von besser als
3,0“ (vgl. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-
Holstein 1999) vorgeschrieben wird.
Konnte im 11. Jahrgang die Sozialkompetenz im Klassenverbund aufgebaut werden, wird sie mit
dem Kurssystem wieder einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. In den allgemeinbildenden
15
Gymnasien sind die Jugendlichen seit der Unterstufe zusammen. Hier mag die Überführung in das
Kurssystem eine sinnvolle Erweiterung der Persönlichkeitsbildung sein. Ein Schuljahr im Fachgymna-
sium ist hierfür jedoch nicht ausreichend. Wenn mindestens 13 Fächer in der Woche (bis auf Deutsch,
Mathematik, Englisch und Wirtschaftstheorie und -politik sind alle zweistündig) unterrichtet werden
und jedes Fach durch andere Lehrerinnen und Lehrer vertreten wird, kann das zu keinen engen
Bindungen und Kontakten zwischen Lernenden und erst recht nicht zu den Lehrenden führen.
Die Arbeitsweise der Lehrerinnen und Lehrer orientiert sich zwangsweise an der inhaltlichen
Weitergabe der fachlich überfrachteten Lehrpläne in der Methodik des Frontalunterrichts. Dieses wird
zusätzlich noch dadurch begünstigt, dass die Fachgymnasien den Berufsschulen zugeordnet sind, in
denen der Unterricht schon immer sehr kognitiv und fachberuflich sowie -wissenschaftlich ausgerich-
tet war.
Die Unterrichtsstunden werden zusätzlich durch bürokratische Regelungen weiter verkürzt. So
beginnt jeder Lehrerwechsel mit der Kontrolle und Eintragung der Anwesenheit. Die Klassenlehrer,
meist diejenigen mit dem Fach Wirtschaftstheorie und -politik, haben in ihren vier Unterrichtsstunden
(häufigste Aufteilung: zweimal 90 Minuten) noch weitere Aufgaben zu übernehmen: Kontrolle aller
Entschuldigungen, Mahnungen, Hinweise auf schulische und außerschulische Veranstaltungen,
Diskussionen über Probleme mit Kolleginnen und Kollegen, Erläuterungen zum bevorstehenden
Kurssystem. Angesichts dieser zusätzlichen Aufgaben schrumpft die für den Fachunterricht verfügbare
Zeit um mindestens ein Drittel und behindert somit auch den Einsatz neuer Lernmethoden.
Mit der 12. Jahrgangsstufe beginnt das Kurssystem. Die KMK bezeichnet diese beiden Kursschul-
jahre als „Qualifikationsphase“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in
der Bundesrepublik Deutschland 1997 e, 2). Ziel ist es, den Jugendlichen eine breit gefächerte,
individuelle Bildung über die angebotenen Kulturbereiche zu vermitteln und gleichzeitig die Ver-
gleichbarkeit der Abschlüsse zu garantieren. Durch das Kurssystem trifft sich die gesamte „Klasse“
nur noch im zweiten Leistungskurs Wirtschaftstheorie und -politik und in den Pflichtgrundkursen
Physik und Rechnungswesen. Das Kurssystem ermöglicht den Lernenden die Wahl von Kursen aus
drei Aufgabenfeldern, deren Systematik den allgemeinbildenden Gymnasien entspricht.
Die drei Aufgabenfelder umfassen nach § 3 der FgVO im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig
- folgende Kurse (vgl. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes
Schleswig-Holstein 1999):
1. Aufgabenfeld (sprachlich-literarisch-künstlerisch): Deutsch, Literatur, Kunst, Musik Englisch
und weitere Fremdsprachen (überwiegend Französisch und Spanisch);
2. Aufgabenfeld (gesellschaftswissenschaftlich): Gemeinschaftskunde, Wirtschaftstheorie und -
politik, Rechtslehre, Wirtschaftsgeographie;
3. Aufgabenfeld (mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch): Mathematik, Physik, Rech-
nungswesen, Informatik.
16
Religion und Philosophie sowie Sport und evtl. andere Kurse wurden den Aufgabenfeldern nicht
zugeordnet. Gleichwohl müssen diese Kurse in gewissem Umfang von allen Lernenden besucht
werden.
Die Leistungskurswahl beschränkt sich im Fachgymnasium auf den ersten Leistungskurs, wobei
die Wahl nur zwischen den Fächern Deutsch, Englisch oder Mathematik erfolgen darf. Eine Entschei-
dung für Deutsch bedeutet, dass Englisch oder Mathematik unter den beiden weiteren Abiturprüfungs-
fächern sein muss. Für Englisch und Mathematik gibt es entsprechende Wahlbeschränkungen. Hiermit
soll bei den Lernenden die „Grundbildung“ gewährleistet werden. Aufgrund des Kurssystems müssen
die Leistungskurse Deutsch, Englisch und Mathematik immer auch als Grundkurse angeboten werden.
Eine angemessene inhaltliche Abgrenzung zwischen Leistungs- und Grundkursen ist bis heute nicht
geglückt. (vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 1994,
503 ff.). So sind z. B. in Mathematik der Stoffumfang und häufig auch die Arbeitsweise in beiden
Kursarten die gleichen, und es gibt Fälle, in denen z. B. die Lernenden des Grundkurses Mathematik
tiefergehende Kenntnisse erwerben als die Lernenden im entsprechenden Leistungskurs.
Neben den beiden Leistungskursen sind aus jedem der Aufgabenfelder und Bereiche Pflicht- und
Wahl-Grundkurse zu belegen. Die folgenden Pflicht-Grundkurse müssen im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - grundsätzlich über vier Kurshalbjahre hinweg besucht werden, soweit sie
nicht Leistungskurse sind: Deutsch, Mathematik, die Fremdsprache, Physik, Rechnungswesen und
Sport. Pflicht-Grundkurse für mindestens zwei Kurshalbjahre sind Gemeinschaftskunde, Literatur, die
Fremdsprache, Religion oder Philosophie. Wahl-Grundkurse können die Lernenden aus den Pflicht-
Grundkursen mit einer Kurszahl von weniger als vier Kursen wählen oder die noch nicht genannten
Kurse der Aufgabenfelder einbeziehen, um eine „individuelle Bildung“ zu erreichen. Reine Wahlkurse
sind an den Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - meist auf die Fächer Informatik, Wirtschaftsge-
ographie und evtl. Englisch beschränkt. Die Lernsituation wird verschärft durch den Stundenplan, der
eine Anwesenheit bis in die späten Nachmittagsstunden erfordert und mehr als 30 Unterrichtsstunden
umfassen kann. Wenn die Kurse weit auseinander liegen, also bei einer ungünstigen Kurskombination,
sind die Lernenden bis zu 40 Stunden in der Schule. Die durch die Wahlmöglichkeiten entstehenden
Freistunden können die Lernenden häufig wegen mangelnder „Freizeit“-Räumlichkeiten (z. B.
Bücherei) in der Schule nicht sinnvoll nutzen. (vgl. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999, § 4 ff.)
Die Darstellung der Kurssystematik für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - vermittelt
aber leider noch keine vollständige Information über die tatsächliche Unterrichtssituation in den
Schulen des Landes. So werden z. B. die Kurse in Religion und Philosophie in Jahrgangsstufen
zusammengefasst. In Sport werden gleichzeitig unterschiedliche Kurse angeboten, und es bestehen
zum Teil auch Wahlmöglichkeiten für andere Fremdsprachen (z. B Türkischkurse). Rechtslehre wird
auch jahrgangs- bzw. schultypübergreifend in zwei Wochenstunden unterrichtet und Kunst- sowie
Musikkurse werden im allgemeinen erst gar nicht erteilt. Literatur wird nur in der 12. oder 13.
Jahrgangsstufe angeboten, und teilweise werden Leistungskurse mit reduzierter Stundenzahl unterrich-
17
tet. Berufsorientierung wird in drei Schuljahren maximal in einer Doppelstunde durch die Berufsbera-
tung des Arbeitsamtes in der Schule vermittelt.
Insgesamt betrachtet, hatte die Oberstufenreform bewirkt, dass an die Stelle der profilierten
allgemeinbildenden Gymnasialtypen ein System von Kursen mit Pflicht- und Wahlangeboten auf
unterschiedlichem Niveau (Grund- und Leistungskurse) trat. Dadurch erweiterte sich das Unterrichts-
angebot der allgemeinbildenden Gymnasien und führte vielleicht zu der gewünschten Individualisie-
rung durch Differenzierung und Spezialisierung bei gleichzeitiger Berücksichtigung der gesellschaftli-
chen Ansprüche an die Allgemeinbildung der Lernenden. Die Übertragung des Kurssystems auf die
Fachgymnasien führte nicht zu einer Erweiterung des Angebotes, sondern lediglich zu einer Verschie-
bung der Unterrichtsstundenzahl zugunsten der allgemeinbildenden Fächer (siehe auch Abschnitt
2.1.3). Tendenziell begünstigt das Kurssystem des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig -
Lernende mit Interessen- und Leistungsschwerpunkten, sofern sie den entsprechenden fachgymnasia-
len Angeboten der Aufgabenfelder entsprechen. Schwieriger ist das Kurssystem für diejenigen
Lernenden, die ohne „eigenes Profil“ und dann auch noch mit schwachen und sehr unterschiedlichen
Leistungen diesen Schultyp auswählen. (vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht am Max-Planck-Institut
für Bildungsforschung 1994, 501 ff.)
In Grundkursen, die in maximal vier Stunden pro Woche Inhalte vermitteln, kann ein gemeinsames
Lernen oder sogar soziales Lernen kaum erreicht werden. Kritiker sehen durch die Einführung des
Kurssystems die Selbstverwirklichung des Einzelnen in den Vordergrund treten, wobei die soziale
Verantwortung für die Mitschüler und Mitschülerinnen an Bedeutung verliert. Von den Lernenden der
allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe wird der Verlust des Klassenverbundes teilweise als
„unangenehm“ und „belastend“ beschrieben. (vgl. Schmidt 1994, 327 ff.) Diese Aussagen treffen in
verstärkter Form auch auf das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zu, da der Fächerkanon
einige Veränderungen erfährt und die Lernenden aus unterschiedlichen Zubringerschulen kommen. Sie
brauchen den Klassenverbund für eine längere Zeit, um sich an der neuen Schule „einzurichten“.
Ein weiteres Problem wird in der Kursfrequenz, die die Anzahl der Lernenden pro Kurs angibt,
deutlich. Während der zweite Leistungskurs, also ausgerechnet der profilgebende Kurs, immer der
Klassenstärke entspricht und damit nicht selten zwanzig Lernende umfasst, findet man besonders im
Mathematik-Leistungskurs Kursstärken von weniger als zehn Lernenden. Das gleiche Problem stellt
sich für die Grundkurse noch gravierender dar. Hier finden sich besonders im Fremdsprachenbereich
und bei mehreren Wahlmöglichkeiten Kursfrequenzen, die manchmal gerade noch aus fünf Lernenden
bestehen. Dieses ist pädagogisch und in Zeiten leerer Haushaltskassen unverantwortlich. Da hilft es
auch wenig, wenn Grundkurse aus Lernenden unterschiedlicher Jahrgangsstufen zusammengesetzt
werden. Pädagogisch werden die Verhältnisse umgekehrt, denn in den Leistungskursen sollte intensiv
wissenschaftspropädeutisch gearbeitet werden, was aber nur mit kleinen Kursstärken gelingen kann.
18
Der dreijährige Schulzeitraum muss in der gymnasialen Oberstufe gemäß Oberstufenreform in zwei
unterrichtsorganisatorische Phasen geteilt werden. Auf den Klassenverbund im 11. Jahrgang folgt im
12. und 13. Jahrgang das Kurssystem. Anders als in der allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe
hat das Fachgymnasium im 11. Jahrgang nicht nur das Problem, auf das Kurssystem vorzubereiten,
sondern muss zusätzlich eine neue Klassengemeinschaft hervorbringen. Ab dem 12. Jahrgang, also im
Kurssystem, kann im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nur ein Leistungskurs zwischen den
Fächern Deutsch Englisch und Mathematik „frei gewählt“ werden. Da die Wahl des ersten Leistungs-
kurses die Zuordnung von Wahlgrundkursen bestimmt, wird die Auswahl für die Lernenden sehr
begrenzt. Insgesamt können weder Klassenverbund noch Kurssystem die Aufgaben so erfüllen, wie es
die gymnasiale Oberstufenreform vorgesehen hat.
2.2.2 Die Abschlüsse
Während für die unterrichtsorganisatorische Betrachtung die letzten beiden Jahrgangsstufen zusam-
mengefasst wurden, ist es bei der Beschreibung der Abschlüsse umgekehrt. Generell wird auch an den
Fachgymnasien nach Abschluss der 12. Jahrgangsstufe die Fachhochschulreife und am Ende des
dritten Jahres die allgemeine Hochschulreife vergeben. Die Abschlüsse des Fachgymnasiums sind
heute, entsprechend § 22 des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (Ministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999 a) im vollen Umfang
gleichwertig mit denen der allgemeinbildenden Gymnasien.
Die Fachhochschulreife beinhaltet einen schulischen und einen berufspraktischen Teil. Nach dem
zweijährigen Besuch des Fachgymnasiums kann nur der schulische Teil der Fachhochschulreife erteilt
werden. Dieser Abschluss berechtigt in Schleswig-Holstein grundsätzlich zu einem Fachhochschulstu-
dium. Für die anderen Bundesländer wird daneben meist noch der Abschluss einer Berufsausbildung
oder eines Praktikums vorausgesetzt.
Der Besuch des Fachgymnasiums mit dem Ziel der Fachhochschulreife bietet sich nur für die
Jugendlichen an, die direkt aus der allgemeinbildenden Realschule oder den beruflichen Vollzeitschu-
len kommen, weil dieser Abschluss sonst auch durch Zusatzunterricht in der Berufsschule während
einer Berufsausbildung oder durch den Besuch der einjährigen Fachoberschule und Berufsoberschule
erreichbar wäre.
Eine besondere Prüfung ist für die Erlangung der Fachhochschulreife im Fachgymnasium nicht
erforderlich. Die Punkte in Deutsch, einer Fremdsprache, Mathematik, Wirtschaftstheorie und -politik,
Gemeinschaftskunde und Physik ergeben die Gesamtpunktzahl, die in den Leistungskursen, als
Ausdruck der stärkeren Gewichtung, doppelt in die Gesamtnotenberechnung eingehen. Zusätzlich
wird in mehr als der Hälfte der Kurse eine Leistung von mindestens fünf Punkten (als Note eine
mittlere Vier) verlangt. Die Fachhochschulreife wird erteilt, wenn die Lernenden in 15 Kursen (12
19
vorgeschriebene und drei freie Kurse) insgesamt 95 Punkte erreichen. (vgl. Die Ministerin für
Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1990) Diese Gewichtung
soll eine umfassende „allgemeine Bildung“ gewährleisten. In der Schulpraxis verlassen nur wenige
Lernende das Fachgymnasium mit der Fachhochschulreife, selbst wenn sie „nur“ die Aufnahme eines
Fachhochschulstudiums planen.
Nach dreijährigem Schulbesuch kann im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - die Allgemeine
Hochschulreife erworben werden, die mit der Abiturprüfung verbunden ist. Die Zulassung zur
Abiturprüfung hängt vom Erreichen von vorgegebenen Einzelpunkten und Punktsummen ab, die aus
acht Leistungs- und 22 Grundkursen, durch die Abiturprüfungsfächerkombination zum größten Teil
festgelegt sind. Die Abiturprüfungsverordnung geht davon aus, dass grundsätzlich zwei Wahlgrund-
kurse besucht wurden, die zur Einbringung in die Abiturzulassung berücksichtigt werden. Insgesamt
sind für die Lernenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - fast 200 Fächerkombinationen
möglich, aus denen sich über 70 unterschiedliche Kurskombinationen mit Beleg- und Einbringpflich-
ten ergeben.
Belegpflichtig sind alle Leistungskurse, Pflichtgrundkurse und die Kurse im dritten und vierten
Abiturprüfungsfach. Die Einbringungspflichtigen ergeben sich aus der Abiturprüfungsfächerkombina-
tion. Durch die zusätzliche Wahl einer Facharbeit, die im zweiten und dritten Kurshalbjahr in einem
der beiden Leistungskurse zu schreiben wäre, können die Lernenden entscheiden, ob sie sich die
beiden Leistungskurse des vierten Kurshalbjahres oder die Facharbeit mit doppelter Punktzahl
„anrechnen“ lassen möchten. Zukünftig wird es darüber hinaus nach § 12 Absatz 1 FgVO wahlweise
auch möglich sein, eine „besondere individuelle Lernleistung“ (Die Ministerin für Bildung, Wissen-
schaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999), z. B. eine Projektarbeit in die
Abiturleistung einzubeziehen. Wenn die Lernenden aufgrund ihrer bisherigen Leistungen nachweisen,
dass sie die Zulassungsvoraussetzungen für die mündliche Abiturprüfung erfüllen könnten, dürfen sie
zunächst an der schriftlichen Abiturprüfung teilnehmen.
Die Prüfungsaufgabenvorschläge werden in Schleswig-Holstein von dem jeweiligen Fachgymna-
sium bei der Schulaufsicht zur Kontrolle eingereicht. Bei der Erstellung der Aufgabenvorschläge
haben die jeweils betroffenen Kurslehrerinnen und -lehrer, die „Einheitlichen Prüfungsanforderungen
in der Abiturprüfung“ (EPA) für den entsprechenden Kurses zu beachten. Die EPA´s basieren auf
KMK-Beschlüssen und stellen eine Orientierungs- und Normierungshilfe für die Aufgabenerstellung
dar. Neben dem Ziel der bundeseinheitlichen Gestaltung der Abituranforderungen sollen die EPA´s
auch eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse gewährleisten.
Die Durchführung der schriftlichen Abiturprüfung erfolgt an mehreren Tagen in der ersten
Hälfte des vierten Kurshalbjahres. Mit den Abiturprüfungskursen müssen alle drei Aufgabenfelder
abgedeckt sein. Sie wird in den beiden Leistungskursen und in einem Grundkurs schriftlich abgelegt.
In einem weiteren Grundkurs ist von Lernenden eine mündliche Prüfung abzulegen. Den Lernenden
ist die Zuwahl von weiteren mündlichen Prüfungen nach der Bekanntgabe der schriftlichen Leistungen
erlaubt. Die Hochschulzugangsberechtigung wird seit der Oberstufenreform, im Gegensatz zur alten
20
Abiturprüfung (mit Haupt- Nebenfach bzw. Langzeit-Kurzzeitfach System), durch das erfolgreiche
Bestehen einer Abschlussprüfung (Abiturprüfung) in Verbindung mit der Summe der Leistungen aus
vier Kurshalbjahren erreicht.
Das Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife enthält mindestens die Punkte der belegpflichtigen
Kurse von vier Halbjahren und listet die erreichten Punkte in den Abiturprüfungsfächern auf.
Zusätzlich wird eine Durchschnittsnote ausgewiesen. Diese berechnet sich aus dem Ergebnis der
Abiturprüfung, die eine Momentaufnahme der Leistungen darstellt, der Punktzahl der vier Kurshalb-
jahre sowie evtl. einer Facharbeit. Da die Durchschnittsnote durch die Addition von Leistungen
entsteht, die teilweise vor längerer Zeit erbracht wurden, wird die Berechnung als Credit-System
bezeichnet.
Offen bleiben in diesem Zusammenhang die Fragen, wie die Leistungen der Lernenden der
Fachgymnasien -wirtschaftlicher Zweig- im Vergleich zu Lernenden der allgemeinbildenden
Gymnasien ausfallen und wie es um die gesellschaftliche und besonders die beschäftigungsbezogene
Anerkennung dieser Abschlüsse bestellt ist. Positive Aussagen über die Chancen von Jugendlichen mit
einem Abschluss im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - am Arbeitsmarkt sind in den letzten
Jahren schon häufiger von den Lehrerverbänden (vgl. Perczynski 1996, 13 ff.) und einigen Zeitschrif-
ten veröffentlicht worden. Letztlich ist die Frage objektiv nur schwer zu beantworten, da z. B. die
Jungen nach dem Schulabschluss meist ihren Wehrdienst oder Zivildienst ableisten und die Mädchen
häufig ein Studium beginnen. Ältere Untersuchungen, wie z. B. die von Walter Georg (vgl. 1976), in
der auch Suggestivfragen gestellt wurden, dürften für die heutige Zeit kaum noch Gültigkeit besitzen.
Eine der wenigen Untersuchungen, die die Kenntnisse von Fachgymnasiasten und kaufmännischen
Auszubildenden im wirtschaftlichen Bereich vergleichen, ist die von Klaus Beck (vgl. 1993 und
1997). Die Ergebnisse seiner empirischen Tests fallen für die wirtschaftliche Bildung der Lernenden
des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - wesentlich schlechter aus, als sie von Verbänden und
Medien zur Zeit dargestellt werden. Diese Ergebnisse decken sich auch mit meinen Lehrerfahrungen
im Fachgymnasium und in der Universität.
Unternehmen führen heute Bewerbungstests durch und orientieren sich nur noch in ihrer Voraus-
wahl an den Schulnoten. Denn was für die Noten von Realschülerinnen und Realschülern bestimmter
Schulen gilt, trifft auch auf die Fachgymnasien zu: Die Leistung wird von den Lernenden, den
Lehrenden und dem Schulstandort bestimmt. Der Vorteil des Fachgymnasiums liegt hauptsächlich in
der Vermittlung von vorberuflichen ökonomischen Kenntnissen, sofern die Lernenden die Aufnahme
eines Wirtschaftsstudiums planen oder wenn eine kaufmännische Ausbildung absolviert wird. Eigene
Erfahrungen aus der Berufsschule im Ausbildungsberuf Bankkauffrau/-mann und aus der Universität
im Bereich von Lehramtsstudenten/-innen des Faches Wirtschaft/Politik für allgemeinbildende
Schulen zeigen, dass diese besonderen Kenntnisse aus dem Wirtschaftsbereich schnell verloren gehen,
wenn die Lernenden nicht das „fächerübergreifende Denken“ gelernt haben. Wurde im Fachgymnasi-
um - wirtschaftlicher Zweig - der Schwerpunkt nur auf die Vermittlung von wirtschaftsberuflichem
21
Faktenwissen und nicht auf vernetztes Denken gelegt, so verlieren Fachgymnasiastinnen und
Fachgymnasiasten relativ früh ihren Bildungsvorsprung.
Durch die steigenden Schülerzahlen im Gymnasialbereich hat auch das Abitur immer mehr an Wert
verloren und ist heute häufig nicht mehr ausreichend, um einen Ausbildungsplatz in einem der
„Traumberufe“ zu erhalten. Wenn das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - seinen Standort im
Bildungssystem sichern will, sollte es sich wieder mehr auf seine Wurzeln besinnen. Es gab Zeiten, in
denen nicht so sehr das Abitur als Abschluss, sondern die dabei angeeignete Bildung im Vordergrund
stand und das Abitur nicht ausschließlich als „Sprungbrett“ für ein Hochschulstudium diente. (siehe
auch Unterkapitel 2.1)
Am Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - können die Fachhochschulreife und die Allgemeine
Hochschulreife erworben werden. Während letztere die Ablegung der sogenannten Abiturprüfung
erfordert, ist für die Fachhochschulreife nur das Erreichen einer bestimmten Gesamtpunktzahl
vorgeschrieben. Durch die gymnasiale Oberstufenreform von 1972 ist der Abiturprüfung viel von ihrer
„Schärfe“ genommen worden. Mit der Einführung des „Creditsystems“ ist der Notendurchschnitt nicht
mehr ausschließlich von einer Zeitpunktprüfung abhängig. Dagegen erfordern die Abiturprüfungsvor-
bereitungen sowohl auf Seiten der Lernenden als auch auf Seiten der Lehrenden viel Zeit und
beginnen daher bereits gegen Ende des dritten Kurshalbjahres, z. B. mit der Durchführung von
Übungsklausuren im dritten Abiturprüfungsfach. Es ist sehr zweifelhaft, ob die zeitaufwendige
Vorbereitung auf die Abiturprüfung heute noch als ein geeignetes Instrument zur Leistungssteigerung
bei den Lernenden angesehen werden kann und ob sie in der jetzigen Form für die Beurteilung der
Studier- und Berufsfähigkeit immer noch geeignet ist.
22
2.2.3 Die Schulwegbegleitung
Ein Aspekt, der in der Literatur zur gymnasialen Oberstufe häufig gar nicht oder nur am Rande
beachtet wird, ist die Darstellung des „Steuerungsaufwands“. Dieser hat durch die Oberstufenreform
erheblich zugenommen hat und damit entscheidenden Einfluss auf die Qualität der gymnasialen
Oberstufe. Die KMK-Expertenkommission widmet sich der Betreuung und Beratung von Lernenden
leider nur am Rande und sieht den Handlungsbedarf in erster Linie auf der Ebene des Kurssystems und
der Unterrichtsformen (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 1995). Dagegen ist aus dem Abschnitt 5.2 (Organisation und Beratung)
der alten KMK-Empfehlungen zur Arbeit in der gymnasialen Oberstufe gemäß Vereinbarung ... in der
Fassung vom 19.12.1988 zu entnehmen, dass die Beratung von Schülerinnen und Schülern als
„Prinzip“ der gymnasialen Oberstufe zu begreifen ist. „Sie ist als ein Angebot zu betrachten, das sich
nicht auf die offensichtlichen Problemfälle beschränken darf.“ (Ständige Konferenz der Kultusminister
der Länder in der Bundesrepublik Deutschland o. Jg., 5.2)
Für die Darstellung der Schulwegbegleitung ist eine zeitlich strukturierte Betrachtung grundsätzlich
weniger sinnvoll, da hierdurch hauptsächlich zeitpunktbezogene Verwaltungsarbeiten der Lehrenden
dargestellt würden. Geeigneter scheint es, den Aufwand nach Tätigkeitsbereichen zu systematisieren
und die daraus erwachsenden Probleme für die Lernenden des Fachgymnasiums -wirtschaftlicher
Zweig- aufzuzeigen. Die Schulwegbegleitung sollte in einen individuellen Betreuungsbedarf und die
allgemeine Oberstufenverlaufsplanung unterschieden werden, da es wiederkehrende Aufgaben und
Tätigkeiten gibt, die sich entweder auf einzelne Lernende oder auf Gruppen von Lernenden beziehen.
Die Steuerung des allgemeinen zeitlichen Ablaufs und der generellen Verwaltungsaufgaben wird
durch die schulischen Koordinatoren und die ministerielle Schulaufsicht ausgeführt. Zu den Aufgaben
der schulischen Oberstufenverlaufsplanung gehört u. a. die Aufnahme von neuen Lernenden. Der
Eintritt in ein Fachgymnasium erfordert den Realschulabschluss oder eine gleichwertige Qualifikation.
Die Bewerbung erfolgt mit dem letzten Halbjahreszeugnis vor dem entsprechenden Schulabschluss
direkt beim gewünschten Fachgymnasium. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen einen Noten-
durchschnitt „von besser als 3,0 erfüllen“ (Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999, §1 (3)). Ist die Zahl der Bewerber höher als die Anzahl
der vorhandenen Schulplätze, wird die Aufnahme nach der schulischen Leistung (Halbjahreszeugnis)
in fünf ausgewählten Fächern (Deutsch, Englisch, Mathematik, Erdkunde, Geschichte oder Wirt-
schaft/Politik oder zweimal Weltkunde in der Gesamtschule) und unter Beachtung von Wartelisten
sowie sozialen Härten durch die Schule bestimmt.
Im laufenden Schulbetrieb unterstützen und kontrollieren die Koordinatorinnen die Lehrenden
insbesondere bei Problemen und in Zweifelsfragen in der Beratung der Lernenden. Daneben stimmen
sie die Klausurtermine ab, achten auf die Einhaltung der Wahlfristen durch die Lernenden, planen
Projekttage, leiten Konferenzen, legen den Abiturablauf fest, ordnen die Abläufe meistens dem
Zeitplan der Berufsschule unter und halten auch Kontakte zu anderen Schulen sowie Betrieben. 23
Da die fachgymnasiale Oberstufe ebenso komplex aufgebaut ist wie die der allgemeinbildenden
Gymnasien, trifft auf sie auch das Gleiche zu, was Arno Schmidt als Organisationsproblem beschreibt
und für deren Lösung er eine tiefergehende Differenzierung der Aufgaben im Bereich der Klassenleh-
rer/-innen, Tutorinnen/-en und Koordinatorinnen/-en fordert (vgl. Schmidt 1994, 327). Koordinatorin-
nen und Koordinatoren sollten nach dem Verständnis der reformierten gymnasialen Oberstufe
Ansprechpartner, Planer und Moderatoren von Prozessen und nicht nur organisationsbegabte
Verwaltungsbeamte sein, denn dann könnte die Aufgabe von Angestellten oder Mitarbeitern des
mittleren Verwaltungsdienstes wahrgenommen werden.
Neben der generellen Verlaufsplanung ist es für Gymnasien besonders wichtig, dass die Lernenden
sich mit ihrer Schule identifizieren können. Dieses ist im besonderen Maße vom Schulprofil und der
Unterstützung durch die Lehrenden abhängig. In den rechtlichen Grundlagen zur gymnasialen
Oberstufe wird in diesem Zusammenhang von der Beratungsfunktion gesprochen. Der Begriff der
Beratung beinhaltet aber weniger die pädagogischen und mehr die verwaltungsjuristischen Aufgaben.
Mag diese Bezeichnung vielleicht noch für die allgemeine gymnasiale Oberstufe gültig sein, so
beschreibt sie auf keinen Fall die Probleme, mit denen Realschülerinnen und Realschüler in die 11.
Klasse des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - eintreten. Die Probleme gehen auch über die in
der Literatur beschriebene Schullaufbahn- oder Abiturientenberatung hinaus (vgl. z. B. Heller 1983,
19 ff.).
Beratung erfordert im Fachgymnasium auch immer die Begleitung und Kontrolle von Entscheidun-
gen. Daher wird im weiteren Text von Betreuung gesprochen, wenn die Lehrenden personenbezogen
und kontinuierlich über die Schuljahre hinweg tätig werden. Beratung erfolgt dabei zeitpunktbezogen
zu den entsprechenden Anlässen (z. B. Leistungskurswahl, Studien- und Berufswahl) und wird durch
die Betreuung weitergeführt. Während die Koordinatoren für die Gesamtheit der Lernenden und in
besonderen Problemfragen tätig werden, sollten die Lehrer, Klassenlehrer und Tutoren für ihre
Schülerinnen und Schüler ständiger Gesprächspartner sein. Der Betreuungs- bedarf lässt sich in vier
Bereiche gliedern:
• Fachspezifische Probleme, die in jedem Fach auftauchen können (z. B. Lernschwierigkeiten);
• Individuelle Schwierigkeiten, da persönliche Notlagen im Fachgymnasium häufiger auftreten und
kaum in Beziehung zu schulisch festgelegten Zeitpunkten stehen (z. B. persönliche Krisen);
• Schullaufbahnberatung, die im Kurssystem einen größeren Zeitaufwand erfordert als im Klassen-
system (z. B. Kursorganisation und generelle Wahlmöglichkeiten);
• Studien- und Berufswahlbetreuung, die in Zusammenarbeit mit der Berufsberatung der Arbeitsäm-
ter durchgeführt werden sollte (z. B. Entscheidungsfindung und Umsetzung der Berufswahl).
Während in der 11. Jahrgangsstufe die Betreuung, Beratung und Kontrolle überwiegend durch die
Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer durchgeführt werden, geschieht dies ab der 12. Jahrgangsstufe
im Kurssystem durch eine/n von der/dem Lernenden zu bestimmende/n Tutor/-in. Die Betreuungsauf-
gabe sollte sich mit wachsender Selbständigkeit der Lernenden immer mehr zur Beratungstätigkeit
24
verändern. Häufig übernehmen die Lehrenden des Leistungskurses Wirtschaftstheorie und -politik
neben ihrer eigenen Tutorenaufgabe die „Klassenlehrerfunktion“ für den gesamten Kurs, da die
Lernenden in diesem Fach in voller „Klassenstärke“ am längsten zusammen sind (siehe auch Ab-
schnitt 2.2.1). Der Leistungskurs hat also zusätzlich auch eine Integrationsaufgabe, d. h., er muss Teile
der Aufgaben des bisherigen Klassenverbundes übernehmen (vgl. Schmidt 1994, 323).
Schullaufbahnberater, wie sie von Arno Schmidt (vgl. 1994, 323) beschrieben und für notwendig
erachtet werden, sind in den Fachgymnasien nicht vorhanden. Da die Fachgymnasien - wirtschaftli-
cher Zweig - den beruflichen Schulen zugeordnet sind, unterrichten fast alle Lehrenden auch noch -
und meistens sogar überwiegend - im berufsbildenden Schulbereich. Diese Verknüpfung wird von
Außenstehenden häufig als Vorteil angesehen. In der Unterrichtspraxis führt das aber in der Tendenz
zu zwei weiteren Problemen. Zum einen erfolgt mehr berufsbildender als berufsbezogener Unterricht,
da die Lehrenden ihren Berufsschulunterricht im Fachgymnasium fortsetzen. Der Umgang mit den
Lernenden ist dabei häufig der Situation der betrieblichen Auszubildenden angepasst, wo die
betreuenden Fähigkeiten der Lehrenden eine untergeordnete Rolle spielen. Zum anderen sind einige
Tutoren nur wenig mit der Systematik des Kurssystems vertraut und dies sowohl in der allgemeinen
als auch in der speziellen Ausprägung ihrer eigenen Schule.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Einführung der reformierten gymnasialen
Oberstufe die Schulwegbegleitung nicht erleichtert hat und bisher auch kein geeignetes Instrumentari-
um zur Verfügung stellt. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren sehen die Aufgabe der Oberstufen-
verlaufplanung häufig in der „Verwaltung“ von Lernenden und Lehrenden und nicht als Ansprech-
partner, Planer und Moderatoren von Prozessen. Die Lehrenden sind sowohl mit der Betreuung und
Beratung in Fragen der gymnasialen Oberstufe als auch der Studien- und Berufswahl überfordert, bzw.
können die Aufgaben aus Zeitgründen auch nicht umfassend wahrnehmen.
25
2.3 Der inhaltliche Schwerpunkt - Berufsbezogene Wirtschaftsbildung
Mit § 22 des Schulgesetzes wird festgelegt, dass die Fachgymnasien „durch berufsbezogene und
allgemeinbildende Unterrichtsinhalte eine Bildung, die den Anforderungen für die Aufnahme eines
Hochschulstudiums und einer vergleichbaren Berufsausbildung entspricht“ (Ministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999 a), vermitteln sollen. Dabei
wird keine tiefergehende Definition von berufsbezogener Bildung vorgenommen.
Das hierdurch auftretende Problem soll durch eine Analogie aus dem Wohnungsbaubereich erläutert
werden. Dabei wird die gymnasiale Oberstufe als Haus des Lernens verstanden. Das Fundament trägt
das Haus und verbirgt die Anschlüsse. Es ist mit der historischen Entwicklung der Gymnasien
vergleichbar. Durch die Lage der Anschlüsse wird zum Teil die Funktion der Räume bestimmt. Die
Räume entsprechen den Fächern der gymnasialen Oberstufe. Nach außen sind die Zimmer durch dicke
Mauern mit mehr oder weniger großen Fenstern begrenzt. Die Räume besitzen Verbindungstüren.
Einige Türen führen direkt aus dem Haus, andere verbinden die Zimmer und die meisten haben einen
direkten Zugang zum Flur, der hier für die grundlegenden Ziele der Gymnasien steht, die im folgenden
Abschnitt beschrieben werden. Die Fenster und Türen symbolisieren die Beziehungen zur Außenwelt
bzw. zu anderen Fächern. Wie es im Haus unterschiedlich dicke Wände gibt, so werden auch die
Fächer unterschiedlich stark voneinander getrennt. Die Summe aller Zimmer bestimmt den Wohnwert
des Hauses. Entscheidend ist, dass beim Bau des Hauses einigen Räumen bereits eine bestimmte
Funktion übertragen wurde, die nicht ohne weiteres veränderbar ist, und dass durch das Fehlen eines
dieser Teilbereiche nicht mehr von einer Wohnung gesprochen werden kann. Eine veränderte
Raumaufteilung bedarf einer neuen Statik. Anbauten, z. B. neue Fächer, erfordern auch Erweiterungen
im Fundament und können zu Nachteilen in der Nutzung der alten Räume führen.
Bisher haben wir mit dem Unterkapitel 2.2 nur einen oberflächlichen Einblick in die Raumaufteilung
vorgenommen, wobei wir durch das Unterkapitel 2.1 aber bereits Einblicke in den Aufbau des
Fundaments, die frühere Möblierung und das Leben in der Wohnung erhalten haben. Weitgehend
offen geblieben ist dagegen das überwiegend Unsichtbare des Hauses, die Statik und der Flur, die das
Verbindende zum Ganzen darstellen. Mit diesem Unterkapitel soll versucht werden, die Komposition
durch die Beschreibungen der inhaltlichen Schwerpunkte weiter zu vertiefen. Hierbei müssen im
übertragenen Sinne, die gemeinsamen Ansprüche an die Raumaufteilung fixiert werden.
Ein Problem bei der Beschreibung eines Hauses ist die Frage, ob alle Räume mit ihren Einrichtungs-
gegenständen darzustellen sind oder ob es nicht zweckmäßiger ist wie bei der Hausbesichtigung, die
Räume weitestgehend ohne Möbel zu betrachten, um einen Eindruck für das Wesentliche zu bekom-
men. Den Einrichtungsgegenständen in den Räumen entsprechen in dieser Analogie die fachlichen
Themen. Eigene Ansprüche, aber auch Konstruktionsfehler sind leichter zu erkennen, wenn zunächst
die Grundstruktur und später nur einige bedeutende Einrichtungsgegenstände berücksichtigt werden,
da es, wie bereits oben erwähnt, Vorinstallationen gibt, die nicht ohne größeren Aufwand veränderbar
26
sind. Die Stellung der Möbel im Raum sollte aber, von gewissen Grenzen zunächst einmal abgesehen
(Fenster, Türen), frei wählbar sein.
Durch diese Analogie sollte deutlich geworden sein, dass für die Analyse der fachgymnasialen
Inhaltsstrukturen grundsätzlich zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden sind:
• Bei einer induktiven Vorgehensweise müssten zunächst alle Einzellehrpläne des Fachgymnasiums
- wirtschaftlicher Zweig - inhaltlich untersucht, systematisiert und strukturiert werden, um daran
anknüpfend das Besondere und Typische des Fachgymnasiums darzustellen. Dieser Ansatz hat
den wesentlichen Nachteil, dass er umfassende Kenntnisse in allen Fächern, Lehrplänen und natür-
lich auch in den entsprechenden Fachdidaktiken erfordert.
• Bei einer deduktiven Vorgehensweise werden die allgemeinen inhaltsbezogenen Prinzipien der
gymnasialen Oberstufe und des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - beschrieben. An-
schließend wird geprüft, ob diese Prinzipien bei den profilgebenden Fächern auch eingehalten
wurden. Dieser Ansatz wird in den beiden folgenden Abschnitten umgesetzt.
2.3.1 Die Intentionen der Kultusministerkonferenz
Immer wenn nach den Zielen der gymnasialen Oberstufe gefragt wird, dann werden die Begriffe
„Allgemeinbildung“, „Wissenschaftspropädeutik“ und „Studierfähigkeit“ genannt. Dieser „Minimal-
konsens“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 1995, 74) ist durch eine von der Kultusministerkonferenz (KMK) 1995 eingesetzte, zehn
Personen umfassende Expertenkommission einer erneuten Prüfung unterzogen worden. Die Kommis-
sion kam zu dem Ergebnis, dass die gymnasiale Oberstufe auch weiterhin durch die genannte „Trias
von Zielsetzungen charakterisiert ist“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 8). Sie versuchte aber auch, diese Trias inhaltlich
den neueren Entwicklungen anzupassen und zu präzisieren.
Die Erkenntnisse der unter der Leitung von Jürgen Baumert tagenden Expertenkommission bildeten
die Grundlage für die Überarbeitung der Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in
der Sekundarstufe II (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 1997 c). Dieser KMK-Beschluss vom 28.02.1997 ist der vorläufige
Abschluss einer längeren Diskussion über die Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe, die seit
der letzten Vereinbarungsänderung vom 11.04.1988 geführt wurde. Im Beschluss vom 28.02.1997
werden die drei o. g. Ziele nochmals bekräftigt und das Kriterium der Studierfähigkeit um die
Berufsfähigkeit erweitert. (vgl. ebd., 2.1 ff.). Im Folgenden werden die drei genannten Ziele unter
besonderer Berücksichtigung des Fachgymnasiums analysiert.
Das Ziel der Vermittlung von Allgemeinbildung ist eine zentrale Kategorie der Pädagogik und
wurde in der Vergangenheit immer wieder intensiv diskutiert. Die Einführung der reformierten
27
gymnasialen Oberstufe in den siebziger Jahren, vollzog sich zu einer Zeit, in der nach Ersatzbegriffen
für den Bildungsbegriff gesucht wurde. Vom Begriff der Grundbildung versprach man sich eine
leichtere inhaltliche Abgrenzung zwischen der Allgemein- und Berufsbildung und hoffte, dadurch
auch eine Stufung von Unterrichtsinhalten zu erreichen. Somit überrascht es nicht, dass die KMK in
den siebziger Jahren den Grundbildungsbegriff in ihre Beschlüsse zur gymnasialen Oberstufe
aufnahm.
Schulische Bildung umfasst einen Kanon aus Fächern, die grundlegende Kulturtechniken und
Kommunikationsverfahren vermitteln, also die Muttersprache, die Mathematik, eine Fremdsprache,
die Naturwissenschaften, historisch-gesellschaftliche Fächer und Bereiche der musisch-ästhetischen
Bildung. Die Sekundarstufe II und besonders die gymnasiale Oberstufe erweitert die Grundbildung der
Mittelstufe zur vertieften Allgemeinbildung, sofern sie nicht schon zur beruflichen Spezialisierung (z.
B. durch Berufsschulen) führt. (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 72 f.) Vor dem Hintergrund der sich in den letzten
Jahrzehnten abzeichnenden gesellschaftlichen Veränderungen und der Probleme einer Fixierung von
grundbildenden Inhalten ist es nur folgerichtig, dass die KMK in ihrem Beschluss vom 28.02.1997 der
Expertenkommission folgte und anstelle der Grundbildung den Begriff der „vertieften Allgemeinbil-
dung“ in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellte. In die Forderung nach vertiefter Allgemeinbildung
wurde die Fähigkeit zur Berufs- und Studienwahl einbezogen und besonders hervorgehoben. (vgl.
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutsch-
land 1997 c, 2.1 ff.) Leider wurde diese Erkenntnis mit dem Beschluss vom 05.12.1997 wieder
aufgegeben. (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesre-
publik Deutschland 1997 e, 2)
Arno Schmidt konkretisiert den Anspruch nach einer grundlegenden und vertieften Allgemeinbil-
dung und beschreibt diesen in den Begriffen der „vertikalen und horizontalen Profilierung“ (1994,
181). Im Leistungskurs wird der Stoff bis in die Tiefe behandelt, während der Grundkurs durch die
Übersicht über verschiedene Teilgebiete einer Disziplin eine horizontale Profilierung gewährleisten
soll. Die vertiefte Allgemeinbildung wird überwiegend durch die Leistungskurse erreicht, die den
Schwerpunkt der Oberstufenarbeit bilden. Die Grundkurse entfalten dabei eine unterstützende
Wirkung. In der Unterrichtspraxis haben sie dagegen immer noch den Charakter von „abgespeckten“
Leistungskursen und konnten die ihr zugedachte Aufgabe bisher nicht übernehmen. (vgl. ebd. 181 ff.)
Defizite bestehen aber auch in der unterrichtlichen Lernorganisation und in der Vermittlung einer
Berufsorientierung. Während zur Lernorganisation innerhalb des Unterrichts in dem zur Zeit gültigen
KMK-Beschluss weitreichende Vorstellungen entwickelt werden, mangelt es an entsprechend
umfassenden Darstellungen für die Berufsorientierung. Daneben fehlen in allen KMK-Beschlüssen
tiefergehende Überlegungen zur berufsbezogenen Bildung der Fachgymnasien. Diese Auffassung wird
auch von der Expertenkommission geteilt, die folgende Feststellung trifft: „Bei der Diskussion dieser
notwendigen Grundbildung kann heute aber auch nicht mehr ignoriert werden, daß die dabei geforder-
ten Konzepte von Allgemeinbildung nicht mehr allein für die künftigen Studierenden begründet und
28
formuliert werden können, sondern nur für alle Lernenden gemeinsam.“ (Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 72) Da immer
mehr Lernende eine duale Berufsausbildung anstreben, muss das Fachgymnasien darauf mit Unterricht
in Berufsorientierung reagieren.
Es ist daher fraglich, ob der Schwerpunkt des KMK-Beschlusses vom 28.02.1997, verstärkter
fächerübergreifender und -verbindender Unterricht, eine vertiefte Allgemeinbildung bewirken kann.
Hier schien die Expertenkommission etwas realistischer zu sein, als sie davon ausging, dass die
Forschung in den Fachdidaktiken „im Kontext erziehungswissenschaftlicher und allgemeindidakti-
scher Problemstellungen und fachwissenschaftlicher Entwicklungen“ (Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 18) zu klareren
Erkenntnissen für die unterrichtliche Umsetzung einer vertieften Allgemeinbildung führen könnte.
Insgesamt wird sowohl von der Expertenkommission als auch in der Umsetzung durch den KMK-
Beschluss nur unzureichend auf die Besonderheit der Fachgymnasien und ihre vertiefende Allgemein-
bildung hingewiesen. Obwohl die Expertenkommission auf nur zwei von über 170 Seiten die
Probleme der Fachgymnasien verdeutlicht, sind zwei Dinge positiv anzumerken: Zum einen wurde
besonders hervorgehoben, dass die Fachgymnasien als Schultyp ein Korrektursystem für zu frühe
Selektionsprozesse sind, und zum anderen, dass die weitere Vermehrung der allgemeinbildenden
Anteile das Wesen der Fachgymnasien gefährden und zu „einer weiteren Angleichung berufsbezoge-
ner Bildungsgänge“ (ebd., 45) an die allgemeinbildenden Gymnasien führen könnten.
Darüber hinaus muss der Expertenkommission zugestimmt werden, dass nur die gleichzeitige
Umsetzung aller drei Ziele zu der angestrebten gymnasialen Bildung führt. „Angesichts dieser
Erwartungen kann aus Allgemeinbildungskonzepten allein über Inhalt und Lernen in der Oberstufe
nicht entschieden werden, auch nicht durch die Unterscheidung von ‚grundlegender‘ und ‚vertiefter‘
Allgemeinbildung. Beide Begriffe bleiben bedeutsam; aber Inhalte, Fächer oder gar ein verbindlicher
Themenkatalog lassen sich ohne gleichzeitige Rücksicht auf die Erwartungen an Wissenschaftspropä-
deutik und Studierfähigkeit nicht bestimmen.“ (ebd., 74).
Der Begriff der Wissenschaftspropädeutik ist wie der Allgemeinbildungsbegriff keine neue
Wortschöpfung für die reformierte gymnasiale Oberstufe. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird
die Wissenschaftspropädeutik in der Pädagogik diskutiert, um allgemeine Unterrichtsgrundsätze für
das Gymnasium zu formulieren. Der Begriff ist seit seiner Einführung ebenso umstritten wie der
Bildungsbegriff mit seinen speziellen Ausprägungen (vgl. Schmoldt 1989, 51 ff.). Für eine genauere
Umschreibung der inhaltlichen Bedeutung ist er zunächst von der Wissenschaftsorientierung abzu-
grenzen. „Wissenschaftsorientierung meint die Planung, Durchführung und Evaluation des Unterrichts
am zeitgemäßen Stande wissenschaftlicher Erkenntnis“ (Schmidt 1994, 74). Die Lehrpläne und der
Unterricht sollen dem Stand der wissenschaftlichen Forschung nicht widersprechen (vgl. Sekretariat
der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 73).
Während Wissenschaftsorientierung für alle Phasen schulischen Lernens gelten sollte, ist Wissen-
schaftspropädeutik zielgerichteter ausgelegt. „Im Ziel der Wissenschaftspropädeutik werden nicht
29
mehr nur Strukturmerkmale der Schule und des Lehrplans oder Kompetenzen und Lehrweisen der
Lehrenden thematisiert, sondern wohldefinierte Leistungsmerkmale des Lernenden selbst. Die
wissenschaftspropädeutische Kompetenz, in der Wissen und Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellun-
gen gebündelt sind, wird sicherlich in den vorhergehenden Lehrgängen vorbereitet, im Einzelfall auch
schon handelnd erprobt und als Leistungsforderung vorgegeben. Sie wird erst in der Oberstufe selbst
zum Standard der Arbeit, vor allem in den Leistungskursen, aber nicht allein dort. Die Arbeit bewahrt
auch hier noch ihren propädeutischen Akzent, es geht um Initiation in die Denk- und Arbeitsweisen
der Wissenschaft, nicht um wissenschaftliche Arbeit selbst; aber propädeutisch muß die Arbeit auch
insofern sein, als die Initiation in die Wissenschaften von ihrer Reflexion und Kritik begleitet wird.“
(vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 1995, 73)
Wissenschaftspropädeutik ist „die formende Reflexion durch die ‚nach’-forschende Tätigkeit“
(Schmidt 1994, 34). Das Zwischenergebnis ist „ein Wissenschaftsbewußtsein, über das die ethische
Dimension gelegt ist“ (ebd., 34). Vollendete Wissenschaftspropädeutik vollzieht sich, wenn sich eine
kritische Erkenntnis über die fachlichen Grenzen auf das „Ganze“ und „Allgemeine“ entwickelt.
Wissenschaftspropädeutik „bezeichnet einen Prozeß, die Vorbereitung auf den Umgang mit Wissen-
schaft, keineswegs beschränkt auf Studium.“ (Huber 1994, 12) „Das genus verbi der Wissenschafts-
orientierung ist das Passiv, aus dem a posteriori aktive Umsetzung in Haltung (Hexis) und Handlung
(Praxis) werden soll, hingegen ist bei der Wissenschaftspropädeutik das genus verbi Aktiv, das a priori
eine wissenschaftliche Haltung meint und in einem transzendenten, fachübergreifenden Sinne
Welterwerb durch Aufschließung der Beziehung von Wissenschaft und Welt“ (Schmidt 1994, 74)
meint. Es sollte deutlich geworden sein, dass der Begriff der Wissenschaftspropädeutik mehrere
Ebenen hat: Es geht „um das Lernen und Einüben in Wissenschaft (Grundbegriffe, -methoden), an
Wissenschaft (eine Haltung des Immer-weiter-fragens und Gründegebens) und über Wissenschaft
(kritische Reflexion in größeren Zusammenhängen).“ (Huber 1997 b, 348)
Es ist davon auszugehen, dass alle Fächer der gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt der
Wissenschaftspropädeutik gleichwertig sind, d. h., sie verfügen über die notwendigen Elemente, mit
deren Hilfe geistige Strukturen ausgeprägt werden, die auch die Übertragung auf andere Lebenssitua-
tionen zulassen. „Dabei geht es um die Beherrschung eines fachlichen Grundlagenwissens als
Voraussetzung für das Erschließen von Zusammenhängen zwischen Wissensbereichen, von Arbeits-
weisen zur systematischen Beschaffung, Strukturierung und Nutzung von Informationen und
Materialien, um Lernstrategien, die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie Team – und
Kommunikationsfähigkeit unterstützen.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1997 c, 2.8)
Durch das Eindringen in die besonderen Strukturen des jeweiligen Faches und durch die kritische
Auseinandersetzung sollten allgemeine und besonders auch übergreifende Strukturen entstehen. Dieser
Prozess sollte dann in der bereits beschriebenen vertieften Allgemeinbildung münden. Es ist somit
nicht ausreichend, wenn sich das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - in seinen berufsbezoge-
30
nen Fächern mit den Wirtschaftswissenschaften beschäftigt und diese nur durch eine Aneinanderrei-
hung von Modellen oder durch umfassendes Detailwissen vermittelt werden. Hier sollte auf die
treffende Beschreibung aus den Tübinger Beschlüssen der Konferenz „Universität und Schule“ von
1951 verwiesen werden: „Arbeiten-Können ist mehr als Vielwisserei“. (zitiert aus Schmidt 1994, 480)
Die Expertenkommission sieht für die gymnasiale Oberstufe „die Möglichkeit der vertieften
Allgemeinbildung und Wissenschaftspropädeutik im Medium des Berufs.“ (Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 124) Für die
Fachgymnasien fordert sie, dass diese nicht weiter an die allgemeinen Gymnasien angeglichen
werden, da die Fachgymnasien bereits „ihre - erfolgreiche - berufliche Tradition aufgeben“ (ebd., 59)
mussten. Sie erkennt auch, dass dieser Schultyp „eine besonders sensible Einrichtung ... bezüglich der
Auswirkungen weiterer Festlegungen“ geworden ist. (ebd., 59). Aber weder die Expertenkommission
noch der aktuelle KMK-Beschluss zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe liefern unter dem Aspekt
der Wissenschaftspropädeutik einen konzeptionellen Ansatz zur Weiterentwicklung des Fachgymnasi-
ums.
Die Berufs- und Studierfähigkeit sind im Gegensatz zur Wissenschaftspropädeutik Qualifikations-
begriffe. Während der Schwerpunkt der Wissenschaftspropädeutik in den Unterrichtsprozessen liegt,
sind die Begriffe Berufs- und Studierfähigkeit ergebnisorientiert. Es wird gefordert, dass die Lernen-
den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse auf einem Niveau erreichen, das sie eine Berufsausbil-
dung oder ein Studium erfolgreich absolvieren lässt. (vgl. Huber 1997 b, 338 ff.)
Daneben unterscheidet sich Studierfähigkeit begrifflich von Wissenschaftspropädeutik dadurch,
„daß sie nicht allein einen individuellen Standard des Lernens und des Umgangs mit Wissen bezeich-
net, sondern auch die gesellschaftlich-institutionelle, ja die rechtliche Seite der Studienberechtigung.
Die Forderung etwa, daß eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung das Lernen von zwei
Fremdsprachen voraussetzt, ist für den deutschen Standard der Studierfähigkeit charakteristisch, als
Indikator gelungener wissenschaftspropädeutischer Arbeit aber sicherlich nicht hinreichend“ (Sekreta-
riat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995,
74).
Aber auch „Allgemeinbildung, im Sinne der schulischen Grundbildung, ist in dieser Bestimmung ...
notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung der Arbeit in der Oberstufe. Studierfähigkeit
wird damit vorbereitet aber noch nicht gesichert. Sie ist unterschieden von der grundlegenden Bildung
und gegenüber der für alle Lernenden gleichen Etappe der Bildung zweifach erweitert: einerseits durch
die Vertiefung des Allgemeinen, andererseits durch ihre wissenschaftspropädeutische Komponente“
(ebd., 73). „Allgemeinbildung, Wissenschaftspropädeutik und Studierfähigkeit, die Trias der Ziele der
gymnasialen Oberstufe, bezeichnet also nicht nur unterscheidbare, sondern auch je für sich begründba-
re Ziele. Aber erst in ihrer Gesamtheit repräsentieren sie den komplexen Anspruch, den gymnasiale
Oberstufen traditionell vertreten haben und der nach Ansicht der Kommission auch heute noch von
seiner Geltung nichts eingebüßt hat.“ (ebd., 74)
In den früheren KMK-Beschlüssen stand nur die Studierfähigkeit als Qualifizierungsziel im
31
Vordergrund. Mit der Studierfähigkeit ist der Begriff der Hochschulreife eng verbunden. Sie „wird als
Spezialfall und Sonderziel gymnasialer Bildung“ (Schmidt 1994, 133) angesehen. „Studierfähigkeit
für alle Fächer schließlich wird dann zugesprochen, wenn im Abitur der Stand allgemeiner Bildung
und die Kompetenz der Lernenden auch geprüft wurden.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 74). Seitdem das Gymnasium als
einziger Schultyp im Jahre 1834 das Privileg der Zubringerfunktion für die Hochschulen erhielt, ist
immer wieder und besonders von den Universitäten versucht worden, Kataloge sowie inhaltliche
Zielvorgaben für die Studierfähigkeit zu definieren. Einer der ersten umfassenden inhaltlichen
Vorgaben ist der sogenannte „Tutzinger Maturitätskatalog“ aus dem Jahre 1958, der zur praktischen
Umsetzung für die Schule auch in inhaltlichen Minimalforderungen konkretisiert wurde. Problema-
tisch sind solche inhaltlichen Fixierungen deshalb, weil zum einen heute bereits dieselben Forderun-
gen für den mittleren Bildungsabschluss gefordert werden, und zum anderen besonders dadurch, dass
tiefreichende inhaltliche Bestimmungen auch immer in Beziehung zum jeweiligen Zeitgeist stehen und
somit nur kurzfristige Gültigkeit besitzen können (vgl. Heldmann 1984, 20 ff. und Sekretariat der
Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 75 ff.).
Im KMK-Beschluss vom 28.02.1997 wird wieder einmal versucht, die Studierfähigkeit inhaltlich
tiefergehend zu beschreiben. „Für die Ausprägung der Studierfähigkeit sind 3 Kompetenzbereiche von
herausgehobener Bedeutung:
• sprachliche Ausdrucksfähigkeit, insbesondere die schriftliche Darlegung eines konzisen Gedan-
kengangs.
Angestrebt wird die Fähigkeit, sich strukturiert, zielgerichtet und sprachlich korrekt schriftlich zu
artikulieren und die erforderlichen Schreibformen und -techniken zu beherrschen. Hierzu gehören
auch der angemessene Umgang mit Texten, insbesondere Textverständnis, Texterschließung,
Textinterpretation sowie zeitökonomische Bearbeitung, das schriftliche und mündliche Darstellen
komplexer Zusammenhänge und die Fähigkeit zur sprachlichen Reflexion.
• verständiges Lesen komplexer fremdsprachlicher Sachtexte.
Angestrebt wird die Fähigkeit, fremdsprachliche Texte zu erschließen, zu verstehen, sich über
fachliche Inhalte in der Fremdsprache korrekt zu äußern.
• sicherer Umgang mit mathematischen Symbolen und Modellen.
Angestrebt wird die Fähigkeit, Gegenstandsbereiche und Theoriebildungen, die einer Mathemati-
sierung zugänglich sind und in denen Problemlösungen einer Mathematisierung bedürfen, mit
Hilfe geeigneter Modelle aus unterschiedlichen mathematischen Gebieten zu erschließen und
darzustellen und die Probleme mit entsprechenden Verfahren und logischen Ableitungen zu lö-
sen.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 1997 c, 2.7)
In Bezug auf die heutige Situation in der fachgymnasialen Oberstufe, die bereits in den beiden
vorherigen Abschnitten beschrieben wurde, ergibt sich die Frage, ob der KMK-Beschluss nicht noch
deutlicher auf die Berufsfähigkeit eingehen sollte, da die drei Kompetenzbereiche auch den Anforde-
32
rungen entsprechen, die von Jugendlichen in einer qualifizierten Berufsausbildung erwartet werden.
Für den Unterricht mit Blick auf die Arbeits- und Berufswelt beschreibt der KMK-Beschluss die
folgenden Anforderungen: „Unterrichts- und Erziehungsarbeit in der gymnasialen Oberstufe greifen
auch Aspekte der Berufs- und Arbeitswelt auf und bereiten auf die Berufs- und Arbeitswelt vor. Im
Hinblick auf die Berufs- und Studierfähigkeit kommt dem Erwerb folgender Fähigkeiten gleicherma-
ßen besondere Bedeutung zu:
• Verständnis sozialer, ökonomischer, politischer und technischer Zusammenhänge;
• Denken in übergreifenden, komplexen Strukturen;
• Fähigkeit, Wissen in unterschiedlichen Kontexten anzuwenden;
• Fähigkeit zur Selbststeuerung des Lernens und der Informationsbeschaffung;
• Fähigkeit zur realistischen Einschätzung der eigenen Kompetenz und Möglichkeiten;
• Kommunikations- und Teamfähigkeit;
• Entscheidungsfähigkeit.
In der gymnasialen Oberstufe muß darüber hinaus eine umfassende Information über Berufsfelder,
über Strukturen und Anforderungen des Arbeitsmarktes erfolgen.“ (Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1997 c, 2.10)
Die beschriebenen Anforderungen eignen sich kaum für die Entwicklung eines Unterrichtskonzeptes
zur Vermittlung von Kenntnissen über die Arbeits- und Berufswelt. Bis auf den letzten Absatz werden
hier Fähigkeiten beschrieben, die teilweise bereits durch den Mittelstufenunterricht erreicht sein
sollten und in den Bereich der Allgemeinbildung und der Persönlichkeitsentwicklung gehören. Die
sich im KMK-Beschluss daraus ableitenden Anforderungen an Schule, Berufsberatung und Hochschu-
le werden wie folgt dargestellt. „Ein Beratungssystem soll folgende Elemente enthalten:
• auf schulischer Seite: Angebote von Berufswahlunterricht, Betriebspraktika, Betriebserkundungen
und -besichtigungen, studienkundliche Veranstaltungen, Fachpraxiskurse.
• auf der Seite der Arbeitsverwaltung: Schulbesprechungen, Gruppengespräche, berufliche
Beratung, Angebote in den Berufsinformationszentren.
• auf der Seite der Hochschulen: Studienkundliche Nachmittage, Studieninformationstage.“ (ebd.,
2.10)
Diese Vorstellungen entsprechen nicht den heutigen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen
Erkenntnissen in der Berufsorientierung und sollten überarbeitet werden (siehe auch Unterkapitel 4.2),
damit die Trias von vertiefter Allgemeinbildung, Wissenschaftspropädeutik sowie Berufs- und
Studierfähigkeit eine unterrichtliche Strukturierung im Fachgymnasium erleichtert. Dass die zu den
früheren KMK-Beschlüssen veröffentlichten „Empfehlungen zur Arbeit in der gymnasialen Oberstu-
fe“ nicht fortgeführt wurden, ist ein Indiz für die Unsicherheit bei der Angabe eines in sich schlüssigen
Zielsystems. Für das Fachgymnasium müssten auch Antworten auf die Frage der Abgrenzung und
Umsetzung einer berufsbezogenen Bildung geben werden. Auf jeden Fall gehören aber Beschreibun-
gen an der Nahtstelle zwischen Organisationsstrukturen und methodischen Umsetzungen, also z. B.
des fächerübergreifenden und -verbindenden Lernens nur in das Zielsystem, wenn die bestehenden 33
Organisationsstrukturen genauer analysiert und beschrieben werden.
Die Zielsetzungen der Kultusministerkonferenz (KMK) bewegen sich für die gymnasiale Oberstufe
zwischen Wahrung der Tradition und kleinschrittiger Weiterentwicklung. Entsprechend der Tradition
wird an bewährten Zielen festgehalten, die durch die Begriffe der vertieften Allgemeinbildung,
Wissenschaftspropädeutik und Berufs- und Studierfähigkeit näher bestimmt werden. Die unterrichtli-
che Ausgestaltung einer vertieften Allgemeinbildung bleibt unklar und wird mit Begriffen aus
verschiedenen pädagogischen Ebenen vermischt. Die Beschreibungen zur Wissenschaftspropädeutik
führen inhaltlich die Tradition der KMK-Beschlüsse fort. Bei der Studierfähigkeit wird der Realität
Rechnung getragen, dass immer mehr Lernende in die dualen Ausbildungsberufe streben. Leider geht
die KMK nicht darauf ein, wie beide Qualifizierungen miteinander zu verknüpfen sind. Dabei sind die
Definitionen von Studier- und Berufsfähigkeit nicht weit voneinander entfernt, wenn man als Basis die
Anforderungen an die Persönlichkeitsbildung festlegt.
In der zur Zeit für die Oberstufe geltenden KMK-Vereinbarung drückt sich aber auch die Unsicher-
heit über die gesellschaftlichen Entwicklungen und die daraus folgenden bildungspolitischen
Anforderungen aus. Während inhaltliche und unterrichtsmethodische Veränderungen unter Beachtung
der o. g. Trias als dringend notwendig erachtet werden, hält man Veränderungen in der grundlegenden
Organisationsstruktur, also im Kurssystem, für nicht zeitgemäß. Die neue, grundlegende Botschaft, die
Einführung von fächerübergreifendem und -verbindendem Unterricht, wird nur halbherzig verfolgt
und nicht für eine inhaltliche und tiefergehende fachsystematische Strukturierung genutzt.
34
2.3.2 Die unterrichtliche Umsetzung
Die Beschreibung der unterrichtlichen Umsetzung der „berufsbezogenen“ Wirtschaftsbildung kann aus
zwei Gründen nur sehr begrenzt erfolgen: Zum einen ist die KMK-Vereinbarung zur Gestaltung der
gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II in Schleswig-Holsteins Fachgymnasien erst für das
Schuljahr 1999/2000 durch eine Fachgymnasiumsverordnung umgesetzt worden (vgl. Die Ministerin
für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999). Diese gilt nur
für die Unterstufen und es fehlen bisher Darstellungen zu den fächerübergreifenden Kursen und
Durchführungsbestimmungen für die Abiturprüfung. Zum anderen werden zur Zeit für alle Gymnasien
in Schleswig-Holstein neue Lehrpläne erarbeitet. Daher bezieht sich der größere Teil der Darstellun-
gen in diesem Abschnitt auf die in der Mittel- und Oberstufe noch gültigen Lehrpläne.
In den Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - des Landes Schleswig-Holstein werden ca.
dreizehn Fächer unterrichtet, für die eine entsprechende Zahl von Lehrplänen vorhanden ist. Eine
umfassende Analyse und Beurteilung aller Lehrpläne ist jedoch bei dem Schwerpunkt dieser Arbeit
nicht möglich. Daher wird eine Eingrenzung auf die „berufsbezogenen“ Pflichtfächer Wirtschaftstheo-
rie und -politik sowie Rechnungswesen vorgenommen (siehe auch Unterkapitel 2.3). Grundsätzlich
sind für diese Fächer zwei Arten der Lehrplananalyse möglich:
• Es werden alle Unterrichtsthemen und -inhalte dargestellt, und anschließend erfolgt eine umfas-
sende kritische Analyse, die sich auch auf die Themenzusammenhänge erstreckt;
• es wird versucht, die Grundidee des Lehrplans aufzuzeigen, und anschließend werden exempla-
risch die sich daraus ergebenden Probleme beschrieben.
Da in diesem Abschnitt nur die aktuelle Lage in der ökonomischen Bildung im Fachgymnasium
beschrieben wird und das Ziel dieser Arbeit nicht die Entwicklung neuer Lehrpläne sein kann, wird
dem zweiten Ansatz der Vorzug gegeben. Dabei muss auch analysiert werden, welchen Beitrag die
beiden wirtschaftsbezogenen Fächer zum Kanon leisten und wie sie den sogenannten Berufsbezug des
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - stärken könnten.
Das Fach Wirtschaftstheorie und -politik gehört nach § 3 Absatz 2 der Fachgymnasiumsverord-
nung zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld und ist in der Einführungsphase (11.
Jahrgang) Schwerpunktfach mit vier Unterrichtsstunden pro Woche. In der Qualifikationsphase (12.
und 13. Jahrgang) wird es zum Leistungskurs mit maximal sechs Unterrichtsstunden in der Woche
(siehe auch Abschnitt 2.2.1).
Um einen Einblick in den zur Zeit noch gültigen Lehrplan, der sich inhaltlich vermutlich nicht
wesentlich vom zukünftigen Lehrplan unterscheiden wird, zu erhalten, werden in Abbildung 1 die
Kursthemen und Lernabschnitte im zeitlichen Ablauf dargestellt (vgl. Der Kultusminister 1983, 1 ff.).
Bei Themenbereichen, die aus subjektiver Sicht inhaltliche Probleme enthalten, wurde auch der
beschriebene Lerninhalt ergänzt. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass den Leistungskursen
zukünftig eine weitere Funktion auferlegt ist. Nach dem Entwurf zum Grundlagenteil der Lehrpläne
soll im 12. Jahrgang im Leistungskurs das Projektlernen vertieft werden und sich im 13. Jahrgang zu 35
einem eigenständigen Grundkurs entfalten. (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1998 a, 10 ff.)
Abbildung 1: Lehrplan Wirtschaftstheorie und -politik (Auszüge)
Jahr-
gangs-
stufe
Kursthema
Lernabschnitt
Lerninhalte
(hier nur beispielhaft)
11.1 Grundzüge des Wirtschaftsprozesses
1. Notwendigkeit des Wirtschaftens
2. Gesamtwirtschaftliche Produktionsfak-
toren
3. Wirtschaftskreislauf und volkswirt-
schaftliche Gesamtrechnung
Systematisierung der Bedürfnisse
Systematisierung der Güter
Boden, Arbeit, Kapital, technisches
Wissen
Standortlehren
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
11.2 Entwicklung der Wirtschaftsordnung
4. Sozialökonomische Ordnungsideen
5. Idealtypen der Wirtschaftsordnung
6. Realtypen der Wirtschaftsordnung
Merkantilismus bis Marxistische
Wirtschaftstheorie
Bedingungen des Gleichgewichts in der
Marktwirtschaft
Neoliberale Schule
Konzentration
12.1. Betriebliche Leistungserstellung und
Leistungsbewertung
7. Betriebliche Produktionsfaktoren
8. Finanzierung der Unternehmung
9. Absatz der Unternehmung
Betriebliche Produktionsfaktoren;
Fertigungstypen
Finanzierungseffekt bei Bildung von
Rückstellungen
Funktionen des Handels
12.2 Preisbildung
10. Theorie des Haushalts
11. Theorie der Unternehmung
12. Markt und Preis
Probleme des privaten Haushalts
Funktionen des Unternehmens
Polypol, Oligopol, Monopol
13.1 Wirtschaftspolitik
13. Das gesamtwirtschaftliche Gleichge-
Multiplikator, Akzelerator
36
wicht und Störungen des gesamtwirt-
schaftlichen Gleichgewichts
14. Träger und Hauptziele der Wirt-
schaftspolitik
15. Konjunkturpolitik
16. Strukturpolitik
Konjunkturtheorien
Begriffbestimmungen Wirtschaftspolitik
und -theorie
Mindestreservepolitik, Theorien des
Zinses, Wechselkurspolitik
Regional und sektoral
13.2 Die Volkswirtschaft im internationalen
Wirtschaftsgefüge
17. Die europäische Wirtschaft
18. Außenwirtschaft: Welthandel, inter-
nationale Währungsordnung, Entwick-
lungshilfepolitik
Organisation der EG
Reform des internationalen Währungs-
systems
Die Gesamtstruktur des Lehrplans Wirtschaftstheorie und -politik wird aus der traditionellen Volks-
wirtschaftslehre abgeleitet. Mikro- und makroökonomische Themenbereiche sind mit wirtschaftspoli-
tischen Themen durchsetzt. Aus Sicht der traditionellen Volkswirtschaftslehre ist der Lehrplan
vollständig. Im ersten Halbjahr des 12. Jahrgangs wird die volkswirtschaftliche Systematik durch
einen betriebswirtschaftlichen Teil unterbrochen. Dieser ist ebenfalls in klassischer Weise strukturiert
und berücksichtigt die Produktionsverfahren, Finanzierung und Absatzwirtschaft. Der Bezug zur
Berufs- und Studienwahl wird im gesamten Lehrplan wie auch in allen anderen Lehrplänen des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - nicht hergestellt. Auch nach den Beschreibungen im
Grundlagenteil für die neuen Lehrpläne kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Bezug
zur Berufs- und Studienwahl sowie zum Arbeits- und Berufsmarkt verbessern wird, da bereits in der
theoretischen Darstellung die notwendige Systematisierung fehlt. (vgl. Die Ministerin für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999, 12)
Das Fach Rechnungswesen gehört nach § 3 Absatz 2 der Fachgymnasiumsverordnung zum
mathematisch-naturwissenschaftlichen-technischen Aufgabenfeld und ist in der Einführungsphase (11.
Jahrgang) mit zwei Unterrichtsstunden in der Woche vertreten. In der Qualifikationsphase (12. und 13.
Jahrgang) wird es zum Pflichtgrundkurs und wird mit drei Unterrichtsstunden in der Woche unterrich-
tet. (vgl. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-
Holstein 1999 und Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes
Schleswig-Holstein 1998 a, 9 ff.)
Um auch hier einen Einblick in den zur Zeit noch gültigen Lehrplan zu erhalten, werden in Abbil-
dung 2 die Kursthemen und Lernabschnitte im zeitlichen Ablauf dargestellt. Teile, die aus subjektiver
37
Sicht inhaltliche Problembereiche sind, wurden wie bereits im vorherigen Lehrplan um maximal einen
Lerninhalt ergänzt (vgl. Der Kultusminister 1985, 1 ff.).
Abbildung 2: Lehrplan Rechnungswesen (Auszüge)
Jahr-
gangs-
stufe
Kursthema
Lernabschnitt
Lerninhalte
(hier nur beispielhaft)
11 Einführung in das betriebliche Rech-
nungswesen
Notwendigkeit und Bereich des betriebli-
chen Rechnungswesens
System der doppelten Buchführung und
Organisation des industriellen Rech-
nungswesens
Zahlungs- und Kreditverkehr
Einkauf und Verbrauch von Stoffen
Grundlagen der automatisierten
Datenverarbeitung
Geldumwandlungsprozeß
Industriekontenrahmen
Besitz- und Schuldwechsel
Erfassung der eingesetzten Stoffmengen
durch Materialentnahmeschein, ...
im Fach Datenverarbeitung
12.1. Anlagen- und Personalwirtschaft
Beschaffung und Einsatz von Anlagen
Anwendung der automatisierten Daten-
verarbeitung
Entlohnung
Anwendung der DV
Je ein Beispiel zur ...
dynamischen Investitionsrechnung...
Lohnsteuerjahresausgleich
Einsatz von Standard-Programmen zur
Lösung von Aufgaben aus der Finanz-
buchführung
12.2 Abschluß des Rechnungswesens
Gliederung und Bewertung nach
Handels-recht
Abschlußpolitik
Zeitliche Abgrenzung (transitorische ...)
Bewertungswahlrechte
38
Abschlußanalyse
Beurteilung der Finanzlage einer
Unternehmung an Hand einer Kapi-
talflußrechnung
13.1 Vergangenheitsorientierte Vollkosten-
rechnung
Aufgaben und Grundbegriffe der Kosten-
und Leistungsrechnung
Kostenarten- und Leistungsartenrech-
nung
Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung
Betriebsergebnisrechnung
Unterscheidung zwischen Rechnungs-
kreis I und Rechnungskreis II des IKR
Unternehmensbezogene Abgrenzungen
Aufgaben der Kostenstellenrechnung
Kostenträgerzeitrechnung
13.2 Plankostenrechnung
Kosten und Beschaffung
Grenzplankostenrechnung (Direct
Costing) im Dienste der Produktions- und
Absatzpolitik
Plankostenrechnung im Dienste der
Kostenkontrolle
Kostenauflösung in fixe und proportiona-
le Bestandteile
Deckungsbeiträge
Grundbegriffe der Kostenkontrolle:
Basisplankosten, ...
Nach einem kurzen Blick auf die Unterrichtsthemen stellt sich die Frage, warum das Fach Rech-
nungswesen dem mathematisch-naturwissenschaftlichen-technischen Aufgabenfeld zugeordnet wurde.
Ein Grund könnte darin liegen, dass sonst die Fächerverteilung in den Aufgabenfeldern unausgewoge-
nen wäre. Keiner der drei anderen Fachgymnasiumstypen hat mit vier Fächern eine so geringe Anzahl
in diesem Bereich. Das Problem wird noch verstärkt, weil für dieses Aufgabenfeld neben dem
sprachlich-literarisch-künsterlischen Aufgabenfeld gleichzeitig die höchste Wochenstundenzahl in den
vier Kurshalbjahren vorgesehen ist. (vgl. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999, § 3 Abs. 2) Inhaltlich hat sich das Fach Rechnungswesen
aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich entwickelt und müsste dem gesellschaftswissenschaftlichen
Aufgabenfeld zugeordnet werden. Da hier aber bereits der berufsbezogene Leistungskurs Wirtschafts-
theorie und -politik erfasst ist, wäre die Organisationsstruktur des Kurssystems in den Aufgabenfel-
dern gefährdet. Wie bereits im vorherigen Abschnitt deutlich wurde, wird in „Problemfällen der
gymnasialen Oberstufe“ die Inhaltsstruktur der Organisationsstruktur geopfert. Inhaltlich wird im Fach
39
Rechnungswesen eine Mischung aus Buchführung und traditioneller Kostenrechnung vermittelt. Das
führt zu Problemen mit dem allgemeinen und besonderen Berufsbezug. Für den allgemeinen Berufs-
bezug, also für die Vermittlung von Kenntnissen über die Arbeits- und Berufswelt, sind die Themen
zu speziell, und für den besonderen Berufsbezug, also für eine Qualifizierung im beruflichen Bereich
ist die Auswahl der Themengebiete zu alt und entspricht nicht der Buchhaltungs- und besonders nicht
der Kostenrechnungspraxis. Das Fach „Rechnungswesen“ hat bestenfalls eine Funktion bei der
Vermittlung von einfachen Arbeitstugenden wie z. B. „sauberes“ und „systematisches“ Schreiben
(siehe auch Unterabschnitt 4.3.1.1). Insgesamt sollte darüber nachgedacht werden, welche grundle-
genden Veränderungen für dieses Fach erforderlich sind, damit das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - einen stärkeren Berufsbezug erhält.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die beiden „berufsbezogenen“ Pflichtkurse Wirtschaftstheorie
und -politik sowie Rechnungswesen inhaltlich und organisatorisch nicht mehr den heutigen Anforde-
rungen an einen fachgymnasialen Unterricht entsprechen. Während das Fach „Wirtschaftstheorie und -
politik“ inhaltlich überwiegend die universitäre Volkswirtschaftslehre und einen Teilbereich der
Betriebswirtschaftslehre abdeckt, vermittelt das Fach „Rechnungswesen“ überkommene Inhalte aus
der kaufmännischen Berufspraxis und der universitären Betriebswirtschaftslehre. Daneben verstößt die
organisatorische Einordnung des Faches Rechnungswesen gegen die Grundsätze der Aufgabenfeldsys-
tematik.
40
3 Ziele der Wirtschaftsbildung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
Durch das zweite Kapitel sollte auch deutlich geworden sein, dass das Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - eine besondere Position und Funktion beim Übergang vom Bildungs- zum Beschäfti-
gungssystem einnimmt. Zum einen ermöglicht es, den bisher eingeschlagenen Bildungsweg zu
„korrigieren“ und die Allgemeine Hochschulreife zu erwerben, und zum anderen sollen die Lernenden
im Fachgymnasium tiefergehend auf die Arbeits- und Berufswelt vorbereitet werden. „Die ökonomi-
schen Ziele und Kriterien des Beschäftigungssystems und die pädagogischen Ziele und Kriterien des
Bildungssystems stehen in spannungsreicher Beziehung. ... Die Spannung drückt sich u. a. aus in den
Differenzen zwischen den inhaltlichen und niveaumäßigen Anforderungen des Beschäftigungssystems
und den individuellen Lernvoraussetzungen und -bedürfnissen der Bürger. Die staatliche (Berufs-)
Bildungspolitik muß beide in einem Mindestmaß befriedigen, wenn der Staat sich selbst erhalten will.“
(Kell 1995 a, 383) In ökonomischen Krisen tendiert der Staat zu einer „muddeling-through-Politik“, d.
h. zu einer unstetigen Bildungspolitik, die tendenziell zu Anpassungsprozessen des Bildungs- an das
Beschäftigungssystem führt. (vgl. ebd., 383)
Wenn das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - seine Position am Übergang vom Bildungs-
zum Beschäftigungssystem stärken will, dann müssen die bestimmenden Strukturen des Schultyps
offengelegt und analysiert werden. Dies sind zum einen die organisatorischen Vorgaben der Kultusmi-
nisterkonferenz zur gymnasialen Oberstufe, deren enge Grenzen in letzter Zeit etwas gelockert
wurden. Zum anderen sind es die unterrichtsfachbezogenen Vorgaben für die Fach-
/Wirtschaftsgymnasien, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Kulturhoheit der Länder
sehr unterschiedlich sind und in Schleswig-Holstein im Rahmen einer generellen Lehrplanrevision zur
Zeit überarbeitet werden. Während die äußeren Strukturen, also die organisatorischen Vorgaben, seit
der großen gymnasialen Oberstufenreform von 1972 mehrfach geändert und erweitert wurden, sind die
inneren Strukturen, also die Lehrplangestaltung und die Fächereinteilung weitgehend konstant
geblieben. Da von den Bundesländern zwischen den äußeren und inneren Reformen häufig kein
Zusammenhang hergestellt wurde, waren sehr oft „Nachbesserungen“ erforderlich, die den ursprüng-
lich logischen Aufbau des Systems ausgehöhlt haben. Deshalb sollte bei einer Neuausrichtung des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - zunächst über die Anforderungen und Veränderungen in
seinen primären Bezugsbereichen nachgedacht werden.
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - muss sich an seinen „Kunden“ orientieren. Absolute
Priorität haben die „Kunden im engeren Sinne“, also die Schülerinnen und Schüler. Da das Fachgym-
nasium im Bildungssystem am Übergang zur Arbeits- und Beschäftigungswelt angesiedelt ist, muss es
auch auf Veränderungen in diesem Bereich reagieren, wobei daraus aber keine unmittelbare Anpas-
sung an die Arbeits- und Berufswelt abgeleitet werden sollte.
41
Die Lernenden nehmen nach dem Verlassen des Fachgymnasiums entweder ein Studium oder eine
Berufsausbildung auf. Auf beides werden sie aber immer schlechter vorbereitet. Daher muss darüber
nachgedacht werden, welche Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und Entwicklungen aus der
Arbeits- und Berufswelt sowie den Wirtschaftswissenschaften den Lernenden im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - zu vermitteln sind.
42
3.1 Die Arbeits- und Berufswelt - Persönlichkeitsbildung
Die Anzahl der Untersuchungen, die sich mit den Veränderungen in der Arbeits- und Berufswelt
auseinandersetzen, ist in den letzten zehn Jahren stark gestiegen und in Prognos-Studien sogar für
einzelne Tätigkeitsbereiche bis in das Jahr 2010 analysiert worden (vgl. Weidig, u. a. 1998). Insgesamt
werden in der Literatur die Probleme im Beschäftigungsbereich relativ identisch beschrieben, was hier
exemplarisch an drei Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen dargestellt wird.
Für den Bereich der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung beschreibt Wolfgang Klauder „sieben
Mega-Trends“ (1996, 23).
Es sind folgende Strukturen, die die Entwicklung prägen:
1. die rasanten Fortentwicklungen in den Informationstechnologien,
2. die Globalisierung der Wirtschaft,
3. die Zunahme der Berücksichtigung des Umweltschutzes,
4. die Individualisierung der Gesellschaft,
5. der hohe Anteil der Frauenerwerbstätigkeit,
6. die voranschreitende Überalterung der Gesellschaft,
7. die Zunahme von Bevölkerungswanderungen.
Die wesentlichsten Veränderungen in der Arbeits- und Berufswelt lösen nach Klauders Darstellungen
die beiden zuerst genannten Entwicklungen aus. (vgl. ebd., 23 ff.)
Für den Bereich der Schulpädagogik und mit Bezug auf das Gutachten der Bildungskommission
NRW (1995) beschreibt Winfried Schlaffke vier „Megatrends“ (1996, 15):
1. Globalisierung der Wirtschaft,
2. Zunahme der Konkurrenz im Bereich der Hochtechnologie,
3. verstärkte Tertiärisierung,
4. Abbau des Taylorismus.
Ausgehend von diesen Bereichen fordert er Veränderungen und Anpassungen im Schulsystem. (vgl.
ebd., 15 ff.)
Abschließend wenden wir uns einer europäischen Analyse zu, weil diese erweiterte bildungspoliti-
sche Betrachtung im Rahmen einer verstärkten politischen Anbindung an Bedeutung gewinnen wird.
Die Europäische Kommission beschreibt in ihrem Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen
Bildung (1996) drei große „Umwälzungen“ (ebd., 6):
1. die Entwicklung zur Informationsgesellschaft,
2. die Globalisierung der Wirtschaft,
3. das Gefühl der Bedrohung durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt.
Hierauf aufbauend werden allgemeingehaltene Problemlösungswege aufgezeigt. (vgl. ebd., 5 ff.)
Die drei Aufzählungen wie auch andere Beschreibungen zu diesem Thema nennen den Bereich der
Globalisierung und die rasante Weiterentwicklung der Informationstechnologien als entscheidende
43
Faktoren für Veränderungen. Wenn es aber darum geht, konkrete Lösungsmöglichkeiten für eine
schulische Reaktion auf diese Entwicklungen zu beschreiben, bleiben alle Ansätze bei sehr allgemei-
nen Aussagen, die überwiegend mit Forderung nach Vermittlung von Schlüsselqualifikationen
umschrieben werden.
Der Begriff der Globalisierung ist dabei nicht nur für Prognosen zur Arbeits- und Berufswelt zu
einem der wichtigsten Begriffe unserer Zeit geworden. Globalisierung ist die Zunahme der internatio-
nalen Tauschbeziehungen ohne Rücksichtnahme auf staatspolitische Grenzen. Kapital und Arbeit sind
in den letzten Jahrzehnten wesentlich mobiler geworden und haben damit zu einer Internationalisie-
rung des Wirtschaftens geführt. Die multinationalen Unternehmen sind der Motor der Globalisierung.
Sie prägen durch Direktinvestitionen und internationale Lieferbeziehungen das Bild. Aus ökonomi-
scher Sicht trägt Globalisierung zur Intensivierung des Wettbewerbs bei und ist nur eine Situationsbe-
schreibung, die als Auslöser u. a. einen Prozess von wissenschaftlich-technischem Fortschritt und
besonders freizügige politische Rahmenbedingungen benötigt.
Letztlich führt Globalisierung zu Sturkurveränderungen im Aufbau der nationalen
Wirtschaften. Das Modell der Drei-Sektoren-Hypothese von Jean Fourastié beschreibt, wie
im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung eine quantitative Verlagerung bei der Produktion
und Beschäftigung vom primären über den sekundären zum tertiären Sektor und in diesem
besonders zum Informationsbereich erfolgt. Dieser als Strukturwandel bezeichnete Prozess
wird durch die politische Liberalisierung des Handels noch weiter beschleunigt und führt in
Deutschland zu dem Problem, dass der Abbau der Arbeitsplätze im ersten und besonders im
zweiten Sektor nicht durch die Schaffung von Arbeitsplätzen im dritten Sektor ausgeglichen
werden kann. Während z. B. in den USA zur Zeit fast 80 % im Dienstleistungssektor arbeiten,
sind es in der Bundesrepublik erst 61 %. Verglichen mit den USA fehlen bei uns in diesem
Bereich zwischen 6 und 9 Millionen Arbeitsplätze.
Globalisierung führt aber auch bei den „Arbeitsbesitzern“ zu entscheidenden Veränderungen. „In der
globalisierten Weltwirtschaft gilt die Formel ½ x 2 x 3: Halb so viele Beschäftigte, die zweimal so gut
bezahlt werden wie heute und dreimal soviel Wertschöpfung erzeugen. Wenn das oft genug wiederholt
wird, so bleiben den Unternehmen nur noch kleine Kernbelegschaften, die aber entscheidend für den
Geschäftserfolg sind.“ (Schlösser 1997, 134) Die Globalisierung hat dazu geführt, dass traditionelle
Kategorien von Arbeitsplätzen und Produkten für die Beschreibung der realen Situation unzureichend
sind. Robert B. Reich (1993) beschreibt die Entwicklung in der Arbeits- und Beschäftigungswelt in
vier Kategorien von Tätigkeitsfeldern: „routinemäßige Produktionsdienste“, „kundenbezogene
Tätigkeiten“, „symbolanalytische Dienste“ und „vom globalen Wettbewerb abgeschirmte Tätigkeiten“.
(ebd., 5 ff.)
„Routinemäßige Produktionstätigkeiten“ bestehen aus sich ständig wiederholenden Arbeitsabläufen,
mit denen sich auf dem Weltmarkt Handel treiben lässt. Wie früher unzählige Fließbandarbeiter
Rohmaterial formten, so sind es heute Berge von Rohdaten, die Routinearbeiter, wie z. B. Debitoren-
44
/Kreditoren-Buchhalter, Abteilungsleiter und Produktmanager, „bewegen“. (vgl. ebd., 194 ff.)
„Kundenbezogene Dienste“, wie z. B. Einzelhandelsverkäufer, Altenpfleger und Wachpersonal,
„bestehen ebenfalls aus einfachen, stereotypen Tätigkeiten“ (ebd., 196). Im Gegensatz zu Routine-
Arbeitern können Kunden-Dienstleister ihre Arbeit überwiegend nur im Kontakt zu anderen Personen
erbringen. Daher sind ihre Tätigkeiten nur mittelbar über die Konzerne weltweit zu vermarkten. Für
diese Tätigkeiten reicht meist eine praktische Berufsausbildung. (vgl. ebd., 196)
Die „symbolanalytischen Dienste“ wie z. B. PR-Manager, Kostenanalytiker und Universitätsprofes-
soren umfassen „Aktivitäten der Problemlösung, -identifizierung und strategischen Vermittlung“
(ebd., 198). Viele dieser Personen haben einen Hochschulabschluss. Gemeinsam mit den „Routinear-
beitern“ ist den „Symbol-Analytikern“, dass sie selten mit Kunden in Kontakt kommen und dass ihre
Dienste weltweit gehandelt werden können. Im Unterschied zu den „Routinearbeitern“ lösen,
identifizieren und vermitteln „Symbol-Analytiker“ Probleme, indem sie Symbole interpretieren und
manipulieren. Symbole sind abstrakte Bilder der Wirklichkeit, wie z. B. Algorithmen, juristische
Argumente oder wissenschaftliche Regeln. Die wichtigste Eigenschaft der „Symbol-Analytiker“ ist,
dass sie ihr Wissen effizient und kreativ einsetzen können. Die Hochschulausbildung ist dafür keine
notwendige Bedingung, sie kann sogar selbständiges Denken behindern. Ihre Arbeitszeit steht nicht in
unmittelbarer Beziehung zum Ergebnis. Sie arbeiten häufig auch im Team und verbringen zahlreiche
Stunden am Telefon und auf Reisen. Die überwiegende Arbeitszeit beschäftigen sie sich mit der
Konzeption und Lösungsfindung für Probleme, während die anschließende endgültige Lösung kaum
noch Arbeit bereitet. (vgl. ebd., 198 ff.)
Die vom globalen Wettbewerb Abgeschirmten, wie z. B. Lehrer, Ärzte und Soldaten, sind in erster
Linie Angehörige des öffentlichen Dienstes. Sie nahmen in den USA 1990 ca. 15 % der vorhandenen
Arbeitsplätze ein. Zu diesen müssen noch 5 % von Personen gezählt werden, die im primären Sektor
tätig sind.
Die Routine-Tätigkeiten wurden etwa von einem Viertel der 1990 in den USA tätigen Personen - bei
fallender Tendenz - ausgeführt. Die kundenbezogenen Tätigkeiten betrugen ca. 30 %, bei stark
steigender Tendenz. Die „Symbolanalytiker“ hatten in den USA einen Anteil von 20 % an der
gesamten Erwerbstätigenzahl. (vgl. ebd., 194 ff.) Diese Beschreibung gilt mit leicht veränderten
Prozentangaben für alle hochentwickelten Staaten und hat bereits jetzt dazu geführt, dass sich die
Volkswirtschaften kaum noch voneinander unterscheiden „außer durch den Wechselkurs ihrer
jeweiligen Währung – und selbst dieser Unterschied mag über kurz oder lang verschwinden“ (ebd.,
192).
In den Unternehmen hat die Globalisierung zu drei wesentlichen Veränderungen geführt:
• Aus den festen mehrstufigen hierarchischen Organisationsstrukturen entwickeln sich „flache“,
selbständig entscheidende Systeme, die sehr schnell auf Veränderungen reagieren können.
• Die fest zugeordneten Tätigkeiten wurden bisher durch Qualifikationsanforderungen bestimmt und
seit einiger Zeit um selbstbestimmte Zielvorgaben und Gruppentätigkeiten erweitert. Ein zentrales
Problem dieser Teamarbeit ist das Wissensmanagement, d. h. die Frage, wie Wissen der Gruppenmit-
45
glieder besser genutzt, erweitert und allen zur Verfügung gestellt werden kann. Durch Job Rotation
verlieren klassisch strukturierte Karrieren an Bedeutung.
• Da Produkte häufig erst durch das Zusammenwirken mehrerer Unternehmen entstehen, ist diese
Kooperation auch zwischen Betrieben notwendig. (vgl. Dubs 1998, 14 ff.)
Ein Ergebnis des Globalisierungsprozesses ist seit einigen Jahrzehnten eine stetige Veränderung und
Steigerung der Qualifikationsanforderungen, aber auch eine kontinuierliche Zunahme der Arbeitslo-
sigkeit. Der Beruf wird heute von den Arbeitnehmern nicht mehr mit „Berufung“ gleichgesetzt,
sondern als zur Lebenserhaltung notwendig beschrieben. Der erlernte Beruf ist nur noch der Einstieg
in die Arbeitswelt. Neben dieser „ersten Schwelle“ hat sich die „zweite Schwelle“, die Aufnahme einer
beruflichen Tätigkeit nach abgeschlossener Berufsausbildung, zu einem immer größer werdenden
Problem entwickelt. In der Bundesrepublik Deutschland war 1995 jeder achte Arbeitslose zwischen 15
und 24 Jahre alt. Obwohl bereits heute aufgrund der demographischen Entwicklung die Zahl der
Jugendlichen zurückgegangen ist, nahm ihr Anteil an den Arbeitslosen insgesamt weiter zu. Daneben
ist für den Arbeitsmarkt eine „Akademisierung der Sachbearbeiterpositionen“ zu beobachten, d. h.
während früher für die Übernahme von beruflichen Tätigkeiten der Abschluss einer Berufsausbildung
ausreichend war, wird heute mindestens ein erfolgreich beendetes Fachhochschulstudium erwartet.
Darin könnte auch eine wesentliche Ursache für die Beliebtheit der Fachgymnasien und für den Trend
zur akademischen Ausbildung liegen. Insgesamt stieg der Anteil der Abiturienten an allen Schulab-
gängern seit 1960 auf 37 Prozent und hat sich damit versechsfacht. (vgl. Engelbrech/Reinberg 1998, 3
ff.)
Neben den von Reich beschriebenen gesellschaftlichen Strukturveränderungen in der Arbeits- und
Berufswelt wird individuell von einer Zunahme der „Patchwork-Biographien“ ausgegangen, d. h. die
Erwerbstätigkeit wird von Phasen des Arbeitsplatzwechsels, der Umschulung, Weiterbildung und
Arbeitslosigkeit durchbrochen. „Globalisierung und neue Arbeitskultur sind zwei Seiten derselben
Münze“ (Schlösser 1997, 133). Die Unternehmer fordern von den Ausbildungsstellenbewerbern
folgende Qualifikationen:
• Schlüsselqualifikationen (in absteigender Reihenfolge): Leistungsbereitschaft, Einstellung zur
Arbeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit, Teamfähigkeit, ...
• Fachqualifikationen (in absteigender Reihenfolge): Rechnen, Schulabschluss, Ausdrucksfähigkeit,
Rechtschreibung, gute Noten, Form der Bewerbung, DV-Kenntnisse, Begründung der Bewerbung,
Praktika, ... (vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft 1998, 1)
Das sind keine hochspeziellen, sondern allgemeine Qualifikationen, die früher mit dem Begriff der
Allgemeinbildung umschrieben wurden. Daneben wünschen sich 79 % bzw. 66 % der kaufmännischen
Ausbildungsbetriebe, dass ihre Bewerber bereits mit einer Textverarbeitung bzw. einem Kalkulations-
programm umgehen können (vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft 1999, 4 ff.) Den Wettlauf der
allgemeinen und beruflichen Schulen um die Vermittlung einer Berufsfähigkeit haben die Schulen
46
insgesamt bereits verloren, da sie diese Entwicklungen im Unterricht kaum berücksichtigen. Es zeigt
sich auch, dass die Vorstellungen der Unternehmen über die Leistungsfähigkeit ihrer Auszubildenden
weitgehend deckungsgleich mit den Forderungen der Hochschulen an die Eingangsvoraussetzungen
von Studenten und Studentinnen sind. Insgesamt ist eine frühzeitige und tiefgehende Spezialisierung
nicht erwünscht.
Die mit der Globalisierung einhergehenden gesellschaftlichen Effekte haben auch zu Veränderun-
gen bei den Lernenden in den Fachgymnasien geführt. „Die“ Jugendlichen gibt es nicht. Sie sind
daher nicht mehr in einem alles umfassenden Modell darstellbar. Empirische Untersuchungen zum
Wirtschaftsgymnasium, wie sie Walter Georg noch in den siebziger Jahren (1976) für die Bundesre-
publik Deutschland oder Franz Eberle in den achtziger Jahren (1986) für die Schweiz vorgenommen
haben, würden heute kaum zu Erkenntnissen führen, die in der Schulpraxis verwertet werden könnten.
Die Verlaufsformen der Jugendphase sind vielfältiger geworden, und durch die Zunahme der
Individualisierung haben sich nebeneinander mehrere unterschiedliche „Jugenden“ (Münchmeier
1998, 12) gebildet. Die Identitätsfindung der Jugendlichen erfolgt heute nicht mehr in Abgrenzung zu
den Erwachsenen, sondern in Beziehung zu den Gleichaltrigen. „Damit geht die Bedeutung der von
Spranger so hoch geschätzten Auseinandersetzung mit Überlieferung und Tradition (deren Repräsen-
tanten die Erwachsenen sind) zurück. Die oft zu beobachtende Gleichgültigkeit Jugendlicher gegen-
über gesellschaftlich-kulturellen oder religiösen Überlieferungen scheint hier eine Wurzel zu haben.“
(ebd., 9)
Wie wissenschaftliche Untersuchungen übereinstimmend zeigen, hat sich auch der Erziehungsstil im
Elternhaus verändert. Waren früher noch Gehorsam und Unterordnung ein wichtiges Erziehungsziel,
stehen heute Selbständigkeit und die Ausformung des „freien Willens“ im Mittelpunkt, ohne dass die
Orientierungen „Pflichtbewusstsein, Fleiß und Gehorsam“ aufgegeben wurden. Erziehungsziel der
Eltern ist ein selbstbewusster, persönlichkeitsstarker, aber verantwortungsbewusster, kooperativer und
pflichtbewusster Mensch. Die „Enttraditionalisierung“ (Münchmeier 1998, 12), also die Auflösung der
traditionellen Muster und Leitbilder, hat sowohl den Verlust der sozialen Kontrolle als auch eine
Orientierungslosigkeit bewirkt, was zu einem höheren Druck auf die Entwicklung einer Berufsent-
scheidung geführt hat. „Enttraditionalisierung“ führt zu „Pluralisierung“, d. h. legitimiert zwar
unterschiedlichere Lebensmuster, verstärkt aber auch die „Individualisierung“, d. h. führt zu höherer
Verantwortung für den eigenen Lebensweg. Weil die Bildungspolitik auf die Lebensrealität, also
besonders auf die Globalisierung der Arbeits- und Berufswelt, immer weniger Antworten gibt, hat sich
laut Walter Hornstein eine „Als-ob-Struktur“ (zitiert aus Münchmeier 1998, 13) entwickelt, d. h., da
bisher eine höhere und längere Bildung auch zu einem „besseren“ Beruf führte, werden diese
Verhaltensweisen in einer sich wandelnden Welt beibehalten. (vgl. ebd., 11 ff.)
Generell bestätigen alle neueren Untersuchungen zum Verhalten von Jugendlichen, dass Arbeitslo-
sigkeit als ein zentrales und persönliches Problem angesehen wird (vgl. z. B. Institut für empirische
Psychologie 1995, 16 ff.; Kleffner u. a. 1996, 5 ff.; Jugendwerk der Deutschen Shell 1997, 11 ff. und
Deutsche Shell 2000, 23 ff.). Besonders die Ergebnisse der 12. Shell-Jugendstudie (Jugendwerk der
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deutschen Shell 1997) haben deutlich gemacht, dass die Krise im Erwerbssektor die Jugendlichen
erreicht hat. Auf die Frage, wie sicher oder unsicher Jugendliche seien, ob ihre beruflichen Wünsche
in Erfüllung gehen, brachten 65 % der Befragten ihre Unsicherheit zum Ausdruck. (vgl. Münchmeier
1998, 10) Die Angst vor Arbeitslosigkeit steigt mit zunehmendem Alter der Jugendlichen an (vgl.
ebd., 5). Die überwiegende Zahl der Gymnasiasten möchte gern mehr über die Arbeits- und Berufs-
welt erfahren und erhofft sich von den sie Lehrenden tiefergehende Kenntnisse und verstärkten
Unterricht in diesem Bereich (vgl. Kleffner, u. a. 1996, 14 f.).
„Der Berufseinstieg vollzieht sich heute kaum noch ‚geradlinig‘, sondern erfolgt häufig über
Umwege, ...“ (Münchmeier 1998, 9) und Warteschleifen. (vgl. Engelbrech/Reinberg 1998, 6 f.) Ein
„kleiner Umweg“ waren und sind die Fachgymnasien, deren Klientel sich erheblich verändert hat.
Waren es nach dem Zweiten Weltkrieg überwiegend Lernende, die mit dem Abitur wieder in das
Berufsleben eintraten (siehe auch Abschnitt 2.1.3), so sind es heute verstärkt berufsorientierungslose,
teilweise verhaltensauffällige Jugendliche und darüber hinaus vermehrt auch Kinder von ausländi-
schen Mitbürgern.
Die stärkere gesellschaftliche Hinwendung zum Konsum lässt sich auch bei den Lernenden im
Fachgymnasium erkennen. Die Schülerinnen und Schüler haben häufig einen „Teilzeitjob“, der aber
nur sehr selten als „Sprungbrett“ zur Ausbildungsstelle genutzt werden kann. Da viele Schülerinnen
und Schüler des Fachgymnasiums ihren Traumberuf auch mit der Hochschulreife nicht verwirklichen
können, überwiegt häufig der „Wunsch“ nach einem Studium, das heute immer noch gesellschaftliche
Anerkennung sichert.
Diese Mischung aus leistungswilligen, aber zum Teil in den Zubringerschulen nicht in selbständiger
Arbeit geschulten Lernenden und „parkenden“ Schülerinnen und Schüler sowie kränkelnden oder
durch Ausdrucks-, Sprach- und Verständnisprobleme benachteiligten Schülerinnen und Schülern
erfordert eine neue Ausgestaltung der fachgymnasialen Oberstufe. „Ziel von Jugend ist vor allem die
Herausbildung einer stabilen Persönlichkeit und einer integrierten Identität, um in einer sich individua-
lisierenden, äußere soziale Kontrollen und festlegende Milieus abbauenden Gesellschaft bestehen zu
können, sowie der für das (ökonomisch) selbständige Erwachsensein unabdingbare Erwerb von
beruflichen Qualifikationen und Kenntnissen für Erwerbsarbeit, aber auch von sozialen Fertigkeiten
und Kompetenzen für das Leben in der Arbeitsgesellschaft.“ (Münchmeier 1998, 3)
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - muss daher die Persönlichkeitsentwicklung seiner
Lernenden stärker als bisher fördern, indem es u. a. intensiver nach Anknüpfungspunkten zur Arbeits-
und Berufswelt sucht. Die Vermittlung von Kenntnissen, Einsichten und Werthalten über die sich
wandelnde Arbeits- und Berufswelt und die Berufswahlfähigkeit der Jugendlichen zu stärken,
das ist Aufgabe aller Oberstufenklassen des Schulsystems. Für das Fachgymnasium - wirtschaft-
licher Zweig - gilt es, dieses stärker über den ökonomischen Bereich zu transportieren und dabei
die oben beschriebenen individuellen Teildefizite der Jugendlichen, die auch aufgrund der
unterschiedlichen „Zubringerschulen“ entstanden sind, auszugleichen.
48
Henry Ford I soll einmal gesagt haben, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht in der
Fabrikhalle oder im Forschungslabor beginnt, sondern im Klassenzimmer. Auf die neuen Herausforde-
rungen, die Globalisierung der Wirtschaft und die Entwicklung zur Informationsgesellschaft, werden
die Lernenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - bisher nur unzureichend vorbereitet. Wie
Untersuchungen und Umfragen bei Unternehmen und Hochschulen belegen, werden von den
Jugendlichen eher weniger Spezialkenntnisse als eine gute „Allgemeinbildung“ und eine dem Alter
entsprechende Persönlichkeitsentwicklung erwartet. Daher sollte das Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - sein Profil besonders durch die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten,
Einsichten und Werthaltungen in der Berufswahl sowie über Einblicke in die Arbeits- und Berufswelt
am Beispiel des ökonomischen Bereichs aufbauen und die individuellen Defizite der Lernenden
abbauen.
49
3.2 Die Wirtschaftswissenschaften - Denken und Handeln in Systemen
In den Wirtschaftswissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls erhebliche Verände-
rungen vollzogen, deren als gesichert geltende Erkenntnisse aber nicht im schulischen Unterricht
berücksichtigt wurden. Die folgenden Ausführungen stellen die wesentlichen Entwicklungen in der
Betriebs- und Volkswirtschaftslehre als Kern der Wirtschaftswissenschaften dar und versuchen, sie
durch Zielformulierungen für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nutzbar zu machen.
Sowohl in der Volks- als auch in der Betriebswirtschaftslehre haben sich neue und besonders
wissenschaftsübergreifende Ansätze entwickelt, die den dynamischen Charakter des Wirtschaftens
detaillierter beschreiben und analysieren. Diese Entwicklungen haben z. B. Bruno S. Frey (1990)
veranlasst, für sein Buch den Titel „Ökonomie ist Sozialwissenschaft“ zu wählen. Wie bereits im
Unterkapitel 2.1 dargestellt wurde, sind die Wirtschaftswissenschaften aus den praktischen Problemen
der Kaufleute hervorgegangen. Betriebswirtschaftliche Problemstellungen wurden bis in das 19.
Jahrhundert überwiegend in den Vorläuferwissenschaften der Kameralistik und Ökonomik behandelt.
Diese waren den rechtswissenschaftlichen und entscheidungslogischen Wissenschaftsbereichen
zugeordnet. Volkswirtschaftliche Themen, wie z. B. die staatliche Finanz- und Wirtschaftspolitik,
wurden erst ab dem 17. Jahrhundert aufgegriffen und im 19. Jahrhundert in eigenständigen Studien-
gängen gelehrt. Da für die Aufnahme eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums bereits sehr früh
ein „höherer“ Abschluss notwendig war, entwickelte sich auch für den allgemeinbildenden Schulbe-
reich die bis heute immer noch vorhandene enge Verbindung von Wirtschaftsthemen und Volkswirt-
schaftslehre.
Traditionell wird in der Volkswirtschaftslehre zwischen der mikro- und makroökonomischen
Betrachtungsweise unterschieden. Während in der Mikroökonomie in erster Linie einzelne Wirt-
schaftssubjekte bzw. -einheiten, spezielle Gütermärkte und die Preisbildung behandelt werden,
vermittelt die Makroökonomie in gesamtwirtschaftlich aggregierten Größen z. B. Probleme des
Wachstums, des Preisniveaus, der Beschäftigung sowie der Geld- und Fiskalpolitik. Diese Themenge-
biete werden meist durch Darstellungen zum Außenhandel und zu internationalen Wirtschaftsbezie-
hungen abgerundet. Für die Beschreibung und Erklärung der makroökonomischen Probleme wird
dabei auf die Erkenntnisse des mikroökonomischen Bereichs zurückgegriffen. Letztere haben sich in
den letzten Jahrzehnten erheblich verändert.
In der neoklassischen Mikroökonomik wird das zentrale Wirtschaftsthema Knappheit nur durch
Person-Gut-Beziehungen beschrieben und analysiert. Die Allokation erfolgt dabei kostenlos über
Märkte. Die beiden zentralen Hypothesen sind:
• der methodologische Individualismus, der davon ausgeht, dass bei der Analyse gesellschaftlicher
Gruppen die Einstellungen und Verhaltensweisen der einzelnen Mitglieder entscheidend sind,
• die individuelle Rationalität, die von einer konsistenten Präferenzordnung und einer rationalen
Handlung der Individuen ausgeht. (vgl. Richter/Furubotn 1996, 2 ff.)
50
Diese Annahmen werden von den Vertretern der Neuen Institutionenökonomik erweitert. Im Fall des
methodologischen Individualismus werden z. B. nicht nur Person-Gut-Beziehungen, sondern auch
Verbindungen zwischen Personen analysiert, und Unternehmen werden als eigenständige Wirtschafts-
subjekte berücksichtigt. Die Vorstellung von der individuellen Rationalität wird durch die realitätsbe-
zogenere Annahme der zweckrationalen Nutzenmaximierung ersetzt. (vgl. Richter/Furubotn 1996, 2
ff.)
Durch diese erweiterten Annahmen sind in der Volkswirtschaftslehre drei neue Forschungsschwer-
punkte entstanden:
• Die Property-Rights Analyse konzentriert sich auf die Frage, wie Verfügungsrechte über knappe
Ressourcen zwischen Individuen optimal verteilt werden können. Hierbei spielen Institutionen
eine entscheidende Rolle. Institutionen sind zielgerichtete Normen und Werte, die das soziale
Handeln von Individuen steuern.
• Die Transaktionskostentheorie geht davon aus, dass ökonomische Aktivitäten einen Abwicklungs-
aufwand verursachen, der durch den Einsatz von Unternehmen und Organisationen verringert
werden kann. Transaktionskosten entstehen durch die Bereitstellung, Änderung oder mit der Nut-
zung einer Institution. Unternehmen stellen nach Ronald H. Coase einen alternativen Allokati-
onsmechanismus zum Markt dar. Organisationen sind die Verknüpfung von Institutionen mit den
darin lebenden Personen.
• Der Prinzipal-Agent Ansatz beschreibt das für die Neue Institutionenökonomie typische Denken
in Verträgen in einer erweiterten und vertiefenden Sichtweise und führt damit die Transaktions-
kostentheorie mit der Property-Rights Analyse zusammen. Verträge sind hier als Beziehungen
zwischen zwei Partnern zu verstehen und werden in vollständige (klassische) und unvollständige
(relationale) Verträge getrennt. Im Gegensatz zu relationalen Verträgen wird bei klassischen Ver-
trägen die vollständige Beherrschbarkeit der Unsicherheit unterstellt. Da in der Praxis jedoch die
persönlichen Beziehungen der Vertragsparteien die Erfüllung von Verträgen entscheidend beein-
flussen, stehen relationale Verträge im Mittelpunkt der Betrachtungen der Neuen Institutionenö-
konomie. Bei relationalen Verträgen handelt es sich aber nicht nur um Vereinbarungen im rechtli-
chen Sinne, wie z. B. beim Arbeitsvertrag, sondern auch um nicht rechtliche Verhältnisse, wie z.
B. die Beziehung eines Unternehmens zu neuen Kunden.
Als Ergebnis dieser kurzgefassten Beschreibung der neueren Entwicklungen in der Volkswirtschafts-
lehre sollte deutlich geworden sein, dass sie sich besonders im mikroökonomischen Bereich zu einer
Wissenschaft weiterentwickelt hat, die einen stärkeren Bezug zu den realen ökonomischen Abläufen
herstellt.
51
„Beim Übergang zu einem System mit eingeschränkter Rationalität, Transaktionskosten und
asymmetrischer Information ändern sich sämtliche im neoklassischen Modell traditionell als Daten
akzeptierte Elemente gleichzeitig, und das ökonomische Problem verändert sich in seinem Wesens-
kern. Der frühere Formalismus kann nicht länger vorbehaltlos oder konsequent zur Anwendung
kommen. ... Es wird notwendig sein, in einige kreativ wenig erforschte Gebiete vorzudringen und die
Zusammenhänge zu klären, die zwischen den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Elementen des
Systems bestehen. Da hierfür eine dynamische Analyse erforderlich ist und viele Größen, die früher in
die Kategorie der Daten abgeschoben wurden, nunmehr als aktive Variable zu berücksichtigen sind, ist
Komplexität unvermeidlich.“ (Richter/Furubotn 1996, 506)
Für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ergibt sich die Frage, ob die an der traditionellen
Volkswirtschaftslehre ausgerichteten Lerninhalte im Fach „Wirtschaftstheorie und -politik“ erweitert
werden müssen und sogar in eine andere Struktur zu bringen sind, die es ermöglicht, das komplexe
ökonomische System im Unterricht zu vermitteln. „Mit der vergleichenden Institutionentheorie
gewinnen wir einen neuen Blickwinkel, der radikal anders ist als der der traditionellen ökonomischen
Theorie bzw. Sozialwissenschaften. Es wurde gezeigt, daß ihr Charakteristikum die Verbindung von
Institutionen, menschlichem Verhalten und Vergleich realistischer Alternativen ist. Sie bedient sich
der ‚strengen‘ Analyse, ohne von der Mathematik erdrückt zu werden, und ist zugleich stark empirisch
orientiert.“ (Frey zitiert nach Richter/Furubotn 1996, 508) Kurz gesagt: Das Herausragende bei den
neuen Entwicklungen in der Volkswirtschaftslehre ist die tiefergehende Individualisierung des
Denkansatzes, die höhere Komplexität bei der Durchführung der Analyse, die Vernetzung der
Teilbereiche und die Verknüpfung mit anderen Wissenschaften.
Auch in der Betriebswirtschaftslehre ist die Entwicklung zur Behandlung von komplexen
Systemen vorangeschritten. Der Psychologe Neuberger hat im Rahmen eines Vortrages zu den
Grundpositionen der Betriebswirtschaftslehre folgenden Vergleich vorgenommen: „BWL hat
zahlreiche Disziplinen angezogen; natürlich die heimlich bewunderte und gefürchtete VWL, aber auch
Recht, Soziologie, Mathematik, Psychologie, Arbeitswissenschaft, Ethik, Philosophie usw. Es ist
deshalb ein dem genius loci angemessener Vergleich, die BWL als Schweizer Armeemesser zu sehen:
es hat Korkenzieher, Dosenöffner, Nagelfeile, Schraubenzieher, Säge usw. und natürlich eine Klinge.
Das Schweizer Armeemesser ist nicht die Klinge oder Griff, sondern alles zusammen – und nicht nur
deswegen ist es so praktisch und von daher hat es zurecht seinen guten Ruf!“ (Neuberger zitiert nach
Aff 1997, 14) Diese Beschreibung der Betriebswirtschaftslehre als Vielfalt in Einheit wird nicht von
allen Wissenschaftlern geteilt. Einigkeit besteht aber darin, dass sich die heutige Betriebswirtschafts-
lehre irgendwo zwischen zwei Polen einordnen lässt: Sie ist auf der einen Seite die Lehre vom Betrieb
und auf der anderen Seite eine interdisziplinäre Managementwissenschaft. (vgl. Aff 1997, 15)
Historisch gesehen stand die Betriebswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum immer in
besonderer Abhängigkeit zur Volkswirtschaftslehre. Die Entwicklung in der Betriebswirtschaftslehre
ist in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg von der Fragestellung geprägt, ob sie in erster Linie
eine beschreibende, theoretische Wissenschaft sein soll oder ihr Schwerpunkt in der Gestaltung und
52
Anwendung liegt. Aus dieser Auseinandersetzung, die eng mit den Wissenschaftlern Rieger und
Gutenberg sowie Schmalenbach und Mellerovicz verbunden war, entwickelte sich die theoretisch-
erklärende und die anwendungsbezogene Betriebswirtschaftslehre, wobei der faktortheoretische
Ansatz von Erich Gutenberg bis in unsere heutige Zeit auch starke Auswirkungen auf die Themen-
strukturierung in den beruflichen Schulen hat, da dieser besonders im produktionstheoretischen
Bereich eine Verbindung zur Volkswirtschaftslehre herstellt und die Unternehmung in Bereichen
(Produktion, Absatz, Finanzen) getrennt darstellt und analysiert. (vgl. Witte 1998, 733 ff.)
Günther Schanz (1997, 555 ff.) und Eberhard Witte (1998, 731 ff.) heben in ihren Darstellungen in
hervorragender Weise hervor, dass alle in den letzten Jahrzehnten entwickelten betriebswirtschaftli-
chen Ansätze interdisziplinär gestaltet wurden und immer einen Schwerpunkt gelegt haben. Die
besonders prägenden Richtungen der neuen Betriebswirtschaftslehre sind: die entscheidungsorientierte
und verhaltenswissenschaftliche, die marketing- und wirtschaftsinformatikorientierte, die systemorien-
tierte Betriebswirtschaftslehre sowie der Neue Institutionalismus mit verhaltenstheoretischer Grund-
orientierung.
Ein entscheidender Schritt in die Richtung der heutigen Vorstellungen von Betriebswirtschaftslehre
wurde durch den entscheidungsorientierten Ansatz von Edmund Heinen vollzogen, der mit seinen
Beschreibungen zum beschränkt rationalen Entscheidungsverhalten von Individuen die Betriebswirt-
schaftslehre in die Sozialwissenschaften integrierte. Aber weder in den allgemeinbildenden noch in
den für diesen Ansatz besonders geeigneten berufsbildenden Schulen wurden die Darstellungen des
entscheidungsorientierten Ansatzes hinreichend berücksichtigt, obwohl er sich nach heutigem
methodischen Verständnis besonders für den fallorientierten Schulunterricht eignen würde.
Ein weiterer integrativer Ansatz ist der Marketingansatz. Er beinhaltet verhaltenswissenschaftliche
und systemtheoretische Aspekte. Da Marketing als absatzbezogene Denkhaltung in erster Linie
erfolgsorientiert ausgerichtet ist, kann hierdurch nur eine Facette der Betriebswirtschaftslehre
dargestellt werden. Im Gegensatz zum systemorientierten Ansatz haben die marketingorientierte und
die wirtschaftsinformatikorientierte Betriebswirtschaftslehre einen schnelleren Einzug in die Teilge-
biete des Unterrichts der beruflichen Schulen gefunden. So wurde ein Fach Datenverarbeitung
eingeführt und die Wirtschaftslehre um Marketingansätze erweitert bzw. teilweise sogar ein Fach
„Marketing“ neu erprobt. Diese grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung könnte zwei
Ursachen haben: Zum einen gibt es in beiden betriebswirtschaftlichen Themenbereichen Inhalte, die
den Unterricht für Lehrende und Lernende besonders attraktiv machen. Hierfür dürften Themen wie z.
B. die Tabellenkalkulation in Datenverarbeitung und die Werbung im Fach „Marketing“ stehen. Zum
anderen konnten die kaufmännischen Berufsschulen allein durch die Anschaffung von Datenverarbei-
tungsgeräten ihre Bedeutsamkeit im Vergleich zu gewerblichen Berufsschulen hervorheben, da auch
hier die neuste Computerhard- und software Anwendung fand. Zusammengefasst betrachtet, versuch-
ten die Berufsschulen mit der Anschaffung von Computern Profil zu gewinnen.
Im systemorientierten Ansatz von Hans Ulrich (1995, 161 ff.) werden soziologische-
systemtheoretische Entwicklungen aus dem Bereich der Kybernetik mit Hayeks Ansatz von der
53
„spontanen Ordnung“ verbunden. Unternehmen werden als „produktive soziale Systeme“ bezeichnet,
und die Führung dieser Systeme wird „Management“ genannt. In erster Linie geht es um die Unter-
nehmungsführungslehre und nicht allein um die Führung der Mitarbeiter, da Letzteres nur einen
Teilbereich der Betriebswirtschaftslehre darstellt, der durch die Personalmanagementlehre beschrieben
wird. „Nicht das Verhalten von Menschen, sondern das Verhalten sozialer Systeme ist Gegenstand der
BWL.“ (Aff 1997, 30) Mit der Unternehmungsführungslehre wurden Methoden entwickelt, die
Wirkungszusammenhänge in Systemen aufzeigen und es ermöglichen, Probleme aus verschiedenen
Sichtweisen zu analysieren. Die „produktiven sozialen Systeme“ werden in Beziehung zu ihrer
Umwelt analysiert. Wie in den technischen und medizinischen Wissenschaften sieht Ulrich die
Aufgabe seiner systemorientierten Betriebswirtschaftslehre darin, die sich aus der Praxis ergebenden
Problemsituationen zu analysieren. (vgl. Ulrich 1995, 166)
Für den Unterricht im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - scheint dieser Ansatz besonders
geeignet zu sein, da er den engen entscheidungsorientierten Ansatz um den Bezugsbereich „Umwelt“
erweitert und das lineare ökonomische Denken als Spezialfall definiert. Hierdurch ist es möglich,
Wechselwirkungen aufzuzeigen, zirkuläre Prozesse darzustellen und vernetztes Denken zu üben (vgl.
Probst/Gomez 1991, 11 ff.). Wie in der Technik und Medizin lassen sich Regelsysteme darstellen und
Veränderungen untersuchen. Bei all diesen positiven Eigenschaften muss aber darauf hingewiesen
werden, dass die Leistungsfähigkeit der Systemtheorie und Kybernetik nicht überschätzt werden
sollte, da innerbetriebliche Abläufe und Strukturen durch die Betrachtungen des Umfeldes in den
Hintergrund treten könnten (vgl. Schanz, G. 1997, 558).
Obwohl die entscheidungs- und systemorientierten Ansätze immer noch die Schwerpunkte der
betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre bilden, sind die volkswirtschaftlichen Erkenntnisse der
Neuen Institutionenökonomie nicht ohne Wirkung geblieben. Hierdurch hat sich die Betriebswirt-
schaftslehre zu einer Wissenschaft des Neuen Institutionalismus mit verhaltenstheoretischer Grundori-
entierung entwickelt. Diese nutzt die Erkenntnisse der Psychologie (einschließlich der Sozialpsycho-
logie) und der Volkswirtschaftslehre für die Beantwortung der zentralen Frage, warum es Unterneh-
men gibt, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sie funktionieren und in welchen Beziehungen sie mit der
Umwelt stehen. Durch diesen integrierenden Ansatz konnten die verschiedensten Teilgebiete der
Mikroökonomie und der Betriebswirtschaftslehre miteinander verknüpft werden. Bei diesem neuen
Ansatz „handelt es sich zum Teil um die Übersetzung gesicherten Fachwissens in die Sprache der
Institutionenökonomie und insoweit lediglich um eine neue Schreibweise. Jedoch gelingt dadurch die
Zurückführung konkreter Erklärungsansätze auf den gemeinsamen Grundsatz des Rationalprinzips
(Axiomatisierung).“ (Witte 1998, 738) Die Beziehungen zwischen der Volks- und der Betriebswirt-
schaftslehre sind damit so eng geworden, „dass im Grunde genommen eine völlige Integration denkbar
(und im übrigen auch: wünschenswert) erscheint. Das Motto ‚zurück zu den Klassikern’ der National-
ökonomie, die (wie etwa Adam Smith) in Wirklichkeit umfassend denkende Sozialwissenschaftler
waren, könnte dabei wegweisend sein.“ (Schanz 1997, 561) Wenn es gelänge, diesen Ansatz in das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zu übertragen, dann könnten die im Abschnitt 2.3.2
54
beschriebenen Probleme in den Fächern „Wirtschaftstheorie und -politik“ und „Rechungswesen“
beseitigt werden.
Insgesamt sind sowohl die Betriebs- als auch die Volkswirtschaftslehre interdisziplinärer geworden.
Neubergers trefflicher Vergleich der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schweizer Armeemesser sollte
Anregung für eine neue inhaltliche und strukturelle Ausrichtung des Faches „Wirtschaftstheorie und -
politik“ sowie besonders des Faches „Rechnungswesen“ im Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - sein. Hierbei wird es nicht ausreichend sein, wenn der Leistungskurs „Wirtschaftstheorie und
-politik“ und der Grundkurs „Rechnungswesen“ durch die Methodik des Projektunterrichts ergänzt
werden. Solange der „Wirtschaftsunterricht“ nicht die Neue Institutionenökonomie mit den entschei-
dungs-, verhaltens- und systemorientierten betriebswirtschaftlichen Ansätzen vereint, wird er keine
bildende Funktion übernehmen können. „Der Viel-Lerner wird zum Nichts-Wisser. Die Anhäufung
von Informationen versperrt den Blick auf das Ganze.“ (Westphalen 1994, 1359) Die bereits eingangs
zitierte Buchüberschrift von Frey (1990), „Ökonomie ist Sozialwissenschaft“, trifft den Kern der
Veränderungen in den Wirtschaftswissenschaften. Auf diese muss das Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - reagieren. In den ökonomiebezogenen Lehrplänen sollten sowohl einseitige fachwissen-
schaftliche als auch veraltete berufsbezogene Betrachtungsweisen beseitigt werden. Es gilt, die
betriebs- mit den volkswirtschaftlichen Inhalten stärker zu verknüpfen. Die Lernenden im Fachgymna-
sium - wirtschaftlicher Zweig - sollten Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten, über komplexe ökono-
mische Systeme erwerben.
Dass in den deutschen Wirtschafts- und Fachgymnasien noch erhebliche ökonomische Bildungsdefi-
zite vorhanden sind, macht die empirische Untersuchung von Klaus Beck (1993 und 1997) deutlich. In
einer vergleichenden Untersuchung von Schülerinnen und Schülern an Realschulen, Gymnasien,
Wirtschaftsschulen, Wirtschaftsgymnasien, Auszubildenden im Einzelhandel, Bank-, Industrie- und
Versicherungswesen hatte er Tests eingesetzt, die die Leistungen und Fähigkeiten im ökonomischen
Bereich messen sollten. Im Rahmen dieser Untersuchungen hat Klaus Beck die ökonomische
Analysekompetenz mit der allgemeinen Intelligenz verglichen und kommt zu dem Ergebnis, dass
Jugendliche aus Wirtschaftsschulen und -gymnasien im Vergleich zu Realschulen und allgemeinen
Gymnasien eine nicht wesentlich bessere ökonomische Analysekompetenz besitzen und dass diese
insgesamt auch nicht besonders hoch ist. (vgl. ebd. 1997, 60f.)
Für die moralische Urteilskompetenz im ökonomischen Bereich zeigt sich, dass die Lernenden der
Wirtschaftsgymnasien ebenfalls keine besseren Ergebnisse als Jugendliche der allgemeinen Gymna-
sien erzielen. (vgl. ebd. 1997, 64) Beck stellt auch fest, dass es den Lernenden an Wirtschaftsgymna-
sien aufgrund der fehlenden Berufserfahrung an der Erkenntnis mangelt, dass ihr Schulwissen wenig
verwertbar ist. Positiv ist dagegen, dass die Lernenden im Wirtschaftsgymnasium eine große Bereit-
schaft zeigen, ihre geringen Kenntnisse im ökonomischen Bereich zu verbessern. (vgl. ebd. 1997, 62
ff.) Becks Analyse müsste für die Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - in Schleswig-Holstein
sicherlich mit Bezug auf die Unterschiede zwischen Fach- und Wirtschaftgymnasien in den einzelnen
Bundesländern tiefergehend analysiert werden, tendenziell dürften die Untersuchungsergebnisse auf
55
das schleswig-holsteinische Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - übertragbar sein.
Entsprechend den Vorgaben der Kultusministerkonferenz zur gymnasialen Oberstufe (vgl. Sekretari-
at der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1997 c,
3 ff.) sollten im Fachgymnasium die Berufs- und Studierfähigkeit gefördert werden. Die Berufsfähig-
keit beinhaltet die Entfaltung der Fähigkeit zur Berufswahl, berufsorientierende Kenntnisse und
besonders auch die Motivation zur Berufswahl und zur Berufstätigkeit. Die Studierfähigkeit beinhaltet
die Vermittlung einer vertieften Allgemeinbildung und eine Wissenschaftspropädeutik im ökonomi-
schen Bereich sowie die Motivation zum Studium (siehe auch Abschnitt 2.3.1). Während die Berufs-
und Studienmotivation in enger Beziehung zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung stehen
(siehe auch Unterkapitel 3.1), betreffen die anderen genannten Bereiche das Denken und Handeln der
Lernenden in komplexen ökonomischen Systemen. Die Entwicklung von Studierfähigkeit und die
Vermittlung von Wissenschaftspropädeutik erfordern aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit
den komplexen ökonomischen Systemen. Daher sollten die Lernenden im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - nicht nur die bereits genannten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkei-
ten über komplexe ökonomische Systeme erwerben, sondern müssen sich auch kritisch mit den
komplexen ökonomischen Systemen auseinander setzen, um Einsichten und Werthaltungen in
diesem Bereich zu entwickeln.
Durch dieses Unterkapitel sollte deutlich geworden sein, dass die neueren Entwicklungen in der
Volks- und Betriebswirtschaftslehre im Unterricht des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - zu
berücksichtigen sind, da sie den Lernenden die Strukturen des Fachgebietes besser erschließen und
gleichzeitig Hilfe für das Verständnis von alltäglichen ökonomischen Situationen vermitteln. Dafür
sollten die Lernenden im Denken und Handeln in komplexen ökonomischen Systemen geschult
werden und nicht nur ökonomisches Faktenwissen aufbauen. Durch die Verknüpfung mit Unterrichts-
themen aus den Bereichen Berufswahl sowie Arbeits- und Berufswelt könnte dieser Lernprozess noch
weiter gefördert werden.
56
4 Inhaltsbezogene Anforderungen an eine neue Wirtschaftsbildung
Wenn die beiden primären Ziele fachgymnasialer Bildung darin bestehen, die Persönlichkeitsentwick-
lung der Lernenden an Beispielen aus der kaufmännisch-verwaltenden Arbeits- und Berufswelt zu
fördern und ein Denken und Handeln in komplexen ökonomischen Systemen herbeizuführen, dann ist
eine Reform dieses Schultyps dringend erforderlich. Diese muss sowohl inhaltlich als auch organisato-
risch erfolgen. In diesem Kapitel werden die „elementaren Bausteine“ der inhaltlichen Struktur des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - beschrieben. Die Analyse der dafür geeigneten organisato-
rischen Strukturen erfolgt im fünften Kapitel.
Die inhaltlichen Strukturen des Unterrichts im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - werden
von drei grundlegenden Fragen bestimmt:
1. Welches Bildungsverständnis bestimmt die Auswahl der Inhalte?
2. Welche Bedeutung hat die Berufsorientierung für diesen Schultyp?
3. Wie sollte eine profilgebende Wirtschaftsbildung aufgebaut sein?
Aus diesen Fragen lässt sich unmittelbar die dreigeteilte Struktur des vierten Kapitels ableiten. Die
Überschriften der drei Unterkapitel enden jeweils mit einer konkreten Fragestellung, die durch zwei
Extrempole umschrieben wird. Die beiden Positionen sind so angeordnet, dass der zuerst genannte Pol
eher für eine enge und in sich geschlossene Ausprägung des jeweiligen „Bausteins“ steht, während der
zweite Pol die offene und weniger restriktive Variante beschreibt. In Verbindung mit dem zweiten
Kapitel kann nachgewiesen werden, dass das heutige Fachgymnasium dadurch charakterisiert ist, dass
es bei allen sechs Kriterien einen Kompromiss zwischen den jeweiligen Polen eingegangen ist. Diese
auf der Tradition aufbauende und fortentwickelte Profilierung zwischen den Polen ist neben seiner
größten Stärke auch seine Schwäche, da sich tiefgreifende fachgymnasiale Veränderungen immer nur
schrittweise einführen lassen und letztlich das gesamte deutsche Bildungssystem berücksichtigen
müssen.
Zusätzlich ist zu beachten, dass zwischen den jeweiligen Extrempolen durchaus große Spielräume
für Veränderungen vorhanden sind. Sie lassen sich in einer Analogie zu den Schiebereglern einer
Stereoanlage verdeutlichen. Die Regler erlauben unterschiedliche Positionen zwischen den Extrem-
punkten und stehen selten auf diesen. Die Veränderung eines Reglers hat zur Konsequenz, dass erst in
Beziehung zur Position der anderen Regler ein bestimmter „Gesamtklang“ entsteht. Bereits die
Verschiebung eines Reglers führt zu einer anderen „Musikwahrnehmung“. Ebenso verhält es sich mit
den im Folgenden dargestellten Kriterien des Fachgymnasiums, bei denen Veränderungen in einem
Bereich vor dem Hintergrund der anderen Bereiche zu betrachten sind. Erst die „Einstellung“ einiger
Extrempositionen, die in dieser Arbeit als Pole bezeichnet werden, lässt den Hörer die vielfältigen
Möglichkeiten erahnen. Dass die Veränderung einer Reglereinstellung nicht automatisch zu einem
besseren „Gesamtklang“ führt, kann an der Einführung von Projekttagen dargestellt werden. Es ist
57
nicht ausreichend, wenn die Projektmethode vorgeschrieben wird, aber der inhaltliche Bezug zum
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sehr allgemein gehalten ist. So wurden in den letzten
Jahrzehnten häufig auch Projekte aus dem Hobbybereich der Lehrenden gewählt, die nur einen
geringen Bezug zu den beiden profilbildenden Zielen des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig -
hatten.
Die drei strukturgebenden Inhaltsbereiche sind daneben auch nach ihrer Bedeutsamkeit angeordnet.
Das Bildungsverständnis (siehe Unterkapitel 4.1) ist der Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegun-
gen. Darauf aufbauend werden die inhaltliche Ausrichtung der Berufsorientierung (siehe Unterkapitel
4.2) und der Wirtschaftsbildung (siehe Unterkapitel 4.3) festgelegt.
58
4.1 Das Bildungsverständnis - Berufliche oder Allgemeine Bildung
Die Entwicklung eines fachgymnasialen Schulprofils beinhaltet die zentrale Frage, ob sich das
Bildungsverständnis des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - mehr am Beruflichen oder mehr
am Allgemeinen ausrichten sollte. Das schleswig-holsteinische Schulgesetz umgeht das Problem,
indem es für die Fachgymnasien bestimmt, dass sie „durch berufsbezogene und allgemeinbildende
Unterrichtsinhalte“ (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes
Schleswig-Holstein 1999 a, § 22 (1)) Bildung vermitteln sollen. In den fachgymnasialen Verordnun-
gen und Lehrplänen findet aber keine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Verständnis und der
Abgrenzung von „berufsbezogener Bildung“ statt. Auch die besonders in den 70er Jahren durchge-
führten Bestimmungsversuche konnten keine schulisch verwertbaren Erkenntnisse hervorbringen (vgl.
z. B. Deutscher Bildungsrat 1974).
Die Forderung nach einer neuen Wirtschaftsbildung für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - macht es notwendig, den Bildungsbegriff einzugrenzen, bevor eine tiefergehende Analyse der
Wirtschaftsbildung erfolgen kann. Bildung wird allgemein für die gymnasiale Oberstufe durch die
Beschreibung der Prinzipien „vertiefte allgemeine Bildung, Wissenschaftspropädeutik, Berufs- und
Studierfähigkeit“ sowie im Besonderen durch Lehrpläne der jeweiligen Fächer näher bestimmt. Durch
das Unterkapitel 2.3 sollte deutlich geworden sein, dass die Trias der Ziele für die unterrichtliche
Umsetzung zu allgemein ist und daher konkretisiert werden muss.
Der Bildungsbegriff hat viele Fassetten. Durch ihn werden sowohl Prozesse als auch Ergebnisse
beschrieben. Für die schulische Anwendung versucht Ludwig Huber (1997 b), den Bildungsbegriff
gegen einige andere Begriffe abzugrenzen und gleichzeitig durch Ergänzungen zu definieren:
- „Lernen ist Teil des Bildungsprozesses, aber nicht alles Lernen ist Bildung. Bei ihr geht es nicht
nur um Erwerb von Wissen oder gar ‚Vielwissen‘, sondern um Verstehen, nicht nur um formales
Lernen des Lernens, sondern um Aneignung eines für das Subjekt bedeutsamen Stücks Welt (der
umgebenden Kultur) in einem Prozeß, durch den die Person als ganze sich entwickelt, eine andere
wird.
- Erziehung - als ‚Hilfe zum Erwachsenwerden‘ (v. Hentig) - kann zwar Möglichkeiten der Bildung
schaffen. Aber Bildung muß sich als Selbstbildung vollziehen, geht daher über Erziehung hinaus,
und das ein Leben lang weiter.
- Qualifikation zielt auf die Verwendbarkeit der Person für bestimmte Zwecke. Mit ‚Bildung‘ wird
hingegen der Anspruch der Person anerkannt, als Subjekt angesprochen zu werden, das zu sich
selbst kommen will, und seine eigene Individualität zu formen, sich selbst zu verwirklichen sucht
(soweit ohne Verletzung der entsprechenden Rechte anderer möglich). Das schließt nicht aus, daß
Bildung im Ergebnis für viele Aufgaben eine bedeutsame Qualifikation darstellt.
- Sozialisation bedeutet den Prozeß, gesellschaftlich handlungsfähig zu werden; Schule hat daran
mächtigen Anteil. Ein Prozeß der Bildung ist oder wird dies nur, insofern er der Person bewußt,
59
ggf. auch von ihr kritisch betrachtet und das sonst nur habitualisierte Verhalten begründet beibe-
halten oder verändert wird. (Bildung ist eben: nachdenklich verarbeitete Erfahrung).
- Persönlichkeitsentwicklung bezeichnet, rein formal, nur den Gegensatz zu Formung oder
Bestimmung der Person ‚von außen‘, erlaubt ein rein individualistisches Mißverständnis. Bildung
enthält demgegenüber auch eine Norm: Mündigkeit (vernünftige Selbstbestimmungsfähigkeit), die
notwendig die Rücksicht auf die Mitmenschen und die Gestaltung vernünftiger Verhältnisse ein-
schließt. (Bildung ist politische Bildung).
Mit dem Begriff ‚Bildung‘ ist also eine bestimmte Qualität von Lern- bzw. Entwicklungsprozessen
gemeint. Als pädagogischer Zielbegriff bezeichnet er die Intention, diese so zu gestalten, daß Bildung
möglich wird. Eine ‚Technologie‘, diesen Effekt zu gewährleisten, kann es nicht geben, wegen der
Unverfügbarkeit des Subjekts und wegen der Komplexität der Prozesse nicht.“ (ebd., 344 f.)
Die Darstellungen von Huber ermöglichen zunächst eine Differenzierung und Systematisierung der
Bildungsbegriffe. In diese Reihe sollte noch der Kompetenzbegriff eingefügt werden, der die vom
Individuum zu entwickelnden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten beschreibt und häufig den
Qualifikationen gegenübergestellt wird. Für die unterrichtliche Umsetzung von fachgymnasialer
Wirtschaftsbildung bleiben diese Begriffe jedoch noch zu vage.
Ein erster Konkretisierungsansatz ergibt sich durch die Darstellung der historischen Entwicklung des
Bildungsbegriffes, aus dem ein inhaltlich-organisatorischer Bildungsbegriff abgeleitet werden kann.
Dieses klassische Bildungsverständnis wird im Abschnitt 4.1.1 beschrieben. Daneben hat sich in den
letzten Jahrzehnten immer mehr ein neues Bildungsverständnis in den Vordergrund gedrängt, das sich
verstärkt an den Lernenden orientiert und den psychologischen Abläufen beim Aufbau von Wissen
nachgeht. Dieses Bildungsverständnis wird im Abschnitt 4.1.2 analysiert und mit dem inhaltlich-
organisatorischen Bildungsverständnis kombiniert, damit die Frage geklärt werden kann, wie die
fachgymnasiale Wirtschaftsbildung zu gestalten ist.
4.1.1 Das inhaltlich-organisatorische Bildungsverständnis
Der Bildungsbegriff ist im Laufe der letzten Jahrzehnte durch die unterschiedlichsten Bezeichnungen
ersetzt, ergänzt und erweitert worden. Heinz-Elmar Tenorth beschreibt die historische Entwicklung
des Bildungsbegriffes und unterscheidet zwischen Allgemeinbildung und allgemeiner Bildung (vgl.
1994, 10 f.). Der Begriff der „allgemeinen Bildung“ wird seit dem Ende des 18. Jahrhunderts unter
der Frage erörtert, „welche Funktion öffentliche Erziehung für Individuen und Gesellschaften
zukommt und wie man im Bildungswesen diese Erwartungen realisieren kann“ (ebd., 2). Es geht um
die soziale Funktion von Bildung. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird unter dem Begriff der
„Allgemeinbildung“ intensiver darüber diskutiert, was in Schulen in einem Kanon gelehrt werden
60
sollte. Darüber hinaus wird versucht, ein Persönlichkeitsideal zu bestimmen und es mit dem Kanon in
Einklang zu bringen. Debatten über Persönlichkeitsideale stehen meist unverbunden neben der
Analyse der sozialen Funktion von Allgemein- bzw. allgemeiner Bildung. (vgl. ebd., 2 ff.) Ausgangs-
punkt der folgenden Darstellungen sind nicht differenzierten Betrachtungen zwischen allgemeiner
Bildung und Allgemeinbildung, sondern die Beschreibung der historischen Entwicklung des heutigen
unterrichtlich umsetzbaren Bildungsverständnisses.
Die Ideen der Bildungsphilosophen, deren bekanntester Vertreter Wilhelm von Humboldt war,
haben unser Bildungssystem so stark beeinflusst, dass die Schulen auch heute noch in allgemein- und
berufsbildende Institutionen getrennt werden (siehe auch Abschnitt 2.1.2). Der Druck der Aufklärung
bewirkte bei den Neuhumanisten eine Hinwendung zu den Bildungsidealen der Antike und verstärkte
den Ansatz einer individuellen Persönlichkeitsformung durch Bildung. Allgemeinbildung wurde
darüber hinaus mit dem Bild des Gelehrten verbunden. Die Universitäten erhielten dadurch den Status
von allgemeinbildenden Institutionen, die beruflichen Bildungsinstitutionen wurden abgewertet und
alle anderen nicht in diesem Sinne „klassischen“ Inhalte wurden gering geschätzt (vgl. Tenorth 1986,
12 f.). Bei dieser einseitigen Betrachtungsweise ist es nicht verwunderlich, dass bis in unsere Zeit
immer wieder versucht wurde, den eigentlichen Kern des Allgemeinen vom Beruflichen zu trennen.
Während durch Humboldts Ideen auf organisatorischer Ebene die Trennung der beiden Schulbereiche
bis in die heutige Zeit vollzogen wurde, blieb die inhaltliche Bestimmung von Bildung weiterhin
unklar.
Eduard Spranger (1928) veränderte Anfang des letzten Jahrhunderts Humboldts Ansatz dahinge-
hend, dass er der Allgemeinbildung eine „grundlegende Bildung“ voranstellte, auf die dann eine
Berufsbildung folgen sollte und aus der sich anschließend erst Allgemeinbildung entwickeln könnte.
Vielfach wird in der Literatur nur von der Umkehrung der beiden Bildungsbegriffe gesprochen und
nicht deutlich genug hervorgehoben, dass Spranger nicht die Berufsbildung an den Anfang stellt,
sondern eine grundlegende Allgemeinbildung. Aber auch bei Spranger bleibt die Inhaltsdimension für
die Schultypen weitgehend unklar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg - besonders in den 60er und 70er Jahren - gewannen Bildungsersatz-
begriffe an Bedeutung, die auch zu einer Auflösung der organisatorischen Trennung der beiden
Schulbereiche führen sollten. So wurden z. B. besonders die allgemeine und berufliche Grundbildung
und neue Schultypen, wie die Kollegschule und das Berufsgrundbildungsjahr, diskutiert und einge-
führt. Ein wesentliches Ziel dieser Schulen war es, sich vom „Diktat“ des Allgemeinen in der Bildung
zu trennen. (vgl. Derbolav 1983, 276 ff.)
Adolf Kell beschreibt ein Problem des Bildungsbegriffes, das unser Bildungssystem seit den von W.
v. Humboldt angeregten Schulreformen beschäftigt. Er sieht in der „Zuordnung von Allgemeinbildung
zu Kultur und von Berufsbildung zu Wirtschaft“ „ein typisch deutsches Denkmuster“ (1995 b, 145),
das die Systematisierung von Schultypen und Bildungsinhalten beeinflusst und diese vermischt. Indem
er in einem gesellschaftlichen Modell das Bildungs- und Beschäftigungssystem trennt, versucht er, die
jeweiligen inhaltlichen Probleme darzustellen. Diese Trennung ist für die Situationsanalyse der
61
Berufsschule sicherlich sinnvoll, aber auf das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - kaum
übertragbar, da eine Verbindung von Betrieb und Berufsschule nicht vorhanden ist und besonders
inhaltliche Anknüpfungspunkte für die Beschreibung von Allgemeinbildung fehlen.
Saul B. Robinsohn gelingt es durch den situativen Ansatz, das historisch gewachsene Verständnis
von Allgemeinbildung mit dem der Berufsbildung zu verbinden. Bildung wird danach als Persönlich-
keitsentwicklung und Fähigkeit zur Bewältigung von Lebenssituationen verstanden (vgl. 1975, 13 ff.).
Es besteht heute Einigkeit darüber, dass bildende Situationen nicht nur aus dem von W. v. Humboldt
bevorzugten „antiken Bereich“ stammen müssen. Bildung kann sich auch an und in speziellen
Situationen, also z. B. im Beruf entwickeln. Voraussetzung ist jedoch, dass das Individuum eine
grundlegende Bildung zum Verständnis des Speziellen besitzt, d. h., es hat Kenntnisse in der deut-
schen Sprache und Rechtschreibung, damit es z. B. in Ergänzung mit erworbenen Rechtskenntnissen
einen Kaufvertrag unter der moralischen Perspektive beurteilen kann. An diesem Beispiel wird
deutlich, dass allgemeine und berufliche Bildung trennbar sind, diese aber gleichzeitig auch untrenn-
bar miteinander verbunden sind. Dabei wird Allgemeinbildung aber nicht nur als Grundbildung
verstanden, sondern sie ist auch nach erfolgreicher Analyse des Kaufvertrages zu einer allgemeinen
Bildung auf höherer und speziellerer Ebene geworden. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die
Analyse eines Kaufvertrages nicht nur in beruflichen Lebenssituationen erforderlich ist. Denn der
Beruf ist nur eine spezifische Bündelung von Tätigkeits- bzw. Qualifikationsmerkmalen zu einer
organisatorischen Einheit (vgl. Nickolaus 1997, 185).
In Anknüpfung an Robinsohns Ansatz unterscheidet Hans-Jürgen Albers „Allgemein- und
Spezialbildung“ und nicht „Allgemein- und Berufsbildung“. Diesen beiden Begriffen ordnet er vier
unterschiedliche Lebenssituationen zu. Er geht davon aus, dass Spezialbildung sowohl in berufsspezi-
fischen und berufsallgemeinen sowie in privaten und gesellschaftsrelevanten Lebenssituationen erzielt
werden kann. So entwickelt ein Lernender z. B. durch den Besuch der Volkshochschule besondere
Kenntnisse in Wirtschaftsenglisch, die er nur für einen privaten Besuch in London nutzen will. Er
kann sich diese Kenntnisse aber auch für sein berufliches Fortkommen oder für seine tägliche
Berufsarbeit aneignen. Albers gelingt es durch diese Systematisierung, die beiden eigentlichen,
elementaren Kategorien der Bildung zu trennen. Die Allgemeinbildung differenziert er nach privaten,
gesellschaftlichen und berufsallgemeinen Lebenssituationen. Berufsallgemeine Lebenssituationen
schließen den Bereich der Berufsorientierung ein. Bildung wird durch das Modell von Albers als enge
Verzahnung von allgemeinen und speziellen Lebenssituationen beschreibbar. (vgl. 1997, 231 ff.)
Diese Sichtweise verstößt nur insofern gegen Humboldts Ansatz, als dass sie nicht die „antike
Bildung“ in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt. Sie entspricht auch Sprangers Ansatz, da das
Modell von Albers Sprangers Definition von grundlegender Bildung berücksichtigt, die Vorausset-
zung für die nachfolgende berufliche Bildung ist. Durch den erweiterten Lebenssituationsansatz von
Albers wird aber auch deutlich, dass z. B. Kenntnisse über die Formulierung von Kaufverträgen nicht
62
nur für Auszubildende in der Berufsschule, sondern auch für die Lernenden in der gymnasialen
Oberstufe notwendig sind.
Aus Sicht der Spezialbildung kann der gesamte Bereich der Allgemeinbildung auch als Komplex
gesehen werden, der inhaltlich eine vorberufliche Bildung vermittelt, die spätestens in den allgemein-
bildenden Schulen beginnt und in den Berufsschulen teilweise durch Fächer wie z. B. Deutsch und
Religion fortgeführt wird. Vorberufliche Schulen wären demnach die Sonder-, Haupt-, Real-,
Gesamtschulen und Gymnasien, die aber nicht völlig losgelöst von der Spezialbildung Inhalte
vermitteln, da ihre Unterrichtsinhalte und Abschlüsse die Jugendlichen bereits in bestimmte Berufe
lenken. So gehen die Jugendlichen, die Hauptschulen erfolgreich beenden, überwiegend in handwerk-
lich-technische Berufe, ehemalige Realschüler und Realschülerinnen finden ihre Beschäftigung
überwiegend in kaufmännischen sowie technischen Berufen und Abiturienten sowie Abiturientinnen
beginnen ein Studium oder wählen eine Berufsausbildung in gesellschaftlich besonders anerkannten
Bereichen.
Wie die bisherigen Darstellungen gezeigt haben, bereitet die inhaltliche Konkretisierung von
„vertiefter Allgemeinbildung“ erhebliche Probleme, weil sie letztlich eine „Mittlerfunktion zwischen
dem Bildungsziel/Lernziel und dem Bildungs- bzw. Lernergebnis“ (Albers 1997, 231) einnimmt.
Wesentliche Überlegungen zu grundsätzlichen inhaltlichen und schulfachlichen Ausprägungen wurden
ab den 80er Jahren u. a. von Heinz-Elmar Tenorth (1986), Klaus Westphalen (1988) und Ludwig
Huber (1994) dargestellt. Sie haben die inhaltliche Bestimmung zunächst nicht über Unterrichtsfächer
oder eine Zusammenfassung von Unterrichtsfächern vorgenommen, sondern entwickelten eine
Systematik von elementaren Bereichen einer Allgemeinbildung, die die Voraussetzung für Spezialbil-
dung ist.
Von der Qualifikationsfrage ausgehend, versucht Huber den Bildungsbegriff tiefergehend zu
analysieren, in dem er zwischen Strukturen ober- und unterhalb von Fächern unterscheidet. Oberhalb
der Fächer wird von allgemeinen Fähigkeiten und persönlichen Haltungen gesprochen. (vgl. Huber
1997 b, 340) Das Qualifikationsminimum, also unterhalb der Fächer, bezeichnet er wie auch Tenorth
(vgl. 1994, 41) als basale Fähigkeiten bzw. Bildung. Tenorth und Westphalen systematisieren fast
deckungsgleich allgemeinste inhaltliche Elemente, die eine basale bzw. allgemeine Bildung beschrei-
ben. Ordnet man diese in ähnlicher Form wie Hans-Jürgen Albers, so lassen sich für den Lernenden
zwei Bereiche erkennen. Der eine befasst sich mehr mit einer Bildung, die für das individuelle
„Leben“ notwendig ist, und der andere Bereich, der gesellschaftsbezogene Aspekt, hebt mehr auf das
Zusammenleben mit anderen Menschen ab. (vgl. Albers 1997, 231 ff.) Die Abbildung 3 beschreibt
diese Systematik:
63
Abbildung 3: Inhalte der Allgemeinbildung
Allgemeinbildung
Individuell Gesellschaftlich
Sprache Systematik Haltung „Klassiker“ Schlüsselprobleme
Individuelle Allgemeinbildung beinhaltet die drei Komponenten „Sprache“, „Systematik“, und
„Haltung“. „Sprachliche Bildung“ umfasst nicht nur die Muttersprache und weitere Fremdsprachen,
sondern auch die natur- und gesellschaftswissenschaftlichen „Sprachen“. Hierzu zählen z. B. die
Zahlensprache der Mathematik und die Fachsprache der Wirtschaft, deren Bedeutung besonders durch
das Bankwesen hervortritt. Die Masse an Informationen macht es erforderlich, dass wir unser Wissen
strukturieren, um es über spezielle Anwendungsbereiche hinaus einsetzen zu können. Zusätzlich
sollten wir auch in der Lage sein, die Informationen zu verknüpfen und sie auf neue Anwendungsbe-
reiche zu beziehen. In unserer komplexen von der Informationstechnologie geprägten Welt ist
Zugangswissen für viele ein entscheidender Faktor geworden. Das ist der „systematische Teil“ der
allgemein notwendigen Bildung. Diese von Klaus Westphalen (vgl. 1988, 342) bereits in ähnlicher
Form beschriebene Einteilung sollte jedoch um den Bereich der „persönlichen Haltung“ ergänzt
werden. In den letzten Jahrzehnten ist immer deutlicher geworden, dass allgemeine Bildung nicht nur
darin bestehen kann, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln oder Lebenssituationen zu bewältigen,
sondern es ist ebenfalls erforderlich, die eigene Entwicklung vor dem Hintergrund von ethischen und
moralischen Kriterien selbstkritisch zu reflektieren und voranzutreiben (vgl. Biller 1994, 51 ff.).
Basale bzw. allgemeine Bildung hat aber auch eine gesellschaftliche Dimension. Diese beinhaltet
die Gebiete der „Klassiker“ und „Schlüsselprobleme“. In allen Bereichen unseres Lebens gibt es
„Gegenstände“ im weitesten Sinne, die schon immer diskutiert und analysiert wurden, weil sie einen
besonderen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung geleistet haben. Sie werden hier als „Klassi-
ker“ bezeichnet. So sind z. B. Kenntnisse der Arbeits- und Berufswelt sowie der Berufswahl ein
zentraler Bestandteil für die Sozialisation von Jugendlichen. Die Meinungen und Erkenntnisse zu
diesen „Klassikern“ mögen sich im Laufe der Zeit geändert haben, gleichwohl beinhalten die
„Gegenstände“ einen zeitlosen Kern, der uns alle immer wieder beschäftigt. Neben diesen „großen
Gegenständen der Vergangenheit, die ins Heute hineinwirken,“ (Westphalen 1988, 342) treten die
herausragenden Probleme der Gegenwart und Zukunft, die Wolfgang Klafki als „Schlüsselprobleme“
(1993, 43 ff.) bezeichnet. Ein Beispiel aus dem Bereich der Wirtschaft wäre die Einführung des
EURO. Diese Gegenstände sind im Gegensatz zu den „Klassikern“ nicht zeitlos, sind aber von
gesellschaftlichem, herausragendem und aktuellem Interesse. Die Zuordnung von Themen zu den
„Klassikern“ oder „Schlüsselproblemen“ ist nicht immer eindeutig. Die Arbeitslosigkeit ist ein
Schlüsselproblem, das besonders gegen Ende des letzten Jahrhunderts hervorgetreten ist. Dieses
Problem hat sich aber auch bereits zu einem „Klassiker“ mit einem zeitlosen Kern entwickelt.
Insgesamt liegt die grundlegende Schwäche dieser inhaltlichen Systematisierung in ihrer sehr
allgemein gehalten Beschreibung von Bildung. Hartmut von Hentig gelingt es, das Problem sehr
64
deutlich darzustellen: „Diese sympathisch einfache ‚Matrix‘ löst freilich das Problem nicht, es
bezeichnet das Problem: Welches sind die großen Gegenstände, die großen Zeitprobleme, die
‚unverzichtbaren‘ Vorstellungsbereiche – über das ‚z. B.‘ hinaus?“ (1980, 269) Für sein Bielefelder
Oberstufen-Kolleg sieht v. Hentig nur die Lösung: „‘Allgemein‘ in Verbindung mit Bildung kann
nicht mehr heißen ‚universal‘, sich auf alle bedeutenden Gegenstände erstreckend; ‚allgemein‘ kann
auch nicht nur heißen, von allen gebildeten Menschen geteilt; ‚allgemein‘ kann nur heißen: Die
Bemühung bezieht sich auf das, was an den Gegenständen oder Verfahren eine Verallgemeinerung
zuläßt.“ (ebd. 1980, 268) Damit bleibt aber auch bei v. Hentig die Frage der konkreten Ausgestaltung
der Wirtschaftsbildung in der Sekundarstufe II unbeantwortet.
Auch Albers Darstellungen zum Bereich der berufsallgemeinen und berufspezifischen Spezialbil-
dung können hierbei nicht weiterhelfen. Johannes Baumgardt beschreibt die allgemeinbildenden
Schulen als Institutionen, „die auf den näheren und ferneren Eintritt in bestimmte Berufsfelder und
Berufslaufbahnen zugeschnitten sind“ und will damit den Ansatz relativieren, dass diese Schulen eine
„untere, mittlere bzw. höhere Allgemeinbildung“ vermitteln (1988, 65). Karlwilhelm Stratmann
ordnet die Berufsbildung in sechs Bereiche, in denen die Fachgymnasien als weiterführende berufliche
Schulen bezeichnet werden (vgl. 1979, 323). Gustav Grüner unterteilt letztlich die beruflichen
Schulen in drei Ebenen und ordnet die Fachgymnasien einer Ebene zu, auf der höchstens berufliche
Teilqualifikationen vermittelt und hauptsächlich auf den Besuch weiterführender Institutionen
vorbereitet wird (vgl. 1979, 360 f.). Alle beschriebenen Systematisierungsversuche beziehen sich nur
auf die bildungsorganisatorische Einordnung des Fachgymnasiums und vernachlässigen inhaltsbezo-
gene Darstellungen.
Die Ursache dürfte darin liegen, dass die Spezialbildung immer auf der oben beschriebenen
Allgemeinbildung aufbaut und sie durch Themen aus dem beruflichen Bereich erweitert. Daher lassen
sich Inhalte nicht allgemein für alle Fachgymnasiumstypen darstellen, sondern müssen für jeden
Schultyp fachindividuell und mit Bezug auf den Lernenden abgeleitet werden.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass der Dualismus zwischen Denken und Handeln sowie
Allgemein- und Berufsbildung bis heute nicht gelöst wurde. Für den schulischen Unterricht konnte
weder inhaltlich noch organisatorisch ein praktikables Konzept entwickelt werden. Brauchbare
Ansätze finden sich bei Spranger, der davon ausging, dass alle Lernenden eine grundlegende Bildung
benötigen, die aller Bildung vorausgeht. Es besteht heute weitestgehend Konsens darin, dass berufli-
che Bildung als Teil der Spezialbildung nur ein besonderer, inhaltlicher Aspekt allgemeiner Bildung
ist (vgl. Dibbern 1993, 8).
In Verbindung mit Robinsohns Lebenssituationsansatz wird deutlich, dass sich Bildung erst durch die
Erörterung von praktischen Problemen entwickeln kann. Bildung vollzieht sich stufenlos in allgemei-
nen und speziellen Lebenssituationen. Die von Huber, Klafki, Tenorth und Westphalen vorgenomme-
ne und hier erweiterte Systematisierung macht die einzelnen Bereiche von Allgemeinbildung deutlich
65
und gibt erste Hinweise für die Entwicklung der Kernbestandteile eines Kanons. Für eine schultypbe-
zogene Darstellung sind darüber hinaus fachdidaktische Aussagen und Kenntnisse der individuellen
Informationsverarbeitung von Lernenden erforderlich.
4.1.2 Das pädagogisch-psychologische Bildungsverständnis
Wenn allgemeine inhaltliche Fixierungen von Bildung und organisatorische Einordnungen des
Schultyps die im dritten Kapitel beschriebenen Ziele, Erweiterung der Persönlichkeitsbildung und
Vermittlung einer systemorientierten komplexen ökonomischen Bildung, nur bedingt einlösen können,
dann muss nach weiteren geeigneten Instrumentarien gesucht werden, die eine unterrichtliche
Konkretisierung erlauben. Die neueren Entwicklungen und Erkenntnisse in der pädagogischen
Psychologie bieten eine Möglichkeit, die wenig ertragreichen Diskussionen über Schlüsselqualifikati-
onen, Kompetenzen, um Anteile von materialer und formaler Bildung oder handlungsorientierte
Methoden zu verlassen und sich intensiver mit dem Problem der Entwicklung und dem Aufbau von
Wissen bei den Lernenden zuzuwenden. Bisher wurde in dieser Arbeit Bildung primär als eine
Kategorie des Seins, also als notwendige Voraussetzung menschlicher Existenz, angesehen. Im
Folgenden erfolgt eine Konkretisierung mit Bezug auf die Informationsverarbeitung der Schülerinnen
und Schüler. Mit anderen Worten: Welche Wissensstrukturen müssen die Lernenden entwickeln,
damit sich ihre Persönlichkeit und ihr Denken und Handeln in komplexen ökonomischen Systemen
weiterentwickeln können?
Zu dieser Frage lassen sich gegenwärtig in der pädagogischen Psychologie zwei Lehrmeinungen
unterscheiden, die durch Abbildung 4 schematisch dargestellt werden (vgl. Dubs 1995 a, 22):
Abbildung 4: Pädagogisch-psychologische Lehr-/Lerntheorien
Objektivismus Subjektivismus
Behavioris-
mus
Kognitiver
Behavioris-
mus
Traditioneller
Kognitivismus
Exogener Kon-
struktivismus
Dialektischer
Konstruktivis-
mus
Endogener
Konstrukti-
vismus
In den traditionellen objektivistischen Theorien sind Lernen und Denken in erster Linie vom „Input“
abhängig. In diesen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass es ein allgemeingültiges Wissen gibt, mit
dem sich die „Welt“ erklären lässt. Die Hauptaufgaben der Lehrenden sind die Vermittlung von
Wissen und die Gestaltung von Lernprozessen. (vgl. Dubs 1995 a, 22 ff.)
Neuere subjektivistische Theorien beschreiben dagegen die mentale Eigenaktivität des Lernenden als
entscheidenden Faktor für Wissenserwerb. Bei diesen sogenannten konstruktivistischen Ansätzen wird
66
in den extremsten Ausprägungen davon ausgegangen, dass es kein allgemeines Wissen gibt, sondern
dass sich jeder Mensch die Wirklichkeit anders „konstruiert“. Die Aufgabe der Lehrenden wird darin
gesehen, dass sie den Lernenden Erfahrungsmöglichkeiten verschaffen, in denen sie ihr Wissen selbst
aufbauen können. Im Mittelpunkt der konstruktivistischen Theorien stehen die Wechselwirkungen
zwischen Lernenden und Inhalten. Diese Ansätze sind in letzter Zeit durch die Diskussion um das
selbstgesteuerte Lernen in den Vordergrund der pädagogisch-psychologischen Forschungen gerückt.
(vgl. Bönsch 1991, 62 ff. und Dubs 1995 a, 22 ff.)
In dieser Arbeit werden die Extrempositionen der beiden Lehrmeinungen vernachlässigt und die
aneinander grenzenden subjektivistischen und objektivistischen Theorien, der traditionelle Kogniti-
vismus und der exogene Konstruktivismus, als übergangsloses System verstanden, das das Lernen und
Lehren am besten erklärt. Diese in der Literatur häufig anzutreffende Theoriesynthese (vgl. z. B.
Mietzel 1998, 178 ff.; Fortmüller 1997, 5 ff. und Dubs 1995 a, 39 ff.) hat den Vorteil, dass sie eine
breitere Erkenntnisbasis hat und genügend Raum für didaktisch-methodische Entwicklungen lässt.
Wenn gefragt wird, was Schule vermitteln soll, so wird häufig eine Aneinanderreihung von Wissen
beschrieben, weil damit die Hoffnung verbunden wird, dass die Lernenden durch Wissensanhäufung
Allgemeinbildung erfahren. Aber dieses sogenannte Faktenwissen ist nur der Teil des Wissens über
Elemente, das von dem Lernenden nicht mit anderen Elementen verknüpft wurde und damit zukünfti-
ges Problemlösen nicht ermöglicht. Die Beschreibung des individuellen Wissenserwerbs erfordert
zunächst einige grundsätzliche Definitionen. Wissenserwerb ist die interne Abbildung, Verarbeitung
und Speicherung von Erfahrung, die auf äußeren Einflüssen basiert. „Wissen ist nicht nur Vorausset-
zung, sondern auch Folge von Lernen, Denken und Problemlösen.“ (Friedrich/Mandl 1992, 18)
Lernen ist der Erwerb und die Veränderung von Wissen und Fertigkeiten. Lernen schließt Denkpro-
zesse und häufig auch Problemlösungsprozesse ein. Denken wird meist als eine individuelle kognitive
Tätigkeit beschrieben und ist vom Lernen im Einzelfall kaum unterscheidbar. Problemlösen ist
Denken in Richtung auf ein bestimmtes Ziel und kann auch Phasen des Wissenserwerbs einschließen.
(vgl. Friedrich/Mandl 1992, 4 ff.) In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die menschliche
Kognition auf dem Informationsverarbeitungsparadigma basiert, d. h. dass Umweltreize zu Aktionen
in einem modular strukturierten Gehirn führen. (vgl. Mietzel 1998, 181 ff.)
Die heutigen Theorien des Wissenserwerbs unterscheiden zwischen Faktenwissen und Strukturwis-
sen. Im Gegensatz zum Strukturwissen fehlt beim Faktenwissen meistens die Kenntnis über seine
Nutzung. Daher ist es im praktischen Einsatz kaum verwertbar. Strukturwissen erlaubt dagegen
häufiger den Transfer und kann in drei Wissensbereiche unterschieden werden:
• Im deklarativen Wissen, das auch Begriffswissen genannt wird, werden Begriffe, Objekte und
Ereignisse in Schemata und Netzwerken strukturiert. Deklaratives Wissen ist nicht die Anhäufung
von Detail- und Faktenwissen in speziellen Bereichen, sondern es handelt sich dabei um Schemata
und Netzwerke, die auch später noch um neues Wissen erweiterbar sind. (vgl. Mietzel 1998, 182
ff.)
67
• Prozedurales Wissen, das auch Verfahrenswissen genannt wird, bezieht sich auf Prozedu-
ren/Verfahren, die zur Anwendung, Konstruktion und Veränderung von Wissen nutzbar sind.
Hierbei handelt es sich meistens um „Wenn-Dann-Beziehungen“, die in Form von Denkplänen,
die auch Verfahrensstrukturen oder Strategien genannt werden, gespeichert sind. Prozedurales
Wissen entwickelt sich nur im Rahmen von praktischen Denk- und Problemlöseprozessen, wie z.
B. wiederholte Übungen zum Kontoabschluss in Buchführung. Empirische Untersuchungen bele-
gen, dass Experten über ein tieferes deklaratives und prozedurales Wissen als Novizen verfügen.
(Dubs 1995 a, 166 ff.). Wer Probleme lösen will, muss aber „sowohl über effektive Suchstrategien
als auch über Wissen im jeweiligen Inhaltsbereich verfügen. ... Oder, um es mit einer Metapher
auszudrücken: Ohne Wolle kann man nicht stricken!“ (Friedrich/Mandl 1992, 19)
• Konditionales Wissen, auch Bedingungswissen genannt, beinhaltet die Umstände, unter denen
eine Handlung oder ein Denkvorgang durchzuführen ist. Für diesen Wissensbereich wird unter-
stellt, dass der Einsatz von Strategien meist auf bestimmte Situationen begrenzt ist. (vgl. Dubs
1995 a, 166 ff.) Es ist eine notwendige Bedingung, dass deklaratives und prozedurales Wissen
vorhanden sind. Wenn aber die Anwendungsbedingungen für deklaratives bzw. prozedurales
Wissen nicht deutlich gemacht wurden, ist ein Transfer auf veränderte Situationen nicht möglich.
Erst durch die Kenntnis der Anwendungsbedingungen wird Faktenwissen zu Strukturwissen (vgl.
Dubs 1995 a, 185 f.).
Durch die empirische Forschung konnte nachgewiesen werden, dass es dem Lernenden erst durch die
Bearbeitung von Problemen möglich ist, die beiden letztgenannten Wissensarten weiterzuentwickeln.
Für einen hohen Lernerfolg ist dieser Prozess jedoch nur eine notwendige Bedingung. Es zeigte sich,
dass metakognitives Wissen, also Kenntnisse und Fertigkeiten über das Lernen lernen und die
Selbstmotivation, die Leistungsfähigkeit der Lernenden erheblich steigert. (vgl. Friedrich/Mandl 1992,
14 ff.) Hieran knüpfen die oben beschriebenen konstruktivistischen Theorien an und sehen besonders
bei leistungsfähigeren Schülerinnen und Schüler in der Förderung der Selbstorganisation der Lernen-
den die Lösung für einen gesteigerten Wissenserwerb. Es muss beachtet werden, dass ein allgemeines
Lernen lernen, also ohne besondere inhaltliche Verknüpfung erfolglos bleibt. „Platon ... definierte
Lernen als ‚weiser werden in Bezug auf das, was einer lernt‘.“(Platon zitiert nach Westphalen 1994,
1360) Dieser Satz sollte ergänzt werden auf weiser werden in Bezug auf das, was und wie einer lernt.
Mit diesen kurzen Darstellungen zum Wissenserwerb sollte deutlich geworden sein, dass nur über
ein differenziert ausgeprägtes Strukturwissen Bildung entwickelt werden kann. Für die Anwendung in
neuen Problemsituationen muss das Strukturwissen mindestens aus deklarativem und prozeduralem
Wissen bestehen. Auch wenn diese Strukturen vorhanden sind, gibt es weitere Probleme:
• Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass dieselbe Situation von mehreren Personen
unterschiedlich wahrgenommen wird (Friedrich/Mandl 1992, 22).
68
• Die spontane Übertragung von in der Schule gelerntem in private oder berufliche Situationen ist
eher selten. „Die Nutzung des Wissens wird erleichtert, wenn es in Situationen erworben wird, die
mit den beabsichtigten Nutzungskontexten im Zusammenhang stehen“ (vgl. Dubs 1995 a, 185).
• Die Entwicklung von Strukturwissen führt bei den Lernenden nicht unbedingt zu einer besseren
Vorbereitung auf das Berufsleben. „Je allgemeiner eine Regel oder Strategie ist ..., um so geringer
ist ihr Beitrag zur Lösung anspruchsvoller inhaltlicher Probleme.“ (Weinert 1994, 2) Die Gebun-
denheit von Lern- und Denkstrategien an spezifische Inhalte macht es erforderlich, dass über eine
Steigerung des Transferrate nachgedacht wird. Grundsätzlich gilt: Die Tranferweite von deklarati-
vem Wissen ist höher als die von prozeduralem Wissen. Aber wegen der Anwendungsvorgaben ist
eine Übertragung von prozeduralem Wissen erfolgreicher als bei deklarativem Wissen, da dieses
auf verschiedene Situationen ansprechen kann. (vgl. Friedrich/Mandl 1992, 20 f.)
Für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sind damit zwei Bereiche weitergehend zu
beschreiben:
• der inhaltliche Bereich, der die berufsbezogene Wirtschaftsbildung umfasst und der in den beiden
folgenden Unterkapiteln behandelt wird, sowie
• der organisatorische Bereich, in dem die unterrichtliche Umsetzung beschrieben wird und bei dem
es letztlich um die Frage geht, ob ein problem- oder fachgesteuerter Unterricht den Wissenserwerb
fördert.
Eine der wesentlichsten Aufgaben der pädagogischen Psychologie besteht darin, Erkenntnisse zu
gewinnen, wie die Transferrate von deklarativem und prozeduralem Wissen gesteigert werden kann.
Durch beide Abschnitte sollte deutlich geworden sein, dass eine scharfe Trennlinie zwischen berufli-
cher und allgemeiner Bildung nicht gezogen werden kann und dass der Bildungsbegriff eine Vielzahl
von Fassetten beinhaltet, von denen hier nur der Inhaltsbereich und der Wissenserwerb tiefergehend
beschrieben wurden. „Bildung ist das, was bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man lernen
mußte“ (Tenorth 1994, 130). Mit dieser Verknüpfung von Bildung und Lernen gelingt es Tenorth,
indirekt auf die Bedeutsamkeit des Wissenserwerbs hinzuweisen.
Eindimensionales Wissen ist Bereichs- und Faktenwissen. Es ist wichtig, aber nicht ausreichend.
Zweidimensionales Wissen beinhaltet Struktur- und Verfahrenswissen. Dreidimensionales Wissen
beinhaltet darüber hinaus die Sinnebene. Nicht Vielwisserei, sondern die Unterscheidung des
Wesentlichen vom Unwesentlichen ist Bildung. Wenn jemand in einer der für unsere Zeit typischen
Fernsehsendungen, in denen Wissen abgefragt wird, alle Fragen beantworten kann, ist er nach der hier
vertretenen Auffassung nur gebildet, wenn er auch Zusammenhänge, Systematiken und begründete
Beurteilungen abgeben könnte. Die wertfreie Unbestimmtheit des neuzeitlichen Bildungsbegriffs ist
abzulehnen. Lernen muss sich wertverbunden Bildung nähern, statt immer mehr Wissen anzuhäufen
(vgl. Westphalen 1994, 1360).
69
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - kann nur gebildete Jugendliche hervorbringen, wenn
der Schwerpunkt der Betrachtungen nicht auf einer der beiden Extrempole aus der Überschrift des
Unterkapitels 4.1, Berufliche oder Allgemeine Bildung, gelegt wird, sondern wenn nach den in diesen
Abschnitten entwickelten Vorstellungen ein Bildungsverständnis zwischen den beiden Polen gesucht
wird. „Wer Bildung ermöglichen will, wird
• den Anspruch des Subjekts auf Selbstbestimmung und Individualität berücksichtigen, damit auf
möglichste Selbststeuerung oder Mitgestaltung der Lehr-Lern-Prozesse und auf Eröffnung indivi-
dueller Lernwege und Arbeitsvorhaben achten;
• nach die ganze Person berührenden Lernsituationen, Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten
und sie herausfordernden Aufgaben suchen;
• Vertiefung in einen Prozeß, Verweilen bei der Sache, Nachdenken über die Erfahrung ermögli-
chen, insgesamt also: Muße einräumen;
• Situationen suchen, in denen Verständigung zwischen den (verschiedenen) Individuen über
gemeinsame Angelegenheiten, Erfahrungsaustausch, Erklärung und Begründung von Urteilen
bzw. Entscheidungen, Zusammenarbeit zur Problemlösung nötig ist.“ (Huber 1997 b, 344 f.)
70
4.2 Die Berufsvorbildung - Berufs- oder Berufswahlvorbereitung
Im Unterkapitel 4.1 wurde für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - die grundlegende
Ausrichtung seines Bildungsverständnisses beschrieben. Dieses wird inhaltlich durch seine spezielle
Wirtschaftsbildung (siehe Unterkapitel 4.3) und durch die Berufsorientierung, die in diesem Unterka-
pitel erläutert wird, tiefergehend beschrieben. Mit der Berufsorientierung, die häufig auch vorberufli-
che Bildung oder berufliche Vorbildung genannt wird, ist hier der Bereich des Übergangs vom
überwiegend allgemeinbildendem Schulsystem in das Beschäftigungssystem charakterisiert. Für einen
erfolgreichen Übergang in das Beschäftigungssystem benötigen auch die Lernenden des Fachgymna-
siums - wirtschaftlicher Zweig - berufsvorbildenden Unterricht.
Durch berufsvorbildenden Unterricht wird Berufsaufklärung betrieben. Dieser Begriff hat sich in
der Tätigkeit der Arbeitsämter mit den Jugendlichen als wenig geeignet erwiesen und wurde daher
durch den Terminus Berufsorientierung ersetzt. Dieser wiederum wird in der fachwissenschaftlichen
Literatur leider unterschiedlich definiert. Einerseits wird er ausschließlich als Berufswahlvorbereitung
interpretiert: „Bei der Berufsorientierung im Unterricht geht es also um die Motivierung und Befähi-
gung des Schülers zur individuellen Berufswegplanung: der einzelne Jugendliche ist betroffen bzw.
betroffen zu machen.“ (Dibbern 1993, 24 f.) Leitziel diese Prozesses ist die Verwirklichung der
individuellen „Berufswahlreife“ (Dibbern 1993, 26). Andererseits wird darüber hinaus häufig
begrifflich auch die berufsspezifische Bildung mit erfasst. Johannes Ermert und Horst Friedrich
bezeichnen daher die Einbeziehung berufsspezifischer Fächer und Bildungsgänge als Berufspropä-
deutik (vgl. Ermert/Friedrich 1990, 1).
In dieser Arbeit wird Berufsvorbildung als Oberbegriff definiert, der die Themengebiete Berufs-
wahlvorbereitung sowie die Einführung in die Arbeits- und Berufswelt beinhaltet. Berufsvorbil-
dung muss die Lernenden zur individuellen Berufswegplanung motivieren, d. h. sich mit der Ausbil-
dungs-, Studien- und Berufswahl kritisch auseinander zu setzen (vgl. Dedering 1994, 268 ff. und
Egloff 1998 a, 87). Es dürfte kein Zweifel darüber bestehen, dass die Berufsvorbildung der Berufsaus-
bildung, also auch dem Studium, vorausgeht. Ziel der Berufsvorbildung im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - ist, dass die Lernenden befähigt werden, erste Berufswahlentscheidungen vor
dem Hintergrund von Kenntnissen über die Arbeits- und Berufswelt zu treffen. Unter dem Begriff
Beruf wird hier die individuelle Ausprägung einer Tätigkeit verstanden, während Arbeit den
gesellschaftlich-politischen Aspekt beschreibt.
Aus der Berufsverlaufsforschung ist bekannt, dass es zukünftig „den Lebensberuf“ nicht mehr geben
wird, sondern dass berufliche Entwicklung überwiegend in sogenannten „patchwork“-Biographien
verlaufen wird, in denen sich Phasen der Erwerbstätigkeit mit Zeiträumen der Weiterbildung,
Teilzeitarbeit oder auch Arbeitslosigkeit abwechseln (siehe auch Unterkapitel 3.1). Die Entwicklung
zum und im Berufsleben ist durch Übergänge gekennzeichnet, von denen die Vorbereitungs- und
Eintrittsphase in die Arbeits- und Berufswelt, die sogenannte „Erste Schwelle“, weitreichende Folgen
71
für die spätere berufliche Entwicklung hat (vgl. Bußhoff 1998, 10). Um das Grundrecht auf freie
Berufswahl zu gewährleisten, müssen die Lernenden im Lernprozess befähigt werden, ihre berufliche
Entwicklung weitestgehend selbst zu bestimmen.
Im Gegensatz zu den allgemeinbildenden Schulen Schleswig-Holsteins ist die Berufsvorbildung in
den Lehrplänen des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - nicht ausdrücklich verankert. Es ist
lediglich ein aus den siebziger Jahren überarbeiteter Schulerlass vorhanden, der den Zwang zur
Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung bekräftigt und auf allgemeinster Ebene beschreibt
(vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
1999 b). Vermutlich wird davon ausgegangen, dass sich die Kenntnisse über die Arbeits- und
Berufswelt sowie die Fähigkeit zur Berufswahl bei den Lernenden durch die „berufsbezogenen“
Fächer des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - unmittelbar verwirklichen.
Die Aufgabe des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - besteht darin, die Lernenden in ihrer
persönlichen Entwicklung zu fördern und Wissen über die Arbeits- und Berufswelt unter besonderer
Berücksichtigung der Ökonomie zu vermitteln (siehe auch Kapitel 3). Damit lässt sich die Berufsvor-
bildung durch zwei Zielsetzungen tiefergehend charakterisieren: Auf der einen Seite soll sie den
Jugendlichen Impulse zur Persönlichkeitsbildung geben, und auf der anderen Seite sollte sie auf
exemplarische Weise einen direkten bzw. indirekten Zugang zur komplexen Arbeits- und Berufs-
welt herbeiführen. Während es beim direkten Zugang um die Unterstützung der Berufswahl geht, soll
durch den indirekten Zugang im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ein Verständnis des realen
Beschäftigungssystems und der Ökonomie am Beispiel des kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeldes
vermittelt werden. Im Gegensatz zum Ziel der Persönlichkeitsbildung, das in allen Fächern Ziel
unterrichtlicher Arbeit sein sollte, ist die Vermittlung von Kenntnissen über die Arbeits- und Berufs-
welt im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - in erster Linie über die wirtschaftsbezogenen
Fächer/Kurse zu verwirklichen.
Wenn die Berufsvorbildung der Lernenden in den Fachgymnasien verbessert werden soll, dann
ergeben sich zwei zentrale Fragestellungen, die in den beiden folgenden Abschnitten untersucht
werden:
• Wie führen die Lernenden des Fachgymnasiums nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen
eine Studienfach- oder Berufserstwahl durch?
• Wie sollte die Berufsvorbildung im Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - inhaltlich und
organisatorisch strukturiert werden?
72
4.2.1 Die Berufswahltheorien als Erklärungsansatz der Berufsfindung
Berufswahltheorien sollen den Prozess der Berufsfindung für eine größere Zahl von Individuen
allgemeingültig erklären. Im Rahmen der Berufsvorbildung liegt ihr Schwerpunkt mehr in der
Berufswahlvorbereitung als im Bereich der Vermittlung von Kenntnissen aus der Arbeits- und
Berufswelt. Da die Zahl der Theorien im Laufe der Jahrzehnte erheblich zugenommen hat, sind auch
eine Vielzahl von Systematisierungen entstanden, deren Hauptstrukturen im Folgenden kurz zusam-
mengefasst werden:
• Lothar Beinke unterscheidet klassische, neotechnische, psychologische Berufswahltheorien,
Berufswahl als Allokationsmodell, als Theorie des Entscheidungsprozesses und des Interaktions-
prozesses. (vgl. 1999 b, 67 ff.)
• Harald Dibbern systematisiert Berufswahltheorien unter einer allgemeinen didaktischen
Perspektive der Berufsvorbildung in: Berufswahl als Entwicklungs-, Entscheidungs-, Allokations-
und Interaktionsprozess. (vgl. 1993, 70 ff.)
• Johannes Ermert und Horst Friedrich trennen differentialpsychologische, entwicklungstheore-
tische, entscheidungstheoretische, allokationstheoretische und interaktionstheoretische Ansätze,
um daraus Erkenntnisse für die Berufsorientierung im Gymnasium zu gewinnen. (vgl. 1990, 14
ff.)
• Linda Brooks systematisiert Berufswahltheorien nach unterschiedlichen Problemen in der
beruflichen Entwicklung. „Die Schwierigkeiten entstehen aus: (1) Zuordnungsproblemen zwi-
schen individuellen Interessen, Bedürfnissen oder Fähigkeiten und dem geeigneten Beruf (Trait-
und Faktortheorie, Holland, Bordin, Roe); (2) Entwicklungsproblemen oder Berufsunreife (Su-
per); (3) Problemen beim Entscheidungsprozeß (Tiedeman & Miller-Tiedeman, Krumboltz) oder
(4) Problemen mit Barrieren oder Hindernissen, die von der gesellschaftlichen Umwelt errichtet
werden (soziologische Perspektive).“ (Brown/Brooks 1994, 493 f.):
• Ludger Bußhoff beschreibt Berufswahltheorien aus der Sicht der Berufsberatung der Arbeitsäm-
ter als Zuweisungs-, Entwicklungs-, Lern-, Zuordnungs- und Entscheidungsprozesse und versucht
diese in einem komplexen Erklärungsansatz allgemein zu verknüpfen. (vgl. 1989, 9 ff. und 1998, 9
ff.)
Aus dieser Synopse werden zwei Dinge deutlich: Zum einen besteht ein gemeinsam anerkannter
Kernbestand an relevanten Berufswahltheorien, und zum anderen fehlt eine alle Bereiche gleicherma-
ßen berücksichtigende Theorie, die unmittelbare Anknüpfungspunkte für die Didaktik der Berufsvor-
bildung liefern könnte. Die unterrichtliche Umsetzung der Berufsvorbildung erfordert eine Theorie,
die den realen Berufsfindungsprozess der Lernenden des Fachgymnasiums allgemein beschreibt und
gleichzeitig ein empirisch abgesichertes Berufsvorbildungsinstrumentarium liefert. Da es nicht das
Ziel dieser Arbeit ist, alle bisher entwickelten Berufswahltheorien ausführlich zu beschreiben und zu
73
analysieren, wird im Folgenden nur eine begrenzte Auswahl der Theorien dargestellt, die für die
Lernenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - die Kriterien Realitäts- und Unterrichtsbezug
erfüllen und für eine fachgymnasiale Didaktik der Berufsvorbildung hilfreich sein könnten.
Gemeinsam ist den im Folgenden dargestellten Berufswahltheorien, dass davon ausgegangen wird,
dass Berufswahl ein längerer Prozess ist, der zu einem großen Teil erlernbar ist. Keine Beachtung
finden dagegen Ansätze, die die individuelle Berufswahl ausschließlich durch gesellschaftliche
Einflüsse geprägt sehen, die schulische Maßnahmen als unwichtig erachten und die Theorien, die den
Berufswahlprozess hauptsächlich als zufallsorientiert ansehen. Unter diesen Prämissen ergeben sich
für die weiteren Beschreibungen zwei wesentliche Theoriestränge. Zum einen werden Berufswahlthe-
orien beschrieben, die das Individuum in den Mittelpunkt der Analyse stellen, und zum anderen
Theorien, die Berufswahl im Bezugsrahmen der gesellschaftlichen Gesamtsituation beschreiben. Fast
alle Berufswahltheorien berücksichtigen auch immer den anderen Bereich, scheitern dann aber
letztlich an ihrer eigenen Komplexität.
Zusammengefasst erfordert die Fixierung der Berufsvorbildung zunächst eine an den fachgymnasialen
Zielen ausgerichtete Systematisierung der Berufswahltheorien. Aus pädagogischer Sicht sollte eine
ideale Theorie sowohl die individuellen als auch die von der Gesellschaft beeinflussten Anpassungs-
prozesse bei der beruflichen Erstwahl berücksichtigen. Wegen der Komplexität der Berufswahltheo-
rien und mit Bezug auf deren Anwendung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - wird in den
beiden folgenden Unterabschnitten eine getrennte Analyse von gesellschafts- und individuumsorien-
tierten Ansätzen vorgenommen.
4.2.1.1 Gesellschaftsorientierte Ansätze
Die gesellschaftsorientierten Ansätze beschreiben den Berufswahlprozess überwiegend aus der das
Individuum von außen beeinflussenden Perspektive. Bei der Allokationstheorie wird die Berufswahl
als ein lebenslanger gesellschaftlicher Zuweisungsprozess verstanden, der in besonderer Abhängigkeit
von den sozialen und ökonomischen Verhältnissen steht. Bei dieser Theorie wird davon ausgegangen,
dass die Berufswahl maßgeblich von Umweltfaktoren bestimmt ist.
Hans Jürgen Daheim (1970), der ein wesentlicher Vertreter dieser Richtung ist, geht in seinem
soziologisch orientierten Modell davon aus, dass die Gesellschaft ein Sozialsystem mit einer Vielzahl
von Positionen ist, die mit bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen (Rollenerwartungen, Zugangs-
regeln) verknüpft sind. Den Zugang zu den Positionen erhält das Individuum durch Personen und
Instanzen, die die gesellschaftlichen Regeln mehr oder weniger kontrollieren. Diese gesellschaftlich
beauftragten Personen werden allgemein als „Agenten“ bezeichnet.
74
Die konkrete „Zuweisung“ des Individuums zu Berufspositionen erfolgt in der Gesellschaft dann
durch direkte oder indirekte Mechanismen. Bei der direkten Zuweisung greift die Gesellschaft
unmittelbar in den Zuweisungsprozess ein, indem sie z. B. bestimmte Möglichkeiten der Berufswahl
von vornherein beschränkt oder bei möglichen Berufen diese formellen und informellen Regeln
unterwirft. Indirekt erfolgt die Zuweisung dadurch, dass die Individuen im Sozialisationsprozess in
eine bestimmte Richtung gelenkt werden und damit eine ihrer gesellschaftlichen Position entsprechen-
de Handlungsausrichtung (Orientierung) aufbauen. (vgl. Bundesanstalt für Arbeit 1992, 77 f.)
Die Berufsfindung und die spätere Übernahme von Berufspositionen kann in drei wesentliche
Phasen unterteilt werden, die im Zeitablauf als die abnehmenden Möglichkeiten beruflicher Alternati-
ven gesehen werden (vgl. Bußhoff 1989, 9 ff.):
• Die erste Phase betrifft die Entscheidung für eine bestimmte Schulbildung, durch die meistens auch
bestimmte Ausbildungsgänge und Berufe festgelegt werden. Hierbei wirkt die Familie (Agent) sehr
stark auf das Individuum ein, indem sie die gesellschaftliche Position und die beruflichen Ziele
(Orientierung) wesentlich mitbestimmt.
• In der zweiten Phase stellt sich die Frage der Berufswahl, die unter dem Einfluss der ersten Phasen
steht. Als Agenten treten hierbei zusätzlich und prägend die Lehrenden, die Berufsberater und -
beraterinnen sowie Gleichaltrige auf.
• Die dritte Phase beinhaltet das gesamte Berufsleben und lässt berufliche Wahlmöglichkeiten nur
noch mit Einschränkungen zu, da wesentliche Entwicklungen bereits in den ersten beiden Phasen
festgelegt wurden. Als Agenten beim Wandel der Orientierung treten hier Kollegen, Vorgesetzte
und vielleicht die eigene, neu gegründete Familie auf.
Bei der Berufsfindung geht das Individuum so vor, dass es die an eine Position geknüpften gesell-
schaftlichen Erwartungen mit seiner bis dahin erworbenen und gesellschaftlich geleiteten „Orientie-
rung“ (Ziele, Werte, Kenntnisse,...) vergleicht. Falls diese nicht übereinstimmen, geht die Berufsfin-
dung weiter oder es wird vom Individuum eine „zwangsweise“ Angleichung durchgeführt.
In der praktischen Analyse dieser Theorie zeigt sich, dass Schulen bereits auf bestimmte Berufsni-
veaus hin sozialisieren. So erhalten Hauptschüler ihren Ausbildungsplatz überwiegend in handwerkli-
chen Berufen und Realschüler in kaufmännischen und technischen Berufen. Betrachtet man dann aber
die strukturellen Veränderungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, so wird deutlich, dass die
Realschülerinnen und -schüler bei der beruflichen Erstwahl immer mehr durch Lernende mit Abitur
verdrängt werden. (vgl. Bundesanstalt für Arbeit 1992, 78 f.)
Unter den kritischen Anmerkungen zu dieser Theorie findet sich in der Literatur immer wieder der
Hinweis, dass die Berufswähler der Gesellschaft nicht nur passiv gegenüber stehen und dass somit die
aktive Einflussnahme des Individuums nicht hinreichend berücksichtigt wird. (vgl. Brown/Brooks
1994, 327 f.) Ein Mangel ist auch darin zu sehen, dass der Ablauf der individuellen Entscheidungspro-
zesse nicht dargestellt wird und dass die Schule hier schwerpunktmäßig die Sozialisationsfunktion
75
übernehmen soll, wobei die individuelle Entwicklung weitgehend zu vernachlässigen ist. (vgl.
Bußhoff 1989, 12)
Bei der Interaktionstheorie, auch kommunikativer Ansatz genannt, wird davon ausgegangen, dass
die Berufsfindung in erster Linie in einem Wechselspiel zwischen personalen und gesellschaftlichen
Einflüssen stattfindet. Dabei treten die Jugendlichen in Beziehung zu anderen Individuen (z. B. Eltern,
Lehrern, Berufsberatern), um das Berufswahlproblem zu lösen. In einem interaktiven Prozess
modifizieren und erweitern die Jugendlichen ihre beruflichen Erwartungen. (vgl. Dedering 1994, 306
f.)
Als Interaktion wird die Abfolge der Aktion und Reaktion von mindestens zwei Individuen
verstanden. Die Interaktionsprozesse werden durch die Interessen und Kenntnisse der Interaktions-
partner bestimmt. Die ausgetauschten Informationen werden mit den bereits vorhandenen Informatio-
nen verglichen, strukturiert und bewertet. Unterschiedliche Lebenserfahrungen (Selbstkonzepte)
führen jedoch bei verschiedenen Individuen zu unterschiedlicher Wahrnehmung derselben Interaktion.
Die selektive Wahrnehmung steht dabei in Beziehung zur Starrheit oder Flexibilität des vorhandenen
Selbstkonzeptes, das seinerseits bereits durch Interaktionen geprägt wurde. Die durch die Interaktio-
nen eingehenden Informationen werden durch den Vergleich mit den subjektiven Vorstellungen zum
Ausgangspunkt für neue Handlungspläne. Damit besitzen die Interaktionen in hohem Maße Hand-
lungsrelevanz. (vgl. Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen 1984, Studienbrief
2, 85 ff.)
Diesem Interaktionsmuster entsprechend macht das Individuum im Laufe der Zeit, die mehrere Jahre
oder auch nur einige Tage umfassen kann, seine Erfahrungen mit verschiedenen Interaktionspartnern
(z. B. Eltern, Freund/-in, Lehrer/-in, Berufsberater/-in) und deren spezifischen Verhaltensmustern. Die
jeweiligen Interaktionsprozesse werden dabei durch bestimmte Interessen und Sachkompetenzen
bestimmt. Die Einflussnahme kann direkt oder indirekt erfolgen und vollzieht sich vorzugsweise im
Gespräch.
Diese von Elmar Lange beschriebene Berufswahltheorie erweitert das Allokationsmodell um die
individuelle Ebene. Sie ist damit ein Versuch, die komplexen Interaktionsmechanismen während der
Berufsfindung abzubilden. Würden die individuellen Prozesse tiefergehend berücksichtigt, dann
könnte diese Theorie die Berufswahl erklären.
Wie erwartet kann festgestellt werden, dass sowohl die Allokations- als auch die Interaktionstheorie
hervorragend für die Darstellung der gesellschaftlichen Einflüsse bei der Berufswahl geeignet sind. Sie
versagen aber immer dann, wenn es darum geht, die spezifisch individuellen Probleme der Berufswahl
zu berücksichtigen.
76
4.2.1.2 Individuumsorientierte Ansätze
Unter den individuumsorientierten Ansätzen haben besonders die entscheidungstheoretischen,
entwicklungs- und lernpsychologischen Theorien sowie die Persönlichkeitsstrukturansätze zu einem
besseren Verständnis der Berufswahlentscheidung geführt. Da der Entwicklungsprozess eines
Individuums durch Lernprozesse und Reifungsprozesse bestimmt wird, werden der entwicklungs- und
lernpsychologische Ansatz in der Literatur häufig verknüpft und die Persönlichkeitsstrukturansätze
werden in den entwicklungspsychologischen Theorien berücksichtigt. (vgl. Dibbern 1993, 71 f.)
Nach den persönlichkeitspsychologischen Ansätzen, zu denen die trait and factor theory und die
Persönlichkeitsstrukturtheorie, auch Zuordnungsprozesstheorie oder matching-process theory
genannt, gehören, ist eine optimale Berufswahl dann erreicht, wenn die individuellen Persönlichkeits-
merkmale den Anforderungsmerkmalen der „Berufswelt“ weitestgehend entsprechen.
John L. Holland (1985), der wichtigste Vertreter dieser Theorie, fasste die Individuen ursprünglich
in sechs Berufswahltypen zusammen. Es sind die Intellektuellen, die Konventionalisten, die Künstler,
die Realisten, die Sozialen und die Unternehmer. Da die Individuen unterschiedlichen Sozialisations-
und Lernprozessen ausgesetzt sind, finden sich in der Realität nicht die Idealtypen, sondern mehr oder
weniger zu verschiedenen Typen passende Persönlichkeitsmuster. Die Persönlichkeitsmerkmale eines
Individuums sind nach dieser Theorie umso homogener, je genauer sie zu einem der sechs Idealtypen
passen. Sie sind umso konsistenter, je mehr sie sich in ihren Teilbereichen mit denen der unmittelbar
benachbarten Persönlichkeitsmodelle decken. (vgl. Brown/Brooks 1994, 47 ff. und Bußhoff 1989, 26
ff.)
Den sechs Persönlichkeitskategorien werden sechs entsprechende Berufsbereiche (Umweltmodelle)
gegenübergestellt, da, entsprechend dieser Theorie, die Dominanz bestimmter Personentypen die
Umwelt in besonderer Weise beeinflussen. Neben Homogenität und Konsistenz kann nun auch die
Kongruenz, d. h. die Beziehung zwischen Individuum und beruflicher Umwelt, geprüft werden. Die
Berufswahl ist kongruent, wenn das Individuum eine berufliche Umwelt wählt, die seinem Persönlich-
keitsmuster entspricht. (vgl. Brown/Brooks 1994, 47 ff. und Bußhoff 1989, 26 ff.)
Aus den drei Bedingungen, der Gleichartigkeit, Stimmigkeit und Übereinstimmung ergibt sich dann
zusammenfassend als zentrale Hypothese, dass der berufliche Erfolg und die Zufriedenheit umso
größer sind, je homogener und konsistenter das Persönlichkeitsmuster sowie je kongruenter Persön-
lichkeits- und Berufsmuster sind. (vgl. Bußhoff 1989, 26)
Der Berufsfindungsprozess verläuft so, dass die Jugendlichen einen Vergleich ihres Persönlichkeits-
profils und ihres Anspruchsniveaus mit den spezifischen Anforderungsmerkmalen der verschiedenen
Berufe durchführen. Das Anspruchsniveau für den zukünftigen Beruf richtet sich nach der Intelligenz
und der Selbstbewertung. Das Persönlichkeitsmuster und das Anspruchsniveau führen zu einer
bestimmten Qualität der Berufs- und Selbstkenntnis.
Holland geht davon aus, dass die Berufswahl neben der Berufs- und Selbstkenntnis auch durch äußere
Umstände wie z. B. Arbeitsmarktlage und Einwirkung der Familie (siehe auch Allokationsansatz) 77
beeinflußt wird. Die Jugendlichen empfinden einen Beruf als optimal, wenn sich Persönlichkeitsprofil
und Anspruchsniveau weitestgehend decken.
Obwohl diese Theorie zu zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen und zu einer breiten
Anwendung im Bereich der Berufsberatung im Zusammenhang mit Persönlichkeitstests geführt hat,
muss doch auf einen wesentlichen Kritikpunkt hingewiesen werden. Es handelt sich bei dieser Theorie
um eine statische Betrachtung, d. h., es werden weder die sich verändernde Persönlichkeitsstruktur
noch der berufliche Wandel hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus ist die zentrale Hypothese,
wonach Kongruenz und beruflicher Erfolg voneinander abhängig sind, empirisch nicht vollständig
abgesichert. Der berufliche Erfolg dürfte nicht nur vom Fähigkeitsmuster, sondern in erster Linie vom
Niveau der Fähigkeiten und der Intelligenz abhängen. (vgl. Brown/Brooks 1994, 17 ff. und Bundesan-
stalt für Arbeit 1992, 84).
Bei den entwicklungs- und lernpsychologischen Ansätzen wird die Berufswahl als lebenslanger
Prozess interpretiert, der sich an den Lebensphasen orientiert, die mit individuellen Lernprozessen eng
verbunden sind. Wesentliche Determinanten dieses Prozesses sind das berufliche Selbstkonzept, das
über Sozialisationsprozesse entwickelt wird, und die durch die Gesellschaft geprägten individuellen
Anforderungen, die im Rahmen des Prozesses als eigene Ansprüche übernommen werden. Das
Selbstkonzept ist das Bild, das Jugendliche im Rahmen der Gesellschaft von sich aufbauen und
verändern. Diese Selbstwahrnehmung und -einschätzung entwickelt sich zunächst im familiären und
schulischen Kreis, wo sie durch Lernsituationen gefördert wird. Während der Berufsvorbildungsphase
nutzen die Jugendlichen die erlernten Problemlösungsmethoden zur Berufswahl und überträgen sie
später auch auf die berufliche Situation. Im Lernprozess ist wichtig, dass die erhaltenen Informationen
für das Individuum eine subjektive Relevanz haben, da sie sonst nicht verwertbar sind. (vgl. Deutsches
Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen 1984, Studienbrief 2, 79 ff.)
Die gesellschaftlich gestellten Anforderungen, die ein Individuum in bestimmten Lebensabschnitten
bewältigen muss (z. B. Berufswahl), werden (berufliche) Entwicklungsaufgaben genannt. Den
Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt erleben die Jugendlichen häufig als Lösungs-
und Identitätskrise. Die Lösungskrise bezeichnet den Vorgang der Entfremdung von der engen
familiären Bindung, und die Identitätskrise beschreibt den Wechsel von der familiären zur beruflichen
Orientierung. Die Ängste in der Berufsfindungsphase resultieren aber auch aus der Erkenntnis, dass
die getroffene Berufswahl die Zahl der zukünftig möglichen Alternativen verringert und das weitere
Berufsleben entscheidend determiniert. (vgl. Bußhoff 1989, 18 ff.)
Donald E. Super, der wichtigste Vertreter der entwicklungspsychologischen Theorien, hat eine
umfassende Systematisierung der Lebensphasen und des beruflichen Selbstkonzeptes vorgenommen
und in den USA durch empirische Untersuchungen überprüfen lassen. Super unterscheidet fünf
Lebensphasen (vgl. Bußhoff 1989, 12 ff.):
• Die Wachstumsphase beinhaltet die ersten Lebensjahre, die zunächst unter dem Schwerpunkt der
Personen- und Sachorientierung zu sehen sind und die mit der Entwicklung eines ersten Selbstkon-
zeptes endet. Dabei werden folgende Stadien durchlaufen:
78
- Phantasiestadium: In diesem spielen die Kinder bestimmte Berufsrollen und äußern willkürlich
erste Berufswünsche;
- Interessensstadium: In diesem bestimmen Neigungen die beruflichen Wünsche;
- Fähigkeitsstadium: Jetzt werden auch die eigenen Möglichkeiten berücksichtigt.
• In der Erkundungsphase werden verschiedene Berufe analysiert und evtl. ausprobiert. Sie endet mit
einer längeren Ausübung der Tätigkeit nach einer evtl. abgeschlossenen Ausbildung. Dieser Le-
bensabschnitt wird weiter unterteilt in:
- Versuchsstadium: Die vorläufigen beruflichen Überlegungen werden mit den eigenen Werten
verglichen und in Gesprächen reflektiert.
- Übergangsstadium: Dieses ist der Wechsel von der allgemeinbildenden Schule in die Berufs- und
Arbeitswelt.
- Erprobungsstadium: Es wurde eine berufliche Anfangsposition gefunden, die nun vor dem
Hintergrund einer langfristigen Tätigkeit überprüft wird.
• In der Festlegungsphase führt das Individuum evtl. noch eine berufliche Veränderung durch, bis es
sich für einen Beruf entscheidet. Sie gliedert sich in die folgenden Zeiträume:
- Versuchsstadium: Ist das geeignete Arbeitsfeld noch nicht gefunden, wird der Suchvorgang
fortgesetzt.
- Stabilisierungsstadium: Es zeichnet sich für das Individuum eine bestimmte Position in der Ar-
beitswelt ab, so dass jetzt mehr Zeit zur Kreativität im Beruf bleibt.
• In die Aufrechterhaltungsphase gelangt das Individuum nach einer gewissen Zeit der beruflichen
Kreativität, die zu neuen Aufgaben und zum Aufstieg geführt hat. Diese Position gilt es zu vertei-
digen.
• Die Abbauphase tritt häufig mit der Überschreitung des sechzigsten Lebensjahres ein, da die
physische und psychische Leistungsfähigkeit nachlassen. Mit dem Ausscheiden aus dem Berufsle-
ben verändern sich bei vielen Menschen auch die Einstellungen zum Erwerbsleben.
Die Autoren dieser Theorie haben ihren Ansatz um allgemeine idealtypische Laufbahnmuster
erweitert, die geschlechtsspezifisch getrennt werden (vgl. Bußhoff 1989, 17 ff.):
Frauen:
• stetige Entwicklung: Nach der Schule bzw. Studium wird der gewählte Beruf kontinuierlich
ausgeübt;
• unstetige Entwicklung: Phasen der Erprobung verschiedener Berufe wechseln mit Zeiten einer
längeren Tätigkeit in einem Beruf;
• extrem unstetige Entwicklung: Es gibt keine längeren Zeiten in einem Beruf;
• früher übliche Entwicklung: Nach kurzer beruflicher Tätigkeit erfolgt die Heirat, mit der die
berufliche Beschäftigung aufgegeben wird;
• häusliche Entwicklung: Es werden ausschließlich berufliche Erfahrungen im Haushalt gesammelt;
79
• zweigleisige Entwicklung: Wegen der Geburt der Kinder wird die berufliche Tätigkeit nur kurz
unterbrochen;
• unterbrochene Entwicklung: Die berufliche Tätigkeit wird solange unterbrochen, bis die Kinder
„selbstständig“ geworden sind.
Männer:
• übliche Entwicklung: Es werden mehrere Tätigkeiten ausprobiert, bis man sich schließlich für eine
entscheidet, die bis zum „Berufsende“ ausgeführt wird;
• stetige berufliche Entwicklung: siehe Frauen;
• unstetige Entwicklung: siehe Frauen;
• extrem unstetige Entwicklung: siehe Frauen.
Diese Versuche der Ordnung von Berufsverläufen haben die Voraussetzungen für weitere Forschun-
gen geschaffen, die sich insbesondere mit der Berufslaufbahnreife beschäftigen. D. h., es ist versucht
worden, den einzelnen Phasen der Entwicklung die erforderlichen Einstellungen, Fähigkeiten und
Verhaltensweisen gegenüberzustellen und entsprechende Normwerte für die Individuen durch Tests zu
ermitteln.
Gemäß den entwicklungs- und lernpsychologischen Ansätzen wird beim Berufsfindungsprozess
zunächst das berufliche Selbstkonzept entwickelt, dann erprobt und im Laufe der Zeit verändert. Der
wiederholte Vergleich zu früheren Leistungen oder zur Leistung anderer führt zur Verallgemeinerung
von Leistungen und damit zur Präferenzbildung. Aus der Verallgemeinerung von Lernerfahrungen
entstehen Problemlösungsmethoden für zukünftige Ereignisse, die auch für den Abgleichungsprozess
der eigenen Erwartungen mit dem Berufsrollenbild von Bedeutung sind. Daher werden in der Literatur
häufig auch die Persönlichkeitsstrukturansätze in dieses Konzept einbezogen (vgl. z. B. Dibbern 1993,
S. 71).
Die Berufswahl ist getroffen, wenn das berufliche Selbstkonzept der Berufsrolle angenähert ist. Die
Kritik an diesen sehr intensiv erforschten entwicklungs- und lernpsychologischen Ansätzen liegt darin,
dass die Aussagen zu den individuellen Entscheidungsprozessen zu wenig beachtet werden. In den
letzten Jahren hat Super seine Theorie auch um die gesellschaftlichen Problemstellungen erweitert und
kann heute den Berufswahl- und Berufsentwicklungsprozess in einem komplexen System darstellen
(vgl. Brown/Brooks 1994, 214 ff).
Beim entscheidungstheoretischen Ansatz, der von David V. Tiedemann und R. P. O´Hara
bereits in den sechziger Jahren veröffentlicht wurde, liegt der individuumsorientierte Schwerpunkt auf
der Beschreibung der Bedingungen und Faktoren, die ein optimales Problemlösungsverhalten
ermöglichen. Dabei wird die Berufsfindung als Prozess gesehen, der sich über einen längeren
Zeitraum erstreckt und in dem sich die Jugendlichen auch Verfahren und Regeln zur Lösung der
beruflichen Handlungsalternativen aneignen müssen. Dieser Prozess wird in fünf Phasen unterteilt
(vgl. Bundesanstalt für Arbeit 1992, 85 ff.):
80
• Problemwahrnehmung: Die Jugendlichen erkennen selbst die Wichtigkeit der Berufsfindung oder
werden durch die Gesellschaft (Eltern, Freunde, Schule, Arbeitsamt) darauf aufmerksam gemacht.
• Informationssuche und -verarbeitung: Es werden Informationen gesucht, mit deren Hilfe das
Problem gelöst werden kann.
• Bestimmung von Alternativen: Die Möglichkeiten werden gegeneinander abgegrenzt und bewertet.
• Entscheidung: Es erfolgt die Auswahl einer Alternative.
• Realisierung: Die Alternative wird umgesetzt und nötigenfalls korrigiert, wodurch die Informati-
onssuche von neuem beginnt.
Weil Wiederholungen und Überschneidungen in der Phasenfolge möglich sind, handelt es sich hierbei
selten um einen linearen Prozess. Die einzelnen Phasen sind in der wissenschaftlichen Forschung
weiter analysiert und differenziert worden, wobei es hauptsächlich um die Informations- und Ent-
scheidungsphase ging.
Für die Darstellung des Berufsfindungsprozesses und der Berufswahl werden die Jugendlichen nach
unterschiedlichen Entscheidungstypen getrennt betrachtet. Entscheidungen können rational oder
intuitiv, aktiv oder passiv und selbstständig oder abhängig erfolgen. Die rationale Wahl ist durch
möglichst viele Berufsalternativen mit einer eindeutigen Präferenzordnung gekennzeichnet. Den
Jugendlichen sind verschiedene Entscheidungsregeln bekannt. Bei der intuitiven Wahl (Zufallswahl)
besteht zwischen den Berufsalternativen und den Präferenzen kein eindeutiger Zusammenhang. Die
Jugendlichen nehmen die Berufsalternativen kaum wahr und entscheiden ohne bestimmte Strategien.
Zwischen diesen beiden Modellen liegt die Situation des „Durchwurstelns“ (muddling through). Es
wird hierbei davon ausgegangen, dass die Jugendlichen keine vollständigen Informationen über
Berufsalternativen haben und dass die Präferenzen sich verändern können. Die Jugendlichen gehen bei
der Berufswahl so vor, dass sie zunächst von einer Berufsalternative ausgehend ihre Präferenzen
überprüfen und evtl. verändern oder eine andere Alternative wählen (sich durchwursteln). Entschei-
dungsregeln werden dabei nur sehr allgemein angewendet. (vgl. Brown/Brooks 1994, 332 ff. und
Bundesanstalt für Arbeit 1992, 85 f.)
Die Forschungsergebnisse zum Entscheidungsverhalten belegen, dass ein großer Teil der Jugendlichen
nur unter unvollständigen Informationen handelt, keine eindeutige Präferenzordnung besitzt, eine
effektive Entscheidungsstrategie nicht vorhanden ist und dass eine rationale Wahl in starker Abhän-
gigkeit vom Informationsverhalten besteht. Dabei werden die Bedeutung zufälliger Ereignisse und
regionale Bedingungen häufig vernachlässigt. Letztlich zeigen sich bei den Jugendlichen häufig
unklare Berufsvorstellungen, einseitige und eingeschränkte Informationsaufnahme sowie fehlende und
falsche Anwendung von Entscheidungsregeln.
Als grundlegende Kritik an den entscheidungstheoretischen Ansätzen muss erwähnt werden, dass
selbst bei diesem Modell die Interaktionsprozesse zu wenig berücksichtigt werden und dass der
81
individuell ablaufende Entscheidungsprozess zu wenig differenziert dargestellt wird. (vgl.
Brown/Brooks 1994, 387)
Ludger Bußhoff fasst die unterschiedlichen Berufswahltheorien in einem komplexen Modell
zusammen, damit eine Annäherung an die Berufswahlpraxis erfolgen kann. (vgl. 1989, 41 ff. und
1998, 9 ff.) Die Verbindung der individuums- und gesellschaftsorientierten Berufswahltheorien soll
die Schwächen der jeweiligen Ansätze kompensieren. Bußhoffs interdisziplinäre Berufswahltheorie
soll verdeutlichen, dass die Berufsfindung ein mehrjähriger psychosozialer Entwicklungs- und
Entscheidungsprozess ist, der in Wechselbeziehung zur gesellschaftlichen Situation steht und in
Phasen mit entsprechenden Schwerpunkten verläuft. Besonders in Bußhoffs neueren Veröffentlichun-
gen wird die starke Anlehnung an die Entwicklungstheorie von Super deutlich (vgl. Bußhoff 1998, 11
ff.). Mit der Verknüpfung der Berufswahltheorien gelingt es aber nicht, den Schwachpunkt, die
Abbildung des realen Entscheidungsprozesses, zu beseitigen. Für die Beschreibung einer fachgymna-
sialen Berufswahltheorie wären daher weitergehende Beschreibungen und empirische Forschungen
notwendig, wie sie z. B. in den USA bereits für bestimmte Gruppen wie Frauen und Minderheiten
durchgeführt wurden.
Durch die für diesen Abschnitt gewählte Darstellung der Systematik der Berufswahltheorien sollte
deutlich geworden sein, dass Berufswahlvorbereitung zwei grundlegende Dinge berücksichtigen muss.
Zum einen muss sie die Lernenden in ihrer beruflichen Informations- und Entscheidungsfähigkeit
fördern und dabei gleichzeitig ihre Persönlichkeitsentwicklung stärken. Unter den Berufswahltheo-
rien wären hier besonders die Erkenntnisse von Holland und Super einzubringen, da diese bereits
erfolgreich in den USA und in der deutschen Berufsberatung zu didaktischen Ansätzen erweitert
wurden. Lediglich für die Entwicklung der Entscheidungsfähigkeit, also dem Schwerpunkt von
Tiedemans Berufswahltheorie, sind bisher kaum verwertbare schuldidaktische Strukturen konzipiert
worden. Unterrichtskonzepte müssen dazu führen, dass die Lernenden in die Lage versetzt werden,
eine Auswahl von befriedigenden Alternativen vorzunehmen. Denn ebenso wie bei Holland und
Brooks wird hier die Meinung vertreten, dass die Mehrheit der Lernenden in erster Linie ein Interesse
an der Findung von beruflichen Alternativen hat, in denen sie von außen bestärkt werden wollen (vgl.
Holland 1985, 9 ff. und Brown/Brooks 1994, 505).
Neben der Persönlichkeitsentwicklung zur Berufswahlfähigkeit ist zum anderen eine „Aufklärung“
über die Situation in der Arbeits- und Berufswelt notwendig. Aber weder Daheims oder Langes
Theorie noch die neuere soziologische Perspektive von Hotchkiss und Borow (vgl. Brown/Brooks
1994, 503) liefern didaktische Ansätze für die unterrichtliche Umsetzung. Es ist heute nicht mehr
ausreichend, die Arbeits- und Berufswelt in allgemeiner Form, also z. B. in einer volkswirtschaftlichen
Situationsbeschreibung, darzustellen. Es müssen die „lebensörtlichen Spezialitäten“ berücksichtigt
werden und auch ein Vergleich zwischen den eigenen beruflichen Präferenzen und den Anforderungen
des Beschäftigungssystems sollte erfolgen, damit die Lernenden auch Barrieren und Diskriminierun-
gen im Beschäftigungssystem erkennen. Entsprechend dem im Unterkapitel 4.1 beschriebenen
Bildungsverständnis muss dieses in weitgehender Selbstständigkeit durch die Lernenden erarbeitet
82
werden, damit sich der Berufswahlprozess im Einzelnen weiter entwickelt und die fachgymnasialen
Ziele (siehe auch Kapitel 3) verwirklicht werden.
Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass eine in sich geschlossene Berufswahltheorie in
absehbarer Zeit nicht entwickelt werden kann. Wenn wir den derzeitigen Forschungsstand betrachten,
so kann auch international kaum Zweifel darin bestehen, dass die Modelle von Holland und Super im
Mittelpunkt der theoretischen Weiterentwicklung und empirischen Forschung stehen. Die dargestellten
Theorien konzentrieren sich immer nur auf einzelne Aspekte im Berufswahlprozess oder gehen, wie
Bußhoffs Ansatz, schwerpunktmäßig von einem theoretischen Ansatz aus, um den Teile der anderen
Theorien aufgebaut werden.
Aus Sicht der fachgymnasialen Berufsvorbildung und der Berufsorientierung der Arbeitsämter wäre
es wünschenswert, wenn sie die Betreuung der Lehrenden auf einer klar strukturierten und empirisch
abgesicherten Berufswahltheorie aufbauen könnten. (vgl. Ertelt/Schulz 1997, 3 ff.) Auch wenn
Bußhoffs interdisziplinärer Ansatz noch große Lücken aufweist, scheint er doch dem tatsächlichen
Berufswahlprozess am nächsten zu kommen. Der Nachteil dieses Ansatzes ist, dass alle in den beiden
Unterabschnitten beschriebenen Theorien zu berücksichtigen sind, weil jede auf ihre Weise der
Beschreibung des realen Berufswahlprozesses unter einer anderen Fassette zweckdienlich ist. Damit
die didaktische Perspektive nicht aus dem Blickwinkel gerät, sollten immer die beiden wesentlichen
Aspekte des Berufsvorbildung im Auge behalten werden. Dieses sind auf der einen Seite die Weiter-
entwicklung der Persönlichkeit, die in den individuumsorientierten Theorien besonders hervorgehoben
wird, und auf der anderen Seite die Situation in der Arbeits- und Berufswelt, die in den gesellschafts-
orientierten Theorien tiefergehend berücksichtigt wird.
83
4.2.2 Die Didaktik der Berufsvorbildung als Unterrichtskonzept
Das große Interesse der Lernenden an Themen zur Berufsvorbildung belegen nicht nur die im
Unterkapitel 3.1 aufgeführten Jugendstudien, sondern auch eine empirische Untersuchung, die im
Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt wurde. So kritisieren 85 % der Gymnasiastinnen
und Gymnasiasten, dass die Schule zu wenig Kenntnisse über die Arbeitswelt vermittelt. 89 % bzw. 66
% der Lernenden an Gymnasien bzw. Realschulen möchten mehr über berufliche Möglichkeiten
erfahren. Dass die Lehrenden gut über die Situation in der Arbeitswelt unterrichtet sind, meinen in den
Realschulen immerhin noch 64 % der Schülerinnen und Schüler. In den Gymnasien sind es dagegen
nur noch 25 %. (vgl. Cohrs, u. a. 1996, 4 ff.) Offensichtlich erkennen die Lernenden der Sekundarstufe
II den Handlungsbedarf eher als die Vertreterinnen und Vertreter der schulischen Bildungseinrichtun-
gen.
Erwin Egloff beschreibt für die Schweiz mehrere grundlegende Probleme, die ca. 30 % der
Jugendlichen bei ihrer Berufswahlaufgabe hatten. Es gibt „verhältnismässig viele Jugendliche, die
• sich passiv, ängstlich, unselbständig, mutlos anstellten,
• kaum ein Dutzend Berufe der Bezeichnung nach aufzählen konnten,
• nicht wussten, wie man Berufe kennen lernen und vergleichen kann,
• sich ihre Interessen und Wünsche, ihre starken und schwachen Seiten noch kaum überlegt und
deshalb auch kein bewusstes Selbstbild hatten, auf das sie bei der Berufswahl abstellen konnten,
• einen Ausbildungsplatz vermittelt haben wollten, ohne nach erfolgversprechenden Kriterien
gewählt zu haben, oft ohne solche Kriterien überhaupt zu kennen,
• die Tendenz zeigten, der persönlichen Entscheidungsverantwortung auszuweichen oder Verant-
wortung auf die Institutionen Schule und Berufsberatung abzuwälzen, usw.“ (1998 a, 89)
Diese Darstellungen treffen nach meinen Erfahrungen auch auf die Lernenden im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - zu, wobei aber der Wert von 30 % mehr als verdoppelt werden sollte.
Wie u. a. die von Super geprägte individuumsorientierte Berufswahltheorie zeigt, kann sich bei den
Lernenden nur eine wirksame Berufsvorbildung entwickeln, wenn die Persönlichkeitsentwicklung
bestimmte Fixpunkte erreicht. Neben der Ausprägung des Selbstkonzeptes, von Lerntechniken und
Arbeitstugenden spielt dabei der Umgang mit Berufsinformationen eine entscheidende Rolle. Wenn
wir „als gesichert annehmen, daß Entscheidungen, die auf präzisen Informationen beruhen, besser sind
als solche, die aus falschen Vorstellungen oder Unkenntnis hervorgehen“, (Brown/Brooks 1994, 505)
dann sollte die Frage nach den relevanten Berufsinformationen den Kern eines didaktischen Konzeptes
für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ausmachen.
Die Förderung der Lernenden in der Berufsvorbildung sollte sich im Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - über den ökonomischen Bereich vollziehen. Diese Verknüpfung ist für das Fachgymna-
84
sium als Schultyp der gymnasialen Oberstufe eine einmalige Chance, aber gleichzeitig auch sein
größtes und bisher ungelöstes Problem.
Zur Lösung des Problems sollte zunächst die Grundrichtung einer fachgymnasialen Berufsvorbil-
dung festgelegt werden. Die Jugendlichen, die sich für die Fortsetzung ihrer schulischen Bildung
„entschieden“ haben, stammen zum überwiegenden Teil aus den Realschulen des allgemeinbildenden
Schulsystems. Dem Lehrplan entsprechend sollten im Rahmen des Faches Wirtschaft/Politik Berufs-
vorbildungsunterricht und ein Betriebspraktikum durchgeführt worden sein (vgl. Ministerium für
Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1997, 37 ff.). Gemäß
dem entwicklungstheoretischen Berufswahlansatz kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass
der Berufswahlprozess der Lernenden mit dem Eintritt in das Fachgymnasium bereits abgeschlossen
ist. Die schulischen Erfahrungen zeigen, dass nur wenige ihr Berufsausbildungs- oder Studienziel
angeben können (siehe auch Unterkapitel 2.2). Ein didaktisches Konzept der Berufsvorbildung für das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - muss dieses berücksichtigen und daher auf den Maßnah-
men der „Zubringerschulen“ aufbauen, sie ergänzen und erweitern.
Wie bereits in der Einführung zu diesem Unterkapitel (siehe 4.2) beschrieben wurde, muss der
didaktische Ansatz für die Berufsvorbildung auf zwei Säulen aufbauen. Zum einen gilt es, die
Persönlichkeitsbildung der Lernenden zu fördern, und zum anderen sollten die Kenntnisse über die
kaufmännisch-verwaltende Arbeits- und Berufswelt erweitert werden. Für die Lehrenden des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - ist es im Bereich der Vermittlung von Kenntnissen aus der
Arbeits- und Berufswelt nicht mehr ausreichend, wenn sie vor Jahrzehnten vielleicht einen kaufmän-
nisch-verwaltenden Beruf ausgeübt haben. Die Lehrenden sollten über Kompetenzen verfügen, mit
denen es ihnen gelingt, den berufskundlichen Bereich abzudecken. Damit die Lehrenden den
Berufswahlprozess begleiten können, benötigen sie Kenntnisse über die Struktur des Prozesses, also
über die Berufswahltheorien, und darüber hinaus auch im psychologischen Bereich (siehe auch
Abschnitt 4.2.1). Erst wenn sie beides ausgebildet haben, können sie den individuellen Entwicklungs-
stand der Lernenden erkennen und das berufsvorbildende Instrumentarium zielgerichtet einsetzen.
„Das Bildungssystem ist durch eine Serie von sich verzweigenden Entscheidungen gekennzeichnet,
die Veränderungen in der Berufsrichtung zunehmend schwieriger und kostspieliger machen; einige
Entscheidungen sind nahezu irreversibel.“ (Brown/Brooks 1994, 131) Daher darf sich das Fachgym-
nasium der Aufgabe der Berufsvorbildung nicht weiter verschließen. Deren Umsetzung müsste sich
inhaltlich an der Weiterentwicklung der Berufswahlkompetenz am Beispiel der komplexen Arbeits-
und Berufswelt im kaufmännisch-verwaltenden Bereich vollziehen. Hierbei ist für das Fachgymnasi-
um - wirtschaftlicher Zweig - die Beschreibung der wesentlichen berufsvorbildenden Instrumentarien
erforderlich. In den beiden folgenden Unterabschnitten wird erstmals der Versuch unternommen, ein
didaktisches Berufsvorbildungskonzept für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zu
entwickeln, das den Erlass zur Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung
85
(vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
1999 b) aufgreift und inhaltlich tiefergehend strukturiert.
4.2.2.1 Didaktische Theorien zur Berufsvorbildung
Das Ziel der Berufswahlvorbereitung wird in Westdeutschland erst seit Ende der sechziger Jahre
umfassend diskutiert. Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz führten aber in erster Linie nur
in den Lehrplänen der Haupt- und Realschulen zu einer stärkeren Berücksichtigung von berufsvorbil-
denden Inhalten. Für die Fachgymnasien wird bis heute davon ausgegangen, dass sie die Berufsvorbil-
dung durch ihre „berufsbezogenen“ Fächer/Kurse indirekt mit transportieren.
Eine der ersten grundlegenden didaktischen Darstellungen zur Berufsvorbildung ist die von Meya,
der die Jugendlichen über alle beruflichen Möglichkeiten „informieren“ will, damit sie eine „rationale
Berufswahl“ treffen (vgl. Meya 1972, 56 ff.). Hierbei geht es hauptsächlich um die umfassende
Belehrung und Information der Jugendlichen. Im Jahre 1974 veröffentlichten Dibbern/Kaiser/Kell im
Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit eine curriculare Grundlegung zur Berufswahlvorbereitung, die
ihren Schwerpunkt in der Betrachtung der „individuellen Berufswegplanung“ hat und dabei auch die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Zur didaktischen Umsetzung haben sie eine
Matrix entwickelt, durch die eine Verknüpfung der individuellen und gesellschaftlichen Dimension
der Berufswahl erfolgt. (vgl. Dibbern/Kaiser/Kell 1974, 74 ff.) Die Jugendlichen sollen aufgrund
dieser Dimensionen in die Lage versetzt werden, eine „selbstbestimmte“ (Dibbern/Kaiser/Kell 1974,
133) Berufswahl zu treffen. Dieses Modell wird kritisiert, weil für die schulische Umsetzung letztlich
doch wieder auf einen verstärkten Informationsunterricht zurückgegriffen wird (vgl. Steffens 1975,
115). Steffens versucht den Ansatz von Dibbern/Kaiser/Kell zu erweitern, indem er neben der
eigenständigen Informationsbeschaffung und -verarbeitung auch ein Entscheidungstraining fordert.
Die Vermittlung von berufsbezogener Entscheidungskompetenz wird aber ebenfalls nicht der oben
beschriebenen interdisziplinären Berufswahltheorie gerecht und auch die unterrichtliche Umsetzung
einer „Berufswahlreife“ wird in diesem Modell nicht weiter konkretisiert. (vgl. Steffens 1975, 144)
In einem Gutachten, das Harald Dibbern 1983 im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit erstellt hat,
versucht er neben der Vermittlung von berufswahlbezogenen Kenntnissen und Entscheidungskompe-
tenz auch Probleme zu berücksichtigen, die in der Bewerbungs- und Realisierungsphase auftreten
können. Er definiert dieses als Berufswahlkompetenz und bezieht dabei auch ausdrücklich die
Berufsberatung des Arbeitsamtes ein. Mit Berufswahlkompetenz bezeichnet Dibbern später die
Fähigkeit der Jugendlichen, individuelle Berufsalternativen zu erkennen, zu beurteilen und in eine
Präferenzordnung zu bringen (vgl. 1993, 77). Er erstellte bereits 1983 eine didaktische Matrix für die
Sekundarstufe I, in der er die Entwicklung des beruflichen Selbstkonzeptes mit entsprechenden
86
Klassenstufen in der Schule kombiniert und eine Verknüpfung zwischen dem interaktionstheoretischen
Berufswahlansatz und dem handlungsorientierten Lernen herstellt. (vgl. Dibbern 1983, 77)
Ebenso wie Dibbern ist es auch für Heinz Klippert wichtig, dass die Jugendlichen die vermittelten
Informationen individualisieren und zum Gegenstand von Handlungen machen (vgl. Dibbern 1993, 93
und Klippert 1987, 45 ff.). Der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen liegt darin, dass Klippert in
seinen Darstellungen noch konkreter auf die methodische Seite des Unterrichts eingeht und die
Handlungsmöglichkeiten der Jugendlichen in den Vordergrund stellt. Das primäre Ziel sollte eine
Herbeiführung von einer individuellen Handlungs- und Entscheidungskompetenz sein. „Handlungs-
kompetenz - wie sie hier verstanden wird - ist mehr als Entscheidungskompetenz! Sie umfaßt im
erweiterten Sinne nicht nur die Berufswahl i. e. S., sondern auch und zugleich das praktische Bewer-
bungshandeln der Schüler ...“ (Klippert 1987, 51). „Handlungskompetenz ist vor allem methodisch-
strategische und interaktive Kompetenz: sowohl im Hinblick auf die Berufswahlvorbereitung
(Entscheidung i. e. S.) als auch in bezug auf die Realisationsphase (Bewerbungshandeln)“ (Klippert
1987, 51). „Handlungsdruck“ wird von Jugendlichen aber nur verspürt, wenn es gelingt, das Konflikt-
und Entscheidungspotential der Berufsfindung individuell deutlich zu machen. Dabei darf die
Berufsvorbildung nicht zu einer Beschränkung oder Abnahme der individuellen Berufswahl führen.
Während Klipperts Ansatz erhebliche Stärken im methodischen Umsetzungsbereich hat, sind alle
anderen aufgeführten Didaktiken fast ausschließlich an übergeordneten Strukturen ausgerichtet und
lassen sich auf das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nicht unmittelbar übertragen.
Auch die Berufsberatung der Arbeitsämter hat didaktische Strukturen zur Berufsvorbildung
entwickelt. Sie will in erster Linie berufliche Aufklärung betreiben. (vgl. Ertelt/Schulz 1997, 77 ff.)
Ausgangspunkt für die Vorstellungen einer unterrichtlichen Umsetzung der Berufswahlvorbildung war
im besonderen Maße das Arbeitsförderungsgesetz von 1969. Es weist den Arbeitsämtern eine
„unterrichtende“ Rolle zu, die durch die Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz mit der
Bundesanstalt für Arbeit vom 05.02.1971 nochmals bekräftigt wurde und für Schleswig-Holstein
zuletzt durch Schulerlass vom 29.03.1999 bekräftigt wird (Ministerium für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999 b). Durch diese Kooperationsvereinbarung
soll die berufliche Aufklärung der Berufsberatung mit dem schulischen Berufsvorbildungsunterricht
verknüpft werden. Ein zusammenhängendes didaktisches Konzept wird aber nicht vorgelegt.
Eine erste Hilfe für ein berufsvorbildendes Konzept des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig -
bietet der stufendidaktische Ansatz von Harald Dibbern. Ausgehend von den Annahmen der
entwicklungs- und lernpsychologischen Berufswahltheorien, versucht er ein didaktisches Konzept für
den Wirtschafts- und Berufswahlunterricht in der Sekundarstufe I abzuleiten. Am Beispiel der
Hauptschule wird eine Matrix aus der 5./6. bis 9. Jahrgangsstufe und sechs Berufswahlschritten
gebildet. Die Berufswahlschritte sind:
• Berufswahrnehmung: Die Lernenden werden für Berufs- und Arbeitswelt sensibilisiert. Es wird
versucht, eine persönliche Betroffenheit und eine länger anhaltende Motivationslage zu schaffen.
Die Jugendlichen müssen die Informationen individualisieren.
87
• Berufsanforderunganalyse: Die Lernenden vergleichen die beruflichen Anforderungen mit ihrem
Eignungs- und Neigungsprofil und ändern evtl. nach der selbstständigen Informationsbeschaffung
ihr Profil. In diesem Zusammenhang muss den Lernenden die Tatsache der unvollständigen Infor-
mationslage deutlich werden, und sie müssen zur aktiven Informationsbeschaffung veranlasst
werden. Hier sollten auch Allokationsaspekte im Unterricht berücksichtigt werden.
• Berufsalternativen: Auf der persönlichen Analyse aufbauend sollen die Lernenden mehrere
Berufsalternativen entwickeln, damit sie gegen Engpässe im Ausbildungssystem abgesichert sind.
Die Schulpraxis zeigt, dass dieses besonders für Jugendliche unterer Schichten wichtig ist, da diese
in der Regel kaum berufliche Alternativen entwickeln.
• Berufserfahrung: Die Lernenden sollen durch „Realbegegnungen“, also durch Betriebspraktika und
betriebliche Erkundungen, ihre beruflichen Vorstellungen überprüfen.
• Berufspräferenzen: Die Lernenden entwickeln durch berufliche Probewahlen einen Einblick in
mögliche Tätigkeitsbereiche und analysieren anschließend die Eigen- und Fremderwartungen. Sie
beschaffen sich zusätzliche Informationen über berufspezifische Tendenzen und Möglichkeiten am
Berufs- und Arbeitsmarkt. Dabei sollten sich die beruflichen Vorstellungen festigen.
• Berufliche Entscheidung: Die Lernenden führen abschließend die Berufswegplanung durch.
Hierbei steht die Erstellung der Bewerbungsunterlagen im Vordergrund des Unterrichts. (vgl.
Dibbern 1993, 78 ff.)
Der Nachteil von Dibberns Konzept ist, dass es in seinen Konkretisierungen nur auf die Sekundarstufe
I Bezug nimmt und daher für eine unmittelbare Anwendung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - nicht geeignet ist. Andererseits wird durch die Stufung der berufsvorbildenden Maßnahmen
auch der Aufbau eines didaktischen Konzeptes im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - möglich.
Einer der wenigen Ansätze, der sich intensiver mit der Berufsvorbildung im Gymnasium befasst, ist
der von Johannes Ermert und Horst Friedrich (1990), der sich aber nur auf die allgemeinbildenden
Gymnasien bezieht. Die Autoren entwickeln ebenfalls ein gestuftes didaktisches Modell, das, im
Gegensatz zu Dibberns Ansatz, auch detailliert auf die Sekundarstufe II eingeht. Sie beschreiben auch
die Beziehung von Unterrichtspraxis und Berufswahltheorien: „Theoriekenntnisse (Theorien zur
Berufswahl) sind demnach nicht als solche zu vermitteln, sondern instrumentell einzubinden in die
Analyse von realen Problemsituationen. Erst im Verwendungszusammenhang, bei der Suche nach
Erklärungen und Problemlösungen, werden dem Lernenden Notwendigkeit und Nutzen derartiger
Kenntnisse einsichtig.“ (ebd., 114 f.) Letztlich fordern Ermert/Friedrich einen schüleraktiven
Unterricht. (vgl. ebd., 114) Die Problematik der Berufswahlvorbereitung soll den Lernenden durch die
Erarbeitung von Leitfragen deutlich werden, die Ermert/Friedrich in einer Tabelle (ebd., 116)
darstellen (siehe Abbildung 5).
88
Abbildung 5: Leitfragen zur Berufswahlvorbereitung
Fragestellung
Aufgabe
des Schülers
Was will ich?
Was kann ich?
Erkundung des beruflichen Selbstkonzeptes
Fragestellung
Aufgabe
des Schülers
Welchen soziokulturellen und sozioökonomischen Einflüssen unterliege ich
bei der Entwicklung meines beruflichen Selbstkonzeptes?
Reflexion der Einflüsse
Fragestellung
Aufgabe
des Schülers
Welche Studien- und Berufsmöglichkeiten gibt es bei Berücksichtigung der
gegebenen Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur?
Informationssuche und -verarbeitung
Fragestellung
Aufgabe
des Schülers
Welche medialen und personellen Informationsmöglichkeiten und
Entscheidungshilfen zur Unterstützung meiner Berufs- und Studienwahl
kann ich nutzen?
Informationssuche und -verarbeitung
Fragestellung
Aufgabe
des Schülers
Welches Studium, welcher Beruf kommt für mich in Frage?
Entscheidung
Positiv an diesem Konzept ist, dass die Informationssuche und -verarbeitung besonders hervorgeho-
ben werden (siehe auch Abschnitt 4.2.1). Alles Wissen ist kontextbezogen (siehe auch Abschnitt
4.1.2). Berufsvorbildung kann ihr Ziel bei den Lernenden nur erreichen, wenn sich die Entscheidungs-
findung mit Hilfe von Informationssuche und -verarbeitung sowie praktischen Erfahrungen vollzieht.
„Ein Jugendlicher ist dann berufswahlreif, wenn er
1. bereit ist, sich auf Berufswahlfragen ernsthaft einzulassen;
2. zu einer realistischen Selbsteinschätzung gelangt ist;
3. die wesentlichen Elemente der Arbeits- und Berufswelt kennt;
4. weiss, wo Informationen zu suchen sind und er diese auch verarbeiten kann;
5. Berufs- und Laufbahnalternativen wahrnehmen und bewerten kann;
6. Entscheidungen treffen und sie auch realisieren kann.“ (Grimm 1998, 174 f.)
89 Der sechste Punkt in der Aufzählung von Albert Grimm sollte noch näher erläutert werden: „Eine gute
Berufswahlvorbereitung in der Schule zeichnet sich also auch dadurch aus, dass sie sich bemüht, die
Wahlkompetenz der Schüler/innen zu stärken. ... Wer eine Wahl zu treffen hat, sollte bestimmte
Mechanismen eines Wahlprozederes kennen, insbesondere auch, dass bei einer Wahl nicht nur die
Erkenntnisse des Verstandes oder die Signale des Gefühls wichtig sind, sondern beides in einem
ausgewogenen Verhältnis stehen muss; dass ein einmal gefällter Entscheid nachher meistens eine
bestimmte Zeit durchgezogen werden muss und dass eine Wahl für etwas zugleich auch eine Wahl
gegen etwas bedeutet. Diese für die Berufswahl wichtigen (Vor-) Erfahrungen kann ein Jugendlicher
in unserem Schulsystem meist nur beschränkt machen“. (Grimm 1998, 177 f.) Häufig versagt die
rationale Berufsfindung, da die emotionale Seite bei der Entscheidungsfindung von den Lernenden
unterschätzt wird.
Das zentrale Problem der Berufsvorbildung ist die Verknüpfung von Themenbereichen aus der
Arbeits- und Berufswelt mit der Berufswahlvorbereitung: „‚Hinführung zur Wirtschafts- und
Arbeitswelt‘ und ‚Berufswahlvorbereitung‘ stehen dabei nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr
kann die Beschäftigung mit Themen der Wirtschafts-, Berufs- und Arbeitswelt dem Jugendlichen
Anregungen, Orientierungshilfen und Kriterien für die persönliche Berufswahl vermitteln.“ (Er-
mert/Friedrich 1990, 129 f.) Diese integrative Vorgehensweise sollte auch im Fachgymnasium
- wirtschaftlicher Zweig - umgesetzt werden. Eine integrative Berufsvorbildung hat auch die
Aufgabe, den Lernenden „die Realitäten der Arbeitswelt vor Augen zu führen. Was sind die Voraus-
setzungen für einen bestimmten Beruf? Welche Kenntnisse und Erfahrungen werden erwartet?
Wieviel verdient man als Berufsanfänger, und wie hoch ist das durchschnittliche Einkommen?...
Welchen Aspekt Ihrer Persönlichkeit möchten Sie durch die Arbeit verwirklichen?“ (Brown/Brooks
1994, 148) Je mehr das am kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld erfolgen kann, desto sicherer
dürfte die Berufsentscheidung für oder auch gegen diesen Bereich erfolgen. Durch die Kombination
von Darstellungen aus der Arbeits- und Berufswelt mit der Förderung der Fähigkeit zur individuellen
Berufswahl sowie durch das Eingehen auf spezielle Berufswahlprobleme der Lernenden kann sich im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - eine individuelle Berufswahlkompetenz entwickeln
(siehe auch Unterabschnitt 4.2.1.2).
Da die Lernenden des Fachgymnasiums in der Regel bereits Berufsvorbildungsunterricht in der
„Zubringerschule“ (z. B. Realschule) hatten, sollte hierauf Bezug genommen werden. Das heißt, dass
die Berufswahrnehmungsphase reduziert werden kann, der Berufsbezug im ökonomischen Bereich
verstärkt werden sollte und die Unterrichtsorganisation überdacht werden muss. Im Gegensatz zu dem
didaktischen Ansatz von Ermert/Friedrich sollten für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
auch Leitfragen zum Verständnis der Arbeits- und Berufswelt entwickelt werden. Da diese in
unmittelbarem Zusammenhang mit der im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zu vermittelnden
ökonomischen Bildung stehen und sich überwiegend decken, werden sie im Unterkapitel 4.3 beschrie-
ben.
90
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für eine fachgymnasiale Profilierung in der Berufsvorbildung
die Übernahme der bestehenden didaktischen Berufsvorbildungskonzepte aus den allgemeinbildenden
Schulen nicht ausreichend ist. Ein fachgymnasialer Ansatz muss in der inhaltlichen und zeitlichen
Dimension des berufsvorbildenden Unterrichts auf die Lernenden abgestimmt sein, da sich diese in der
Regel nach der Realschule zum zweiten Mal mit der Berufsvorbildung befassen.
Es deutet vieles darauf hin, dass Realschülerinnen und Realschüler, die weiterführende Schulen
besuchen, ein schwächeres Berufsinformationsverhalten zeigen als diejenigen, die unmittelbar in das
duale System eintreten. Wie bereits bei der Beschreibung der Berufswahltheorien im Abschnitt 4.2.1.2
abschließend festgestellt wurde, müssen das Berufsinformations- und Verarbeitungsverhalten der
Lernenden verbessert werden. Der bisherige Verzicht auf entsprechenden Unterricht in diesem Bereich
macht die Unsicherheit in der Inhaltsfrage besonders deutlich. Die Auffassung, dass sich durch die
beiden „berufsbezogenen“ Fächer Wirtschaftstheorie und -politik sowie Rechnungswesen automatisch
Berufswahlkompetenz entwickelt, ist unrealistisch, denn sonst würden die Lernenden des Fachgymna-
siums - wirtschaftlicher Zweig - den Übergang in die begehrten kaufmännisch-verwaltenden Ausbil-
dungsberufe zahlreicher, einfacher und schneller verwirklichen können.
Das Ziel der Berufsvorbildung ist die Steigerung der „Berufswahlkompetenz“ (Dibbern 1993, 77).
Sie kann nach heutigem pädagogischen Verständnis (siehe auch Abschnitt 4.1.2) nur durch individuel-
le Handlungen und Entscheidungen gesteigert werden. Diese Aktivitäten sollten letztlich dazu führen,
dass sich die Lernenden nicht nur auf einen bestimmten Beruf fixieren, sondern möglichst eine
Entscheidung für ein Berufsfeld treffen, damit sie die „erste Schwelle“, die Studien- und Berufsausbil-
dungswahl, erfolgreich überwinden. Im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sollten die
Teilbereiche der Berufsvorbildung, die Berufswahlvorbereitung sowie die Arbeits- und Berufswelt in
integrativer Form vermittelt werden, da sich bei den Lernenden nur durch die Übung an konkreten
Problemen Transferwissen entwickeln kann (siehe Abschnitt 4.1.2). Das Bündel der dafür erforderli-
chen Maßnahmen wird im folgenden Unterabschnitt für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig
- systematisch beschrieben und analysiert.
4.2.2.2 Kooperationen als Unterrichtsansatz
Die unterrichtliche Gestaltung einer Berufsvorbildung beginnt mit „der Schwierigkeit,
• daß es eine Vielzahl kaum miteinander vergleichbarer, geschweige denn vereinbarer Berufe gibt
...,
• daß die Entwicklung des Arbeitsmarktes als Ort der Realisierung von Berufschancen nur höchst
unzulänglich prognostizierbar ist,
• daß die Qualifikationsanforderungen der Berufswelt sehr abstrakt formuliert und
• die Anforderungsbegründungen logisch und pädagogisch problematisch sind.
91
Die beiden ersten Feststellungen nötigen zu der Einsicht, daß sich Berufsorientierung ausschließlich
auf einzelberufsübergreifende Anforderungen beziehen kann, von deren Erfüllung die Fähigkeit zur
kompetenten Entscheidung für eine von zahlreichen beruflichen Möglichkeiten sowie zu erfolgreichen
Bewältigung der anschließenden Ausbildungs- und Arbeitsaufgaben erwartet werden kann.“ (Sekreta-
riat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995,
139)
Die oben zitierten Erkenntnisse der Expertenkommission gelten auch für das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig -. Daher sollte zunächst die Berufswahlkompetenz verbessert werden, bevor
über die Vermittlung von beruflichen Qualifizierungsmöglichkeiten im Berufsfeld Wirtschaft und
Verwaltung nachgedacht wird. Im Unterricht sollten berufsvorbildende Fähigkeiten vermittelt werden.
Dabei sind „besonders wichtig:
• die Fähigkeit, sich relevante Informationen über komplexe Sachverhalte zu beschaffen und zur
Fundierung der Entscheidungen für einen Beruf, für berufliche Veränderungen oder für Verände-
rungen im Beruf zu nutzen;
• die Fähigkeit, Entscheidungsprozesse zu organisieren;
• die Fähigkeit und Bereitschaft, sich kontinuierlich und erfolgskontrolliert auf berufliche Hand-
lungszusammenhänge einzulassen und dabei zu wissen, was man kann und will;
• die Fähigkeit, ergebnisorientiert zu kommunizieren und zu kooperieren.
Solche Fähigkeiten werden ‚situiert‘ erworben – in der Beziehung zwischen einer Person und
Situationen, die bestimmte Handlungsangebote und -beschränkungen beinhalten.“ (Sekretariat der
Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 139 f.)
Diesen allgemein gehaltenen Darstellungen der KMK-Expertenkommission zur gymnasialen
Oberstufe muss ebenfalls zugestimmt werden. Die Beschreibung der geforderten Fähigkeiten sollte
aber in Bezug auf ihre unterrichtliche Umsetzung konkreter werden. Wünschenswert wäre eine
Beschreibung der curricularen Grundstrukturen. Wenn wir die von der Expertenkommission beschrie-
benen Problembereiche und Lösungsansätze auf das Fachgymnasium beziehen, sollte hinzugefügt
werden, dass die berufliche Orientierung der Lernenden erhebliche Defizite aufweist und die Lernen-
den durch das derzeitige Schulprofil nicht die notwendigen Fähigkeiten entwickeln können (siehe auch
Kapitel 3). Es muss in einem zirkulären Prozess darüber nachgedacht werden, welche grundlegenden
unterrichtlichen Maßnahmen in Verbindung mit einem didaktischen Ansatz die Lage verbessern
könnten, damit die Vermittlung einer unvollständigen und einseitigen ökonomischen Bildung im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - beendet wird.
Eine Möglichkeit wäre, empirische Forschungen über die Lernenden in den Fachgymnasien
durchzuführen, um aus den Defiziten der Schülerinnen und Schüler Rückschlüsse für die Entwicklung
eines curriculares Konzeptes zu ziehen. Entsprechende Untersuchungen sind bisher nur für die
allgemeinbildenden Schultypen im Auftrag der Arbeitsamtsverwaltung durchgeführt worden (vgl.
Schober/Tessaring 1993, 5 ff. und Kleffner u. a. 1996, 16 f.).
Analysen im Fachgymnasium würden vermutlich zu dem Ergebnis kommen, dass es den typischen
92
Fachgymnasiasten nicht gibt, sondern dass unter berufsvorbildenden Aspekten mindestens drei
Schülertypen zu beschreiben sind: Da wären zunächst die Berufsorientierungslosen, die durch einen
weiteren Schulbesuch ihre Berufsentscheidung hinausschieben, gleichzeitig aber auch erkannt haben,
dass der höchste in Deutschland zu vergebende allgemeinbildende Schulabschluss bessere berufliche
Startbedingungen schaffen könnte. Es wird ein etwas kleinerer Anteil von Lernenden vorhanden sein,
die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und bisher nur eine sehr begrenzte Berufswahlkompe-
tenz entwickeln konnten. Schließlich wird es einige geben, die einen der beiden fachgymnasialen
Abschlüsse anstreben, weil dieser für den von ihnen geplanten Berufsweg notwendig ist.
Im Vergleich mit den Lernenden in der allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe dürfte sich in
den Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - die noch größere Spannbreite in den beschriebenen
berufsvorbildenden Fähigkeiten deutlich hervorheben. Das gilt insgesamt für die Persönlichkeitsent-
wicklung, also für die Berufswahlreife, aber auch für die schulfachlichen und hierbei natürlich
besonders für die ökonomischen Kenntnisse (siehe auch Unterkapitel 2.2). Da dieser empirische
Forschungsansatz aber auch zu dem Ergebnis kommen könnte, dass es noch sehr viel mehr als nur drei
„Schülertypen“ gibt, könnte er in theoretischen Erklärungen und Systematisierungen stecken bleiben,
und das Ziel, eine curriculare Grundstruktur aufzubauen, würde an den Rand gedrängt werden.
Zusätzlich sollte berücksichtigt werden, dass die empirische Forschung den Nachteil hat, eine
Momentaufnahme zu sein. Viele Lehrende im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - werden die
Erfahrung gemacht haben, dass sich die Zusammensetzung der Jahrgänge teilweise erheblich
voneinander unterscheidet.
Eine zweite Möglichkeit der Entwicklung einer grundlegenden curricularen Basis ist die Annähe-
rung an das Berufsvorbildungsproblem aus unterrichtsorganisatorischer und -methodischer Sicht.
In der fachdidaktischen Literatur zur Berufsvorbildung werden meist drei Kernbereiche beschrieben,
mit deren Hilfe ein Unterrichtskonzept aufgebaut wird. Das sind Ausführungen:
• zum berufsvorbildenden Schulunterricht,
• zur Implementierung von Realkontakten und
• zur Einbindung der Berufsberatung der Arbeitsämter.
Das grundlegende Problem, die lehrplanmäßige und schulische Verknüpfung dieser drei Kernbereiche
der Berufsvorbildung, konnte bisher jedoch nur unzureichend gelöst werden. Die Ursache dürfte darin
liegen, dass im Gegensatz zu vielen anderen schulischen Themenbereichen und Fächern in der
Berufsvorbildung auch außerschulische Lernorte wie z. B. die Berufsberatung der Arbeitsämter und
die Unternehmenspraktika einzubeziehen sind. Erst wenn, von berufswahltheoretischen und -
didaktischen Ansätzen der Berufsvorbildung ausgehend, die schulischen und außerschulischen
Gestaltungsmöglichkeiten aufeinander abgestimmt würden, können die Lernenden das Ziel der
Berufswahlkompetenz erreichen. Nur eine stärkere Kooperation, d. h. eine tiefergehende
Ausgestaltung und Verknüpfung, der drei Kernbereiche, könnte die fachgymnasiale Berufsvorbildung
verbessern. Der in der Literatur auch immer wieder aufgeführte vierte Kernbereich, die Eltern, muss in
93
den Fachgymnasien weitgehend vernachlässigt werden, da die Bereitschaft der Eltern zur Zusammen-
arbeit mit der Schule sehr gering ist. Natürlich sollte auch hier der Kontakt über neue Kooperations-
wege gesucht werden, da die Eltern bei der Berufswahl ein entscheidender Einflussfaktor sind (vgl.
Kleffner, u. a. 1996, 12 ff. sowie Grimm 1998, 205 ff.).
Der erste Kernbereich, der berufsvorbildende Schulunterricht, lässt sich für das Fachgymnasium
- wirtschaftlicher Zweig - durch zwei Fragestellungen weiter konkretisieren:
• Soll die Berufsvorbildung für die Lernenden inhaltlich individuell oder allgemein ausgestaltet
sein?
• Soll Berufsvorbildung schulorganisatorisch in einem getrennten Fach/Kurs (Fachprinzip) oder
fachintegrativ (z. B. fächerübergreifend) unterrichtet werden?
Zur Beantwortung der ersten Frage, wie die Berufsvorbildung für die Lernenden inhaltlich gestaltet
sein sollte, sind die beiden Inhaltsbereiche der Berufsvorbildung zu unterscheiden: die Weiterentwick-
lung des individuellen Berufswahlprozesses und die Entwicklung von Kenntnissen über die Arbeits-
und Berufswelt im kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld. Während sich der erste Bereich überwie-
gend mit psychologischen Fragen beschäftigt, dominiert im zweiten Bereich die ökonomische
Perspektive und die Lage am Beschäftigungsmarkt.
Der individuelle Berufswahlprozess der Lernenden sollte bereits in der Realschule durch die dort
vermittelte Berufsorientierung in Gang gesetzt worden sein. „Die intensive und systematische
Auseinandersetzung mit Fragen der Berufs- und Studienwahl im Berufswahlunterricht und die daraus
resultierende Erkenntnis, daß eine rationale Berufswahlentscheidung eine umfassende und vielfach
anstrengende Informationssuche und -verarbeitung voraussetzt, hat zu einer Verunsicherung geführt
(‚Ich bin noch nicht hinreichend informiert‘), die nicht negativ bewertet werden muß. Im Gegenteil:
Wenn das Hinauszögern - im Unterschied zum ‚Vor-sich-Herschieben‘ - der Entscheidung dazu
genutzt wird, die Entscheidungsgrundlagen zu optimieren (Verbreiterung der Informationsbasis über
sich und die beruflichen Alternativen), dann kann von ‚produktiver Verunsicherung‘ gesprochen
werden, die letztlich eine höhere Rationalität in der Entscheidung ermöglicht. Unentschiedenheit muß
somit nicht notwendigerweise problematisch sein, wie auch umgekehrt Entschlossenheit nicht ohne
weiteres positiv zu sehen ist.“ (Ermert/Friedrich 1990, 33)
Für die Lernenden darf kein Zwang zur Berufswahlentscheidung eingeführt werden, aber das
Drängen auf die Ausprägung der Entscheidungsfähigkeit ist angesichts der Situation am Beschäfti-
gungsmarkt unbedingt notwendig, damit die „erste Schwelle“ zum Beruf überwunden wird. Es sollte
die Aufgabe der Lehrenden in Kooperation mit der Berufsberatung sein, die Schülerinnen und
Schüler mit dem Eintritt in das Fachgymnasium nach ihrem aktuellen Stand im Berufswahlprozess
einzuordnen, damit das Berufsvorbildungsinstrumentarium gezielt eingesetzt werden kann.
Der zweite Bereich der Berufsvorbildung, die Auseinandersetzung mit der Arbeits- und Berufs-
welt, sollte ebenfalls bereits in den „Zubringerschulen“ begonnnen haben. Diese Kenntnisse müssen
94
im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - am Beispiel von kaufmännisch-verwaltenden Ausbil-
dungs- und Studienberufen erweitert werden. Die Offenlegung der Strukturen von unterschiedlichen
Berufsbildern fördert gleichzeitig die individuelle Berufswahlkompetenz. Diese sollte ebenfalls in
einen schülerdifferenzierenden Unterricht erfolgen. Dabei haben die Lehrenden darauf zu achten,
dass die Lernenden das Berufswahlproblem immer mehr individualisieren und dass die Lernenden eine
eigenständig gesteuerte Handlungsaktivität entwickeln. Denn nur diese wirkt sich positiv auf die
Persönlichkeitsentwicklung aus (siehe auch Abschnitt 3.1). Wenn es gelänge, exemplarisch am
Einzelberuf das Berufsübergreifende zu vermitteln, könnte sich bei den Lernenden die erforderliche
Berufsvorbildung entwickeln. Im Gegensatz zur Berufsfeldsystematisierung (siehe auch Abschnitt
5.1.2) könnte der kategoriale Ansatz der ökonomischen Bildung, der im folgenden Unterkapitel (siehe
4.3) weitergehend beschrieben wird, für die inhaltliche Konkretisierung einen Ausgangspunkt bilden.
Mit Bezug auf die zweite Frage, ob der berufsvorbildende Unterricht schulorganisatorisch
integrativ oder in einem Fach/Kurs erfolgen sollte, werden in der wissenschaftlichen Literatur und in
der Schulpraxis unterschiedliche Standpunkte vertreten. Die von Ermert/Friedrich für die allgemein-
bildenden Gymnasien vorgeschlagenen Sonderkurse zum Berufswahlunterricht „ohne direkten Bezug
zu Schulfächern“ (vgl. 1990 25 ff.) können den oben beschriebenen umfassenden inhaltlichen
Anspruch nicht verwirklichen und verstoßen auch gegen das im Abschnitt 4.1.2 beschriebene und zu
realisierende Bildungsverständnis. Für die allgemeinbildenden Gymnasien mag ein Sonderkurs in
Berufswahlvorbereitung durchaus zu besseren Ergebnissen als die Anbindung an die Fächer/Kurse
Erdkunde, Geschichte und Philosophie geführt haben (vgl. ebd., 42), doch spätestens wenn die
Verknüpfung mit Themen aus der kaufmännisch-verwaltenden Arbeits- und Berufswelt angestrebt
wird, muss der Ansatz von Ermert/Friedrich das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - in die
Profillosigkeit führen, da die Unterrichtsinhalte zu weit auseinander liegen.
Um im Fachgymnasium die Durchführung einer für die Lernenden wirksamen Berufsvorbildung zu
gewährleisten, sollte die Vermittlung der Kenntnisse über das Berufswahlverhalten und die Arbeits-
und Berufswelt integrativ erfolgen (siehe auch Unterabschnitt 4.2.2.1) und eine klare fachliche
Zuordnung im „berufsbezogenen“ Bereich erhalten. Generell scheint es aus schulpraktischer Sicht
problematisch zu sein, wenn Berufsvorbildung nur zum Unterrichtsprinzip erhoben wird, da sich
besonders am Fachgymnasium zeigen lässt, dass, wenn etwas zum pädagogischen Prinzip erhoben
wird, die unterrichtliche Umsetzung von den Lehrenden nicht mehr konkretisiert wird. So soll der
aktuelle Unterricht im Fachgymnasium berufsbezogen sein, wird aber in seiner praktischen Umsetzung
beruflich gestaltet (siehe auch Unterkapitel 2.3). Es wird offensichtlich davon ausgegangen, dass die
Berufswahlkompetenz automatisch durch die ökonomischen Inhalte der sogenannten berufsbezogenen
Fächer vermittelt wird.
Die Berufswahlkompetenz kann aber im Fachgymnasium nur ausgeprägt werden, wenn Themenge-
biete der Berufsvorbildung im Lehrplan eines der „berufsbezogenen“ Kernfächer/-kurse, also im Fach
Wirtschaftstheorie und -politik oder Rechnungswesen, vorgeschrieben wird. Gegen die Fixierung in
den anderen Fächern/Kursen spricht, dass Bildung nur über relevante Inhalte transportiert werden
95
kann (siehe auch Abschnitt 4.1.2) und dass die Lernenden mit der Wahl des Fachgymnasiumstyps
bereits erste Interessen bzw. sogar ihre präzise Berufsrichtung bestimmt haben. Diese Interessen
sollten für die Motivation der Lernenden genutzt werden.
Das Fach, dem die Berufsvorbildung zugeordnet ist, kann die stärkere Individualisierung des
Berufswahlprozesses und die Vermittlung von Kenntnissen über die Arbeits- und Berufswelt nur
erreichen, wenn auch komplexe Lernarrangements zum Einsatz kommen. Aus der Geschichte der
Höheren Wirtschaftsschulen lässt sich erkennen, dass die Einrichtung von Übungskontoren den
praktischen Bezug der schulischen Ausbildung gewährleisten sollte (siehe auch Unterkapitel 2.1). Es
ist daher auch zu prüfen, ob Teilbereiche der Lernbüroarbeit eine sinnvolle Ergänzung des berufsvor-
bildenden Unterricht sein könnten. Insgesamt sollte der Unterricht darauf ausgerichtet sein, dass sich
die Lernenden darüber bewusst werden, ob sie zukünftig an den Arbeits- und Denkweisen in einer
kaufmännisch-verwaltenden Tätigkeit interessiert sind. Auch die nicht-berufsbezogenen Fächer, wie z.
B. Deutsch und Gemeinschaftskunde könnten dabei einen Beitrag zur Berufsvorbildung leisten. Hier
müsste jedoch themenspezifisch vorgegangen werden. So könnte z. B. die Entwicklung der Wirt-
schaftsformen (Handwerk, Verlagswesen, Manufakturen,...) in Gemeinschaftskunde vermittelt werden.
Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit der schulischen Organisation von Berufsvorbil-
dung stellt, ist die zeitliche Verteilung der berufsvorbildenden Maßnahmen. Die konkrete Problem-
stellung lautet: Soll der Unterricht über mehrere Schuljahre durchgehend oder nur episodenhaft
erfolgen? Die episodenhafte Vermittlung der Berufsvorbildung ist für das Fachgymnasium ungeeignet,
da der Berufswahlprozess begleitet (siehe auch Abschnitt 4.2.1 und 4.2.2.1) und durch die „berufsbe-
zogenen“ Fächer/Kurse unterstützt werden sollte. Die Anlehnung an den ökonomischen Bereich sollte
genutzt werden, um eine Zerstückelung des Berufsvorbildungsprozesses zu vermeiden. Das erfordert
eine konkrete Einbindung, d. h. einen detaillierten Ausweis im Lehrplan in einem der ökonomiebezo-
genen Fächer/Kurse. Bei der zeitlichen Verteilung der berufsvorbildenden Maßnahmen über den
dreijährigen Zeitraum muss berücksichtigt werden, dass die Bewerbungsfristen von den Unternehmen
in den letzten Jahren immer weiter vorverlegt wurden. Daher sollten die berufsvorbildenden Unter-
richtsmaßnahmen im 11. Jahrgang den größten Umfang einnehmen und mit dem Ende der 12.
Jahrgangsstufe weitgehend abgeschlossen sein. Auch diese Struktur erfordert eine unterrichtsunter-
stützende Ausgestaltung des Lehrplans, die über die Darstellung der Berufsvorbildung im Wirt-
schaft/Politik-Lehrplan der Realschulen hinausgeht und erst durch die Kooperation von Berufsvorbil-
dung mit ökonomischer Bildung erreicht werden kann (siehe auch Kapitel 4.3).
Es ist heute nicht mehr ausreichend, wenn in den Fachgymnasien eine größere Zahl von Lehrenden
unterrichtet, die auch im Berufsschulbereich tätig sind. Auch sollte man sich im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - nicht allzu sehr auf die berufspraktischen Kenntnisse der Lehrenden verlas-
sen, da sie, wenn überhaupt, ihre berufliche Ausbildung vor Jahrzehnten absolviert haben. Den
Lehrenden im Fachgymnasium sollte mit dem Lehrplan ein konkretes und systematisches berufsvor-
bildendes Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden. Ausgangspunkt für dessen Entwicklung
könnten die im vorherigen Unterabschnitt (siehe 4.2.2.1) beschriebenen Systematisierungen von
96
Dibbern (vgl. 1993, 78 ff.) und Ermert/Friedrich (vgl. 1990, 113 ff.) sein. Insgesamt sind die inhaltli-
che und schulorganisatorische Gestaltung der Berufsvorbildung so durchzuführen, dass eine sehr enge
Kooperation zwischen der Berufsvorbildung und dem ökonomiebezogenen Fach-
/Kursunterricht herbeigeführt wird.
Nach § 3 des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes müssen auch berufliche Schulen Schulentwick-
lung betreiben und daher auf ihre „Kunden“, die Lernenden, und Partner, die Unternehmen, zugehen
(vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
(1999 a). Das erfordert im Zusammenhang mit der unterrichtlichen Ausgestaltung der Berufsvorbil-
dung die Entwicklung eines Schulethos, das immer wieder die Praxis in die Schule holt, sich also um
den zweiten Kernbereich, die Realkontakte, bemüht. Wie bereits im Unterkapitel 2.1 beschrieben
wurde, „lebten“ die ersten Wirtschaftsschulen durch die Einrichtung eines Übungskontors und von den
guten Kontakten zur Kaufmannschaft.
Wenn über die Inhalte einer „berufsbezogenen“ Bildung nachgedacht wird, dann muss auch die
mögliche Einbindung eines Lernbüros analysiert werden. Der Unterricht im Lernbüro könnte sich
besonders durch die Verbesserung der Arbeitstugenden positiv auf die Entwicklung der Persönlich-
keitsbildung auswirken. Da der heutige Unterricht in Lernbüros aber meistens dazu genutzt werden,
berufliche Tätigkeitsabläufe zu wiederholen und zu automatisieren, nähern sie sich der Vermittlung
einer berufspraktischen Bildung und sind dann abzulehnen. Das „Kopieren“ von betrieblichen
Abläufen sollte immer dann vermieden werden, wenn die kaufmännisch-verwaltende Arbeits- und
Berufswelt die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten auch vermitteln kann.
Letztlich ist die Frage der Einführung von Lernbüros ein methodisch-inhaltliches Problem, dessen
Analyse nicht das Ziel dieser Arbeit ist.
In früheren Zeiten bestand ein engerer Kontakt zu den Kaufleuten der Umgebung. Daher war es für die
Schulen auch nicht schwer, Praktiker zu Referaten und Diskussionen einzuladen. Von der
Wiederaufnahme dieser Tradition könnten auch die Berufsschulen profitieren. Sie würden auf längere
Sicht gesehen die Chance erhalten, sich zu einem beruflichen Kommunikations- und Weiterbildungs-
zentrum zu entwickeln. Berufsvorbildender Unterricht im Fachgymnasium sollte mit zeitlich abge-
stimmten Vortragsreihen zu Themen aus Wirtschaft und Wirtschaftspolitik einhergehen. Es wäre die
Aufgabe der Mitglieder der Schulleitung und besonders der Oberstufenleiter und -leiterinnen,
Kontakte aufzubauen und in Abstimmung mit den jeweiligen Fachlehrern und -lehrerinnen die
Realkontakte zeitlich zu fixieren.
Daneben sollten Präsentationen von Unternehmen in den berufsbildenden Schulen durchgeführt
werden. Hier wäre der methodische Ansatz des Beschäftigungsbasars ein geeignetes Instrument, d. h.,
Berufsschüler und -schülerinnen der eigenen Schule stellen ihre Unternehmen mit Produkten und
Ausbildungsmöglichkeiten in jeweils einem dafür eigenständig gestalteten Klassenraum vor.
97
Auch mit den Hochschulen sollten Realkontakte angestrebt bzw. intensiviert werden. So wie
besonders die Fachhochschulen in den letzten Jahren die Lernenden verstärkt zu Einführungsveran-
staltungen einladen, so könnten auch die Lehrenden des Fachgymnasiums Vertreter von relevanten
Hochschulstudiengängen einladen. Da einige Fachgymnasien mit wirtschaftlichem Zweig in der Nähe
von Hochschulstandorten liegen, wäre auch generell die Frage, ob man z. B. aus den Wirtschaftswis-
senschaften nicht einmal Vorträge zu aktuellen Zeitfragen hören könnte. Wie die teilweise recht
intensiven Bemühungen der allgemeinbildenden Gymnasien zeigen, sind die privaten und staatlichen
Institutionen durchaus zur Zusammenarbeit bereit. Diese Formen der Kooperation sind im berufsbil-
denden Bereich in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt worden und sollten von den beruflichen
Schulen „wiederbelebt“ werden.
Neben der Öffnung der Fachgymnasien zu Wirtschaft, Hochschulen und Politik sollten die Lernen-
den den Kontakt zu den Unternehmen suchen, damit ihre Chancen am Arbeitsmarkt steigen und sie
das Verhalten von Unternehmen besser verstehen. Diese Form der Kooperation zwischen Unterneh-
men und Fachgymnasien könnte durch Betriebserkundungen und die Einführung von Betriebs-
praktika herbeigeführt werden. Davon würden nicht nur die Lernenden profitieren, sondern auch die
Unternehmen könnten sich einen Überblick über die Leistungen der Fachgymnasien und ihrer
Lernenden verschaffen und evtl. eine Vorauswahl für die Vergabe von Ausbildungsplätzen treffen.
Um die Anbindung der Fachgymnasien an die Berufsschulen hervorzuheben, sollte auch über die
Möglichkeit nachgedacht werden, dass Berufsschüler und -schülerinnen mit Lernenden des Fachgym-
nasiums Betreuungspatenschaften eingehen, die sich bis in ein Betriebspraktikum im Unternehmen
der jeweiligen Berufsschüler und -schülerinnen fortsetzen könnten.
Dass die Anforderungen an die Erkundungen und Praktika in den Lehrplänen sehr genau definiert
werden müssten, beweist die immer wieder auftauchende und auch berechtigte Kritik an diesem
methodischen Instrumentarium (vgl. Klippert 1992, 5, Platte 1981 104 ff.). Ermert/Friedrich und
Koch-Doetsch weisen hierbei zurecht darauf hin, dass die didaktisch-methodische Ausrichtung der
gymnasialen Betriebspraktika eine andere ist als die in den Realschulen. (vgl. Ermert/Friedrich 1990,
48 f. und Koch-Doetsch 1990, 20 f.)
Ermert/Friedrich geben zu bedenken: „Fraglich ist dagegen, ob ein Praktikum einen Beitrag zur
Berufswahlvorbereitung leisten kann, die als Problem für die Schüler in der gymnasialen Oberstufe
zunehmend an Gewicht gewinnt. Hinsichtlich des berufsorientierenden Aspekts im engeren Sinne
müssen erhebliche Einschränkungen gemacht werden: Da der Schüler nicht über die mit einer
bestimmten Berufstätigkeit verbundenen Qualifikationsanforderungen verfügt, müssen sich seine
Tätigkeiten im Praktikum durchweg auf Bereiche mit geringem Anforderungsniveau konzentrieren.
Diese Tätigkeiten ‚am Rand von Berufen‘ (Lange/Neuser, 1985, 5. 382) lassen kaum Schlußfolgerun-
gen auf das Aufgaben- und Qualifikationsspektrum von Berufen zu, die in den Wunschbereich der
Abiturienten fallen. Auch bei Abiturienten, die nach der Schule in das duale System wechseln und sich
dabei auf kaufmännisch-verwaltende Berufe konzentrieren, sind diese Berufe nicht durch elementare
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Tätigkeiten (z. B. Ablage) in ihrem Kern erfahrbar.
Hinzu kommt, daß die Tätigkeiten unter betriebsspezifischen bzw. arbeitsplatzspezifischen Aspekten
gesehen werden, was bedeutet, daß der gleiche Beruf in einem anderen Betrieb oder an einem anderen
Arbeitsplatz unterschiedliche Tätigkeiten aufweist und damit das Praktikum andere Eindrücke
vermitteln kann. Darüber hinaus kann z. B. auch die Zufälligkeit der Sozialkontakte im Praktikums-
betrieb dazu führen, daß ein und derselbe Beruf von Praktikanten sehr unterschiedlich wahrgenommen
wird.“ (Ermert/Friedrich 1990, 49)
Trotz der berechtigten wissenschaftlichen Kritik muss berücksichtigt werden, dass nach neueren
empirischen Untersuchungen Betriebspraktika von Lernenden grundsätzlich positiv bewertet werden,
sofern sie mit einer intensiven Vor- und Nachbereitung sowie Betreuung einhergehen. (vgl. Kleffner u.
a. 1996, 12 ff., Beinke 1999 b, 88 ff. und Beinke/Richter/Schuld 1996, 83 ff.). Ein immer wieder
diskutiertes Problem ist die Frage, ob z. B. Praktika bei Rechtsanwälten und Zahnärzten sinnvoll sind.
Es ist unbestritten, dass die Tätigkeiten in Rechtsanwaltskanzleien dem kaufmännisch-verwaltenden
Bereich zugeordnet werden können. Für die Fachgymnasiasten dürfte es im Betriebspraktikum aber
kaum möglich sein, Tätigkeiten dieses Berufes auszuüben. Andererseits ist jedoch eine Mitarbeit im
Büro der Anwaltskanzlei durchaus denkbar und könnte in einer frühen Phase der Berufswahlkompe-
tenzentwicklung durchaus für die Persönlichkeitsentwicklung und die Ausprägung von Arbeitstugen-
den hilfreich sein. Gleiches gilt für die Praktika bei Zahnärzten. Hier muss jedoch zusätzlich berück-
sichtigt werden, dass dieser Beruf nicht aus dem kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld stammt.
Gleichwohl sollten auch diese Praktika zugelassen werden, da mit dem Abschluss des Fachgymnasi-
ums - wirtschaftlicher Zweig - die Allgemeine Hochschulreife erworben wird und daher durchaus auch
Zahnmedizin studiert werden kann. Die Zahl derer, die nach dem Abschluss des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - nicht im kaufmännisch-verwaltenden Bereich tätig werden, ist nach meinen
Erfahrungen nicht unerheblich. Insgesamt betrachtet sollte die wissenschaftliche Forschung über die
Leistungsfähigkeit von Betriebspraktika in der gymnasialen Oberstufe intensiviert werden.
Neben der grundsätzlichen Diskussion über Betriebspraktika ist auch deren zeitliche Umsetzung
strittig. Einwöchige Praktika haben den Vorteil, dass die ohnehin kurze Schulzeit nicht lange
unterbrochen wird. Für mehrwöchige Zeiträume spricht, dass die Schülerinnen und Schüler die
Unternehmen und die Berufstätigkeit besser kennen lernen und auch kleinere betriebliche Aufgaben
übernehmen können, die über Ablagetätigkeiten hinausgehen. Für das Fachgymnasium sollte darüber
nachgedacht werden, ob nicht ein Teil des Praktikums z. B. in die Sommerferien gelegt werden
könnte. Da in der Urlaubszeit in den Unternehmen häufig Personal fehlt, könnten die Jugendlichen
vielleicht eher reale Arbeitsbedingungen erleben. Voraussetzung für diese Vorgehensweise wäre aber,
dass die Lehrerinnen und Lehrer im Fachgymnasium die Arbeitsbedingungen in den entsprechenden
Unternehmen realistisch einschätzen können, damit die Praktika nicht nur Berufstätigkeit sind.
Insgesamt besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass Praktika nur einen positiven Beitrag zur
Berufvorbildung leisten, wenn von den Lehrenden auch eine umfassende Auswertung und Nachberei-
tung durchgeführt wird (vgl. z. B. Beinke 1999, 88 ff.).
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Das Ziel der Praktika ist nicht, die Lernenden in einen bestimmten Beruf zu führen, sondern die
Berufsfindung und Persönlichkeitsbildung zu unterstützen. Daher sollten bei berufswahlkompetente-
ren Lernenden, also im 12. und 13. Jahrgang, die Betriebserkundungen in den Vordergrund treten.
(vgl. Ermert/Friedrich 1990, 49 f.) Hierbei sollte besonders über eintägige Betriebsbesuche in nach
Interessengebieten geteilten Kleingruppen nachgedacht werden. Auch diese Veranstaltungen bedürfen
einer gründlichen Vor- und Nachbereitung, damit sie nicht zum Betriebstourismus verkommen.
Insgesamt sollte die Kooperation zwischen den Fachgymnasien und den Unternehmen sowie
Hochschulen intensiviert werden.
Der dritte Kernbereich, die Zusammenarbeit mit der Berufsberatung der Arbeitsämter, sollte
vollkommen neu durchdacht werden. Aus eigenen mehrjährigen Unterrichtserfahrungen im Fachgym-
nasium - wirtschaftlicher Zweig - ist mir immer wieder deutlich geworden, dass die einmalige
Doppelstunde „Berufsberatung“ in einem dreijährigen Schulzeitraum den Problemen, die bei der
Berufsfindung auftreten, nicht gerecht werden kann. Insgesamt findet die Zusammenarbeit von
Fachgymnasium und Berufsberatung auf sehr allgemeiner und verwaltungstechnischer Ebene statt. Es
ist vielfach so, dass die Lehrenden die Berufsberater und -beraterinnen allein in den Unterricht gehen
lassen und anschließend auch kein Austausch über die weitere berufsvorbildende Vorgehensweise
erfolgt. In der der Berufsberatung zur Verfügung stehenden Doppelstunde erfolgt allenfalls eine
strukturierte Beschreibung des deutschen Ausbildungssystems, und die Lernenden sind anschließend
häufig von der Berufsberatung enttäuscht.
Diese Darstellungen stehen im Widerspruch zu den von der Arbeitsamtsverwaltung selbst durchge-
führten Befragungen von Ratsuchenden. Die Befragungen bescheinigen der Berufsberatung eine hohe
Effektivität und geben gleichzeitig den Hinweis, dass die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen
Oberstufe von den Lehrerinnen und Lehrern eine höhere Kompetenz in Fragen der Arbeits- und
Berufswelt erwarten (vgl. Cohrs, u. a. 1996, 8 ff.). Da die Lehrenden aber nicht die Kompetenz der
Berufsberatung erreichen können, muss darüber nachgedacht werden, wie insgesamt die Beratung
verbessert werden könnte. Auch hier sollte das sporadische Zusammentreffen von Schule und
Berufsberatung zu einer sehr engen Kooperation ausgebaut werden, die im Lehrplan für die Lehren-
den genau definiert und praxisnah zu beschreiben wäre. Denn wie bereits oben erwähnt, nützen
Unterrichtsprinzipien oder Erlasse nur etwas, wenn ihre unterrichtliche Umsetzung im groben Rahmen
festgelegt und hilfreich beschrieben wird.
Was die Berufsberatung in jedem Fall für die Lernenden und für die Lehrenden zu Beginn des 11.
Schuljahres durchführen sollte, ist eine individuelle, aber standardisierte Analyse der Ausprägung der
individuellen Berufswahlkompetenz des Lernenden (entsprechend Unterkapitel 4.2.1), die um einen
schriftlich fixierten Maßnahmenkatalog zur Kompetenzverbesserung ergänzt wird. Dieser Bericht
sollte in seiner standardisierten Form zwischen einem Arzt-Bericht (ausführliche schriftliche Situati-
onsbeschreibung) und einem TÜV-Bericht (Ankreuzbogen) liegen. Die Ergebnisse sollten im
Dreiergespräch (Lernende, Berufsberatung und Lehrende) diskutiert werden, und erst dann sollten die
Lehrenden mit Unterstützung der Berufsberatung den Berufsvorbildungsunterricht im Rahmen des
100
ökonomiebezogenen Faches planen. Bei der Anbahnung von Realkontakten sollte die Berufsberatung
die Lehrenden unterstützen und bei jedem Lernenden nach ca. einem Schuljahr eine weitere Analyse
der Berufswahlkompetenz in Abstimmung mit den Lernenden und Lehrenden vornehmen. Diese
relativ restriktiven Vorschläge sind vor dem Hintergrund von empirischen Untersuchungen durchaus
notwendig. Denn wie festgestellt wurde, sind knapp 37 % der Gymnasiasten kurz vor dem Schulende
noch nicht auf einen Ausbildungsgang festgelegt. Dass hierbei der Anteil bei den Jungen höher als bei
den Mädchen ist, dürfte daran liegen, dass die Jungen aufgrund ihres Wehr- oder Zivildienstes die
Berufswahlentscheidung noch weiter hinaus schieben. (vgl. Cohrs, u. a. 1996, 4 ff.)
Insgesamt sollte die Berufsberatung den Lehrenden ihre beraterische Kompetenz und besonders
psychologischen Kenntnisse zur Verfügung stellen, damit eine individuelle Beratung und auch
Unterstützung des Lernprozesses erfolgen kann. Es ist heute nicht mehr ausreichend, wenn die
Berufsberatung nur die Strukturen des Ausbildungssystems beschreibt oder eine individuelle Beratung
im Arbeitsamt durchführt. Die Erkenntnisse über individuelle Probleme sollten auch mit der Schule
soweit ausgetauscht werden, wie sie den Lehrenden für die Unterrichtsplanung nützlich sind. Hier
sollte die Berufsberatung die Lehrenden auch auf die von der Bundesanstalt für Arbeit entwickelten
Materialien und besonders deren methodisch reflektierten Einsatz hinweisen. Wenn das Beratungs-
konzept sich nicht stärker mit psychologischen und methodischen Fragen auseinandersetzt, dann
könnte es langfristig in seiner jetzigen Form auch abgeschafft werden, da die Aufgabe auch von den
Lehrenden oder vom Computer wahrgenommen werden könnte. Für den TÜV-Bericht ist eine
Mängelliste sicherlich ausreichend, aber von einem guten Arzt erwartet man neben der Anamnese und
Katamnese besonders einen Therapievorschlag und dessen Realisierung. So wie beim Arzt der Erfolg
einer Therapie auch vom Patienten abhängt, so sind es im Fachgymnasium auch die Lernenden und
besonders die Lehrenden, die die theoretischen Ergebnisse praktisch umsetzen müssen.
Die primäre Aufgabe der Berufsvorbildung im Fachgymnasium ist, die Berufswahlkompetenz der
Lernenden zu fördern. Dieses sollte dadurch geschehen, dass die Lernenden über die Berufsvorbildung
ihre Persönlichkeit weiterentwickeln und durch die Vermittlung von Kenntnissen über die Arbeits-
und Berufswelt Wissen erwerben, das sie für die Berufswahl und in wirtschaftsbezogenen
Lebenssituationen verwerten können. Weil der bisherige Unterricht der Realschülerinnen und
Realschüler so angelegt ist, dass praktisch verwertbare Kenntnisse (früher Realien genannt) im
Vordergrund stehen, eignet sich das Fachgymnasium zur Weiterführung dieses Bildungsansatzes.
Dabei muss der kaufmännisch-verwaltende Berufsbereich als „Fundgrube“ für eine praxisbezogene
Unterrichtsgestaltung dienen.
Wenn die Berufsvorbildung ein „tragender Baustein“ des Fachgymnasiums sein soll, dann muss die
schultypische Enge, die durch die Spaltung von Allgemein- und Berufsbildung entstanden ist,
verlassen werden. Es macht nur Sinn, das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - neben der
Berufsoberschule - Wirtschaft - und dem allgemeinbildenden Gymnasium mit dem Leistungskurs
Wirtschaft/Politik zu erhalten, wenn es seine Anbindung an die berufsbildenden Schulen zum
101
Erkenntnisgewinn für die Lernenden einsetzt.
Ausgangspunkt für die Entwicklung von lehrplanrelevanten fachgymnasialen Strukturen der
Berufsvorbildung sind drei Kernbereiche:
• Der berufsvorbildende Schulunterricht sollte im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - im
ökonomiebezogenen Fach/Kurs erfolgen. Dabei scheint eine Abspaltung vom Wirtschaftsunter-
richt wenig sinnvoll.
• Die Realkontakte lassen sich in zwei Unterbereiche systematisieren. Üblicherweise werden unter
Realkontakten Betriebserkundungen und -praktika verstanden, die zur Berufsvorbildung der Ler-
nenden nur einen positiven Beitrag leisten können, wenn man sich auch ihrer Nachteile bewusst
ist. Realkontakte umfassen aber mehr als nur „Unternehmensbesuche“. In der Veranstaltung von
Diskussionen und Vortragsreihen haben die kaufmännischen Schulen eine lange Tradition, die
wiederbelebt werden sollte (siehe auch Unterkapitel 2.1). In diesem Bereich steckt auch das größte
Entwicklungspotential für die kaufmännisch-verwaltenden Berufsschulen zu beruflichen Kommu-
nikations- und Weiterbildungszentren.
• Der dritte Kernbereich befasst sich mit der Einbindung der Berufsberatung der Arbeitsämter. Nur
wenn es gelingt, das episodenhafte Beratungskonzept durch Integration in den fachgymnasialen
Unterricht zu einem begleitenden Betreuungskonzept (siehe auch Abschnitt 2.2.3) zu entwickeln,
können die Lernenden die notwendige Berufswahlkompetenz entwickeln.
Von einer systematischen und effektiven Berufsvorbildung kann erst gesprochen werden, wenn die
Unterrichtseinheiten, Realbegegnungen und Maßnahmen der Berufsberatung inhaltlich und zeitlich
aufeinander abgestimmt gestaltet werden.
Auf die in der Überschrift zum Unterkapitel 4.2 gestellte Frage, ob die Berufsvorbildung eine
Berufs- oder Berufswahl-Vorbereitung ist, sollte grundsätzlich der zuletzt genannten Ausrichtung der
Vorzug gegeben werden. Wenn Berufsvorbereitung als Vermittlung von allgemeinen Kenntnissen
über die kaufmännisch-verwaltende Arbeits- und Berufswelt sowie die Entwicklung von Arbeitstu-
genden verstanden wird, dann ist diese Art der Berufsvorbereitung auch Berufsvorbildung und damit
im Unterricht des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - zu berücksichtigen.
102
4.3 Die ökonomische Bildung - Fachwissenschaften oder Wirtschaftspraxis
Im Folgenden werden die Analysen der beiden vorherigen Unterkapitel zu den Inhalten einer
ökonomischen Bildung weiter konkretisiert und gleichzeitig zum Abschluss gebracht. Wie bereits im
Unterkapitel 2.1 an der historischen Entwicklung des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig -
gezeigt wurde, bestanden im Laufe der Jahrzehnte unterschiedliche Vorstellungen über die inhaltli-
chen Schwerpunkte einer ökonomischen Bildung. Diese wurden entscheidend durch die Veränderun-
gen in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, durch die Entwicklungen in der Arbeits- und
Berufswelt sowie in den Wirtschaftswissenschaften bestimmt. Als Bremse im Wandel, aber auch als
ruhender Pol in turbulenten Zeiten wirkte stets die ausgeprägte Bindung an die kaufmännische
Tradition.
Ausgangspunkt für die Entwicklung einer neuen Wirtschaftsbildung im Fachgymnasium - wirt-
schaftlicher Zweig - sind die im dritten Kapitel beschriebenen Ziele, die bei den Lernenden erreicht
werden sollen. Auf der einen Seite ist es die Steigerung und Erweiterung der Persönlichkeitsbildung
und auf der anderen Seite soll ein Denken und Handeln in komplexen ökonomischen Systemen
erreicht werden. Für die unterrichtliche Verwirklichung dieser Ziele müssen die beiden primär
betroffenen Disziplinen, die Pädagogik und die Wirtschaftswissenschaften unter fachdidaktischen
Gesichtspunkten tiefergehend analysiert werden. Dabei taucht für die Fachdidaktik „Wirtschaft“
zunächst das Problem der doppelten Anbindung auf.
Die Wortzusammensetzung „Fach-Didaktik“ lässt die Schwierigkeiten erahnen. Da die beiden Pole,
zwischen denen die Fachdidaktik angesiedelt ist, nicht eindeutig definiert sind, hat zwangsläufig auch
die Wirtschaftsdidaktik des Fachgymnasiums ein „Lokalisierungsproblem“ (Kaminski 1990, 255). Im
kaufmännischen Schulbereich wurde Fachdidaktik häufig auf die Darstellung von Fachwissenschafts-
und Berufsfragen verkürzt interpretiert. Im letzten Jahrzehnt hat sich eine Gegenbewegung gebildet,
die den Schwerpunkt auf pädagogische und dabei besonders auf methodische Problemstellungen legt.
Diese in beiden Fällen einseitige Betrachtungsweise der Wirtschaftsdidaktik führt zu einem falschen
Verständnis von ökonomischer Bildung. Fachdidaktik ist „keine bloße Anwendungslehre für ein Fach,
sondern hat sich eigenständig zu entwickeln“ (Kaminski 1990, 256), und zwar unter Bezugnahme auf
beide Pole. Wilfried Schneider hebt die Vermittlungsfunktion der Fachdidaktik ausdrücklich hervor,
indem er darauf hinweist, dass sie weder unter der Fachwissenschaft noch unter der allgemeinen
Didaktik eingeordnet werden sollte, sondern ihrerseits beide Disziplinen auf einer höheren Ebene
miteinander verknüpfen muss (vgl. 1996, 423 ff.). Die fachdidaktische Fragestellung ist komplexer als
eine fachwissenschaftliche oder pädagogische, weil sie vom Lehrenden auf der einen Seite ein
„Verständnis“ für die Lernenden und auf der anderen Seite die Vermittlung einer „angemessenen“
Fachwissenschaft, Berufs- und Wirtschaftspraxis verlangt (vgl. Kaminski 1999, 191 ff.). Es besteht
weder ein Über-/Unterordnungsverhältnis noch eine Ableitungs-/Anwendungsbeziehung. Die
103
Fachdidaktik liegt an der Schnittstelle zwischen dem pädagogischen und fachlichen Bezugsbereich.
(vgl. Gagel 1990, 188 ff.)
Für die weiteren Darstellungen ist eine kurze Beschreibung der hier verwendeten Pädagogik- und
Didaktikbegriffe erforderlich. Didaktik, ein Wort griechischen Ursprungs, wird meist mit „Lehrkunst“
übersetzt. Klafki definiert den Begriff jedoch weiter „als übergreifende Bezeichnung für erziehungs-
wissenschaftliche Forschung, Theorie- und Konzeptbildung im Hinblick auf alle Formen intentionaler
(zielgerichteter), systematisch vorbedachter ‚Lehre‘ (im weitesten Sinne von reflektierter Lern-Hilfe)
und auf das im Zusammenhang mit solcher ‚Lehre‘ sich vollziehende Lernen“ (1993, 91). Daher wird
in dieser Arbeit Didaktik auf das Lernen und Lehren im Unterricht bezogen. Hierzu zählen auch
die Intentionen, Themen und Methoden. (vgl. Jongebloed/Twardy 1983, 174). Die allgemeine
Didaktik als Teilbereich der Pädagogik beschäftigt sich mit der Frage, „was so bedeutsam ist, daß es
mitgeteilt werden muß und wie es mitgeteilt werden kann“ (Hilligen 1985, 41). Ohne die Anbindung
im jeweiligen Bezugsbereich steht die allgemeine Didaktik aber immer in der Gefahr, „nichts über
alles“ (Hilligen 1985, 41) auszusagen.
Pädagogik leitet sich aus dem griechischen Wort „pais“ (Knabe/Kind) und „ago“ (ich führe) ab.
Heute wird Pädagogik häufig mit dem Begriff der Erziehungswissenschaft gleichgesetzt (vgl. Glöckel
1996, 324 ff.). In dieser Arbeit wird Pädagogik als Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung
verstanden. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen die Erkenntnisse der Lern- und Entwicklungs-
psychologie, die zunächst in Beziehung zu den Individuen gesetzt werden. In der Didaktik wird dieser
Bereich meist nur verkürzt dargestellt und ein Schwerpunkt auf stoffliche sowie methodische
Problemstellungen gelegt.
Die wirtschaftliche/ökonomische Bildung ist Forschungsgegenstand von verschiedenen Disziplinen
der Pädagogik. Generell ist zunächst zwischen der Wirtschaftspädagogik und -didaktik zu
unterscheiden. Daneben wird wirtschaftliche/ökonomische Bildung auch in der Berufspädagogik und
Arbeitslehre behandelt. Der Forschungsschwerpunkt der Wirtschafts- und Berufspädagogik liegt auf
dem Gebiet der wirtschaftsberuflichen Aus- und Weiterbildung, während die Wirtschaftsdidaktik
meist nur den allgemeinbildenden Schulbereich erfasst. In der Arbeitslehre wird ökonomische Bildung
überwiegend in einer Anwendungsbeziehung zu technischen und hauswirtschaftlichen Problemstel-
lungen des Sekundarbereichs I gesehen. Weil das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sowohl
mit den allgemein- als auch mit den berufsbildenden Schulen verbunden ist (siehe auch Unterkapitel
2.2), werden in dieser Arbeit die Bereiche der wissenschaftlichen Wirtschaftsdidaktik und -pädagogik
zusammengefasst und die anderen o. g. Disziplinen vernachlässigt.
Die fachgymnasiale Fachdidaktik Wirtschaft, also die Wirtschaftsdidaktik und -pädagogik, sollte
auf der einen Seite die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Pädagogik und auf der anderen Seite die
der Wirtschaftswissenschaften für die Steigerung und Erweiterung der Persönlichkeitsbildung sowie
der Bildung im ökonomischen Bereich nutzen. Durch das Unterkapitel 3.2 sollte deutlich geworden
sein, dass der ausschließliche Bezug auf die traditionelle Volks- und Betriebswirtschaftslehre als Kern
der Wirtschaftswissenschaften zu kurz greift. Im Folgenden wird daher dem Begriff der ökonomi-
104
schen Bildung der Vorzug gegeben, weil dieser nicht durch ein festes, traditionell vorbestimmtes
Wirtschaftsverständnis die unterrichtliche Umsetzung behindert. Damit trägt der Begriff „Ökonomie“
zur Ablösung von den „klassischen“ wirtschaftswissenschaftlichen Strukturen der Volks- und
Betriebswirtschaftslehre bei, die sich durch eine ausgeprägte Differenzierung und Teilbetrachtungen
auszeichnen und daher im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - keine Berechtigung haben.
Die im vorherigen Unterkapitel behandelte Berufsvorbildung des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher
Zweig - liegt an der Nahtstelle zwischen dem pädagogischen und ökonomischen Bereich (siehe auch
Abschnitt 4.2.2). Da der Teil der Berufswahlvorbereitung einen stärkeren Bezug zur Persönlichkeits-
bildung aufweist, wird er dem pädagogischen Bezugsbereich zugeordnet. Der Teil der Vermittlung
von Grundlagen über die kaufmännisch-verwaltende Arbeits- und Berufswelt sollte im ökonomischen
Bezugsbereich angesiedelt werden. Die Abbildung 6 stellt diese Zusammenhänge nochmals grafisch
dar.
Abbildung 6: Wirtschaftsdidaktische Fundierung
Fachgymnasiale
Ziele Persönlichkeitsbildung Ökonomische Bildung
Wirtschaftsdidakti-
sche Fundierung
Pädagogik,
Berufswahlvorbereitung
Wirtschaftswissenschaften,
Arbeits- und Berufswelt
Das im Unterkapitel 3.1 beschriebene Ziel der Persönlichkeitsbildung sollte aus den Erkenntnissen der
Pädagogik und der Berufswahlvorbereitung abgeleitet werden. Das im Unterkapitel 3.2 entwickelte
fachgymnasiale Ziel der Bildung in komplexen ökonomischen Systemen wird durch die Wirtschafts-
wissenschaften sowie die Berufsvorbildung in der kaufmännisch-verwaltenden Arbeits- und Berufs-
welt näher bestimmt. Da eine Trennung der beiden berufsvorbildenden Teilbereiche im Fachgymnasi-
um - wirtschaftlicher Zweig - nicht immer möglich und sinnvoll ist, sollte die zusammenhängende
Betrachtung über den profilbildenden ökonomischen Bereich erfolgen (siehe auch Abschnitt 4.2.2).
4.3.1 Die Erziehungstheorie als Basisstruktur
Die Entwicklung eines fachgymnasialen Bildungsansatzes erfordert eine noch tiefergehende Analyse
der fachdidaktischen Problemstellung. Wolfgang Klafki, der einen weiten Begriff von allgemeiner
Didaktik verwendet, diesen aber auch von der Fachdidaktik trennt, macht deutlich, dass sowohl die
allgemeine als auch jede Fachdidaktik in eine erziehungstheoretische und eine erziehungsprakti-
sche Ebene unterteilt werden kann (vgl. 1995, 94 f.). Auf der erziehungstheoretischen Ebene der
Fachdidaktik wird das Lehren und Lernen überwiegend unter wissenschaftlichen Aspekten
105
beschrieben, während die erziehungspraktische Ebene, auf der Erziehungstheorie aufbauend, die
Umsetzung von Unterricht in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt. Für beide Ebenen be-
schreibt Wolfgang Klafki fünf Problemstellungen, die zu klären sind:
„1) die Frage nach den Zielsetzungen des Lehrens und Lernens;
2) die Frage nach der an solchen Zielsetzungen orientierten Auswahl der Inhalte bzw. Themen des
Unterrichts;
3) die Frage nach den Organisationsformen, den Methoden bzw. Verfahren und den intendierten
Prozessen des Lehrens und Lernens (einschließlich der sog. Sozialformen des Unterrichts); in der
deutschen Pädagogik wird dieser Bereich meistens mit dem Begriff ‚Methodik’ bezeichnet (Klafki
1976, S. 13 ff.),
4) die Frage der Medien des Lehrens und Lernens, vom Schulbuch bis zum Computerprogramm, von
der Landkarte bis zum Film, vom physikalischen Veranschaulichungsmodell bis zur Recht-
schreibkartei usf.;
5) die Frage nach den Formen, in denen Lernergebnisse und Lernformen der Schülerinnen und
Schüler überprüft und beurteilt werden.“ (1995, 94 f.)
Bernhard Nibbrig gelingt es in sehr prägnanter Form, die Aussagen von Klafki in drei Problembe-
reiche der Wirtschaftsdidaktik zu gliedern:
• „die Ziel-Inhaltsproblematik,
• die Methodenproblematik,
• die Kontrollproblematik.“ (1983, 226 f.)
Hierdurch führt er die Aufgaben der Wirtschaftsdidaktik auf die wesentlichen Elemente zurück. Eine
tiefergehende Auffächerung und Systematisierung der Bereiche können aber sowohl durch Klafkis als
auch durch Nibbrigs Darstellungen nur schwer erreicht werden, da u. a. die Ableitung von ökonomi-
schen Themenbereichen nicht problematisiert wird.
Hans Kaminski, der sich tiefergehend mit der Beziehung von Wirtschaftsdidaktik, Wissenschaft
und Allgemeiner Didaktik auseinander setzt, unterscheidet fünf Ebenen. „Fachdidaktik beschäf-
tigt sich
- mit der Zielbestimmung, Inhaltsauswahl, mit Organisations- und Vollzugsformen unterrichtlichen
Lehrens und Lernens in einem Fach/einem Lernbereich.
- mit der Analyse ablaufender bzw. möglicher Lehr- und Lernvorgänge
- mit der Analyse und Reflexion der gesellschaftlichen Voraussetzungen und Wirkungen des
Faches/Lernbereiches und Stellung des Faches/Lernbereiches im Gesamtzusammenhang von
Schule
- mit der Analyse und Reflexion historischer Bedingungen des Schulfaches bzw. Lernbereiches
- mit der Bestimmung des Verhältnisses von Schulfach oder Lernbereich zu möglichen korrespon-
dierenden Fachwissenschaften/Bezugswissenschaften.“ (1990, 256)
106
Während Klafki und Nibbrig die Verbindung von Unterrichtstheorie und -praxis in den Mittelpunkt
ihrer Analysen stellen, legt Kaminski den Schwerpunkt seiner Betrachtung auf die Beziehung von
Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Obwohl Kaminskis Darstellungen für die Entwicklung einer
Fachdidaktik konkreter sind, weisen sie auch den Nachteil auf, dass die allgemeine Didaktik mit der
Fachdidaktik unmittelbar vermischt bzw. die allgemeine Didaktik in dieser Aufzählung teilweise
ausgeklammert wird. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Systematik der Aufzählung. Sie sollte so
verändert werden, dass der letzte Gliederungspunkt in Kaminskis Reihenfolge mindestens den zweiten
Platz einnimmt, damit sich gemessen an der Zielsetzung dieser Arbeit die Komplexität bei der Suche
nach einer fachgymnasialen Fachdidaktik auf den Bereich der Ökonomie reduzieren lässt.
Rolf Dubs erweitert das beschriebene fachdidaktische Verständnis um neuere Erkenntnisse aus dem
pädagogisch-psychologischen Bildungsbereich (siehe auch Abschnitt 4.1.2): „In einer Fachdidaktik
wird aber nicht die Fachwissenschaft zum leitenden Prinzip, sonst kommt es zu pädagogischen
Verkürzungen. Eine Fachdidaktik muß auf dem pädagogischen Inhaltswissen aufbauen ..., das sich aus
vier Wissensbereichen zusammensetzt, die miteinander vernetzt sind.“ (1996 b, 57) Die vier Bereiche
sind:
• Wissen über das Vorwissen und den Erfahrungsbereich der Lernenden,
• Wissen über das Lernen und Lehren,
• Wissen in den entsprechenden Fachwissenschaften,
• Wissen über die gesellschaftlichen und didaktischen Rahmenbedingungen.
Dubs hebt in seinem Ansatz deutlich hervor, dass eine Fachdidaktik zunächst über die pädagogi-
sche Seite aufzubauen ist, da die Lernenden und nicht die Fachwissenschaften den Unterricht in
Schulen bestimmen. (vgl. ebd. 52 ff.)
Ausgehend von Klafkis und Dubs Ansätzen kann die Wirtschaftsdidaktik des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - durch ein vierfaches Beziehungssystem beschrieben werden. Die
Abbildung 7 verdeutlicht das Paradigma der vierfachen Anbindung der Wirtschaftsdidaktik. Zum
einen verknüpft Wirtschaftsdidaktik die Fachwissenschaften und die kaufmännisch-verwaltende
Berufsvorbildung mit dem pädagogisch-didaktischen Bereich. Diese Beziehung wurde im Unterkapitel
4.3 durch die Abbildung 6 dargestellt. Zum anderen kann eine erziehungstheoretische von einer
erziehungspraktischen Ebene unterschieden werden.
107
Abbildung 7: Paradigma der vierfachen Anbindung der Wirtschaftsdidaktik
Ziele fach-
gymnasialer
Wirtschafts-
didaktik
Pädagogischer Bezugsbereich
Ökonomischer Bezugsbereich
Wissenschaften
Erziehungs-
theoretische Ebene
Was ist Persönlichkeitsbildung?
• Pädagogik,
• Berufswahlvorbereitung
Was ist ökonomische Bildung?
• Wirtschaftswissenschaften,
• Arbeits- und Berufswelt
Curriculare Vorstrukturen
Erziehungs-
praktische Ebene
Wie wird die Persönlichkeitsent-
wicklung verbessert?
Wie werden ökonomische Themen
systematisiert?
Unterrichtspraxis
Von den fachgymnasialen Zielen ausgehend, bezieht sich die erziehungstheoretische Ebene auf die
betreffenden Wissenschaftsdisziplinen (allgemeine Pädagogik und Didaktik sowie Wirtschaftswissen-
schaft und Berufsvorbildung). Da auch die Wirtschaftsdidaktik die Lernenden in den Mittelpunkt
der Bertachtungen stellen muss, ist der Ausgangspunkt für alle Überlegungen auf der erzie-
hungstheoretischen Ebene der pädagogische Bezugsbereich. Aus der erziehungstheoretischen
Ebene sollten sich curriculare Vorstrukturen entwickeln lassen, die eine Anknüpfung an die erzie-
hungspraktische Ebene und damit letztlich die unterrichtliche Umsetzung der fachgymnasialen Ziele
ermöglichen.
Die Trennung zwischen Erziehungstheorie und -praxis spiegelt sich auch in der erziehungswissen-
schaftlichen Lehre wieder. Die geistes- und gesellschaftswissenschaftlich Forschenden, die den
Schwerpunkt in der erziehungswissenschaftlichen Theorienbildung setzen, suchen nach Axiomen, die
durch Logik und Erkenntnisse die Fachdidaktik vorantreiben sollen. Anders dagegen die Empiriker,
die den Schwerpunkt in der erziehungswissenschaftlichen Praxis sehen und vorwiegend Ansätze aus
den Naturwissenschaften verwenden. Sie gehen davon aus, dass Fachdidaktik nur über die Analyse
von praktischem Unterricht weiterentwickelt werden kann. Der Kluft zwischen verstehenden Geistes-
und erklärenden Naturwissenschaften wird in dieser Arbeit dadurch überbrückt, dass in den folgenden
Ausführungen im methodologischen Vorgehen eine aufeinander aufbauende Abfolge der beiden
Ansätze beschrieben wird (vgl. Hilligen 1985, 75 ff.). Hierdurch sollen die wesentlichen Elemente der
erziehungstheoretischen und -praktischen Ebene hervorgehoben werden, um eine Beziehung zwischen
der Wissenschafts-, Lehrplan- und Unterrichtsebene aufbauen zu können.
Auf erziehungstheoretischer Ebene gilt es, die Kernbereiche der persönlichen und der ökonomi-
schen Bildung zu bestimmen. Wirtschaftsdidaktik muss festlegen, welche grundlegenden Kenntnisse,
Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den Lernenden zu entwickeln sind. Wie aus der Lernpsychologie 108
bekannt ist, versucht der Mensch seine Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen zu ordnen, damit er
die Menge des auf ihn einwirkenden Wissens verarbeiten kann (siehe auch Abschnitt 4.1.2). Aristote-
les entwickelte zehn klassifizierende Begriffe für alle Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen. Diese
klassifizierenden Begriffe werden auch Kategorien genannt. Kant machte deutlich, dass sich die
Bedingungen für das Erkennen und Lernen weitestgehend gleichen und daher erkenntnistheoretisch
wie lernpsychologisch eine ähnliche Funktion besitzen. Auf der einen Seite wird in der Wissenschafts-
theorie und der fachwissenschaftlichen Forschung versucht, die Wirklichkeit unter einem bestimmten
Erkenntnisinteresse zu benennen und zu ordnen, um daran Untersuchungen vorzunehmen. Auf der
anderen Seite erhalten Lernende durch Kategorien die Möglichkeit, die im Abschnitt 4.1.2 beschriebe-
nen kognitiven Strukturen aufzubauen. (vgl. Hilligen 1985, 88 ff.)
Erich Dauenhauer macht am Beispiel der Beziehung von Wirtschaftsdidaktik und Wirtschafts-
wissenschaft deutlich, dass wesentliche Unterschiede zwischen fachwissenschaftlichen und fachdi-
daktischen Strukturen bestehen. Er greift das Problem der Strukturiertheit und Stofffülle im Unter-
richtsfach Wirtschaft auf und beschreibt zwei Lösungsansätze (vgl. 1978, 77 f.):
• Bei der systematischen - oder auch fachwissenschaftlichen - Ableitung des Bildenden werden
Stoffstrukturen nach entsprechenden Gruppenüberschriften stofflogisch zu einem Ganzen geglie-
dert. Systematische Stoffstrukturen sind ein Gefüge von Teilen oder die innere Ordnung eines
Ganzen. In der Pädagogik treten sie häufig als „die Lehre vom Elementaren“ (Dauenhauer 1994,
30) oder im Lernen von Systematiken auf. Daran schließt sich wegen der Stofffülle häufig eine
Reduzierung der Stoffstrukturen durch Modellvereinfachungen an. Ist das Stoffgebiet immer noch
zu umfangreich, werden weitere Teile herausgenommen. Für den Lernenden ergibt sich dabei aber
nur ein vereinfachtes, unvollständiges und häufig auch irreführendes Abbild der „Welt“.
• Bei einer auswählenden - oder auch fachdidaktischen - Ableitung werden Stoffstrukturen so
erstellt, dass sie exemplarisch einen größeren Teil der Inhalte vertretend darstellen können, also
„Metacharakter“ (Dauenhauer 1978, 67) haben. „In Stoffkategorien wird das Typische mehrerer
Inhalte“ (ebd., 67) dargestellt. „Sie sind Leitziele für die Orientierung des Unterrichts auf die
bildenden Grundstrukturen von Wirtschaft und Entscheidungshilfen für die Auswahl von geeigne-
ten Inhalten, an denen diese Grundstrukturen erkannt werden können“ (Kruber 1997, 71). Katego-
riale Verfahren sind also mit der Suche nach Konstanten im Objektbereich verbunden. Eine Kate-
gorie ist ein repräsentatives Kernwissen, das auf wenige Strukturen reduziert ist (vgl. Dauen-
hauer 1994, 13). „Die didaktische Grundfunktion der Kategorien besteht ... darin, eine Brücke zu
schlagen zwischen den konkreten Gegenständen, den Inhalten und Themen des Unterrichts einer-
seits und den grundlegenden Prinzipien der [eigene Ergänzung: Wirtschaft und] Politik anderer-
seits“ (Ackermann 1994, 73). Diese Aufgabe müssen Kategorien sowohl im ökonomischen als
auch im pädagogischen Bezugsbereich übernehmen.
Auch systematische Strukturen basieren auf Kategorien. Sie ergeben sich aus dem Zusammenwirken
von Annahmen und Erfahrungen. (vgl. Dauenhauer 1994, 30) Fachwissenschaftliche Strukturen heben
109
im Unterschied zu Kategorien mehr auf die Gliederung der Objekte ab, wobei aber auch hier bereits
„das Beziehungsgefüge zwischen dem Ordnungsprinzip und den Objekten“ (ebd., 30) berücksichtigt
wird.
Ein weiterer Unterschied zwischen didaktischen Kategorien und fachwissenschaftlichen Strukturen
besteht darin, dass sie eine unterschiedliche Absicht verfolgen: Der Wirtschaftswissenschaftler
untersucht Bereiche und Probleme der Ökonomie „an der Grenze von Wissen und Nichtwissen; hierzu
muß er sich auf Teilprobleme spezialisieren, diese isolieren und begrifflich fassen, möglichst im
Zusammenhang mit der umfassenden fachsystematischen Begrifflichkeit. Dabei entstehen in wissen-
schaftlicher Lehre Probleme mit dem Umfang des Mitteilungsnotwendigen. Didaktiker und Lehrende
stehen vor der Frage: Welche Ergebnisse der Sozialwissenschaften sollen in welchem Zusammenhang
mitgeteilt werden, damit Lernende qualifiziert werden zur Bewältigung (d. h. zum Erkennen,
Beurteilen, Handeln) von Situationen, die für ein menschenwürdiges Überleben und Zusammenleben
bedeutsam sind? Kurz: Fachwissenschaftliche Strukturen orientieren sich an wissenschaftlichen
Problemversionen; didaktische an lebensweltlichen Problemversionen“ (Hilligen 1988, 36).
Wolfgang Klafki weist darauf hin, dass nicht die Sachverhalte als solche, „sondern die an ihnen
oder in ihnen zu gewinnenden Struktureinsichten oder Gesetzeskenntnisse, die erfaßten Prinzipien
oder die erfahrenden Motive, die beherrschenden Methoden oder die verstandenen Fragerichtungen,
die angeeigneten Grundformen oder Kategorien“ (Klafki, zitiert nach Kaminski 1996, 34) bildend
sind. „Kategoriale Bildung meint das Sichtbarwerden von allgemeinen, kategorial erhellenden Inhalten
auf der objektiven Seite und das Aufgehen allgemeiner Einsichten, Erlebnisse, Erfahrungen auf der
Seite des Subjekts. Anders formuliert: Das Sichtbarwerden von ‚allgemeinen‘ Inhalten, von kategoria-
len Prinzipien im paradigmatischen ‚Stoff‘, also auf der Seite der ‚Wirklichkeit‘, ist nichts anderes als
das Gewinnen von ‚Kategorien‘ auf der Seite des Subjekts“ (Klafki 1993, 144).
Der ökonomische Bezugsbereich ist nicht immer durch eindeutige oder lineare Gesetzmäßigkeiten
bestimmt, wie dies häufig in den Formal- oder Naturwissenschaften der Fall ist. Daher ist es auch für
konkrete Darstellungen im ökonomischen Bereich problematisch, die Zusammenhänge in Begriffen zu
beschreiben oder die Bezeichnungen „Kategorie“ und „Begriff“ gleichzusetzen. Dies wird bereits
deutlich, wenn wir das Wort „Arbeitslosigkeit“ betrachten. Als Wirtschaftsbegriff ist es sicher ein
wichtiger Ausdruck, der sich unter der Überschrift „Erwerbstätigkeit“ einordnen ließe und eine sehr
große aktuelle Bedeutung hat. Als Kategorie wird Arbeitslosigkeit nach der hier vertretenen Auffas-
sung nicht bezeichnet, da Arbeitslosigkeit nur eine Zustandsbeschreibung ist und das Ergebnis von
abgelaufenen, elementaren Wirtschaftsprozessen darstellt. In den beiden folgenden Unterabschnitten
sollen diese elementaren Bausteine unter Berücksichtigung der im dritten Kapitel definierten fach-
gymnasialen Ziele bestimmt werden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die Entwicklung einer fachgymnasialen Wirtschaftsdidak-
tik neben dem pädagogischen und ökonomischen Bezugsbereich eine erziehungstheoretische und -
praktische Ebene zu unterscheiden sind. Die erziehungstheoretische Ebene steht beim Fachgymnasium
110
- wirtschaftlicher Zweig - in enger Beziehung zu den Wirtschaftswissenschaften sowie zur Berufsvor-
bildung im kaufmännisch-verwaltenden Bereich und sollte zum Aufbau curricularer Vorstrukturen
führen.
Für die Suche nach relevanten Bildungsinhalten des pädagogischen und ökonomischen Bezugsbe-
reichs sollten Kategorien gebildet werden, die eine Ausgewogenheit bei der Berücksichtigung der
wirtschaftswissenschaftlichen und kaufmännisch-verwaltenden sowie der pädagogisch-didaktischen
Teildisziplinen zeigen. Wegen der Komplexität des ökonomischen und pädagogischen Bezugsbereichs
erscheint es sinnvoller, die fachgymnasialen Kategorien für beide Gebiete getrennt zu bestimmen.
Ausgangspunkt ist der pädagogische Bezugsbereich. Auf der erziehungstheoretischen Ebene aufbau-
end, werden anschließend auf der erziehungspraktischen Ebene Vorstrukturen für den praktischen
Unterricht entwickelt.
4.3.1.1 Pädagogischer Bezugsbereich
Der pädagogische Bezugsbereich sollte neben der allgemeinen Didaktik die neueren Entwicklungen in
der pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens berücksichtigen, wie sie im Abschnitt 4.1.2
und z. B. bei Dubs (1995) sowie Mietzel (1998) beschrieben wurden. Es ist heute nicht mehr ausrei-
chend, wenn in der Wirtschaftsdidaktik versucht wird, die in der Allgemeinen Didaktik entwickelten
Lehr- und Lernformen auf ökonomische Stoffgebiete zu übertragen. Wirtschaftsdidaktik muss daneben
mindestens auch die lernwirksamsten Methoden für den Ökonomieunterricht bestimmen. „Zwischen
Allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik besteht das Verhältnis der Partnerschaft, nicht der bloßen
Anwendung; die Fachdidaktik kann auf allgemein-didaktische Kategorien und Prinzipien zurückgrei-
fen und sie erproben und durch ihre Ergebnisse die Allgemeine Didaktik ‚rückwirkend modifizieren
und bereichern’“ (Dauenhauer 1969, 53).
„Die Notwendigkeit einer übergreifenden pädagogischen Zielkategorie bzw. eines Kategoriengefü-
ges erweist sich auch daran, daß in manchen neueren pädagogischen bzw. didaktischen Konzepten
zwar auf den Bildungsbegriff verzichtet wird, aber nicht im Sinne einer gleichsam ‚ersatzlosen‘
Streichung, sondern so, daß an seine Stelle, aber in analoger Funktion, andere Zentralbegriffe treten.
Kategorien wie ‚Emanzipation‘ oder ‚Selbst- und Mitbestimmungsfähigkeit‘, ‚autonome Handlungs-
fähigkeit‘ u. ä. - im Sinne allgemeinster Prinzipien für pädagogische Zielbestimmungen verwendet -
sollen strukturell genau das gleiche leisten wie die Kategorie ‚Bildung‘: Sie bezeichnen zentrierende,
übergeordnete Orientierungs- und Beurteilungsmaßstäbe für die Vielzahl pädagogischer bzw.
didaktischer Einzelplanungen und -maßnahmen“ (Klafki 1993, 95). Der Bildungsbegriff lässt sich
damit in anzustrebenden Persönlichkeitsmerkmalen des Lernenden weiter konkretisieren (vgl.
Kruber 1994, 46).
Wolfgang Klafki beschreibt in seiner allgemeinen Didaktik drei Persönlichkeitsmerkmale. „Bildung
111
muß in diesem Sinne zentral als Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsfähigkeit des einzelnen und
als Solidaritätsfähigkeit verstanden werden:
- als Fähigkeit zur Selbstbestimmung über die je eigenen, persönlichen Lebensbeziehungen und
Sinndeutungen zwischenmenschlicher‚ beruflicher, religiöser Art;
- als Mitbestimmungsfähigkeit, insofern jeder Anspruch, Möglichkeit und Verantwortung für die
Gestaltung unserer gemeinsamen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse hat;
- als Solidaritätsfähigkeit, insofern der eigene Anspruch auf Selbst- und Mitbestimmung nur
gerechtfertigt werden kann, wenn er nicht nur mit der Anerkennung, sondern mit dem Einsatz für
diejenigen verbunden ist, denen eben solche Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Grund
gesellschaftlicher Verhältnisse, Unterprivilegierung, politischer Einschränkungen oder Unterdrü-
ckungen vorenthalten oder begrenzt werden.“ (Klafki 1993, 97 f)
Hans-Jürgen Albers wählt für den allgemeinen sozio-ökonomisch-technischen Bereich eine
ähnliche Systematik, die hier kurz weitergehend beschrieben wird, weil sie näher am wirtschaftsdidak-
tischen Bereich angesiedelt ist und konkreter auf die Probleme des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher
Zweig - an der Gelenkstelle zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem eingeht. Albers sieht als
grundlegendes Ziel der Pädagogik, durch Erziehung die Entwicklung eines Menschen zu einer
selbständigen Persönlichkeit positiv anzuregen. Positiv meint hier, dass sich neben der individuel-
len auch eine soziale Identität bilden sollte, die Klafki durch den Solidaritätsbegriff abdeckt. (vgl.
Albers 1987, 201 f.) Aus Albers Analyse des Bildungsbegriffes, der Zielvorstellungen und der
Aussagen über den Persönlichkeitsbegriff ergeben sich für ihn drei bedeutende Verhaltenskategorien
des Persönlichkeitsverständnisses: „Tüchtigkeit, Autonomie und Verantwortung“. (ebd., 189)
Tüchtigkeit bezieht sich nicht nur auf berufliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern
auch auf die Fähigkeit, private Angelegenheiten „sachgerecht anzugehen und - auf der Basis ausrei-
chender Kenntnisse und Informationen - in gesellschaftlich und politisch wichtigen Fragen mitzuspre-
chen und ggf. mitzuwirken“ (ebd., 190). Da eine ausschließliche Festlegung auf Tüchtigkeit zu einem
individuellen Anpassungsdruck auf gesellschaftliche Situationen führt, bedarf es eines Gegengewich-
tes.
Die Erziehung zur Autonomie zielt auf Selbstständigkeit und Eigenständigkeit z. B. gegenüber
Anpassungszwängen im Beschäftigungssystem. Gleiches gilt für Situationen im privaten und
gesellschaftlichen Bereich. Häufig wurden in der Allgemeinen Didaktik hierfür auch die Begriffe
„Emanzipation“ und „Mündigkeit“ verwendet, die meist mehr auf eine Abkehr und Veränderung vom
bestehenden System zielen. Autonomie meint positiv „ein Leben in und mit den Systemen ohne sich
darin zu verlieren“ (ebd., 193). „Autonomie sollte nicht als Befreiung von sozialer Verpflichtung
mißdeutet werden“ (ebd., 195).
Daher ist als dritte Kategorie die Verantwortung gegenüber dem Eigenen und dem Anderen zu
berücksichtigen. Verantwortung besteht „vor bestimmten Instanzen (Sittengesetz, Gewissen, Gesell-
schaft, Gott) und ... für das eigene Denken, Wollen und Handeln“ (ebd., 196). Sie führt aber nur
umfassend zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit, wenn sie von Handeln begleitet wird. „Bildung
112
ist der Zustand, in dem man Verantwortung übernehmen kann“ (Weniger, zitiert nach Albers 1987,
196). Nicht selten wird im ökonomischen Bereich das rationale Handeln ohne ein kritisch reflektieren-
des Gegengewicht dargestellt.
Albers macht deutlich, dass erst das Zusammenspiel von Tüchtigkeit, Autonomie und Verant-
wortung eine gebildete Persönlichkeit ausmacht (vgl. ebd., 199). Dasselbe gilt auch für die drei von
Klafki bestimmten allgemeindidaktischen Grundfähigkeiten (vgl. 1993, 52). Sowohl Klafkis als auch
Albers’ Kategorien sind entsprechend unserem Verständnis von Kategorien (siehe Abschnitt 4.3.1)
eher auf wissenschaftlich abstraktem Niveau angesiedelt. Die Ableitung einer Bildung für das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - erfordert eine konkretere und detailliertere Durchdringung.
Sie sollten zu „Methodikkategorien“ weiterentwickelt werden. Unter „Methodik“ wird hier sowohl
der Lehr- als auch der Lernbereich verstanden. Die Lernenden sollen in die Lage versetzt werden,
an ihrer Persönlichkeitsentwicklung konstruktiv mitzuwirken, und die Lehrenden sollten für
diesen Prozess nur die effizientesten Methoden einsetzen und vermitteln.
Was Klafki bei der Entwicklung von Schlüsselproblemen beschreibt, muss auch in der Wirtschafts-
didaktik berücksichtigt werden: Bei der Auseinandersetzung mit ökonomischen Themen geht es „nicht
nur um die Erarbeitung jeweils problemspezifischer, struktureller Erkenntnisse, sondern auch um die
Aneignung von Einstellungen und Fähigkeiten, deren Bedeutung über den Bereich des jeweiligen
Schlüsselproblems hinausreicht.“ (ebd., 63) Wolfgang Klafki unterscheidet in seiner Allgemeinen
Didaktik vier Elemente, die sowohl inhalts- als auch kommunikationsbezogene Komponenten
besitzen:
• Kritikbereitschaft und -fähigkeit,
• Argumentationsbereitschaft und -fähigkeit,
• Empathie, d. h. die Fähigkeit sich in andere hinein zu versetzen,
• Zusammenhangsdenken. (vgl. ebd., 63).
Frank Achtenhagen nennt in ähnlicher Weise vier elementare Veränderungen, die für den Bereich
der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung an Bedeutung gewinnen könnten:
- „ein Denken in übergreifenden, komplexen Strukturen;
- ein breites Verständnis technischer, wirtschaftlicher und organisatorischer Zusammenhänge;
- kognitive Fähigkeiten wie problemlösendes Denken und Lernfähigkeit;
- soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit.“ (1996 a, 25)
Obwohl Achtenhagen seine Darstellungen ausschließlich auf den kaufmännischen Bereich bezieht,
werden dennoch Parallelen zu Klafkis allgemeindidaktischen Anforderungen deutlich. Sie beziehen
sich beide auf fachbereichsspezifische Strukturen und setzen inhaltliche Kenntnisse und Fähigkeiten
voraus. Die von Achtenhagen und Klafki beschriebenen Fähigkeiten haben einerseits den Vorteil, dass
sie nicht themengebunden zu vermitteln sind. Sie können aber andererseits auch nicht als rein formale
Funktionen interpretiert werden.
Die von den Lernenden des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - zu entwickelnden Kenntnis- 113
se, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einsichten und Werthaltungen sollten, entsprechend des in dieser Arbeit
verwendeten Bildungsbegriffes (siehe auch Unterkapitel 4.1), zwischen den von Achtenhagen und
Klafki beschriebenen Kategorien liegen. Doch würde eine solche Systematisierung auf einem Niveau
bleiben, wie wir es zum Teil von der Diskussion um die Schlüsselqualifikationen kennen, d. h., sie
würden für die unterrichtspraktische Umsetzung von geringem Nutzen sein.
Eine bessere Orientierungshilfe für den fachgymnasialen Unterricht liefert die Systematik von Rolf
Dubs, die auch die Erkenntnisse des pädagogischen Konstruktivismus berücksichtigt (siehe auch
Abschnitt 4.1.2). „Bislang versuchte man immer wieder, die Entwicklung der Wirtschaft zu prognosti-
zieren, um daraus Schlüsse über die beruflichen Anforderungen zu ziehen und die notwendigen
Qualifikationsanforderungen zu definieren. Heute weiß man, daß einem solchen Unterfangen enge
Grenzen gesetzt sind, weil die wirtschaftliche Entwicklung und künftige Qualifikationsanforderungen
kaum voraussagbar sind.“ (Dubs, 1998, 13)
In der Erkenntnis dieser Problematik entwickelt Dubs fünf pädagogische Prinzipien, die den
Lernenden in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen:
• selbstreguliertes Lernen,
• kollektives Lernen,
• handlungsorientiertes Lernen,
• metakognitives Lernen,
• Selbstevaluation. (vgl. ebd., 16 f.)
Während Klafki und Achtenhagen in jeweils vier Elementen beschreiben, was das Ergebnis des
Unterrichts sein sollte, versucht Dubs zu beschreiben, wie gelernt werden müsste, damit die Persön-
lichkeitsbildung des Individuums verbessert wird. Mit anderen Worten: Klafki und Achtenhagen
beschreiben Fähigkeiten, die sich beim Lernenden entwickeln sollen, während Dubs den Weg zu
diesen Fähigkeiten aus der Sicht der Lernenden darstellt. Die Pädagogik sollte sich intensiver der
Aufgabe zuwenden, die Interaktionen innerhalb der Lernenden und zwischen Lernenden und
Lehrenden zu analysieren und zu beschreiben. Sie sollte dagegen nicht so sehr Erziehungsziele in
der Form von allgemeinen Qualifikationen definieren. Diese liegen eine Stufe weiter weg vom
Unterricht und führen vermutlich nur über Umwege und Zufälle zu pädagogischen Kategorien der
Wirtschaftsdidaktik.
Mit der Fixierung von wirtschaftsdidaktischen und nicht wissenschaftlich oder wirtschaftsberuflich
orientierten Kategorien werden drei Ziele verfolgt:
• Sie haben zunächst die Aufgabe, die unterrichtliche Ausrichtung und die Themenbereiche des
Ökonomieunterrichts im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - einzugrenzen.
114
• Sie sollen aber auch zukünftigen Lehrplanentwicklerinnen und -entwicklern sowie allen Lehren-
den im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - die Möglichkeit geben, bildungsrelevante
Themen und Inhalte im Ökonomischen abzuleiten, zu überprüfen und mit adäquaten Unter-
richtsmethoden zu kombinieren.
• Die Kategorien sollen den Lernenden Zugangsweisen und Arbeitstechniken in konkreten
Problemstellungen vermitteln. Sie sollen gleichsam bei den Lernenden die im Abschnitt 4.1.2
beschriebenen elementaren Denkstrukturen am Ökonomischen entwickeln.
Wenn die Lernenden die Kategorien im Unterricht mehrfach erarbeitet und verarbeitet haben, sind sie
in den Lernenden zu sogenannten Bildungskategorien geworden. „Die Umsetzung von Stoffkatego-
rien in Bildungskategorien vollzieht sich in der Weise, daß die gewonnenen Grundeinsichten mit den
Schülern an immer neuen Unterrichtsstoffen erarbeitet, bestätigt und somit als für das wirtschaftliche
Geschehen typisch erkannt werden. Ein solchermaßen gesicherter Bestand an ökonomischen Grund-
einsichten soll dem Schüler schließlich das Verstehen anderer, ähnlicher Sachverhalte ermöglichen“
(May 1978, 72). Es ist lernpsychologisch nicht sinnvoll, die Kategorien den Lernenden zum Auswen-
diglernen vorzugeben, da sich hierdurch keine individuellen Bildungskategorien entwickeln können
und die Möglichkeit des Transfers in andere ökonomische Situationen meist nicht gegeben ist (vgl.
Mandl/Friedrich 1992, 20 ff.). Kategorien sind zu allgemein und „inhaltsschwer“, als dass sie
unmittelbar gelehrt werden können. Zu Bildungskategorien der Lernenden entwickeln sie sich
erst allmählich und durch wiederholte Herausarbeitung im Zusammenhang mit konkreten
Problemstellungen.
Wie in Abschnitt 4.1.2 dargestellt wurde, ist die strukturelle Einbettung des Gelernten entscheidend
für den Wissensaufbau und den Transfer. „Gelernt wird, wo aus einem Besonderen, in dem sich ein
Allgemeines repräsentiert, jenes Allgemeine bewußt gemacht und an neuen Situationen, Phänomenen,
Sachverhalten in einem Pulsschlag von Verallgemeinerung und Rekonkretisierung variiert wird“
(Hilligen 1988, 35). Die Bildungskategorien der Lernenden sind nichts anderes als kognitive
Strukturen, die sich auch als ein Gerüst von Begriffen und Strategien beschreiben lassen, das in
zukünftigen Situationen einsetzbar ist. Ein Vergleich der kategorialen Bildung mit den im Abschnitt
4.1.2 behandelten Erkenntnissen der Lernpsychologie zeigt, dass bei beiden die Transferfrage im
Mittelpunkt steht.
Bildungskategorien sind auch mit den im Abschnitt 4.1.2 beschriebenen metakognitiven Strukturen
zu vergleichen. Mit ihnen gelingt es, im Anschluss an Unterricht über Unterricht zu sprechen.
Hierdurch erhalten die Lernenden und Lehrenden die Möglichkeit, die erworbenen Kenntnisse,
Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einsichten und Werthaltungen zu beurteilen. Als praktische Hilfe für die
Lehrenden entwickelt Klaus-Peter Kruber „Leitfragen“ (1997, 71), mit denen der Unterricht auf das
Elementare reduziert werden kann. Für den allgemeindidaktischen Bereich beschreibt Kruber die
folgenden vier Leitfragen:
• „Handelt es sich um ein aktuelles Problem?
• Hat der Stoff Bezüge zur gegenwärtigen bzw. zukünftigen Lebenssituation der Lernenden
(subjektive Betroffenheit)?
• Eignet sich der Stoff zum Entscheidungstraining, d. h. handelt es sich um ein offenes Problem, das
verschiedene Lösungsmöglichkeiten zuläßt? 115
• Eignet sich der Stoff zum Erlernen von Verhaltensweisen in der Situation?“ (ebd., 72)
Kruber schlägt vor, dass diese Leitfragen in oder nach konkreten und unterschiedlichen Unterrichtssi-
tuationen mit den Lernenden immer wieder herausgearbeitet werden. In der Regel können sie nicht
alle auf jedes Unterrichtsthema bezogen werden oder in jeder Unterrichtsstunde „abgearbeitet“ (ebd.,
73) werden. Sie haben daher auch nicht den Charakter von Teillernzielen und sie sind nicht bei allen
Unterrichtsinhalten gleich bedeutsam. Kruber erachtet es auch als sinnvoll, wenn seine Leitfragen
ergänzt werden. (vgl. ebd., 73)
Obwohl Krubers Ansatz in den allgemeindidaktischen Leitfragen relativ offen ist, eignet er sich
nicht so sehr dafür, in den Lernenden die geforderten Strukturen zu entwickeln. Der Schwerpunkt
seiner Leitfragen zielt in erster Linie auf die methodische Umsetzung beim Lehrenden. Die „allge-
meindidaktischen Fragen ... sollen sicherstellen, daß Lernsituation und -motivation der Schülerinnen
und Schüler auch bei inhaltlichen Entscheidungen berücksichtigt werden“ (ebd., 72). Diese Bevorzu-
gung der Perspektive der Lehrenden bedarf aber unter pädagogischen Gesichtspunkten einer Ände-
rung. Sollen diese Leitfragen auch in den Lernenden ihre Wirksamkeit entfalten, so wäre eine
tiefergehende Konkretisierung für diesen Personenkreis erforderlich.
Alle neueren Erkenntnisse der Pädagogik gehen davon aus, dass Bildung in der Schule nur durch
aktives Lernen erreicht werden kann (vgl. Mietzel 1998, 17 ff.). Daher orientieren sich die folgenden
Leitfragen mehr an den von Rolf Dubs entwickelten und oben bereits dargestellten Kategorien. Aus
diesen werden fünf pädagogische Leitfragenbereiche abgeleitet, die die Lernenden verwenden sollten:
• Worin besteht das Problem?
• Welche Ziele werden angestrebt?
• Welche Ressourcen (Vorwissen, Materialien, Gruppenmitglieder, ...) sollte ich (als Schüler oder
Schülerin) zur Lösung des Problems nutzen?
• Welche Erkenntnisse habe ich neben der eigentlichen Lösung des Problems aus diesem Bereich
gewonnen? Auf welche anderen Probleme ist der Stoff übertragbar. Welche Konflikte tun sich
auf?
• Habe ich Neues (Inhalte oder Methoden) gelernt?
Diese Leitfragen orientieren sich vorrangig am Lernprozess der Lernenden. Sie geben aber auch
gleichzeitig Hinweise, wie die von Albers abgeleiteten Qualitäten der Persönlichkeitsentwicklung
(Tüchtigkeit, Autonomie und Verantwortung) in den Lernenden zu entwickeln sind. Sie beinhalten
aber bewusst nur indirekt methodische Hinweise für die Lehrenden und rücken damit den Lernenden
in das Zentrum der Betrachtungen.
Zusammenfassend ist auf erziehungstheoretischer Ebene für den pädagogischen Bezugsbereich des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - eine konkretere Beschreibung der Ziele zu fordern. Dafür
eignen sich besonders die von Dubs entwickelten Kategorien, da sie nicht die Lehrmethodik, sondern
116
die Lernenden und deren Lernmethodik in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen. Die Abbildung
8 stellt die von Dubs beschriebenen pädagogischen Kategorien (vgl. Dubs 1998, 16 f.) dar.
Abbildung 8: Pädagogische Kategorien
Pädagogische Kategorien
• selbstreguliertes Lernen,
• kollektives Lernen,
• handlungsorientiertes Lernen,
• metakognitives Lernen,
• Selbstevaluation. (vgl. Dubs 1998, 16 f.)
Damit sich die pädagogischen Kategorien in den Lernenden zu Bildungskategorien entfalten, sollten
Leitfragen eingesetzt werden (siehe Abbildung 9). Diese Leitfragen haben ihren Ausgangpunkt bei
den Lernenden und sollten von bzw. mit ihnen an immer neuen fachbezogenen Themen herausgearbei-
tet werden. Wenn dann zusätzlich die Lehrenden die Anteile ihres Frontalunterrichts reduzieren und
auf ein zügiges themenzentriertes Arbeiten drängen würden, könnten auch die von Albers beschriebe-
nen Arbeitstugenden („Tüchtigkeit, Autonomie und Verantwortung“) bei den Lernenden gesteigert
werden.
Abbildung 9: Pädagogische Leitfragen
Pädagogische Leitfragen
• Worin besteht das Problem?
• Welche Ziele werden angestrebt?
• Welche Ressourcen (Vorwissen, Materialien, Gruppenmitglieder, ...) sollte ich (als
Schüler oder Schülerin) zur Lösung des Problems nutzen?
• Welche Erkenntnisse habe ich neben der eigentlichen Lösung des Problems aus die-
sem Bereich gewonnen? Auf welche anderen Probleme ist der Stoff übertragbar. Wel-
che Konflikte tun sich auf?
• Habe ich Neues (Inhalte oder Methoden) gelernt?
4.3.1.2 Ökonomischer Bezugsbereich
Die Ableitung von Kategorien aus dem primären Bezugsbereich des Fachgymnasiums - wirtschaftli-
cher Zweig - beinhaltet zwei wesentliche Probleme:
117
• Zum einen ist es die Frage, wie umfassend der ökonomische Bezugsbereich definiert werden
muss, bevor hieraus Kategorien abgeleitet werden können. Wenn Ökonomie im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - mehr als nur Volks- und Betriebswirtschaftslehre ist, dann handelt es sich
um ein komplexes und vernetztes Problem.
• Zum anderen stellt sich die Frage, welches die „wahren“ Kategorien sind. Bekanntlich kommen
selbst Expertinnen und Experten bei der Auswahl zu unterschiedlichen Ergebnissen, weil jeder
einzelne die Wirklichkeit anders wahrnimmt und gewichtet (siehe auch Abschnitt 4.1.2).
Von diesen Problemen ausgehend, werden hier zunächst mehrere bereits vorhandene kategoriale
Modelle verglichen und analysiert. Im zweiten Schritt erfolgt dann die Entwicklung eines Ansatzes für
das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -. Im Zentrum der Betrachtungen stehen die kategorialen
wirtschaftsdidaktischen Beschreibungen von Erich Dauenhauer (1969, 1978 und 1997 b), Klaus-Peter
Kruber (1997), Hermann May (1978 und 1998) und Gerd Schweizer (1996).
Gerd Schweizer beklagt in seinem Aufsatz zu Recht, „daß der Anwendungsbezug in der Wirt-
schaftslehre bisher wenig systematisch-empirisch reflektiert wurde“ (1996, 47) und dass in der
derzeitigen Debatte um handlungsorientierte Lernkonzepte und Schlüsselqualifikationen die Diskussi-
on um Bildungsinhalte vernachlässigt wird. Sofern man sich dann dennoch mit Stoffkategorien der
Wirtschaftslehre beschäftigt, werden diese deduktiv vorgegeben. Schweizer dagegen versucht, diese
empirisch zu ermitteln, indem er Berichte aus Tageszeitungen auf wirtschaftliche Begriffe hin
analysiert. Daraus leitet er nach der Häufigkeit der Nennung Begriffe ab, die, um Strukturähnlichkei-
ten bereinigt, zu den folgenden zehn Kernkategorien zusammengefasst werden:
1. Lohn,
2. Steuer,
3. Unternehmen,
4. Umsatz,
5. Preis,
6. Markt,
7. Beschäftigung,
8. Zins,
9. Arbeitgeber und
10. EU. (vgl. ebd., 47 ff.)
Die Reihenfolge der Begriffe gibt gleichzeitig auch ihre Wichtigkeit an. Begriffe unterscheiden sich
bei Schweizer von Kernkategorien nur dadurch, dass diese Oberbegriffe sind. Damit erhalten
Kategorien eine reine Ordnungsfunktion, die in diesem Fall auch von zeitlichen „Modeerscheinungen“
abhängig sind. Denn unabhängig davon, ob Tageszeitungen, Fernsehsendungen oder andere allgemei-
ne Medien ausgewertet werden, tritt hier nicht das eigentlich Bildende, wie es bereits im Unterkapitel
4.1 beschrieben wurde, in den Vordergrund. Schweizer ermittelt mit seinem empirischen Ansatz keine
Kategorien, sondern beschreibt „konkrete Probleme“ (Hilligen 1985, 139), also „Phänomene“ (ebd.,
139), der aktuellen Situation im ökonomischen Bereich. Wirtschaftsdidaktische Kategorien sind aber
Vermittler zwischen wissenschaftlichen Systemkategorien und realtypischen Problemsituationen und
nicht nur aktuelle Konkretisierungen von Wirtschaft (vgl. ebd., 139). Damit handelt es sich weder um
wirtschaftswissenschaftliche noch um wirtschaftsdidaktische Kategorien. Für die Entwicklung von
118
Lehrplänen ist Schweizers Ansatz auch aus einem zweiten Grund ungeeignet: Wenn Unterrichtsstoffe
nur durch eine „Aktualitätenabfrage“ bestimmt werden, unterliegen Lehrpläne einer Revision in immer
kürzeren Zyklen.
Inhaltlich bleibt bei Schweizers Ansatz weitgehend unklar, warum z. B. die empirisch ermittelte
Kernkategorie „Lohn“ die häufigsten Nennungen hatte. So könnte dieses doch z. B. durch die in einem
Jahr vermehrt auftretenden Tarifverhandlungen erfolgt sein. Würde man Lohn als Kernbegriff
akzeptieren, dann stellt sich aber auch unter wirtschaftsdidaktischen Aspekten noch die Frage, was
diese Kategorie als besonders bildend auszeichnet und worin sich der Begriff „Lohn“ von den anderen
gefundenen Begriffen in seinem Kern unterscheidet, damit er zur Kategorie erhoben wird.
Erich Dauenhauer (1969, 1978, 1997 b) und Hermann May (1978, 1998) gehören zu den Wirt-
schaftsdidaktikern, die bereits in den sechziger (Dauenhauer) bzw. siebziger Jahren an den kategoria-
len Bildungsansatz von Wolfgang Klafki anknüpften und gegen Ende der neunziger Jahre Konzepte
für eine erweiterte kategoriale Wirtschaftsbildung veröffentlicht haben. In beiden Ansätzen ist die
Vorgehensweise deduktiv.
Hermann May beschrieb 1978 die folgenden 11 wirtschaftswissenschaftlichen Grundkategorien
(vgl., 55 ff.):
• Menschliches Handeln ist bedürfnisgetrieben,
• die Knappheit der Güter zwingt den Menschen zu wirtschaftlichem Handeln,
• wirtschaftliches Handeln ist konfliktgeprägt,
• entscheidungsbestimmt,
• risikobehaftet,
• nutzenorientiert,
• impliziert Arbeitsteilung,
• schafft Interdependenz,
• bedarf der Koordination,
• führt zu Ungleichheit,
• vollzieht sich in Kreislaufprozessen.
In dem von Hermann May 1998 veröffentlichen Buch zur Didaktik der ökonomischen Bildung werden
diese 11 Kategorien um die drei folgenden Kategorien erweitert (vgl., 8):
• Ungleichheit induziert Leistungsstreben,
• Fortschritt und Wohlstand; Wohlstand fundiert Freiheit und Macht,
• jeder ist sein eigener Unternehmer.
Während die ersten 11 ökonomischen Kategorien dem oben definierten Verständnis von Kategorien
entsprechen, handelt es sich bei den drei neu eingeführten Beschreibungen nicht um ökonomische
119
Stoffkategorien, sondern um subjektive Aussagen über evtl. eintretende bzw. wünschenswerte
gesellschaftliche Phänomene, die nicht das Typische des ökonomischen Bereichs darstellen.
Erich Dauenhauer beschrieb 1978 die 11 folgenden „Strukturen der wirtschaftskundlichen Inhalte“
(ebd., 68):
• Knappheit,
• Rationalität,
• Planung,
• Zielkonkurrenz und Entscheidung,
• Bedürfnisdruck,
• Dynamik,
• Rahmengebundenheit,
• Tausch und Kreislauf,
• Stufenmerkmal,
• Funktionalität sowie
• Abstraktheit. (vgl. ebd.,68 ff.)
In seiner in den neunziger Jahren veröffentlichten Weiterentwicklung fächert Dauenhauer (1997 b) die
von ihm ursprünglich entwickelten Wirtschaftskategorien auf. Er unterteilt die Wirtschaftskategorien
zunächst in Basis-, Zentral-, System-, und Regulationskategorien:
1. Bei den Basiskategorien handelt es sich um „fundierende Strukturmuster des Wirtschaftlichen“, die
„für das gesamte wirtschaftliche Strukturgerüst grundlegend und in allen Systemteilen allgegen-
wärtig“ (ebd., 47) sind. Hier werden neun Kategorien eingeordnet:
• Knappheit,
• Wertschätzung,
• Wertschöpfung,
• Arbeitsteilung,
• Effizienz,
• produktive Wertschöpfungsumwege,
• Sozialkapital,
• Vor-Sorge und
• Erwartung.
2. Wirtschaftliche Zentralkategorien sind „weniger im Fundament (wie ... die Basiskategorien) als
vielmehr in der darauf ruhenden ‚Statik’ des komplexen Wirtschaftsgebäudes zu suchen“ (ebd.,
65). Es sind 14 und nicht 15 Kategorien, da in der Tabelle das Kreuz für das Sozialkapital unter
den Zentralkategorien eingeordnet wurde (vgl. ebd., 23):
• Allokation,
• Gleichgewicht,
• Humankapital,
• Interdependenz,
• Kosten-Nutzen-Kalküle,
• Machtkonzentration,
• Maßstäblichkeit,
• Ordnung,
• Organisation,
• Sanktionen,
• Systemdynamik,
• Tauschparität,
• Wertvarianz und
• Zielkonflikt
3. Systemkategorien sollen zur Ordnung der „Binnengestalt“ (ebd., 78) des Gerüstes beitragen. Sie
können für den Wirtschaftsbereich in neun Punkten unterschieden werden:
120
• Autonomie,
• Eigennutz,
• Normsetzung,
• Nutzenoptimierung,
• Risikobehaftetheit,
• Systemreferenz,
• Systemverträglichkeit,
• Vernetzung und
• Wettbewerb.
4. Die Regulationskategorien bzw. Prozesskategorien beschreiben „Ablaufprozesse“ und dienen der
„Systemkontrolle“ (ebd., 92). Sie werden in 19 Kategorien aufgespalten:
• Anonymisierung,
• Effektenüberlagerung,
• Flexibilität,
• Gefälle,
• Gerechtigkeit,
• Gesellschaftsrahmen,
• Illusionsbildung,
• Information,
• Kostenverantwortung,
• Marktspiele,
• Medialisierung,
• Opportunität,
• Präferenz,
• Rechtssicherheit,
• Relationen,
• Transformation,
• Verteilungseffekte,
• Wirkungsverzögerung,
• Zyklus.
Bei einem Vergleich mit den 1978 veröffentlichten Kategorien fällt auf, dass die Kategorien durch
eine Strukturebene ergänzt wurden, an Umfang erheblich zugenommen haben und auch sehr umfas-
send erläutert werden. Diesen Vorteilen stehen aber zwei wesentliche Probleme gegenüber. Zum einen
sind einige der Unterkategorien an sehr allgemeinen Aussagen entwickelt worden, so dass sie den
Bezug zum Kern des Ökonomischen aufgegeben haben. Zum anderen ist ihre Umsetzung für die
Lernenden und Lehrenden in weite Ferne gerückt, da die Komplexität eine einfache „Sofortanalyse“
von Wirtschaftsthemen kaum ermöglicht.
Ein weiterer Kritikpunkt lässt sich in Anlehnung an Hilligen wie folgt erklären. Didaktische
Kategorien orientieren sich nicht zuerst an den Fachwissenschaften, sondern am Leben. „Dabei
fungieren diese Kategorien heuristisch, d. h. als Fragesätze, deren sachliche - meist hypothetische! -
Beantwortung, Bestätigung, Korrektur den genannten Fachwissenschaften unterliegt.“ (Hilligen 1985,
105) Sowohl die alten als auch die neuen Kategorien von Dauenhauer und May vernachlässigen diese
Forderungen. Aus der Sicht der Pädagogik kann aber Persönlichkeitsbildung nur erfahren werden,
wenn auch die Lernenden einen Bezug zu den Kategorien entwickeln. (siehe auch Unterabschnitt
4.3.1.1)
Klaus-Peter Kruber, der sich ausschließlich auf die von Dauenhauer und May in den sechziger
bzw. siebziger Jahren entwickelten kategorialen Ansätze bezieht, beschreibt 13 Stoffkategorien. Diese
121
entwickelt er deduktiv aus der Analyse von bedeutenden volkswirtschaftlichen Standardlehrbüchern
(vgl. 1997, 58).
„‚Wirtschaft’ kennzeichnen:
• Knappheit von Ressourcen im Verhältnis zu den Zielen (Bedürfnissen) der Menschen erfordert
Entscheidungen
• Dies erfordert Nutzen-Kosten-Überlegungen und Entscheidungen gemäß dem ökonomischen
Prinzip unter Risikobedingungen
• Wirtschaften vollzieht sich arbeitsteilig in spezialisierten Berufen, Betrieben
• Wirtschaftsprozesse bedürfen der Koordination, die in der Marktwirtschaft (überwiegend) über
Märkte im Wettbewerb erfolgt
• Wirtschaften vollzieht sich in Wirtschaftskreisläufen zwischen Haushalten, Unternehmen, Staat und
Ausland
• Wirtschaften ist mit Interdependenzen und oft mit Zielkonflikten verbunden
• Wirtschaftsprozesse vollziehen sich nicht gleichgewichtig (Strukturwandel, Gefahr von Instabilitä-
ten wie z. B. Beschäftigungs-, Geldwertschwankungen)
• Wirtschaften ist mit materiellen und sozialen Ungleichheiten und ökologischen Problemen
verbunden
• Dies erfordert Eingriffe des Staates in den Wirtschaftsablauf (Wirtschafts-, Sozialpolitik)
• Instabilitäten und wirtschaftspolitische Eingriffe berühren die Interessen sozialer Gruppen
unterschiedlich (Interessenkonflikte)
• Wirtschaftspolitische Entscheidungen berühren Werte wie Freiheit, soziale Gerechtigkeit und
Sicherheit und sind daher Gegenstand politischer Auseinandersetzungen;
• Wirtschaften erfolgt in einer Rahmenordnung aus rechtlichen, sozialen und anderen Institutionen
(Wirtschaftsordnung, Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft)
• Wirtschaftsordnung und -verfassung werden im demokratischen Staat gestaltet und legitimiert (->
Gegenstand der politischen Bildung i. e. S.).“ (ebd., 66 f.)
Zwischen den Wirtschaftskategorien von Kruber und den in den siebziger Jahren entwickelten
Ansätzen von Dauenhauer und May bestehen weitgehende Übereinstimmungen. Im Gegensatz zu
diesen geht Kruber mehr auf den Prozess des Wirtschaftens ein und berücksichtigt zusätzlich die
wirtschaftspolitische und die ethische Dimension der Ökonomie. Kruber gelingt es damit im Vergleich
zu den beiden anderen Arbeiten im besonderen Maße, Stoffkategorien zu entwickeln, die nicht
ausschließlich fachwissenschaftlich orientiert sind.
Während Krubers Kategorien an wirtschaftsdidaktischen Erfordernissen ausgerichtet sind, haben
Dauenhauers Kategorien häufig den Charakter von allgemeinen Aussagen und sind durch wirtschafts-
fachsystematische Strukturen geprägt. Sie entsprechen daher nicht den von Dauenhauer 1978 selbst
definierten und bereits in Abschnitt 4.3.1 beschriebenen Anforderungen. Die von Dauenhauer und
122
May in den neunziger Jahren entwickelten Kategorien unterstützen eine fachwissenschaftliche/-
systematische bzw. sogar philosophische Stoffausrichtung.
Für das Ziel dieser Arbeit, eine fachgymnasiale ökonomische Bildung abzuleiten, ist Dauenhauers
Ansatz aus zwei weiteren Gründen nicht zu verwenden: Zum einen ist sein Konzept so umfangreich,
dass es den Lernenden und Lehrenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nicht zuzumuten
ist, über 50 Kategorien vor der Unterrichtsumsetzung auf ihre Relevanz am Inhalt zu überprüfen. Zum
anderen hat Dauenhauer in seinem umfangreichen Ansatz (1997 b) leider nur etwa die Hälfte der von
ihm vorgeschlagenen wirtschaftsdidaktischen Kategorien auch in mehr als einem Wort beschrieben, so
dass z. B. die wichtige Kategorie „Wirtschaftskreislauf“ nur durch Vermutungen zu finden ist. Daraus
ergibt sich für die Lehrenden das Problem, dass sie Hypothesen über die nicht beschriebenen
Kategorien anstellen müssen.
Die Kürze, der enge Bezug zur Wirtschaftsdidaktik und die besonders deutliche Berücksichtigung
der politischen sowie der ethischen Dimensionen sprechen daher für Krubers wirtschaftsdidaktischen
Ansatz. Krubers Kategorien haben aber den Nachteil, dass besonders die letzte Kategorie das
Politische zu sehr in den Vordergrund stellt, obwohl das Wesentliche dieser Kategorie bereits in seiner
vorletzten Kategorie berücksichtigt werden könnte. Für die unmittelbare Stoffauswahl im Fachgymna-
sium eignet sich Krubers Ansatz nicht, weil der Ansatz weder die Betriebswirtschaftslehre noch die
Berufsvorbildung so umfassend berücksichtigt wie den politischen und volkswirtschaftlichen Bereich.
Für die Entwicklung von Stoffkategorien des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - werden
die beiden letzten politisch ausgelegten Kategorien von Kruber zu einer zusammengefasst:
• Wirtschaften erfolgt in einer Rahmenordnung aus rechtlichen, sozialen und anderen Institutionen,
die im demokratischen Staat gestaltet und legitimiert werden (Wirtschaftsverfassung und -
ordnung).
Durch das Unterkapitel 3.2 sollte deutlich geworden sein, dass die Betriebswirtschaftslehre sich
vorrangig mit der Planung, Organisation, Führung, Entscheidungsfindung und Kontrolle der Unter-
nehmung befasst und dieser Bereich bei Krubers Ansatz nicht hinreichend berücksichtigt wird. Daher
wird die dritte Kategorie um den betriebswirtschaftlichen Bereich erweitert:
• Wirtschaften vollzieht sich arbeitsteilig in spezialisierten Betrieben, die ihr Personal durch den
Aufbau von organisatorischen Maßnahmen an betrieblichen Zielen ausrichten wollen. Die planmä-
ßige Darstellung von betrieblichem Geschehen erfolgt in unterschiedlichen Systemen zum Zwecke
der Kontrolle und Analyse (z. B. Finanz-, Bilanz-, Erfolgs-System). (vgl. Rölke/Rößler 1996, 19 f.)
Die Berufsvorbildung wird durch eine zusätzliche Kategorie berücksichtigt:
• Wirtschaften ist geprägt von einer individuellen Spezialisierung, die sich u. a. durch berufliche Ab-
und Ausgrenzung vollzieht.
Damit die Stoffkategorien sich in den Lernenden zu Bildungskategorien entfalten können,
123
entwickelt Kruber, wie auch für den pädagogischen Bereich, fünf ökonomiebezogene „Leitfragen“
(Kruber 1997, 71):
• „Eignet sich der Stoff zur Offenlegung von wirtschaftlichen Zusammenhängen?
Das heißt:
Wird die Notwendigkeit, sich angesichts von Ziel-Mittel-Knappheiten zu entscheiden, deut-
lich?
Sind zur Bearbeitung des Stoffes Nutzen-Kosten-Überlegungen erforderlich?
Werden Risiko und mögliche Zielkonflikte wirtschaftlicher Entscheidungen deutlich?
Lassen sich Wirkungszusammenhänge im Wirtschaftskreislauf und Ursachen gesamtwirt-
schaftlicher Instabilitäten erarbeiten?
• Eignet sich der Stoff zur Offenlegung von Grundsätzen der Wirtschaftsordnung?
Das heißt:
Werden Funktionsweise und -bedingungen von Marktmechanismus und Wettbewerb erkenn-
bar; werden Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Wirtschaftspolitik in der Sozia-
len Marktwirtschaft angesprochen?
• Eignet sich der Stoff, die engen Verbindungen von Wirtschaft und Politik zu erkennen?
Das heißt:
Werden Interessen, Konflikt, Macht und die Notwendigkeit einer in der Rechtsordnung veran-
kerten Wirtschaftsverfassung angesprochen?
• Eignet sich der Stoff, ethische Grundfragen des Wirtschaftens zu bearbeiten?
Das heißt:
Werden Werte wie Freiheit, soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit, Erhaltung der Natur an-
gesprochen?
• Hat der Stoff eine über den Tag hinausreichende Bedeutsamkeit für die Lernenden?
Das heißt:
Kann daran etwas auch für die zukünftige Lebenssituation der Heranwachsenden Bedeutsames
gelernt werden (objektive Betroffenheit und Transferaspekt)?“ (Kruber 1997, 72; Anmerkung:
Die Hervorhebungen wurden nachträglich für diese Arbeit hinzugefügt!)
Die fachgymnasiale Umsetzung dieser Bildungskategorien erfordert ebenso wie bei Krubers Stoffka-
tegorien einige Veränderungen und Erweiterungen. Die letzte Leitfrage nimmt eher eine Vermitt-
lungsposition zwischen dem pädagogischen und dem ökonomischen Leitfragen-Bereich ein und
könnte, je nach Unterrichtsschwerpunkt, unterschiedlich zugeordnet werden. Nach dem Konzept
dieser Arbeit sollte Krubers fünfte Bildungskategorie nicht in den ökonomischen Bezugsbereich
eingeordnet werden. Die Forderung nach einer Transferwirkung gilt als pädagogischer Anspruch und
ist nicht nur für ökonomische Themen entscheidend. Letztlich ist es aber unerheblich, ob es sich um
eine ökonomie- oder pädagogikbezogene Bildungskategorie handelt, da beide durch die wirtschaftsdi-
daktische Perspektive auf einer „höheren Ebene“ im Lernenden „zusammenfließen“ sollten.
124
Kritisch ist gegenüber den weiteren stoffbezogenen Leitfragen anzumerken, dass diese wie bereits
Krubers Stoffkategorien schwerpunktmäßig auf volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische
Themenbereiche zielen. Die betriebswirtschaftlichen Problemstellungen werden dagegen nur indirekt
und die Berufsvorbildung wird überhaupt nicht berücksichtigt.
Für die Umsetzung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sollte Krubers Ansatz um die
betriebswirtschaftlich orientierte Leitfrage ergänzt werden:
• Eignet sich der Stoff, die Funktion von Betrieben als Vermittler zwischen Individuen und Gesell-
schaft darzustellen?
Das heißt:
Werden die besonderen betrieblichen Planungs-, Kontrollaufgaben, Organisationsstrukturen,
Führungsprobleme und Entscheidungsabläufe berücksichtigt?
Werden betriebliche Personalauswahlprobleme behandelt?
Die in Krubers Ansatz zu ergänzende Leitfrage zur Berufsvorbildung lautet:
• Ist der Stoff geeignet, die beruflichen Auswirkungen von ökonomischer Tätigkeit darzustellen?
Das heißt:
Werden die vielfältigen Möglichkeiten und Probleme am Arbeitsplatz und Arbeitsmarkt auf-
gezeigt?
Sind Auswirkungen des Strukturwandels auf die Berufs- und Arbeitswelt erkennbar?
Wird die Notwendigkeit von beruflicher Spezialisierung deutlich, die sich aus der Spannung
zwischen Karrierechancen und Arbeitslosigkeit ergibt?
Mit diesen von Kruber übernommenen und erweiterten Leitfragen haben die Lehrenden die Möglich-
keit, relevante Themen auszuwählen. Für die Lernenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig
- bieten die Leitfragen die Gelegenheit, ihr ökonomiebezogenes Wissen selbst zu überprüfen.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass für den ökonomischen Bezugsbereich Krubers
Wirtschaftskategorien erst durch die Ergänzung um betriebswirtschaftliche sowie berufsvorbildende
Kategorien und entsprechende Leitfragen auch für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
verwendbar werden. Bei der Auswahl der Kategorien für den pädagogischen und ökonomischen
Bezugsbereich sollten, von den Zielen des Schultyps ausgehend, zunächst die pädagogischen
Kategorien entwickelt werden, bevor über die ökonomische Kategorien nachgedacht wird. Die
Abbildung 10 stellt die von Kruber entwickelten und hier um den fachgymnasialen Bereich erweiter-
ten Kategorien im Gesamtzusammenhang dar (vgl. Kruber 1997, 66 f.).
In der Abbildung 11 werden die ökonomiebezogenen Leitfragen zusammenfassend dargestellt. Auch
diese basieren auf Krubers Leitfragen und wurden für den fachgymnasialen Einsatz erweitert. Damit
sie von den Schülerinnen und Schülern des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - bereits in der
125
11. Jahrgangsstufe im Lernprozess unmittelbar verwendbar werden, wurden die Reihenfolge und die
erläuternden Fragestellungen teilweise leicht verändert. (vgl. Kruber 1997, 72)
126
Abbildung 10: Ökonomiebezogene Kategorien
Ökonomiebezogene Kategorien im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
• Knappheit von Ressourcen im Verhältnis zu den Zielen (Bedürfnissen) der Men-
schen erfordert Entscheidungen.
• Dies erfordert Nutzen-Kosten-Überlegungen und Entscheidungen gemäß dem öko-
nomischen Prinzip unter Risikobedingungen.
• Wirtschaften vollzieht sich arbeitsteilig in spezialisierten Betrieben, die ihr Personal
durch den Aufbau von organisatorischen Maßnahmen an betrieblichen Zielen ausrich-
ten wollen. Die planmäßige Darstellung von betrieblichem Geschehen erfolgt in unter-
schiedlichen Systemen zum Zwecke der Kontrolle und Analyse (z. B. Finanz-, Bilanz-
, Erfolgs-System).
• Wirtschaften ist geprägt von einer individuellen Spezialisierung, die sich u. a. durch
berufliche Ab- und Ausgrenzung vollzieht.
• Wirtschaftsprozesse bedürfen der Koordination, die in der Marktwirtschaft (überwie-
gend) über Märkte im Wettbewerb erfolgt.
• Wirtschaften vollzieht sich in Wirtschaftskreisläufen zwischen Haushalten, Unter-
nehmen, Staat und Ausland.
• Wirtschaften ist mit Interdependenzen und oft mit Zielkonflikten verbunden.
• Wirtschaftsprozesse vollziehen sich nicht gleichgewichtig (Strukturwandel, Gefahr
von Instabilitäten wie z. B. Beschäftigungs-, Geldwertschwankungen).
• Wirtschaften ist mit materiellen und sozialen Ungleichheiten und ökologischen
Problemen verbunden.
• Dies erfordert Eingriffe des Staates in den Wirtschaftsablauf (Wirtschafts-, Sozialpo-
litik).
• Instabilitäten und wirtschaftspolitische Eingriffe berühren die Interessen sozialer
Gruppen unterschiedlich (Interessenkonflikte).
• Wirtschaftspolitische Entscheidungen berühren Werte wie Freiheit, soziale Gerech-
tigkeit und Sicherheit und sind daher Gegenstand politischer Auseinandersetzun-
gen.
• Wirtschaften erfolgt in einer Rahmenordnung aus rechtlichen, sozialen und anderen
Institutionen, die im demokratischen Staat gestaltet und legitimiert werden (Wirt-
schaftsverfassung und -ordnung). (vgl. Kruber 1997, 66 f.)
127
Abbildung 11: Ökonomiebezogene Leitfragen
Ökonomiebezogene Leitfragen im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
• Eignet sich der Stoff zur Offenlegung von wirtschaftlichen Zusammenhängen?
Das heißt: Wird die Notwendigkeit, sich angesichts von Ziel-Mittel-Knappheiten zu
entscheiden, deutlich? Sind zur Bearbeitung des Stoffes Nutzen-Kosten-Überlegungen
erforderlich? Werden Risiko und mögliche Zielkonflikte wirtschaftlicher Entschei-
dungen deutlich? Lassen sich Wirkungszusammenhänge im Wirtschaftskreislauf und
Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilitäten erarbeiten?
• Ist der Stoff geeignet, die beruflichen Auswirkungen von ökonomischer Tätigkeit
darzustellen?
Das heißt: Werden die vielfältigen Möglichkeiten und Probleme am Arbeitsplatz und
Arbeitsmarkt aufgezeigt? Sind Auswirkungen des Strukturwandels auf die Berufs- und
Arbeitswelt erkennbar? Wird die Notwendigkeit von beruflicher Spezialisierung deut-
lich, die sich aus der Spannung zwischen Karrierechancen und Arbeitslosigkeit ergibt?
• Eignet sich der Stoff, die Funktion von Betrieben als Vermittler zwischen Individuen
und Gesellschaft darzustellen?
Das heißt: Werden die besonderen betrieblichen Planungs-, Kontrollaufgaben, Organi-
sationsstrukturen, Führungsprobleme und Entscheidungsabläufe berücksichtigt? Wer-
den betriebliche Personalauswahlprobleme behandelt?
• Eignet sich der Stoff, ethische Grundfragen des Wirtschaftens zu bearbeiten?
Das heißt: Werden Werte wie Freiheit, soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit, Er-
haltung der Natur in dem Themengebiet deutlich?
• Eignet sich der Stoff, die engen Verbindungen von Wirtschaft und Politik zu er-
kennen?
Das heißt: Werden mit dem Thema Interessen, Konflikt, Macht und die Notwendigkeit
einer in der Rechtsordnung verankerten Wirtschaftsverfassung behandelt?
• Eignet sich der Stoff zur Offenlegung von Grundsätzen der Wirtschaftsordnung?
Das heißt: Werden Funktionsweise und -bedingungen von Marktmechanismus und
Wettbewerb erkennbar; werden Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen staatlicher
Wirtschaftspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft problematisiert? (vgl. Kruber 1997,
72)
128
4.3.2 Die Erziehungspraxis als Umsetzungsbeschreibung
Mit diesem Abschnitt werden die im dritten Kapitel entwickelten Ziele des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - und die daraus abgeleiteten erziehungstheoretischen Grundlagen zu einem
unterrichtspraktischen Überbau verknüpft. Es gilt, aus dem Bereich der Ökonomie und der Pädagogik
Themengebiete zu suchen, „die aufgrund ihrer besonderen Struktur kategoriale Bildung ermöglichen“
(Peterßen 1998, 59). Die Ausführungen in dem vorherigen Abschnitt haben den Gegenstandsbereich
der fachgymnasialen Wirtschaftsdidaktik zunächst auf seine Bezugsbereiche zurückgeführt. So wie auf
der erziehungstheoretischen Ebene nicht nur die Bildungskategorien, sondern zunächst die Bezugsbe-
reiche zu bestimmen waren, so ist im erziehungspraktischen Teil neben den Unterrichtsinhalten und -
methoden zunächst nach deren grundlegenden Strukturen zu suchen. (vgl. Klafki 1993, 262 ff.;
Peterßen 1998, 59).
Da in der Literatur unterschiedliche Vorstellungen über grundlegende Definitionen der Erziehungs-
praxis vorhanden sind, erfolgen zunächst einige begriffliche Erklärungen und Abgrenzungen. Als
Curriculum wird hier der Ablauf von inhaltlich bestimmten Lernprozessen verstanden, die einer
didaktischen Ordnung folgen und alle Bereiche der Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens, also
zusätzlich auch die Kontrolle, beinhalten (vgl. Klafki 1995, 92; Jongebloed/Twardy 1983, 174;
Schelten 1994, 136 f.). Unterricht ist dann die praktische Umsetzung von Curricula. Themen des
Unterrichts sind unter wirtschaftsdidaktischen Gesichtspunkten ausgewählte Gebiete des ökonomi-
schen Bezugsfelds. Sie werden zu Themenbereichen zusammengefasst. Die Themenfolge wird meist
nicht willkürlich festgelegt, weil Themen auf bestimmten pädagogischen und ökonomischen Vorstruk-
turen aufbauen oder zu diesen in Beziehung stehen. So erfordert z. B. die unterrichtliche Behandlung
des Themas „Finanzierung der Unternehmung“ Kenntnisse über die unterschiedlichen Unternehmens-
formen, da die Finanzierung einer Einzelunternehmung sich grundlegend von der einer Kapitalgesell-
schaft unterscheidet. Unterrichtsinhalte sind Themen, die unter wirtschaftsdidaktisch als relevant
erachteten Fragestellungen, besonders mit Bezug zu den Lernenden, für den Lernprozess ausgewählt
wurden. So kann z. B. das Thema „Arbeitslosigkeit“ an verschiedenen Inhalten, z. B. Jugendarbeitslo-
sigkeit, dargestellt werden.
Ein durchdachter Unterrichtsprozess lässt sich strukturieren und in Sequenzen unterteilen. Sequen-
zierung erfolgt sowohl für einzelne Unterrichtsstunden als auch für mehrere Stunden und den ganzen
Schulverlauf. Daher wird häufig zwischen Mikro-, Meso- und Makrosequenzierung unterschieden.
(vgl. Sievers 1984, 107 ff.) Lehrpläne sind Systematiken, die Vorgaben zum Unterricht machen. Sie
bestimmen, was, wann, in welchem Zeitraum unterrichtet werden soll (vgl. Manstetten 1983, 219).
Lehrpläne sind der formale, organisatorische Teil, mit dem z. B. die ökonomische Bildung im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - transportiert werden soll. Mit den schuladministrativen
Vorgaben des Lehrplans wird auf der einen Seite versucht, das Thematikproblem für ein Fach
einzugrenzen. Auf der anderen Seite sollen Lehrpläne sicherstellen, dass die beschriebenen Themenbe-
129
reiche auch unterrichtet werden. Sie sind gleichsam die Schnittmenge zwischen Inhalten und Organi-
sation des Unterrichts. Die primäre Funktion von Lehrplänen ist die „Vereinheitlichung“ (Peterßen
1998, 216). In Lehrplänen fehlt im Gegensatz zu Curricula meist die Beschreibung von Unterrichtsver-
fahren und Lernzielkontrollen (vgl. Manstetten 1983, 211 ff.).
Das grundlegende Problem dieses Unterkapitels ist die Verknüpfung von erziehungstheoretischen
Ansätzen mit den Erkenntnissen der Erziehungspraxis. Da ein „nahtloser“ Übergang von der Erzie-
hungstheorie zur -praxis nicht möglich ist, kann die Verbindung nur über eine „Brücke“ erfolgen. Mit
anderen Worten: Aus den im vorangegangenen Abschnitt 4.3.1 beschriebenen Kategorien und
Leitfragen können die Unterrichtsthemen nur mittelbar abgeleitet werden, weil sie „quer“ zu den
Kategorien liegen. Andererseits ermöglichen Kategorien aber eine erste Annäherung an bildungsrele-
vante Unterrichtsthemen. Es sind weitere Zwischenschritte erforderlich, die sich mit der Frage der
Kriterien der Themenauswahl sowie der Lern- und Lehrmethodik befassen. Wenn diese Schritte zuerst
oder nur einseitig unter dem Schwerpunkt der pädagogischen Analyse vollzogen werden, entstehen
allgemeine Postulate, wie z. B. die Definition von Schlüsselqualifikationen, die, wie die bisherige
Lehrplanpraxis zeigt, anschließend nur um fachwissenschaftliche Stoffgliederungen ergänzt werden.
(vgl. Klafki 1993, 153)
Die im Abschnitt 4.3.1 beschriebenen pädagogischen und ökonomischen Bildungskategorien mit
ihren daraus entwickelten Leitfragen beschreiben den „Brückenbau“ zur erziehungspraktischen Seite.
Von Seiten der Erziehungspraxis, also in diesem Abschnitt, erfolgt gleichzeitig eine Annäherung
durch curriculare Vorstrukturen, deren abschließendes Ziel die Gestaltung von Unterricht ist.
Primär gilt es, die Thematikfrage zu beantworten. Dieses beinhaltet für das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - aus erziehungspraktischer Sicht ein komplexes Problem, das in zwei
Teilbereiche unterteilt werden kann:
1. Mit der Themenbestimmung ergibt sich die Frage nach der Breite und Tiefe der unterrichtlichen
Behandlung von Themen. Diese steht in enger Beziehung zur festgelegten Unterrichtsstundenzahl.
Die Meinungen darüber, wie viel 45-Minutenstunden die Lernenden in der Schule verbringen
sollten, haben sich auf etwas über 30 Wochenstunden eingependelt. Dabei sollte der Anteil der
profilgebenden Fächer, so wie es heute schon bei den beiden Fächern „Wirtschaftstheorie und -
politik“ sowie „Rechnungswesen“ der Fall ist, bei mindestens einem Drittel liegen.
2. Daran anknüpfend muss die organisatorische Frage geklärt werden, ob aus diesem Anteil ein Fach
oder mehrere Fächer gebildet werden. Eine fachliche Abgrenzung kann aber immer erst erfol-
gen, wenn die grundlegenden thematischen und zeitlichen Strukturen des profilgebenden Bereichs
bestimmt wurden, da sonst Fächer aufgrund eines falschen Verständnisses von Tradition fortge-
führt würden. Seit Jahrzehnten ist der Trend festzustellen, dass Fächer eher neu hinzukommen, als
dass sie gestrichen oder zusammengefasst werden. Auf die besondere Problematik der Fächerung
wird ausführlich im Unterkapitel 5.1 eingegangen.
130
Soll ein grundlegend neues Profil für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - auch in der
Unterrichtspraxis seine Umsetzung finden, so ist es besonders wichtig, dass für die Lehrenden
Strukturen und Hilfen entwickelt werden, die das Neue auf einfache und gleichzeitig auch auf
gewohnte Weise verdeutlichen. Eine zentrale Rolle spielt in einem solchen Konzept immer noch der
Lehrplan. Für die Entwicklung eines Lehrplans sind zunächst grundlegende Gedanken zu dessen
formalen Strukturen erforderlich, auf denen die stofflichen und pädagogischen Beschreibungen
aufbauen. Einigkeit dürfte lediglich darin bestehen, dass Lehrpläne fachlich und pädagogisch so
ausgerichtet sein sollten, dass sie möglichst viele methodische und inhaltliche Freiheiten zulassen und
sowenig methodischen und thematischen Zwang als nötig ausüben (vgl. Prange 1983, 52 ff.). Was
diese Forderung bedeutet, soll durch die Entwicklung von „curricularen Vorstrukturen“ verdeutlicht
werden. In dieser Arbeit werden keine konkreten Lehrpläne für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - entwickelt, sondern nur die grundlegenden Strukturen beschrieben, die unabhängig von der
Fächerung und den Themen die Bildung im ökonomischen und persönlichen Bereich „transportieren“
könnten. Dabei handelt es sich um das Gerüst eines Curriculums, das für die Entwicklung neuer
Lehrpläne im ökonomischen Bereich des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - als Ausgangs-
und Bezugspunkt dienen könnte.
Die Strukturen der zur Zeit in den kaufmännischen Berufsschulen gültigen Lehrpläne lassen sich
unter inhaltlichen Aspekten in zwei Arten unterscheiden:
• Die einen orientieren sich überwiegend an einzelwirtschaftlichen Fragestellungen aus dem Bereich
der Betriebswirtschaftslehre. Das sind die Lehrpläne der Berufsschulen.
• Wird in Lehrplänen, wie im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - im „berufsbezogenen“
Leistungskurs, überwiegend auf die Volkswirtschaftslehre Bezug genommen, so bestimmen
gesamtwirtschaftliche Darstellungen die Strukturen.
Sowohl die betriebswirtschaftlich als auch die volkswirtschaftlich orientierten Lehrpläne sind durch
einen engen Berufs- bzw. Wissenschaftsbezug theoretisch und inhaltlich überfrachtet (siehe auch
Abschnitt 2.3.2). Für den Lehrplan der Realschulen im Fach Wirtschaft/Politik gilt in Bezug auf den
Wirtschaftsteil dasselbe wie für den des Fachgymnasiums.
Ein Grundproblem bei der Lehrplanstrukturentwicklung scheint die fast ausschließliche Ausrichtung
am fachlichen Bezugsbereich zu sein, die beim Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - im
Leistungskurs zu einem volkswirtschaftlichen Unterricht aus der „Vogelperspektive“ führt. Diese kann
im Lehrplan auch nicht durch noch so herausragende allgemeinpädagogische einleitende Erläuterun-
gen beseitigt werden. Ausgangspunkt für Veränderungen sollten daher zunächst die einleitenden,
allgemeinpädagogischen Zielvorstellungen für den Schultyp sein. Damit es nicht bei Postulaten bleibt,
müssen diese in direkte und konkrete Beziehung zu den Themen und der Unterrichtsdurchführung
gestellt werden. Für die Umsetzung dieser Forderungen sind in der Erziehungswissenschaft verschie-
dene Ansätze entwickelt worden:
131
• So können Lehrpläne nach dem Minimal- oder Maximal-Prinzip strukturiert werden. Minimal-
Lehrpläne verpflichten nur auf wenige Themen und Ziele und lassen, wenn sie zusätzlich nicht
die gesamte Zeit des Schuljahres mit Themen ausfüllen, einen angemessenen Zeitraum für z. B.
aktuelle Themen.
• Maximal-Lehrpläne decken dagegen mindestens die 40 Schuljahreswochen ab und machen zur
Unterrichtsumsetzung genaue Angaben. (vgl. Peterßen 1998, 221 ff.) Beide Möglichkeiten der
Lehrplangestaltung stehen in engem Bezug zum bereits beschriebenen Zeitproblem. Soll Unter-
richt nicht zur „Stoffhetzerei“ degenerieren, so darf nicht der gesamte Zeitraum eng verplant wer-
den, da Klausuren, Veranstaltungen und organisatorische Veränderungen wie z. B. krankheitsbe-
dingter Unterrichtsausfall zu berücksichtigen sind.
Lehrpläne sollten aber neben fachlichen Vorgaben auch unmittelbar daran anknüpfend Angaben zu
ihrer methodischen Umsetzung (z. B. Vorschläge zu besonders geeigneten Unterrichtsmethoden)
beinhalten. Sie nähern sich damit Curricula, wobei diese offen zu gestalten sind, d. h. es sollten
inhaltliche und methodische Freiräume erhalten bleiben.
Wenn wir den zur Zeit noch gültigen „Wirtschaftstheorie und -politik“-Lehrplan des Fachgymnasi-
ums - wirtschaftlicher Zweig - mit dem „Wirtschaft/Politik“-Lehrplan der Realschulen des Landes
Schleswig-Holstein vergleichen, so unterscheiden sich diese zunächst durch ihre äußere Form. Der
fachgymnasiale Lehrplan ist ein horizontaler, der der Realschule dagegen ein vertikaler Plan:
• Horizontal gestaltete Lehrpläne beschreiben Themen häufig nur in einer Zeile. Dabei wird die
Themenzeile in mehrere Spalten getrennt, die je nach didaktischer Grundkonzeption Lernziele und
Lerninhalte, aber evtl. auch Unterrichtsverfahren und Lernzielkontrollen, beschreiben.
• Vertikal strukturierte Lehrpläne stellen zunächst das Thema dar und ergänzen es durch Lernziele,
weitere fachlichwissenschaftliche und evtl. methodische Beschreibungen. Durch die vertikale
Struktur geben sie den Raum für unterschiedlich umfangreiche Erläuterungen.
Hierbei handelt es sich nicht nur um äußerliche Unterscheidungsmerkmale, denn die Form beeinflusst
auch die Arbeit der Lehrenden im und mit dem Lehrplan. Soll der Verpflichtungscharakter hervorge-
hoben werden, so wird die horizontale Form gewählt. Damit bleibt aber nur wenig Raum für unter-
schiedlich umfangreiche Hinweise und der Lehrplan suggeriert Stringenz bei der Auswahl und
Anordnung der Inhalte. Selbst wenn ein horizontaler Lehrplan, wie der von Peter W. Hug für die
Wirtschaftsgymnasien der Schweiz entwickelte Vorschlag für die Betriebswirtschaftslehre (vgl. 1990,
397 ff.) um Begründungen, methodische Hinweise und Literaturquellen ergänzt wird, handelt es sich
immer noch um einen mit unterschiedlich großen Lücken versehenen „Flickenteppich“.
Bei der vertikalen Anordnung, wie im schleswig-holsteinischen „Wirtschaft/Politik“-Lehrplan der
Realschulen (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schles-
wig-Holstein 1997) sind der Gestaltung von ergänzenden Hinweisen kaum Grenzen gesetzt. Daher
132
empfiehlt sich diese Darstellungsart, wenn den Lehrenden mit dem Lehrplan umfangreiche fachliche
und pädagogische Hilfen zur Verfügung gestellt werden sollen (vgl. Peterßen 1998, 226 ff.). Obwohl
der vertikal strukturierte Wirtschaft/Politik-Lehrplan der Realschule fast eine optimale Form aufweist,
scheint er in der Unterrichtspraxis ebenfalls nicht zu den gewünschten Bildungskategorien bei den
Lernenden zu führen. Das könnte an den unzureichenden fachlichen und pädagogischen Ergänzungen
liegen. Sie verleiten die Lehrenden, aneinandergereihte „Auszüge“ des ökonomischen Ganzen zu
vermitteln. Es wird häufig zu tief in ein Thema eingedrungen oder nach der Tiefe die Breite vernach-
lässigt und umgekehrt. Die Lehrenden der Fachgymnasien erkennen das daran, dass die Schülerinnen
und Schüler weder in der Lage sind, die Systematik noch die Komplexität des Ökonomischen zu
erkennen. Hier ist offensichtlich versäumt worden, neben reinen ökonomischen Aufzählungen, die
vielleicht noch in der Berufsschule wichtig sind, auch Systematisierungen und „Wegbeschreibungen“
zu liefern. Kurz: Das Transferproblem wurde nicht beachtet (siehe auch Abschnitt 4.1.2).
Weiterhin können Lehrpläne nach dem pädagogischen Lehr-Lernkonzept linear oder spiralförmig
die Inhalte vermitteln:
• In linearen Lehrplänen bauen Themen aufeinander auf und folgen dabei häufig der fachwissen-
schaftlichen Systematik. Das gelingt besonders dann, wenn sich die fachwissenschaftliche Be-
zugsdisziplin auf einen Bereich reduzieren lässt. Diese Form finden wir in weiten Teilen des
„Wirtschaftstheorie und -politik“-Lehrplans, der sich an der Volkswirtschaftslehre orientiert. Li-
neare Lehrpläne können auch nach dem „Prinzip der konzentrischen Kreise“ (Hilligen 1985, 118)
oder auch „Zwiebelschalenmodell“ geordnet werden: „Der Weg vom Nahen zum Fernen“ (ebd.,
118), vom Individuum über das Unternehmen zur Volks- und schließlich zur Weltwirtschaft.
Dieser Ansatz, der sich im „Wirtschaft/Politik“-Lehrplan der Realschulen wiederfindet und dort
nur vom politischen Teil unterbrochen wird, gibt den Lernenden die Möglichkeit, fachspezielles
Wissen zunächst an Sachverhalten aufzubauen, die sich am unmittelbaren Bezugsbereich der
Lernenden orientieren. Bei linearen Lehrplänen sollte aber neben der Form besonders das pädago-
gische Problem des Wissenserwerbs im Auge behalten werden. Dabei geht es um die Frage, in-
wieweit die Linearität mit dem kategorialen Prinzip in Einklang gebracht werden kann. Auch
lineare Lehrplanstrukturen erfordern eine permanente Ableitung der relevanten Kategorien an
immer neuen Inhalten, aber durchaus gleichen Themen.
• In Spiral-Lehrplänen, die ausführlich von Jerome S. Bruner beschrieben wurden, soll das
Kategoriale eines Bereiches an denselben Themen aber in unterschiedlichen Inhalten, entspre-
chend der Entwicklung der Lernenden, wiederholt vermittelt werden. Der in der Lernpsychologie
beschriebene Vorteil liegt darin, dass sich durch Wiederholungen unter veränderten und erweiter-
ten Aspekten die bereits oben beschriebenen Bildungskategorien in den Lernenden besser entwi-
ckeln und „festigen“ können. So vertiefen und erweitern sich schrittweise die Erkenntnisse über
ein bestimmtes Thema. Gleichzeitig steigt auch die Transferwirkung. Problematisch ist dagegen
die alters- und entwicklungsgemäße Bestimmung der Themen. (vgl. Peterßen 1998, 229 und 385
ff.)
133
Heute werden Lehrpläne auch häufig nach Bildungseinheiten oder Situationsfeldern systematisiert
(vgl. Hilligen 1985, 118):
• Bildungseinheiten werden meist dadurch abgeleitet, dass fachwissenschaftliche Erkenntnisse
systematisch übernommen werden. Der fachgymnasiale „Wirtschaftstheorie und -politik“-
Lehrplan fügt z. B. einen betriebswirtschaftlichen Block in die volkswirtschaftliche Grundstruktur
ein, der der traditionellen Betriebswirtschaftslehre folgt. Bei diesem Aufbau wird davon ausge-
gangen, dass die fachwissenschaftliche Struktur sich besonders für den Transport der Bildungska-
tegorien eignet.
• Situationsfelder systematisieren Themen unter dem Gesichtspunkt der Anschaulichkeit und
sollen daher besonders lehr- und lernmotivierend wirken. Der „Wirtschaft/Politik“-Lehrplan der
Realschulen ist durch Situationen strukturiert, mit denen die Lernenden im täglichen Leben in
Berührung kommen. Die Situationsfelder Konsum, Arbeit und Beruf sowie Wirtschaftsgesell-
schaft bestimmen neben dem bereits oben beschriebenen Schalenmodell den unterrichtlichen
Ablauf.
In der Praxis erfolgt Lehrplangestaltung überwiegend in Kombination der oben beschriebenen Ansätze
und unter Verwendung weiterer und teilweise noch einfacherer Strukturen, die sich aus der schuli-
schen Tradition der Fächer ableiten oder sich an den Interessen und Bedürfnissen der Lernenden,
Lehrenden oder anderer Institutionen orientieren. (vgl. Hilligen 1985, 183 ff.) Werden z. B. die
Bildungseinheiten oder Situationsfelder noch mehr mit plakativen Fragestellungen verknüpft, so
handelt es sich um einen problem- oder phänomenorientierten Lehrplan (vgl. ebd., 118).
Neben den formalen Strukturen, die bei der Konstruktion von Lehrplänen im weitesten Sinne zu
bedenken sind, sollten daran anknüpfend die im Abschnitt 4.3.1 bereits beschriebenen pädagogischen
und ökonomischen Ziele weiter konkretisiert werden. Dabei geht es auf der pädagogischen Seite um
die Frage, wie die Schülerinnen und Schüler lernen sowie Arbeitstugenden entwickeln können, und
auf der ökonomischen Seite darum, was gelernt werden soll, damit die Lernenden zukünftig komplexe
ökonomische Problemstellungen selbständig bearbeiten können. Kurz: Die Lernenden sollten ihre
Persönlichkeit am und im komplexen ökonomischen Bereich weiter entwickeln.
Ist ein neuer profilgebender Lehrplan für ein Fach bestimmt, ergibt sich das Problem der unterricht-
lichen Ausgestaltung (vgl. Klafki 1993, 116). Es kommt vor, dass die Lehrplanstruktur im Gegensatz
zum durchgeführten Unterricht steht. Lothar Reetz weist mit Bezug auf eine empirische Untersuchung
von Krumm darauf hin, dass grundlegende Gedanken zur formalen Struktur von Lehrplänen zwar
nicht unerheblich für ihre unterrichtliche Umsetzung sind, doch dass die Lehrenden neue Themen nur
vermitteln, wenn zu den neuen Lehrplänen entsprechende Materialien und Lehrbücher vorhanden sind.
In den berufsbildenden Schulen sind hinreichend Beispiele dafür vorhanden, dass trotz veränderter
Lehrpläne Unterrichtsinhalte seit Jahrzehnten weiter unterrichtet werden, obwohl diese als Themen
längst aus den Lehrplänen verbannt wurden. (vgl. Reetz 1984, 240 ff.) Lehrplanstrukturen lassen also
in den meisten Fällen noch keine Rückschlüsse auf die unterrichtliche Umsetzung zu. So kann z. B.
134
der Lehrplan systematisch gestaltet sein, während der durchgeführte Unterricht in einzelnen
Themen eher problemorientiert eingeleitet wird. Folgerichtig unterscheidet Dubs zwischen der
Lehrplan- und der Unterrichtsstruktur (vgl. 1998, 27 f.). Dieser Unterteilung ist bisher leider zu
wenig Beachtung geschenkt worden.
Um inhaltliche Vorstellungen aus neuen Lehrplänen schneller und effektiver in die Schulen zu
transportieren, erscheint es sinnvoller, wenn, wie bereits gefordert, eine weitergehende unterrichtliche
Umsetzungsbeschreibung erfolgt, die natürlich die Methodikfreiheit nicht generell einschränkt, aber in
einigen zentralen Bereichen eindeutige Vorgaben macht. Da sich die im Handel befindlichen
Schulbücher für Fachgymnasien nicht unbedingt an dem kleinen schleswig-holsteinischen „Markt“
orientieren, sollten Lehrpläne vertikal strukturiert sein und entsprechende fachliche und pädagogische
Ergänzungen anbieten.
Zusammengefasst sollte durch diesen Abschnitt deutlich werden, dass auch die Erziehungspraxis eine
theoretische Grundlage braucht. Soll eine erziehungstheoretisch fundierte Unterrichtspraxis entwickelt
werden, so liegt diese zunächst näher an der Erziehungstheorie als an der Unterrichtspraxis. Was die
Kategorien, die mit ihren abgeleiteten Leitfragen am Übergang zur Erziehungspraxis liegen, für die
Erziehungstheorie sind, dass ist die Lehrplanstruktur für die Erziehungspraxis. Kategorien und
Lehrplanstrukturkriterien sind wie die Segmente einer Brücke, die von beiden Seiten der „Schlucht“
aneinander gefügt werden und letztlich eine Verbindung zwischen Erziehungstheorie und -praxis
herstellen. Welche Strukturkriterien im Lehrplan eingesetzt werden, hängt weitgehend von den
definierten Zielen des Schultyps ab. Im Gegensatz zu den ökonomiebezogenen Kategorien sind die
unterrichtswirksamsten Strukturkriterien nicht eindeutig zu bestimmen, da in der erziehungswissen-
schaftlichen Forschung bisher noch keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen der Lehrplanstruktur
und dem Wissenserwerb abgeleitet wurden. Grundsätzlich sollten aber vertikale den horizontal
strukturierten Lehrplänen vorgezogen werden. Diese ermöglichen Erläuterungen, die auch umfangrei-
cher sein können und helfen bei der Vermeidung von größeren Unterschieden zwischen Lehrplan- und
Unterrichtsstruktur.
4.3.2.1 Persönlichkeitsbildung als pädagogische Perspektive
Ein großes Verdienst der erziehungspraktischen Forschung ist sicherlich die Entwicklung von
universell einsetzbaren Unterrichtsmethoden, die im Rahmen der allgemeinen Didaktik auch als
Aktionsformen des Unterrichts bezeichnet werden. Besonders die Großformen, die sogenannten
135
handlungsorientierten Konzepte, methodischen Arrangements oder auch schüleraktiven Lehr- und
Lernformen, wie z. B. die Projektarbeit, sind in den letzten Jahren immer umfassender beschrieben
und strukturiert worden. Gleichzeitig erfolgte auch eine Anpassung an die Erfordernisse des Wirt-
schaftsunterrichts (z. B. Preiß 1994, Kaiser/Kaminski 1994 oder Weitz 1998).
Obwohl die Verbindung von allgemeiner Didaktik und Wirtschaftsdidaktik auf erziehungsprakti-
scher Ebene bei der Entwicklung und Verfeinerung von Methoden erheblich verbessert wurde,
überwiegt in der alltäglichen Unterrichtspraxis immer noch der kleinschrittige Frontalunterricht (vgl.
Kaminski 1990, 257 f.). Die methodischen Entwicklungen werden vermutlich von den Lehrenden
deshalb nicht in den Unterricht übernommen, weil sie häufig sehr komplex sind und damit fast
ausschließlich auf mehrstündige, zusammenhängende Unterrichtszeiträume angewiesen sind.
Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass die Lehrenden der berufsbildenden Schulen ständig mit
fachlichen Neuerungen und Veränderungen in den ökonomischen Bezugsdisziplinen konfrontiert
werden, deren Erarbeitung neben einer steigenden Zahl von Konferenzen einen immer größer
werdenden Teil der Tätigkeit einnimmt. Wenn es gelänge, den komplexen ökonomischen Bezugsbe-
reich so gut zu systematisieren, dass die zukünftigen Lehrenden dessen bildende Strukturen bereits
während des Studiums vermittelt bekämen, dann würde sicherlich bereits im Referendariat das
Interesse an einer unterrichtlichen Umsetzung der vorhandenen, vielfältigen Methodik zunehmen. Das
erfordert für den methodischen Bereich zunächst aber die Entwicklung einer darüber stehenden
pädagogischen Grundstruktur.
Wolfgang Klafki leitet aus seinen vier miteinander verschränkten Unterrichtsprinzipien, Kritikbe-
reitschaft und -fähigkeit, Argumentationsbereitschaft und -fähigkeit, Empathie sowie Denken in
Zusammenhängen, die bereits im Unterabschnitt 4.3.1.1 beschrieben wurden, vier Grundsätze ab, die
einen schülerorientierten Unterricht ermöglichen:
• exemplarisches Lehren und Lernen,
• methodenorientiertes Lernen der Schülerinnen und Schüler,
• handlungsorientierter Unterricht,
• Verbindung von sachbezogenem mit sozialem Lernen (vgl. 1993, 67 f.)
„Eine der zentralen Aufgaben des Unterrichts muß es sein, in exemplarischen Beispielen unterschied-
liche Sichtweisen eines Problems, eines Sachverhalts, eines Vorganges, eines Ereignisses, eines
Konflikts, die darin sich ausdrückenden Interessen und Perspektiven herauszuarbeiten und alternative
Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten zu verdeutlichen.“ (ebd., 121) Obwohl Klafki das
exemplarische Lernen besonders hervorhebt, verdeutlicht er auch dessen Probleme. Exemplarisches
Lehren und Lernen führen in die Tiefe eines Stoffgebietes ein und sind ohne Breite, also Orientie-
rungswissen, wirkungslos (siehe auch Abschnitt 4.1.2). Da weder einseitiges exemplarisches noch
systematisches Lernen zu bildendem Unterricht führen, besteht das Problem darin, exemplarisches und
systematisches Lernen in ein an den Zielen orientiertes sinnvolles Verhältnis zu bringen. Durch
ausschließliches wissenschafts- oder berufsbezogenes systematisches bzw. exemplarisches Lernen
136
entsteht überwiegend nur neues Faktenwissen. (vgl. Klafki 1993, 157 und Dubs 1998, 28)
Es muss hervorgehoben werden, dass im pädagogischen Bezugsbereich auf der erziehungsprakti-
schen Ebene nicht die Unterrichts-, also die Lehrmethodik der Lehrenden im Vordergrund steht,
sondern dass der Ausgangspunkt die Verbesserung der „Lernmethodik“ der Lernenden ist. Damit sind
u. a. die Bereiche der Entwicklung einer kritischen Selbstständigkeit und der Anwendung von
Lerntechniken gemeint. Erst wenn die lernpsychologischen Grundlagen gelegt wurden, können
didaktische Fragen geklärt werden (vgl. Klafki 1993, 262 ff.).
Für den dritten Grundsatz in Klafkis Aufzählung, den handlungsorientierten Unterricht, beschreibt
Hans Aebli eine unterrichtsrelevante Ergänzung: „Das Leben verlangt von jedem Menschen,
komplexe Handlungen zu planen und Probleme zu lösen.“ (Aebli 1987, 199) Mit Handlungsorientie-
rung ist hier aber nicht nur aktive Tätigkeit, sondern in erster Linie das Arbeiten in beziehungsrei-
chen und verzweigten Problemen gemeint.
„Lernen bedeutet, die neuen Gedanken, die neue Handlung aus Elementen aufbauen oder durch
Differenzierung eines Vorbegriffs oder einer vorläufigen aber noch unvollkommenen Handlungsidee
entwickeln. Der Kern des Vorgangs ist die Verknüpfung der Elemente, die Herstellung von neuen
Beziehungen, die Differenzierung der Struktur. Woher kommt die Motivation zu diesen Lernleistun-
gen? Aus dem Problem! Wir haben es immer wieder betont: das Problem entsteht aus dem Versuch,
eine neue Situation mit vorhandenen Mitteln zu bewältigen und aus der Erfahrung, daß das noch nicht
gelingt. Darum die Wichtigkeit eines umfassenden Tätigkeitsrahmens für die spezifischen Lernziele.
Idealerweise ergeben sich in ihrem Kontext die ersten noch untauglichen Lösungsversuche. Die
gedanklich gefaßte Schwierigkeit ist das Problem. Da die Schwierigkeit beim Versuch auftritt, etwas
zu tun oder etwas gedanklich zu klären, steht hinter der Schwierigkeit eine Absicht, eine Zielsetzung,
die wir vorerst nicht zu realisieren vermögen. Die Absicht ist Teil des großen gedanklichen oder
praktischen Rahmens ... .“ (ebd., 153)
Über das Lernen an Problemen führt Aebli tiefergehend aus: „Wer ein Problem hat, ist zum Lernen
motiviert. Man braucht ihm den Stoff nicht mehr aufzudrängen und mit oberflächlichen Mitteln
schmackhaft zu machen, die bittere Pille des Lernens mit einer süßen Schicht zu umgeben, damit sie
geschluckt wird, wie DEWEY gesagt hat.“ (Aebli 1993, 293) Weitgehende Einigkeit besteht in der
pädagogischen Lern- und Lehrforschung heute darin, dass Lernen am besten durch Problemlösung
erfolgt. Wo eine motivierende Problemstellung ist, da werden die Lernenden auch nach einer Lösung
suchen. (siehe auch Abschnitt 4.1.2)
„Wenn das Problemlösen im Alltag und im Berufsleben eine so wichtige Rolle spielt, hat die Schule
allen Grund zu fragen, ob sie ihre Schüler darauf vorbereitet, mit Problemen zurechtzukommen, und
zwar nicht nur unter der Anleitung des Lehrers, sondern auch selbständig. Befähigen wir unsere
Schüler, über die elementaren Lernprozesse hinaus auch komplexe Problemlösungen selbständig zu
meistern? Bilden wir autonome Problemlöser heran?
Es braucht mehr als angeborene Intelligenz oder Kreativität, um Probleme zu lösen. Entscheidend
sind zwei Dinge: Fachwissen und Heuristiken- Für Fachwissen sorgen Schulen und andere Ausbil-
137
dungsstätten relativ erfolgreich. Aber einer, der viel weiß, ist deshalb noch lange kein guter Problem-
löser. Wissen ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das erfolgreiche Problemlö-
sen. Das andere sind die Heuristiken, nämlich die ‘Methoden des Problemlösens’.“ (Aebli 1987, 199)
Für den unterrichtspraktischen Einsatz im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - bedarf es
weiterer Eingrenzungen. Probleme eignen sich für den Unterricht nur, wenn sie mindestens drei
Kriterien genügen:
• Es müssen relevante, lebensnahe Themen sein,
• die eine umfassende sowie zunächst unklare Struktur aufweisen und
• bei denen eine mangelnde Sofortlösungsmöglichkeit besteht. (vgl. Dubs 1995 a, 276 ff.)
Der Problembearbeitungsprozess ist nach heutigem lernpsychologischen Verständnis nur bildend,
wenn von den Lernenden die Schrittfolge vom Erkennen des Problems über Konstruktion von Wissen,
Systematisierung und Metakognition zum Transfer in weiteren Anwendungsgebieten eingehalten wird
(vgl. Dubs 1996 a, 43). Unmittelbar daran anknüpfend ergibt sich die Frage, aus welchen Gebieten die
Probleme stammen sollten, damit sie eine optimale Wirkung entfalten. „Alles Wissen und Können, das
wir zu vermitteln suchen, muß anwendungsfähig sein, und dies nicht bloß in den Anwendungsaufga-
ben, die die Schule stellt, sondern in den Lebenssituationen, die der Schüler in seiner Welt antrifft, und
die er später, als junger Erwachsener antreffen wird.“ (Aebli 1987, 286 f.) Der Ansatz von Lebenssi-
tuationen wurde in den sechziger Jahren von Saul B. Robinsohn (1975) entwickelt, der mit seinem
curriculumtheoretischen Modell die Lernenden auf das „Verhalten in der Welt“ (ebd., 13) vorbereiten
wollte. Lernziele haben dabei primär nicht die Aufgabe, Unterrichtsstoffe zu beschreiben, sondern sie
sollen als die von den Lernenden zu erwerbenden Qualifikationen verstanden werden. Der lernpsycho-
logische Anknüpfungspunkt des Lebenssituationsansatzes ist die im Abschnitt 4.1.2 behandelte
Transferforschung. Soll ein möglichst umfassender Transfer von Wissen erreicht werden, so müssen
durch den Bezugsbereich, aber auch in der Pädagogik operationalisierbare Inhaltsstrukturen benannt
werden, damit sich eine bildende fachgymnasiale Wirtschaftsdidaktik entwickeln kann.
Für die Ermittlung der relevanten Bildungsgegenstände schlägt Robinsohn (vgl. 1975, 47 ff.) die
Suche und Analyse von spezifischen gesellschaftlichen Verwendungssituationen vor, um daraus
notwendige Qualifikationen für die Lernenden abzuleiten, die diesen zu vermitteln sind. Es kann nicht
angezweifelt werden, dass Schule mit Hilfe von Lebenssituationen Qualifikationen vermittelt, aber die
erforderliche Totalerhebung der Situationen aus Gegenwart und Zukunft kann nicht geleistet werden,
bzw. ist nach ihrem Erscheinen bereits veraltet (vgl. Westphalen 1979, 73).
In Erweiterung des Robinsohnschen Ansatzes versucht Lothar Reetz relevante Themen durch die
Entwicklung von Prinzipien der Kultur, Wissenschaft, Persönlichkeit und Situation näher zu bestim-
men. „Dem Persönlichkeitsprinzip entsprechen solche Grundsätze der Ermittlung, Auswahl und
Legitimation von Lernzielen/Inhalten, die an den Bedürfnissen des Individuums und der Persönlich-
keitsentwicklung in besonderer Weise orientiert sind.“ (Reetz 1984, 93). Allein dieser umfassende
138
Anspruch für ein Prinzip muss scheitern, wenn er für den Unterricht auf eine Lerngruppe von über 20
Personen im Leistungskurs umgesetzt werden soll (vgl. Wenger 1997, 395 f.). Wenn also keine direkte
Ableitung von geeigneten Unterrichtssituationen möglich ist, bleibt nur der Ausweg, von allgemeinen
Zielen des Schultyps auszugehen, diese schwerpunktmäßig lebensnah und mit Hilfe des Bezugsberei-
ches zu vermitteln.
Ziele sind aber nur „das eine, das andere sind die Bedingungen, unter denen wir handeln, unsere
Ziele erstreben und unsere Wirkungen auszuüben versuchen. Das gilt natürlich auch für das Lernen
des Schülers. Es hängt von vielen Bedingungen ab. Wir nennen sie die ‚Lernvoraussetzungen’. Dies
führt zu folgenden Fragen:
(1) Welches Können bringt der Schüler mit?
(2) Welches Wissen bringt er mit?
(3) Welche Interessen und Werte, allgemeiner: welche Motive bewegen ihn?
(4) Welcher Empfindungen und Gefühle ist er bis heute fähig?“ (Aebli 1987, 290)
Dabei geht es nicht nur um das Können und Wissen, das im Fach „Wirtschaft/Politik“ in der Realschu-
le erworben wurde, sondern auch um Grundfertigkeiten, wie z. B. Rechnen, Schreiben und Lerntech-
niken, aber auch ethisch-moralische Fähigkeiten. Wie die Praxis zeigt, haben die Lernenden im Laufe
ihrer mindestens zehnjährigen Schulzeit sehr unterschiedliche Eintrittsvoraussetzungen für das
Fachgymnasium entwickelt, die zunächst auf eine gemeinsame Basis zu stellen sind. Dafür hat die
allgemeine Didaktik verschiedene Lösungsansätze entwickelt.
Wolfgang Klafki hat für die gymnasialen Oberstufe sowie für alle anderen Bildungsgänge in der
Sekundarstufe II - einschließlich der berufsbildenden Schulen - den Einsatz von Schlüsselproblemen
gefordert (vgl. 1993, 72). Durch Schlüsselprobleme wird im Unterricht Allgemeinbildung vermittelt
(siehe auch Abschnitt 4.1.1). Die Lernenden entwickeln an bestimmten Themen „ein geschichtlich
vermitteltes Bewußtsein von zentralen Problemen der Gegenwart und - soweit voraussehbar - der Zu-
kunft “ (ebd., 56) und gewinnen die Einsicht, dass sie an ihrer Bewältigung mitwirken sollten. Damit
verbindet Klafki den problemorientierten Ansatz mit der Forderung nach lebensnahen Situationen, die
qualifizierend sind. Klafki beschreibt eine aus seiner Sicht unvollständige Liste von epochaltypischen
Inhaltsproblemen: Frieden, Umwelt, gesellschaftlich produzierte Ungleichheit, Chancen und Risiken
der neuen technischen Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsmedien im Hinblick auf die
Weiterentwicklung des Bildungs- und Beschäftigungssystems und die Ich-Du-Beziehung. (vgl. ebd.,
56)
„Die Anzahl solcher Schlüsselprobleme ist keineswegs beliebig erweiterbar, sofern man das
Kriterium beachtet, daß es sich um epochaltypische Strukturprobleme von gesamtgesellschaftlicher,
meistens sogar übernationaler bzw. weltumspannender Bedeutung handelt, die gleichwohl jeden
einzelnen zentral betreffen. Mit dem Stichwort ‚epochaltypisch’ wird zugleich angedeutet, daß es sich
um einen in die Zukunft hinein wandelbaren Problemkanon handelt. Jedoch darf der Vorschlag
keinesfalls als Plädoyer für das Bemühen um ‚Aktualität’ im gängigen, vordergründigen Wortsinne
139
mißverstanden werden.“ (ebd., 60 f.) Klafki führt weiter aus, dass über solche Schlüsselprobleme ein
weitestgehender Konsens z. B. durch „Curriculum-Kommissionen“ (ebd., 61) erreicht werden sollte.
Dabei sollte im Hinblick auf die Lösung dieser Probleme weitestgehend Offenheit herrschen. (vgl.
ebd., 61) In der Auseinandersetzung mit solchen Schlüsselproblemen geht es Klafki aber neben der
bereits von mir im vorherigen Abschnitt beschriebenen Entwicklung von Stoffkategorien auch um die
unterrichtliche Ausrichtung am Lernenden.
Unterrichtsorganisatorisch versucht Klafki, in der Ableitung von gesellschaftlich allgemein
anerkannten Schlüsselproblemen eine inhaltliche Eingrenzung von Unterricht vorzunehmen, die nicht
an bestimmte Fächer gebunden ist (vgl. ebd., 43 ff. und 154). „Der Problemunterricht über Schlüssel-
probleme“ ... „muß dabei als verbindlicher curricularer Kernbestandteil gelten“ ... „Außerhalb des
Schlüsselproblem-Unterrichts ist es auch notwendig, daß der Aufwachsende die Möglichkeit erhält,
sich auf der Basis einer relativ breiten Grundbildung für Schwerpunktsetzungen zu entscheiden“.
(ebd., 73) Klafki bestätigt damit nochmals die Grundidee der neu gestalteten gymnasialen Oberstufe,
die über die Leistungskurse eine Spezialisierung ermöglichen soll.
Im Grundlagenteil zum neuen noch nicht vollständig erstellten Lehrplan der Fachgymnasien wird
gefordert, das Unterrichtsinhalte an den Kernproblemen „Grundwerte, Erhalt der natürlichen Lebens-
grundlagen, Strukturwandel, Gleichstellung und Partizipation“ (Ministerium für Bildung, Wissen-
schaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1998 a, 5 f.) auszurichten sind. Das
verdeutlicht den Bezug zu Klafkis Schlüsselproblem-Ansatz. Schlüsselprobleme sind sicher für die
allgemeine gymnasiale Oberstufe sinnvoll, wo miteinander vertraute Lernende und Lehrende in vielen
Jahren zusammen lernen und wo Fächer der Unter- und Mittelstufe in der Oberstufe durch die
„Umwandlung“ in Leistungskurse einen neuen Schwerpunkt und besonders auch Motivationsschub
benötigen. Im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - scheint dieses jedoch nicht angebracht zu
sein. Hier treffen sich neue Gruppen, meist Spätentwickler, deren Lernmethodik und Arbeitstugenden
noch unvollkommen ausgeprägt sind und die häufig keine oder sehr unterschiedliche Kenntnisse aus
dem „Wirtschaft/Politik“-Unterricht für die neuen Wirtschaftsfächer mitbringen. Ein weiterer
Kritikpunkt an Klafkis Ansatz ist, dass er durch die Schaffung des neuen „Faches“ Schlüsselprobleme,
das in Schleswig-Holstein letztlich dem Fach „Projektunterricht“ entspricht, andere Fächer in ihrer
Stundenzahl reduzieren muss. Damit widerspricht er seiner eigenen Forderung nach Beseitigung von
45- bzw. 90-minütigen Unterrichtseinheiten. Insgesamt scheint es, als habe man die früheren allge-
meinen Lernzielpostulate durch Kernprobleme ersetzt. Es ist heute nicht mehr ausreichend, im
Lehrplan Unterrichtsstoffe durch Kernprobleme und formale Kompetenzen zu beschreiben, da sich die
Lehrenden letztlich nur an den fachlichen Inhalten orientieren.
Hans Aebli nimmt im Gegensatz zu Klafki in seinem Vorschlag für die unterrichtliche Umsetzung
von Problemen in Lebenssituationen, einen stärkeren Bezug auf die Lernenden und auf die zu
lernenden Inhalte. Er versucht, eine Verknüpfung von Lebenspraxis und Theorie, also Situations-
und Wissenschaftsprinzip, herzustellen. „Das Modell eines parallel laufenden Doppelstranges von
Praxis und Theorie mit den Problem- und Anwendungsfeldern im ersten und den Theoriefeldern im
140
zweiten Bereich versucht, zwischen den polaren Auffassungen der handlungs- und der theorieorien-
tierten Lehrpläne und Lernziele zu vermitteln.“ (Aebli 1987, 14)
Aebli vertieft seine Ausführungen zum Doppelstrang von Theorie und Praxis: „Es gibt in jedem
Unterricht zwei große Gruppen von Lernvoraussetzungen: solche, die der Schüler aus seiner Alltagser-
fahrung mitbringt, und solche, die er im bisherigen Unterricht erworben hat. ... Verglichen mit den
Alltagserfahrungen sind die Ergebnisse des schulischen Lernens im Durchschnitt der Fälle blasser und
oberflächlicher. ... Häufig haftet ihnen eine papierene, theoretische, verbale Note an. Der Praktiker
spricht vom Schulwissen. Es ist wahr: dieses erweist sich oft als angelernt und wenig tragfähig.
Ähnliches kann man auch von Interessen, Werten und Gefühlen sagen, die sich nur im Umkreis der
Schule und des Unterrichts entwickelt haben. ... Demgegenüber hat die Alltagserfahrung große
Qualitäten. In ihr sind Theorie und Praxis, Wissen und Können eng verbunden. Erkenntnis und
Handeln bilden eine Einheit. Man weiß, was man wissen muß, um zu praktischen Zielen zu gelangen.
... Die Situationen und Vorgänge des Alltagslebens sind auch Ernstsituationen. ... Dies hat zur Folge,
daß die Alltagserfahrung die wichtigsten und tragfähigsten Lernvoraussetzungen liefert. Die Schule
muß sie nutzen. ... Durch den doppelten Bezug des Lehrplans auf die Alltagserfahrung als Vorausset-
zungsbereich und als Anwendungsbereich hat sich das einfache Bild eines nur auf seine eigenen
Ergebnisse aufbauenden Lernens kompliziert. Es genügt nicht, im Lehrplan zu zeigen, wie sich im
theoretischen Lernen Ergebnis an Ergebnis und in den praktischen Fächern Fertigkeit an Fertigkeit
reiht.
Das neue Bild setzt sich aus zwei Hauptsträngen zusammen: einem Theoriestrang und einem Strang
der Lebenspraxis. Wir stellen sie uns waagerecht nebeneinander herlaufend vor, über dem Praxisstrang
der Strang der schulischen Theorie. In regelmäßigen Abständen schöpft der theoretische Unterricht
seine Problemstellungen im Strom der praktischen Erfahrung.“ (ebd., 291 f.) Nachdem diese verarbei-
tet wurden, „konstituieren sich Elemente der Theorie. Wir nennen sie ‚Theoriefelder’. Am Ende
wendet sich die Theorie wieder dem Leben und der Praxis zu und sucht darin ihre Anwendung, ihre
Konkretisierung und ihre Verwirklichung. Das ist der große Ablauf.“ (ebd., 292 f.)
Auffällig sind die Ähnlichkeiten zwischen Aeblis Darstellungen und dem im Unterkapitel 4.3.1
beschriebenen Paradigma der vierfachen Anbindung der Wirtschaftsdidaktik. Aebli geht in seinem
Ansatz für die Lehrplankonstruktion zunächst von der schulischen Theorie aus, die in dieser Arbeit im
Abschnitt 4.3.1 durch die Entwicklung von Kategorien und Leitfragen beschriebenen wurde. Diese
können erst durch den scheinbaren Umweg über praktische Problemstellungen zu Bildungskategorien
werden, die Aebli „Theoriefelder“ nennt. Wenn die Lernenden die Bildungskategorien „verinnerlicht“
haben, können sie diese hoffentlich auch in neuen Lebenssituationen einsetzen, und damit wenden sich
nach Aebli die theoretischen Grundlagen wieder der Lebenspraxis zu und sichern den Transfer. (vgl.
ebd., 294)
Aebli beschreibt die inhaltliche Gestaltung von Lehrplänen und den Übergang zum Unterricht in drei
Punkten noch ausführlicher:
„(1) Die Lehrpläne müssen die Problemfelder angeben, in denen wir die Fragestellungen suchen.
141
(2) Sodann müssen sie die Theorien, das heißt die Begriffe, die Operationen und die Verfahren
definieren, die im Zuge der Problemlösungen theoretisch konstruiert werden. So konstituieren und
vertiefen sich die Theoriefelder. Sie stellen die herkömmlichen Einheiten dar, welche die Lehrpläne
angeben.
(3) Das Dritte sind die Anwendungsfelder. Die Lehrpläne müssen sagen, in welchen Bereichen die
gewonnenen Handlungs- und Erkenntnisschemata angewendet werden sollten. Natürlich werden die
Anwendungsfelder häufig mit den Problemfeldern übereinstimmen.“ (ebd., 295)
Für die Entwicklung von Lehrplänen ist Aeblis Ansatz durchaus geeignet, wobei aber auch die Gefahr
gesehen werden sollte, dass der Lehrplan durch einen übermäßigen Bezug auf Problemfelder zu einem
Phänomenkatalog missraten kann und der elementare und typische Ansatz des Bezugsbereichs nicht
zum Ausdruck kommt. Während es für Lehrpläne durchaus sinnvoll ist, die theoretischen Grundlagen
voranzustellen, sollte die Schrittfolge im Unterricht - von Problemstellungen aus dem Alltagsleben
ausgehend - über Differenzierung zur Integration von Theorie und Praxis fortfahren (vgl. ebd., 294).
Wenn Schulstunden allzu häufig deduktiv beginnen würden, käme es zu erheblichen Motivationsprob-
lemen bei den Lernenden.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Rolf Dubs, der, wie bereits im Abschnitt 4.3.2 beschrieben,
für Lehrpläne eine fachsystematische Darstellung und für den Unterricht eine Problemorientie-
rung fordert und diese weiter differenziert beschreibt. Auf den unteren Schulstufen, also besonders bei
der Einführung in neue Gebiete, kommt dem Einüben von Grundfertigkeiten und dem Erlernen der
basalen Teilbereiche von Bildung, die im Abschnitt 4.1.1 beschrieben wurden, eine zentrale Bedeu-
tung zu. (vgl. Dubs 1995 a, 283) „Ob es effizient ist, das Erlernen von Grundfertigkeiten in Probleme
einzubauen, ist eher fraglich, denn die Gefahr ist gross, dass beim Einbau die notwendigen Übungen
eher vernachlässigt werden. Dies führt viele Vertreter dieses Ansatzes zum Entscheid, neben dem
problemorientierten Lernen traditionelle Kurse anzubieten, in denen die Grundfertigkeiten in
traditioneller Weise (z. B. nach den Erkenntnissen des kognitiven Behaviorismus) eingeübt werden.“
(ebd., 283)
Den kritischen Anmerkungen von Rolf Dubs zum Erlernen von Grundfertigkeiten an Problemen ist
entgegenzuhalten, dass der Vorteil, die Lernenden über Probleme zu motivieren, genutzt werden
sollte, um bei ihnen bereits in einem frühen Stadium Strukturwissen zu erzeugen und das selbstgesteu-
erte Lernen zu fördern. Es ist nur die Frage, welchen Grad von Komplexität die Problemstellungen im
Anfangsunterricht, also in der 11. Jahrgangsstufe, haben sollten. Das steht nicht im Widerspruch zur
Übungs- bzw. Anwendungsverpflichtung. An Problemen entwickeltes Wissen muss entsprechend den
Erkenntnissen der Lernpsychologie an neuen Situationen gefestigt werden. Es ist richtig, dass eine
Aneinanderreihung von Problemen und Lösungen nicht zu hinreichenden Lernerfolgen führen kann.
Daher müssen die „Standardprobleme“ zunächst durch Variationen und Systematisierungen in der
Form von „herkömmlichem“ Unterricht ergänzt werden. In dem dann folgenden neuen Standardprob-
lem sollten bereits früher behandelte Probleme enthalten sein, die von den Lernenden hoffentlich
142
erkannt werden. Erst durch diesen Ablauf ist die Transferwirkung gesichert, und die Lernenden
entwickeln vielleicht ein Verständnis für die Komplexität von Wirtschaft. Damit ist gleichzeitig eine
ständige Lernerfolgskontrolle gewährleistet, und die Lehrenden können bei den Lernenden rechtzeitig
entstandene Lücken erkennen und ggf. ergänzen. Um Probleme zu lösen, muss man sie zunächst
erkennen. Heute besteht aufgrund der komplexen Welt ein permanentes „Erkenntnisproblem“. Die
Lernenden müssen „das Sehen von Problemen“ lernen. Ob hierfür Dubs’ „Disziplinenlernen“ der
richtige Weg ist, hängt sicherlich im besonderen Maße von den methodischen Fähigkeiten der
Lehrenden ab.
Die erziehungspraktischen Ansätze von Klafki, Aebli und Dubs geben erste Hinweise für den
pädagogischen Ansatz der Persönlichkeitsentwicklung und seine erziehungspraktische Umsetzung im
Unterricht. Die Entwicklung einer fachgymnasialen Wirtschaftsdidaktik erfordert aber neben
Methodenvielfalt, Problemorientierung, Situationsansatz und der Berücksichtigung des individu-
ellen Entwicklungsstandes (siehe auch Abschnitt 4.2.2) eine noch tiefergehende Ausrichtung an
den Lernenden. Diese lässt sich in drei Bereiche gliedern. Persönlichkeitsbildung beinhaltet auch:
• mit Lerntechniken vertraut zu sein,
• ein kritisches und selbstreflektierendes Denken,
• eine berufliche Orientierung zu entwickeln.
Bei den Lerntechniken geht es neben der Vermittlung von Arbeitstechniken darum, den Lernenden
die Fähigkeit zu vermitteln, sich selbstständig ein neues Sachgebiet zu erarbeiten und die von Albers
beschriebenen Arbeitstugenden zu entwickeln (siehe auch Abschnitt 4.3.1). Für diese Qualifikation
müssen bereits mit Beginn der 11. Jahrgangsstufe in allen Fächern des Fachgymnasiums Grundlagen
in Arbeits- und Lerntechniken vermittelt werden. Diese sollten spätestens bis zur Hälfte der Schulzeit
bei den Lernenden soweit ausgeprägt sein, dass ein selbstgesteuertes Lernen möglich ist (vgl. Bönsch
1991, 78 ff. und Dubs 1995, 263 ff.). Die im Abschnitt 4.3.1 entwickelten Leitfragen sollten als
„kognitives Werkzeug“ verstanden werden, das in bestimmten Lebenssituationen verwendet werden
kann. „Auch bei einem Werkzeug reicht es nicht aus, daß man weiß, was es ist; man muß zusätzlich
wissen, wie man damit umgeht.“ (Mietzel 1998, 205) Die Lernenden müssen das in Abschnitt 4.1.2
beschriebene deklarative und prozedurale Wissen „durch aktives Sammeln von Erfahrungen in jenen
besonderen Situationen erwerben, in denen ein Werkzeug eingesetzt werden soll“ (ebd., 205). Wie
ebenfalls bereits in Abschnitt 4.1.2 beschrieben wurde, gelingt der Transfer von Erlerntem nur, wenn
es sich um authentische Situationen handelt, d. h. Konstellationen, die die Lernenden im täglichen
Leben jetzt oder in der Zukunft vorfinden. Es ist daher erforderlich, den fachgymnasialen Ökonomie-
unterricht noch stärker an spezifischen Problemsituationen zu orientieren.
Die Lernenden sollten weiterhin bereits in den ersten Unterrichtsstunden dazu angehalten werden,
ein kritisches und selbstreflektierendes Denken einzuüben. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die
vermittelten fachbereichsbezogenen Ansätze und im Zusammenhang mit sozialem Lernen. Hierbei
sollten auch immer wieder ethisch-moralische Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
143
Die Berufswahlvorbereitung, die zur Zeit im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nur
mittelbar über die beiden profilgebenden Fächer thematisiert wird, sollte unmittelbarer Gegenstand des
Unterrichts werden. Hier muss bereits in der 11. Jahrgangsstufe mit konkreten unterrichtlichen
Themenbereichen und Strukturen, wie sie im Unterkapitel 4.2 dargestellt sind, auf die Berufswahlvor-
bereitung eingegangen werden.
Gemeinsam ist den sieben pädagogischen Zielen Methodenvielfalt, Problemorientierung,
Situationsbezug, Berücksichtigung des individuellen Entwicklungsstandes, Lerntechniken,
kritisch-selbstreflektierendes Denken und Berufswahlvorbereitung die Anbindung an den
fachlichen Bezugsbereich. Mit anderen Worten: Die Lernpsychologie hat nachgewiesen, dass sich die
beschriebenen Ausprägungen der Persönlichkeitsentwicklung bei den Lernenden auf erziehungsprak-
tischer Ebene nur wirkungsvoll entwickeln, wenn sie über den fachlichen Bereich transportiert
werden. Während Methodenvielfalt, Problemorientierung, Situationsbezug, Lerntechniken und das
kritisch-selbstreflektierende Denken in jedem Unterrichtsfach realisierbar sind, braucht die Berufsvor-
bildung einen festen, unmittelbaren Bezugsbereich, da sie inhaltlich nicht über jedes Fach ausreichend
transportiert werden kann (siehe auch Abschnitt 4.2.2). So orientieren sich z. B. der Berufswahlpro-
zess und die Darstellung unseres Bildungssystems an konkreten Problemstellungen der Arbeits- und
Berufswelt. Die eindeutige Zuordnung zum ökonomischen Bereich gewährleistet hinreichend Themen
für die fachliche Verknüpfung und ausreichend Unterrichtszeit für deren Umsetzung.
Bei der Lehrplangestaltung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sollten die sieben
pädagogischen Bezugsbereiche Methodenvielfalt, Problemorientierung, Situationsbezug, Berücksich-
tigung des individuellen Entwicklungsstandes, Lerntechniken, kritisch-selbstreflektierendes Denken
und Berufswahlvorbereitung besonders berücksichtigt werden, damit die Persönlichkeitsentwicklung
der Lernenden gefördert wird. Diese sieben pädagogischen Problembereiche werden hier unter den
beiden Begriffen „Motivations- und Methodikproblem“ zusammen gefasst. Das Methodikproblem
besteht sowohl bei den Lernenden als auch bei den Lehrenden. Die Lehrenden müssen den Umfang
des traditionellen Frontalunterrichts verringern und verstärkt komplexe schüleraktive Lernformen
einsetzen. Das erfordert u. a. Hilfen durch unterrichtsbezogene Hinweise im Lehrplan. Die Schülerin-
nen und Schüler haben ein Methodikproblem, weil sie nicht im Umgang mit Lerntechniken, selbstge-
steuertem Lernen, ... vertraut gemacht werden. Insgesamt führt das Methodikproblem zu Motivations-
defiziten. Diese könnten bei den Lernenden abgebaut werden, indem sich der Unterricht an situativen
Problemen orientiert, die auch im Lehrplan ausgewiesen werden. Damit die Transfermöglichkeiten
den Lehrenden deutlich werden und bei den Lernenden steigen, sollte Aeblis Strukturierung in
Problem-, Theorie- und Anwendungsfeldern in den Lehrplänen übernommen werden.
144
4.3.2.2 Wissenserweiterung als ökonomische Perspektive
Während im vorherigen Unterabschnitt die pädagogische Perspektive unter dem Primat der ent-
wicklungs- und erkenntnisstandsorientierten Persönlichkeitsbildung behandelt wurde, geht es in
diesem Unterabschnitt um die inhaltliche Bestimmung eines komplexen Verständnisses von Ökono-
mie. Eine Analyse der zur Zeit im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - verwendeten horizontal
aufgebauten, ökonomiebezogenen Lehrpläne (siehe auch Abschnitt 2.3.2) zeigt, dass die Auswahl und
Systematik der Themen im Fach „Wirtschaftstheorie und -politik“ einen volkswirtschaftlichen
Schwerpunkt hat, der an der fachwissenschaftlichen Systematik und Vollständigkeit ausgerichtet ist
und bis auf die allgemeinen Lernziele keine pädagogischen und fachlichen Hilfestellungen bietet. Es
wird nicht ersichtlich, welches die durchgängig leitende Struktur für die Auswahl der volks- und
betriebswirtschaftlichen Teilbereiche ist und welche methodischen Ansätze sich für die unterrichtliche
Umsetzung besonders eignen.
Die betriebswirtschaftlichen und besonders die „berufsbezogenen“ Inhalte sollen durch das Fach
„Rechnungswesen“ mit seinen Schwerpunkten in Buchführung und Kostenrechnung vermittelt
werden. Hierzu nahm Alois Köstel bereits vor über vierzig Jahren kritisch Stellung: „Das ‚Wirtschaft-
liche Rechnungswesen‘ kann in einem Wirtschaftsgymnasium kein eigenes Fach beanspruchen. ... Wir
gehen zwar nicht soweit wie Wilhelm Hasenack, der die Pflege wirtschaftlicher Verfahrenstechniken
ganz als eine ‚untunliche verfrühte Spezialisierung‘ in einem Wirtschaftsgymnasium ablehnt, sondern
fordern eine zurückhaltende Beschränkung des Stoffes und der Fertigkeitsübungen auf das unbedingt
Notwendige, und zwar in der Weise, daß das Wirtschaftliche Rechnungswesen nur insoweit in den
Lehrplan einzubeziehen ist, als das Rechenhafte und Verfahrenstechnische, insbesondere die Buchfüh-
rungsdoppik, zum Verständnis und zur Vertiefung ökonomischer Sachverhalte dient. Diesem Anliegen
wird man am besten gerecht, wenn bestimmte wichtige Gebiete des Wirtschaftsrechnens direkt an
geeignete betriebswirtschaftliche Lehrgegenstände angefügt und das System der Doppik bis zum
mittleren Schwierigkeitsgrad kursorisch in der Unter- und Oberprima im Betriebswirtschaftsunterricht
gelehrt wird.“ (Köstel 1959, 46)
Köstels Kritik am Rechnungswesen trifft auch heute noch den Kern des Problems und kann für das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - tiefergehend konkretisiert werden. Das Schulfach
„Rechnungswesen“ hat seine leitenden Strukturen und Arbeitsweisen aus einem heute nicht mehr
zeitgemäßen kaufmännischen Berufsverständnis übernommen. Die Bereiche Buchführung und
Kostenrechnung werden im Fachgymnasium so behandelt, als wenn ein kaufmännischer Berufsab-
schluss angestrebt würde. Da sie Teile der beruflichen Ausbildung vorwegnehmen, ist das Fach nicht
mit den Zielen des Fachgymnasiums (siehe auch drittes Kapitel) vereinbar. Das Rechnungswesen
sollte betriebswirtschaftliche Strukturen und Steuerungsmöglichkeiten vermitteln. Dabei kann die
Einführung in die Buchführung und Kostenrechnung durch ihre stringenten Arbeitsabläufe und -logik
einen positiven Beitrag zur Vermittlung von Arbeitstugenden leisten. Entsprechend den fachgymnasia-
len Zielen sollte die Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden gefördert und ökonomische Basis- 145
kenntnisse erworben werden (siehe auch drittes Kapitel). Diese Forderungen könnten eingelöst
werden, wenn die in der Wirtschaftspädagogik bereits entwickelten komplexen Lernarrangements (z.
B. Preiß 1994) mit Ansätzen der Berufsvorbildung (siehe Abschnitt 4.2.2) kombiniert würden. Vorher
müssten die grundlegenden Inhalte für beide profilgebenden Fächer über die Kategorien zusammen-
hängend bestimmt werden, um darauf aufbauend eine Fächerstruktur für den ökonomischen Bereich
zu entwickeln (siehe auch Unterkapitel 5.1).
Für die Lösung des Inhaltsproblems von ökonomischer Bildung hat die Wirtschaftsdidaktik/-
pädagogik eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, von denen im Folgenden nur diejenigen beschrieben
werden, die für die Entwicklung eines fachgymnasialen Konzeptes genutzt werden könnten und die
eine Einbeziehung des im Abschnitt 4.3.1 beschriebenen kategorialen Ansatzes ermöglichen.
Nach Erich Dauenhauer steht „kategoriale Wirtschaftsdidaktik vor einer vierfachen Aufgabe:
1. die der jeweiligen wirtschaftlichen Positivität innewohnenden Kategorien herauszupräparieren;
2. ein möglichst vollständiges Netz von Wirtschaftskategorien zu beschreiben;
3. exemplarische Inseln zu entdecken, deren Tiefenverwandtschaften größere Transferreichweiten
herstellen und damit Zeit sparen und
4. bereichsspezifische Verknotungsprofile zu erkennen.
Bei einem deduktiven Vorgehen stünde Aufgabe 2 am Anfang; demnach wäre die Reihenfolge: 2 4
3. Induktiv wäre ein Vorgehen 1 4 2 3.“ (1997 b, 133) Damit wäre die Vorgehensweise
bei dem im Unterabschnitt 4.3.1.2 beschriebenen und erweiterten kategorialen Ansatz von Kruber
deduktiv. Aufgrund der Komplexität des ökonomischen Bereichs scheint die von Dauenhauer
beschriebene induktive Ermittlung von Kategorien für die praktische Umsetzung nicht geeignet zu
sein. Sie würde zu ähnlichen Problemen führen wie Robinsohns curricularer Lebenssituationsansatz.
Für die unterrichtliche Umsetzung eines wirtschaftsdidaktischen Konzeptes sollten nach Dauen-
hauers Vorstellungen „Lerninseln“ (ebd., 148) gebildet werden, deren elementare Erkenntnisse auf
andere Bereiche transferierbar sein sollten. Unter Lerninseln versteht er so etwas, wie es Hans
Kaminski (1994 b) in seinem Aufsatz am Beispiel der Institution „Markt“ beschrieben hat. Lerninseln
umfassen unter Berücksichtigung der Neuen Institutionenökonomie „neben ‘sozialen’ Systemen
(Staat, Verbände, Unternehmen, Familie u. a.) auch Verhaltensregeln (Traditionsnormen, Spiel-
Regeln, Gesetze usw.) und Entscheidungssysteme (Märkte, politische und bürokratische Prozesse).“
(Dauenhauer 1997 b, 203) Lerninseln sind „nicht primär vom Methodenarsenal her zu bestimmen ...
(man hält sich sonst an Beispiele, für die z.B. gerade ein rechnerflottes Planspiel vorliegt).“ (ebd., 206)
„Welche Lerninseln dafür geeignet sind, kann nicht unabhängig von den Lerngruppen und Unter-
richtsmedien entschieden werden, so daß hier keine tiefergehenden Angaben gemacht werden
können“. (ebd., 148) Was Klafki mit der Vermittlung von Schlüsselproblemen versucht, das ist bei
Dauenhauer die Bildung von Lerninseln. Der Unterschied zwischen beiden Ansätzen liegt darin, dass
Klafki für die Auswahl der Schlüsselprobleme Kriterien bestimmt und auch Themenbereiche nennt.
Unterrichtsorganisatorisch stellt Klafki den Schlüsselproblemunterricht neben die „traditionellen“
146
Fächer (siehe auch Unterabschnitt 4.3.2.1), während Lerninseln den fachspezifischen Unterricht neu
strukturieren sollen.
Für die Gestaltung von Lehrplänen schlägt Dauenhauer vor, dass
• sie an Wirtschaftskategorien auszurichten sind, und zwar mit Hilfe von Lerninseln, die ein
exemplarisches Vorgehen ermöglichen,
• kurze Vorgaben ein „höheres Potential“ haben und nicht durch methodische Fixierungen zu
ergänzen sind,
• das Nennen von Bildungszielen überflüssig ist, weil sie meistens zu abstrakt sind,
• auf fächerübergreifende Lernmöglichkeiten hinzuweisen ist. (vgl. ebd., 206 f.)
Dauenhauers wirtschaftsdidaktischer Ansatz fordert in dreifacher Weise zur Kritik heraus:
• Mit dem kategorialen Ansatz besteht die Möglichkeit, zentral bedeutsame Lerninseln für den
ökonomischen Bereich unabhängig von den Lerngruppen und besonders von Unterrichtsmedien
abzuleiten. Denn die ökonomischen Kategorien sollten so allgemein gestaltet sein, dass sie zu-
nächst das Typische und Elementare des Ökonomischen darstellen. Mindestens die grundlegenden
und einführenden Lerninseln sind daher von der Lerngruppe unabhängig.
• Obwohl Dauenhauer mit den wirtschaftsbezogenen Lerninseln ähnlich wie Klafki mit den
allgemeinen Schlüsselproblemen bildungsrelevante Gebiete bestimmen möchte, beschreibt er im
Gegensatz zu Klafki nicht den dabei auftretenden Konflikt in der Bestimmung von Breite und
Tiefe des Stoffgebietes. Erst mit der Diskussion um den Stoffumfang entstehen die von ihm be-
schriebenen Abhängigkeiten zur Lerngruppe und den Unterrichtsmedien.
• Ein Lehrplan, der auf die Nennung von Bildungszielen verzichtet, erschwert die Transparenz und
die Einarbeitung der Lehrenden. Durch die Angabe von Bildungszielen, die auch um konkrete
fachliche und methodische Hilfestellungen ergänzt werden, können die Lehrenden sich intensiver
mit der unterrichtlichen Umsetzung befassen. Dabei greift der schlichte Hinweis auf fächerüber-
greifende Lernmöglichkeiten bei einer Lerninsel zu kurz. Trotz Ableitungsproblematik sollten
allgemeine Lernziele offengelegt werden und den Lerninhalten vorausgehen, denn nur dadurch
kann die Informationsüberflutung reduziert werden (vgl. Westphalen 1979, 78).
Insgesamt knüpft Dauenhauers Konzept an einen bewährten pädagogischen Unterrichtsgrundsatz an,
„Inseln der Gründlichkeit“ zu bilden, und steht damit in enger Beziehung zu Klafkis Forderung
exemplarischen Arbeitens. Diese notwendige Bedingung wird aber erst durch die Berücksichtigung
der Systematik des Fachgebietes zu einem erfolgreichen unterrichtspraktischen Konzept. Bis auf
wenige Hinweise zu unterrichtlichen Themen aus der Neuen Institutionenökonomie bleibt Dauenhau-
ers Auswahlsystematik für die ökonomischen Themen unklar.
Hans-Carl Jongebloed und Martin Twardy versuchen die Kriterien für die Auswahl von
ökonomischen Themen genauer zu beschreiben. Themen sollen unter Beachtung des Schultyps aus
vier Bereichen gewählt werden: 147
• aus der Tradition,
• dem außerberuflichen Wirkungsraum,
• dem beruflichen Wirkungsraum und
• den Inhalten der Wissenschaften. (vgl. 1983, 190 ff.)
Jongebloed/Twardy heben besonders hervor, dass ihr Ansatz nicht zu einer reinen Wissenschaftsorien-
tierung des Unterrichts degenerieren soll. Diese dient lediglich der Verallgemeinerung von realen
Problemen. Gleiches gilt auch für die Tradition, die häufig unreflektiert über Generationen fortgeführt
wird. (vgl. ebd., 192 f.)
Hans Bokelmann beschreibt ebenfalls vier ökonomische Wissensbereiche, aus denen Unterrichtsin-
halte auszuwählen sind:
• historisch-politisches Wissen,
• gesellschaftlich-strukturelles Wissen,
• praktisch-betriebliches Wissen,
• theoretisch-begriffliches Wissen. (vgl. 1975, 131 ff.)
Die von Bokelmann beschriebenen Bereiche decken sich weitgehend mit den Anforderungen von
Jongebloed/Twardy. Der Vorteil von Bokelmanns Ansatz liegt aber darin, dass er allgemeiner
ausgerichtet ist und sich nicht so sehr auf den kaufmännischen Berufsbereich bezieht.
Das Problem der beiden Ansätze ist darin zu sehen, dass keine tiefergehende strukturelle und
inhaltliche Konkretisierung der ökonomischen Themen vorgenommen wird. Andererseits wird hier
aber eine erste Struktur für die Suche nach Themenbereichen zur Verfügung gestellt. Im Folgenden
werden wirtschaftsdidaktische Modelle beschrieben, in denen die Themenauswahl umfassender
beschrieben wurde.
Hans Kaminski (1996) entwickelt ein Lehrplankonzept für das Fach „Wirtschaft“ in den allgemein-
bildenden Gymnasien unterhalb der Oberstufe, das besonders die neueren Entwicklungen in der
Volkswirtschaftslehre berücksichtigen soll. Über die Beschreibung einer kategorialen Wirtschaftsdi-
daktik gelangt er zu der leitenden Kernaussage, dass die „Wirtschaftsordnung als Bezugsrahmen für
die inhaltliche Bestimmung eines Faches Wirtschaft“ (Kaminski 1996, 23) eine zentrale Bedeutung
hat. Kaminski versucht auch in Lernziel- und Inhaltskatalogen die Neue Institutionenökonomie als
Rahmen einzubeziehen. Doch können sich aufgrund der Ausrichtung an der Wirtschaftsordnung die
angestrebten Bildungskategorien vermutlich erst am Ende des vierjährigen Unterrichts bei den
Lernenden entwickeln. Auffallend ist auch, dass dieser Lehrplan große Teile des Unterrichtsstoffes der
fachgymnasialen Oberstufe enthält. Wenn Kaminski bereits ab der siebenten Klasse alle nach
heutigem Verständnis wichtigen Themenbereiche bis zur zehnten Klasse behandelt, bleibt ihm für die
Oberstufe nur eine Fortführung des Unterrichts in fachwissenschaftlicher Form, oder er wiederholt
Themen und erweitert sie in der Form eines Spiralcurriculums.
148
Ein weiteres Problem dürfte in der Beziehung von Lehrplan und Lehrenden liegen. Der Lehrplan
vermittelt den Lehrenden nicht unbedingt die neue institutionenökonomische Sichtweise, mit der der
konkrete Unterricht durchzuführen ist. Die Verknüpfung von Erziehungstheorie und -praxis kann mit
diesem Ansatz nur erreicht werden, wenn die Lehrenden die Gedanken der Neuen Institutionenöko-
nomie bereits in die ersten Unterrichtsstunden einbringen und Wirtschaft nicht nur als Volkswirt-
schaftslehre begreifen. Daher wären hier tiefergehende fachliche und pädagogische Hinweise
erforderlich. Ein Hinweis auf Materialsammlungen wie die von Kaminski (1994 b und 1997) zum
Thema „Markt“ kann vermutlich nicht die neue Ausrichtung im Unterricht bewirken. Die Lehrenden
könnten ohne Zusatzinformationen bei diesem Lehrplan auch leicht zu dem Ergebnis kommen, es
hätte sich nichts gegenüber den bisherigen Lehrplänen geändert oder es müssten allenfalls ein paar
schüleraktive Aktionsformen aus neueren Methodikbüchern wie z. B. aus denen von Weitz (1998),
Kaiser/Kaminski (1994) oder Steinmann/Weber (1995) in den Unterricht eingefügt werden. Dieser
horizontal strukturierte Lehrplan würde vermutlich auch durch Literaturangaben und Methodiknen-
nungen nicht unbedingt die von Kaminski selbst geforderte neue ökonomische Bildung bewirken. An
diesem Ansatz wird deutlich, dass für die Lehrplangestaltung die thematische und lernzielorientierte
Struktur nur eine notwendige Bedingung ist, die erst durch eine daran unmittelbar anknüpfende
erklärende sachliche und methodische Struktur zur hinreichenden Bedingung wird.
Rolf Dubs beschreibt für die Schweizer Gymnasien einen Ansatz von ökonomischer Bildung, der
Parallelen zu Kaminskis Lehrplan aufweist, aber diesen auch indirekt kritisiert und erweitert. Er trennt
zunächst wirtschaftsberufliche Bildung von der Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses
(vgl. 1985 a, 65). Letztere wird im schweizerischen „Wirtschaftsgymnasium“ durch eine Fächertren-
nung in Betriebs- und Volkswirtschaftslehre umgesetzt. Für die Volkswirtschaftslehre orientiert sich
Dubs nicht an der mikro- und makroökonomischen Forschung, „die immer abstrakter und modellhafter
wird“ (Dubs 1994 a, 21), sondern er geht auf die verschiedenen Situationen ein, in denen sich die
Lernenden zukünftig befinden könnten. Dieses sind die Situationen als Konsument, Mitarbeiter und
Wirtschaftsbürger. Daraus wird dann eine problemorientierte Strukturierung des Themengebietes
abgeleitet, die sich nicht streng an der wissenschaftlichen Gliederung orientiert und weitgehend auf
modelltheoretische und mathematische Betrachtungen verzichtet. Dubs’ Ziel ist, „mit Hilfe eines gut
strukturierten Begriffsgefüges, der Darstellung von grösseren Zusammenhängen und dem Aufwerfen
kontroverser Fragen eine Grundlage zu schaffen, die die Lernenden befähigt, sich im freien Urteil eine
eigene Meinung zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Problemen bilden zu können.“ (ebd., 21)
Daneben spielt auch die Entwicklung von Werthaltungen eine große Rolle, die zusammen mit den
bereits beschriebenen Zielen „die Beurteilungs- und Entscheidungsfähigkeit“ (ebd., 22) der Lernenden
„ausgewogener“ (ebd., 22) macht. Im einzelnen werden folgende Themenbereiche für den volkswirt-
schaftlichen Unterricht vorgeschlagen:
1. Grundlagen der Volkswirtschaftslehre,
2. Wohlstand, Wohlfahrt und Wachstum,
3. Wirtschaftsordnungen,
149
4. Ordnungs- und Strukturpolitik,
5. Geld,
6. Konjunktur und Wachstum,
7. Finanzwirtschaft,
8. Aussenwirtschaft ( vgl. ebd., 5 ff.).
Obwohl Dubs das Lehrplankonzept des Schalenmodells (siehe auch Abschnitt 4.3.2) als Grundlage
verwendet, hält er sich in seiner thematischen Umsetzung nur unzureichend an diesen Ansatz. Ebenso
wie Kaminski beginnt auch Dubs in seinem Lehrbuch frühzeitig mit den Themenbereichen „volkswirt-
schaftliche Gesamtrechnung“ und „Wirtschaftsordnung“. Diese Gebiete haben jedoch eine besondere
kategoriale Bildungsfunktion, die sich erst entfalten kann, wenn die Lernenden größere ökonomische
Zusammenhänge und Kenntnisse erfahren haben, die ihrerseits so frühzeitig und umfassend nicht
erfolgreich umzusetzen sind. Wenn man weiterhin einmal davon absieht, dass hier ausschließlich die
Volkswirtschaftslehre betrachtet wird, so überzeugt dieser Ansatz dadurch, dass auch ein Schülerbuch
(Dubs 1994 a) entwickelt wurde, in dem die volkswirtschaftlichen Theorien geschickt mit den Themen
verknüpft sind. Hier findet Aeblis Doppelstrangansatz, der im Unterabschnitt 4.3.2.1 beschrieben
wurde, eine praktische Anwendung. Dass sich durch die Trennung von Volkswirtschaftslehre und
Betriebswirtschaftslehre unterrichtliche Redundanzen ergeben, muss nicht unbedingt ein Nachteil
dieses Ansatzes sein.
Für den Betriebswirtschaftslehre-Unterricht beschreibt Rolf Dubs fünf grundlegende Problembe-
reiche, die bisher wenig beachtet wurden:
• Das Fach Betriebswirtschaftslehre wird fast ausschließlich unter dem Aspekt der beruflichen Arbeit
gesehen, d. h., der Unterricht orientiert sich an der betrieblichen Tätigkeit;
• die Stoffauswahl orientiert sich an computerunterstützten Arbeitsabläufen und hebt die Datenverar-
beitung als Lerngebiet einseitig hervor;
• dem Fach Betriebswirtschaftslehre liegt eine disziplinäre Objektbetrachtung zugrunde, statt sich an
einer interdisziplinären Managementlehre zu orientieren (siehe auch Unterkapitel 3.2);
• es wird nur wenig Begriffs- und Verfahrenswissen vermittelt;
• die Lernenden sind im Unterricht weitgehend zur Passivität verurteilt. (vgl. 1992, 251 f.)
Diese Punkte treffen weitgehend auch auf die Situation im betriebswirtschaftlichen Teil des Leis-
tungskurses und für den Grundkurs „Rechnungswesen“ des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig
- zu. Zur Beseitigung der beschriebenen Probleme plädiert Dubs in den Gymnasien für eine Bildung,
die das allgemeine Wirtschafts- und Gesellschaftsverständnis fördert, also zu einem „ganzheitlichen
Verständnis des Geschehens in der Unternehmung, dem Staat und der Gesellschaft“ (ebd., 253) führt.
Andererseits spricht er sich aber auch gegen die seit 1995 in der Schweiz einsetzende Entwicklung
einer stärkeren Themenzentrierung des Ökonomieunterrichtes an „Wirtschaftsgymnasien“ aus, da er
einen „Substanzverlust an ökonomischem Können“ (Dubs 1995 b, 13) befürchtet (siehe auch
150
Unterabschnitt 4.3.2.1).
Frank Achtenhagen u. a., die ebenfalls ein Konzept für das Fach „Betriebswirtschaftslehre“ in
Beruflichen Schulen entwickelt haben, beschreiben einen Vorschlag für die Themenfindung und -
strukturierung, wenn die Möglichkeit bestünde, ein völlig neues Curriculum zu entwickeln. Zunächst
solle in einer Einführungsphase ein von Achtenhagen u. a. entwickeltes Planspiel eingesetzt werden,
damit die Lernenden ein Grundverständnis von wirtschaftlichen Leistungsprozessen erhalten. Dieses
Planspiel vermittelt ganzheitliches und vernetztes Denken in betrieblichen Situationen. Im Anschluss
an diese Einführungsphase wäre dann der Übergang zu den einzelnen Fächern zu vollziehen.
Grundlage wären dabei „divergierende Problemstellungen und Perspektiven, jedoch bezogen auf einen
einheitlichen Erkenntnisstand“ (Achtenhagen/Tramm u. a. 1992, 112). Weiterhin fordert die Projekt-
gruppe um Achtenhagen ein ökonomisches Denken, das nicht an Schulfächergrenzen aufhört (vgl.
Preiß 1992, 47 ff.). Da das Ziel ihrer Arbeit die Verbesserung des Betriebswirtschaftslehreunterrichts
im bestehenden Fächerkanon war, werden zur Themenfindung einer neuen ökonomischen Bildung
keine umfassenden Beschreibungen vorgenommen.
Sowohl Achtenhagen als auch Dubs beschreiben in ihren Ansätzen einen Ökonomieunterricht, der so
organisiert ist, dass auf Theorieteile „Inseln“ (Dubs 1985 a, 65 ff.) der Anwendung folgen, die das
Gelernte auf konkrete Situationen übertragen. Hierbei legt die Projektgruppe um Achtenhagen
besonderen Wert auf motivierende Eingangssituationen, die gleichzeitig auch das von Dubs geforderte
ganzheitliche Verständnis des Ökonomischen berücksichtigen. Während die unterrichtliche Umset-
zung bei dem Göttinger Modell in einem zeitlich geblockten Planspiel erfolgt, das sich besonders auf
das Rechnungswesen bezieht und am Anfang des Unterrichtszeitraums stehen sollte (Preiß 1994),
versucht Dubs den betriebswirtschaftlichen Ansatz der systemorientierten Managementlehre, auf die
im Unterkapitel 3.2 eingegangen wurde, über „konventionellen“ Unterricht mit rechtlichen, ökologi-
schen und sozialen Schwerpunkten zu realisieren. In beiden Modellen ist der Gedanke der Markt- und
Preisbildung tragend. Daraus folgen zwangsläufig Überschneidungen zur getrennt betrachteten
Volkswirtschaftslehre, was für das ganzheitliche Verständnis von Ökonomie eher hinderlich ist.
Werner Sesink geht in seinem Konzept zur Entwicklung einer thematischen Struktur nicht vom
„gesellschaftlichen Rahmen“, wie ihn Kaminski und Dubs beschreiben, sondern vom Wirtschaftspro-
zess aus. Er versucht, die Wirtschaft zunächst in Teilbereiche bzw. Teilprozesse zu trennen und dort
das Typische und Grundlegende von Wirtschaft darzustellen.
„Wirtschaft hat die Gesellschaft zu versorgen. Von dieser simplen Aufgabenbeschreibung gehe ich
aus, wenn ich im folgenden das Gegenstandsfeld Wirtschaft thematisch zu strukturieren versuche. Zur
Erfüllung dieser Aufgabe geschieht folgendes: Dinge werden hergestellt, verteilt und konsumiert.
Hierzu ergibt sich eine Aufteilung des Feldes in die Bereiche
• Produktion,
• Verteilung,
• Konsumtion“ (Sesink 1994, 166).
151
Konsum und Verteilung können durch „Reproduktion“ (ebd., 166) einen Kreislauf entstehen lassen.
„Wichtig ist bei der Betrachtung dieser Struktur, daß die Bereiche nicht je für sich schon wirtschaftli-
che Bereiche darstellen, sondern erst in ihrem Zusammenhang miteinander. Denn erst im Zusammen-
hang kommt die Versorgungsaufgabe der Wirtschaft zum Ausdruck.“ (ebd., 166) Den genannten
Bereichen können folgende Formen, in denen sich das wirtschaftliche Handeln der Bereiche vollzieht,
zugeordnet werden:
• „Unternehmen (Produktion),
• Markt (Verteilung),
• Haushalte/Unternehmen (Konsumtion)“ (ebd., 167).
Neben der Unterteilung in „institutionelle Orte“ (ebd., 167) kann das wirtschaftliche Geschehen auch
auf drei unterschiedliche Subjekte oder „Rollen“ (ebd., 169) aufgeteilt werden:
• „Produzenten (Eigentümer/Mitarbeiter),
• Verkäufer/Käufer,
• Konsumenten.“ (ebd., 169)
Durch Sesinks Ansatz soll sich bei den Lernenden eine „kritisch-funktionale Bildung“ (ebd., 164)
entwickeln. Diese soll sich im Unterricht einerseits dadurch thematisieren, dass die Lernenden
erfahren, wie Teilsysteme im wirtschaftlichen Gesamtsystem funktionieren und ineinander greifen.
Auf der anderen Seite soll aber auch immer der gesellschaftliche Sinn von Wirtschaft kritisch
reflektiert werden. (vgl. ebd., 163) Es ist sicher richtig, dass mit diesem doppelten Ziel und den
entsprechenden Schemata wirtschaftsbezogene Inhalte thematisch eingeordnet werden können und
beurteilbar sind. Es fehlt aber eine umfassende Berücksichtigung der wirtschaftspolitischen Dimensi-
on.
Die aus der Dreiteilung abzuleitenden ökonomischen Themen und deren Abfolge im Unterricht wird
leider nur sehr kurz und abstrakt am Beispiel des Themas „Wirtschaft und Natur“ dargestellt. Es ist
durchaus zutreffend, wenn Dauenhauer über Sesinks Ansatz sagt, dass dieser in weiten Bereichen „auf
der Ebene funktionalen Wissens“ (Dauenhauer 1997 b, 212) stehen bleibt. Eine erziehungspraktische
Darstellung erfordert neben der Berücksichtigung der neueren Entwicklungen in der Institutionenöko-
nomie auch eine weitergehende und konkretere Thematisierung und Strukturierung. Insgesamt leistet
Sesinks Ansatz aber einen Beitrag zu der Erkenntnis, dass Ökonomie auch prozessual zu betrachten
ist.
Klaus-Peter Kruber beschreibt in seinem Ansatz Wirtschaft und Wirtschaften als
„Nutzen-Kosten-Optimierung in
komplexen Kreislaufzusammenhängen in einer
politisch gestalteten Wirtschaftsordnung“ (Kruber 1997, 66).
Mit dem ersten Drittel dieser Definition wird auf das Individuelle und Grundlegende des Wirtschaf-
tens eingegangen, was Adam Smith unter dem „Vernunftprinzip als Eigennutz“ umschreibt. Mit dem
zweiten Drittel der Definition wird auf die umfangreiche, vernetzte Struktur von Wirtschaft hingewie-
152
sen, die in Regelkreisläufen vorstellbar ist und das Prozesshafte, also das Dynamische des Wirtschaf-
tens und der Wirtschaft, beschreibt. Den Abschluss der Beschreibung von Wirtschaft bildet der
institutionelle Rahmen, den eine Gesellschaft aufgrund der Erfahrungen mit den beiden vorangegan-
genen „natürlichen“ Teilbereichen zur Beeinflussung dieser fixiert. Den praktischen Bezug erhält die
gesamte Definition auch dadurch, dass die Wirtschaftsordnung nicht an erster Stelle genannt wird.
Obwohl Krubers Ansatz volkswirtschaftlich ausgerichtet ist (siehe auch Unterabschnitt 4.3.1.2), eignet
sich diese Begriffsbestimmung gleichzeitig auch für die Berücksichtigung der Betriebswirtschaftslehre
und besonders der Wirtschaftspraxis.
Als Leitziel für seinen wirtschaftsdidaktischen Ansatz fordert Kruber „Entscheidungskompetenz in
ökonomisch geprägten Lebenssituationen“ (ebd., 57). Er bezieht sich dabei auf Franz-Josef Kaiser und
Saul B. Robinsohn. Mit Kaisers Ansatz (1976, 44 ff.) wurde bereits in den siebziger Jahren der Frage
nachgegangen, wie ökonomische Probleme methodisch zu bearbeiten sind. Hierbei stand das
Entscheiden anhand von Fällen (im weitesten Sinne) im Vordergrund der Betrachtungen. Robinsohn
(1975) hob den qualifikatorischen Aspekt eines Curriculums durch die Beschreibung von Lebenssitua-
tionen hervor (siehe auch Unterabschnitt 4.3.2.1). Aus der Verbindung dieser beiden Ansätze und der
beschriebenen Definition von Wirtschaften gelingt Kruber die Verknüpfung des pädagogischen und
ökonomischen Bezugsbereichs auf erziehungstheoretischer Ebene.
Für die unterrichtliche Umsetzung unterteilt Kruber wirtschaftliche Sachverhalte und Problemstel-
lungen in drei Teilbereiche, denen er mit Hilfe des Lebenssituationsansatzes drei Situationsfelder
zuordnet:
• die Arbeitswelt beinhaltet die Felder Arbeit und Beruf,
• der private Bereich steht für Konsum und
• der gesellschaftlich-politische Bereich beschreibt die Wirtschaftsgesellschaft. (vgl. Kruber 1994,
44)
Ein Vergleich zwischen Sesinks und Krubers Ansatz macht die Gemeinsamkeiten deutlich, zeigt aber
auch deren Unterschiede. Kruber bleibt bei den Darstellungen von Situationsfeldern auf einer höheren
Ebene, die es ihm erleichtert Themen für die unterrichtliche Umsetzung, zu bestimmen. Wenn Sesink
von Unternehmen, Märkten und Haushalten/Unternehmen als institutionellen Orten spricht und dann
die Subjektrollen als Produzenten, Verkäufer/Käufer bzw. Konsumenten bestimmt, führt das bei der
Suche nach Themenbereichen zwangsläufig zu Verwirrungen und Redundanzen.
Leider erweitert Kruber seinen Ansatz nicht durch die Darstellung einer erziehungspraktischen
Themenbereichssystematik. Aber in Anlehnung an seinen Ansatz erfolgt die Ableitung von Wirt-
schaftsthemen im Lehrplan „Wirtschaft/Politik“ für Haupt- und Realschulen des Landes Schleswig-
Holstein. Als ökonomische Themenbereiche und Themen werden hier genannt:
• 3. Konsumgesellschaft - Chancen und Herausforderungen mit den Themen:
1. Alle wollen nur mein Geld - Geld, Verbraucherschutz und Konsum.
153
2. Wer bestimmt die Preise? Markt, Wettbewerb und Wirtschaftspolitik.
3. Zwischen Wirtschaftlichkeit und Naturschutz - Lernort Landwirtschaft.
• 4. Frauen und Männer in Arbeit, Beruf, Betrieb und Gemeinwesen. Themen:
1. Wie gestalte ich meinen Berufs- und Lebensweg? Berufsorientierung.
2. Arbeiten und Entscheiden: Interessen und Konflikte in Betrieb und Gemeinwesen.
• 6. Wie gestalten wir Volks- und Weltwirtschaft? Themen:
1. Wettbewerbswirtschaft und Sozialstaatlichkeit - Spannungsfeld oder Ergänzung?
2. Weltwirtschaft - ein Geflecht von Konkurrenz, Abhängigkeiten und Zusammenarbeit.
(vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes
Schleswig-Holstein 1997, 18)
Die Lücken in der Aufzählung entstehen durch die Berücksichtigung von drei politischen Themenbe-
reichen, die in den Lehrplan „Wirtschaft und Politik“ einzufügen sind:
• 1. Wenige sind beteiligt, viele sind betroffen - Meinungsbildung in der Gesellschaft und Entschei-
dungsfindung in der Politik.
• 2. Wie gestalten wir unseren demokratischen Staat?
• 5. Wie können Menschen in einer von Konflikten geprägten Welt friedlich zusammenleben? (vgl.
Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
1997, 18)
Dem Vorteil einer systematischen und unterrichtspraktischen Darstellung, die durch weitere Beschrei-
bungen zu den Themen ergänzt werden, steht u. a. der Nachteil der additiven Verbindung mit den
Politik-Themenbereichen gegenüber. Für den durch politische Themenbereiche unterbrochenen
Wirtschaftsunterricht wird insgesamt ein Lehrplan nach dem Schalenmodell aufgebaut (siehe auch
Abschnitt 4.3.2). Er beginnt beim Individuum und dessen Konsum , führt über die Arbeitswelt zu den
Unternehmen und endet mit der globalen Lage in der Weltwirtschaft. Der Vorteil dieses Schalenmo-
dells ist, dass es unmittelbar an die Situation der Lernenden anknüpfen kann und so „vom Nahen zum
Fernen“ (z. B. bis hin zur Weltwirtschaft) aufgebaut wird. Damit erfüllt es die pädagogische Forde-
rung, an den Kenntnisstand und die Entwicklungssituation der Lernenden anzuknüpfen.
Durch eine weitergeführte vertikale Lehrplangliederung, deren Struktur bereits im Abschnitt 4.3.2
erläutert wurde, wird die Möglichkeit zur pädagogischen und fachlichen Erweiterung gegeben, die
jedoch nicht ausreichend genutzt wird, da neben allgemeinen Qualifikationen nur noch
Themenvorschläge genannt werden. Die methodisch hilfreichen Kategorien und Leitfragen (siehe auch
Abschnitt 4.3.1) werden ebenfalls nicht dargestellt. Zusätzlich wäre sicherlich auch eine deutliche
Beschreibung von Breite und Tiefe der Themen angebracht. Ein weiterer Nachteil des Konzeptes
besteht darin, dass gerade das Typische des Ökonomischen - die Nutzen-Kosten-Optimierung und das
Komplexe - nicht von Beginn an auch im Unterricht „transportiert“ werden müssen, wenn die
Lehrenden dieses nicht vermitteln können oder wollen.
154
Die unterrichtliche Anwendung dieses Lehrplans hat gezeigt, dass die Lehrenden dazu neigen,
einseitig, je nach persönlicher Interessenlage, entweder verstärkt Wirtschafts- oder Politikthemen zu
vermitteln und dabei die politische Institutionenkunde (Bundestag, ...) bevorzugen. Dieses konnte
sowohl durch indirekte Befragung von Lehrenden im Rahmen von Unterrichtshospitationen bei
Studentinnen und Studenten als auch durch Gespräche mit Realschülerinnen und -schülern, die die 11.
Jahrgangsstufe des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - besuchten, festgestellt werden.
Als Systematisierungshilfe für die Auswahl von Lehrplanthemen im Fachgymnasium - wirtschaft-
licher Zweig - ist weder die Einteilung der Wirtschaftswissenschaft in Volks- und Betriebswirtschafts-
lehre noch die der Berufspraxis in berufsspezielle, -feldbreite und -übergreifende Themen geeignet.
Der lebenssituationsbezogene Ansatz, der von der Wirtschaftspraxis ausgeht und damit eine Themen-
bereichsgliederung in „Konsum, Arbeit/Beruf“ sowie „Wirtschaftsbürger“ ermöglicht, ist für das
Fachgymnasium eher geeignet, kann aber auch zu einem profillosen, d. h. einem den Realschulen und
allgemeinen Gymnasien entsprechenden, Lehrplan führen, der nur durch „berufliche Additive“ ergänzt
wird. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollte unter Beachtung der Ziele des Schultyps
nochmals grundlegend über mögliche Themenstrukturen nachgedacht werden.
Wie bereits dargestellt wurde, weisen Krubers dreigeteilte Definition von Wirtschaft - „Nutzen-
Kosten-Optimierung in komplexen Kreislaufzusammenhängen in einer politisch gestalteten Wirt-
schaftsordnung“ (1997, 66) - und Sesinks Einteilung von Wirtschaft in Produktion, Verteilung und
Konsumtion (vgl. 1994, 166) erhebliche Ähnlichkeiten auf. Lediglich der letzte Aspekt, die Konsum-
tion bzw. Wirtschaftsordnung trennt Sesinks und Krubers Ansatz. Für die Entwicklung eines
fachgymnasialen Lehrplans wird - auf Krubers und Sesinks Ansätzen aufbauend - zunächst der
Begriff Wirtschaften/Wirtschaft noch weiter gefasst und als das Tauschen von Gütern im
weitesten Sinne beschrieben, das sich vor dem Hintergrund dreier Teilprozesse vollzieht:
• Die Produktion ist der typische und gleichzeitig grundlegende Bereich der Ökonomie. Produktion
ist hier der allgemeine Begriff für jede Form der Arbeit, die auf Gütererstellung (i. w. S.) zielt.
Zum klassischen betrieblichen Produktionsbereich gehören die Themen „Marketing, Investition
und Finanzierung“. Produktion erfolgt aber nicht nur in Betrieben, sondern auch in den Haushal-
ten in Form von Konsumproduktion und Haushaltsarbeit. Im privaten Bereich spielen ebenfalls die
Finanzierung, aber in erster Linie der Konsum und das Konsumentenverhalten eine große Rolle.
• Wie in den neueren Ansätzen der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre hervorgehoben wird, finden
Produktionsprozesse nicht im „luftleeren“ Raum statt, sondern stehen auch immer in Beziehung
zur Umwelt und zur Gesellschaft (siehe auch Abschnitt 3.2). Daher haben sich im Laufe der Jahr-
hunderte Vereinbarungen und Regeln entwickelt, die diese Prozesse vereinfachen. So erfolgt die
Abstimmung des Wirtschaftens über Rituale und Organe. Zwischen Personen ist das Organ u. a.
die Familie und auf Märkten sind es häufig Unternehmen. Die Prozesse der Koordination sind in
erster Linie vom individuellen Nutzen-/Kostenprinzip geprägt. Zu den Instrumenten der Koordina-
tion gehören neben den traditionellen Bereichen wie z. B. Geld, Markt und Gewerkschaftsbildung
auch neuere Bereiche wie Personalmanagement und Controlling. Insgesamt unterscheidet sich
155
dieser Teilbereich der Ökonomie vom Produktionsbereich dadurch, dass vieles durch unsere
Rechtsordnung abgedeckt wird und bereits unbewusst abläuft.
• Wenn die Ergebnisse der Produktionsprozesse, die durch individuelles Handeln geprägt sind, nicht
den „Vorstellungen“ bestimmter Teilbereiche oder sogar der gesamten Gesellschaft entsprechen,
kommt es zur institutionellen Gestaltung. Klassische Themen dieses Bereichs sind Fragen des
Steuer- und Sozialsystems. Letztlich geht es hier um Eingriffe übergeordneter Institutionen in das
System, um die Verteilung öffentlicher Güter im Allgemeinen und Speziellen, wie z. B. Luftver-
schmutzung, Bildung, Infrastruktur, aber auch darum, Konzentration im Unternehmensbereich im
Sinne der Gemeinschaft zu beeinflussen.
Die Abbildung 12 stellt diese Zusammenhänge nochmals grafisch dar und hebt die beiden lenkenden
Prinzipien (Individuelles Nutzen-/Kosten- und Gemeinwohlprinzip) besonders hervor. Der entschei-
dende Aspekt von Krubers Definition zur Wirtschaft (komplexe Kreislaufzusammenhänge) wird durch
diese Darstellung tiefergehend beschrieben und stärker auf die neueren Ansätze der Ökonomie (siehe
Unterkapitel 3.2) bezogen.
Abbildung 12: Ökonomische Zusammenhänge
Produktion
in Haushalten und Unternehmen
Individuelles Nutzen-/Kostenprinzip
Koordination
durch Märkte, Management und Regeln
Gemeinwohlprinzip
Institutionelle Gestaltung
durch staatliche und überstaatliche Organisationen
Diese Systematik ist nicht als Gliederungsstruktur für den Lehrplan geeignet, sondern soll eine Hilfe
für die Lehrplanentwicklung sein, damit die Lehrenden bei der Bestimmung von Themen alle
Facetten des Ökonomischen berücksichtigen und nicht nur die Standardthemen der Betriebs- und
Volkswirtschaftslehre auswählen. Sie ist weitgehend unabhängig von bisherigen Lehrbuchstrukturen
und traditionellen Gliederungen, die z. B. mit Güterklassifikationen oder dem ökonomischen Prinzip
beginnen. Dieser Ansatz ist mehr an der Wirtschaftspraxis orientiert und bezieht sich stärker auf die
komplexen Regeln und Prozesse des ökonomischen Handelns. Der Bereich der Betriebspraxis wird
156
nicht ausgeklammert, wenn man davon ausgeht, dass dieser letztlich nur angewandte Ökonomie
darstellt. Vielleicht gelingt es hierdurch, Themen in einer geringeren Abhängigkeit von den beiden
großen Wirtschaftswissenschaften für ein komplexeres Verständnis von Ökonomie zu schaffen und
den Ausgangspunkt der Analyse auf das wirtschaftende Individuum zu legen.
Für die Gestaltung der Lehrplanstruktur im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - bedeutet
es, dass Themengebiete und Themen nicht auf die getrennte Betrachtung der Ebenen Arbeitswelt,
privater Bereich und gesellschaftlich-politischer Bereich (vgl. Kruber 1994, 44) abzielen, sondern dass
die Problemsituationen so auszuwählen und zu systematisieren sind, dass sie die ökonomische
Komplexität berücksichtigen. Wenn wir vom Schalenmodell ausgehen, dann sollten alle Ebenen von
innen (Individuum) nach außen (Weltwirtschaft) und erst mit zunehmender Leistungsfähigkeit der
Lernenden auch umgekehrt durchgearbeitet werden. Diese Forderung entspricht dem pädagogischen
Prinzip „vom Nahen zum Fernen“. Die Umsetzung dieses Konzeptes erfordert einen vertikal
aufgebauten Lehrplan, der neben methodischen Hinweisen fachliche Strukturen, Skizzen und
Prozessdarstellungen beinhaltet. Für die kurzgefasste Darstellung von ökonomischen Strukturen und
Prozessen könnten z. B. die Lehrbücher von Reiner Clement/Wiltrud Terlau (1998) und N. Gregory
Mankiw (1999) eine Hilfe sein. In einer unterrichtspraktischen Beschreibung wurden diese Prozesse
von mir am Beispiel des Themas „Euro“ dargestellt (vgl. Räther 1996, 35 f.)
Bei der Entwicklung von fachgymnasialen ökonomiebezogenen Lehrplänen bzw. Curricula sollte
der Ablauf entsprechend dem im Unterkapitel 4.3 beschriebenen Paradigma der vierfachen Anbindung
der Wirtschaftsdidaktik so erfolgen, dass, von den Zielen des dritten Kapitels ausgehend, vor dem
Hintergrund der pädagogischen und ökonomischen Kategorien Themengebiete und Themen aus dem
Bereich der Ökonomie bestimmt werden. Darauf aufbauend, müsste über geeignete Lehrmethoden
nachgedacht werden.
Auf erziehungspraktischer Ebene sollte die Wirtschaftsdidaktik Konflikte sowie Probleme beschrei-
ben und „nach Kriterien suchen, mit deren Hilfe die Auswahl und Zuordnung von Lerninhalten
(Stoffen, Texten usw.) verbessert werden kann“ (Westphalen 1979, 78). Die Auswahl der ökonomi-
schen Inhalte wird durch vier Konfliktbereiche erschwert.
Bei den wirtschaftsdidaktischen Ansätzen, die in diesem Unterkapitel beschriebenen wurden, sollte
ein Konflikt in der Inhaltsermittlung deutlich geworden sein. Er besteht darin, dass der pädagogi-
sche Bereich, entsprechend den Forderungen aus dem vorherigen Unterabschnitt, thematisch durch
Probleme in Lebenssituationen bestimmt werden soll, während der ökonomische Bezugsbereich, wie
bereits im Unterabschnitt 4.3.1.2 beschrieben, die fachbereichsbezogenen Systematik berücksichtigen
muss.
Die Lösung dieses Konfliktes erfolgt dadurch, dass im Gegensatz zur erziehungstheoretischen Ebene
auf der erziehungspraktischen Ebene der ökonomische Bezugsbereich in den Vordergrund tritt, d. h.,
es sind zunächst aus dem Bezugsbereich der Ökonomie unter Beachtung der Zielvorgaben für die
Lernenden des Schultyps bildende Themenbereiche zu suchen und anschließend in einem rückwärts-
bezogenen Prozess zieladäquate problemorientierte Lebenssituationen zu bestimmen, über die das
157
Fachliche und möglichst viele der im letzten Unterabschnitt geforderten Ausprägungen der Persön-
lichkeitsbildung realisiert werden können. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten, kommt es zu
Lehrplänen, bei denen eine Lücke zwischen dem Grundlagen- bzw. Lernzielteil und den Themen
besteht.
Ein zweites Dilemma, das ebenfalls in den bisherigen Ausführungen offengelegt wurde, ist der
Konflikt in Bezug auf den stofflichen Umfang. Dieser steht in enger Beziehung zu den grundlegen-
den Bildungszielen des Schultyps, aber auch zur vorhandenen Unterrichtszeit. Wenn wir davon
ausgehen, dass das Fachgymnasium ein dreijähriger Ausbildungsgang mit den Abschlüssen „Allge-
meine Fachhoch- und Hochschulreife“ ist, dann ist sicherlich mehr Breite als Tiefe in den ökonomi-
schen Themenbereichen erforderlich. Grenzen wir das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - vom
Wirtschaft/Politik-Unterricht im allgemeinen Gymnasium ab, so sollte das Fachgymnasium mehr
Tiefe in der Vermittlung von ökonomischen Zusammenhängen aufweisen.
Für die Auswahl der Themenbereiche und auch zur Umfangsbestimmung des systematischen
Wissens, das über den problemorientierten Lebenssituationsansatz transportiert werden soll, hat
Wolfgang Hilligen eine Doppelfrage beschrieben:
„Man geht dabei einmal von einer Situation, einem Problem, einem Phänomen der Lebenswelt aus,
das andere Mal von den Begriffen bzw. Ergebnissen der je zuständigen Sozialwissenschaften; und
man orientiert sich an den Schlüsselbegriffen bzw. Optionen ...“ [Meine Ergänzung: Kategorien] „Die
Zangenfrage lautet:
Von der Situation aus: Welche Begriffe, Theoreme, Ergebnisse der Fachwissenschaften“ [Meine
Anmerkung: und der Berufspraxis] „brauche ich, um das in der Situation repräsentierte politisch,
soziale, ökonomische, juristische Problem zu erkennen, beurteilen, ‚lösen‘ zu können?
Von der Fachwissenschaft aus: Für welche allgemeinen und spezifischen, gemäß dem Selbstverständ-
nis der Fachwissenschaft“ [Meine Ergänzung: des Bezugsbereichs] unverzichtbaren, weil das
Verständnis der Wissenschaft“ [Meine Anmerkung: und der Berufspraxis] „ermöglichenden Begriffe
oder Theoreme gibt die Situation (das Problem) (ohne daß man es vergewaltigt) etwas her?
Kurz:
Welche Informationen sind notwendig, damit man das Problem beurteilen kann?
Was vom für das Verstehen der Disziplin Notwendigen läßt sich anhand dieses Problems exemplifizie-
ren (beispielhaft erkennen)?
Anders gewendet: Alle fachwissenschaftlichen“ [Meine Anmerkung: und berufspraktischen] „Infor-
mationen, Fakten, Daten im Unterricht (aber auch weitgehend im Studium der Lehrer) haben sich als
mitteilungsnotwendig zu legitimieren für die Beurteilung von Problemen: Das Ausmaß an Systematik
erfährt seine Begrenzung durch die Situation, das Problem.“ (1985, 43 f.)
Die doppelseitige Erschließung von Themen des Unterrichts ähnelt dem im Unterabschnitt 4.3.2.1
beschriebenen Lehrplan-Doppelstrangansatz von Aebli. Anders als Hilligen geht Aebli ausführlich auf
den Entwicklungsstand der Lernenden ein. Mit Hilligens Ansatz wird es vermutlich nicht gelingen,
158
den Stoffumfang zu begrenzen. Denn wenn in Lehrplankommissionen Konflikte auftreten, so werden
diese im Zweifelsfall so gelöst, dass beide Ansätze berücksichtigt werden oder dass man die Themen-
beschreibung sehr weit und allgemein fasst. Daher sollte bei der Themenfestlegung auch die oben
entwickelte Dreiteilung des Ökonomischen eingesetzt werden. Entstehen Entscheidungsprobleme in
der Stoffauswahl, dann sollte das Thema bevorzugt werden, das die größere Komplexität hat, da die
Lernenden mit diesem Thema vermutlich auch mehr Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einsichten
und Werthaltungen erwerben.
Das Problem des Umfangs führt unmittelbar zur dritten Kontroverse, die als Konflikt in der
Sequenzierung beschrieben werden könnte. Mit der stofflichen Fixierung muss auch deren Reihen-
folge, d. h. Sequenzierung, geklärt werden. Die Makrosequenzierung ist abhängig vom fachwissen-
schaftlichen Bereich und wird überwiegend durch diesen determiniert. Es muss aber bei der Sequen-
zierung auch darauf geachtet werden, dass die im vorherigen Unterabschnitt beschriebenen Punkte zur
Persönlichkeitsentwicklung in die Planung einfließen. Die Lösung des Sequenzierungsproblems liegt
auch hier zunächst wieder in der Betrachtung der Ziele des Schultyps. Dann wird die zur Verfügung
stehende Unterrichtszeit bestimmt. Anschließend werden die zu bestimmten Zeitpunkten zu realisie-
renden Themengebiete festgelegt und im einem zirkulären Prozess mit den pädagogischen Vorgaben
abgestimmt.
So sollte im 11. Jahrgang z. B. die Berufsvorbildung als persönliches Problem von den Lernenden
erkannt werden. Der 12. Jahrgang dient auch zur Vorbereitung auf die Fachhochschulreife, d. h. hier
sollte sich eigenständiges Arbeiten bei den Lernenden zeigen, und die Berufsorientierung sollte ein
vorläufiges Ende erreicht haben. Im 13. Jahrgang sollten Kenntnisse erworben werden, die, von den
Arbeitstechniken her betrachtet, einen selbstständigen Umgang mit komplexen ökonomischen
Systemen und ein Hochschulstudium ermöglichen. Für den Übergang in die Berufsausbildung sollte
die Persönlichkeitsentwicklung so vorangeschritten sein, dass die Lernenden Albers’ Kriterien, die im
Unterabschnitt 4.3.1.1 beschriebene Tüchtigkeit, Selbständigkeit und Verantwortung, weiter ausge-
prägt haben.
Ein weiteres Dilemma ist der Konflikt in der Betrachtungsperspektive des ökonomischen
Bezugsbereichs. Wie aus den Ansätzen von Dubs und Achtenhagen in diesem Kapitel deutlich wurde,
trennen beide volks- von betriebswirtschaftlichen Themen, d. h. ihre Ansätze lehnen sich an die
dominierenden Fachwissenschaften an. Da sich durch die Neue Institutionenökonomie und den
systemorientierten Ansatz die Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre einander angenähert
haben, sollte versucht werden, hieraus unter Berücksichtigung der Berufsvorbildung einen komplexen
Ansatz für die Ökonomie zu entwickeln. Die ökonomische Bildung im Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - muss an komplexen Systemen erfolgen. Dabei sollte der übernommene und teilweise
auch überkommene Kulturbestand auf seine gegenwärtige Bedeutung überprüft werden (vgl. Westpha-
len 1979, 78). Hierfür wäre die oben entwickelte Dreiteilung des ökonomischen Bereichs (siehe auch
Abbildung 12) eine erste Hilfe.
159
Zusammengefasst sollte die Themenstruktur der ökonomischen Bildung für das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - grundlegend neu durchdacht werden. Während auf der erziehungstheoreti-
schen Ebene zunächst vom pädagogischen Bezugsbereich auszugehen ist, sollte auf erziehungsprakti-
scher Ebene zunächst über die grundlegenden Strukturen des ökonomischen Bezugsbereichs nachge-
dacht werden, bevor dann in einer wechselseitigen Beziehung zum pädagogischen Bereich endgültige
Strukturen entwickelt werden. In der gymnasialen Oberstufe muss sich Unterricht zunächst an den
fachlichen Strukturen orientieren (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 1998 b, 19 ff.).
Die Abbildung 13 stellt alle Erkenntnisse für die beiden Erziehungsebenen im Gesamtzusammenhang
dar.
Abbildung 13: Gesamtdarstellung des wirtschaftsdidaktischen Paradigmas
Ziele fach-
gymnasialer
Wirtschafts-
didaktik
Pädagogischer Bezugsbereich
Ökonomischer Bezugsbereich
Wissenschaften
Erziehungs-
theoretische Ebene
Was ist Persönlichkeitsbildung?
• Pädagogik,
• Berufswahlvorbereitung
Was ist ökonomische Bildung?
• Wirtschaftswissenschaften,
• Arbeits- und Berufswelt
Curriculare Vorstrukturen
Erziehungs-
praktische Ebene
Wie wird die Persönlichkeitsent-
wicklung verbessert?
• Motivationsproblem,
• Methodikproblem
Wie werden ökonomische Themen
systematisiert?
• Inhaltsfixierungsproblem,
• Umfangsproblem,
• Sequenzierungsproblem,
• Perspektivenproblem
Unterrichtspraxis
Die Themen des ökonomischen Bereichs sollten in einem vertikal strukturierten Lehrplan mit Hilfe der
Kategorien und der entwickelten Dreiteilung des ökonomischen Bereichs (Produktion, Koordination
und institutionelle Gestaltung) ermittelt werden. Damit die Unterschiede zwischen Lehrplan- und
Unterrichtsstruktur verringert werden, sollten in den Lehrplänen sowohl pädagogische als auch
fachliche Erläuterungen aufgenommen werden. Bei der Lehrplanentwicklung sind die für den
ökonomischen und den pädagogischen Bereich beschriebenen Konflikte zu beachten.
Die in der Überschrift zu diesem Unterkapitel gestellte Frage, ob die ökonomische Bildung des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - aus den Fachwissenschaften oder der Wirtschaftspraxis
160
abgeleitet werden sollte, kann nur dahingehend beantwortet werden, dass die Fachwissenschaften
wegen des Anspruchs der Wissenschaftsorientierung von Unterricht eine zentrale Rolle spielen.
Andererseits hat ökonomische Bildung bei den Lernenden aber erst eine Transferwirkung, wenn dieses
möglichst in der Nähe der Wirtschaftspraxis erfolgt. Der Gegensatz von Fachwissenschaft und Praxis
ist fragwürdig. Hochschulstoff von gestern ist Unterrichtsstoff von heute, und das nicht nur in der
ökonomischen Bildung (vgl. Moosmann 1986, 60).
161
5 Strukturbezogene Anforderungen an eine neue Wirtschaftsbildung
Die von der Kultusministerkonferenz eingesetzte Expertenkommission beschreibt als strukturprägende
Prinzipien der gymnasialen Oberstufe das Kurssystem, die Aufgabenfeldsystematik, das Abitur und
das selbstverantwortliche und selbstgestaltete Lernen und geht dabei auch auf Schwierigkeiten und
Veränderungsmöglichkeiten in der Oberstufe ein (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 95 ff.). „Der Weg zur Lösung der
Probleme führt also durch das Fach und die Entwicklungsarbeit im Fach. Bedeutsamer als die viel
kritisierte Organisationsform der Oberstufenarbeit und wesentlicher als die Fixierung auf das
Kurssystem ist im Blick auf die Qualität der schulischen Arbeit die curriculare Arbeit innerhalb der
Fächer.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland 1995, 107) Wie die Analysen im vierten Kapitel gezeigt haben, muss diesen Ausführun-
gen grundsätzlich zugestimmt werden. Doch durch das weite Verständnis der strukturprägenden
Prinzipien als inhaltliche, lernmethodische und organisatorische Bereiche werden Probleme der
gymnasialen Oberstufe miteinander vermischt und damit nicht lösbar. Es ist richtig, dass die gymnasi-
ale Oberstufe nur als in sich schlüssiges Gesamtkonzept die Herausforderungen der heutigen Zeit
erfüllen kann. Daher muss der Expertenkommission in der Forderung nach einer Verbesserung der
inhaltlichen, also fachdidaktischen, Situation in vollem Umfang zugestimmt werden. Diese Forderung
ist aber nur erreichbar, wenn auch gleichzeitig das organisatorische Konzept mit dem Teilbereich
Kurssystem neu und kritisch überdacht wird. Dass es hier Probleme gibt, zeigen die vielen von der
KMK beschlossenen organisatorischen Änderungen der letzten zwei Jahrzehnte.
Mit diesem Kapitel wird der Versuch unternommen, die im vierten Kapitel dargestellte inhaltliche
Eingrenzung der ökonomischen Bildung mit der strukturellen Ordnung der gymnasialen Oberstufe in
Einklang zu bringen. Unter Berücksichtigung der im dritten und vierten Kapitel erarbeiteten fachgym-
nasialen Ziele und Inhaltsstrukturen einer ökonomischen Bildung werden die Rahmenbedingungen
beschrieben und Veränderungsmöglichkeiten zur Profilierung dieses Schultyps analysiert. Um nicht in
allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Beschreibungen zu verharren, die nur geringe Chancen auf
eine praktische Umsetzung hätten, werden die organisatorischen Strukturen des Fachgymnasiums, die
sich aus den Darstellungen im zweiten Kapitel ableiten lassen, zu zentralen Problembereichen
zusammengefasst.
Die Unterrichtsorganisation wird auch nach den neusten KMK-Reformen zur gymnasialen
Oberstufe durch Fächer bestimmt. Bildung können die Lernenden durch Fächer aber nur erfahren,
wenn sich deren Inhalte aus unterschiedlichen Bereichen zusammen setzen. Mit Abschnitt 4.1.1 sollte
deutlich geworden sein, dass nur eine ausgewogene und gleichmäßige Verteilung über alle Bildungs-
bereiche eine zu frühe Spezialisierung verhindert. Sowohl die allgemeinbildenden Gymnasien als auch
die Berufsschulen haben daher Fächerstrukturen entwickelt, die die Bildung der Lernenden fördern
sollen.
162
Neben der Unterrichtsorganisation ist für einen Schultyp in der Bundesrepublik Deutschland die
Frage nach dem gewährten Abschluss und seiner Verankerung im Gesellschaftssystem, also letztlich
nach seinem Nutzen, ein wichtiges Kriterium. Seit dem 19. Jahrhundert bestimmen neuhumanistische
Bildungsideale die Auswahl der Inhalte und die Struktur unserer Schullandschaft. Wie im Unterkapitel
2.1 beschrieben wurde, haben diese zur Aufspaltung des deutschen Bildungssystems in allgemein- und
berufsbildende Schulen geführt, die durch die Oberstufenreform wieder angenähert werden sollten.
Vor dem Hintergrund der Einführung eines Leistungskurses im Fach „Wirtschaft/Politik“ an den
allgemeinbildenden Gymnasien und der bereits eingeführten Berufsoberschule, die grundsätzlich eine
fachgebundene Hochschulreife in zwei Jahren vermittelt, muss daher erneut über die Ausgestaltung
des fachgymnasialen Zertifikats nachgedacht werden.
Aus den Beschreibungen in den letzten beiden Absätzen lassen sich für das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - zwei strukturbezogene Fragestellungen entwickeln:
• Welche organisatorischen Veränderungen sind notwendig, damit die im vierten Kapitel beschrie-
bene ökonomische Bildung verwirklicht werden kann?
• Wie sollte das Zertifikat ausgestattet werden, wenn das Profil des Fachgymnasiums - wirtschaftli-
cher Zweig - über die Vermittlung von ökonomischer Bildung bestimmt wird?
Diese beiden strukturbezogenen Fragen zum Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sind insoweit
allgemeingültig, als sie für alle vier Typen von Fachgymnasien bestimmend sind, Fragen zur Qualifi-
kation der Lehrenden klären und letztlich sogar Strukturprobleme der gesamten gymnasialen Oberstu-
fe aufzeigen.
Entsprechend dem vierten Kapitel werden die Problembereiche in den Überschriften der beiden
folgenden Unterkapitel durch zwei entgegengesetzte Extrempositionen weitergehend beschrieben.
Diese sind ebenfalls so angeordnet, dass der zuerst genannte Pol eher für eine enge und in sich
geschlossene Ausprägung des „Strukturbausteins“ steht, während der zweite Pol die offene und
weniger restriktive Form beschreibt.
163
5.1 Die Unterrichtsorganisation - Fach- oder Lernbereichsorientierung
Mit der Frage nach der organisatorischen Umsetzung von inhaltlichen Vorgaben werden häufig
Assoziationen zu den Bereichen Fächerstruktur, Unterrichtsmethodik, Schulentwicklung und
Schulanbindung ausgelöst. Fragen zu den Methoden im Ökonomieunterricht werden in dieser Arbeit
weitgehend ausgeklammert, da zum einen die Methodikfrage auf einer der alltäglichen Unterrichts-
praxis näheren Betrachtungsebene liegt und nach heutigen erziehungswissenschaftlichen Vorstellun-
gen den Lehrenden weitgehend freigestellt sein sollte (siehe auch Unterkapitel 4.3). Zum anderen
besteht Einigkeit darüber, dass nur ein „Methodenmix“ optimale Lernerfolge bewirken kann (siehe
auch Abschnitt 4.1.2).
Obwohl die Themen Schulentwicklung und autonome Schule in dieses Kapitel einzuordnen
wären, werden sie nicht behandelt, weil sich die beiden genannten Themengebiete auf eine allgemei-
nere Betrachtungsebene beziehen. Da die Fachgymnasien nur ein Teil der Berufsschulen sind, müssten
zunächst alle Bereiche einzeln analysiert werden, bevor im Rahmen der Schulentwicklung über eine
Schulevaluation und ein Schulprogramm nachgedacht werden kann.
Die Frage der Unterrichtsorganisation wird letztlich aber auch immer mit dem Problem der
Schulanbindung in Beziehung gebracht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche
Qualifikation die Lehrenden des Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - besitzen sollten. Da die
Fachgymnasien in den beruflichen Schulen angesiedelt sind, werden in den Wirtschaftsfächern - und
häufig auch in den allgemeinbildenden Fächern - Diplom Handelslehrerinnen und Handelslehrer
eingesetzt, die meist ein zweites „Unterrichtsstandbein“ in der Berufsschule haben. Das hat wegen der
hohen betriebswirtschaftlichen Kompetenz der Lehrenden sicherlich Vorteile für einen realitätsnahen
Unterricht, führt aber auch nicht selten zu einer berufsschultypischen Unterrichtsweise, in der immer
noch viel Wert auf Detailwissen und betriebliche Ablaufdarstellungen gelegt wird. Dass diese
Lehrmethodik nicht im Einklang mit den Zielen des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - steht,
sollte durch die Darstellungen im dritten und vierten Kapitel deutlich geworden sein.
Auf der anderen Seite sind in den naturwissenschaftlichen und sprachlichen Fächern vielfach auch
ausgebildete Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer tätig. Diese bringen zum einen die Arbeits-
und Denkweise der allgemeinbildenden Gymnasien in die Fachgymnasien. Zum anderen stehen sie
aber häufig auch vor dem Problem, den ökonomischen Bezug in ihren Fächern herstellen zu sollen.
Unter diesen Aspekten scheint es besonders wichtig, dass die im Abschnitt 4.3.2 beschriebenen
umfangreichen Lehrplanstrukturen in der Schulpraxis eingeführt werden.
Wer an Unterrichtsorganisation denkt, beschreibt meist traditionelle Schulfächer und Stundentafeln.
Beides sollte jedoch erst das Ergebnis einer tiefergehenden Strukturbetrachtung sein. Diese beginnt bei
der Analyse der eigenen und der gesellschaftlichen Vorstellungen von Bildung, wird durch die
Bestimmung der Ziele des Schultyps (siehe auch 3. Kapitel) mit inhaltlichen Grundaussagen zu den
Bildungsbereichen konkretisiert (siehe auch 4. Kapitel) und schließlich zu einem System verknüpft,
164
das auch, aber eben nicht nur, die Fachthemen und die Stundenverteilung berücksichtigt.
Historisch gesehen wurde Unterricht zunächst nicht in Fächer getrennt, und auch die durchgängige
Darbietung der Fächer von der ersten bis zur letzten Klasse hat sich erst ab dem 16. Jahrhundert
allmählich durchgesetzt. „Muß Schulunterricht eigentlich gefächert sein? Wenn nämlich Schule dazu
verhelfen soll, gegenwärtige und zukünftige Lebenssituationen zu meistern, dann wäre es doch
naheliegend, diese Lebenssituationen selbst in den Mittelpunkt des unterrichtlichen Bemühens zu
stellen. Auf dem Stundenplan stünden dann nicht Fächer, sondern Lebensbereiche.“ (Memmert 1994,
1104) Als Alternativen böten sich theoretisch auch die Ausrichtung an den Fachwissenschaften oder
den Berufsbildern an. Vorstellungen, die in diese Richtung gehen, werden in den berufsbildenden
Schulen zur Zeit heftig diskutiert und im Abschnitt 5.1.2 auf ihre Bedeutung für die ökonomische
Bildung des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - untersucht.
„Fächer sind ... keine künstlichen Gebilde, sondern aus einer Praxis erwachsen“ (Memmert 1994,
1107), die sich häufig sehr eng an den entsprechenden wissenschaftlichen Disziplinen orientiert.
Fächer und Fachinhalte stehen daneben in besonderer Weise unter historischem und gesellschaftli-
chem Einfluss. Während der geschichtliche Einfluss eine Bewahrung des Bestehenden bewirkt, drängt
der gesellschaftliche Einfluss auf permanente Veränderungen.
Für eine Fächerung sprechen hauptsächlich drei Gründe:
• Sie ermöglicht den Lernenden eine Spezialisierung, d. h., ihr Wissen bleibt nicht oberflächlich.
• Die Fächer steigern die Vermittlung von Qualifikationen, d. h., weil zukünftige Probleme in
Lebenssituationen unbekannt sind, wird durch das Lernen von allgemeinem und besonders von
übertragbarem Spezialwissen die „Anpassungsfähigkeit“ der Lernenden erhöht.
• Die Fächer ermöglichen den Lernenden eine problemzentrierte Betrachtung von Lebenssituatio-
nen, d. h., weil die Erfassung der Realität für die Lernenden zu komplex ist, wird Wissen in einem
gestuften Aufbau vermittelt. Mit diesen basalen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen ausges-
tattet, werden die Lernenden in den Fächern der gymnasialen Oberstufe befähigt, immer komple-
xer werdende Probleme zu analysieren. (vgl. Memmert 1994, 1104)
Die Gefahren der Fächerung lassen sich im Wesentlichen in vier Punkten darstellen:
• Die Fächerung behindert den Anwendungsbezug, d. h., weil die unmittelbare Beziehung zu den
komplexen Lebenssituationen fehlt, gelingt vermutlich nicht der Transfer auf zukünftige Situatio-
nen.
• Sie fördert einseitiges und verengtes Denken, d. h., die komplexen Phänomene unserer Zeit
werden den Lernenden nicht deutlich.
• Sie führt zur inhaltlichen Überfrachtung, d. h., Unterrichtsstoffe werden nicht nach ihrer Wichtig-
keit für Lebenssituationen ausgewählt, sondern orientieren sich an der Forderung nach der umfas-
senden Abbildung von wissenschaftlichen oder beruflichen Erkenntnissen.
165
• Sie begünstigt die „Kopflastigkeit“ von Unterricht, d. h., ein Fach gelangt nur in den Kanon, wenn
es auch hohe Theorieanteile nachweisen kann. So werden besonders ethisch-religiöse, künstleri-
sche und technische Disziplinen erst durch den Nachweis eines hohen fachtheoretischen Anteils zu
Fächern. Ökonomie wird erst durch gesamtwirtschaftlich-theoretische Betrachtungen in Annähe-
rung an die Volkswirtschaftslehre ein Fach der gymnasialen Oberstufe. Sport kann in den Fach-
gymnasien nicht als Leistungskurs gewählt werden, weil die „Kopflastigkeit“ fehlt. (vgl. Memmert
1994, 1105)
Kurz: Fächerung bedeutet tendenziell immer auch Zersplitterung von Bildung. Aber in den meisten
pädagogischen Konzepten (z. B. Klafki 1993, Hentig 1996 oder Tenorth 1994) besteht weitgehend
Einigkeit darüber, dass es keine Alternative zum gefächerten Unterricht gibt. Auch für die KMK-
Expertenkommission nimmt das an das Schulfach gebundene Lernen eine zentrale Stellung in der
gymnasialen Oberstufe ein. „Es gibt die thematische Einheit des Unterrichts vor; Fachlichkeit und
Fachgebundenheit des Lernens bilden das zentrale Medium der Arbeit und das grundlegende
Ausgangsdatum schulischer Anstrengen. In fachgebundenem Lernen wird das zu fordernde Wissen
aufgebaut und systematisch organisiert; hier erwerben die Lernenden die Fähigkeit zur Erprobung,
Anwendung und Übertragung des Wissens ... Wenn das Schulfach diese zentrale Stellung im
schulischen Lernprozeß einnimmt und beansprucht, dann sind nicht nur die Leistungen der Schule
primär diesem Mechanismus zurechenbar, sondern auch ihre Defizite.“ (Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 97)
Offensichtlich hat auch die Einführung des Kurssystems und damit die Abkehr von der Unterschei-
dung in Haupt- und Nebenfächer die fachgymnasiale Situation nicht verbessert. Selbst das Ziel der
Gleichwertigkeit der Fächer konnte mit der Einführung von Grund- und Leistungskursen nur innerhalb
der beiden Kurstypen und dort wiederum auch nur teilweise erreicht werden. So zeigt sich in der
fachgymnasialen Schulpraxis, dass viele Lernende ihren Arbeitsaufwand für Pflicht- und Wahlgrund-
kurse bewusst differenzieren.
Die schulischen Fächer spiegeln eine historische Entwicklung, die durch das Kurssystem nicht
wesentlich verändert wurde. Immer noch finden wir in der Schule überwiegend „jene Wissenschaften
wieder, die bei der Entstehung und Ausformung des allgemeinbildenden Schulwesens existierten.
Später entstandene Wissenschaften fanden bis heute keine Aufnahme.“ (Memmert 1994, 1115) So
fehlen z. B. Fächer wie Medizin und Psychologie. „Wenn einmal ein Fach kanonisch ist, bleibt es, wie
in der Physik eine träge Masse im Kreis der etablierten Fächer. Eher noch kann einmal ein neues Fach
in den erlauchten Kreis aufgenommen werden (Gemeinschaftskunde, Arbeitslehre, Ethik, Informatik),
als daß eines ausgestoßen wird. Man kann dies mit psychologischen Gründen erklären: Angst vor dem
Ungewissen,“ (ebd., 1102) in dem Bereich nicht gebildet zu sein, „dem Nichts oder dem Chaos.“
(ebd., 1102 f.) Selbst Robinsohns Konzept der Curriculumrevision ließ die Fächerstruktur weitgehend
ungeschoren. Vielleicht hätten wir heute weniger Strukturprobleme in der gymnasialen Oberstufe,
wenn bereits bei der Einführung von neuen Fächern eine Überprüfung der vorhandenen Fächer
166
durchgeführt worden wäre.
Aber auch der innere Aufbau der Fächer führt zu immer mehr Problemen. „Das Übergewicht der
theoretischen Fächer an unseren Schulen führt dazu, daß auch praktische Fächer so gegeben werden,
als wären sie theoretisch.“ (ebd., 1115) Ökonomische Bildung wird im Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - so vermittelt, als gelte es nur volkswirtschaftliche Theorien und Ansätze zu verstehen
oder betriebswirtschaftliche Formeln zu beherrschen. Insgesamt betrachtet vermitteln Schulfächer
tendenziell Hobbywissen, d h., der Bezug zur Arbeits- und Berufswelt wird weitgehend ausgeklam-
mert. Dadurch wird der künftige Staatsbürger „als ungebildeter, abhängiger Laie entlassen, der den
beratenden Dienstleistungsberufen ausgeliefert ist.“ (ebd., 1118)
Im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - besteht ein Konflikt zwischen der Fächerzahl und
ihrer Stundenverteilung. Jede Disziplin möchte auch als Fach in der Schule vertreten sein. Da in der
Woche ca. 30 Unterrichtsstunden erteilt werden, könnte es theoretisch auch 30 Einzelfächer geben.
Dieses Aufteilung verstößt jedoch gegen die Erkenntnisse der pädagogischen Lernpsychologie (siehe
auch Abschnitt 4.1.2). Es wurde sehr früh versucht, Fächer mit ähnlichen Bildungsinhalten und
Zugangsweisen in größeren Bündeln in einer Systematik, einem Kanon, weiter zu vereinen. „Ein
Fächerkanon, das heißt die Aufteilung des Lehrgutes in Lehrpläne und deren Einordnung in Stunden-
tafeln, wurde nötig, als sich das schulische Lehrgut in verschiedene Unterrichtsfächer aufgespalten
hatte.“ (Peege 1963, 251) Der Kanonbegriff wird in der erziehungswissenschaftlichen und wirt-
schaftspädagogischen Literatur nur sehr selten systematisch beschrieben und analysiert. Meist erfolgt
stillschweigend eine Gleichsetzung von Kanon, Curriculum oder Lehrplan.
Der Kanon ist nicht identisch mit den Fachlehrplänen. Joachim Peege trennt den Fächerkanon für
eine genauere berufsschultypische Analyse in zwei Bereiche: „Zur inneren Gestaltung des Fächerka-
nons gehören die Auswahl des Lehrstoffes, dessen Einteilung in Unterrichtsfächer und deren Zusam-
menstellung als harmonisches Ganzes im Stundenplan.“ (ebd., 255) Diese Einteilung greift für das in
dieser Arbeit verwendete Kanonverständnis zu kurz. Der Kanon ist das häufig nicht unmittelbar
sichtbare Grundgerüst, die „Bauprinzipien“ (Tenorth 1994, 133), nach denen Fächer miteinander zu
einem Ganzen verknüpft sind. Selbst die Kollegschulen, die „das Ende des Kanons an den Beginn
ihrer Arbeit gestellt haben“ (ebd., 133), greifen letztlich auf einen Kanon zurück. Als Kanon wird in
dieser Arbeit die organisatorische Umsetzung der Bildungs- und Erziehungsziele durch Fächer und
Regeln verstanden.
Der Fächerkanon ist durch eine Systematik gekennzeichnet, die uns die Zuordnung von Fächern zu
Bildungsbereichen ermöglicht. Er muss zum einen die inhaltliche Bestimmung für jedes Fach
vornehmen und zum anderen sollte gleichzeitig für jedes Fach eine Abstimmung der Inhalte mit den
anderen Fächern und mit einer darüberstehenden Gesamtsystematik erfolgen. Mit anderen Worten: Ein
Kanon entsteht nicht durch die Aneinanderreihung von Fächern, sondern benötigt einen Maßstab, auf
den er bezogen und an dem er ausgerichtet werden kann.
Neben den Fächerkanon tritt der Regelkanon, der die Vielfalt und Kombination der Fächer
begrenzt, damit keine einseitige Spezialisierung entsteht und auch die Persönlichkeitsbildung der
167
Lernenden im Auge behalten wird. Während Fächer auch bei bildungspolitischen Laien allgemeine
Vorstellungen hervorrufen, werden den Außenstehenden die Regeln für die Zusammenstellung der
Fächer kaum und den Lernenden der gymnasialen Oberstufen bei der Leistungskurswahl zuerst nur
oberflächlich und spätestens kurz vor dem Abitur hoffentlich umfassend bewusst. An der neuen
Fachgymnasiumsverordnung des Landes Schleswig-Holstein wird deutlich, je umfangreicher die
Fächer- und Projektwahl ist, desto aufwendiger wird der Regelkanon, der die Fächer zusammenhält
und für die Gleichwertigkeit der Fächerkombinationen sorgen soll.
Das Ensemble von Fächer- und Regelkanon ist der Versuch, bewahrenswertes Wissen zu systemati-
sieren, damit sich Bildung entwickelt (vgl. Tenorth 1994, 124 f.). In dem im Unterkapitel 2.3
beschriebenen Bild vom Haus des Lernens stellen die Räume den Fächerkanon dar, während der
Regelkanon als Anordnung, Systematisierung, Ausrichtung und Verbindung der Räume beschrieben
werden könnte. Durch die Statik, also die gesellschaftlichen Vorstellungen über Bildung und
Erziehung, wird das Gebäude zusammengehalten.
Die Ausrichtung des Kanons ist im besonderen Maße von gesellschaftlichen Vorstellungen
abhängig. Ähnlich wie bei den Wirtschaftszyklen sind hier kurz-, mittel- und langfristige Bildungs-
Zyklen zu unterscheiden. Kurzzeitig befristete Veränderungen werden durch Lehrpläne erzeugt,
während langfristige Veränderungen durch Verschiebungen im Maßstab auf den Fächerkanon wirken.
Die mittelfristigen Neuerungen werden meist durch den Regelkanon ausgelöst, dessen letzte Umstruk-
turierung mit der gymnasialen Oberstufenreform von 1972 begann.
Das Fachgymnasium hat ein „doppeltes Kanonproblem“, weil die Kanonstrukturen in den
allgemein- und berufsbildenden Schulen unterschiedlich sind und bei den Fachgymnasien versucht
wurde, beide Strukturen zu berücksichtigen. Die Entwicklung einer ökonomischen Bildung macht es
zunächst erforderlich, diese Unterschiede in den beiden folgenden Abschnitten getrennt voneinander
und mit Bezug auf das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zu analysieren, um, daran anknüp-
fend, im dritten Abschnitt dieses Unterkapitels mögliche Strukturveränderungen für die Unterrichtsor-
ganisation im ökonomischen Bereich des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - aufzuzeigen.
5.1.1 Die Aufgabenfelder als Strukturprinzip der Gymnasien
In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie die derzeitige Struktur der gymnasialen Oberstufe ein
Auseinanderdriften der Fächer, aber auch die einseitige Entwicklung von Bildung verhindern soll.
Dafür werden die elementaren Bestandteile des gymnasialen Oberstufenkanons unter zwei Fragestel-
lungen analysiert:
• Welche grundlegende Systematik fasst die Fächer zusammen?
• Welche Beschränkungen wirken auf die Zusammenstellung der Fächer?
168
Die erste Frage, beschreibt die Suche nach einem umfassenden Fächerkanon. Ihre Klärung erfordert
Kenntnisse in der Entstehungsgeschichte des seit den siebziger Jahren für die gesamte gymnasiale
Oberstufe geltenden Fächerkanons. Josel Dolch (1971) beschreibt sehr detailliert die zahlreichen
Versuche, Fächer in eine Ordnung zu bringen. Der erste Anstoß zur Entwicklung einer Kanontheorie
geht auf Platon zurück: „Was und wieviel und wann es zu erlernen ist und wie das Einzelne miteinan-
der verbunden oder auseinander gehalten werden muß, kurz, die ganze Art seiner Zusammengehörig-
keit, das ist es, was man vorerst richtig erfaßt haben muß, um dann an der Hand dieser Kenntnisse zu
den höheren Wissenschaften fortzuschreiten.“ (Platon, zitiert nach Dolch 1971, 29)
Aristoteles unterschied die Fächer nach dem Telos (Endzweck) in drei Bereiche (vgl. Memmert
1986, 19 ff.):
• Die theoretischen oder auch betrachtenden Fächer „zielen auf unbezweifelbares Wissen und
objektive Erkenntnis“ (ebd., 20). Gegenstand sind die Dinge, die sich so und nicht anders verhal-
ten. Aristoteles ordnet hier die Disziplinen Physik, Mathematik, Logik, Metaphysik, Theologie
und Psychologie ein.
• Die poietischen oder auch produktiven Fächer „sind auf das Hervorbringen oder Herstellen eines
Werkes zum Zwecke des Gebrauchs oder Verbrauchs, der Ausführung oder Betrachtung gerichtet“
(ebd., 19). Der Gegenstandsbereich ist das Hervorbringen von Dingen. Hierzu gehören die künst-
lerischen und handwerklichen Berufe.
• Die praktischen oder auch handlungsrelevanten Disziplinen „gründen sich auf normative
Entscheidungen des Menschen und verlangen also ein wohlbegründetes, wenn auch letztlich sub-
jektives Urteil“ (ebd., 20). Der Gegenstandsbereich ist das Handeln zwischen Menschen. Hier
werden die Bereiche Ethik, Rhetorik, Politik und Ökonomie genannt.
Während im griechischen Kanon, dem „enkyklios paideia“ (im Kreis oder Kurs der allgemeinen
Bildung), großer Wert auf die sprachliche und „berufliche“ Entwicklung des Individuums gelegt
wurde, erweitert der aus dem 9. Jahrhundert stammende römische Kanon, die „septem artes liberales“
(die sieben freie Künste), den sprachlichen um den fremdsprachlichen Bereich. (vgl. Schmidt 1994,
171 ff.) Vergleicht man den griechischen und den römischen Kanon, so ist zunächst auffällig, dass
beide dreigeteilt sind und einen, wenn auch unterschiedlichen, Schwerpunkt besitzen (vgl. Memmert
1986, 19 ff.). Ähnliches lässt sich auch für die weiteren Kanonentwicklungen feststellen. So lagen z.
B. die Schwerpunkte des neuhumanistischen Fächerkanons in den alten Sprachen und in den traditio-
nellen Wissenschaften. Weiterhin kennzeichnend für die verschiedenen Kanonentwicklungen ist, dass
diese Dreiteilungen, besonders im Mittelalter, teilweise um einen Bereich reduziert bzw. erweitert
wurden und dass Fächer wie Ökonomie, Politik, aber auch einzelne Berufszweige zeitweise in die
Kanonsystematik eintraten und in späteren Entwicklungen wieder entfernt wurden. (vgl. ebd., 20 ff.)
Insgesamt wird deutlich, dass die Kanonstruktur stets von gesellschaftlichen Strukturen und
Entwicklungen geprägt war sowie auf der Grundlage eines philosophischen bzw. wissenschaftlichen
Wahrheitsanspruches entwickelt wurde. Versuche, mit Hilfe von pragmatischen Klassifikationssyste-
169
men wie z. B. dem Fächerkatalog des Hochschulverbandes einen schulischen Kanon zu entwickeln,
sind bisher gescheitert, weil die Bestimmung von Inhaltsstrukturen, Reihenfolge der Themen und
Verflechtungen in ihren komplexen Beziehungen kaum darstellbar sind. (vgl. Memmert 1994, 1106
ff.)
Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich der aktuelle gymnasiale Fächerkanon in der Form der drei
Aufgabenfelder auf gesellschaftliche Problemstellungen zurückführen lässt, die bereits in den
zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ihren Ursprung haben. Zentrale Probleme waren die
Stofffülle durch die Wissensvergrößerung und die Zunahme der Technisierung. Beides bewirkte
bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Hinwendung zu einer realistischen Bildung, die
zunächst zu einer inhaltlichen Fächererweiterung und Fächerteilung führte, aber Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts auch eine stärkere Typisierung der Gymnasien auslöste (siehe auch
Unterkapitel 2.1). Mit der Einführung von Typengymnasien konnte jedoch das Problem der Stofffülle
nicht beseitigt werden.
Erst Wilhelm Flitners Konzept der „zyklischen Bildung“ brachte in den fünfziger Jahren neue
Ideen, die durch die gesellschaftlichen Veränderungen der sechziger Jahre beflügelt wurden. Flitner
wollte mit seinem Ansatz weder Stoffsammlungen noch einseitig spezialisierte Bildung vermitteln.
Zyklische Bildung sollte sich auf den Kernbestand geistiger und wissenschaftlich abgesicherter
Grunderfahrungen beziehen, denen sich keiner entziehen kann. (vgl. Dehnbostel 1988, 174) Zyklische
Bildung umfasst vier in die Bildung einführende Bereiche, die sogenannten Initiationen, die geistige
Grunderfahrungen in der abendländischen Kultur vermitteln sollten. Als Initiationen beschrieb Flitner:
• das Verständnis der christlichen Glaubenswelt,
• ein philosophisch-wissenschaftlich-literarisches Problembewusstsein,
• das Verstehen der exakt-naturwissenschaftlichen Forschung und ihre Bedeutung für die Technik
mit grenzüberschreitenden Erkenntnissen sowie
• ein Verständnis für die historisch-politischen Ordnungsstrukturen. (vgl. Flitner 1961, 5 ff.)
Die geistigen Grunderfahrungen werden durch die beiden Symbolsysteme Sprache und Mathematik
ergänzt. Symbolsysteme werden als die grundlegenden Elemente des Bildungsprozesses verstanden
(siehe auch Abschnitt 4.1.1). Zusammen mit den Initiationen sollten sie sowohl die Stofffülle als auch
eine zu frühe Spezialisierung verhindern. Man erhoffte sich dadurch, dem Aufbau einer gemeinsamen
allgemeinen, aber auch individualisierten Bildung näher zu kommen und das reine Fächerprinzip zu
überwinden. (vgl. Dehnbostel 1988, 56 ff.). Im Gegensatz zum neuhumanistischen Konzept der
zweckfreien Bildung, berücksichtigte das Konzept der zyklischen Bildung erstmals auch die Funktion
der Berufspropädeutik.
„Auch die Gymnasien, die sich betont humanistisch nennen, gehen auf einen Berufstypus ein,
nämlich auf den der akademischen Berufe als einer Gesamtheit und Einheit, die sie trotz aller
Spezialisierungen faktisch sind, und als die sie eine öffentliche Funktion haben“ (Flitner 1961, 23).
Berufspropädeutik sollte aber nicht durch eine spezielle Berufsvorbildung im Unterricht erfolgen (vgl.
170
Dehnbostel 1988, 61). Durch die Forderung nach Wissenschaftspropädeutik (siehe auch Abschnitt
2.3.1) gelingt es, den Fächerkanon fast beliebig zu erweitern und gleichzeitig inhaltlich allgemeinge-
haltene Ansprüche zu definieren. Flitners Konzept war ein wichtiger Schritt zur Auflösung des festen
Fächerkanons sowie der Individualisierung schulischen Lernens und führte nach einigen kontro-
versen Diskussionen über gesellschaftliche Veränderungen gegen Ende der sechziger Jahre zu der im
Abschnitt 2.2.1 bereits beschriebenen Aufgabenfeldstrukturierung der Fächer und dem Kurssystem
(vgl. Schmidt 1994, 91). Ursprüngliches Ziel war es, die große Fächerzahl und die strukturelle
Dreiteilung der allgemeinen Gymnasien (altsprachlich, neusprachlich und mathematisch-
naturwissenschaftlich) in einer gemeinsamen Systematik zu vereinen. Die Fächer wurden drei
Aufgabenfeldern und einem weiteren Bereich zugeordnet, weil man davon ausging, mit der Dreitei-
lung alle Bildungsbereiche abdecken zu können. Durch die Einführung der Aufgabenfelder gelang es,
einen systematischen Überbau zu schaffen, der es möglich macht, jedes neue Fach zu berücksich-
tigen, und sei es, dass es, wie z. B. Sport und Philosophie, außerhalb der Aufgabenfelder angeordnet
wird.
Damit können wir unmittelbar an die zweite Frage, die am Anfang dieses Abschnitts gestellt wurde,
anknüpfen: Welche Beschränkungen wirken auf die Zusammenstellung der Fächer? Der Kanon sollte
nach Wilhelm Flitners Vorstellungen die Individualisierung von Bildung fördern und eine frühzeitige
Spezialisierung verhindern. Wenn im Fächerkanon Beliebigkeit der Fächer zugelassen wird, so muss
diese zwangsläufig beschränkt werden, damit das Bildungsverständnis mit den jeweiligen gesellschaft-
lichen Vorstellungen und der Tradition in Einklang gebracht werden kann. Es sind also „Nebenbedin-
gungen“, der sogenannte Regelkanon, für die Fächerzusammenstellung erforderlich, die die Auswahl
unter Berücksichtigung der genannten Ziele beschränken.
Beliebigkeit wird im Gleichwertigkeitsprinzip der Fächer realisiert. Der heutige gymnasiale
Kanon erfüllt nach dem Verständnis seiner Befürworter das Gleichwertigkeitsprinzip in zweifacher
Weise. Jedes Fach ist zunächst jedem anderen gegenüber grundsätzlich gleichwertig. Beschränkun-
gen ergeben sich unmittelbar aus der Unterteilung des Fächerkanons, weil für eine „breite“ Bildung
alle Teilbereiche angemessen zu wählen sind. Die Lernenden dürfen aus dem gesamten Fächerkanon
eine individuelle Auswahl vornehmen, wobei aber eine gleichwertige Berücksichtigung aller drei
Aufgabenfelder erfolgen muss, damit die Bildung weder einseitig noch speziell wird. Diese Beschrän-
kungen werden durch den Regelkanon repräsentiert.
Sowohl die KMK als auch die von ihr eingesetzte Expertenkommission halten grundsätzliche
Veränderungen in beiden Kanonteilen für unnötig und sehen die Defizite der gymnasialen Oberstufe
fast ausschließlich in der inhaltlichen Ausgestaltung der Unterrichtsfächer und damit in den Fachlehr-
plänen. Reformen der fachlichen Inhalte sind aber, sofern sie nicht die Organisationsstruktur einbezie-
hen, nur Stückwerk, das in immer kürzer werdenden Intervallen den gesellschaftlichen Vorstellungen
angepasst werden muss. Es geht nicht darum, den „großen Wurf“ zu wagen, sondern den Fächer- und
Regelkanon an die neueren Erkenntnisse der erziehungswissenschaftlichen und wirtschaftspädagogi-
schen Forschung und die gesellschaftlichen Vorstellungen anzupassen (siehe auch Abschnitt 4.3.2).
171
Besonders die Bestrebungen der süddeutschen Bundesländer zur Reglementierung des Abiturs zeigen,
dass die von der KMK in den letzten Jahren durchgeführten „Reförmchen“ nur sehr kurzfristig für
Ruhe in der gymnasialen Oberstufe sorgten.
Es ist generell die Frage zu stellen, ob die mit der Einführung verbundenen Ziele der reformierten
Oberstufe nach über zwanzig Jahren in der Praxis umgesetzt werden konnten. So sollte z. B. durch den
Regelkanon mit seinen Beschränkungen bei der Kurswahl die alte Trennung von Haupt- und Nebenfä-
chern überwunden werden (siehe auch Unterkapitel 5.1). Die Aufwertung von traditionellen Nebenfä-
chern mit zwei Wochenstunden zu fünf- bis sechsstündigen Leistungskursen machte eine Lehrplanre-
vision erforderlich, die überwiegend zu einer stärkeren Anlehnung an die Fachwissenschaften führte
und die im Laufe der letzten Jahrzehnte durch die erweiterten Kurswahlbeschränkungen tendenziell zu
einer latenten Fächerhierarchie im Sinne des traditionellen gymnasialen Fächerkanons führten (vgl.
Arbeitsgruppe Bildungsbericht am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 1994, 504). Selbst
wenn dieser Zustand akzeptiert werden könnte, so bleibt ein gravierendes Problem bei den Grundkur-
sen erhalten: Es ist bisher nicht gelungen, Grundkursen in der Unterrichtspraxis inhaltlich ein der
gymnasialen Oberstufe entsprechendes Niveau zu geben. Daher sind die Leistungen heute teilweise
dem Unterricht im traditionellen Klassenverband unterlegen. Dieses dürfte u. a. ein Grund dafür sein,
dass die Gymnasien ihre hochselektive Funktion weitgehend verloren haben und heute knapp 30
Prozent eines Jahrgangs die Hochschulreife erhalten. (vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht am Max-
Planck-Institut für Bildungsforschung 1994, 502 ff.) Diese Zunahme der Zahl der Absolventen und
Absolventinnen der gymnasialen Oberstufe ist zwar in Anbetracht der im dritten Kapitel beschriebe-
nen Veränderungen am Arbeitsmarkt dringend erforderlich, sie sollte sich aber mindestens bei
konstantem Leistungsniveau vollziehen.
Für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - stellt sich die Übernahme der gymnasialen
Kanonstruktur weit differenzierter dar. Mit den Beschreibungen zum Fächerkanon sollte deutlich
geworden sein, dass es in den verschiedensten Systematiken stets Zuordnungsprobleme bei den
wirtschaftsbezogenen Fächern gab. „Kritiker des Schulwesens argwöhnten schon, daß das Ungleich-
gewicht Methode hat. Die Realwissenschaften erscheinen als Hobbywissenschaften, die ein ungefähr-
liches Quizwissen vermitteln und von den wahren Problemen des Lebens in einer modernen Gesell-
schaft ablenken, in denen der Mensch von potentiellen Ausbeutern - Rechtsanwälten, Steuer- und
Anlageberatern und Ärzten - abhängig ist.“ (Memmert 1994, 1115) Diese Unsicherheiten in Bezug auf
die Bewertung wirtschaftsbezogener Fächer werden auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung (siehe
auch Abschnitt 2.3.2) und der Aufgabenfeldsystematik (siehe auch Abschnitt 2.2.1) des Fachgymnasi-
ums - wirtschaftlicher Zweig - deutlich.
Im sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld finden wir mit Deutsch ein Fach, das die
Einübung in den Gebrauch einer Kulturtechnik dient. Im Gegensatz zur Mathematik im dritten
Aufgabenfeld, wird das Fach „Deutsch“ durch das Fach „Literatur“ weiter aufgespalten. Während sich
ersteres mehr mit der Literatur- und der Sprachwissenschaft mit dem Ziel der „Aufsatzanfertigung“
172
beschäftigt, soll Literatur das künstlerische und ästhetische Interesse z. B. durch Theater- und
Videoproduktion fördern. Hier bedarf es einer grundlegenden Änderung des inhaltlichen Verständnis-
ses. Deutsch sollte nicht nur im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - als Denk- und Kommuni-
kationsmittel verstanden und unterrichtet werden. „Daß die Sprache als Mittel zur Kunstproduktion
(Literatur) dienen kann, ist eher sekundär zu sehen und darf auf keinen Fall deren Gebrauchswert
überdecken.“ (Memmert 1994, 1120)
Das Fach „Wirtschaftstheorie und -politik“ im gesellschaftlichen Aufgabenfeld ist der profilgeben-
de Kurs im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -. Durch seine einseitige Ausrichtung an der
universitären Volkswirtschaftslehre kann es diese Aufgabe aber kaum erfüllen (siehe auch Abschnitt
2.3.2 und Unterkapitel 3.2). Das Fach „Wirtschaftsgeographie“ versucht sich durch die räumlichen
Betrachtungen und durch komplexe Darstellungen im ökologischen Bereich vom Leistungskurs
„Wirtschaftstheorie und -politik“ abzugrenzen.
Für das Fach „Gemeinschaftskunde“ gibt es keine direkte universitäre Basisdisziplin. Hier werden
Geschichte, Politologie und Soziologie vermischt und greifen auch in den Leistungskurs desselben
Aufgabenfeldes ein. „Wenn dieses Fach weniger theoretisch gelehrt würde, dafür aber mehr praktische
Kompetenz vermittelte, entspräche es am ehesten dem Bild eines eigenständigen Schulfaches, das
nicht Abklatsch eines Hochschulfaches ist.“ (Memmert 1994, 1117) Beim Fach „Gemeinschaftskun-
de“ und auch bei den Fächern „Rechtslehre“ und „Wirtschaftsgeographie“ führt ein dem Lehrplan
entsprechender Leistungskursunterricht in „Wirtschaftstheorie und -politik“ zu größeren inhaltlichen
Überschneidungen. In „Wirtschaftsgeographie“ sind es hierbei besonders die Themenbereiche
„Standortproblematik“ und „Entwicklungsländer“, in Rechtslehre die „Wirtschafts- und Gesellschafts-
ordnung“ und in Gemeinschaftskunde das Themengebiet über die Europäische Union. Diese kurze
Darstellung zeigt, dass die inhaltliche Aufspaltung nicht unbedingt nachvollziehbar ist und zu
Redundanzen führt. Welche Lösungsmöglichkeiten für die Fächerabgrenzung bestehen, muss daher im
dritten Abschnitt dieses Unterkapitels noch genauer beschrieben werden.
Für den fachgymnasialen Fächerkanon besteht nur eine scheinbare Ausgewogenheit in der Fächer-
verteilung, was sich besonders im mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld
zeigt. Wie die kurze Lehrplananalyse im Abschnitt 2.3.2 für das Fach „Rechnungswesen“ gezeigt hat,
sollte es eigentlich dem zweiten Aufgabenfeld zugeordnet werden, sofern die Lehrplanforderungen
nach Darstellung eines betriebswirtschaftlichen Abrechnungssystems ernst genommen würden. Hieran
wird deutlich, dass Fächerzuordnungen im Kanon erst nach genauer Kenntnis der Inhalte vorzuneh-
men sind.
Für das Fach „Mathematik“ gelten die gleichen Aussagen, die bereits zum Fach „Deutsch“ gemacht
wurden. Hier kann es nicht vordringlich um „Beweisführungslehre und Denksport“ (Memmert 1994,
1120) gehen, sondern um Probleme, wenn möglich, aus dem ökonomischen Bereich, die es zu lösen
gilt.
Selbst wenn Peter M. Röder und Sabine Gruehn in ihren Ausführungen (vgl. 1996, 516 f.) für die
allgemeinbildenden Gymnasien zu dem Ergebnis kommen, dass im bestehenden Fächerkanon keine
173
Probleme erkennbar sind, sollte doch angesichts der oben beschriebenen fachgymnasialen Besonder-
heiten eine differenziertere Betrachtung erfolgen.
Wie bereits im Abschnitt 2.2.1 dargestellt wurde, lässt der Regelkanon des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - für die Auswahl von Kursen nur wenige Möglichkeiten zu, weil mit der
Entscheidung für den Fachgymnasiumstyp bereits der zweite (lt. Definition der Fachgymnasiumsver-
ordnung) Leistungskurs vorbestimmt ist. Darin wird ein erster eindeutiger Verstoß gegen das Prinzip
der Kurswahlfreiheit sichtbar, der dadurch abgemildert wird, dass die Lernenden einen von vier
Fachgymnasiumstypen frei wählen dürfen. Der erste Leistungskurs darf in den Fachgymnasien immer
nur unter den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik gewählt werden. Grundsätzlich wird damit
die Kurswahlfreiheit gewahrt, da in Kombination mit den oben in den Aufgabenfeldern zugeordneten
Grundkursen immerhin über siebzig Wahlmöglichkeiten bestehen. Die Auswahl des ersten Leistungs-
kurses führt aber auch automatisch zu Belegpflichten in den beiden anderen nicht als Leistungskurs
gewählten Fächern. Diese müssen in Form von Grundkursen belegt werden. Das doppelte Angebot an
Fächern, als Leistungs- und Grundkurs, erfordert einen erheblichen organisatorischen und finanziellen
Aufwand.
Ein weiterer Verstoß gegen die Kurswahlfreiheit findet sich in § 6 der Fachgymnasiumsverordnung.
(vgl. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
1999) So können die Fächer „Religion, Philosophie, Literatur, Fremdsprachen, Wirtschaftsgeographie,
Rechtslehre, Informatik und Gemeinschaftskunde“ Wahlgrundkurse sein. Diese Aussage ist ungenau,
da § 5 der Fachgymnasiumsverordnung fordert, dass „Gemeinschaftskunde, Literatur, Religi-
on/Philosophie“ in vier Kurshalbjahren mit mindestens zwei Kursen zu belegen sind. Damit bleiben
als „echte“ Wahlgrundkurse nur „Informatik, Rechtslehre und Wirtschaftsgeographie“, weil die zweite
Fremdsprache bei Nichterfüllung des „Hamburger-Abkommens“ (weniger als vier Jahre Unterricht in
der zweiten Fremdsprache) ebenfalls bis zum Abitur fortgeführt werden muss. Wie bereits in
Unterkapitel 2.2. dargestellt wurde, stehen die geringen Kurswahlmöglichkeiten in keinem Verhältnis
zum organisatorischen Aufwand. Den Lernenden gibt das Kurswahlsystem keinen Anreiz, freiwillig
eine größere Zahl von Kursen zu belegen, um unterschiedliche Fächer „auszuprobieren“, da sonst
Klausuren und Halbjahresnoten „drohen“. Mit dem Start des Kurssystems werden von den Lernenden
nur Pflichten erfüllt und Rechte nicht wahrgenommen. Diese Kritik bezieht sich nicht auf die bereits
stark belasteten Lernenden, sondern auf die formale Ausgestaltung des Kurssystems.
Der entscheidende Grund, der gegen einen so einen umfassenden fachgymnasialen Regelkanon
spricht, liegt in der Lernsituation der Schülerinnen und Schüler (siehe auch Unterkapitel 2.2 und 3.1).
Da das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nur in Aufbauform angeboten wird, kann sich
weder eine Klassen- noch Sozialstruktur entwickeln (siehe auch Abschnitt 2.2.1). Dazu kommen dann
noch die Defizite sowie Unterschiede in der Lernleistung der Schülerinnen und Schüler, deren
Ausgleich in der Regel mehr als nur ein Schuljahr erfordert.
Zusammengefasst geht die Grundstruktur des fachgymnasialen Kanons von der Aufgabenfeldsystema-
174
tik der allgemeinbildenden Gymnasien aus. Aber weder der übernommene Fächer- noch Regelkanon
sind im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ausgereift. Während die Fächersystematisierung
durch die drei Aufgabenfelder noch sinnvoll erscheint, da hierüber die Zuordnung von allgemeinbil-
denden und berufsbezogenen Fächern gelingt, fördert der übernommene gymnasiale Regelkanon die
Fächeraufspaltung und verhindert ein Lernen in komplexen Zusammenhängen.
Die von der KMK-Expertenkommission geforderte stärkere Profilierung der Grundkurse dürfte die
Probleme nicht beseitigen, da sich das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zunächst über
Inhalte aus dem ökonomischen Schwerpunktbereich profilieren muss. Das Angebot der KMK, Kurse
mit allgemeinbildenden Gymnasien zusammenzulegen, dürfte eher zu einem Anstieg des organisatori-
schen Aufwands führen. Da die Lernenden des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - aus
unterschiedlichen „Zubringerschulen“ kommen, sollte die dreijährige Schulzeit für die Vermittlung
eines angeglichenen Bildungsniveaus und zum Aufbau von Sozialkompetenz genutzt werden. Daher
müssen der Regelkanon und das Kurssystem grundlegend reformiert werden.
175
5.1.2 Die Berufsfelder als Strukturprinzip der Berufsschulen
Neben der Systematik durch Aufgabenfelder wird in den Fachgymnasien die Struktur durch berufs-
schulische Kriterien bestimmt. Beide Systematiken wurden im Unterkapitel 5.1 als „doppeltes
Kanonproblem“ bezeichnet. In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie unter Beachtung der gymnasi-
alen Kanonstruktur die Anbindung des Fachgymnasiums an die beruflichen Schulen vollzogen wird.
Auch hier eignen sich die bereits im vorherigen Abschnitt verwandten Einleitungsfragen für eine
systematische Vorgehensweise:
• Welche grundlegende Systematik fasst die Fächer zusammen?
• Welche Beschränkungen wirken auf die Zusammenstellung der Fächer?
Für die Beantwortung der ersten Frage ist es zunächst wiederum erforderlich, in einem kurzen
Aufriss die historische Entwicklung des berufsschulischen Kanons darzustellen (siehe auch Unterkapi-
tel 2.1). Die Vorstellungen über den Fächerkanon der kaufmännischen Berufsschulen haben im letzten
Jahrhundert mehrfach Veränderungen erfahren. Während vor dem Ersten Weltkrieg in den Fortbil-
dungsschulen die Wiederholung des „Volksschulstoffes“ dominierend war, ging man in der Weimarer
Zeit davon aus, dass sich Bildung ohne besonderes Zutun durch den Beruf entwickeln würde. (vgl.
Schwarzlose 1960, 166 ff.) Eduard Spranger beschrieb in den zwanziger Jahren für die Lernenden in
Berufsschulen die Anknüpfungs- und Motivationsgrundlage mit folgendem Bild: „Junge Menschen,
die eben ins Leben hinausgetreten sind und oft widerwillig für sechs Stunden der Woche auf die
Schulbank zurückkehren, können nicht für unbestimmt allgemeine Dinge interessiert werden. Man
muß an ihr Lebenszentrum anknüpfen, und die Vermutung, daß ihr Beruf und ihr Fortkommen ihren
Wissenstrieb besonders beflügeln werden, ist gewiß nicht unbegründet. Es war daher ein genialer
Gedanke von Kerschensteiner, den natürlichen Berufstrieb als Hebel für die weitere Bildung zu
benutzen.“ (Spranger, zitiert nach Peege 1963, 256).
Mit den Veränderungen in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen begann der
Deutsche Ausschuß für Technisches Schulwesen (DATSCH) in den zwanziger Jahren im gewerblich-
technischen Bereich die neuen industriellen Ausbildungsberufe so zu konstruieren, dass sie zu
mehreren Einzelberufen führen konnten. Im ersten Ausbildungsjahr war dafür eine breite Grundaus-
bildung über mehrere ähnliche Berufe vorgesehen. Daraus entstand eine erste Systematisierung von
Ausbildungsberufen, die über die Ordnung nach Zünften und Gilden hinausging. Durch die Unter-
scheidung von Berufsfeldern als künstliche Aggregate verwandter Berufe hoffte man, das Gemeinsa-
me von ähnlichen Berufen zusammen vermitteln zu können.
Mit der Einführung des Berufsgrundbildungsjahres erfuhr dieser zunächst weite Berufsfeldbegriff in
den siebziger Jahren eine enge Definition. Für die praktische Umsetzung des Berufsgrundbildungsjah-
res wurden zunächst 11 Berufsfelder bestimmt, denen etwas über 200 Ausbildungsberufe zugeordnet
wurden (vgl. Dehnbostel 1988, 73 ff.). Der Grundgedanke, die Berufsausbildung in einen Zeitab-
schnitt der Grund- und Fachbildung zu trennen, knüpft an die Idee „des Elementaren in verwandten 176
Berufen“ an und bezieht sich damit auf Sprangers Konzept einer Stufung von Bildung (vgl. ebd., 68).
Im ersten Ausbildungsjahr sollte eine breite Einführung in den Beruf bei gleichzeitiger Fortführung
der Allgemeinbildung erfolgen. Zusätzlich versprach man sich durch diese Stufeneinteilung eine
erhöhte berufliche Mobilität der Auszubildenden. In der 1978 novellierten Berufsgrundbildungsjahr-
Anrechnungsverordnung wurden die Berufsfelder von 11 auf 13 erweitert und gleichzeitig in sechs
Berufsfeldern insgesamt 15 ergänzende Schwerpunkte gebildet. Das Berufsfeld „Wirtschaft und
Verwaltung“, wird bis heute in die drei Schwerpunkte „Absatzwirtschaft und Kundenberatung“,
„Bürowirtschaft und kaufmännische Verwaltung“ sowie „Recht und öffentliche Verwaltung“
gegliedert.
Durch die Vorstellung, dass die Berufsentscheidung in eine Berufsfeld- und sich daran anschließen-
de Einzelberufsentscheidung aufgeteilt werden könne, wurde die Berufsfeldklassifikation auch zum
didaktischen Organisationsmerkmal der beruflichen Schulen und bestimmte fortan den Fächerkanon.
Im Unterschied zu den Aufgabenfeldern der allgemeinbildenden Schulen bewirken die Berufsfelder
eine unmittelbare Einschränkung der möglichen Unterrichtsfächer. In den kaufmännischen
Berufsschulen werden dadurch drei grundlegende Fächer, die „Spezielle Wirtschaftslehre“, das
„Rechnungswesen“ und die „Allgemeine Wirtschaftslehre“ unterrichtet. Obwohl sich die Fächerbe-
zeichnungen in den letzten Jahrzehnten mehrfach geändert haben, sind die Unterrichtsthemen
weitgehend konstant geblieben. Daneben stehen Fächer mit sehr begrenzter Stundenzahl wie z. B.
„Deutsch, Kommunikation, Englisch, Wirtschaft/Politik“ und teilweise auch noch „Datenverarbei-
tung“, sofern sie nicht in das Fach „Rechnungswesen“ und/oder „Spezielle Wirtschaftslehre“ integriert
wurden.
Die Berufsfeldeinteilung und -erweiterung sowie die weitere Unterteilung in Schwerpunkte sind als
direkter Widerspruch zum Ansatz einer berufsfeldbreiten Grundbildung zu sehen. Sie haben auch dazu
geführt, dass die Berufsfeldzuordnung der Ausbildungsberufe unsystematisch ist und die Berufsfelder
nicht die allein bestimmende Strukturkategorie der berufsbildenden Schulen sind. (vgl. Dehnbostel
1988, 118 ff.) Die Berufsfeldeinteilung weist dabei insbesondere folgende Probleme auf:
• Es fehlt ein durchgehend angewendetes Leitmerkmal für die Berufseinordnung;
• Es sind nur etwa zwei Drittel der Ausbildungsberufe erfasst, und neue Berufe wie der Erstausbil-
dungsberuf Automobilkaufmann/-kauffrau sind vermutlich wegen der Anrechnungsverordnung
nicht in ein Berufsfeld eingeordnet worden, obwohl der Unterricht an den kaufmännischen Berufs-
schulen erteilt wird;
• Die Zahl der Ausbildungsberufe ist sehr ungleichmäßig über die Berufsfelder verteilt;
• Es ist keine eindeutige Abgrenzung von Tätigkeiten gegeben, die zu einem Berufsfeld gehören.
Während z. B. Auszubildende im Einzelhandelsbereich grundsätzlich dem Berufsfeld „Wirtschaft
und Verwaltung“ zugeordnet werden, sind die Fachverkäufer und -verkäuferinnen im
Nahrungsmittelhandwerk im Berufsfeld „Ernährung und Hauswirtschaft“ und die Pharmazeutisch-
kaufmännisch Angestellten („Apothekenhelfer und -helferinnen“) unter den Gesundheitsberufen
erfasst. (vgl. Bundesanstalt für Arbeit 1992, 270)
177
Diese Probleme führten dazu, dass z. B. die Arbeitsämter für ihre Statistiken eigene Systematiken
entwickelten. Leider sind diese Systematiken für den Einsatz in den berufsbildenden Schulen
ungeeignet, da Ausbildungsberufe des dualen Systems unvollständig erfasst werden und die Ord-
nungsmerkmale aufgrund ihrer Allgemeinheit auch keine Hilfe für die Entwicklung eines Kanons und
damit letztlich von Fächern bieten.
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Versuch der inhaltlichen Fixierung eines Berufsfel-
des:
• Die Inhalte des Berufsfeldes sind nicht eindeutig abgrenzbar, d. h. Inhalte lassen sich häufig auf
mehrere Berufsfelder übertragen. So werden z. B. Kenntnisse der kaufmännischen Kalkulation
auch in handwerklichen Berufen benötigt.
• Da das Allgemeine eines Berufsfeldes häufig auch das Schwerste ist, widerspricht es auch
didaktischen Grundsätzen, dieses in der Einführung vermitteln zu wollen.
• Es besteht letztlich keine Einigkeit darüber, welche Inhalte für ein Berufsfeld in der Gegenwart und
Zukunft von Bedeutung sind, obwohl besonders für den Berufsschulbereich Inhaltskataloge entwi-
ckelt wurden. Diese gehen aber von überholten Ansprüchen aus, die um immer neue Inhalte er-
gänzt werden und sich nicht an den derzeitigen beruflichen Strukturen ausrichten. So sind in den
Lehrplänen im Laufe der Jahre die allgemeinen Aufzählungen immer umfangreicher geworden.
„Da ein lediglich beziehungsloses Aneinanderreihen der Unterrichtsfächer nicht zu dem der Schule
gestellten Bildungsziel führen kann, sind von vielen Theoretikern und Praktikern Überlegungen
angestellt worden, wie die Rangordnung der Fächer im Fächerkanon zu gestalten ist.“ (Peege 1963,
256) Der Grundgedanke einer tiefergehenden kaufmännischen Fächersystematik geht auf Friedrich
Schlieper zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieb er mit seinem Ansatz, wie Fächer unter
einem Zentralfach zusammengefasst werden könnten. Diese Konzentration auf Fachgruppen wurde
von Karl Erbach dadurch erweitert, dass im Zentrum nicht „der weltanschauliche Unterricht“ (ebd.,
256), sondern die spezielle Betriebswirtschaftslehre mit drei Ergänzungsfächern (Warenkunde,
kaufmännisches Rechnen und Buchführung) steht. An die spezielle Betriebswirtschaftslehre sind die
beiden Leitfächer „Deutsch“ und „Bürgerkunde“ mit ihren Ergänzungsfächern gebunden. Zur
„Bürgerkunde“ werden von Joachim Peege u. a. die „Volkswirtschafts- und Rechtslehre“ gezählt, da
beide gemeinschaftskundlich bilden sollen. (vgl. ebd., 256 f.) Diese „Satellitenkonzepte“ ähneln dem
Ansatz der Aufgabenfelder, aber im Unterschied zu diesem wird hier ein die anderen Fächer dominie-
rendes Fach gesucht und keine Gleichwertigkeit der Fächer angestrebt. Im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - findet sich dieser Ansatz auch in der inhaltlichen Strukturierung der Fächer
„Wirtschaftstheorie und -politik“ sowie „Rechnungswesen“ wieder. Da das eine Fach ab der 12.
Jahrgangsstufe Leistungskurs und das andere Fach zum Grundkurs wird, besteht hiermit auch eine
weitgehende Übereinstimmung mit dem Kurssystem der allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe.
Der Unterschied zum gymnasialen Kurssystem liegt darin, dass die Fächer „Wirtschaftstheorie und -
178
politik“ bzw. „Rechnungswesen“ als Leistungskurs bzw. Grundkurs festgelegt sind und im ökonomi-
schen Lernbereich auch keine umfassenden Kursalternativen bestehen.
Die zweite Frage, die am Anfang dieses Abschnitts gestellt wurde, knüpft unmittelbar an diese
Problematik an und bezieht sich auf die Beschränkungen in der Zusammenstellung der Fächer. Sie ist
durch die Darstellungen zur Berufsfeldsystematisierung und zum Satellitenkonzept fast hinreichend
behandelt worden. Da das kaufmännische Berufsschulwesen traditionell einen festen Fächerkanon
besitzt, der sich überwiegend am Beruflichen orientiert, ist ein umfassender Regelkanon wie in der
allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe nicht erforderlich. Erst durch die Einführung einiger,
weniger Wahlpflichtfächer, die Erteilung eines der Mittleren Reife gleichwertigen Berufsschulab-
schlusses und die Möglichkeit, während der Berufsausbildung in der arbeitsfreien Zeit durch zusätzli-
chen Berufsschulunterricht die Fachhochschulreife zu erwerben, ist ein umfangreicherer Regelkanon
entstanden. Eine ähnliche, wenn auch weit geringere Wirkung hat die bereits beschriebene BGJ-
Anrechnungsverordnung, indem sie dem Auszubildenden nach Abstimmung mit dem Unternehmen
eine Ausbildungsverkürzung ermöglicht.
Insgesamt betrachtet, fand in den letzten fünfzig Jahren im berufsbildenden Schulsystem keine
grundlegende Kanondiskussion über den anzulegenden Maßstab statt, da sich der Kanon überwiegend
am Beruflichen ausgerichtet hat. Dieses wird auch am Verhältnis der berufs- zu den allgemeinbilden-
den Unterrichtsstunden deutlich. Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es im berufsbildenden Schulwe-
sen zwei neue Entwicklungen, die unmittelbare Auswirkungen auf den Berufsfeld-Kanon haben und
damit auch Veränderungen im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - auslösen könnten: Es sind
der Lernfeldansatz für den berufsbezogenen Unterricht (Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1999) und das Konzept der Basisberufe
(Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutsch-
land 1998).
Das Konzept der Basisberufe soll die Grundlage für die Entwicklung eines neuen Berufsverständ-
nisses werden, da bei der KMK Zweifel an den traditionellen Vorstellungen von Kerschensteiner und
Spranger bestehen, dass der Beruf für die Lernenden auch heute noch identitätsstiftendes Element sein
kann. Das Konzept der Basisberufe basiert auf Vorstellungen der Industrie, die der KMK bereits am
Anfang der neunziger Jahre auf einer Tagung mit Spitzengremien der deutschen Wirtschaft und Politik
in Wolfsburg präsentiert wurden. Pate standen Reformbestrebungen der Großindustrie, die Lernen und
Arbeiten miteinander verschränken wollten. „Merkmale für einen solchen Berufszuschnitt wären eine
breite berufliche Handlungsfähigkeit, verbunden mit einer speziellen Vertiefung sowie einer Ausprä-
gung überfachlicher Dispositionen; zugleich wäre der Zusammenhang zwischen Aus- und Weiterbil-
dung zu definieren.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 1998, 4) Die Hoffnung der KMK ist, dass hierdurch die Zahl der
Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz erhalten, steigen wird und die Aus- mit der Weiterbildung
verknüpft werden kann. (vgl. ebd., 1 ff.) Da dieses Konzept noch in der Entwicklung ist, bleibt
abzuwarten, ob der Ansatz der Basisberufe so weit vorangetrieben werden kann, dass er die „löchrige“
179
Berufsfeldsystematik ablösen kann oder ob dieses nur eine auf das jeweilige Berufsfeld begrenzte
Systematik bleibt, die in unterschiedlichem Ausmaß weiterentwickelt wird. Von letzterem kann
ausgegangen werden, da ähnliche Versuche, wie z. B. die Trennung von beruflicher Grund- und
Fachbildung, bereits in der Vergangenheit gescheitert sind.
Die zweite wichtige Änderung im Rahmen der beruflichen Ausbildung ist, dass zukünftig Lehrpläne
für den berufsbezogenen Unterricht nach Lernfeldern zu strukturieren sind. Bisher wurden Unter-
richtsinhalte nach Lerngebieten in mindestens eines der drei kaufmännischen Fächer (Allgemeine
Wirtschaftslehre, Spezielle Wirtschaftslehre und Rechnungswesen) eingeordnet. Seit 1996 sollen alle
neu geordneten berufsbezogenen Rahmenlehrpläne in Lernfeldern strukturiert werden. Während die
bisherigen Lerngebiete fachsystematisch strukturiert waren und eine ausgeprägte Berufs- und
Wissenschaftsorientierung aufwiesen, sollen die Lernfelder ablaufsystematisch ausgerichtet sein und
sich dabei an den Konzepten der Handlungsorientierung und der Schlüsselqualifikationen orientieren.
Lernfelder sind thematische Einheiten, die sich an konkreten beruflichen Aufgabenstellungen und
Handlungsabläufen orientieren. Sie werden durch Zielformulierungen, Zeitrichtwerte und Inhaltsbe-
schreibungen ergänzt. (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 1999 14 ff.) Die schulorganisatorische Umsetzung der Lernfelder, d. h.
die Fächerung, bleibt bisher weitgehend ungeklärt. Die Abbildung 14 stellt das bisherige und neue
Konzept in einer Tabelle zusammen.
Abbildung 14: Berufsschulkonzept
Bisher: Neu:
Berufsfelder Basisberufe
Fachsystematisch Ablaufsystematisch
Lerngebiete / Fächer Lernfelder / Lernbereiche
Berufs- und
Wissenschaftsorientierung
Handlungsorientierung und
Schlüsselqualifikation
Letztlich wird in den beruflichen Schulen die Umsetzung neuer Ansätze immer noch von der
Gestaltung der Kammer-Abschlussprüfungen bestimmt. Diese haben in den letzten Jahren wieder
einen deutlicheren Bezug auf Abläufe in der betrieblichen Praxis genommen. Damit gewinnt einerseits
Schliepers „Satellitenkonzept“ mit der Schwerpunktsetzung in der „Speziellen Wirtschaftslehre“
wieder an Aktualität, aber andererseits wird eine Trennung von beruflicher Grund- bzw. Basis- und
Fachbildung nicht möglich, weil betriebliche Abläufe immer komplexer werden. Eine Aufspaltung
wäre nur möglich, wenn je nach anzustrebender Qualifikation diese Komplexität unterschiedlich tief
und damit auch mehrfach vermitteln würde.
180
Für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ergeben sich aus der Berufsfeldsystematik,
dem Ansatz der Basisberufe und dem Konzept der Lernfelder mehrere Probleme, die Parallelen zur
Aufgabenfeldproblematik zeigen. Zunächst muss festgestellt werden, dass weder die Berufs- noch die
Aufgabenfeldsystematik Hilfen für die Fächerentwicklung gibt und dass ihre Ausrichtung, also der
Maßstab, immer wieder kritisch diskutiert wird. Beide Konzepte sind so allgemein angelegt, dass
Fächer letztlich doch über Inhalte definiert werden müssen, damit eine Zuordnung erfolgen kann.
Durch die Trennung der berufsbildenden Schulen nach der Berufsfeldsystematik werden vier Typen
von Fachgymnasien gebildet, deren Profilschwerpunkte im jeweiligen Berufsfeld liegen sollten. Die
bereits beschriebenen Probleme der Berufsfeldeinteilung führen dazu, dass sich die Festlegung des
Berufsfeldtypischen schwierig gestaltet. Das neue Konzept der Basisberufe vermag dieses Problem
auch nicht zu lösen und zeugt sogar von einem gewissen Zeitgeist, der ebenfalls im allgemeinbilden-
den Schulsystem zu finden ist. Statt unterrichtsorganisatorische Maßnahmen des Basisberufskonzeptes
darzustellen, erfolgt ein Rückzug auf allgemeine Qualifikationsforderungen (z. B. Schlüsselqualifika-
tionen) und Begriffe aus der pädagogischen Lernpsychologie (z. B. Transferwissen). Damit ähnelt
dieses Konzept den bekannten Forderungen nach einer allgemeinen bzw. beruflichen Grundbildung
und wird in der Unterrichtspraxis des Fachgymnasiums zunächst keine Veränderungen hervorrufen.
Ein Beweis dafür sind die ursprünglich in den gymnasialen KMK-Beschlüssen geforderten „Grundbil-
dungskonzepte“, die nie tiefergehend ausgestaltet wurden und in neueren KMK-Beschlüssen zur
gymnasialen Oberstufe wieder in „Bildungskonzepte“ umbenannt wurden.
Damit bleibt die Frage, ob im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - die Einführung von
Lernfeldern die Vermittlung von ökonomischer Bildung fördern könnte. Didaktisch gesehen, wird
durch die Lernfelder versucht, das inhaltliche Strukturierungs- und Sequenzierungsproblem zu lösen.
Die Einführung von Lernfeldern erfordert aber zunächst die Klärung der zu lehrenden Inhalte. Ähnlich
der Curriculumdiskussion im allgemeinbildenden Schulwesen in den sechziger und siebziger Jahren
wird versucht, eine übergeordnete inhaltliche Systematik für den Unterricht zu entwickeln, ohne
jedoch gleichzeitig auch die unterrichtsorganisatorische Umsetzung zu berücksichtigen. Vordergrün-
dig scheint hierdurch eine Kanonentwicklung möglich, aber historisch lässt sich aufzeigen, dass ein
Kanon nur entstehen kann, wenn sowohl eine inhaltliche Strukturierung als auch eine fachliche
Aufteilung erfolgt und beide Bereiche in Einklang miteinander gebracht werden. Es gilt immer noch
das pädagogische Prinzip, dass komplexe Probleme besser gelernt und verstanden werden, wenn sie
zunächst aus dem Komplexen herauspräpariert werden und erst danach eine Spezialisierung und
Vertiefung erfolgt (siehe auch Abschnitt 4.1.2 und 4.3.2). Für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - könnte das Lernfeldkonzept nur bestimmend werden, wenn es gelänge, damit eine Unter-
richtskonzeption zu verbinden, in der deutlich würde, ob Fächer oder Lernbereiche das Kriterium für
die Unterrichtsorganisation sind. Bei der Entscheidung für Lernfelder müssten diese so ausgestaltet
werden, dass nicht die beruflichen Abläufe dominieren, da das Fachgymnasium - wirtschaftlicher
Zweig - nicht die Berufsausbildung vorweg nehmen soll.
181
Der Gedanke einer Lernfeldsystematik hat aber auch eine positive Seite. Erstmals wird dadurch das
unmittelbare Zergliedern von Inhalten auf verschiedene Fächer aufgehoben. Das beseitigt zunächst die
vielfach kritisierte, mehrfache Behandlung von Themen in unterschiedlichen Fächern und könnte bei
konsequenter Weiterentwicklung dazu führen, dass die Vielzahl der Fächer reduziert würde, das
Fächerdenken zurückgedrängt würde und reale komplexe ökonomische Prozesse in das Zentrum der
Betrachtung rücken (siehe auch Abschnitt 4.3.2). Ähnliches soll durch die letzten KMK-Beschlüsse
für die gesamte gymnasiale Oberstufe durch die Schaffung von Projektfächern erreicht werden.
Zusammenfassend gesagt, hat die berufsfeldbezogene Zuordnung der Fachgymnasien zur Folge, dass
sie in vier Typen getrennt werden. Dabei werden die berufsbezogenen Inhalte des entsprechenden
Berufsfeldes der Fächersystematik der gymnasialen Aufgabenfelder untergeordnet. Da die gymnasiale
Aufgabenfeldsystematik und besonders der umfangreiche Regelkanon im Widerspruch zum berufs-
schulischen „Satellitenkonzept“ stehen, kann auch die unmittelbare Übernahme des Basisberufskon-
zeptes keine Veränderung in der Unterrichtsorganisation bewirken. Damit scheint das „doppelte
Kanonproblem“, Aufgabenfeld- und Berufsfeldsystematik, zunächst nicht lösbar. Wenn man jedoch
den Ansatz des Lernfeldkonzeptes mit der im Unterabschnitt 4.3.2.2 beschriebenen Dreiteilung des
ökonomischen Bereichs (Produktion, Koordination und institutionelle Gestaltung) vergleicht, werden
Parallelen erkennbar. In beiden Fällen wird versucht, ökonomische Bildung unabhängig von bestehen-
den Fächern und alten Strukturen neu zu bestimmen, damit sich bei den Lernenden ein Denken in
komplexen ökonomischen Situationen entwickelt und eine hohe Transferrate erreicht werden kann.
Möglichkeiten einer fachgymnasialen Profilbildung sind nur durch eine intensivere Auseinanderset-
zung mit dieser Nahtstelle, die zwischen den Inhaltsstrukturen und der Fächereinteilung liegt, möglich.
182
5.1.3 Die Durchtränkung als Strukturprinzip des Fachgymnasiums
Obwohl die Expertenkommission der KMK keinen Handlungsbedarf im organisatorischen Bereich der
gymnasialen Oberstufe sieht, schlägt sie die Einführung von fächerübergreifenden Themen und
fächerverbindendem Unterricht „innerhalb von Fächern und in eigenen Lernaktivitäten“ (Sekretariat
der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995,
166) vor. Damit greift sie indirekt in die Unterrichtsorganisation ein. Die Forderungen der Experten-
kommission sind in allgemeiner Form in den KMK-Beschluss vom 28.02.1997 übernommen worden
und damit in der Schulpraxis umzusetzen (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister
der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1997 c, 5). Der Entwurf zum Grundlagenteil der
Lehrpläne der gymnasialen Oberstufe in Schleswig-Holstein berücksichtigt diese Verpflichtung
dahingehend, dass zukünftig neben dem gefächerten Unterricht u. a. Projektkurse anzubieten sind.
(vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
1998 a, 8 ff.)
Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen organisatorischen Veränderungen erfordert
zunächst eine Definition des Projektbegriffs, weil er im erziehungswissenschaftlichen und pädagogi-
schen Bereich unterschiedlich verwendet wird. Während sich fachorientierter Unterricht meist auf
ein Fach oder eine Disziplin beschränkt, soll fächerübergreifender Unterricht auch über den Bereich
hinausgehen. Werden zusätzlich andere Fächer bzw. Disziplinen in den Unterricht einbezogen, wird
der Unterricht fächerverbindend. Häufig werden die Begriffe „fächerübergreifender Unterricht“ und
„Projekte“ als Synonyme verwandt. Entsprechend den Darstellungen von Ludwig Huber (1995, 167 f.)
wird hier der Begriff „fächerübergreifender Unterricht“ als Oberbegriff fixiert, der u. a. auch durch
Projektunterricht verwirklicht werden kann.
Herbert Gudjons unterscheidet zwei Arten des Projektlernens:
• Projektwochen, die entweder in unregelmäßigen Abständen stattfinden und daher unter ihrem eher
episodenhaften Charakter leiden, und Projektstunden, die als Doppelstunden in jeder Unterrichts-
woche durchgeführt werden. Beide Formen werden in dieser Arbeit als Projektunterricht be-
zeichnet.
• Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, Projektunterricht integrativ im Rahmen des Einzel-
fachunterrichts durchzuführen. Dieses wird hier als Projektmethode definiert und den schülerak-
tiven Unterrichtsformen zugeordnet. (vgl. 1994, 64 f.)
183
In beiden Fällen soll „die Einrichtung der Projektzeiten ... fächerübergreifenden Unterricht und die
Durchführung mehrstündiger und mehrtägiger Sondervorhaben ermöglichen“ und zur „Überwindung
des vielfach stark fächerbezogenen tradierten Denkens“ (Kaiser/Kaminski 1994, 272) beitragen.
Häufig wird leider auch der Epochenunterricht mit dem Projektunterricht gleichgesetzt. „Epochenun-
terricht setzt anstelle des Nebeneinanders von Fächern ein Nacheinander, - eine sehr sinnvolle
Organisationsform, die (wie insbesondere die Waldorfschulen zeigen) eine größere Konzentration auf
wenige Arbeitsgebiete ermöglicht. Einerseits wird durch Projekte eine epochale Fächerkonzentration
nahegelegt und unterstützt (Keck 1973), andererseits ist Epochenunterricht organisatorisch nur eine
Voraussetzung für Projekte.“ (Gudjons 1994, 66)
Eine tiefergehende Analyse der Forderungen nach Projekt- bzw. fächerübergreifendem Unterricht
erfordert einen Rückgriff auf die Ergebnisse der beiden vorherigen Abschnitte (5.1.1 und 5.1.2). An
der Aufgabenfeldstrukturierung der Gymnasien ist positiv hervorzuheben, dass sie eine Fächerung und
bei richtiger Umsetzung auch die Entwicklung eines Kanons ermöglicht. Aus dem berufsbildenden
Schulbereich kann durch die Lernfelddiskussion besonders das Bemühen um eine Konzentration auf
bildungsrelevante Themengebiete positiv hervorgehoben werden. Gemeinsam ist beiden Bildungsinsti-
tutionen der Sekundarstufe II, dass sie in den letzten Jahren versucht haben, den Unterricht stärker an
den Erfordernissen und Bedürfnissen der Lernenden auszurichten. In den berufsbildenden Schulen soll
dieses durch die Orientierung an beruflichen Handlungsabläufen erfolgen, während die Gymnasien auf
den fächerübergreifenden Unterricht in Projektkursen setzen.
Welche Ursachen haben diese neuerlichen Reformbestrebungen? Historisch gesehen läßt sich
zeigen, dass die ständig wachsende Stoffmenge der auslösende Grund für die häufigen strukturbezo-
genen Veränderungen in der gymnasialen Oberstufe sind. Es lassen sich drei grundlegende, aufeinan-
der aufbauende Phasen unterscheiden:
• Wie bereits im Unterkapitel 4.1 beschrieben wurde, ging man zunächst von der Vorstellung aus,
den Stoffumfang durch eine Trennung von Allgemein- und Berufsbildung reduzieren zu können.
Später wurde versucht, Inhalte sehr umfassend und fachwissenschaftlich zu definieren.
• Die Weiterentwicklung der Trennung von Bildungsgütern vollzog sich in den siebziger Jahren
durch die grundlegende Oberstufenreform. Mit ihr sollte durch die Einführung der individuellen
Spezialisierung im Kanon, also durch das Kurssystem, eine Stoffreduzierung erreicht werden.
Gleichzeitig sollte die individuelle Freiheit der Lernenden durch die Wahlmöglichkeit von Kursen
noch gesteigert werden. In den achtziger Jahren bestand die Hoffnung, durch die Aufzählung von
Qualifikationen oder anzustrebenden Kompetenzen eine Stoffreduzierung im Kurssystem zu errei-
chen. Es zeigt sich aber u. a. durch die TIMSS-Studie, dass die Lernenden meist nur eine einge-
schränkt „verwertbare Bildung“ entwickeln und dass sich gleichzeitig sogar die sogenannte All-
gemein- und Persönlichkeitsbildung der Lernenden verschlechtern.
• Seit den neunziger Jahren wird verstärkt die Meinung vertreten, dass die Effektivität der gymnasi-
alen Oberstufe durch die zusätzliche Einführung von fächerübergreifendem bzw. Projekt-
Unterricht verbessert werden könnte und damit sowohl das Problem des wachsenden Stoffumfan-
ges als auch des „richtigen“ Lernens gelöst werden könnte.
Hierbei wird jedoch nicht beachtet, dass bereits die Einführung des Kurssystems im Fachgymnasium
- wirtschaftlicher Zweig - zu einer Zunahme von Fächern durch Fächeraufspaltung geführt hat. So
bieten z. B. Fächer wie „Rechtslehre“ oder „Literatur“ Möglichkeiten der Spezialisierung. Die
184
Vielzahl der Einzelfächer (oder genauer: der geringe Stundenumfang eines jeden Faches) verhindert
die Entwicklung eines Kanons und damit einer zeitgemäßen Bildung im persönlichen und ökonomi-
schen Bereich, wie sie inhaltlich im vierten Kapitel beschrieben wurde. Zeitgemäß wäre eine Offenheit
für Spezialisierungen bei gleichzeitiger Anpassung der Unterrichtsorganisation an die realen Gege-
benheiten. Das erfordert neben der inhaltlichen auch eine organisatorische Überarbeitung der Fächer,
um wieder zu einem Kanon entsprechend der im Unterkapitel 5.1 vorgenommenen Definition zu
gelangen. Aufgrund der im dritten Kapitel beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Lernenden wird
diese Forderung umso dringlicher, da die Lernenden überwiegend aus Realschulen und beruflichen
Vollzeitschulen kommen und in Lernleistungen und -verhalten nicht mit Schülerinnen und Schülern
der gymnasialen Mittelstufe vergleichbar sind. So sind zum einen die lernorganisatorischen Fähigkei-
ten der Lernenden begrenzt, und zum anderen weisen sie im sprachlichen und fremdsprachlichen
Bildungsbereich erhebliche Defizite auf. (siehe auch Unterkapitel 2.2 und 3.1)
Die Forderung nach einer Reorganisation der Unterrichtsstruktur ist nicht neu und auch bereits in
der Schulpraxis umgesetzt worden. So gibt es in der Bundesrepublik Deutschland etliche Beispiele für
Schulversuche, die im organisatorischen Bereich ansetzen. Barbara Loos und Susanne Popp (1996)
beschreiben und systematisieren schulpraktische Ansätze für eine Weiterentwicklung der allgemein-
bildenden gymnasialen Oberstufe im Rahmen der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten. Sie unter-
scheiden zwischen additiven und integrativen Ansätzen:
• Beim additiven Ansatz wird neben dem Fachunterricht fächerübergreifender Unterricht im Fach
und zusätzlich Unterricht in Form von kurzzeitigen Projekttagen durchgeführt. Diese Schulversu-
che führen die Oberstufenreform in traditioneller Weise fort und entsprechen weitestgehend den
neusten KMK-Forderungen.
• Im Gegensatz dazu wird in den integrativen Ansätzen die individuelle Kurswahl beschränkt,
indem fächerverbindende oder thematische Schwerpunkte gebildet werden, die zu festgelegten
Kurskombinationen führen.
Loos/Popp gehen davon aus, dass die Anzahl der integrativen Modellversuche die additiven Ansätze
übersteigt (vgl. ebd., 559 ff.). Damit werden die unterschiedlichen Vorstellungen über die Weiterent-
wicklung der gymnasialen Oberstufe deutlich. Während die KMK und die Expertenkommission in
ihren Darstellungen inhaltliche Veränderungen und darauf aufbauend additive Konzepte als
geeignetes Instrument für eine Situationsverbesserung beschreiben, wird in den Schulen und von
einzelnen Mitgliedern der KMK-Expertenkommission, wie z. B. Barbara Loos, offensichtlich der
integrative Ansatz bevorzugt. (vgl. ebd., 559 ff.) „Wünschenswert wäre daher eine bundesweite
Zusammenstellung aller erprobten Konzepte für die Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe im Sinne
der hier angesprochenen Prinzipien.“ (ebd., 573) Zur Zeit beschränken sich die empirischen Untersu-
chungen auf eine vom Erhebungsumfang begrenzte KMK-Umfrage von Loos/Popp (1996) und auf
eine unter anderen Schwerpunkten erstellte Dokumentation von Dauenhauer/Kell (1990).
185
Aus den Darstellungen im Grundlagenteil des schleswig-holsteinischen Lehrplanentwurfs wird
deutlich, dass es zukünftig eine Mischung aus Methodikunterricht als Fach (11. Jahrgangsstufe),
Projektmethode in Leistungskursen (12. Jahrgangsstufe) und Projektkurse (13. Jahrgangsstufe) geben
wird. (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-
Holstein 1998 a, 10 f.). Wie bereits im Unterkapitel 4.1 beschrieben wurde, ist Methodikunterricht
aber immer nur dann sinnvoll und effektiv, wenn er an Themen im Fachunterricht durchgeführt wird.
Für die geplanten Projektkurse gelten dieselben Erkenntnisse, sofern mit dieser Unterrichtsform auch
eine fachliche Stärkung der Lernenden, also eine Transferwirkung, erzielt werden soll.
„Offen bleibt, ob die eher additive Variante, selbst wenn sie durchgängig geübte Praxis wäre, die
pädagogischen und didaktischen Ziele, die man übereinstimmend für die Fortentwicklung der
Gymnasialen Oberstufe als wesentlich ansieht, in den konkreten Bildungsprozessen einzulösen
vermag: offen bleibt aber auch, ob die eher integrativen Varianten zu einem verallgemeinerungsfähi-
gen Modell fortentwickelt werden können und ob darüber hinaus die angestrebten Veränderungen eine
Lösung von Problemen bewirken, die möglicherweise zumindest partiell aus den Strukturen und
Folgeproblemen von schulisch institutionalisiertem Lernen als solchem resultieren und daher mittels
pädagogisch-didaktischer und organisatorischer Innovationen nur sehr bedingt zu beeinflussen sind.“
(Loos/Popp 1996, 573) Während dem ersten Teil der Einschätzungen von Loos/Popp über die
additiven und integrativen Konzepte grundsätzlich zugestimmt werden kann, scheint der zweite Teil
eher fragwürdig.
Wenn die Steigerung des Bildungsniveaus, die Förderung des sozialen Lernens, eine nicht noch
höhere Belastung der Lehrenden und schließlich in Zeiten einer schwierigen Haushaltslage ein
sparsamer Umgang mit finanziellen Mitteln angestrebt werden, dann sind weitergehende Überlegun-
gen notwendig. Dabei sollte für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - auf den „zwanghaft“
betriebenen Versuch, an die Oberstufenreform der siebziger Jahre anzuknüpfen und diese fortzufüh-
ren, verzichtet werden. Aufgrund der in den beiden vorherigen Abschnitten beschriebenen Strukturen
gilt es, den Kanon neu zu durchdenken.
Anknüpfungspunkt für fachgymnasiale Veränderungen könnte die Systematisierung von Loos/Popp
(vgl. ebd., 566 ff.) sein, die Schulversuche mit integrativem Ansatz in drei Formen der Profilbildung
unterscheiden:
• Eine Profilbildung durch „fachliche Vertiefung“ (ebd., 566) nehmen alle Schulen vor, die eine
Zusammenlegung von affinen (verwandten) Fächern durchführen und damit einen Schwerpunkt
bilden. Durch diesen Ansatz entwickeln sich die Schulen zu „Spezialschulen“ (ebd., 566), wie sie
vor der Oberstufenreform üblich waren.
• Die Profilbildung durch „themenzentrierte Arbeit“ (ebd., 566) wird durch die Kombination von
vier bis fünf Fächern unter einem „Themenschwerpunkt“ oder durch „Lernfelder“ (ebd., 568)
erreicht. „Dabei entscheidet die einzelne Schule über die Selektion und Konstruktion der ‚Lern-
felder‘, und man nimmt dabei in Kauf, daß einzelne Fächer“ ... „nicht mehr als Leistungskurse
angewählt werden können“ (ebd., 568).
186
• Bei der Profilbildung durch „exemplarische Einführung in interdisziplinäre Arbeitsweisen“
(ebd., 566) werden Fächer zu „Schienen“ (ebd., 568) zusammengefasst. Dabei müssen diese Fä-
cher nicht notwendigerweise eine affine Beziehung haben. „Für die beteiligten Fächer, die genü-
gend thematische Berührungspunkte aufweisen müssen, werden gemeinsame Semester-
Leitthemen für den fächerverbindenden Unterricht ausgewählt; ...“ (ebd., 568). Dieses Modell
ermöglicht das volle Leistungskursangebot und kann spezielle Kompetenzen der Lehrenden für
den Unterricht nutzen.
Die Profilbildung durch fachliche Vertiefung findet zur Zeit bereits ansatzweise im Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - statt. Da sich die Schwerpunktbildung aber überwiegend auf die beiden
ökonomiebezogenen Fächer beschränkt, hat sie bisher nicht zu einem besonders ausgeprägten Profil
geführt (siehe auch Abschnitt 2.3.2).
Die themenzentrierte Arbeit könnte im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - eingeführt
werden, indem aus dem Ökonomiebereich bestimmte Halbjahresthemen Einfluss auf alle Unterrichts-
fächer nehmen würden. Ludwig Huber beschreibt mit seinem „Modell C“ (1995, 165 f.) die unterricht-
liche Realisierung durch ein Bündel von Fächern, die um ein Problem herum aufgebaut werden. Durch
diesen Ansatz wird das Konzept des fächerübergreifenden Unterrichts am umfangreichsten umgesetzt.
„Statt vieler einzelner Fächer solche ‚Bündel‘ zur Wahl zu stellen kann außer aus didaktischen Zielen
(fächerübergreifender inhaltlicher und sozialer Zusammenhang) auch aus pragmatischen Gründen
ratsam sein, wenn eine Schule zu klein ist, um das ganze Spektrum der einzelnen Disziplinen in
Grund- und Leistungskursen anbieten zu können.“ (Huber 1995, 165) Der letzte Punkt dürfte für die
einzelnen Zweige des Fachgymnasiums wegen ihrer geringen Schülerzahlen von besonderem Interesse
sein.
Neben einem sehr hohen Abstimmungsbedarf zwischen den Lehrenden erfordert der themenzentrier-
te Ansatz auch, dass in allen einbezogenen Fächern Anknüpfungspunkte zu den ökonomischen
Themen vorhanden sind. Das größte Problem ist aber, dass die eigenständigen und sicher auch
bewährten fachdidaktischen Strukturen der beteiligten Fächer zerstört werden, da das Thema aus dem
Ökonomiebereich unter einer wirtschaftsdidaktischen Perspektive gewählt wurde. Insgesamt betrachtet
ist der Ansatz der themenzentrierten Arbeit eher für die einzelnen Unterrichtsstunden als für die
organisatorische Ausgestaltung der Fachgymnasien geeignet. (siehe auch Unterkapitel 4.3)
Der Ansatz exemplarische Einführung in interdisziplinäre Arbeitsweisen könnte im Fachgymna-
sium - wirtschaftlicher Zweig - in der Form von zwei „Kurssträngen“ eingeführt werden. Im ökonomi-
schen Bereich müssten dann in jedem Kurshalbjahr mindestens zwei unterschiedliche Kursthemen
parallel angeboten werden. So hätte z. B. der eine Kursstrang einen stärkeren Bezug zur von den
Lernenden geplanten Aufnahme einer dualen Berufsausbildung und wäre damit eher betriebswirt-
schaftlich orientiert. Der andere Kursstrang wäre volkswirtschaftlich akzentuiert und damit an einem
geplanten Hochschulstudium ausgerichtet. Als Voraussetzung für diesen Ansatz müssten im 11.
Jahrgang die ökonomischen Grundlagen so umfassend gelegt werden, dass in den beiden folgenden
187
Jahren auf eine umfangreiche Wissensbasis zurückgegriffen werden könnte. Daneben müsste der
Berufswahlprozess der Lernenden vorläufig abgeschlossen sein, und in den letzten beiden Klassenstu-
fen der Realschulen sollte eine einheitlichere und konkretere ökonomische Bildung im Fach „Wirt-
schaft/Politik“ vermittelt worden sein, auf die im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - aufgebaut
werden kann.
Gegen diese Art der Profilbildung ist einzuwenden, dass das Fachgymnasium in Aufbauform
betrieben wird und keine spezielle kaufmännisch-verwaltende oder wirtschaftswissenschaftliche
Vorbildung, sondern die Allgemeine Hochschulreife vermittelt. Wegen der geringen Schülerzahl der
Zweige des Fachgymnasiums wäre dieses Modell auch aus rein ökonomischen Gründen abzulehnen,
da es zu extrem unterschiedlichen Kursauslastungen führen könnte. So hat z. B. in der Schulpraxis das
Angebot, den Literaturkurs unter zwei Alternativen auszuwählen zu dürfen, dazu geführt, dass sich
eine große Zahl von Lernenden auf das Kursangebot festlegte, dass scheinbar die geringeren Arbeits-
leistungen erforderte. Auf den Kursstrangansatz übertragen, würde es bedeuten, dass die Lernenden
den Kursstrang nicht nach dem Berufswunsch auswählen, sondern nach der zu erwartenden persönli-
chen Arbeitsbelastung.
Gemeinsam ist den drei von Loos/Popp beschriebenen organisatorischen Veränderungsmöglichkei-
ten durch integrative Ansätze, dass
• sie von der Beibehaltung des Kurssystems ausgehen und
• durch alle drei Varianten des integrativen Ansatzes ein ganzheitliches Denken gefördert werden
soll.
Es besteht kaum Zweifel darüber, dass die Sekundarstufe II grundsätzlich die Aufgabe hat, den
Lernenden Spezialisierungsmöglichkeiten zu eröffnen. Generell bedeutet das für die gymnasiale
Oberstufe die Möglichkeit zur Fächervielfalt, also durchaus auch zum Kurssystem. Bei der Einbezie-
hung der Fachgymnasien wird aber leider die besondere Situation der Lernenden verkannt. Sie
kommen aus unterschiedlichen Schulen und sogar Schultypen mit verschiedenartigen Lehr- und
Lernmethoden und müssen sich in einem Jahr in einer neuen Schule und Klassengemeinschaft
zurechtfinden und sich darüber hinaus auch in neue Fächer einarbeiten. Hier sollte die 11. Jahrgangs-
stufe eher der Kompensation von Lerndefiziten und als Orientierung in einer vertieften ökonomischen
Bildung dienen. Obwohl doch allen Lernenden mindestens ausreichende Kenntnisse in „Deutsch“ und
„Mathematik“ von den „Zulieferschulen“ bescheinigt werden, sind diese häufig nicht vorhanden.
Daher werden für Lernende mit den beschriebenen Problemen teilweise in der 11. Jahrgangsstufe in
den genannten Bereichen zusätzliche „Stützkurse“ angeboten. Meine Unterrichtstätigkeit im Fach-
gymnasium - wirtschaftlicher Zweig - hat gezeigt, dass die vorhandenen Kenntnisse über Lerntechni-
ken bei den Schülerinnen und Schülern nicht sehr ausgeprägt sind und dass das 11. Schuljahr zur
Entwicklung einer „gymnasialen Lernkultur“ nicht ausreicht. Die Umsetzung von Persönlichkeitsbil-
dung und Vertiefung der ökonomischen Bildung erfordern eine langfristig gewachsene Klassenstruk-
tur, eine relativ homogene Wissensstruktur in „Deutsch“, „Mathematik“ und Sprachen und grundle-
188
gende Kenntnisse und Fertigkeiten in Lern- und Arbeitstechniken, wie sie in den allgemeinbildenden
Gymnasien durch die Vorbereitung und Einübung in der Unter- und Mittelstufe gegeben sind.
Hieraus ergibt sich die Frage, ob die bestehenden fachgymnasialen Fächer geeignet sind, Bildung im
Sinne von Abschnitt 4.1.2 zu vermitteln oder ob es nicht auch einen anderen Weg für eine Weiterent-
wicklung und nicht nur Fortschreibung der gymnasialen Oberstufe gibt. Sowohl für die Fachgymna-
sien als auch für die allgemeinbildende gymnasiale Oberstufe sind die aus der Sekundarstufe I
übernommene Fächerstruktur und besonders deren inhaltlicher Aufbau nur bedingt geeignet. Obwohl
häufig auf die besonderen Ziele der gymnasialen Oberstufe durch die Prinzipien der Wissenschafts-
propädeutik, Studier- und Berufsfähigkeit hingewiesen wird (siehe auch Abschnitt 2.3.1), gelingt die
unterrichtspraktische Umsetzung offensichtlich immer weniger. Wie bereits in Abschnitt 4.1.2
dargestellt wurde, ist Lernen in getrennten Fächern immer dann besonders effektiv, wenn es sich um
neue Wissensgebiete, also um das sogenannte Anfangslernen handelt. Für den Einsatz des Wissens in
praxisnahen Zusammenhängen ist es dagegen umso weniger geeignet, je breiter und tiefer die
Strukturen des Fachgebietes sind. Daher steht das Lernkonzept des fachgymnasialen Kurssystems im
Konflikt zwischen Fach- und Lernbereichs-Unterricht.
Dieses Problem kann im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - aber nicht durch die Einführung
eines der drei beschriebenen integrativen Ansätze oder durch zusätzlichen und getrennt unterrichteten
fächerübergreifender Projektunterricht (additiver Ansatz) gelöst werden. Durch diese Maßnahmen
werden keine besseren Lernerfolge erreicht, da bei diesen Unterrichtsformen die Zusammenhänge
meist erst in Verbindung mit stofflichen Wiederholungen aus den „regulären“ Fächern nahegebracht
werden. Eigene Unterrichtsversuche haben gezeigt, dass stoffliche Wiederholungen vor dem Hinter-
grund praxisnaher Situationen die leistungsstarken Lernenden nicht übermäßig fordert, aber, und das
ist besonders zu beachten, die leistungsschwächeren Lernenden leider auch nicht in größerem Umfang
fördert.
Wenn wir davon ausgehen, dass die wöchentliche Unterrichtszeit von ca. 30 Schulstunden nicht
weiter erhöht werden sollte, aber die neuen Unterrichtsformen für ein intensiveres und eigenständige-
res Lernen erforderlich sind (siehe auch Abschnitt 4.1.2, 4.2.2 und 4.3.2), dann muss über den
fachgymnasialen Kanon nachgedacht werden. Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben
wurde, wird in den beruflichen Schulen versucht, über die Lernfeldsystematik neue Strukturen zu
entwickeln. Dabei ist bisher jedoch die Frage der Fächerung weitgehend offen geblieben.
Fachliche Vertiefung kann im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nicht nur durch die
Entwicklung von fächerübergreifenden Strukturen oder durch Projektunterricht erreicht werden. Für
die Vermittlung von Anforderungen aus der Arbeits- und Berufswelt (siehe auch Unterkapitel 3.1)
sind die heutigen fachgymnasialen Fächerstrukturen ungeeignet. Eine zeitgemäße Alternative bietet
die Fächerreduzierung durch Zusammenführung von Einzelfächern, also die „Verschmelzung“
von Fächern. Dass die Verschmelzung, von Fächern möglich ist, zeigen die im berufsbildenden
Bereich unterrichteten Konglomerate „Rechnungswesen“ und „Wirtschaft/Politik“. Das Fach
„Rechnungswesen“ wurde aus den Bereichen „kaufmännisches Rechnen“ und „Buchführung“
189
gebildet. Das Fach „Wirtschaft/Politik“ der Berufsschule deckt inhaltlich Teile der Bereiche Geschich-
te, Politik, Soziologie und Wirtschaft ab.
Grundsätzlich könnte Fächerreduzierung entweder durch die Verschmelzung affiner oder nicht
verwandter Fächer durchgeführt werden. Die Verschmelzung affiner Fächer wäre schulpraktisch
einfacher zu verwirklichen und hätte den Vorteil, dass die universitäre Ausbildung der Lehrenden
keine größeren Umstellungen erfordert. Im Gegensatz dazu würde die Verschmelzung von nicht
verwandten Fächern einen erheblichen Bedarf an Nachschulungen der Lehrenden verursachen und
könnte zu inhaltlichen Einseitigkeiten führen. So wird z. B. im Fach „Arbeitslehre“ der Ökonomiebe-
reich Handlungsgehilfe bei der Lösung von technischen und hauswirtschaftlichen Problemen.
Für die Verschmelzung der beiden profilgebenden ökonomiebezogenen Fächer, „Wirtschafts-
theorie und -politik“ und „Rechnungswesen“ sprechen die neueren Entwicklungen in den Wirt-
schaftswissenschaften, die Erkenntnisse der pädagogischen Psychologie und die aktuelle, kritische
Auseinandersetzung mit dem Fach „Rechnungswesen“ im kaufmännischen Berufsschulbereich (siehe
auch Unterkapitel 3.2 und Unterabschnitt 4.3.2.2). Wenn die inhaltlichen Strukturen des Faches
„Wirtschaftstheorie und -politik“ grundlegend überdacht würden, könnte aus beiden Fächern durch
Verschmelzung ein Fach „Ökonomie“ entwickelt werden, das im Stundenumfang den Einzelfächern
entsprechen sollte.
Die Vorteile dieser Fächerzusammenführung wären:
• Die Lernenden hätten längere Unterrichtszeiten im Fach und vor allem im Klassenverbund.
Dadurch könnte die Persönlichkeitsbildung gefördert werden. (siehe auch Unterkapitel 3.1)
• Komplexe ökonomische Probleme können auch im Unterricht als Ganzes behandelt werden. Wir
fordern in den Lehrplänen die Berücksichtigung von Komplexität und Vernetzung und versuchen
bisher nur, sie durch einfache lineare Konzepte zu erreichen.
• Durch die Schaffung größerer Unterrichtseinheiten könnten schüleraktive Unterrichtskonzepte,
wie z. B. Simulationen und Projektmethode, im Fachunterricht verstärkt eingesetzt werden. Hier-
durch könnte der Konflikt zwischen inhaltlicher Breite und Tiefe (siehe auch Unterabschnitt
4.3.2.2) verringert werden. Doppelstündige Unterrichtseinheiten sind für den Projektunterricht und
die meisten „neuen“ Unterrichtskonzepte nicht geeignet, da diese zeitintensiver als der bisherige
Frontalunterricht sind. Die Einführung von drei- oder vierstündigen Unterrichtseinheiten bedarf
aber einer organisatorischen Hilfestellung durch die in diesem Punkt nicht immer sehr kooperati-
ven Stundenplangestalter der jeweiligen Schulen.
• Die Zusammenführung der beiden Fächer reduziert die Anzahl der Lehrenden. Damit wären
zunächst die immer wieder geforderten Abstimmungen mit den Kolleginnen und Kollegen wesent-
lich leichter erreichbar. Daneben würden vermutlich auch die Lehrenden, die bisher den „neuen“
Lehr-/Lernkonzepten wenig Positives abgewinnen konnten, zum Einsatz dieser Unterrichtskon-
zepte motiviert. Ja, sie wären aufgrund der längeren Unterrichtszeit sogar gezwungen, über Vari-
190
anten zu ihrem traditionell geführten Frontalunterricht nachzudenken und würden nicht wie bisher
mit ihren wenigen Unterrichtsstunden in der anonymen Masse der Lehrenden verschwinden.
• Fächerkonzentration führt zwangsläufig zur Reduzierung des Regelkanons. Durch die Darstel-
lungen in den Abschnitten 2.2.1 und 5.1.1 sollte deutlich geworden sein, dass eine weitere Aus-
dehnung des Regelkanons nicht zu verkraften ist und die Kurswahlmöglichkeiten sich weitgehend
auf den Fachgymnasiumstyp beschränken sollten.
Die Nachteile der Zusammenführung von „Wirtschaftstheorie und -politik“ mit „Rechnungswesen“
wären:
• die Gefahr, dass die Strukturen der beiden bisherigen Fächer nur additiv aneinander gereiht
werden, wie es z. B. im Fach „Wirtschaft/Politik“ der berufsbildenden Schulen der Fall ist. Hier
sollten die neueren Erkenntnisse und Ergebnisse der berufsschulischen Lernfeldsystematisierung
und der Wirtschaftswissenschaften (siehe auch Unterkapitel 3.2) genutzt werden,
• der Verlust von gewachsenen und bewährten Strukturen in beiden Einzelfächern,
• Einseitigkeiten in der Stoffauswahl, die zu einer Anlehnung an Studiengänge oder Ausbildungs-
berufe führen,
• Unterricht in komplexen Lehr-Lern-Arrangements, die die Wissensbasis nicht erweitern und
keine Transferwirkung haben.
Die Nachteile könnten weitgehend verhindert werden, wenn das „Fusionsfach“ „Ökonomie“ die
grundlegenden Strukturen, die im Abschnitt 4.3.2 beschriebenen wurden, berücksichtigt. Die
Themensuche für den ökonomischen Bereich sollte zunächst unter Verwendung der im Abschnitt 4.3.2
beschriebenen Dreiteilung von Wirtschaft (Produktion, Koordination, institutionelle Gestaltung)
vorgenommen werden. Im Gegensatz zum bestehenden Unterricht im wirtschaftsbezogenen Bereich
des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - sollte die Berufsvorbildung in möglichst vielen
Strukturen der ökonomischen Themen berücksichtigt werden. Erst bei einer „Durchtränkung“ der
ökonomischen Themen mit Bestandteilen der Berufsvorbildung wird eine Profilbildung im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - möglich.
Wenn die „Durchtränkung“ nicht zum Prinzip degenerieren soll, dann müssen im Fusionsfach
„Ökonomie“ die zeitlichen Anteile von Berufsvorbildung und ökonomischer Bildung eindeutig
bestimmt werden. Durch die Abschnitte 4.2.2 und 4.3.2 sollte deutlich geworden sein, dass die
Unterrichtsanteile der Berufsvorbildung mit dem Voranschreiten der Schulzeit ständig abnehmen.
Diese Verteilung kann bei dem bisher üblichen Berufsvorbildungsunterricht nur durch eine projekt-
bzw. kursmäßige Ausgestaltung berücksichtigt werden. Bei der höheren Wochenstundenzahl des
Fusionsfaches „Ökonomie“ ist die Chance gegeben, den ökonomiebezogenen Anteil im umgekehr-
ten Verhältnis zum Berufsvorbildungsunterricht bis zum Ende der Schulzeit ansteigen zu lassen.
Das würde bedeuten, dass der Unterricht im ökonomischen Bereich zum Ende der Schulzeit höhere
191
Theorieanteile haben könnte und somit in der Summe keine quantitativen Unterschiede zum jetzigen
Unterricht bestehen würden.
Darüber hinaus sollte darüber nachgedacht werden, wie die Fächer „Wirtschaftsgeographie“ und
„Informatik“ die Profilbildung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - fördern könnten. Wenn
das Kurssystem weitgehend abgeschafft würde, wäre auch hier weiteres „Fusionspotential“ vorhanden.
In den sogenannten allgemeinbildenden Fächer, wie „Deutsch“, „Englisch“ und „Mathematik“, die
neben dem ökonomischen Profilbereich den Kern des Kurssystems bilden, sollten ebenfalls Fächerfu-
sionen, wie z. B. „Deutsch“ mit „Literatur“, angestrebt werden. Durch das künstlerisch-gestalterische
Fach „Literatur“ würde der Deutschunterricht nicht nur im Stundenumfang aufgewertet. Durch die
Fusion wäre auch mehr Zeit vorhanden, um die schüleraktiven Unterrichtsmethoden einzusetzen.
Davon würde auch der Literaturkurs profitieren. Das kaufmännische Rechnen des Faches „Rech-
nungswesen“ sollte auch im Fach „Mathematik“ berücksichtigt werden. Zum einen handelt es sich
bei diesem Themengebiet um ein typisch mathematisches Problem und zum anderen kann damit ein
tieferer ökonomischer Bezug der Mathematik im Anfängerunterricht erreicht werden.
Für Englisch, das keine Fusionspartner hat, sollte grundsätzlich wie für alle bereits genannten
allgemeinbildenden Fächer gelten, dass sie sich stärker an ökonomischen Problemen orientieren und
darauf Bezug nehmen sollten. Die zahlreichen Nobelpreisvergaben an englischsprachige Wirtschafts-
wissenschaftler machen viele Anknüpfungspunkte möglich. Dabei wird der ökonomische Bezug sicher
nicht bei jedem Thema vorhanden und sinnvoll sein.
Die „Durchtränkung“ mit ökonomischen Inhalten, sollte in allen „allgemeinbildenden“
Fächern angestrebt werden. Dafür sind auch in diesen Fächern Lehrplanstrukturen zu entwickeln, wie
sie für den ökonomischen Bereich bereits im Abschnitt 4.3.2 gefordert und beschrieben wurden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein zeitgemäßer fachgymnasialer Unterricht nicht durch die
Einführung von Methodikstunden oder Projektkursen verwirklicht werden kann. Obwohl in den
KMK-Beschlüssen die additiven Konzepte präferiert werden, sind in der Praxis überwiegend
Schulversuche in integrativer Form durchgeführt worden. Um bei dem im Unterkapitel 2.3 verwende-
ten Bild vom Haus des Lernens zu bleiben, sollte darüber nachgedacht werden, ob die Einrichtung
neuer Räume (Projektkurse) unbedingt notwendig ist oder ob es nicht ausreichend wäre, wenn Türen
und Fenster in den Wänden der Räume (Fächer) zu einem lichtdurchfluteten Wohnraum führen
würden. Mit anderen Worten: Im Fachunterricht sollte die Projektmethode verstärkt zum Einsatz
kommen.
Würden die integrativen Ansätze mit der Projektmethode verbunden, so müsste über den „Zuschnitt“
der Fächer nachgedacht werden. Durch die Zusammenführung von verwandten Fächern wäre die
Umsetzung „neuer“ Lehr-/Lernmethoden bei gleichzeitiger Profilierung leichter möglich. Fächerver-
schmelzung erfordert von ihren Planern und Gestaltern ein großes Maß an fachlichen und unterrichts-
praktischen Kenntnissen, damit keine Einseitigkeiten entstehen, der „bildende“ Wert deutlich wird,
das Fusionsfach einen eindeutigen Platz im Kanon findet und letztlich auch sinnvoll unterrichtet
192
werden kann. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Fächer im Fachgymnasium sollte zwischen den
wirtschaftsbezogenen Profilfächern und den „allgemeinbildenden“ Fächern unterschieden werden. Das
ökonomiebezogene Profilfach sollte seinen Schwerpunkt, entsprechend den Darstellungen im
Unterkapitel 4.3, auf den gesamten Bereich der Ökonomie ausdehnen, d. h. es sollte den kaufmän-
nisch-verwaltenden und den privaten Bereich, die Volks- und die Betriebswirtschaftslehre sowie deren
Bezüge zu anderen Wissenschaften berücksichtigen und dabei die Berufsvorbildung als leitende
Struktur verwenden. Methodisch gesehen müssen Situationen aus dem kaufmännisch-verwaltenden
und privaten Bereich mit wissenschaftlichen und besonders berufsvorbildenden Erkenntnissen
„durchtränkt“ werden. In den allgemeinbildenden Fächern sollte eine über das jetzige Maß hinausge-
hende „Durchtränkung“ mit ökonomischen Inhalten erfolgen, damit das Profil des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - deutlicher wird und die Motivation sowie die Lernleistung der Schülerinnen
und Schüler im Unterricht erhöht werden können. Das bedeutet nicht, dass Bildung überwiegend oder
ausschließlich über den ökonomischen Aspekt transportieren werden sollte.
Die in der Überschrift dieses Unterkapitels enthaltene Frage, ob der Unterricht nach Fächern oder
Lernbereichen organisiert werden sollte, muss dahingehend beantwortet werden, dass beides zu
berücksichtigen ist. Generell gilt es zunächst die Gesamtzahl der Einzelfächer zu reduzieren, um
anschließend Lernbereiche in den verbleibenden Fächern aufeinander abzustimmen. Erst durch die
Reduzierung der Fächerzahl können in den verbleibenden Fächern komplexe Problemsituationen und
neuere Unterrichtsmethoden eingeführt werden.
193
5.2 Das Zertifikat - Äquivalenz- oder Allokationsfunktion
Die Entwicklung strukturbezogener Anforderungen für die ökonomische Bildung im Fachgymnasium
- wirtschaftlicher Zweig - erfordert neben der im vorherigen Unterkapitel durchgeführten Analyse der
fachgymnasialen Unterrichtsorganisation auch eine problemorientierte Betrachtung der Berechtigung,
die mit dem Schulabschluss verbunden ist, der Abiturprüfung und der Gesamtzeit des Schulunter-
richts. Die weitere Eingrenzung und Systematisierung dieser drei strukturbezogenen Profilierungskri-
terien verlangt zunächst eine kurze bildungspolitische Gesamtbetrachtung.
Adolf Kell gelingt es, den zentralen Punkt der Berechtigungsproblematik aufzuzeigen. Zunächst
werden von Kell das Bildungs- und Beschäftigungssystem als Teilsysteme des deutschen Gesell-
schaftssystems beschrieben und analysiert. Während das Bildungssystem staatlich organisiert wird,
steht das Beschäftigungssystem unter privatwirtschaftlichem und nur zu einem geringen Teil unter
staatlichem Einfluss. Beide Subsysteme sind durch das Berechtigungswesen miteinander verbunden.
(vgl. 1982, 289 ff.) Im Gegensatz zu den in der Literatur üblichen Darstellungen wird bei Kell und in
dieser Arbeit nicht der Begriff des Berechtigungs-Systems verwendet, da ein System eindeutige
Strukturen und Ordnungen erfordern würde, die in Deutschland nicht vorliegen (vgl. ebd., 292 f.).
Auch der Berechtigungsbegriff ist eigentlich nicht treffend gewählt, weil sich aus den Abschlüssen im
Bildungssystem heute keine unmittelbaren Rechte auf das Beschäftigungssystem übertragen lassen.
Daher wird im Folgenden die Bezeichnung Zertifikatswesen als Oberbegriff verwendet (vgl. ebd.,
291 ff.).
Die Zusammenfassung der gymnasialen Oberstufe und der berufsbildenden Schulen zur Sekundar-
stufe II im Bildungssystem hat bisher wenig zur Vereinheitlichung des Zertifikatswesens beigetragen.
„Ganz generell scheint auch im Verhältnis zwischen Gymnasialausbildung und Lehrlingsausbildung
der für die deutsche Geistesgeschichte so typische Gegensatz zwischen Kultur auf der einen Seite und
Zivilisation auf der anderen Seite ... besonders ausgeprägt ... zu sein.“ (Hegelheimer 1986, 25) Die
Gymnasial- und die Berufsausbildung befinden sich „in einem teils evidenten, teils latenten Konkur-
renz- und Spannungsverhältnis. In diesem System kommunizierender sowie konkurrierender Röhren
innerhalb eines ausgeprägten Laufbahn-, Zertifikats- und Berechtigungswesens ...“ (ebd., 31) hat das
berufsbildende Schulsystem eindeutig die schlechtere Stellung. „Der geschlossenen Konzeption des
Abiturs und der Studierfähigkeit bzw. Reife steht damit ein äußerst differenziertes System von
Ausbildungsberufen ... gegenüber.“ (ebd., 24)
Das Zertifikat des Fachgymnasiums wird in Form eines qualifizierten Abschlusszeugnisses vergeben
und erfordert die erfolgreiche Teilnahme an der Abitur-Prüfung, damit der Abschluss, die Allgemei-
ne Hochschulreife, erreicht wird. Ursprüngliche Aufgabe der Abiturprüfung war der Nachweis, dass
„der Prüfling seiner ganzen Persönlichkeit nach die Gewähr für sein Fortkommen auf der Universität
und später in seinem Beruf bot“ (Schwartz, zitiert nach Hentig 1980, 143). Im Gegensatz zu der heute
numerisch ausgewiesenen Note, die meist erst mit ihrer Nachkommastelle über die Erteilung eines
194
begehrten Studienplatzes entscheidet, gab es ursprünglich „nur zwei Urteile: ‚reif‘ oder ‚unreif‘“
(Hentig 1980, 143). Durch die Oberstufenreform von 1972 wurde die Abschlussprüfung zu einer
Mischung aus Zeitpunkt- und Zeitraumprüfung. Die Zeitraumprüfung (Credit-System) ließ den
Einfluss der Zeitpunktprüfung auf etwa ein Drittel an der gesamten Abiturnote sinken (siehe auch
Abschnitt 2.2.2). Die von der KMK zugelassenen Möglichkeiten für Veränderungen beim Abitur, wie
z. B. die Einbringung der Benotung von Fach- und Projektarbeiten, verhindern nicht die Abiturprü-
fung, sondern verändern nur deren Gewichtung und führen bei den Lernenden tendenziell zu einer
tiefergehenden Spezialisierung, als dass sie die Vergleichbarkeit der Abschlüsse fördern.
Über den Sinn der Abiturprüfung bestehen unter den führenden Pädagogen kaum Meinungsver-
schiedenheiten. Im Vergleich zwischen Wolfgang Klafki (vgl. 1993, 72 ff.), Hartmut von Hentig (vgl.
1980, 45 ff.) und Heinz-Elmar Tenorth gelingt es letzterem den Standpunkt in sehr prägnanter Weise
darzustellen, indem er kurz für die Abschaffung der Abiturprüfung plädiert (vgl. 1994, 184). Damit
bewegt sich der aktuelle gesellschaftliche Meinungsstreit über das Abitur im Spektrum von seiner
Beseitigung bis zur ausschließlichen Wiedereinführung einer Zeitpunktprüfung, wie sie bis in die
siebziger Jahre praktiziert wurde.
Die Frage, ob die Abiturprüfung für die Erreichung der im dritten Kapitel beschriebenen Ziele des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - dienlich ist, muss eindeutig verneint werden. Sie bindet
fast die Hälfte der Schulzeit der dreizehnten Jahrgangsstufe und führt dazu, dass bereits vor der
schriftlichen Prüfung alle Beteiligten das Ende der Schulzeit herbeisehnen (siehe auch Unterkapitel
2.2). Für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler mögen die stofflichen Wiederholungen vor der
Abiturprüfung zum Verständnis von ökonomischen Gesamtzusammenhängen durchaus sinnvoll sein,
sofern die Lehrenden die vermittelten Bereiche auf komplexe und aktuelle Lebenssituationen beziehen
können. Doch spätestens nach den drei Abiturklausuren sinkt die Motivation aller Beteiligten. Wenn
es gelänge, dass sich alle Bundesländer auf einen inhaltlich definierten Kernbereich von fachlicher
Bildung, wie er im Unterkapitel 4.3 in Ansätzen für den ökonomischen Bereich des Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - beschrieben wurde, einigten und wenn dieses auch für die wesentlichen
thematischen Strukturen in allen anderen Fächern möglich wäre, dann sollte die Sorge um unterschied-
liche Abituranforderungen gebannt sein und die Prüfung würde vermutlich auch in den Augen der
Befürworter überflüssig werden. Da aber diese grundlegenden, einheitlichen und bildenden Strukturen
der Fächer weder vollständig bekannt noch systematisiert sind, wird ein Prüfungsverzicht nicht
durchzusetzen sein. Ein Zwischenschritt zur Neustrukturierung der fachgymnasialen Abiturprüfung
könnte in ihrer zeitlichen Straffung liegen.
Von den am Beginn dieses Unterkapitels genannten drei Problembereichen Gesamtzeit des Schulun-
terrichts, Abiturprüfung und Berechtigung wird die Analyse des Umfangs der Gesamtzeit des
Schulunterrichts im Zusammenhang mit der Berechtigungsfrage, also dem Zertifikat, behandelt, weil
zwischen beiden Themengebieten eine unmittelbarere Beziehung besteht. Somit bleiben für das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - nur noch zwei auf das Zertifikat bezogene Fragenkomple-
xe, die in den beiden folgenden Abschnitten zu analysieren sind:
195
• Welche grundlegende Ausrichtung sollte das Zertifikat des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher
Zweig - haben, damit es das Profil stärkt?
• Lässt sich durch die Vergabe einer Doppelqualifikation die Profilierung des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - in der ökonomischen Bildung verbessern?
5.2.1 Die Gleichwertigkeit als Qualifizierungsziel
„Höherwertige“ Zertifikate werden in Deutschland meist erst nach bestandener Abschlussprüfung und
mit einer Qualifikation, die eine „Berechtigung“ enthält, erteilt. Der wesentliche Teil des fachgymna-
sialen Zertifikats ist nicht die Bescheinigung des erfolgreich abgeschlossenen Abiturprüfung, sondern
die Bescheinigung des Rechtes zum Besuch einer Hochschule. Wie bereits im Unterkapitel 5.2
dargestellt wurde, ist dieses Recht im Laufe der Jahrzehnte immer mehr zu einer allgemeinen
Qualifikation geworden. Während anfangs mit der „Berechtigung“ ein Automatismus zur Zulassung
zum Hochschulstudium verbunden war, wurde daraus spätestens mit der Einführung von Numerus-
clausus-Disziplinen eine „qualifizierende Berechtigung“.
Die stetige Zunahme der Zahl von Jugendlichen, die die Allgemeine Hochschulreife erhalten, hat
dazu geführt, dass die Qualifikation beim Übergang in das Beschäftigungssystem nachträglich noch
einmal durch Einstellungstests überprüft wird. Dabei erfolgt in erster Linie eine Kontrolle der
Persönlichkeitsmerkmale und nicht der fachlichen Qualifikation (siehe auch Unterkapitel 3.1). Es
überrascht mich immer wieder, mit welcher Sicherheit die Unternehmen in den von den Jugendlichen
bevorzugten kaufmännischen Ausbildungsberufen die wenigen Lernenden heraussuchen, deren
Persönlichkeitsbildung neben den fachlichen Fähigkeiten überdurchschnittlich ist. Hieraus ergibt sich
die Frage, wie der Anteil dieser Lernenden im Fachgymnasium durch strukturbezogene Maßnahmen
erhöht werden könnte.
„Nach Auffassung des Deutschen Bildungsrates hat das Festhalten an bestimmten Prüfungsfächern
für den Hochschulzugang im Zuge der Reform der gymnasialen Oberstufe gemäß der Vereinbarung
der Kultusminister von 1972 nicht nur dazu geführt, daß ... auch die Fachoberschulen die allgemein-
bildenden Fächer stärker als die berufsqualifizierenden betonen, sondern es hat zugleich verhindert,
daß die Fachgymnasien einen berufsqualifizierenden Abschluß vermitteln.“ (Hegelheimer 1986, 38)
Ob die Vermittlung einer beruflichen Qualifikation positive Auswirkungen auf die Kompetenz der
Lernenden hat, wird in der Fachwissenschaft kontrovers gesehen.
Für die Beantwortung dieser Frage muss zunächst eine Analyse des Qualifikationsbe-griffes erfolgen.
Dieser taucht in zwei Varianten auf: „Qualitätsvoraussetzungen einerseits und Qualifikationsanforde-
rungen andererseits. Insofern weist der Begriff Qualifikation zwei Valenzen auf, zum einen zum
Individuum und seinen Kompetenzen, zum anderen zu den Arbeitsplätzen und den dort zu erfüllenden
Funktionen“ (Faulstich 1996, 367). Der Qualifikationsumfang, der mit dem Zertifikat der Fachgymna-
196
sien verbundenen ist, wurde stets durch das gesellschaftliche Bildungsverständnis beeinflusst und
orientierte sich immer mehr an den Gymnasien mit ihrem Ziel der Allgemeinen Hochschulreife als an
den Abschlüssen der berufsbildenden Schulen.
Wie bereits in Unterkapitel 2.1 dargestellt wurde, hatten die allgemeinbildenden Gymnasien mit
Latein von Beginn an das Recht, die Allgemeine Hochschulreife zu erteilen. Das Ziel der Gymnasien,
die keine Lateinkenntnisse vermittelten, war zunächst die Anerkennung der Substitution von Latein
durch andere Fremdsprachen. Da beim Lernen von Sprachen eine gewisse Gleichartigkeit des
Lernprozesses vorhanden ist, bereitete die Anerkennung der Gleichwertigkeit des Abschlusses kaum
Probleme. Bei den natur- und sozialwissenschaftlichen Fächern war diese allgemeine Gleichartigkeit
nicht vorhanden und musste durch die unterrichtliche Umsetzung der wissenschaftlichen Methoden
aus den jeweiligen Disziplinen unter Beweis gestellt werden.
Das primäre Ziel der Qualifizierung, die Gleichwertigkeit des Abschlusses im eigenen und
möglichst auch zum jeweils anderen Bildungsteilsystem herzustellen, ist in der Sekundarstufe II bisher
nicht erreicht worden (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland 1997 a, 6 ff.). Was gleichwertig ist, wird zu einem erheblichen Teil
durch gesellschaftliche Vorstellungen bestimmt und ist von Gleichheit und Gleichartigkeit abzugren-
zen. Gleichheit des Abschlusses kann es, selbst wenn nur ein Bildungsgang betrachtet wird, nicht
geben, da selbst in den gleichen Schultypen unterschiedlich gelernt und gelehrt wird. Hier wäre
letztlich nur Gleichartigkeit gegeben. (vgl. Dauenhauer/Kell 1990, 51) Die Festlegung von Gleichwer-
tigkeit erfordert einen Maßstab. „Die Kultusministerkonferenz hat festgestellt, daß im Hinblick auf die
Studierfähigkeit der Absolventen der allgemeinbildenden Bildungsgänge und der Fachgymna-
sien/berufsbezogenen Bildungsgänge drei Kompetenzbereiche von herausragender Bedeutung sind:
sprachliche Ausdrucksfähigkeit, insbesondere die schriftliche Darstellung eines konzisen Gedanken-
gangs, verständiges Lesen komplexer fremdsprachlicher Sachtexte und sicherer Umgang mit mathe-
matischen Symbolen und Modellen.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1997 b, 5)
Im Gegensatz zu diesen eindeutigen Aussagen zum allgemeinbildenden Schulsystem bleiben die
Kompetenzen für das berufsbildende Schulsystem weitgehend unklar. Es wird davon ausgegangen,
dass eine Berufsausbildung spezielle Qualifikationen vermittelt, die auch für ein Hochschulstudium
erforderliche Kompetenzen sein können. Die vielfältigen Strukturen im Bildungssystem erschweren
aber generelle Gleichwertigkeitsangaben. Die einfachste Lösung, Gleichwertigkeit zu erreichen, wäre
die Einführung des von Armin Hegelheimer beschriebenen Allokationsmodells (vgl. 1986, 40).
Wenn sowohl die allgemein- als auch die berufsbildenden Schulen nur den erfolgreichen Schulbesuch
bestätigten, dann wäre eine generelle Gleichwertigkeit gegeben. Durch den Wegfall der Qualifikation
bestünde in unserer Gesellschaft aber ein Systematisierungsproblem und es wären tiefergehende
Veränderungen im universitären Bereich erforderlich. Die Hochschulen müssten Zugangstests
einführen und, je nach der Stärke ihrer Position im Bildungssystem, in den ersten Semestern auch
wieder mehr allgemeinbildende Inhalte vermitteln. Wahrscheinlicher wäre aber, dass dafür Vorberei-
197
tungsschulen nach japanischem Muster entstünden und darüber hinaus die Gymnasien mittelfristig ihre
inhaltlichen Anforderungen an den aufnehmenden Bildungsinstitutionen orientieren würden. Langfris-
tig müssten die Gymnasien bereits in der Unterstufe Profile entwickeln, die an bestimmten beruflichen
Bildungswegen ausgerichtet wären. Eine weitere Vorverlagerung der Berufsbereichswahl ist jedoch
wegen des bereits im Unterkapitel 4.2 beschriebenen komplexen Berufswahlprozesses sehr problema-
tisch und wäre für die Fachgymnasien wegen ihrer dreijährigen Aufbauform auch nicht möglich. Im
Gegensatz dazu würde die Einführung des Allokationsmodells bei den Unternehmen kaum Verände-
rungen auslösen, da diese bereits seit Jahren und unabhängig vom Bildungssystem Einstellungstest
durchführen.
Speziell für die Umsetzung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - wäre das Allokations-
modell nur geeignet, wenn die Strukturen des gesamten Schulsystems und darüber hinaus auch die der
Hochschulen aufeinander abgestimmt würden. Dass langfristig auch umfassende Veränderungen
möglich sind, lässt sich am schwedischen Bildungssystem zeigen (vgl. Sekretariat der Ständigen
Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1995, 60 ff. und
Europäische Kommission 1995, 383 ff.). Da die Einführung einer „abschlussfreien Schule“ kurzfristig
nicht möglich ist, sollte für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - zunächst grundlegend über
die Qualifikation nachgedacht werden. Weil es an der Nahtstelle zwischen allgemeinem und berufli-
chem Bildungssystem liegt, hat das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ein „doppeltes
Gleichwertigkeitsproblem“. Auf der einen Seite muss geklärt werden, auf welchem Niveau die
Gleichwertigkeit zum allgemeinbildenden Schulsystem angestrebt wird, und aufgrund der Anbindung
in den kaufmännisch-verwaltenden Berufsschulen muss auf der anderen Seite über die Gleichwertig-
keit zu den beruflichen Abschlüssen nachgedacht werden.
Die Gleichwertigkeit des fachgymnasialen Zertifikats mit berufsschulischen Abschlüssen
scheint auf den ersten Blick leicht erreichbar zu sein, da im kaufmännisch-verwaltenden Berufsschul-
bereich grundsätzlich nur ein Abschluss, die „Gehilfenprüfung“, vergeben wird. Das Problem liegt
hierbei aber darin, dass in diesem Berufsfeld je nach Ausbildungsberuf sehr spezielle Inhalte und
unterschiedliche Anforderungen bestehen. Wollte man im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
„nur“ einen berufsbildenden Abschluss anbieten, so gäbe es hierfür grundsätzlich zwei Möglichkeiten.
Auf der einen Seite könnte ein spezieller Ausbildungsberuf vollzeitschulisch vermittelt werden. Wenn
neben diesem Ausbildungsberuf auch noch duale Ausbildungsgänge bestünden, hätte die vollschuli-
sche Berufsausbildung vermutlich Akzeptanzprobleme in den Unternehmen. Eine Betrachtung des
österreichischen Schulsystems zeigt, dass dieser Weg nur nach grundlegenden Systemveränderungen
gangbar wäre. Im Gegensatz zu Österreich haftet in Deutschland an beruflichen Abschlüssen in
Vollzeitschulen immer der Makel der Praxisferne (vgl. Neuber 1994, 9 ff.).
Neben dieser engen Spezialisierung wäre die andere Alternative, im Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - eine für mehrere kaufmännisch-verwaltende Berufe gültige berufliche Grundbildung zu
vermitteln. Dieses Modell entspräche dem Ansatz der beruflichen Grundbildung und damit dem BGJ-
Modell. Letztlich sind beide Konzepte wegen der mangelnden Akzeptanz in der Wirtschaft und an den
198
unterschiedlichen inhaltlichen Vorstellungen über wirtschaftliche Grundbildung gescheitert (siehe
auch Abschnitt 4.1.1). Insgesamt betrachtet, würde die einseitige Ausrichtung der Fachgymnasien an
den berufsschulischen Abschlüssen den in den letzten fünfzig Jahren geprägten Charakter des
Fachgymnasiums als allgemeinbildende Schule in die entgegengesetzte Richtung ändern und damit
auch neue Löcher in die Bildungssystemstruktur reißen.
Die Alternative zur Einfachqualifikation in einem beruflichen Bereich ist die Erteilung eines dem
allgemeinbildenden Abschluss gleichwertigen Zertifikats, also die Beibehaltung der bisherigen
Situation. Zu deren grundlegenden Analyse wird die zur Zeit vorhandene Stufung der Abschlüsse
herangezogen: Mittlere Reife, Fachhochschulreife, Hochschulreife. Wenn den Jugendlichen eine
Weiterentwicklung in ihrem schulischen Bildungsweg ermöglicht werden soll, muss das Fachgymna-
sium einen Abschluss verleihen, der „höherwertiger“ als die Mittlere Reife ist. Die Vergabe der
Fachhochschulreife kommt nicht in Betracht, weil diese bereits am Ende der 12. Jahrgangsstufe, in der
Berufs- und Fachoberschule sowie in einigen Berufsfachschulen erreicht werden kann. Da die
fachgebundene Hochschulreife bereits ein wesentlicher Bestandteil des Profils der Berufsoberschule
ist, bleibt für das Fachgymnasium „nur“ die Allgemeine Hochschulreife.
Diese scheinbar einfache Lösung, das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - in das allgemein-
bildende Abschlusssystem einzuordnen, bringt aber auch Probleme mit sich. So stellt sich für diesen
Schultyp die Frage, warum er neben dem allgemeinbildenden Gymnasium bestehen soll. Ein schwa-
ches Argument dafür ließe sich in der Schuldauer finden. Weil das Fachgymnasium in Aufbauform
geführt wird und die allgemeinen Gymnasien in Schleswig-Holstein nur in der Langzeitform ihr Profil
entwickeln, ist diese zusätzliche Schulform erforderlich. Treffendere Argumente werden erst durch
einen tiefergehenden Vergleich zwischen Gymnasien, Fachgymnasien und Berufsoberschulen
deutlich.
Die Berufsoberschule setzt den Realschulabschluss und eine mindestens zweijährige Berufsausbil-
dung voraus. Sie orientiert sich damit zunächst unmittelbar am Berufsabschluss, auf den in der
Berufsoberschule eine Weiterbildung in berufsbezogenen und allgemeinbildenden Fächern folgt,
damit mindestens die fachgebundene Hochschulreife erlangt werden kann. Durch zusätzlichen
Unterricht in einer zweiten Fremdsprache und durch entsprechende Prüfung kann dann aber auch die
allgemeine Hochschulreife erworben werden. Im Gegensatz dazu wendet sich das Fachgymnasium
laut § 22 Schulgesetz an Jugendliche mit einem „überdurchschnittlichen Realschulzeugnis“ (Ministe-
rium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 1999 a), d. h.
mit mindestens befriedigenden Leistungen in den relevanten Fächern. Damit knüpft das Fachgymnasi-
um unmittelbar an die allgemeinbildende Realschule, Berufsfachschule (ehemals Handelsschule) und
die Mittelstufen von Gesamtschulen sowie allgemeinbildenden Gymnasien an. Durch „berufsbezogene
Unterrichtsinhalte“ und Maßnahmen zur Berufsvorbildung wird dann in Verbindung mit der vom
Schulgesetz für den Unterricht vorgeschriebenen Einführung des Kurssystems die Allgemeine
Hochschulreife erreicht. (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des
Landes Schleswig-Holstein 1999 a, §§ 20 ff.) Im Fachgymnasien sollen die allgemeinbildenden
199
Kenntnisse und Fertigkeiten vertieft und erweitert werden. Die Vermittlung von ökonomischen
Inhalten dient dabei in erster Linie der Motivationserhöhung und besonders auch der Persönlichkeits-
bildung an in üblichen Gymnasien nicht vermittelten Wissensbereichen (siehe auch Unterkapitel 4.3).
Im Gegensatz zur Berufsoberschule ist der Berufswahlprozess der Lernenden im Fachgymnasium
noch weitgehend offen und erfordert daher eine intensivere Berufsvorbildung (siehe auch Unterkapitel
4.2). Hier weisen die Gymnasien und besonders die Fachgymnasien zur Zeit aber noch die stärksten
Defizite auf (vgl. Schweitzer 1995, 133). Während das Fachgymnasium sich an Jugendliche wendet,
die „nur“ einen allgemeinbildenden Abschluss besitzen, baut die Berufsoberschule auf einem
Berufsabschluss auf. Ziel der Berufsoberschule sollte die Erweiterung der allgemeinbildenden
Kenntnisse in Verbindung mit einer vertieften, „übergeordneten“ theoretischen Fundierung der
beruflichen Kenntnisse sein. Damit sich die Qualifizierung der Fachgymnasien von denen anderer
Oberstufenschultypen unterscheidet, müssen sie ihr Profil im Rahmen der Vorgaben zur allgemeinbil-
denden gymnasialen Oberstufe entwickeln und Schwerpunkte in der Berufswahlvorbereitung im
speziellen ökonomischen und im berufsbezogenen Bereich legen (siehe auch drittes und viertes
Kapitel).
Das unsystematische Nebeneinander von allgemeinbildenden Gymnasien mit Leistungskursen in
„Wirtschaft/Politik“, von Berufsoberschulen mit wirtschaftlichem Schwerpunkt und Fachgymnasien
mit wirtschaftlichem Zweig kann das Qualifikationsproblem nicht lösen. Historisch gesehen werden
hier Ansätze wiederholt, die bereits nach dem Krieg zeitweise in der Trennung zwischen Wirtschafts-
oberschulen und Wirtschaftsgymnasien bestanden (siehe auch Unterkapitel 2.1). Letztlich wurden
dabei die Wirtschaftsgymnasien in die allgemeinbildenden Gymnasien überführt und die Wirtschafts-
oberschulen in Wirtschafts- bzw. Fachgymnasien umgewandelt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der völlige Verzicht auf eine Qualifikation für das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - im bestehenden deutschen Schulsystem zur Zeit keine
Alternative ist. Für die Fachgymnasien gibt das allgemeinbildende Schulsystem den „Gleichwertig-
keits-Maßstab“ vor. Diesem werden alle inhaltlichen und fachlichen Fragen untergeordnet. Wollte
man an dieser „Einbahnstraßencharakteristik“ etwas ändern, müsste die gesamte Struktur der
Sekundarstufe II verändert werden. Da umfassende Korrekturen der Sekundarstufe II nicht geplant
sind, besteht für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - mit seiner allgemeinbildenden
Qualifikation nur die Möglichkeit, sich stärker über die inhaltlichen Strukturen im Ökonomischen zu
profilieren, um damit die Besonderheit seiner Qualifikation hervorzuheben (siehe Kapitel 4). Häufig
wird darüber hinaus noch die Vergabe einer Doppelqualifikation vorgeschlagen. Diese Vorstellung
wird im folgenden Abschnitt analysiert.
200
5.2.2 Die Doppelqualifikation als Profilierungsansatz
Aufgrund der fachgymnasialen Gleichwertigkeitsausrichtung am allgemeinbildenden gymnasialen
System, der engen Bindung an die berufsbildenden Schulen, den im europäischen Vergleich unterent-
wickelten beruflichen Bildungswegen mit Hochschulzugang und besonders vor dem historischen
Hintergrund der „Entprofessionalisierung“ (siehe auch Unterkapitel 2.1) der Fachgymnasien ist immer
wieder der Ansatz der Doppelqualifikation diskutiert und in Modellversuchen erprobt worden. Es
muss nach den im Abschnitt 5.2.1 beschriebenen Erkenntnissen davon ausgegangen werden, dass der
Ausgangspunkt für die Einordnung der Fachgymnasien aufgrund der bestehenden Struktur im
schleswig-holsteinischen Bildungssystem die Vermittlung der Allgemeinen Hochschulreife ist. Die
Beantwortung der Frage, ob darüber hinaus die Vergabe einer weiteren Qualifikation der Profilierung
im ökonomischen Bereich dienlich ist, macht weitergehende Untersuchungen notwendig.
Der Doppelqualifikationsansatz wurde erstmals 1974 von der Bund-Länder-Kommission für
Bildungsplanung und Forschungsförderung genauer beschrieben (vgl. Dauenhauer/Kell 1990, 48).
„Der Begriff der Doppelqualifikation ist auf der Ebene von Abschlüssen des Sekundarbereichs II
definiert. Ein berufsqualifizierender Abschluss und ein studienqualifizierender Abschluss werden
zusammen in einem Bildungsgang erworben.“ (Dehnbostel 1996, 196) Im Gegensatz dazu beziehen
sich Doppelprofilierungsansätze auf den Sekundarbereich I. Die Vermittlung der Inhalte für Doppel-
qualifikationen kann sowohl integrativ als auch additiv erfolgen. Die additiven Möglichkeiten
reichen über eine Zusammenarbeit, Annäherung, Abstimmung, bis zur Verzahnung (vgl. Dauenhau-
er/Kell 1990, 46). Werden die Abschlüsse gleichzeitig erreicht, handelt es sich um eine simultane
Doppelqualifikation und anderenfalls um eine konsekutive Doppelqualifikation (vgl. Bojanowski
1996, 534 f.).
Bei der Doppelqualifikation sind weiterhin Ansätze der Voll- und Teilqualifikation zu unterschei-
den. Teilqualifikationen werden erst durch zusätzliche Maßnahmen zu Vollqualifikationen. Teil- und
Vollqualifikationen können auch durch eine gestufte Qualifikation erreicht werden. So wird z. B. die
Vollqualifikation „Allgemeine Hochschulreife“ nach drei Schuljahren und der Berufsabschluss nach
dem vierten Schuljahr erteilt. Gegenwärtig werden diese Ansätze im berufsbildenden Bereich im
Zusammenhang mit dem Modularisierungskonzept, auch Fragmentierungskonzept genannt, intensiv
diskutiert.
Peter Dehnbostel (vgl. 1996, 170 ff.) trennt Doppelqualifikationsansätze nach ihrer historischen
Entstehung und bietet damit erste Ansatzpunkte für eine umfassende Analyse. Er unterscheidet:
• bundesdeutsche Modellversuche der 70er/80er Jahre, die auf eine Verknüpfung und Integrati-
on von studien- und berufsqualifizierenden Abschlüssen zielten und besonders in Nordrhein-
Westfalen in der Kollegschule unter Mitwirkung von Herwig Blankertz wissenschaftlich entwi-
ckelt und begleitet wurden. Diese Modellversuche scheiterten u. a. letztlich am hohen Anspruch
des Integrationsprinzips und der Akzeptanz der Abschlüsse in der Wirtschaft. (vgl. ebd., 170 ff.)
201
• das DDR-Modell der Berufsausbildung mit Abitur, das in drei Jahren zu einem Abschluss
führte, den in den achtziger Jahren jeder dritte Abiturient erwarb. Die Ausrichtung an der Vorbe-
reitung auf ein Hochschulstudium bewirkte, dass ca. 80 % der Absolventen dieses Schultyps ein
Studium aufnahmen. Weil die Ausbildung in den Einzelberufen in enger Beziehung zu den spe-
ziellen Wissenschaftsdisziplinen stand, war eine „echte“ Doppelqualifikation kaum gegeben und
führte gleichzeitig auch zu einer Reduzierung der Berufe, die für diese Ausbildungsform geeignet
waren. Bei diesem Ansatz wurde die Doppelqualifikation durch die additive Vermittlung der In-
halte erreicht. Die berufstheoretische Abschlussprüfung erfolgte im zweiten Ausbildungsjahr, die
Facharbeiterprüfung und das Abitur wurden am Ende des dritten Jahres erreicht. (vgl. ebd., 172
ff.)
• neuere Ansätze der Doppelqualifikation, die sich in erster Linie auf die Integration der
Bildungsbereiche und auf die Verbindung der Fachhochschulreife mit einem Berufsabschluss
beziehen. Im Gegensatz zu den bundesdeutschen wissenschaftspropädeutisch orientierten Ansät-
zen der siebziger Jahre sind die neuen Ansätze handlungs- und berufsbezogen ausgerichtet. Sie
bauen nicht auf einem neuen Oberstufentyp auf, sondern versuchen über strukturelle und didakti-
sche Maßnahmen vom Berufsausbildungskonzept auszugehen, d. h., es werden Abschlüsse des
berufsbildenden Systems um die Zertifikate des allgemeinbildenden Schulsystems ergänzt. (vgl.
ebd., 174 ff.)
Die Systematisierung von Dehnbostel verdeutlicht die historischen Veränderungen im Schwerpunkt
der Doppelqualifikation, greift aber die Gleichwertigkeitsproblematik der Zertifikate nur sehr
allgemein auf und ist überwiegend auf die berufsschulische Perspektive ausgerichtet, d. h., den
Ausgangspunkt der Betrachtungen bildet das Nachholen von allgemeinbildenden Abschlüssen
während der Berufsschulzeit.
„Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) unterschei-
det folgende doppeltqualifizierende Abschlüsse:
• Allgemeine Hochschulreife und berufliche (Voll- oder Teil-) Qualifikation,
• Fachgebundene Hochschulreife und berufliche (Voll- oder Teil-) Qualifikation,
• Fachhochschulreife und berufliche (Voll- oder Teil-) Qualifikation.“ (Dehnbostel 1996, 170)
Bei dieser Einteilung ist der Maßstab der allgemeinbildende Abschluss, an den die berufliche
Qualifikation „angehängt“ wird. Diese Vorgehensweise ist aufgrund der im Abschnitt 5.2.1 dargestell-
ten Ausrichtung des Fachgymnasiums weiter zu untersuchen.
Armin Hegelheimer (1986) beschreibt, vom Ziel der Gleichwertigkeit ausgehend, die grundlegen-
den Möglichkeiten, das Problem der Qualifikation im Bildungssystem zu lösen. Obwohl auch
Hegelheimer in das Zentrum seiner Arbeit, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und
Wissenschaft durchgeführt wurde, das Nachholen allgemeiner Abschlüsse im beruflichen Bildungs-
system stellt, liefert er doch indirekt auch verwertbare Erkenntnisse für das Problem der Doppelquali-
202
fizierung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -. Neben dem bereits im vorherigen Abschnitt
dargestellten Allokationsmodell werden drei weitere Alternativen zur Herbeiführung der Gleichwer-
tigkeit von allgemein- und berufsbildenden Abschlüssen entwickelt:
• Beim Zertifikatsmodell werden Berufsbildungsabschlüsse unter Beachtung von inhaltlich-
qualifizierenden Auflagen, wie z. B. Zusatzunterricht in einer speziellen kaufmännischen Wirt-
schaftslehre, als gleichwertig anerkannt. (vgl. ebd., 50 ff.)
• Im Organisationsmodell wird Gleichwertigkeit durch die Einführung eines neuen Schultyps
erreicht, in dem allgemeine und berufliche Bildung integrativ vermittelt werden. (vgl. ebd., 34 ff.)
• Beim quivalenzmodell werden Berufsbildungsabschlüsse mit allgemeinbildenden Schulab-
schlüssen administrativ gleichgestellt. (vgl. ebd., 45 ff.)
Ä
Das Äquivalenzmodell ist auf den ersten Blick relativ einfach umzusetzen, da die Gleichwertigkeit
der Abschlüsse durch einen Verwaltungsakt eingeführt würde. Im Grunde findet dieses Modell in der
Schulpraxis bereits Anwendung. So ist z. B. der Berufsschulabschluss der Mittleren Reife grundsätz-
lich gleichwertig, und auf gymnasialer Ebene entsprechen die fachgymnasialen den gymnasialen
Abschlüssen. Diese Gleichwertigkeit wird in der Praxis jedoch nur durch eine weitgehende Übernah-
me der gymnasialen Inhalts- und Fächerstrukturen erreicht (siehe auch Unterkapitel 5.1). Analog
würde sich die Gleichwertigkeit eines vollzeitschulischen mit einem dualen Berufsabschluss nur
durchsetzen lassen, wenn Kenntnisse und Fähigkeiten des kaufmännisch-verwaltenden Bereichs in den
Kanon eingefügt würden. Das hätte unter Berücksichtigung des Kurssystems und bei additiver
Hinzufügung eine Verlängerung der Schulzeit um mindestens ein Jahr zur Folge.
Selbst wenn der erfolgreiche Abschluss des Fachgymnasiums den kaufmännischen Abschluss
beinhalten würde, wäre vermutlich die Akzeptanz im Beschäftigungssystem nicht gegeben, da weite
Bereiche der speziellen berufspraktischen Kenntnisse fehlen. Hierbei handelt es sich nicht nur um die
kaufmännisch-verwaltenden Tätigkeiten, sondern besonders auch um die in den Unterkapiteln 3.1 und
4.3 beschriebene Persönlichkeitsbildung (z. B. Albers’ Arbeitstugenden). Auf der anderen Seite
bestünde die Gefahr, dass durch die Einführung des Modells die Abbrecherquote der Studierenden
ansteigen könnte, da ihre Kenntnisse zu einseitig an speziellen beruflichen Strukturen ausgerichtet
wären.
Entscheidend ist jedoch, dass das Äquivalenzmodell die herausragende Stellung der Gymnasien
nicht verändern und bei Feststellung der Doppelqualifikation von allgemeiner Hochschulreife und
Berufsabschluss aufgrund der divergierenden Struktur der Berufsfelder und der unterschiedlich hohen
theoretischen Ansprüche einzelner Berufe zu einer noch größeren Spannweite in der Qualifikation der
Allgemeinen Hochschulreife führen würde. (vgl. ebd., 45 ff.)
Wie u. a. an den Kollegschulen in Nordrhein-Westfalen deutlich geworden ist, kann die inhaltliche
Integration von allgemeiner und beruflicher Bildung, also das Organisationsmodell, eine geeignete
Maßnahme zur schulischen Umsetzung der Doppelqualifizierung sein. Sie bietet neben den zeitlichen
auch organisatorische Vorteile, da übergreifende und permanente schulorganisatorische Bereichsab-
203
stimmungen langfristig weniger aufwendig sind. Die praktische Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die
Umsetzung ein völlig neues Durchdenken der ökonomischen Strukturen erfordert und dass die volle
Integration bisher nicht realisiert werden konnte. Dieser Ansatz würde über Jahre einen erheblichen
Forschungsbedarf erfordern und hätte eine Aufstockung des Lehrpersonals zur Folge, selbst wenn nur
wenige kaufmännisch-verwaltende Ausbildungsberufe berücksichtigt würden. Letztlich ist das
Organisationsmodell für ein kleines Bundesland wie Schleswig-Holstein auch nicht finanzierbar.
Im Zertifikatsmodell wird die Doppelqualifikation in additiver Form erreicht, d. h. die Fachgymna-
sien müssten zusätzlich Inhalte aus dem kaufmännisch-verwaltenden Berufsbereich vermitteln. Dieser
Ansatz unterscheidet sich vom Äquivalenzmodell durch die bewusste Auswahl und Aufnahme von
beruflichen Fächern in den Kanon. Erich Dauenhauer und Adolf Kell (1990) belegen mit ihrer für die
Bund-Länder-Kommission durchgeführten Bestandsaufnahme von Modellversuchen eine Vielzahl von
doppelqualifizierenden Ansätzen der Kopplung von Hochschulreife und Berufsabschluss. Vorausset-
zung für deren praktische Umsetzung ist zunächst vor allem die inhaltliche „Nähe der beruflichen
Fachtheorie zu den Unterrichtsfächern des traditionellen gymnasialen Fächerkanons.“ (ebd. 1990, 121)
Daher bezieht sich über die Hälfte der erprobten Bildungsgänge auf die drei naturwissenschaftlichen
Assistentenberufe. Diese überwiegend zweijährigen Schulberufe unterscheiden sich von traditionellen
Ausbildungsberufen dadurch, dass sie nicht auf Bundes-, sondern auf Landesebene geregelt werden,
nur für ein sehr begrenztes Berufsspektrum gelten und auf ein Lernen am Arbeitsplatz weitgehend
verzichten können. (vgl. ebd. 1990, 120) Für dreijährige Schulberufe mit Allgemeiner Hochschulreife,
die gleichzeitig mit Fach- bzw. Wirtschaftsgymnasien verbunden sind, gibt es bisher nur wenige
Modellversuche. Dieses könnte zwei Ursachen haben:
• Eine Fächerverzahnung der Bereiche ist bisher nur ansatzweise gelungen. „Die enge Verflechtung
von fachpraktischem und fachtheoretischem Unterricht stößt auf die Schwierigkeit, daß Arbeiten,
praktisches Lernen und Handeln in der Tradition der Gymnasialpädagogik keinen Platz haben,
nicht als ‚bildend’ bewertet werden und deshalb solche Lernzeiten und Lernleistungen nicht oder
nur begrenzt als abiturrelevant angerechnet werden. Das führte zu curricularen Additionen mit der
Folge hoher Wochenstundenbelastungen der Schüler.“ (Dauenhauer/Kell 1990, 124)
• Alle Modellversuche sowohl mit beruflichen Teil- als auch Vollqualifikationen weisen ein
zentrales Problem auf: Die Einstellungschancen im Beschäftigungssystem sind unsicherer als im
traditionellen dualen Ausbildungssystem. Sie können sogar zu Verschlechterungen führen, wenn,
wie ehemals beim BGJ vorgesehen, Anrechnungsvorschriften auf eine spätere Ausbildung beste-
hen.
Die berufsschulische Praxis hat gezeigt, dass sich Zertifikatsmodelle nur dann relativ einfach
einführen lassen, wenn als Ausgangspunkt die beruflichen Abschlüsse dienen, die um einen allge-
meinbildenden Abschluss ergänzt werden, wie dies z. B. in Schleswig-Holstein in dem Konzept
„Berufsschulabschluss mit Fachhochschulreife“ der Fall ist. Generell gilt aber auch hier, dass die
zusätzliche zeitliche Belastung nicht unwesentlich ist und meist die Schulzeit um mindestens ein Jahr
204
verlängert. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Abschaffung des 13. Schuljahres und der
mangelnde Akzeptanz der doppeltqualifizierten Abschlüsse durch die Wirtschaft sind diese abzuleh-
nen.
Unter diesen Aspekten machen im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - weder berufliche
Teil- noch Vollqualifikationen Sinn. Neben der von der KMK vorgeschriebenen Schulzeitverlänge-
rung um ein Jahr, die bei ausreichender wirtschaftlicher Akzeptanz des Abschlusses noch tolerierbar
wäre, da letztlich zwei Ausbildungsjahre „eingespart“ werden, führen Doppelqualifikationen in der
Tendenz zur stärkeren Vermittlung von Allgemeinbildung.
Besonders berufliche Teilqualifikationen weisen ein weiteres, grundlegendes Problem auf: „Unter-
schiede zwischen einem auf Integration gerichteten berufsorientierenden Curriculum und einem auf
anrechenbare berufliche Teilleistungen gerichteten Curriculum werden meistens nicht erkannt bzw.
angesprochen; die Spannung zwischen diesen beiden Zielen bleibt dadurch curricular unbearbeitet.“
(Dauenhauer/Kell 1990, 129) Selbst bei der zusätzlichen Vermittlung von beruflichen Teilqualifikati-
onen muss die Ausgangssituation der Lehrenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
beachtet werden. Wie bereits in Abschnitt 5.2.1 dargestellt wurde, ist der Ausgangs- und Anknüp-
fungspunkt für das Fachgymnasium das allgemeinbildende Schulwesen, die Förderung der Persön-
lichkeitsentwicklung und der Berufswahlkompetenz, die zur Zeit allerdings nur schwach ausgeprägt
sind (siehe auch Unterkapitel 3.1).
Die Analysen von Dauenhauer/Kell heben hervor, dass doppelqualifizierende Abschlüsse nur für
Jugendliche geeignet sind, die „eine relativ stabile Berufsmotivation und eine mindestens durch-
schnittliche Leistungsfähigkeit“ (Dauenhauer/Kell 1990, 125) besitzen. Obwohl letztere die Aufnah-
mevoraussetzung für das Fachgymnasium ist und damit von den „Zubringerschulen“ bescheinigt
wurde, wird sie von vielen Lernenden bislang nicht erreicht. Selbst wenn nur ein Viertel der Lernen-
den in den Fachgymnasien Defizite in beiden o. g. Bereichen aufweisen sollte, führt dies schon zu
unterrichtlichen Problemen. Letztlich gilt: „Berufsausbildung und Berufsvorbereitung gehen von
unterschiedlichen Voraussetzungen in der Berufsorientierung und in der Berufswahlfähigkeit der
Jugendlichen aus. Wenn die Wahl des Bildungsgangs nicht auf der Basis einer gut vorbereiteten und
begründeten Ausbildungsberufswahl erfolgt, sondern die Berufsorientierung von Jugendlichen erst im
Bildungsgang zu leisten ist, kann die Entwicklung einer Berufsidentität in dem Bildungsgang auf
Schwierigkeiten stoßen und die Berufsmotivation für die hohen Lernanforderungen nicht stark oder
dauerhaft genug sein.
Berichte über Belastungen und Lernschwierigkeiten der Jugendlichen verweisen auf dieses
Strukturproblem als eine Ursache, das jedoch nicht genauer untersucht wurde. Dem Problem wird
kaum durch Selektionen nach Notendurchschnitten oder Verlängerung der Lernzeit beizukommen
sein. Solange es nicht grundlegend durch eine vorberufliche Bildung im Sekundarbereich I für alle
Schüler beseitigt wird, können am ehesten kompensatorische Maßnahmen wie verstärkte Berufsbera-
tung, besondere Gestaltung der Eingangsphase in den Schulen des Sekundarbereichs II als Berufso-
205
rientierungs- und -findungsphase und berufsmotivationsfördernde Maßnahmen im Bildungsgang, vor
allem durch Betriebserkundungen und -praktika, helfen.“ (Dauenhauer/Kell 1990, 124)
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vergabe einer Doppelqualifikation für die Lernenden im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - abzulehnen ist. Alle doppelqualifizierenden Abschlüsse
haben mit zeitlichen und Akzeptanz-Problemen zu kämpfen. Ein Grund dürfte darin liegen, dass im
Gegensatz zum österreichischen Schulsystem in Deutschland die strikte Trennung von allgemeiner
und beruflicher Bildung nicht überwunden wurde. Aus pädagogischer Sicht spricht gegen die
Doppelqualifikation die zeitliche Belastung und besonders die Annahme, dass die Persönlichkeitsbil-
dung der am Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - interessierten Lernenden nicht gesteigert
würde. Aus bildungssystematischer Sicht sind Doppelqualifikationen für das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - abzulehnen, weil Fachgymnasien ihren Standort zunächst über die Persön-
lichkeitsbildung und die Berufsvorbildung bestimmen und die ökonomische Bildung für die Lernen-
den in erster Linie einen neuen Motivationsschub liefern sollte.
Auf die in der Überschrift zu diesem Unterkapitel gestellte Frage, ob das Zertifikat des Fachgymna-
siums - wirtschaftlicher Zweig - eine Äquivalenz- oder Allokationsfunktion hat, muss daher geantwor-
tet werden, dass es keine der beiden Extrempositionen einnehmen sollte. Das Fachgymnasium -
wirtschaftlicher Zweig - sollte seine Gleichwertigkeit zum allgemeinbildenden Abschluss behalten und
ein berufsvorbildendes Profil über den ökonomischen Bereich aufbauen. Gegen die Vergabe einer
Doppelqualifikation spricht in erster Linie das geringe und sehr heterogene Leistungsniveau der
Lernenden.
206
6 Gestaltung einer profilgebenden fachgymnasialen ökonomischen Bildung
Mit dieser Arbeit sollte die im ersten Kapitel beschriebene These bestätigt werden, dass die Wirt-
schaftsbildung der Absolventinnen und Absolventen des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig -
weder den bildungspolitischen noch den beschäftigungsbereichsbezogenen Anforderungen der
heutigen Zeit entspricht.
Im zweiten Kapitel wurde dargestellt, dass gesellschaftliche Veränderungen und ein Wandel im
Bildungsverständnis stets auch Einfluss auf die unterrichtliche Gestaltung der fachgymnasialen
Wirtschaftsbildung genommen haben. Generell ist für die kaufmännischen Vollzeitberufsschulen die
Veränderung von der Ausbildung in kaufmännischen Tätigkeiten über die Betriebswirtschaftslehre zur
Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik erkennbar. Neben diesen inhaltlichen Verlagerungen
wurden auch neue Organisationsformen eingeführt. Die letzte große organisatorische Umgestaltung
der Fachgymnasien erfolgte durch die gymnasiale Oberstufenreform von 1972. Deren einengende
Strukturvorgaben haben dazu beigetragen, dass an den Inhalten und Strukturen der ökonomischen
Bildung des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - in den letzten Jahrzehnten keine größeren
Veränderungen durchgeführt wurden.
Im dritten Kapitel wurden die Ziele einer neuen profilgebenden Wirtschaftsbildung für das Fach-
gymnasium - wirtschaftlicher Zweig - entwickelt. Sie leiten sich aus den Veränderungen in den
Lebenssituationen und dem Verhalten der Jugendlichen, der Arbeits- und Berufswelt sowie den
Wirtschaftswissenschaften ab. Kamen in der Vergangenheit häufig hochmotivierte Lernende nach dem
Abschluss einer Berufsausbildung in das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -, um mit der
Fachhochschul- oder Hochschulreife einen beruflichen Aufstieg zu verwirklichen, so sind es heute
überwiegend Realschülerinnen und -schüler, die keine berufliche Orientierung entwickelt haben, ohne
Ausbildungsvertrag in ihrem „Traumberuf“ geblieben sind, und in steigender Zahl auch Jugendliche,
die Probleme mit der deutschen Sprache haben, weil z. B. die Eltern Aussiedler oder ausländischer
Herkunft sind. Auf diese Lernenden reagiert das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - im
profilgebenden Leistungskurs mit der Vermittlung einer wissenschaftlichen Volkswirtschaftlehre, die
einen funktionenorientierten betriebswirtschaftlichen Anteil hat und mit einem Pflichtgrundkurs
„Rechnungswesen“, dessen Inhalte sich an einer veralteten kaufmännischen Buchhaltungs- und
Kostenrechnungssystematik ausrichten.
Eine profilgebende Wirtschaftsbildung sollte die Lernenden mit einer Bildung ausstatten, die die
oben beschriebenen Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung und im fachlichen Bereich beseitigt.
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sollte den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten,
Fertigkeiten, Einsichten und Werthaltungen in der Berufsvorbildung und über komplexe ökonomische
Systeme an Beispielen aus der kaufmännisch-verwaltenden Arbeits- und Berufswelt ermöglichen. Zur
Erreichung dieser Ziele müssen die zu vermittelnden Unterrichtsinhalte und die Organisationsstruktur
überarbeitet werden.
207
Die notwendigen Veränderungen im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sind im vierten und
fünften Kapitel in fünf Unterkapiteln dargestellt worden. Die drei inhalts- und zwei organisationsbe-
zogenen „Bausteine“ wurden in den Überschriften der Unterkapitel durch ein erläuterndes Begriffs-
paar weitergehend konkretisiert. Während der zuerst genannte Begriff immer eine enge Auslegung des
jeweiligen Bausteins beinhaltet, wird durch den zweiten Begriff ein weites Verständnis beschrieben.
Diese Art Vorgehensweise hat den Vorteil, dass alle Erkenntnisse in den erziehungswissenschaftlichen
und wirtschaftspädagogischen Teilgebieten berücksichtigt werden können. Sie hat aber auch den
Nachteil, dass durch einseitige Betrachtungsweisen der Blick für das Ganze verloren geht. Daher liegt
in diesem abschließenden Kapitel der Schwerpunkt in der zusammenfassenden und verknüpfenden
Beschreibung der Arbeitsergebnisse.
Berufliche oder Allgemeine Bildung? Unter Beachtung der oben beschriebenen Ziele ist das
Bildungsverständnis der Ausgangspunkt für eine Reform der ökonomischen Bildung im Fachgymna-
sium - wirtschaftlicher Zweig -. Wolfgang Klafki wies bereits in den sechziger Jahren des 20.
Jahrhunderts darauf hin, dass konkrete Bildungsinhalte für den Unterricht längerfristig nur schwer
fixierbar sind. Auch über Ersatzbegriffe und -strukturen, wie z. B. die Lernzieltaxonomien sowie
unterschiedliche Qualifikations- und Kompetenzbegriffe, konnte das Problem der Entwicklung eines
praktikablen didaktischen Unterrichtskonzeptes bisher ebenfalls nicht gelöst werden. Die neusten
Lehrplanstrukturen, die ökonomische Inhalte zunächst durch die Festlegung von Kernproblemen,
Kompetenzen und Projektstunden bestimmen, können die Situation nicht verbessern, da sie keinen
Bezug auf das ökonomisch Bildende des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - nehmen.
Nach dem traditionellen inhaltlich-organisatorischen Bildungsverständnis gelingt die Bildung der
Lernenden, wenn die ökonomischen und die fachunabhängigen Inhalte angegeben werden und/oder
wenn das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - als Schultyp im Bildungssystem eingeordnet
werden kann. Tritt man an das Problem der Festlegung der fachgymnasialen ökonomischen Bildung
unter pädagogisch-psychologischen Gesichtspunkten heran, so werden die ökonomischen und
fachunabhängigen Inhalte stärker unter dem Aspekt der Transferwirkung analysiert. Hieraus ergibt
sich die Frage, welche Formen des Wissens, Denkens und Handelns zu vermitteln sind, damit sie in
neuen und vielleicht auch anderen Situationen eingesetzt werden können. Bei dieser Betrachtungswei-
se ist eine strikte Trennung von beruflicher und allgemeiner Bildung nicht mehr möglich, weil sich
gerade auch kaufmännische Unterrichtsinhalte durch eine hohe Transferwirkung auszeichnen. Es sollte
daher die Forschung darüber intensiviert werden, welche Inhalte des ökonomischen Bereichs bei den
Lernenden eine hohe Transferwirkung erreichen. Durch diesen Wechsel in der Betrachtungsperspekti-
ve gelingt es, die in dem Begriffspaar „Berufliche und Allgemeine Bildung“ steckende Separierung
von Bildungsbereichen aufzulösen und sich auf das Problem zu konzentrieren, wie die Auswahl von
Lerninhalten und der Ablauf von Lernprozessen unter dem Transferaspekt optimiert werden können.
Berufs- oder Berufswahlvorbereitung? Es sollte deutlich geworden sein, dass das Fachgymnasium
die erheblichen Defizite in der Berufsvorbildung abbauen muss. Dabei kann weitgehend auf die
Erkenntnisse der Berufswahlforschung und ansatzweise auch auf die didaktischen Konzepte der
208
allgemeinbildenden Schulen zurückgegriffen werden. Solange keine speziellen Forschungsergebnisse
zur Berufswahl von Lernenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - vorliegen, sollte
Bußhoffs komplexes Modell, dass die gesellschaftsorientierten und individuumsorientierten Berufs-
wahltheorien miteinander verbindet, prozessorientiert ist und den Schwerpunkt bei Hilfestellungen in
den Phasen des beruflichen Übergangs sieht, die theoretische Fundierung bilden. Darauf aufbauend,
sollten die stufendidaktischen Ansätze von Ermert/Friedrich und Dibbern so verändert und erweitert
werden, dass sie der speziellen Situation der Lernenden im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
gerecht werden. Hierbei gilt es, die besondere Zusammensetzung der Lernenden des Fachgymnasiums
- wirtschaftlicher Zweig - zu berücksichtigen und die bereits in den Realschulen durchgeführte
Berufswahlvorbereitung zu ergänzen und nicht zu wiederholen.
Den Lernenden sollte die Gelegenheit geboten werden, ihre Berufswahlkompetenz kontinuierlich
und nicht durch episodenhafte Sonderkurse zu steigern. Die berufsvorbildenden Maßnahmen
erstrecken sich auf die drei Kernbereiche berufsvorbildender Schulunterricht, Realkontakte und
Unterstützungsaktivitäten durch die Berufsberatung der Arbeitsämter. In allen Kernbereichen sollte
die Berufsvorbildung in kooperativer Form erfolgen. Das bedeutet für den berufsvorbildenden
Schulunterricht, dass dieser einem Fach zugeordnet und im Lehrplan dieses Faches nicht nur spora-
disch sowie ohne Bezug zum Fach ausgewiesen wird. Die Beziehungen zu den Unternehmen und
Hochschulen, also die sogenannten Realkontakte, sollten ausgebaut und die Zusammenarbeit mit der
Berufsberatung der Arbeitsämter müsste intensiviert werden. Ein verbessertes fachgymnasiales
Schulprofil ist aber nur möglich, wenn diese drei Kernbereiche inhaltlich und zeitlich aufeinander
abgestimmt werden.
Berufsvorbildung ist im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - hauptsächlich eine Berufswahl-
vorbereitung. Wenn man als Persönlichkeitsbildung auch die Entwicklung von Arbeitstugenden
versteht, dann ist sie auch Berufsvorbereitung. Die praktische Umsetzung sollte daher in einem
Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Polen stattfinden.
Fachwissenschaften oder Wirtschaftspraxis? Die veränderten Zielsetzungen, die neue Betrach-
tungsperspektive von Bildung und die erweiterten Anforderungen an die Berufsvorbildung im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - lassen die Notwendigkeit einer neuen Wirtschaftsbildung
deutlich werden. Diese sollte vom Paradigma der vierfachen Anbindung der Wirtschaftsdidaktik
ausgehen. Entsprechend den im dritten Kapitel festgelegten Zielen des Fachgymnasiums - wirtschaft-
licher Zweig - sollte zunächst eine getrennte Betrachtung unter der pädagogischen und der ökonomi-
schen Perspektive erfolgen. Zusätzlich werden eine erziehungstheoretische und -praktische Ebene
unterschieden. Diese differenzierte Denkweise hat die Funktion, die Erkenntnisse der Wissenschaften
auf Erfordernisse der Unterrichtspraxis anzupassen und die bestehende Kluft zwischen beiden
Betrachtungsebenen zu verringern.
Von der erziehungstheoretischen Seite nähern wir uns der Erziehungspraxis durch Klafkis kategoria-
len Bildungsansatz, der durch die von Kruber beschriebenen Leitfragen ergänzt wird. Für das
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - sind in beiden Ansätzen berufsvorbildende und betriebs-
209
wirtschaftliche Problemstellungen einzufügen. Die Verbindung der erziehungspraktischen mit der -
theoretischen Seite wird durch die Beschreibung von Grundstrukturen für die Entwicklung eines
Lehrplans hergestellt.
Der Lehrplan des profilgebenden Bereichs des Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - muss
eine komplexe Wirtschaftsbildung vermitteln, die über eine wissenschaftsorientierte Volkswirt-
schaftswirtschaftslehre sowie eine kaufmännische Betriebswirtschaftslehre hinausgeht und die
Berufswahlvorbereitung sowie die Arbeits- und Berufswelt berücksichtigt. Diese Wirtschaftsbildung
wird hier als ökonomische Bildung bezeichnet. Eine ökonomische Bildung kann den Lernenden, aber
auch den Lehrenden nur vermittelt bzw. verdeutlicht werden, wenn der Lehrplan vertikal strukturiert
ist und die von Aebli bereits beschriebenen Problem-, Theorie- und Anwendungsfelder berücksichtigt.
Da die Lehrplan- und Unterrichtsstruktur nicht zu weit voneinander abweichen sollten, sind für die
Lehrenden fachliche und methodische Erläuterungen sinnvoll. Für den grundlegenden Lehrplanaufbau
eignet sich eine fachliche Struktur, die sich am Schalenmodell, d. h. vom wirtschaftenden Individuum
über die Unternehmen zur Weltwirtschaft orientiert. Der Unterrichtsgang sollte auch ein wiederholen-
des (spiralförmiges) Lernen ermöglichen. Mit steigender Jahrgangsstufe sollte ein themenbezogenes
„Durchbohren“ der Schalen von außen nach innen erfolgen, d. h. von Weltwirtschaftsproblemen zu
den individuellen Auswirkungen, damit das Ziel, die Vermittlung der Komplexität von ökonomischen
Systemen deutlich wird und die Transferrate des Erlernten steigt. Die hier beschriebene ökonomische
Bildung sollte Inhalte der Fachwissenschaften mit denen der Wirtschaftspraxis verknüpfen.
Fach- oder Lernbereichsorientierung? Durch die Einführung des gymnasialen Kurssystems wurde
eine Gleichwertigkeit der bildenden Fächer angestrebt. Dabei sollte durch die Schaffung von Aufga-
benfeldern und Kurswahlregeln die Gleichwertigkeit der gymnasialen Abschlüsse sichergestellt
werden. Sowohl der fachgymnasiale Fächerkanon als auch der in den letzten Jahrzehnten immer
wieder veränderte Regelkanon konnten aber nicht die Probleme bei der inhaltlichen Gestaltung der
Grund- und Leistungskurse beseitigen.
In der Pädagogik und Wirtschaftsdidaktik besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die
geforderte Bildung in der Persönlichkeit und im Ökonomischen nur verwirklicht werden kann, wenn
die Lernenden die Möglichkeit haben, komplexe Fragestellungen über einen größeren zusammenhän-
genden Zeitraum zu bearbeiten. Während man in den allgemeinbildenden Gymnasien diese Ziele
durch die Einführung von Projektkursen verwirklichen will, gehen die Berufsschulen den Weg über
die inhaltliche Systematisierung von beruflichen Aufgaben in Lernfeldern.
Die Persönlichkeitsentwicklung und die ökonomische Bildung der Lernenden können im Fachgym-
nasium - wirtschaftlicher Zweig - nur gefördert werden, wenn zunächst die ökonomisch bildenden
Inhalte bestimmt werden. In der Pädagogik bestehen keine Zweifel darüber, dass Unterricht gefächert
anzubieten ist und dass im jeweiligen Fach die neueren zeitaufwendigen schüleraktiven Unterrichts-
methoden (z. B. die Projektmethode) vermehrt einzusetzen sind. Das dabei auftretende Zeitproblem
kann nur gelöst werden, wenn die Gesamtzahl der Fächer reduziert wird und alle Fächer etwas zum
210
Schultypprofil beitragen. In den allgemeinen Gymnasien hat die Reorganisation der Kursstruktur
bereits zu profilierten Schultypen geführt.
Da die Fachgymnasien - wirtschaftlicher Zweig - im Vergleich zu den allgemeinbildenden Gymna-
sien nur eine geringe Zahl von Lernenden aufweisen, scheint eine tiefergehende Profilierung in eine
Variante, die verstärkt auf die Aufnahme eines Studiums im kaufmännisch-verwaltenden Bereich
vorbereitet, und daneben eine zweite, die auf die unmittelbare Aufnahme eines Ausbildungsberufes
vorbereitet, wenig sinnvoll. In den Fachgymnasien sollte eine Auflösung oder erhebliche Zurückfüh-
rung des Kurssystems erfolgen. Denkbar wäre, dass die profilgebenden Fächer bei gleichbleibender
Stundenzahl zusammengefasst würden. Im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - würde die
Zusammenfassung von „Wirtschaftstheorie und -politik“ mit „Rechnungswesen“ die Möglichkeit
geben, die oben beschriebene ökonomische Bildung zu vermitteln. Bei unveränderter Wochenstunden-
zahl hätten die zukünftigen Fachlehrer die Zeit, die Projektmethode im Unterricht einzusetzen. Da die
in dieser Arbeit beschriebene ökonomische Bildung auch die Berufsvorbildung beinhaltet, könnte
diese zunächst einen großen Anteil einnehmen, der in den beiden folgenden Schuljahren problemlos
durch einen steigenden Anteil an wirtschaftsbezogener Bildung ersetzt würde.
Auch bei den Fächern, die nicht zum ökonomischen Bereich gehören, wie z. B. Deutsch und
Literatur, sollte über eine Zusammenführung nachgedacht werden. Zusätzlich sollten diese Fächer mit
ökonomiebezogenen Inhalten durchtränkt werden. Insgesamt muss das Fachgymnasium - wirtschaftli-
cher Zweig - seine Unterrichtsorganisation so verändern, dass bei einer verringerten Fächerzahl in den
Fächern Strukturen entwickelt werden, die nach Lernbereichen systematisiert werden.
Äquivalenz- oder Allokationsfunktion? Die ökonomische Bildung des Fachgymnasiums -
wirtschaftlicher Zweig - muss ihr Profil zwischen der Wirtschaftsbildung der allgemeinen Gymnasien
und der Berufsoberschule entwickeln. Es ergibt sich die Frage, welche weiteren Möglichkeiten genutzt
werden könnten, um die ökonomische Bildung im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - noch
attraktiver zu machen. Dabei spielt die Diskussion um den Abschluss eine entscheidende Rolle. Wenn
das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - im bestehenden Bildungssystem erhalten bleiben soll,
dann muss es auch weiterhin die „Berechtigung“ der Allgemeine Hochschulreife erteilen, d. h. es darf
kein Schultyp ohne Berechtigung (Allokationsmodell) werden, da das deutsche Bildungssystem durch
die Abschlüsse strukturiert wird.
Weil das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - dem berufsbildenden Schulwesen zugeordnet
wird, könnte darüber hinaus eine berufliche Teil- oder Vollqualifikation vermittelt werden. Für die
schulische Umsetzung der Doppelqualifikation wäre die Integration der in dieser Arbeit beschriebenen
ökonomischen mit der berufsqualifizierenden Bildung am besten geeignet. Nun hat aber u. a. der von
Blankertz betreute Modellversuch der Kollegschule in Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass eine
Integration der Inhalte kaum möglich ist. Daher wäre die andere Möglichkeit, den Abschluss des
Fachgymnasiums - wirtschaftlicher Zweig - mit einem Abschluss in einem kaufmännisch-
verwaltenden Ausbildungsberuf gleichzustellen (Äquivalenzmodell).
211
Es sollte deutlich geworden sein, dass die Gleichwertigkeit der beschriebenen ökonomischen
Bildung mit einer beruflichen Bildung im kaufmännisch-verwaltenden Bereich nicht gegeben ist und
auch alle Modellversuche beides zu kombinieren, letztlich an der Zusammensetzung der Lernenden im
Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - scheitern. Doppelqualifikationsansätze erfordern Lernende,
die ihre erste berufliche Orientierung bereits abgeschlossen haben und überdurchschnittliche Leistun-
gen aus den Schulfächern der allgemeinbildenden Schulen mitbringen, da von den Lernenden ein
wesentlich höherer Arbeitsaufwand erwartet werden muss. In Deutschland dürfte die „Anreicherung“
der ökonomischen Bildung um einen zweiten Abschluss auch wenig Erfolg haben, da die Einstel-
lungschancen durch die Wirtschaft bestimmt werden und diese bisher Berufsabschlüssen in Vollzeit-
schulen kritisch gegenüber steht.
Wenn das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - in Schleswig-Holstein an die große Tradition
der mitteleuropäischen Wirtschaftsoberschulen und Handelsakademien anknüpfen will, müssen die
Unterrichtsinhalte im ökonomischen Bereich überarbeitet werden. Aber erst wenn diese mit Struktur-
veränderungen einhergehen, kann sich ein prägendes Schultypprofil entwickeln.
212
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235
ZUSAMMENFASSUNG
Ökonomische Bildung in der gymnasialen Oberstufe
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig -
Das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - ist ein Schultyp der Sekundarstufe II, der in drei
Jahren zum Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife führt. Seine Wurzeln reichen bis in das 18.
Jahrhundert zurück. Die Unterrichtsinhalte wurden zunächst aus den kaufmännischen Tätigkeiten,
dann auch aus der Betriebswirtschaftslehre und später überwiegend aus der Volkswirtschaftslehre
entnommen. Diese inhaltlichen Schwerpunktverlagerungen haben zu Unsicherheiten in der Frage
geführt, welche Inhalte das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - aus dem Wirtschaftsbereich
vermitteln sollte.
Das Ziel dieser Untersuchung ist, für das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - in Schleswig-
Holstein allgemeine pädagogische Anforderungen für den ökonomischen Fachbereich zu entwickeln
und mit den organisatorischen Strukturen abzustimmen.
Das Ergebnis dieser Arbeit ist, dass das Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - eine allgemeine,
komplexe ökonomische Bildung vermitteln muss, die auch das Problem der Berufswahl berücksich-
tigt. In Abhängigkeit von den inhaltlichen Neuerungen sind auch Veränderungen in der Schultypstruk-
tur notwendig.
236
ABSTRACT
Economic Education in Academic Secondary Schools
The Specialized Academic Secondary School with a Specialisation in Economics (SASS-SE)
SASS-SE is a type of school in the German educational system belonging to Secondary Education
Level II, which in three years prepares students for the Common School Leaving Examination. Its
roots date back to the l8th century. Its curriculum is based on the activities of merchants and traders.
Later it became dominated by Business Science and Commerce. More recently course content has
been largely drawn from the field of Economics. This shift in the emphasis in the curriculum has led to
an uncertainty about the question as to what subject matter taken from industry, trade and the economy
as a whole, the SASS-SE should seek to impart.
The aim of this investigation is to develop general standards for educational instruction in the subject
area of Economics for the SASS-SE in the German State of Schleswig-Holstein. Furthermore it
attempts to envisage the necessary measures to adjust them to their organizational structures.
This study concludes that the SASS-SE needs to impart a general yet complex education based on
Economics, which also takes into account the problem of career choice. As a result of innovations in
the curriculum, alterations in the structure of schools of this type are also necessary.
237
ERKLÄRUNG ZUR ANFERTIGUNG DER ARBEIT
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benut-
zung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder
indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe
ich keine Unterstützungsleistungen von anderen Personen erhalten.
Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt.
Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben
von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im
Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen.
Die Arbeit wurde bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer
anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.
238
LEBENSLAUF
Am 27.07.1956 wurde ich als Sohn von Irmgard und Hans Räther in Kiel geboren.
Nach der Grund- und Realschule sowie der Höheren Handelsschule begann ich in der Finanzverwal-
tung des Landes Schleswig-Holstein eine Ausbildung zum Steueranwärter, die ich 1976 erfolgreich
beendete. Neben der beruflichen Tätigkeit in der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und
Kapitalverkehrsteuerveranlagung besuchte ich ab 1977 das Abendgymnasium, das ich 1980 mit der
Allgemeinen Hochschulreife verließ.
Im Mai 1981 heiratete ich Cornelia Schmidt, mit der ich eine fünfjährige Tochter und einen
neunjährigen Sohn habe.
Von 1980 bis 1985 studierte ich an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Wirtschaftspädagogik
und ging anschließend als Diplom Handelslehrer in das Referendariat für das Höhere Lehramt an den
Kaufmännischen Berufsschulen.
Nach dem Referendariat war ich in verschiedenen Sparten der Kaufmännischen Berufsschulen, in
der EDV-Kollegen-Schulung, als Mentor und als Mitglied eines Lehrplanausschusses tätig. Von 1994
bis zum Jahr 2000 ließ ich mich mit halber Stelle an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel für
den Fachbereich Wirtschaft/Politik an die Erziehungswissenschaftlichen Fakultät abordnen. Neben der
universitären Lehrtätigkeit in den Bereichen der Wirtschafts- und Politikdidaktik sowie der Berufsori-
entierung und der berufsschulischen Tätigkeit im Fachgymnasium - wirtschaftlicher Zweig - und in
Bankfachklassen arbeitete ich seit 1996 an der hier vorliegenden Dissertation, die im Rahmen des
Promotionsverfahrens am 26.04.2001 mit der Disputation erfolgreich abgeschlossen wurde.
239