Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

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Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie Der Fakultät für Physik der Universität Duisburg-Essen vorgelegte Dissertation von Grzegorz Musiolik geboren in Sohrau, zur Erlangung des akademischen Grades Dr. rer. nat. Datum der Disputation: 19.12.2019 Gutachter: Prof. Dr. Gerhard Wurm Prof. Dr. Jürgen Blum Prof. Dr. Rolf Möller Priv.-Doz. Dr. Alfred Hucht Dezember 2019

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Kontaktmechanik sub-mm großerPartikel in der Planetologie

Der Fakultät für Physik der Universität Duisburg-Essenvorgelegte Dissertation von

Grzegorz Musiolik

geboren in Sohrau, zur Erlangung des akademischen Grades

Dr. rer. nat.

Datum der Disputation:19.12.2019

Gutachter:Prof. Dr. Gerhard WurmProf. Dr. Jürgen BlumProf. Dr. Rolf MöllerPriv.-Doz. Dr. Alfred Hucht

Dezember 2019

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ZusammenfassungDie physikalische Beschreibung eines Kontaktes zwischenzwei Partikeln spielt in der modernen Astrophysik einewichtige Rolle. Seien es die Wachstumsmechanismen vonStaubteilchen in der frühen Planetenentstehung, die Zusam-mensetzung der Bestandteile von Kometen und Planetesi-malen, oder aber auch die Beschreibung von kooperativen,granularen Phänomenen auf Planetenoberflächen; die Begrif-fe aus der Kontaktmechanik sind immer wieder präsent undhelfen oft diese Vorgänge zu modellieren und zu verstehen.In dieser Arbeit werden diverse experimentelle Ansätze zurMessung von Kontaktkräften im Kontext der Astrophysikvorgestellt. Darunter fallen zunächst die Messungen vonKontaktkräften von Eisaggregaten auf der µm- bis mm-Größenordnung, welche eine Lücke in der Entstehung größe-rer, kometarer und planetarer Körper zu erklären versuchen.Anschließend werden weitere Experimente zur Zugfestigkeitvon Analogmaterialien für diese kometaren und planeta-ren Körper vorgestellt und ihre Entstehungsgeschichte aufdiese Weise untersucht. Zuletzt werden Experimente zuErosionen von Staub auf dem Mars und weiteren Planetenvorgestellt. Diese Messungen ermöglichen zu verstehen, wiesich Kontakte unter der Einwirkung von unterschiedlichengravitativen Anziehungskräften verhalten.Die Ergebnisse werden in einen fundamentalen Zusammen-hang eingeordnet: beginnend bei µm großen Staubaggrega-ten, welche sich im Laufe der Zeit zu Planeten entwickelnund schließlich der Physik dieser Staubaggregate auf derPlanetenoberfläche selbst.

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AbstractThe physical description of a contact between two particlesis important within the context of modern astrophysics. Itprovides an understanding of the growth mechanisms in theearly phase of the planet forming process, of the composi-tion of the constituents of already formed planetesimsalsand comets and finally of the granular phenomenons onplanetary surfaces.This work introduces multiple experimental procedures forthe measurement of contact forces in the astrophysicalcontext. In the first part contact forces of ice aggregateswith a µm- to mm size are examined. The results help toclose a gap in the growth of larger, planetary and cometarybodies within a star system. Moreover, the tensile strengthof analog materials for such planetary and cometary bodiesis measured. The evolution of such objects is explained aswell based on these results. Finally, experiments headingto examine the erosion activity of dust on Mars and otherplanets are presented. These help to understand how dustaggregates behave in altered gravitational environments.All results from this thesis are arranged in a fundamen-tal context: starting with µm-sized dust aggregates whichgrow to planets over time and finally the physics of theseaggregates on the planet’s surface itself.

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1 Einführung 11

2 Kontaktmechanik 192.1 Kontaktmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.1.1 Elastische Kontakte . . . . . . . . . . 202.1.2 Die Oberflächenenergie . . . . . . . . 222.1.3 Adhäsive Kontakte starrer Materialien 242.1.4 Adhäsive Kontakte elastischer Mate-

rialien . . . . . . . . . . . . . . . . . 262.1.5 Der Tabor-Parameter . . . . . . . . . 292.1.6 Kontakte mit rauer Oberfläche . . . . 302.1.7 Rollreibung . . . . . . . . . . . . . . 312.1.8 Elastisch-plastische Kontakte . . . . 332.1.9 Adhäsion für nichtreguläre Körper . . 34

2.2 Kollisionsmechanik . . . . . . . . . . . . . . 372.2.1 Haftgeschwindigkeit . . . . . . . . . . 372.2.2 Restitutionskoeffizient . . . . . . . . 382.2.3 Fragmentation . . . . . . . . . . . . . 41

3 Planetenentstehung 453.1 Beobachtungen von Protoplanetaren Scheiben 453.2 Modelle für die Struktur der Scheibe . . . . 48

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Inhaltsverzeichnis

3.3 Wachstumsmechanismen- und Barrieren inder Scheibe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3.4 Snowline: Experimente . . . . . . . . . . . . 573.4.1 Aufbau zur Messung von Kollisions-

eigenschaften fraktaler Aggregate . . 593.4.2 Vergleich der H2O- und CO2-Snowline 623.4.3 Aufbau zur Messung temperaturab-

hängiger Kontaktkräfte . . . . . . . . 693.4.4 Vergleich der temperaturabhängigen

Haftkräfte zwischen Wassereis undSilikaten . . . . . . . . . . . . . . . . 73

3.4.5 Wachstum an den Snowlines: Ge-samtbild . . . . . . . . . . . . . . . . 79

3.5 Tribocharging: Experimente . . . . . . . . . 823.5.1 Das ARISE-Experiment . . . . . . . 833.5.2 Haftgeschwindigkeit für geladene Si-

likate . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873.6 Kontaktkräfte und Informationsentropie: Ex-

perimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913.6.1 Die Beziehung zwischen der Shann-

ons’schen Informationsentropie, derkinetischen Energie und der Zeit gra-nularer Systeme . . . . . . . . . . . . 92

3.6.2 Informationsentropie und Adhäsion . 97

4 Entstehung von Kometen und von Planetesi-malen 1014.1 Struktur von Kometen und Asteroiden . . . 1014.2 Experimente: Zugfestigkeit von basaltischen

Analogmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . 1044.2.1 Aufbau zur Messung der Zugfestig-

keit durch den Knudsen-Effekt . . . . 107

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Inhaltsverzeichnis

4.2.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 1114.3 Entstehung von Kometen und Planetesima-

len: Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . . . . 114

5 Staubdynamik auf Planeten 1175.1 Theoretischer Hintergrund und Beobachtungen1185.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente . . 123

5.2.1 Aufbau zur Messung von Grenzge-schwindigkeiten . . . . . . . . . . . . 124

5.2.2 Grenzgeschwindigkeiten unter 0.38 g 1285.2.3 Simulationen mit dem Global Circu-

lation Model (GCM) . . . . . . . . . 1325.3 Staubstürme auf anderen, erdähnlichen Pla-

neten: Experimente . . . . . . . . . . . . . . 1355.4 Gravitationsabhängige Grenzgeschwindigkei-

ten: Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . . . . 138

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Einführung 1Die physikalische Beschreibung und Bestimmung von Kon-taktkräften spielt in der modernen Astrophysik eine wichtigeRolle. Diese sind sowohl für das Verständnis der Frühpha-sen der Planetenentwicklung, der Entstehungsphysik vonAsteroiden und Kometen, als auch für das Verständnis derAtmosphäre auf bereits ausgebildeten Planeten bedeutend.Die Kontaktmechanik wird im 19. Jahrhundert von Hertz(1881) mit dem heutzutage nach ihm benannten Kontaktmo-dell zunächst unabhängig von der Astrophysik begründet.Auch weitere physikalische Effekte in der Beschreibung vonKontakten wie der Attraktion von Körpern durch elektri-sche Ladung (Bradley, 1932), der Adhäsion (Johnson et al.,1971) oder der Rauigkeit (Greenwood und Williamson, 1966)werden über das gesamte nächste Jahrhundert von der Astro-physik gelöst betrachtet. Die Wichtigkeit eines möglichstexakten Kontaktmodells im Rahmen der Astrophysik er-wächst erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts aus der Frage,wie die ersten Entwicklungsstadien in der Entstehung vonPlaneten aussehen.Dass diese Zeitspanne zwischen der Entwicklung des erstenKontaktmodells und der Notwendigkeit einer kontaktme-chanischen Beschreibung von Prozessen in der Frühphaseder Planetenentstehung so groß ist, liegt an der späten Mo-

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1 Einführung

dellierung der Planetenentstehungsszenarien. Dazu gehörensowohl die astronomischen Beobachtungen von frühen plane-taren Systemen, welche auch als Protoplanetaren Scheibenbezeichnet werden (O’dell und Wen, 1994), als auch ihretheoretischen Vorhersagen (Hayashi, 1981; Weidenschilling,1977).Eine Protoplanetare Scheibe bildet sich nach dem Kollapseiner Molekülwolke. Sie besteht aus einem zentralen Sternund einer bis zu 1000 AU großen Scheibe aus überwiegendsilikatreichem, sowohl kristallinem als auch amorphen Staubund Eis (Henning, 2010). Die anfängliche Größe der Staub-partikel in der Scheibe liegt zwischen der Partikelgröße desStaubs im Interstellaren Medium und Molekülwolken vonsub-µm und in Meteoriten von bis zu 20 µm (Brearley, 1999;Furlan et al., 2006; Natta et al., 2006; Oliveira et al., 2010;Draine, 2003). Der Staub kann zusätzlich von einer Schichtaus Wassereis bedeckt sein (Bergin und Tafalla, 2007; Os-senkopf und Henning, 1994). Die Entstehung von Planeteninnerhalb von Protoplanetaren Scheiben beginnt mit derKollision zwischen den beschriebenen Partikeln (Blum undWurm, 2008).Bei den ersten Schritten zur Entstehung von Planeten be-trachtet man zunächst ein »Hit&Stick«-Modell, bei demdie µm großen Staubpartikel innerhalb der Scheibe in je-dem Stoß aneinander haften bleiben und somit größere,fraktale Aggregate bilden. Diese Bezeichnung rührt aus derSelbstähnlichkeit der Struktur und der damit verbundenenfraktalen Dimension dieser Aggregate. Sobald die Aggregatemassereicher werden, genügt ihre Trägheit für eine gegensei-tige Kompaktierung bei Stößen, in welchen ihre Porositätabnimmt. Diverse Experimente aus dem vergangenen Jahr-zehnt zeigen, dass ein »Hit&Stick«-Wachstum nur bis zu

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einer Teilchengröße von einem mm effizient ist (Zsom et al.,2010; Güttler et al., 2010; Kelling et al., 2014; Kruss et al.,2016). Der hohe Impuls führt bei noch größeren, kollidieren-den Teilchen zu einem Rückprall (Bouncing-Barrier) oderihrer Fragmentation. Das ist für die Planetenentstehungproblematisch, da weitere Wachstumsmechanismen wie Gra-vitationsinstabilitäten (Youdin und Shu, 2002; Johansenet al., 2007) erst für cm bis dm große Teilchen effektivwerden.Das Vorhandensein der Bouncing-Barrier wird auch durchin Asteroiden, bzw. Meteroiden gefundene, ca. mm großeChondren bestätigt. Als Chondren bezeichnet man kleine,thermisch prozessierte Gesteinskörner aus Festmaterial, diedurch eine hohe Zugfestigkeit ausgezeichnet sind (Tsuchiya-ma et al., 2009). Es existieren diverse Mechanismen zurthermischen Prozessierung dieser Chondren, die eine Erwär-mung von bis zu 2100 K z.B. durch Kollisionen, den Zerfallvon 26Al, Blitze oder magnetische Rekonnektion zwischendem Stern und der Staubscheibe (»x-winds«) beschreiben(Shu et al., 1997; Jones et al., 2000; Rubin, 2000; Cies-la, 2005; Scott und Krot, 2005; Loesche und Wurm, 2012;Vernazza et al., 2016).Es existieren derzeit mehrere Ansätze, welche ein weiteresWachtsum von Aggregaten über die Bouncing-Barrier hin-aus beschreiben. Eine immer wieder in Erwägung gezogeneMöglichkeit ist das Wachstum durch Wassereis-Aggregate(Aumatell Gómez und Wurm, 2011; Saito und Sirono, 2011;Ros und Johansen, 2013; Gundlach und Blum, 2014). In ei-ner hinreichend weiten Entfernung zum Stern von ca. 2 AUkommt Wasser eisförmig vor. Ab dieser »Snowline« tretenvermehrt Kollisionen zwischen Wassereis-Aggregaten auf.Aufgrund der lokal um die Snowline hohen Oberflächenener-

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1 Einführung

gie von Eis und Wasser können diese Aggregate bei höherenKollisionsgeschwindigkeiten als basaltische Aggregate an-einander haften bleiben und dadurch größere Aggregateerzeugen (Kataoka et al., 2013; Musiolik und Wurm, 2019).Die genauen Auswirkungen des Effekts sind aufgrund derunterschiedlichen Bedingungen in Protoplanetaren Schei-ben schwierig zu quantifizieren. Zu einem befinden sichandere Eissorten wie CO2-Eis in der Scheibe, die widerrumgeringere Hafteigenschaften als reines Wassereis aufweisen(Musiolik et al., 2016a,b). Auch physikalische Bedingungen,wie z.B. kleine Temperaturen in den äußeren Bereichender Scheibe verringern die Haftkräfte von Wassereis signifi-kant, wie in dieser Arbeit gezeigt wird (Musiolik und Wurm,2019).Ein anderer Ansatz zur Überwindung der Bouncing-Barrierist das Wachstum durch den triboelektrischen Effekt. Die-ser Effekt beschreibt das elektrische Aufladen von Körperndurch die Kollisionsreibung (Lowell und Truscott, 1986).Der genaue Mechanismus des Aufladens ist bis heute nichteindeutig geklärt. Die Größenverteilung der Kollisionspart-ner (Love et al., 2014; Waitukaitis et al., 2014; Lee et al.,2015), als auch ihre Benetzung durch Wasser (Gu et al.,2013; Siu et al., 2014) wurden experimentell untersucht undhaben einen Einfluss auf die Stärke dieser Aufladung.Innerhalb der Protoplanetaren Scheibe können sich mmgroße Aggregate bei Kollisionen triboelektrisch aufladen.Sind diese Kollisionen zusätzlich inelastisch, so kann daselektrische Feld zur weiteren Aggregation führen (Jungmannet al., 2018). Die Untersuchung der Aggregationsprozessedurch Ladung stellt sich nicht als einfach dar, da hierfürin der Regel eine längere Phase der Schwerelosigkeit benö-tigt wird. Neue Experimente - ebenfalls Teil dieser Arbeit -

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untersuchen dieses Verhalten auf der Internationalen Raum-station (Steinpilz et al., 2019a; Musiolik et al., 2019, 2018b;Weppler et al., 2017).Die Kontaktmechanik ermöglicht nicht nur Wachstumsme-chanismen zu definieren, sondern auch die Struktur undFestigkeit von größeren, bereits ausgebildeten Körpern wieKometen und Asteroiden zu beschreiben. Kleinere dieserinterplanetaren Objekte werden zwar während der erstenMillionen von Jahren durch Partikelkollisionen leicht ver-ändert (Krivov et al., 2006), im Wesentlichen bleibt ihreZusammensetzung und Struktur jedoch gleich. Diese Tatsa-che bietet die Möglichkeit in die Vergangenheit und damitden Zeitraum ihrer Entstehung zu blicken. Gleichzeitig er-möglicht das, den Wachstumsprozess von größeren Körperninnerhalb eines planetaren Systems von einer anderen Seitezu beleuchten.Missionen wie Stardust zu den Kometen Borrelly, Wild 2oder die in den Medien sehr stark präsente Rosetta Missionzum Kometen Churyumov-Gerasimenko zeigen, dass solcheKörper überwiegend aus Staub und Eis mit Größen zwi-schen µm-mm bestehen (Brownlee, 1985; Davidsson undGutiérrez, 2004; Pätzold et al., 2016). Um diese Entste-hungsgeschichte besser verstehen zu können, ist die Bestim-mung der Zugfestigkeit zwischen Partikeln ein wichtigerBestandteil der aktuellen Forschung. Versteht man, wiestark diese zusammenhalten, so lassen sich Abschätzungendarüber machen, bei welchen Szenarien größere, aus diesenbestehende Körper gebildet werden und welche Szenariensie überdauern könnten. Auch diese Frage ist nicht ein-fach zu beantworten. Entsprechende Zugfestigkeiten reichenvon 0.3-30 MPa für ∼250 µm große Chondren bis - wie indieser Arbeit gezeigt - ca. 100 Pa für lose, 100 µm große

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1 Einführung

Staubaggregate (Tsuchiyama et al., 2009; Musiolik et al.,2017).Mithilfe der Kontaktmechanik lassen sich schlussendlichauch größere, atmosphärische Effekte wie z.B. Staubstürmebeschreiben. Solche kooperativen Kontaktphänomene bedür-fen der Einführung von weiteren physikalischen Hilfsgrößenwie z.B. der Schubspannung aufgrund von Windkräfteninnerhalb eines Granulates oder der Staubkompression. DieKontaktphysik im mikroskopischen Bild bleibt hierbei nachwie vor unverändert.Auf dem Mars werden Staubstürme bereits seit Beginn der80er Jahre untersucht (Greeley et al., 1980). Einen unge-wissen Einfluss auf die Stärke dieser Stürme hat hierbeidie im Vergleich zur Erde kleinere Gravitation von 0.38g. Für diesen Zweck führt Greeley et al. (1980) Windka-nalexperimente mit Walnussschalen durch, in welchen eraufgrund der geringen Dichte der Schalen im Vergleich zuProben aus Staub die Abweichung in der Gravitationskraftkompensiert. Die in diesen Experimenten ermittelten Grenz-geschwindigkeiten für das Abheben der Partikel vom Bodensind jedoch deutlich höher als die auf dem Mars von z.B.Viking 1 und 2 gemessenen Windgeschwindigkeiten (Hesset al., 1977; Magalhães et al., 1999; Holstein-Rathlou et al.,2009). Das bestätigen ebenso neue numerische Simulatio-nen zur Staubaktivität auf dem Mars (Forget et al., 1999;Haberle et al., 1999, 2003). Damit sollten Staubstürme aufdem Mars insgesamt betrachtet eher selten sein (Jerolmacket al., 2006; Kok et al., 2012). Umso seltsamer erscheint es,dass Staubstürme häufig und zum Teil auch im globalenAusmaß beobachtet werden und das Klima auf dem Pla-neten signifikant beeinflussen (Zurek et al., 1992; Smith,2004; Heavens et al., 2011). Eine mögliche Erklärung dieser

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Diskrepanz ist die geringe Kompression des Staubes unterEinwirkung kleiner Gravitationskräfte, was in dem weiterenVerlauf dieser Arbeit gezeigt wird (Musiolik et al., 2018a).Auch die fundamentale Abhängigkeit zwischen der Grenz-geschwindigkeit und der gravitativen Anziehungskraft istinteressant (Kruss et al., 2019).Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden zunächst die klas-sischen Grundlagen der Kontaktmechanik beleuchtet. Mitihrer Hilfe werden anschließend experimentelle Methodenzur Messung von Kontaktkräften in den oben genanntenBeispielen näher dargelegt. Die entsprechenden Ergebnissewerden in den astrophysikalischen Kontext eingeordnet.

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Kontaktmechanik 2Die Kontaktmechanik befasst sich mit Kräften, welche ent-weder auf zwei elastische oder viskose Körper im Kontaktwirken. Dazu gehören die Kohäsion (Anziehung zwischengleichartigen Materialien), bzw. die Adhäsion (Anziehungzwischen fremdartigen Materialien), die Rollreibungskraftund die Gleitreibungskraft. In diesem Kapitel werden diephysikalischen Grundlagen dieser Kräfte dargelegt. Wie sichzeigen wird, ist die genaue Charakterisierung dieser Kräftenicht immer trivial und bedarf gewisser Annahmen und Nä-herungen. Für diesen Zweck ist es zugleich notwendig auchweitere Hilfsgrößen wie z.B. die Oberflächenenergie oderden Restitutionskoeffizienten einzuführen. Dieses Kapitelorientiert sich an den Originalwerken und der Übersicht vonPopov (2016).

2.1 KontaktmodelleIn diesem Abschnitt werden zunächst die grundlegenden unddamit häufig verwendeten Kontaktmodelle vorgestellt. Diesereichen von dem idealen, elastischen Kontakt nach Hertz biszu adhäsiven, ungerelmäßigen und plastischen Kontakten.Diverse andere, für sehr spezielle Fälle entwickelte Kontakt-

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2 Kontaktmechanik

modelle sollen nicht ins letzte Detail beleuchtet werden,da sie keine Anwendung in den darauf folgenden Kapitelnfinden. Eine tiefergehende Übersicht über den Stand derForschung in der Kontaktmechanik bis in die 2000er Jahrefindet man z.B. in der Zusammenfassung von Tomas (2003).

2.1.1 Elastische KontakteHertz (1881) beschreibt als erster ein Kontaktmodell in derArbeit »Über die Berührung fester elastischer Körper«. Hierwerden nur elastische Effekte berücksichtigt; die Adhäsions-kraft spielt zunächst keine Rolle. Der Ansatz von Hertz istder Folgende: er betrachtet zwei elastische Kugeln, welchesich zunächst nur in einem Punkt berühren. Radial umden Berührungspunkt nimmt Hertz dann eine elliptischeDruckverteilung an, sobald man die Körper gegeneinan-der verschiebt. Aus der Druckverteilung leitet er schließlichandere Größen ab. Die Druckverteilung ist also durch

pH = p0

(1− r2

a2

) 12

(2.1)

gegeben, wobei p0 eine materialspezifische Konstante, r2 =x2 + y2 der Abstand auf der Kontaktoberfläche vom Berüh-rungspunkt und a der Kontaktradius sind. Abb. 2.1 stelltdie Situation in einem Hertz’schen Kontakt graphisch dar.Interessant sind nun 3 Größen: die vertikale VerschiebunguzH der Körper aufgrund der Kompression, d.h. die Aus-lenkung in vertikaler Richtung relativ zum ursprünglichenBerührungspunkt, die wirkende Kraft FN und die Deforma-tionsenergie U . Die vertikale Verschiebung lässt sich durch

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2.1 Kontaktmodelle

adr2

2R

pH(r)x

y

z

Abb. 2.1: Übersicht über den Hertz’schen Kontakt. Hierwird die Kugel gegen eine unendliche Halbebe-ne (Grenzfall, in dem die zweite Kugel einenunendlich großen Radius hat) gedrückt.

uzH = 1πE∗

∫∫pH(x′, y′)dx

′dy′

r(2.2)

mit der elatsichen Konstante E∗ = E/(1− ν) beschreiben,wo E das Elastizitätsmodul und ν die Poissonzahl sind undr2 = (x− x′)2 + (y− y′)2. Die elastischen Eigenschaften desKörpers müssen bei der Auslenkung eine Rolle spielen, wasGl. (2.2) in gewisser Weise berücksichtigt. Das Ergebnis desIntegrals aus Gl. (2.2) lässt sich analytisch zu

uzH = πp0

4E∗a(2a2 − r2

)≡ d− r2

2R.(2.3)

angeben. Hierbei können d als die vertikale Verschiebungim Berührungspunkt und R als der Krümmungsradiusverstanden werden. Für zwei Körper mit den Radien R1und R2 lässt sich der effektive Krümmungsradius auch als

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2 Kontaktmechanik

R = R1R2/(R1 +R2) beschreiben. Insbesondere ergibt sichfür die Konstante

p0 = 2E∗π

(d

R

) 12

. (2.4)

Um die Normalkraft FN zu erhalten, muss die Druckvertei-lung über die Kontaktfläche integriert werden. Dann folgtdie Normalkraft zu

FN =∫ a

0pH(r)2πrdr = 2

3p0πa2 = 4

3E∗R

12d

32 . (2.5)

Diese Beziehung wird oft auch als das »Kraft-Weg-Gesetz«bezeichnet, da sie die wirkende Kraft FN mit der Auslenkungim Berührungspunkt d in Verbindung setzt. Diese Beziehungfindet häufig Verwendung, um Kontaktmodelle qualitativdarzustellen und mit anderen zu vergleichen.Aus Gl. (2.5) lässt sich schlussendlich auch die Deforma-tionsenergie der Auslenkung der Kugeln aus dem Integralüber FN(d) angeben. Diese beträgt

U = 815E

∗R12d

52 . (2.6)

Obwohl die Arbeit von Hertz eine Errungenschaft für sichdarstellt, berücksichtigt sie weder den Einfluss von inelas-tischen und dissipativen Effekten, noch den Einfluss derAdhäsion.

2.1.2 Die OberflächenenergieDie Oberflächenenergie ∆γ ist ein makroskopisches Maß fürdie Energie, welche auf einer Oberfläche A zwischen zwei

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2.1 Kontaktmodelle

Kontakten gespeichert werden kann. Im Allgemeinen lässtsich

∆γ = γ1 + γ2 − γ12 (2.7)

schreiben, wobei γ1 die Oberflächenenergie des ersten sichim Kontakt befindenden Körpers ist und γ2 die des Zweiten.γ12 ist die Oberflächenenergie des Mediums zwischen denKontaktkörpern.Die Oberflächenenergie spielt im Zusammenhang mit derKontaktmechanik eine wichtige Rolle. Seit der Einführungder ersten Kontakttheorie mit adhäsiven Kräften von Br-adley (1932) wird ∆γ verwendet, um Kontaktkräfte zuberechnen. Mikroskopisch können der Oberflächenenergieunterschiedliche Wechselwirkungen zugrunde liegen. Damitkann sie für verschiedene Größenordnungen und Strukturender betrachteten Körper variieren. Insgesamt lässt sich dieOberflächenenergie in integraler Form als eine Summe derWechselwirkungen auf der Kontaktfläche A zweier Körpereinführen∫∫

A∆γdA = EC + EVDW + EEM + EG + Eξ. (2.8)

EC ist hierbei die Casimir-Energie und ist vor allem fürsub-µm große Körper relevant (Casimir, 1948). Es han-delt sich um einen quantenmechanischen Effekt. Zwischenzwei Körper können nur Teilchen bestimmter Wellenlängen(stehende Wellen) aufgrund von Vakuumfluktuationen ent-stehen. Da dies auf der Außenseite der Körper nicht derFall ist, entsteht effektiv ein Druck, welcher die Körperzusammenpresst. Die Casimir-Energie fällt mit r−7, mitdem Abstand r zwischen den sich anziehenden Körpern, ab.EVDW ist die Van-der-Waals-Energie, für die Bradley (1932)

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2 Kontaktmechanik

ursprünglich die Adhäsionskraft berechnete. Unter dieseEnergie fallen elektrostatische Interaktionen von festen La-dungsträgern, Polarisationseffekte (z.B. induzierte Dipole)und die London-Wechselwirkung zwischen unpolaren Ma-terialien. Sie wird oft durch das Lennard-Jones-Potential(Lennard-Jones, 1931) modelliert. Dieses ist langreichweiti-ger (∝ r−6) als für den Casimir-Effekt. Es gilt für sub-µmbis mm große Körper. EEM fasst die Energie durch elektro-magnetische Wechselwirkung (∝ 1/r) zusammen. Für sehrmassereiche Körper ist es außerdem denkbar, dass auch dieGravitationsenergie EG einen Beitrag zur Oberflächenener-gie leistet.Neben diesen fundamentalen Wechselwirkungen wird dieOberflächenenergie jedoch zusätzlich durch andere energe-tische Beiträge beeinflusst. Diese werden im Beitrag Eξzusammengefasst. Damit ist ein Korrekturfaktor gemeint,welcher Effekte wie die Rauigkeit, multiple mechanischeVerformungen, phononische Korrekturen etc. beschreibt. Inder Praxis lässt sich zwar eine Oberflächenenergie mit be-stimmten absoluten Werten messen; die Aufteilung dieserist jedoch nie auf die einzelnen Beiträge rückführbar. DieGröße, Form und chemische Zusammensetzung des unter-suchten Materials sollten deshalb immer berücksichtigt unddiskutiert werden.

2.1.3 Adhäsive Kontakte starrer MaterialienBradley (1932) beschreibt in »The cohesive force betweensolid surfaces and the surface energy of solids« als erster eineKontakttheorie, welche auch adhäsive Kräfte berücksichtigt.Bradley betrachtet zunächst das Lennard-Jones-Potential(Lennard-Jones, 1931) für die Herleitung der Adhäsionskraft.

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2.1 Kontaktmodelle

Er berechnet die gesamte Wechselwirkung zwischen einerstarren Kugel und einem unendlich ausgedehntem Festkör-per. Als Ergebnis erhält er eine Kraft, welche proportionalzum Krümmungsradius und der Oberflächenenergie ist. Da-bei fasst er die Oberflächenenergie selbst als eine Konstantein seiner Rechnung zusammen.Bradleys Ergebnis ist zwar richtig, in Wirklichkeit ist die Be-ziehung zwischen der Adhäsionskraft und der Oberflächen-energie jedoch unabhängig von dem Wechselwirkungspoten-tial. Um dies zu verstehen, muss die Adhäsionsspannungσ(h) für zwei Flächen im Abstand h betrachtet werden. Die-se ist unmittelbar mit der Differenz der Oberflächenenergie∆γ zwischen diesen beiden Flächen verknüpft durch (Popovet al., 2018)

∆γ =∫ ∞

0σ(h)dh. (2.9)

Betrachten wir, wie in der Arbeit von Bradley (1932), einParaboloid der Form h = r2/2R (vgl. Gl. (2.3)), so folgtfür die Adhäsionskraft der folgende Ausdruck

FB =∫ ∞

02πrσ

(r2

2R

)dr. (2.10)

Mit der Substitution h = r2/2R und rdr = Rdh ergibt sich

FB = 2πR∫ ∞

0σ(h)dh = 2π∆γR. (2.11)

Insbesondere gilt für gleiche Materialien die Adhäsionskraft

FD = 4πγR. (2.12)

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2 Kontaktmechanik

Für starre Kugeln mit einer Adhäsion außerhalb der Kon-taktfläche ist die Wahl der Druckverteilung um den Kontakt-punkt irrelevant für die kritische Kontaktkraft. Derjaguinet al. (1994) führen eine Kontakttheorie mit einer solchenAdhäsion aufgrund von Van-der-Waals-Kräften für eineHertz’sche Druckverteilung um den Kontakt (vgl. Gl. (2.1))ein. Sie erhalten das Ergebnis aus Gl. (2.12). Diese Theoriewird heutzutage oft als die »DMT-Theorie« zitiert.Eine wesentliche experimentelle Problematik verbirgt sich,wie bereits erwähnt, hinter der Oberflächenenergie selbst.Zwar ist die Beziehung zwischen der Adhäsionskraft und derOberflächenenergie unabhängig von dem zugrundeliegendenWechselwirkungspotential, jedoch variiert die Oberflächen-energie selbst mit der Art dieser Wechselwirkung. Damitbeschreibt ∆γ eine Vielzahl von physikalischen Systemenund kann sich von Fall zu Fall signifikant ändern. Vergleicheabsoluter Werte für ∆γ sollten deshalb immer mit Bedachtstudiert werden.

2.1.4 Adhäsive Kontakte elastischer MaterialienIm Gegensatz zu der Theorie von Bradley (1932) einesstarren, adhäsiven Kontaktes entwickeln Johnson, Kendallund Roberts eine elastische Theorie (»JKR-Theorie«) desadhäsiven Kontaktes in »Surface energy and the contact ofelastic solids« (Johnson et al., 1971). Die JKR-Theorie istfür adhäsive, sehr weiche Kugeln gültig und gilt heutzutageoft als die Standardtheorie für adhäsive Kontakte.Ähnlich wie in der Hertz’schen- und der DMT-Theoriewird hierbei eine Druckverteilung um den Kontaktpunktangenommen. Sie ändert sich in diesem Fall und besitzt die

26

Page 27: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.1 Kontaktmodelle

Form

pJ = p0

(1− r2

a2

) 12

+ p1

(1− r2

a2

)− 12

, (2.13)

mit den materialspezifischen Konstanten p0 und p1. Es han-delt sich dabei um eine Superposition aus der Hertz’schenDruckverteilung und der Druckverteilung eines Zylinders,dessen Grundfläche der Kontaktfläche gleicht. Letzterer Bei-trag wird umso größer, je elastischer das Material ist. Damitgilt die JKR-Theorie auch für eher elastische und adhäsiveMaterialien. Außerdem ist der Druck im Vergleich zu derHertz’schen Theorie, wo er im Kontaktmittelpunkt ein Ma-ximum annimmt, an den Rändern des Kontakts am größten.Aus der Druckverteilung ergibt sich wie in der Theorie vonHertz (s. Gl. (2.2)) die elastische Verschiebung zu

uzJ = 1πE∗

(p0 + 1

2p1

(1− r2

2a2

))≡ dJ −

r2

2R, (2.14)

wobei

dJ = 1πE∗

(p0 + p1

2

),

12R = πp1

4E∗a(2.15)

sind. Mit der vertikalen Verschiebung lässt sich auch indiesem Fall die Deformationsenergie berechnen und beträgtfür gleiche Materialien1

UJ = 12

∫∫ApJ(r, a)uzJ(r, a)dA′ − 2πγa2

= E∗(d2a− 2da3

3R + a5

5R2

)− 2πγa2.

(2.16)

1Im Prinzip lassen sich jegliche hier dargestellte Gleichungen durch∆γ = 2γ für gleiche Materialien und umgekehrt für verschiede-ne Materialien umrechnen. Die Oberflächenenergie γ12 für dasMedium zwischen den Kontakten ist zumeist vernachlässigbar.

27

Page 28: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

Die Adhäsion wird sozusagen als zusätzlicher Summand(−2πγa2) zur elastischen Energie eingeführt. Damit be-schreibt die JKR-Theorie auch eine Adhäsion innerhalb derKontaktfläche, was sie grundsätzlich von der Theorie einesadhäsiven, starren Kontaktes unterscheidet. Das Gleichge-wicht folgt aus der Forderung dUJ

da= 0 zu

dJ = a2

R±√

4πγaE∗

. (2.17)

Die Gesamtkraft beschreibt die Änderung der Deformati-onsenergie nach der Gleichgewichtsauslenkung, also

FJ = − dUJ

d [dJ]= E∗

4a3

3R −(

16γπa3

E∗

) 12 . (2.18)

Insbesondere folgt damit die kritische Kraft FJ > 0, abwelcher die Kugeln abrupt zerfallen

Fc,J = −3πγR (2.19)

mit dem kritischen Kontakt- und Gleichgewichtsradius

ac,J =(

9γπR2

4E∗

) 13

, dc,J = −(

3π2γ2R

16E∗2

) 13

. (2.20)

Im Vergleich zu einem starren Kontakt ist die Kontaktkraftin der JKR-Theorie um einen Faktor von 3/4 geringer. Dasliegt, wie bereits erwähnt, an dem zusätzlichen Summandin der Druckverteilung, welcher einen zylindrischen Beitragauf der Kontaktfläche beschreibt.

28

Page 29: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.1 Kontaktmodelle

2.1.5 Der Tabor-ParameterDie unterschiedlichen Ergebnisse zwischen den einzelnen,in den letzten Abschnitten beschriebenen Kontakttheorienwerden über eine lange Zeit diskutiert. Tabor (1977) er-kennt, dass beide Theorien eigentlich nur Sonderfälle desKontaktproblems darstellen und führt als Maß für die Gül-tigkeit dieser Theorien den Tabor-Parameter ein. Taborschätzt die Größenordnung für die kritische Deformationzu

dT ≈(Rγ

E∗2

) 13 (2.21)

ab. Der dimensionslose Tabor-Parameter ist definiert als

µT ≡dTz0

(2.22)

wobei z0 ein Skalierungsfaktor mit typischen Werten von0.2−0.4 nm ist. Für den Fall, dass µT →∞ ist, ist die JKR-theorie gültig. Hierunter fallen kleine, elastische Körper, de-ren Volumina die Hafteigenschaften signifikant beeinflussen.Für µT → 0 gilt die DMT-Theorie. Die Übergangsregionliegt bei µT ≈ 1, wo beide Kontakttheorien teilweise versa-gen. Die kritische Kontaktkraft ist in Wirklichkeit also eineFunktion des Tabor-Parameters und lässt sich zu

FT = 3πγRΦT (µT) (2.23)

angeben. ΦT (µT) ist eine stetige Funktion mit den beidenGrenzfällen von

ΦT (µT →∞) = 1ΦT (µT → 0) = 4/3.

(2.24)

29

Page 30: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

Für µT ≈ 1 lässen sich umfassendere Kontaktmodelle, wiez.B. das von Maugis (1992) in »The JKR-DMT transitionusing a Dugdale model« beschriebene, verwenden. Da diesein der Regel für sehr spezielle Fälle bemüht und zum Teilnicht mehr analytisch angegeben werden, sollen sie an dieserStelle nicht weiter behandelt werden.

2.1.6 Kontakte mit rauer OberflächeDie ersten Ansätze von nichtregulären Oberflächenstruktu-ren in der Kontaktmechanik stammen von Greenwood undWilliamson (1966). Die grundlegende Annahme ist, dass dieRauigkeitsspitzen, sogenannte Asperiten, alle einen gleichenKrümmungsradius R besitzen. Statistisch betrachtet las-sen sich somit unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsdichtenfür die Verteilung der Asperitenhöhen annehmen und da-durch effektive Kräfte und Kontaktflächen berechnen. Einevon Greenwood und Williamson (1966) genannte ist dieGauß’sche Verteilung

φ(z) =( 1

2πl2) 1

2exp

(z2

2l2

)(2.25)

mit der Höhe z und dem quadratischen Mittelwert derHöhenverteilung l =

√〈z2〉. Daneben wird in demselben

Werk auch eine exponentielle Verteilung untersucht. NachHertz gilt für die Kontaktfläche eines Asperiten

∆A = πa2 = πdR = π(z − z0)R (2.26)

mit der Grundhöhe der Kontaktfläche2 z0. Statistisch lassensich damit mithilfe der Gesamtzahl der Asperit-Kontakte

2die weiteren Größen entsprechen den Definitionen für denHertz’schen Kontakt

30

Page 31: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.1 Kontaktmodelle

N0 die Gesamtfläche A als

AR =∫ ∞h0

N0∆Aφ(z)dz ≈ N0Rl (2.27)

angeben, wobei h0 die Höhe des Asperitursprungs darstellt.Die Näherung gilt für typische Kontakte mit einem Ver-hältnis von 10−2 bis 10−4 der Kontakt- zu Gesamtfläche.Greenwood und Williamson (1966) machen auch eine Ab-schätzung für die auf den Kontakt wirkende Kraft nachHertz. Eine spannende Frage ist nun, wie sich die Adhäsi-onskraft eines Kontaktes durch die Rauigkeit ändert. ImGrunde muss hierbei die effektive Fläche aus Gl. (2.27) imVerhältnis zur idealen Kontaktfläche betrachtet werden. Jerauer die Oberfläche ist, umso geringer werden auch die Ad-häsionskräfte und die effektive Oberflächenenergie. Mithilfevon Gl. (2.19) gilt für die kritische Kraft des Kontaktes fürdas JKR-Model in erster Näherung

F effc,J =

(ARπa2

c,J

)Fc,J. (2.28)

Um eine grobe Abschätzung darüber zu erhalten, ob dieRauigkeit einen Einfluss auf die Kontakte haben wird, mussman l mit der kritischen Eindringtiefe d (vgl. Gl. (2.15))vergleichen. Für d l ist die Rauigkeit des Materialszu vernachlässigen. Das Model berücksichtigt dabei nicht,dass prinzipiell auch mechanische Verzahnungen der beidenKontaktkörper möglich sind.

2.1.7 RollreibungIn den Kontakttheorien von Hertz (1881); Johnson et al.(1971); Derjaguin et al. (1994) werden keine Effekte berück-sichtigt, welche Rollreibung beschreiben. Das liegt an der

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Page 32: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

Annahme einer radialsymmetrischen Druckverteilung umden Kontaktmittelpunkt in diesen Modellen. Während desRollens wird diese Symmetrie gebrochen. Rollreibung wirdvor allem für kleine Kugeln wichtig, deren Adhäsionskräftevergleichbar groß mit ihren Trägheitskräften sind. Die durchAdhäsionskräfte bedingte Rollreibung wird erstmals vonDominik und Tielens (1995) in »Resistance to rolling in theadhesive contact of two elastic spheres« beschrieben.Hierbei wird eine zur JKR-Theorie analoge Druckverteilung(vgl. Gl. (2.18)) um den Kontaktpunkt (x = 0) mit einer zu-sätzlichen Verschiebung ξ entlang der Rollrichtung gewählt

pDT =pJ(r, a+ ξ), x ≥ 0pJ(r, a− ξ), x < 0 (2.29)

Das zugehörige Drehmoment berechnet sich mit dieserDruckverteilung zu

MDT =∫ 3π

2

π2

∫ a+ξ

0xpDT(r, a+ ξ)rdrdφ

+∫ π

2

−π2

∫ a−ξ

0xpDT(r, a− ξ)rdrdφ

≈ 4Fc,J

(a

ac,J

) 32

ξ,

(2.30)

wobei hier linear in ξ/a genähert wurde. Es existiert nun ei-ne kritische Auslenkung ξc, ab welcher die Kugel ins Rollengebracht werden kann. Mit Gl. (2.30) lässt sich schließlichdas damit verbundene kritische Drehmoment Mc,DT aus-drücken. Ferner lässt sich auch ein Ausdruck für die kritischeKraft angeben zu

Fc,DT = Mc,DT

R= 6πγξc. (2.31)

32

Page 33: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.1 Kontaktmodelle

2.1.8 Elastisch-plastische KontakteEine wichtige elastisch-plastische Kontakttheorie geht aufThornton und Ning (1998) zurück. Die grundlegende An-nahme bei einem solchen Kontakt ist, dass sich die Kontakt-körper bis zur Auslenkung dy, bzw. einer Kraft Fy elastischverhalten. Für größere Auslenkungen und Kräfte wird einTeil der Verformungsarbeit im Festkörper dissipiert, was ineiner Hysterese in einem Kraft-Weg-Diagramm gekennzeich-net ist. Ausgehend von der Hertz’schen Druckverteilung pHlässt sich die Gesamtkraft bei der Krafteinwirkung angebenals

FTN = Fy + 2π∫ a

0(pH(r)− py)

= Fy + πpyR (d− dy) .(2.32)

Für die »Entladung« des Kontaktes gilt jedoch weiterhin Gl.(2.5) nach Hertz. Damit folgt die eben erwähnte Hysteresezwischen der Kraft und der Auslenkung eines Kontaktes.Mit demselben Ansatz lässt sich auch der Einfluss vonplastischen Verformungen auf die kritische Adhäsionskraftnach JKR berechnen. Dabei gilt

Fc,TN = 3πγRp (2.33)

wobei Rp ein, durch die plastische Verformung verursacht,effektiver Krümmungsradius ist. Dieser lässt sich in derVeröffentlichung von Thornton und Ning (1998) finden undbeträgt

Rp = R

Fmax,el

Fmax +√

12πγRFmax,el

, (2.34)

wobei Fmax,el die nach Hertz wirkende (Gl. (2.5)), elastischeGesamtkraft wäre und Fmax die tatsächlich wirkende Kraft

33

Page 34: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

mit einem plastischen Anteil (Gl. (2.32)). Dabei gilt immerFmax,el < Fmax.

2.1.9 Adhäsion für nichtreguläre KörperDie bisher vorgestellten Kontaktmodelle gelten für Körpermit einem wohldefinierten Krümmungsradius R, über wel-chen der Kontakt besteht. In der Realität wird ein solcherKörper jedoch nichtregulär sein, d.h. über mehrere Kon-takte mit einem anderen Körper adhäsiv in Verbindungstehen. Der wahrscheinlichste Fall ist hierbei ein 3-FachKontakt. Die in den vergangenen Abschnitten eingeführtenKontaktmodelle lassen sich auf solche nichtregulären Körpererweitern (s. auch Musiolik und Wurm (2019)).Ein JKR-Kontakt kann hierbei über die Summe der NSub-Kontakte ausgedrückt werden

Fc,M = 3πγN∑i=1

Ri = 3πγNRm

≈ 3πγNΦR.(2.35)

Dabei ist Rm der mittlere Krümmungsradius der N Sub-Kontakte, welcher über den Faktor Φ mit dem Radius R imZusammenhang steht. Eine Messung von Oberflächenener-gien wird in der Regel keine Aufschlüsse über den Faktor Φgeben, es sei denn die Struktur des Kontaktes ist bekannt.Das wird vor allem für sehr kleine, µm große oder aus Eisbestehende Körper problematisch sein.Bei dem Rollen über mehrere Kontakte wird statt der mikro-skopischen, kritischen Verschiebung ξc ein makroskopischer,mittlerer Abstand zwischen den Sub-Kontakten d die Phy-sik beschreiben. Um das zu verstehen, sei zunächst dasVerhältnis zwischen der kritischen Haftkraft nach JKR (Gl.

34

Page 35: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.1 Kontaktmodelle

d

R

Fr

Fs = 3πγR

Abb. 2.2: Beispiel für das Rollen nichtregulärer Körper. Indem Bild rollt der Körper um N −NR = 2 Kon-takte (links) in einer Linie. Der NR = 1 Kontaktim Abstand d muss dafür aufgebrochen werden(aus Musiolik und Wurm (2019), bearbeitet).

(2.19)) und der kritischen Rollkraft (Gl. (2.31)) betrachtet.Hierbei gilt

ξc = 12Fc,J

Fc,DTR. (2.36)

Für nichtreguläre Kontakte ändert sich dies wie folgt. Essei zunächst angenommen, dass der Körper N Kontakteausgebildet hat. Von diesen N Kontakten müssen zunächstN − NR Kontakte gelöst werden. Der Körper rollt dannüber die verbleibenden NR Sub-Kontakte, was exemplarischfür drei Kontakte in Abb. 2.2 dargestellt wird.Wenn auf den Körper mit dem Radius R eine Kraft Fr wirkt,dann erhält man die Bedingung für das daraus resultierendeDrehmoment und damit einen Ausdruck für den mittleren

35

Page 36: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

Abstand d zwischen den Kontakten zu

FrR =N∑

i=NR+1F ic,Jd

i +NR∑i=1

F ic,DTξ

ic

≈ (N −NR)Fc,Jd

⇒ d ≈ 1N −NR

FrFc,J

R.

(2.37)

Dabei ist der Summand ∑NRi=1 F

ic,DTξ

ic vernachlässigbar, da

der mittlere Abstand zwischen den Kontakten in der Re-gel um mehrere Größenordnungen größer sein wird als diemirkoskopische, kritische Verschiebung, also d ξc.Im Grenzfall vieler Kontakte d R geht die makroskopi-sche Größe d in eine mikroskopische Länge zwischen denAsperiten über und erfüllt damit die Theorie von Green-wood und Williamson (1966). In diesem Fall würde derKontakt durch den ursprünglichen Radius des Körpers be-schrieben werden, bzw. es würde NΦ = 1 gelten. Wenn manzugleich N durch die mittlere Länge zwischen Asperiten dausdrückt, so erhält man die Beziehung (d0/d)Φ = 1 miteiner Konstanten d0. Damit ist der Faktor Φ unmittelbarproportional zu den Asperitenabständen.Bildet der Kontaktkörper aufgrund von seiner Oberflächen-struktur mehrere makroskopische Kontakte aus, die wider-rum eine mikroskopische Rauigkeit aufweisen, so kann derKontakt, bzw. die Haftkraft aus Gl. (2.35) durch die effek-tive Haftkraft aufgrund von der Oberflächenrauigkeit F eff

c,J(s. Gl. (2.28)) ersetzt werden. Um auch plastische Effektezu berücksichtigen, ist der Krümmungradius Rp gemäß Gl.(2.34) zu verwenden.

36

Page 37: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.2 Kollisionsmechanik

2.2 KollisionsmechanikDie Kollisionsmechanik beschreibt das Verhalten von ver-schiedenen Körpern während und nach ihrer Kollision. FürAnwendungszwecke wie z.B. in der Planetenentstehungist oftmals der Ausgang des Kollisonsereignisses wissen-schaftlich interessanter, als dieses Ereignis selbst. Für einenHertz’schen Kontakt können Kollionsverläufe zumeist hin-reichend gut durch eine ideale Reflexion beschrieben werden.Für ädhesive und inelastische Körper wird das komplizierter.Ein oftmals verwendetes Maß, das Vorhersagen über denAusgang von Kollisionen ermöglicht, ist der Restitutionsko-effizient. Für Kollisionen mit sehr hohen Relativgeschwin-digkeiten ist außerdem eine Fragmentation möglich. DieserAbschnitt behandelt diese grundlegenden Größen und diewichtigsten Konzepte bei der Betrachtung einer Kollision.

2.2.1 HaftgeschwindigkeitZwei adhäsive Körper können bei hinreichend kleinen Re-lativgeschwindigkeiten aneinander haften bleiben. Ist diekritische Haftenergie ES bekannt, so lässt sich aus einemVergleich mit der kinetischen Energie dieses Systems be-rechnen, ob es zum Haften kommt. Insgesamt ergibt sichaus einem solchen Vergleich die Bedingung für die Haftge-schwindigkeit vS zu

vS =√

2µES ≈

√4

5µFc,Jdc,J ≈ 1.05 γ56

E∗13R

56ρ

12. (2.38)

37

Page 38: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

mit der reduzierten Masse µ und der Dichte ρ der Materialsdes betrachteten Systems3. Die Beziehung ES ≈ 0.4Fc,Jdc,Jist für das Beispiel des JKR-Modells aufgeführt. Diese wirdvon Chokshi et al. (1993) durch Untersuchungen von Schall-wellen in granularen Medien aufgestellt und wird im Wei-teren auch von Dominik und Tielens (1997) im Kontextder Planetenenstehung diskutiert. Im Prinzip beschreibtder Faktor von 0.4 dissipative Verluste im System. Die Be-ziehung aus Gl. (2.38) ist praktisch, weil Messungen derHaftgeschwindigkeit unmittelbar Abschätzungen über dieeffektive Oberflächenenergie und umgekehrt ermöglichen.

2.2.2 RestitutionskoeffizientDer Restitutionskoeffizient beschreibt das Abprallverhaltenvon Körpern in Abhängigkeit von der Relativgeschwindig-keit während der Kollision. Eine allgemeine Definition lässtsich über den Verlust der Energie bei dem Stoßvorgang,oder über das Verhältnis der Impulse vor und nach demStoß angeben, also

ε =√

1− EDEK

= vovi. (2.39)

Dabei sind ED die dissipierte Energie, EK die kinetischeEnergie, vi die Relativgeschwindigkeit vor dem Stoß und vodanach. Im Prinzip lassen sich abhängig von der Einfalls-geschwindigkeit drei Bereiche durch den Restitutionskoeffi-zienten beschreiben; der Haftungs-Bereich (oder Sticking-

3Der Vorfaktor für vS wird in der Regel numerisch zusammengefasstund nimmt in der Literatur gelegentlich fehlerhafte Werte an.Er ergibt sich aus der Zusammenfassung aller Konstanten in derRechnung zu 1.05 ≈ (2187π2/16000)1/6

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Page 39: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.2 Kollisionsmechanik

Bereich), der Bouncing-Bereich und der Fragmentationsbe-reich (vgl. Abb. 2.3).

vi

ε=v o/v

i

µ=VI/Vag

g

vplvS µ = 12

Haftung

Bouncing

Fragmentation

Abb. 2.3: Restitutionskoeffizient (schwarz) und Fragmen-tationsstärke (rot, unstetig) in Abhängigkeitvon der Kollisionsgeschwindigkeit. Es findet ent-weder Haftung, Bouncing oder Fragmentationstatt.

Bei sehr kleinen Relativgeschwindigkeiten werden die Kolli-sionspartner aufgrund wirkender Adhäsionskräfte aneinan-der haften bleiben. Für den Fall, dass die Adhäsion ganzvernachlässigbar ist, gilt vS ≈ 0. Für schnellere Kollisio-nen, für die vi > vS gilt, werden die Adhäsionskräfte imEnergiegleichgewicht im Verhältnis zur kinetischen Ener-gie vor der Kollision zunehmend kleiner und der Abprallwird dadurch elastischer. Ab einer bestimmten Kollisionsge-schwindigkeit vi > vpl treten plastische Verformungen auf.Ein Teil der Kollisionsenergie dissipiert, bzw. wird hierbeibei Aggregaten bestehend aus mehreren Sub-Partikeln alsRestrukturierungsenergie frei. Folglich sinkt der Restituti-

39

Page 40: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

onskoeffizient. In welchen Geschwindigkeitsintervallen sichdie jeweiligen, charakteristischen Verläufe befinden ist vondem betrachteten System abhängig.In der Literatur werden nur selten geschlossen darstellbareFormen für den Restitutionskoeffizienten angegeben. Ent-weder die Gleichungen sind empirisch begründet, oder aberfür einzelne Bereiche hergeleitet. Ein bekannter der herge-leiteten Ansätze geht auf Thornton und Ning (1998) zurück.Für den Bereich der Haftung nehmen die Autoren eineEnergieerhaltung der Form

M

2(v2i − v2

o

)= M

2 v2S (2.40)

mit der Masse des einfallenden Kollisionskörpers M an.Daraus lässt sich der Restitutionskoeffizient unmittelbar zu

εTN,S =

√√√√1− v2Sv2i. (2.41)

angeben. Es ist etwas komplizierter, plastische Deforma-tionen mit dem Restitutionskoeffizienten zu beschreiben.Thornton und Ning (1998) bemühen für diesen Zweck denim selben Werk beschriebenen plastisch-elastischen Kon-takt. Die Kraft aus Gl. (2.32) lässt sich über Auslenkung desKollisonskörpers bei der Kollision integrieren. Daraus kanneine Energieerhaltung wie im Falle von Gl. (2.41) aufgestelltwerden. Der daraus resultierende Restitutionskoeffizient fürden plastischen Bereich ergibt sich dann daraus als

ε2TN,pl = 6

√3

5

(1− 1

6∼v

2)

× ∼v

∼v + 2√

65 −

15∼v

2−1

− v2Sv2i

(2.42)

40

Page 41: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.2 Kollisionsmechanik

wobei ∼v = vplvi

ist.Wenn der elastische Bereich im Grenzfall auf den Punkt vplbeschränkt wird und außerdem vpl vS gilt, kann aucheine nicht zusammengesetzte Funktion den Restitutions-koeffizienten für alle vi > vS angegeben werden. DiesesVerhalten zeigt sich z.B. für cm große Eiskugeln (Higa et al.,1996; Higa et al., 1998) oder für poröse, ca 100 µm großeCO2-Eisaggregate (Musiolik et al., 2016a). In diesen Fäl-len verläuft der Restitutionskoeffizient achsensymmetrischauf einer multiplikativen Geschwindigkeitsskala (log (vi)).Dieser nimmt dann die Form (Musiolik et al., 2016a)

εM = A exp(a

(log

(vi − vSvC

)2))

Θ (vi − vS) , (2.43)

mit den Kontanten A, a und vC, sowie der Heaviside-Distribution Θ (vi − vS) an. Der physikalische Grund fürdas Vorliegen einer solchen Symmetrie bleibt bis heute un-bekannt.

2.2.3 FragmentationBei hohen Kollisionsgeschwindigkeiten können Aggregatebeim Aufprall fragmentieren. Klassicherweise besteht dasZerfallsprodukt aus Sub-Aggregaten einer definierter Grö-ßenordnung. Diese Anzahl n der Aggregate mit einer Massem, bzw. einem Volumen V erfüllt häufig ein Potenzgesetzder Form n(V ) = aV b mit den Konstanten a und typischer-weise b < 0 (Musiolik et al., 2016a). Die Fragmentationkann durch die sogenannte Fragmentationsstärke µ charak-terisiert werden, welche als das Verhältnis aus dem Volumendes größten Sub-Aggregates VI und dem Volumen des gesam-ten, ursprünglichen Aggregates Vagg definiert werden kann.

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Page 42: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

Die Fragmentationsstärke kann aus einer Energieerhaltungder Form

M

2 v2i = NVΘ (vi − vfrag) + Tf + Ξ (2.44)

hergeleitet werden (Musiolik et al., 2016a). Dabei ist Mdie Masse des Aggregates, N die Anzahl der Fragmente,Tf ihre kinetische Energie nach dem Aufprall und Ξ sinddissipative Verluste. Außerdem ist vi nach wie vor die Kolli-sionsgeschwindigkeit und vfrag die kritische Fragmentations-geschwindigkeit, ab welcher die Aggregate beim Aufprallzerfallen. Die grundlegende Annahme besteht darin, dassalle Fragmente mit einer Kontaktenergie von V vor dem Auf-prall zusammengehalten werden. Die Anzahl der Kontaktekann für größere Fragmentationsereignisse kontinuierlichdurch das Integral über das Volumen gemäß n(V ) = aV b

ausgedrückt werden als

M

2 v2i = VΘ (vi − vfrag)

∫ Vfrag

VsfaV bdV + Tf + Ξ. (2.45)

Dabei ist Vsf das Volumen des kleinsten Aggregates nachder Fragmentation. Das Integral kann für b < −1 analytischnach Vfrag aufgelöst werden zu

Vfrag =(b+ 1aV

(M

2 v2i − Tf − Ξ

)+ V b+1

sf

) 1b+1

Θ (vi − vfrag) .

(2.46)

Die Fragmentationsstärke lässt sich nun definieren als

µ(vi) = VIVagg

= Vagg − VfragVagg

= 1− VfragVagg

. (2.47)

42

Page 43: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2.2 Kollisionsmechanik

Insgesamt kann man diese Fragmentationsstärke noch zu-sammenfassen und erhält

µ(vi) = 1−(c1v

2i − c2

) 1b+1 Θ (vi − vfrag) (2.48)

mit den Konstanten c1 ≡ M(b + 1)/(2aVV aggb+1) undc2 ≡ ((b+1)(Tf+Ξ)/aV−V b+1

sf )/V b+1agg . Für Fragmentationen,

bei welchen die kinetische Energie der Aggregate nach demAufprall deutlich größer im Vergleich zur Kontaktenergieist, bzw. wenn Tf + Ξ V , ergibt sich der Grenzfall

VsfVagg

∝ V−1b+1 . (2.49)

For allem bei höheren Geschwindigkeiten wird der dissipati-ve Term Ξ nicht mehr unabhängig von der Geschwindigkeitsein. Dieses Verhalten lässt sich auch in diversen experi-mentellen Studien erkennen (Beitz et al., 2011; Deckers undTeiser, 2014; Musiolik et al., 2016a). Eine Geschwindigkeits-abhängigkeit für Ξ lässt sich für den Fall phononischer Anre-gungen finden. Die Annahme hierbei ist, dass die Phononendurch einen diskreten harmonischen Oszillator approximiertwerden und Energiewerte von En = ~ω(n + 1/2) anneh-men können. Außerdem soll eine lineare Dispersionsrelationω ∝ p mit dem Impuls der Phononen p erfüllt sein. DerImpulsübertrag ∆p auf die Phononen wird unter Berück-sichtigung dieser beiden Annahmen nur diskret zu einerGeschwindigkeit vR erfolgen können, bzw.

∆p ∝∑n

δ (vi − nvR) (2.50)

mit der Delta-Distribution δ. Um einen makroskopischenKörper zu approximieren, kann diese Form durch eine Gauß-kurve geglättet werden, was zu∑

n

δ (vi − nvR)→∑n

exp(− (vi − nvR)2

)(2.51)

43

Page 44: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

2 Kontaktmechanik

führt. Der dissipative Term kann für den Grenzfall vR → 0als

Ξ(vi) ∝ limvR→0

∫ vi

0∆p(v∗i )dv∗i

∝∫ vi

0exp

(−v∗2i

)dv∗i ∝ erf (vi)

(2.52)

dargestellt werden. Mit einer Konstanten Ξ0 lässt sich derdissipative Term kurz als

Ξ(vi) = Ξ0erf (vi) (2.53)

ausdrücken. Für die Fragmentationsstärke gilt dann dieerweiterte Form

µD(vi) = 1−(ζ1v

2i − ζ2erf (vi)− ζ3

) 1b+1 Θ (vi − vfrag)

(2.54)

mit den Konstanten ζ1 = c1, ζ2 ≡ ((b + 1)Ξ0/aV −V b+1sf )/V b+1

agg und ζ3 ≡ ((b+ 1)Tf/aV − V b+1sf )/V b+1

agg .Ein qualitatives Beispiel für den Verlauf der Fragmenta-tionsstärke ist in Abb. 2.3 dargestellt. Die Fragmentationbeginnt spontan (die Funktion ist nicht stetig) ab der Ge-schwindigkeit vfrag und fällt für höhere Geschwindigkeitenzunächst ab. Man spricht von einer kritischen Fragmentati-on, falls µ = 1

2 beträgt. Die zugehörigen Geschwindigkeitenvariieren je nach Material und Struktur.

44

Page 45: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

Planetenentstehung 3Junge Sterne sind in der Regel von einer Scheibe aus Staubunterschiedlicher Größe umgeben. Diese Scheiben werdenauch als »Protoplanetare Scheiben« bezeichnet. Die grund-legende Idee hinter der Entstehung von Planeten ist, dasssich innerhalb dieser Protoplanetaren Scheiben im Verlau-fe der Zeit zunächst größere Körper und anschließend diePlaneten selbst bilden. Dieser Prozess ist nicht trivial zuverstehen. Über die der Planetenentstehung zugrundelie-genden Mechanismen existieren zahlreiche theoretische undexperimentelle Ausarbeitungen. Einige davon werden indiesem Kapitel vorgestellt. Anschließend werden Ansätzeund experimentelle Messungen beschrieben, die einige derProbleme zu erklären versuchen.

3.1 Beobachtungen von ProtoplanetarenScheiben

Protoplanetare Scheiben werden experimentell zuerst vonO’dell und Wen (1994) mithilfe von Aufnahmen des HubbleSpace Teleskops beobachtet. Vor der direkten Beobachtungwerden solche Scheiben in der Regel über Emissionsspektrendetektiert. Heutzutage ist das z.B. mithilfe des Spitzer Te-

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Page 46: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Wellenlänge λ

Energieflussdich

teF

Sternspektrum

IR-Excess

Abb. 3.1: Qualitatives Beispiel für eine »spectral ener-gy distribution« (SED) für eine ProtoplanetareScheibe (schwarz), eine Transitional Disk (rot,Punkte) und einen Stern (blau, Striche).

leskops möglich (Brown et al., 2007). Typischerweise misstman hierbei die Energieflussdichte F (wobei diese typischer-weise zwischen 10−11 − 10−9 erg cm−2 s−1 liegt) gegen dieWellenlänge λ (in der Regel 0.1−1000 µm), was oft auch als»spectral energy distribution«, oder kurz »SED« bezeichnetwird (Williams und Cieza, 2011). Ein qualitatives Beispielist in Abb. 3.1 dargestellt. Spektren für ProtoplanetareScheiben weisen im Vergleich zu reinen Sternspektren einenIR-Excess auf, welcher häufig auf die zusätzliche Scheibeaus Staub und Gas zurückführbar ist. Da die Temperaturder Scheibe nach außen hin abnimmt und sich damit diemaximale Wellenlänge der Temperaturstrahlung zu höherenWerten verschiebt, lassen sich außerdem die Abstände vomStern indirekt auch durch Wellenlängen ausdrücken.Neben der Spektren für Sterne und Protoplanetare Scheiben

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Page 47: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.1 Beobachtungen von Protoplanetaren Scheiben

lassen sich auch Spektren messen, welche bei ca. 10 µmoptisch dünn sind (Skrutskie et al., 1990). Eine MöglicheErklärung dieses Phänomens ist, dass in dem zugehörigenBereich der Scheibe ein Teil der Scheibenmasse bereits zuPlanetesimalen akkretiert ist und dieser dadurch schwächerabstrahlt als der Rest der Scheibe (Walsh et al., 2014).Solche Objekte werden auch als Übergangsscheiben oder»Transitional Disks« bezeichnet. Die mittlere Zeitskala, aufwelcher eine Protoplanetare Scheibe sich zur TransitionalDisk entwickelt, beträgt 2-3 Ma (Williams und Cieza, 2011).Zusammenfassend lässt sich die Entwicklung Protoplane-tarer Scheiben, welches die Spektren vermitteln wie folgtzusammenfassen: Die Protoplanetare Scheibe entwickeltsich kontinuierlich von einer puren Staub- und Gasscheibezur Transitional Disk, in welcher Planeten auf ihren Orbitsum den Stern den Staub akkretieren können, bis hin zueiner »leeren« Trümmerscheibe (Debris Disk) mit einemSternspektrum.Der Staub in einer Protoplanetaren Scheibe beträgt ca. 1%ihrer Gesamtmasse und setzt sich größtenteils aus Silikatenund einem Gemisch aus Graphit zusammen. Die Größe derStaubpartikel liegt zu Beginn des Lebenszyklus einer Proto-planetaren Scheibe zwischen der Größe der Staubpartikel imInterstellaren Medium und Molekülwolken und Meteoritenvon ∼ 0.1 − 20µm (Brearley, 1999; Draine, 2003; Nattaet al., 2006). In einem hinreichend großen Abstand zumStern ab der sog. »Snowline« können sich auf diesen Parti-keln zudem Wassereis und Kohlendioxideis schalenförmigabsetzen (Bergin und Tafalla, 2007). Obwohl ein direkterexperimenteller Nachweis von Wassergas und Wassereis inder Scheibe möglich ist (Terada et al., 2007; Ceccarelli et al.,2005; Dominik et al., 2005), gestaltet sich die Bestimmung

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3 Planetenentstehung

der Snowline nach wie vor als schwierig (Notsu et al., 2018).Der restliche Anteil der Masse (99%) in der Scheibe gehtüberwiegend auf H2- und He-Gas im Verhältnis von ca.4:1 zurück. Außerdem können auch andere Gase wie H2O,C2H2, HCN oder CO2 auftreten (Carr und Najita, 2008;Lahuis et al., 2005). Der Radius von Protoplanetaren Schei-ben beträgt in der Regel 50-200 AU (Vicente und Alves,2005). Ein genauer Wert lässt sich nur schwer ermitteln, dadie äußeren und damit kühleren Regionen der Scheibe nurschwach emittieren.Es gibt diverse Vorschläge für Wachstumsmechanismen,welche die Entstehung von Planetesimalen aus dem Staubin der Scheibe beschreiben. Die Staubpartikel bilden zu-nächst durch Kollisionswachstum fraktale Aggregate. Beiweiteren Zusammenstößen kompaktieren diese anschließendbei einer Größe von ca. einem Millimeter. Dies wir häu-fig als »Bouncing Barrier« bezeichnet. Erst bei deutlichgrößeren Aggregaten auf der Zentimeter- bis Dezimeter-Größenordnung werden weitere Wachstumsmechanismenwie Gravitationsinstabilitäten effektiv. Solche Prozesse las-sen sich in der Regel nicht direkt beobachten und bedürfendaher einer experimentellen Erforschung im Labor odertheoretischen Modellierung durch Simulationen.

3.2 Modelle für die Struktur der ScheibeBevor die Wachstumsmechanismen und Wachstumsbarrie-ren näher erläutert werden, sollen in diesem Abschnitt zu-nächst verbreitete Modelle für die Staubscheibe beschriebenwerden, insbesondere aber das Minimum Mass Solar Ne-bula (MMSN) Modell. Dieses geht im Wesentlichen aufWeidenschilling (1977) und Hayashi (1981) zurück.

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Page 49: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.2 Modelle für die Struktur der Scheibe

Die grundlegende Annahme des MMSN Models beruht aufder notwendigen Masse von mindestens 10−2M (Sonnen-massen) für die Bildung des Sonnensystems. Die Menge desGases in der Scheibe wird um einen Faktor 100 höher alsdie Staubmasse angenommen. Aus dieser Gesamtmasse undder typischen Ausdehnung des Sonnensystems gibt Weiden-schilling (1977) eine radiusabhängige Oberflächendichte fürdie Gasverteilung in einer Scheibe von

ΣMMSN(R) = 1700(

R

1AU

)− 32g cm−2 (3.1)

an. Das MMSN-Modell wird also durch eine mit dem Expo-nenten von −3

2 abfallende Oberflächendichte definiert. DerVorfaktor für Staub wäre entsprechend um das 100-Fachekleiner. Die Menge von Wassereis variiert von Scheibe zuScheibe, wird im Wesentlichen jedoch in der gleichen Grö-ßenordnung wie die Menge von Staub angesetzt (s. z.B.auch Livio und Martin (2013)).Das MMSN-Modell ist in einem Bereich zwischen 0.3-30 AUgültig. Für weitere Distanzen nimmt die Oberflächendichtestärker ab (Williams und Cieza, 2011). Hierfür kann z.B. derAusdruck von Lynden-Bell und Pringle (1974) verwendetwerden, welcher auf Modellen für viskose Akkretionsschei-ben beruht.

ΣV(R) = (2− γ) MS

2πR2C

(R

RC

)−γexp

(− R

RC

)2−γ. (3.2)

Dabei ist MS die Gesamtmasse der Scheibe und RC einkritischer Radius, ab welchem die Gleichung gültig wird.Hughes et al. (2008) gibt als Gültigkeitsbereich 30-200 AUan. Außerdem gelte üblicherweise γ ≈ 0.9.Unter der Annahme eines hydrostatischen Gleichgewichtslässt sich die Druckverteilung in vertikaler Z-Richtung der

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Page 50: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Scheibe angeben (Dullemond und Dominik, 2005; Barrancound Marcus, 2005)

P (Z,R) = P (R) exp(− Z2

2H2(R)

), (3.3)

mit der Skalenhöhe H(R) und der Druckverteilung in ra-dialer Richtung P (R) in der Mittelebene.P (R) lässt sich analytisch durch die Oberflächendichte Σausdrücken. Dabei muss zusätzlich vm die mittlere Geschwin-digkeit der Gasteilchen innerhalb der Scheibe berücksichtigtwerden. Es gilt

P (R) = Ωk(R)Σ(R)vm4 . (3.4)

Ωk(R) ist hierbei die Keplersche Winkelgeschwindigkeit mit

Ωk(R) =(GMR3

) 12. (3.5)

Für das MMSN-Modell muss Σ = ΣMMSN für P (R) ersetztwerden. Unter Annahme konstanter Gasgeschwindigkeitergibt das MMSN-Modell eine Abhängigkeit von P (R) ∝R−3, was zumindest lokal eine gute Approximation darstellt.Ein etwas detaillierteres Modell für die Druckverteilung wirdz.B. von Wood (2000) beschrieben. In der Regel erwartetman für einen Abstand von 1 AU und Z = 0 einen Druckvon etwa 1 Pa.Die Struktur der Scheibe wird zudem von der sogenanntenSkalenhöhe H(R) definiert. Im Prinzip beschreibt H(R)die Höhe der Scheibe zur mittleren Ebene (Z = 0) inAbhängigkeit von der radialen Entfernung. Hayashi (1981)

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Page 51: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.3 Wachstumsmechanismen- und Barrieren in der Scheibe

gibt für die Skalenhöhe

H(R) =√

2cS(R)Ωk(R) (3.6)

mit der Schallgeschwindigkeit cS an. Die Schallgeschwin-digkeit selbst hängt zusätzlich von der Temperatur in derScheibe gemäß cS =

√kT (R)/µmH mit der Wasserstoffmas-

se mH und der mittleren molekularen Masse der Gasmi-schung µ ≈ 2.34 g/mol ab. Im MMSN-Modell (Beckwithet al., 1990) gilt bis 30 AU

T (R) = T0

(R

1AU

)− 12. (3.7)

Für Distanzen ab 30 AU zum Stern ändert sich der Ex-ponent und es gilt T ∝ R−

34 (Lynden-Bell und Pringle,

1974). Mit dieser Temperaturabhängigkeit folgt eine Skalen-höhe für das MMSN-Modell bis 30 AU von H(R) ∝ R−

54 .

Für die Temperatur T0 bei einem Abstand von 1 AU zumStern ergibt sich abhängig von dem betrachteten SystemT0 ≈ 60− 400 K (Boss, 1998). Hayashi (1981) führt das T0allgemeiner auf die Leuchtkraft eines Sterns zurück. Im Ver-hältnis zur Leuchtkraft der Sonne folgt dann der Ausdruckzu T0 = 280 (L/L)

14 .

3.3 Wachstumsmechanismen- undBarrieren in der Scheibe

Protoplanetare Scheiben entwickeln sich aus Molekülwolkenim Interstellaren Raum. Ein Teil der Masse aus dieser Mo-lekülwolke kollabiert und bedingt dadurch die Fusion von

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Page 52: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Wasserstoff. Dies geschieht typischerweise auf der Kelvin-Helmholtz-Zeitskala, die z.B. für die Sonne bei ca. 3 · 107

Jahren liegt. Damit entsteht ein zentraler Stern. Die typi-sche, scheibenförmige Verteilung des Gases und des Staubesum den Stern kommt aufgrund der Drehimpulserhaltungund der Sedimentation der Staubpartikel und des Gases zurMittelebene zustande. Nach ungefähr 0.5 Ma hat sich dieProtoplanetare Scheibe ausgebildet. Die mittlere Lebensdau-er der Protoplanetaren Scheibe selbst liegt bei ca. 2-3 Ma(Williams und Cieza, 2011). Das Wachstum größerer Staub-aggregate wird in der Anfangsphase der ProtoplanetarenScheibe durch die Kollisionsphysik dominiert.Die anfänglich ca. µm großen Staubpartikel bleiben in Kolli-sionsereignissen überwiegend aneinander haften und bildendadurch größere, fraktale Aggregate (Blum und Wurm,2008). Mit zunehmender Masse werden diese fraktalen Ag-gregate kompakter, d.h. der Füllfaktor nimmt mit der Zeitzu. Bei einer Größe von wenigen Millimetern wird dasWachstum gehemmt. Die Trägheitskräfte solcher Aggre-gate können in Kollisionen durch Haftkräfte dann nichtmehr länger überwunden werden. Dieser Effekt wird als»Bouncing-Barrier« bezeichnet und zuerst von Güttler et al.(2010); Zsom et al. (2010) entdeckt. Weitere Untersuchun-gen von Kollisionen zwischen levitierenden Staubaggregatenbestätigen dieses Verhalten (Kelling et al., 2014; Kruss et al.,2016, 2017).Um zu verstehen, wodurch die Bouncing-Barrier begründetwird, kann das Kräftegleichgewicht bei einer Kollision vonzwei sphärischen Aggregaten betrachtet werden. Für diesesist einerseits die Haftkraft Fc,J zwischen zwei Aggregatenausschlaggebend, welche durch das bereits beschriebeneJKR-Modell modelliert werden kann. Andererseits spielt

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Page 53: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.3 Wachstumsmechanismen- und Barrieren in der Scheibe

die Rückprallkraft FB eine wichtige Rolle, die in der Regelzum Impuls der Teilchen auf der Zeitskala δ(t− tc) mit demKollisionszeitpunkt tc proportional ist. Insgesamt folgt dieauf die Aggregate wirkende Gesamtkraft FG zu1 (Musioliket al., 2018b)

FG = FB + Fc,J = 46πρR

3εvcδ (t− tc)−32πγR. (3.8)

mit dem Restitutionskoeffizienten ε. Bei einer konstantenKollisionsgeschwindigkeit vc überwiegt für kleine Teilchen-größen der Adhäsionsterm. Wegen der kubischen Abhängig-keit in der Größe der Aggregate wird für größere Aggregatejedoch die Rückprallkraft größer, sodass ein weiteres Wachs-tum nicht möglich wird. Führt man eine endliche Kollisi-onszeit δ (t− tc)→ 1

τcein, so ergibt sich für die Größe der

Teilchen an der Bouncing Barrier, d.h. FB = 0 und damitvc = vS (s. Gl. (2.38)) der Ausdruck

RBB ≈ 1.92(τ 6cE∗2γ

ε6ρ3

) 17

. (3.9)

Die Kollisionszeit τc ist streng genommen auch von der Grö-ße der Aggregate abhängig. An der Bouncing-Barrier kanndiese Abhängigkeit jedoch näherungsweise vernachlässigtund ein τc ≈ 0.1 ms angenommen werden (Kelling et al.,2014). Wählt man zusätzlich ein E∗ = 5 MPa für Silikate(Meisner et al., 2012), eine Oberflächenenergie von γ = 0.02J m−2 (Heim et al., 1999), ε = 0.8 und die Dichte vonρ = 2600 Kg m−3, so folgt für die Größe der Aggregate an

1Aufgrund von Kugel-Kugel-Interaktion ändert sich der JKR-Vorfaktor zu 3

2 . Außerdem muss die reduzierte Masse des Systemsbetrachtet werden, was den Vorfaktor 4

6 ergibt.

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Page 54: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

der Bouncing Barrier RBB ≈ 1.37 mm. Für eine Oberflä-chenenrgie von γ = 0.2 J m−2 ändert sich das Ergebnis zuRBB ≈ 1.9 mm. Poröse Eisaggregate, deren Oberflächen-energie in der Größenordnung von 1 J m−2 liegt, würdenetwas größer als 2 mm werden. Damit könnte das Kollisi-onswachstum hinter der H2O Snowline, ab welcher Wassereisförmig auftritt und die Silikate schalenförmig umman-telt, möglicherweise etwas weiter vorangetrieben werden.Planetesimale entstehen dadurch zwar nicht, aber die Aggre-gate könnten durchaus eine Größe erreichen, ab der weitereWachstumsmechanismen effektiv werden.Eine weitere Möglichkeit größere Aggregate zu erzeugenfolgt aus der Magnetrotationsinstabilität (MRI), bzw. derBalbus-Hawley-Instabilität (Balbus und Hawley, 1991). DerEffekt beschreibt Turbulenzen, welche aufgrund einer Sche-rung von Magnetfeldern im ionisierten Gas (Plasma) zustan-de kommen. Ist ein Teil des Gases in einer ProtoplanetarenScheibe ionisiert, so entstehen zunächst Magnetfelder, wel-che der Bewegung des Gases um den Stern folgen. Durchdie unterschiedlichen Rotationsgeschwindigkeiten des Gasesin dem inneren und äußeren Bereich der Scheibe führendie gescherten Magnetfelder zu Turbulenzen, in welchenauch Staubpartikel akkretiert werden können. Die Effekti-vität der Turbulenzen wird maßgeblich dadurch bestimmt,wie stark die Magnetfelder sind und welche viskosen Ei-genschaften die Scheibe hat (Turner et al., 2014). Das fürdie Magnetrotationsinstabilität notwendige, ionisierte Gaskann z.B. aufgrund der Röntgenstrahlung des Sterns auf derOberfläche der Scheibe entstehen (Glassgold et al., 1997).Im Inneren der Scheibe, der sog. »Dead Zone«, sind auf-grund der fehlenden Strahlung keine Ladungstrennungendurch Ionisation und folglich auch keine MRI zu erwarten.

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Page 55: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.3 Wachstumsmechanismen- und Barrieren in der Scheibe

Durch eine nicht verschwindende Kollisionsreibung kön-nen sich die Staubpartikel dennoch aufladen, was auch als»Tribocharging« bezeichnet wird. Der genaue Mechanis-mus hinter Tribocharging ist nicht geklärt. Die elektrischeAufladung wird beispielsweise durch Größenunterschiededer kollidierenden Teilchen (Love et al., 2014; Lee et al.,2015; Waitukaitis et al., 2014) oder Benetzungsschichtenaus Wasser auf diesen (Siu et al., 2014) verstärkt. Die Aus-wirkung auf die Planetenentstehung wird z.B. von Steinpilzet al. (2019a) untersucht. Für die Bouncing-Barrier ausGl. (3.9) müssen hierbei zwei Dinge berücksichtigt werden.Zum einen ist der Restitutionskoeffitzient effektiv von derGesamtladung auf den Aggregaten ε = ε(Q) abhängig. Hierkann eine höhere Ladung zu größeren Beschleunigungender Teilchen vor der Kollision und damit zu auch größerendissipativen Verlusten der kinetischen Energie führen. DieseAbhängigkeit wird von Jungmann et al. (2018) mithilfe vonFallturmexperimenten untersucht. Außerdem ändert sichdie effektive Oberflächenenergie auch durch die Ladung Qzu

γQ = γ + 1πa2

c,J

(Q2

4πεel,0κ

), (3.10)

mit dem effektiven Ladungsabstand κ (Musiolik et al.,2018b). Der effektive Ladungsabstand ist nicht gleich mitdem Radius der Teilchen, da die Ladung nur lokal um dieKontaktfläche einen Einfluss auf das Restitutionsverhaltenhat. Die Größe von κ ist nicht eindeutig bekannt und hängtfür Isolatoren wie Silikate von der Verteilung der Ladungauf der Oberfläche ab (s. auch Jungmann et al. (2018)).Im Einzelfall können Aggregate größer werden, als mithilfevon Gl. (3.9) berechnet. Normalerweise ist die Kollionsge-

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Page 56: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

schwindigkeit der Staubpartikel innerhalb einer Geschwin-digkeitsverteilung fest definiert. Aggregate, die zufälliger-weise immer mit der kleinsten möglichen Relativgeschwin-digkeit kollidieren, können auch größer werden und dieBouncing Barrier überwinden. Diese Einzelfälle bezeichnetWindmark et al. (2012) als »Lucky Particles«.Haben die Aggregate einmal die Bouncing-Barrier überwun-den und eine Größe von cm-dm erreicht, werden sie häufigauch als »Pebbles« bezeichnet und können mithilfe diverserMechanismen konzentriert werden, bis die Ansammlung gra-vitativ instabil wird. Eine dieser Möglichkeiten beruht aufdem Effekt, dass ungleich große Kollisionspartner zum Net-towachstum des größeren Aggregates führen können (Teiserund Wurm, 2009). Darüber hinaus können auch Strömungs-instabilitäten entstehen, deren Beschreibung auf Youdinund Goodman (2005) zurückgeht. Da auf das Gas innerhalbder Protoplanetaren Scheibe ein Druckgradient wirkt (s.Gl. (3.4)), bewegt sich dieses mit einer kleineren Geschwin-digkeit als der Kepplergeschwindigkeit (was unmittelbaraus dem Kräftegleichgewicht folgt). Da größere Aggregateimmer noch die Kepplergeschwindigkeit aufweisen, werdensie von dem Gas effektiv abgebremst und migrieren da-durch zum Stern. Dabei können sie Aggregate aufsammeln,deren Migrationsgeschwindigkeit kleiner ist. Das bedingtwiederum lokale Dichteschwankungen. Meter- bis Dekame-ter große Aggregate können dadurch lokal auf das 100-Facheder durchschnittlichen Dichte des Staubes konzentriert wer-den (Johansen et al., 2006, 2007). Letztendlich könnenPlanetesimale auch durch Gravitationsinstabilitäten, d.h.durch die Dichtefluktuationen des Staubes in der Scheibeselbst, wachsen. In der Regel muss das Verhältnis von Staubzu Gas hierfür um einen Faktor von 2-10 lokal ansteigen

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Page 57: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

(Youdin und Shu, 2002).Im Laufe dieser Zeit nimmt die Oberflächendichte des Gasesund Staubs der Scheibe aufgrund einer Vielzahl von Effektenkontinuierlich ab. Zu diesen Effekten gehören unter anderemdie Photoevaporation durch Strahlung des Sterns, die zu-vor beschriebenen Konzentrationsmechanismen des Staubsoder die Wechselwirkung des Staubes mit Planetesimalen(Williams und Cieza, 2011; Alexander et al., 2013). DieSnowline wird zugleich wegen des immer tieferen Druckesnach außen versetzt. Nach dieser Phase spricht man voneiner Trümmerscheibe, bzw. einer Debris Disk.

3.4 Snowline: ExperimenteMithilfe von IR-Absorptionsspektren konnte das Vorhan-densein von Eispartikeln schon sehr früh in Molekülwolkenbestätigt werden (Cohen, 1975). Neuste Erkenntnisse zei-gen, dass auch in protoplanetaren Scheiben in der Nähe dererwarteten Snowlines in der Scheibe das Pebble-Wachstumbevorzugt stattfindet (Zhang et al., 2015). Die H2O Snowli-ne befindet sich unter der Annahme des MMSN-Modells ineinem Abstand von ca. 2 AU zum Stern und die CO2 Snow-line bei ca. 9.3 AU (Musiolik et al., 2016a). Der prozentualeAnteil zwischen H20:CO2 liegt bei ca. 100:13 (Öberg et al.,2011). Diese Materialien sind also allein schon aus quanti-tativer Sicht besonders wichtig für das Kollisionswachstum.Im Labor ist insbesondere das Kollisionsverhalten von Was-sereis aufgrund seiner guten Hafteigenschaften in der Ver-gangenheit untersucht worden. Aufgrund der Sublimationvon Wassereis an der Snowline können im Eis eingeschlos-sene Staubpartikel freigelassen werden und erhöhen somitdie lokale Dichte von Staub. Der Mechanismus wurde von

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3 Planetenentstehung

Saito und Sirono (2011) vorgeschlagen und von AumatellGómez und Wurm (2011) experimentell bestätigt. Ros undJohansen (2013) erwägen dieses Prinzip, um auch Wachstumhinter der Snowline zu erklären. Wie bereits angedeutet,kann Wassereis auch durch Kollisionen wachsen; vor allemin äußeren, kühleren Bereichen der Scheibe.Kollisionsexperimente mit Wassereis wurden in der Vergan-genheit auch im Hinblick auf die Physik der Saturnringe aufder cm-Größenordnung durchgeführt (Colwell et al., 1990;Higa et al., 1996; Higa et al., 1998). Auf der mikroskopischenGrößenordnung existieren Kollisionsexperimente mit µmgroßen Eispartikeln (Gundlach und Blum, 2014; Gundlachet al., 2011). Die Haftgeschwindigkeiten dieser Eispartikelreichen bis zu 10 m/s (mit einer Oberflächenenergie vonca. 0.19 J m−2), wohingegen die Haftgeschwindigkeiten fürvon der Größe vergleichbare Silikate typischerweise bei 1m/s liegen (Blum und Wurm, 2008). Diese Experimentedeuten darauf hin, dass das Kollisionswachstum durch Eismöglicherweise die Bouncing-Barrier überwinden könnte.Kataoka et al. (2013) schlagen vor, dass Eisaggregate in derProtoplanetaren Scheibe aufgrund ihrer kleinen Porositätdie Wachstumsbarrieren hinter der Snowline überwindenund zum Wachstum von Planetesimalen führen können. Kol-lisionsexperimente für CO2-Aggregate werden bislang nurim Rahmen dieser Arbeit (s. auch Musiolik et al. (2016a))beschrieben. Die Oberflächenenergie von CO2 wird in derLiteratur zu γ(CO2) ≈ 0.1 J m−2 abgeschätzt (Wood, 1999).Dies hätte zur Folge, dass Aggregate bevorzugt zwischender H2O- und CO2 Snowline wachsen würden.Um fundierte Rückschlüsse auf das Kollisionswachstumin der Protoplanetaren Scheibe machen zu können, müs-sen mehrere Effekte berücksichtigt werden. Zunächst muss

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Page 59: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

der quantitative Unterschied zwischen Kollisionen der un-terschiedlichen Materialien, d.h Wassereis, CO2-Eis, aberauch Silikaten analysiert werden. Außerdem ist der Ein-fluss von äußeren Parametern auf die Hafteigenschaftender Aggregate wichtig. Es existieren Hinweise darauf, dasssich die Hafteigenschaften von Wassereis signifikant mit derTemperatur ändern (Gärtner et al., 2017). Die folgendenAbschnitte beschäftigen sich mit diesen Problematiken.

3.4.1 Aufbau zur Messung vonKollisionseigenschaften fraktaler Aggregate

In diesem Abschnitt werden die experimentellen Metho-den vorgestellt, welche für die Messung von Kontaktkräftenverwendet werden. Hierfür sind Laborexperimente von Kol-lisionen gut geeignet und werden zunächst vor allem imBezug auf unterschiedliche Eissorten wie H2O und CO2betrachtet.Der Aufbau zur Messung der Kollisionen zwischen CO2,H2O-CO2 (Verhältnis 1:1) und H2O-Aggregaten wird ex-emplarisch für CO2-Experimente in Abb. 3.2 dargestellt.Das Experiment muss dabei einige wichtige Anforderungenerfüllen, die im Folgenden beleuchtet werden sollen. DasExperiment findet in einer Vakuumkammer statt. Das istvor allem dafür notwendig, um die Kammer zu evakuierenund die Interaktion zwischen den Aggregaten und dem Gasinnerhalb der Kammer zu minimieren. Die Vakuumkammerlässt sich zunächst mithilfe einer Düse mit CO2-Gas fluten.Somit kann ein beliebiges Verhältnis zwischen diesem Gasund Luft in der Kammer erzeugt werden. In der oberenÖffnung der Kammer ist ein Kryostat montiert, welchermit flüssigem Stickstoff gefüllt werden kann. Damit können

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Page 60: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

CO2

CO2

CO2 Düse

DruckmesserKamera

Vakuum

SteuerungZahnradKupferplatte

CO2-Aggregate

Kryostat

Abb. 3.2: Experimenteller Aufbau zur Messung der Kon-taktkräfte von H2O- und CO2-Aggregaten. Ent-nommen aus Musiolik et al. (2016a), bearbeitet.

der Kryostat und ein auf diesem befestigtes, L-förmigesKupferblech auf ca. 80 K abgekühlt werden. Innerhalb von15-30 Minuten kann damit auf den kalten Oberflächen (Kup-ferblech und Kryostat) eine bis zu 2 mm dicke Eisschichtkondensieren, welche aus den chemischen Bestandteilen derGasmischung besteht. In diesem konkreten Fall ist es eineMischung aus Trockeneis und Wassereis. Die Sublimation-stemperatur von CO2 beträgt dabei ca. 195 K.Das Experiment muss ferner ermöglichen, Eisaggregate zuerzeugen und deren Kollisionen mit einem Target (in diesemFall durch das Kupferblech gegeben) zu beobachten. Da-für wird im weiteren Schritt die Vakuumkammer auf einenDruck von ca. 0.5 mbar evakuiert. Mithilfe einer Vakuum-durchführung, an die ein 12V-Motor mit einem Zahnradmontiert ist, können die Eisaggregate von dem Kryostatenabgetrennt werden. Diese fallen ca. 15 cm nach unten undtreffen auf das Kupferblech, welches mit derselben Eissorte

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Page 61: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

CO2

CO2-H2O

H2O

10 20 50 100 200 500

50

100

150

200

Radius [µm]

Anzah

l

Abb. 3.3: Größenverteilung der unterschiedlichen, erzeug-ten Eisaggregate. Der Durchschnittswert derGröße beträgt ca. 90 µm. Entnommen aus Mu-siolik et al. (2016a), bearbeitet.

bedeckt ist. Die Kollisionsgeschwindigkeiten hängen von derFallhöhe und der (restlichen) Ankopplung an das Gas ab.Somit können Kollisionsgeschwindigkeiten von bis zu 2 cms−1 erzielt werden. Kollisionen mit kleinen Relativgeschwin-digkeiten von ca. 0.05 m s−1 lassen sich nach mehrmaligenStößen der Aggregate mit der Kupferplatte beobachten.Die Kollisionen werden mithilfe einer Highspeed-Kamerabei 1250 fps beobachtet. Als Beleuchtung wird eine Blitz-lampe, die über einen Frequenzgenerator gepulst wird, imDurchlicht verwendet. Die räumliche Auflösung der verwen-deten Mikroskopoptik beträgt ca. 10 µm. Die erzeugtenAggregaten sind im Durchschnitt jedoch deutlich größer.Die zugehörige Größenverteilung für unterschiedliche Ag-gregate ist in Abb. 3.3 abgebildet. Der Mittelwert liegt beica. 90 µm. Dabei wurde die Größe r der Aggregate optisch

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Page 62: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

über die effektive Fläche A zu r =√A/π bestimmt.

Mithilfe des Experimentes können drei verschiedene Kollisi-onsergebnisse beobachtet werden. Bei kleinen Geschwindig-keiten bleiben die Aggregate an dem Kupferblech haften.Steigt die Relativgeschwindigkeit, so werden die Kollisionenelastischer und der Restitutionskoeffizient steigt. Bei hohenGeschwindigkeiten lassen sich zumindest für CO2-Aggregateauch Fragmentationsereignisse beobachten. Ein Beispiel fürdie aufgenommenen Kollisionen befindet sich in Abb. 3.4.Wie auf den Bildern zu sehen, weisen die erzeugten Aggre-gate eine hohe Porosität auf. Diese kann nicht exakt durchBildanalyseverfahren bestimmt werden. Da die Erzeugungder unterschiedlichen Aggregate jedoch unverändert bleibt,lassen sich die jeweiligen Kontaktkräfte zumindest für einenfesten Wert der Porosität vergleichen.

3.4.2 Vergleich der H2O- und CO2-SnowlineDas Kollisionsverhalten und Hafteigenschaften von H20-Aggregaten, CO2-Aggregaten und aus beiden Materialiengemischten Aggregate werden von Musiolik et al. (2016a,b)untersucht. Der zugehörige experimentelle Aufbau wird imAbschnitt 3.4.1 beschrieben.Um einen sinnvollen Vergleich der Kollisionsphysik an denSnowlines zu erhalten, werden dabei Kollisionen zwischenden Aggregaten und einer von der entsprechenden Eissortebedeckten Kupferplatte betrachtet. Daraus lassen sich wich-tige Parameter, wie die Haftgeschwindigkeit bestimmen. Diebetrachteten Aggregate weisen eine hohe Porosität auf (s.Abb. 3.4). Gleichwohl kann die Porosität quantitativ nichtbestimmt werden. Die Kollisionsgeschwindigkeiten liegenin etwa zwischen 0-2 m/s. Die Teilchen sind im Mittel 90

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Page 63: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

0

Sticking Bouncing Fragmentation

1 mm

Zeit[m

s]1.6

3.2

Abb. 3.4: Ein Beispiel für die aufgezeichneten Kollisio-nen. Aufgezeigt sind hierbei jeweils ein Sticking-,Bouncing-, und Fragmenationsereignis in Ab-hängigkeit von der Zeit. Exemplarisch werdenKollisionen nur von CO2-Aggregaten gezeigt.Entnommen aus Musiolik et al. (2016a), bear-beitet.

63

Page 64: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

0.0 0.5 1.0 1.5 2.00.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

vi [m/s]

ε,µ

Abb. 3.5: Restitutionskoeffizient (blau, Linie) und Frag-mentationsstärke (rot, Striche) für poröse CO2-Aggregate. Entnommen aus Musiolik et al.(2016a).

µm groß (für Größenverteilung siehe Abschnitt 3.4.1). DieTemperatur der Aggregate/ der Eisschicht beträgt bei derKollision ca. 80 K und der Druck liegt bei 0.1-1 mbar.Das Kollisionsverhalten der reinen CO2-Aggregate wird inAbb. 3.5 dargestellt. Es werden sowohl der Restitutionskoef-fizient, als auch die Fragmentationsstärke gezeigt. Für sehrkleine Geschwindigkeiten fällt der Restitutionskoeffizient aufeinen Wert von 0 m s−1 ab, wo man ein Sticking-Ereignisseerwarten würde. Für höhere Geschwindigkeiten steigt derRestitutionskoeffizient zunächst an, da mit höherer Kolli-sionsgeschwindigkeit auch dissipative »Sticking-Verluste«eine kleinere Rolle spielen. Für sehr hohe Kollisionsgeschwin-digkeiten sinkt der Restitutionskoeffizient wieder und dieAggregate werden plastisch verformt und zerfallen gele-gentlich. Die kritische Fragmentation (µ = 1

2) findet bei

64

Page 65: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

vcrit = 2.19 ± 0.05 m s−1 statt. Die Anzahl der Fragmen-te n mit einer Masse zwischen [m;m + dm] folgt einemPotenzgesetz der Form

n ∝ m−1.2±0.1. (3.11)

Ein solcher Zerfall entspricht der Frgmentationsphysik vonSilikaten, wo der Exponent zwischen -1.07 und -1.36 liegt(Güttler et al., 2010; Deckers und Teiser, 2014)Die enstprechenden Fits in Abb. 3.5 wurden mithilfe von Gl.(2.43) und Gl. (2.48) erstellt. Die zugehörigen Konstantensind A = 0.67±0.04, vc = 0.189±0.025 m s−1, a1 = −0.36±0.04, vS = 0.04± 0.02 m s−1 und b = −1.2 (wurde aus derGrößenverteilung der Fragmente ermittelt), vfrag = 0.75m/s, c1 = −0.073± 0.027 s2 m−2, c2 = −1.49± 0.1. AndereModelle von Thornton und Ning (1998); Higa et al. (1996)für den Restitutionskoeffizienten über- oder unterschätzendabei die Abhängigkeit von der Geschwindigkeit (Musioliket al., 2016a).Aus dem Fit lassen sich über die Haftgeschwindigkeitund die (kritische) Fragmentationsgeschwindigkeit die zu-gehörigen kinetischen Energien berechnen. Diese betra-gen Estick ≈ 1.38 pJ, Efrag ≈ 52.5 nJ (= 351Estick) undEcrit ≈ 4.47 nJ. Ferner lässt sich aus der Haftgeschwindig-keit eine effektive Oberflächenenergie ableiten (s. Gl. (2.38)).Mit einem Elastizitätsmodul von 13.12 GPa, einer Poisson-Zahl von 0.544 und ρ(CO2) = 1560 Kg m−3 (Musiolik et al.,2016a) ergibt sich die Oberflächenenergie zu

γ(CO2) = 0.17+0.26−0.13 J m−2. (3.12)

Diese Oberflächenenergie ist um einen Faktor von ca. 2höher als der von Wood (1999) abgeschätzte Wert. Da die

65

Page 66: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.20.0

0.2

0.4

0.6

vi [m/s]

ε

Abb. 3.6: Restitutionskoeffizient für das Gemisch (1:1) ausporösen CO2-H2O-Aggregate. Entnommen ausMusiolik et al. (2016b).

Struktur der Aggregate jedoch porös ist und plastischeVerformungen weniger Kraft benötigen als für die entspre-chenden Festkörper, ist die Oberflächenenergie damit eherüberschätzt.Das Kollisionsverhalten für gemischte H2O-CO2-Aggregate(Verhältnis 1:1 mit einer Abweichung von 5%) ändert sichim Vergleich dazu. Der Restitutionskoeffizient wird in Abb.3.6 dargestellt. Da die gemischten Aggregate etwas stär-ker an das Gas innerhalb des Aufbaus koppeln, könnennur kleinere Relativgeschwindigkeiten erreicht werden alsfür CO2-Aggregate. Die Haftgeschwindigkeit ist um einenFaktor von ca. 10 größer als bei reinen CO2-Aggregatenmit vS = 0.43 ± 0.03 m s−1. Die anderen Fitparameterergeben sich zu A = 0.27 ± 0.05, a1 = −0.22 ± 0.4 undvc = 0.075 ± 0.12 m s−1. Das Kollisionsverhalten ist imBouncing-Bereich deutlich inelastischer als für reine CO2-Aggregate. Aufgrund der geringen Relativgeschwindigkeiten

66

Page 67: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

kann in diesem Fall keine Fragmentation beobachtet werden.Die Oberflächenenergie lässt sich analog für die gemischtenAggregate angeben. Das verwendete Wassereis hat eineDichte von 1000 Kg m−3, ein Elastizitätsmodul von 13 Gpaund eine Poisson-Zahl von ca. 0.3 (Musiolik et al., 2016b).Mit den Mittelwerten von diesen Größen für CO2-Aggregateund H2O-Aggregate mit einer Gewichtung von 1:1 kann dieOberflächenenergie für die gemischten Aggregate berechnetwerden. Diese beträgt

γ(CO2 − H2O) = 2.77+0.9−0.8 J m−2. (3.13)

Der Wert ist im günstigsten Fall um einen Faktor 10 höherals der Literaturwert von 0.19 J m−3 für reines Wassereis(Gundlach et al., 2011). Diese Abweichung könnte auchin diesem Fall durch die hohe Porosität und damit dieleichte inelastische Verformbarkeit der Aggregate zustandekommen. Gl. (2.38) gilt streng genommen für feste Materia-lien. Der effektive Kontaktradius kann z.B. mithilfe von Gl.(2.34) korrigiert werden. Die dafür notwendige Bestimm-barkeit der im Aggregat wirkenden Kräfte ist jedoch nichtohne Weiteres mit der vorhandenen Apparatur möglich. DieRechnung wird aufgrund dessen in der jetzigen Form füreinen weiteren Vergleich verwendet; mit dem Vermerk, dassdie absoluten Werte für γ abweichend ausfallen könnten.Das Kollisionsverhalten der H2O-Aggregate wird in Abb. 3.7dargestellt. Ein eindeutiger Übergang vom Sticking-Bereichzum Bouncing-Bereich lässt sich im Gegensatz zu den bisheranalysierten Fällen nicht angeben. Die Haftwahrscheinlich-keit für Geschwindigkeiten bis 0.5 m s−1 beträgt 0.65 und0.67 zwischen 0.5-1 m s−1.Unter der vereinfachten Annahme, dass die Oberflächenener-gie proportional zum Wasseranteil im Aggregat ansteigt,

67

Page 68: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

CO2 H2O-CO2

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.00.0

0.2

0.4

0.6

vi [m/s]

ε

Abb. 3.7: Restitutionskoeffizient für poröse H2O-Aggregate. Die mittlere Haftwahrscheinlichkeitbeträgt 0.66. Entnommen aus Musiolik et al.(2016b).

bzw. γ ∝ pw + const., ergibt sich mithilfe von Gl. (2.38)

vS(pw) = x1 (pw + x2)56 (3.14)

mit den Konstanten x1 und x2. Da vS für einen Wasseran-teil von pw = 0 und pw = 0.5 bekannt ist, lässt sich dieHaftgeschwindigkeit für pw = 1 extrapolieren und beträgtvS(1) ≈ 0.73 m s−1. Der zugehörige Verlauf wird in Abb.3.8 gezeigt. Dabei betragen die Konstanten aus dem Fitx1 = 0.711 m s−1 und x2 = 0.031. Dieses Ergebnis ist unterBerücksichtigung der Tatsache, dass bei der Diversität anAggregat-Formen keine definierte Haftgeschwindigkeit an-gegeben werden kann und der Übergangsbereich sich übermehrere 0.1 m s−1 Intervalle erstrecken kann, konsistentmit der Beobachtung der Kollisionen bis 1 m s−1.Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Haft-geschwindigkeit der verwendeten, porösen H2O-CO2-

68

Page 69: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.00.0

0.2

0.4

0.6

0.8

H2O-Anteil

v S[m

/s]

Abb. 3.8: Haftgeschwindigkeit für poröse CO2-H2O-Aggregate in Abhängigkeit des H2O-Anteils.Werte über 0.5 für der H2O-Anteil sind mit-hilfe von Gl. (3.14) extrapoliert. Abbildung ausMusiolik et al. (2016b).

Aggregate mit dem Wasseranteil einem Potenzgesetz miteinem Exponenten von 5

6 zwischen 0.04-0.73 m s−1 folgt. Diezugehörigen Oberflächenenergien fallen aufgrund der Struk-tur der Aggregate deutlich höher aus, als für die zugehörigenFestkörper.

3.4.3 Aufbau zur Messung temperaturabhängigerKontaktkräfte

Für die Messung temperaturabhängiger Kontaktkräfte mussim Vergleich zu dem im Abschnitt 3.4.1 aufgeführten Ex-periment die Temperatur auf einige Kelvin genau geregeltwerden können. Für diesen Zweck wird der in Abb. 3.9gezeigte Versuchsaufbau verwendet. Im Prinzip wird auch

69

Page 70: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

LED

Kryostat

KameraKupferplatte

HeizfolieEisschicht

Eiskugel

HubmagnetManipulator

Ni-Draht

Abb. 3.9: Experimeteller Aufbau zur Messung temperatu-rabhängiger Kontaktkräfte für Eiskugeln. Ent-nommen aus Musiolik und Wurm (2019), bear-beitet.

hierbei ein Kupferblech mithilfe eines Kryostaten mit flüs-sigem Stickstoff in einer Vakuumkammer gekühlt. Auf derKupferplatte wird eine Heizfolie mit Wärmeleitkleber be-festigt, welche gegen das Kühlen heizt und somit auf eineeingestellte Temperatur regelt. Auf der Heizfolie ist ein2x2x0.5 cm3 großer Kupferblock mit Wärmeleitkleber befes-tigt, der die Trägheit der Temperaturänderung durch einegrößere, gesamte Wärmekapazität erhöht.Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Experiment ist dieBestimmung der Kontaktkräfte. Dafür muss es möglichsein, Kontakte gezielt zu lösen und dadurch Kräfte messenzu können. Über der Heizvorrichtung befindet sich hierfürein Manipulator mit einem 12V Hubmagneten, welcher injeder Richtung verfahren und zusätzlich in zwei Richtungen

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Page 71: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

gedreht werden kann. Auf dem Hubmagneten ist ein Ni-Draht mit einem torusförmigen Ende befestigt, auf dem,wie unten beschrieben, Eiskugeln erzeugt werden können.Durch die Anlegung einer Spannung kann der Hubmagnetgesteuert werden.Die Temperatur wird über einen Transistor geregelt, welcherdurch ein Entwicklungsboard (Arduino Mega2560) geschal-tet wird. Dazu wird auf diesem Mega2560 ein PID-Reglerimplementiert. Die zugehörigen Parameter werden über dieserielle Schnittstelle (via USB) direkt über eine für Win-dows erstellte Steuerungssoftware übergeben. Die aktuelleTemperatur wird über zwei PT1000-Elemente gemessen,die unmittelbar auf der Oberfläche des Kupferblocks mitWärmeleitkleber montiert sind. Damit kann die Temperaturauf dem Kupferblock zwischen 175 und 273 K mit einerGenauigkeit von ±1 K gesteuert werden.Sobald das Kupferblech auf die gewünschte Temperaturgekühlt wurde, kann in dem Ni-Draht ein H2O-Tropfenmithilfe einer Pipette platziert werden. Dieses friert durchKonvektion und Temperaturstrahlung im Abstand von we-nigen mm über der Kupferplatte aus. Auf der Kupferplatteselbst wird eine Schicht aus H2O erzeugt. Dazu wird ebensoein H2O-Tropfen auf die Kupferplatte mit der Pipette plat-ziert. Dieser verteilt sich in der Ebene und friert aus (wasaufgrund von zusätzlicher Wärmeleitung etwas schneller alsbei dem Tropfen geschieht). Danach wird die Vakuumkam-mer auf 1.5 ± 0.1 mbar evakuiert. Die Eiskugel wird dannauf der Eisoberfläche platziert. Nachdem sich ein Kontaktausgebildet hat, kann Sie mithilfe des Hubmagneten wiedernach oben gezogen werden.Der Vorgang wird mithilfe einer Highspeed-Kamera imLED-Durchlicht bei 3000 fps aufgezeichnet. Aus der Be-

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Page 72: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

2 mm 2 mm 2 mm 2 mm

Abb. 3.10: Beispiel für die Beschleunigung des Hubmagne-ten nach dem Aufbrechen des Kontaktes bei30 fps. Entnommen aus Musiolik und Wurm(2019), bearbeitet.

schleunigung des Hubmagneten mit der Eiskugel kann aufdie Haftkraft zwischen der Eiskugel und der Eisoberflächegeschlossen werden. Der Vorgang ist in Abb. 3.10 aufgeführt.Die Genauigkeit bei der Bestimmung der Kraft mit demHubmagneten wird maßgeblich durch die Reibung inner-halb des Magneten bestimmt und liegt bei ca. 0.05 mN, wasaus »Leermessungen« ohne des Lösens von ausgebildetenEiskontakten bestimmt werden kann.Neben der Bestimmung von Kontaktkräften sollen mit demAufbau auch kritische Rollkräfte gemessen werden. Dafürwird an dem Ni-Draht an dem Hubmagneten ein weiterer Ni-Draht mit einem freien Gelenk zum ersten Draht befestigt(vgl. Abb. 3.11). Damit wird effektiv ein Hebel erzeugt, auswelchem mithilfe der Beschleunigung des Hubmagneten einDrehmoment berechnet werden kann (s. auch Gl. (3.16)).Die kritischen Rollabstände können wie die Haftkräfte vonder Temperatur abhängig gemessen werden.

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Page 73: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

Fsol

lw

2 mm

Abb. 3.11: Beispiel für die Bestimmung der kritischenRollkräfte. Entnommen aus Musiolik undWurm (2019), bearbeitet.

3.4.4 Vergleich der temperaturabhängigenHaftkräfte zwischen Wassereis undSilikaten

Wassereis wird typischerweise von einer Benetzungsschichtbedeckt. Diese Benetzungsschicht besteht aus einem Ge-misch zwischen amorphem Wassereis, flüssigem Wasser2undH−, sowie OH− Ionen. Bei Raumtemperatur beträgt dieDicke dieser Schicht ca. 30 A und wird mit fallender Tem-peratur kleiner.Gärtner et al. (2017) führen temperaturabhängige Neu-tronenstreuexperimente mit Wassereis durch und stellenfest, dass ab einer Temperatur unter 200 K die Benetzungs-schicht aufgelöst wird. Außerdem ändert das Wassereis seinevollständig hexagonale Kristallstruktur zu einem Gemischaus hexagonaler und kubischer Kristallstruktur und einemAnteil an amorphen Wassereis. Die Autoren schließen, dass

2Der Übergang zwischen dem Festkörper und dem umgebenden Gasmuss kontinuierlich sein.

73

Page 74: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Wassereis bei kleineren Temperaturen schlechter haftet. Die-se Folgerung hätte für Protoplanetare Scheiben eine großeAuswirkung: während das Wachstum der Aggregate im in-neren Bereich der Scheibe an der Snowline noch durch eineWassereisschicht stärker ausfallen würde, würde sich diesein kalten Regionen eher nachteilig darauf auswirken.Um die Hafteigenschaften, bzw. die Oberflächentempera-tur von Wassereispartikeln zu messen, wird der in Ab-schnitt 3.4.3 skizzierte Versuchsaufbau verwendet (Musio-lik und Wurm, 2019). Dabei werden Haftkräfte zwischenR = 1.1 ± 0.31 mm großen, weitestgehend sphärischenWassereis-Kugeln und einer Eisebene bei 1.5 mbar gemes-sen. Die Eiskugeln werden dabei durch einen Hubmagnetenvon der Oberfläche getrennt, woraus eine Beschleunigung(und damit Kraft) bestimmt werden kann. Die Temperaturder Eisschicht wird durch eine Heizfolie in einem Bereichvon 175-240 K mit einer Genauigkeit von 1 K geregelt.Die gemessenen, temperaturabhängigen Haftkräfte werdenin Abb. 3.12 dargestellt. Jeder Datenpunkt wurde dabei ausvier separaten Messungen gemittelt. Für eine Temperaturoberhalb von 200K bleiben die Haftkräfte konstant undbetragen ca. 5 mN. Für kleinere Temperaturen fällt dieHaftkraft nichtlinear ab und erreicht einen Wert von ca. 0.1mN bei einer Temperatur von 175 K. Der zugehörige Fitist durch 3Nπγ(T )ΦR definiert und wurde mithilfe von Gl.(3.15) erstellt. Dabei sind die Haftkräfte nicht von der Zeitabhängig, in welcher die Eiskugel auf der Eisoberfläche liegt(Musiolik und Wurm, 2019). Damit können Effekte, wiedas Sintern der Eiskugeln auf der Eisoberfläche, praktischausgeschlossen werden.Durch die lineare Beziehung zwischen der kritischen Haft-kraft und der Oberflächenenergie nach JKR (s. Gl. (2.35))

74

Page 75: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

180 200 220 2400.01

0.10

1

10

T [K]

Fc,M

[mN]

Abb. 3.12: Messung von Haftkräften von 1.11 mm großenWassereis-Kugeln abhängig von der Tempe-ratur. Entnommen aus Musiolik und Wurm(2019).

ist durch die Messwerte in Abb. 3.12 auch ein γ(T ) definiert.Die Werte für γ(T ) werden in Abb. 3.13 aufgezeichnet. ImPrinzip folgt γ(T ) derselben physikalischen Abhängigkeitvon der Temperatur wie die Haftkraft. Für den Bereichzwischen 200-240 K nimmt die Oberflächenenergie einenWert von ca. 0.5 J m−2 an. Vergleicht man dieses Ergebnismit dem kleineren Wert von Gundlach et al. (2011) von0.19 J m−2, so würde sich aus dieser Differenz unter An-nahme von N = 3 Kontakten ein Φ = 0.83 oder ΦR = 0.93mm ergeben, was konsistent mit der Beobachtung von bei-nahe sphärischen Eiskugeln in dem Experiment (s. auchAbschnitt 3.4.3) ist. Ferner würde für geringe Temperaturenvon 175 K eine Oberflächenenergie von γ(175K) ≈ 0.0029J m−2 folgen.Für den Temperaturverlauf der Oberflächenenergie ergibt

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Page 76: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

180 200 220 2400.01

0.050.10

0.501

T [K]

NΦγ[J/m

2 ]

Abb. 3.13: Oberflächenenergie in Abhängigkeit von derTemperatur für 1.11 mm große Kugeln ausWassereis. Entnommen aus Musiolik undWurm (2019).

sich empirisch eine Abhängigkeit von

γ(T ) = γc + γd0 tanh (β(T − T0)) , (3.15)

wobei γc, γd0, β und T0 konstant sind. Aus dem Fit ergebensich für diese Konstanten die Werte γc = 0.0078 J m−2,γd0 = 0.5 J m−2, β = 0.078 K−1 und T0 = 193.2 K.Mit demselben Aufbau können ferner auch kritische Rollkräf-te bestimmt werden. Damit wird mithilfe des Hubmagnetenüber einen Hebel der Länge lw die Eiskugel auf der Eisober-fläche ins Rollen gebracht. Die Rollkraft Fr hängt in diesemFall mit der Kraft des Hubmagneten Fsol über

Fr = FsollwR

(3.16)

zusammen. Das auf die Eiskugeln typisch wirkende, kritischeDrehmoment beträgt 10−6 N m. Die daraus resultierenden

76

Page 77: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

180 200 220 2400.01

0.10

1

10

T [K]

Fr[m

N]

Abb. 3.14: Kritische Rollkraft in Abhängigkeit von derTemperatur für 1.11mm große Kugeln ausWassereis. Abbildung aus Musiolik und Wurm(2019).

Kräfte werden in Abb. 3.14 aufgeführt. Prinzipiell ist derVerlauf der Rollkräfte mit der Temperatur vergleichbar mitdem Verlauf der Haftkräfte. Die kritische Rollkraft bleibtab 200 K konstant und beträgt ca. 1 mN. Für kleinereTemperaturen fällt sie bis 180 K auf 0.1 mN ab. Im Vergleichzu den direkten Haftkräften ist die Rollkraft damit umeinen Faktor von etwa 10 kleiner. Das ist konsistent mitden Ergebnissen von Dominik und Tielens (1997) für dieSimulation von Silikaten. Der zugehörige Verlauf ist durchden Ausdruck 3πNΦγ(T )(N −NR)d gegeben.Der Anfang des Rollens ist immer auch mit einem kritischenRollabstand verknüpft (s. Gl. (2.37)). Dieser wird in Abb.3.15 dargestellt. Über den gesamten Temperaturbereichbleibt der kritische Rollabstand mit d = 0.19 mm konstant.Dieser Wert ist hoch im Vergleich zu dem kritischen Roll-abstand eines Kontakts (Dominik und Tielens, 1997), wo er

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Page 78: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

180 200 220 2400.01

0.050.10

0.501

T [K]

(N−NR

)d[m

m]

Abb. 3.15: Kritischer Rollabstand für 1.11 mm großeKugeln aus Wassereis. Der Durchschnitt vond = 0.19 mm beschreibt den mittleren Ab-stand zwischen Kontakten. Entnommen ausMusiolik und Wurm (2019).

eher auf atomaren Skalen liegt. Physikalisch betrachtet istein kritischer Rollabstand von 0.19 mm auch nicht zu er-warten. Es ist in diesem Fall viel wahrscheinlicher, dass dieKugel mit mehreren Kontakten auf der Eisoberfläche liegtund das d = 0.19 mm eher dem mittleren Abstand zwischendiesen Kontakten entspricht. Eine mögliche Kombinationwäre z.B. N = 3 Gesamtkontakte und NR = 2 Kontakte,über welche die Kugel rollt.Die exakte Anzahl der Kontakte kann nicht experimentellbestimmt werden; möglich wären auch mehr als N = 3Gesamtkontakte. Im Grenzfall vieler Kontakte würde, wiebereits im letzten Kapitel erwähnt, der makroskopische kriti-sche Rollabstand di durch eine mikroskopische Beschreibungmithilfe der Vielzahl von Asperiten beschrieben werden (s.das Modell von Greenwood und Williamson (1966)). Auch

78

Page 79: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

in diesem Fall könnten die Kontakte durch einen effektivenKrümmungsradius NΦ = 1 definiert werden. Die Anzahlder Kontakte ließe sich sodann über N = d0

dimit einem

konstanten Kontaktradius d0 approximieren. Damit wäreder Faktor Φ proportional zum Asperitenabstand.Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Oberflä-chenenergie von Wassereis zwischen 0.0029-0.19 J m−2 imTemperaturbereich von 175-240 K ansteigt. Der von Heimet al. (1999) gemessene Wert für Silikate liegt mit 0.02 Jm−2 innerhalb dieses Intervalls. Damit wäre Wassereis inwarmen Regionen der Protoplanetaren Scheibe zwar besserfür das Wachstum von großen Aggregaten geeignet, würdejedoch in kühleren Regionen der Scheibe keinen Vorteil mehrmit sich bringen. Neue Erkenntnisse über die Haftkräfte vonSilikaten sagen sogar voraus, dass die Oberflächenenergieeher bei 0.2 J m−2 für trockene Verhältnisse (höchstens eineMonolage Wasser auf der Oberfläche) liegt (Kimura et al.,2015; Steinpilz et al., 2019b).

3.4.5 Wachstum an den Snowlines: GesamtbildDie in den vorherigen Abschnitten aufgeführten Experimen-te zeigen, dass sich Wassereis durchaus vorteilhaft im Wachs-tumsprozess von Aggregaten in Protoplanetaren Scheibenzeigen kann. Im Vergleich zu CO2-Eis ist die Haftgeschwin-digkeit von Wassereis sogar bei Temperaturen unterhalbvon 200 K um einen Faktor von 10 höher. Der Vergleichzwischen Wassereis und Silikaten erweist sich als nicht soeindeutig. Je nach Temperatur und damit dem Abstand zumStern ändert sich das Verhältnis der Haftgeschwindigkei-ten zwischen Wassereis und Silikaten. In warmen Regionenum die H2O-Snowline haftet Wassereis besser als Silikate.

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Page 80: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Weiter entfernt von der Snowline haften Silikate wiederumbesser. Quantitativ lässt sich mithilfe von Gl. (2.38), Gl.(3.7) und schließlich der Abhängigkeit aus Gl. (3.15) eineHaftgeschwindigkeit abhängig von der radialen Position inder Scheibe berechnen. Diese wird in Abb. 3.16 exempla-risch für zwei unterschiedliche Temperaturen T0 bei 1 AUund Partikelgrößen gezeigt.

1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5

0.001

0.010

0.100

1

Abstand zum Stern [AU]

v S[m

/s]

10−6m

10−3m

PPS C PPS H

Abb. 3.16: Haftgeschwindigkeiten abhängig vom Abstandzum Stern für Silikate mit (durchgezogen)und Wassereis (gestrichelt) für unterschiedlicheTeilchengrößen (rot für 10−6 m, schwarz für10−3 m) und Temperaturbedingungen (Snowli-nes für Temperaturen bei 1 AU von T0 = 300K (PPS C) und T0 = 400 K (PPS H), durch-gezogen fett) in der Protoplanetaren Scheibe.

Für Silikate wurde hier eine Oberflächenenergie von γ =0.02 J m−2 nach Heim et al. (1999) gewählt. Für Was-sereis wird die temperaturabhängige Oberflächenenergieaus dieser Arbeit verwendet. Dem Sonnensystem ähnliche

80

Page 81: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.4 Snowline: Experimente

Protoplanetare Scheiben, wo die Temperatur bei 1 AU ca.300 K beträgt, weisen den Snowline-Übergang gemäß desMMSN-Modells bei ca. 2 AU auf (Musiolik et al., 2016a).Hinter dieser Snowline überwiegen die Hafteigenschaftenvon Wassereis. Bei einem Abstand von ca 2.3-2.4 AU zumStern hebt sich dieser Vorteil aufgrund der fallenden Tem-peratur und der damit verschwindenden Benetzungsschichtauf den Wasseraggregaten wieder auf3. Damit wäre dasKollisionswachstum von größeren Aggregaten auf ein sehrkleines Intervall von 2-2.4 AU in der Protoplanetaren Schei-be beschränkt. Das erklärt möglicherweise auch, warumPebble-Wachstum in der Vergangenheit in der Nähe derKondensationslinien beobachtet wurde (Zhang et al., 2015).Für wärmere Protoplanetare Scheiben (T0 = 400 K bei 1AU) sind die Hafteigenschaften von Wassereis bis 4.2-4.3AU besser als die der Silikate. Hierbei muss jedoch beachtetwerden, dass sich die Snowline selbst aufgrund der höherenTemperatur zu einem größeren radialen Abstand von ca.3.55 AU zum Stern verschiebt.Für höhere Oberflächenenergien, die Kimura et al. (2015) be-schreibt, würde der Vorteil der Hafteigenschaften von Was-sereis im Hinblick auf das Wachstum von Aggregaten nochkleiner ausfallen. Allerdings ist bei den Drücken und Tem-peraturen in einer Protoplanetaren Scheibe bis zur Snowlineeher damit zu rechnen, dass die Aggregate mit einer Schichtaus Wasser benetzt sind (Blevins et al., 2016). Die vonGundlach und Blum (2014) gemessene Haftgeschwindig-keit von ca. 10 m s−1 für µm große Wassereispartikel istnicht konsistent mit den Werten aus Abb. 3.16. Eine Erklä-rung existiert derzeit nicht. Möglich wäre, dass bei derart

3unter der Annahme, dass die Haftgeschwindigkeit von Silikatennicht temperaturabhängig ist

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Page 82: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

hohen Kollisionsgeschwindigkeiten der Restitutionskoeffi-zient aufgrund dynamischer Effekte kleiner wird, d.h. diekinetische Energie der Aggregate in Wärme und plastischeVerformungen umgewandelt wird.

3.5 Tribocharging: ExperimenteDas durch Tribocharging bedingte Kollisionswachstum unddessen Übertragung auf das Wachstum von Körpern in-nerhalb der Protoplanetaren Scheibe wurde bisher nichtuntersucht. Wie bereits erwähnt, existieren Arbeiten, diedas Tribocharging selbst untersuchen. Diese reichen vonexperimentellen Ansätzen, in welchen die Phänomenologiedes Effekts erfasst wird, bis hin zu theoretischen, quanten-mechanischen Erklärungsversuchen.Mit Tribocharging ist das elektrische Aufladen von Iso-latoren durch Kollisionsreibung gemeint. Die Stärke vonTribocharging hängt von den Größenunterschieden der Par-tikeln ab. Je größer dieser ist, umso stärker wird auch dieKollisionsaufladung. Außerdem tendieren die größeren Teil-chen dazu, sich positiv aufzuladen (Love et al., 2014; Leeet al., 2015; Waitukaitis et al., 2014). Auch bei einer Be-netzung mit einer Wasserschicht ist der Effekt verstärkt(Siu et al., 2014). Sogar für relativ ähnliche und trockeneTeilchen scheint der Mechanismus zu funktionieren, wasweitere Fragen im Bezug auf den Ursprung dieses Effektsaufwirft (Jungmann et al., 2018).Auf mikroskopischer Ebene wird der Tribocharging Effektoft durch das »Trapped Electron«-Modell beschrieben (Lo-well und Truscott, 1986). Dieses Modell geht davon aus,dass auf der Oberfläche der Isolatoren Elektronen zufälligverteilt sind. Dabei wird diesen Elektronen zufällig ein Ener-

82

Page 83: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.5 Tribocharging: Experimente

gieniveau zugeordnet. Kann durch den Kontakt bei einerKollision das Elektron nun auf das andere Teilchen in eingünstigeres Energieniveau springen, so findet der Ladungs-transfer statt. In Simulationen konnte das Tribochargingmithilfe des Modells gut nachgestellt werden (Duff undLacks, 2008).

3.5.1 Das ARISE-ExperimentDa die Messung von sehr kleinen Kontaktkräften durchdie gravitative Anziehungskraft der Erde jedoch oft nichtmöglich ist, besteht die Notwendigkeit auf andere Plat-formen wie z.B. Parabelflüge oder Experimente auf derInternationalen Raumstation auszuweichen. Spielen schwa-che Effekte, wie die elektrische Aufladung, eine Rolle, sobenötigt man eine längere Phase der Schwerelosigkeit, inwelcher diese Effekte quantitativ (z.B. durch die Ablenkungim EM-Feld) bestimmt werden können. Der experimentelleAufbau »ARISE«, in welchem solche Effekte im Bezug aufdie Bouncing Barrier in der Planetenentstehung untersuchtwerden können, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.ARISE wird über zwei Monate auf der Internationa-len Raumstation im Kibo-Modul im Rahmen des DLR»Überflieger«-Programms betrieben. Der g-jitter liegt hierim Durchschnitt auf der Größenordnung von 10−4 g und istnicht isotrop. Mithilfe des Experiments lassen sich sowohlgranulare Effekte, wie »granulares Schmelzen«, als auch dieAufladung der Kugeln durch Tribocharging untersuchen.Ein Schema des Aufbaus ist in Abb. 3.17 aufgeführt. DasExperiment befindet sich in einem 10x10x15 cm3 großenAluminium-Behälter und wiegt zusammen mit diesem ca.2 Kg. Es wird durch einen USB3.0-Typ B-Anschluss mit

83

Page 84: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

3 x LiPo

PiCam

Raspberry PiMain-Board

Watchdog

ElektronikLED-Board

Probenkammer

Deckel

Power-Cut-Board

Voice Coils

Abb. 3.17: Schematische Darstellung des ARISE-Experiments. Entnommen aus Steinpilz et al.(2019a).

einem Rack verbunden, über den das Experiment maximalmit 900 mA bei 5 V DC betrieben wird. Die eigentlicheProbenkammer besitzt eine maximale Größe von 5x5x5 cm3.Dieses Volumen kann durch den Deckel auf minimal 5x5x1cm3 reduziert werden. Die Probe in der Probenkammerbesteht aus SiO2-Kugeln mit einer Größe von 858 ± 16 µm(gaußverteilt, als Abweichung wird die Standardabweichungangegeben).Der Rest des Platzes innerhalb der Aluminium-Box wird von

84

Page 85: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.5 Tribocharging: Experimente

der Steuerungselektronik und der Kamera mit Beleuchtungeingenommen. Um sowohl den Deckel der Probekammer,bzw. den hierzu zugehörigen Motor vor der Probenkam-mer, als auch die Voice Coils zu betreiben, werden Schritt-motortreiber (DRV8834) verwendet. Diese sind auf demMain-Board installiert. Die Temperatur und Luftfeuchtig-keit werden durch einen ebenfalls auf dem Main-Boardbefindlichen atmosphärischen Sensor (BME280) gemessen.Die DRV8834-Treiber und der BME280-Sensor werden überdas I2C-Protokoll von einem Raspberry-Pi (RaPi) gesteuert.Die Kamera wird unmittelbar durch den RaPi betrieben. Dadas Experiment weitestgehend automatisch ablaufen muss,wird der RaPi von einem Watchdog (Arduino Nano) über-wacht. Sollte sich der RaPi aufhängen, wird er mithilfe desWatchdogs neugestartet. Das Experiment wird nicht direktüber den USB3.0-Port betrieben, sondern über drei 1400mAh Lithium-Ionen-Akkus (LiPo) gepuffert. Das ermög-licht kurzfristig mehr Strom zu verbrauchen und etwaigeStromschwankungen abzufangen. Die zugehörigen Spannun-gen werden stets über den Watchdog überwacht. Die LiPoswerden über einen sich ebenfalls auf dem Elektronik-Boardbefindenden MCP73831-Chip aufgeladen. Der für den RaPizuständige LiPo wird mit 500 mA geladen (da der RaPidauernd an ist) und die restlichen mit 100 mA. Hinterder Probenkammer befindet sich ein LED-Board mit neunLEDs. Diese werden von einem SN3218 Treiber über I2Cmithilfe des RaPis gesteuert. Außerdem befindet sich aufdem LED-Board eine real-time-clock DS3231, über die perI2C die aktuelle Uhrzeit ausgelesen werden kann. Das Power-Cut-Board wird unmittelbar hinter dem USB3.0-Steckergeschaltet und beinhaltet Sicherungen und Kondensatoren.Außerdem sind hier auch zwei 375nm UV-LEDs befestigt,

85

Page 86: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

die frontal zur Probenkammer ausgerichtet leuchten kön-nen. In dem Experiment ist ebenfalls ein ca. 2.5x2.5 cm2

großer Lüfter zur Kühlung eingebaut. Die UV-LEDs undder Lüfter werden über einen N-MOSFET geschaltet. DieWände der Probekammer dienen als ein 3.3 V Kondensator,mit welchem eine elektrisch aufgeladene Probe abgelenktwerden kann.Der RaPi wird mithilfe eines modifizierten Linux-Betriebssystems betrieben. Mithilfe eines Cronjobs werdenSpannungen und atmosphärische Daten im 60s-Takt ausge-lesen und gespeichert. Außerdem wird hierbei auch geprüft,ob neue Experimente auf den RaPi aufgespielt wurden. DasBetriebssystem arbeitet mithilfe eines Ringspeichers auf derSD-Karte im RaPi. Während eine Partition nur von RaPiausgelesen und beschrieben werden kann, kann die zweitePartition über den USB3.0-Port von Windows ausgelesenund beschrieben werden. Die Partitionen werden nach jedemNeustart des RaPis gewechselt. So können Experimentdatenvon der SD-Karte kopiert werden und neue Experimenteauf der anderen Partition ausgeführt werden.Ein Experiment besteht aus einer Shell-Datei, welche vomRaPi ausgewertet wird. Pro Tag werden ca. 10-20 Experi-mente erstellt und über die Betreiber »NanoRacks« übereine Internetverbindung und den USB3.0 Port auf ARISEkopiert. Die experimentellen Daten vom Vortag können hier-bei runtergeladen werden. Insgesamt werden somit in zweiMonaten über 1000 Experimente durchgeführt und 200GBDaten, größtenteils komprimierte H264-Videodateien, er-zeugt.Die Experimente zeigen unterschiedliche granulare Verhal-ten, die in Steinpilz et al. (2019a) zusammengefasst werden.In dieser Arbeit werden im Folgenden zwei dieser Effekte

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Page 87: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.5 Tribocharging: Experimente

näher erläutert. Ein Beispielbild, welches die dispergierteProbe in der Probenkammer zeigt, befindet sich in Abb.3.18.

1cm

Abb. 3.18: Ein Beispiel für das Verhalten der Probe inSchwerelosigkeit nach dem Rütteln mit denVoice-Coils bei offenem Volumen der Probe-kammer.

3.5.2 Haftgeschwindigkeit für geladene SilikateFür die Planetenentstehung ist Tribocharging insbesondereim Bezug auf die Änderung der Haftgeschwindigkeit relevant.Damit ist gleichwohl die mögliche Größe der durch Kollisio-nen erzeugten Aggregate verknüpft. Für diesen Zweck wirdARISE, ein granulares Experiment auf der Internationalen

87

Page 88: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.050.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

vi [m/s]

ε

Abb. 3.19: Restitutionskoeffizient für aufgeladene, 861 µmgroße SiO2-Kugeln.

Raumstation, durchgeführt. Der technische Aufbau wirdin Steinpilz et al. (2019a) und auch in Abschnitt 3.5.1 indieser Arbeit erläutert. Mit ARISE werden Kollisionen vonbeinahe Monodispersen, 858 ± 16 µm großen (gaußverteilt)SiO2-Kugeln untersucht. Dafür werden ca. 105 dieser Kugelnin einem Volumen von 5x5x1 cm3 gerüttelt und durch Kol-lisionen aufgeladen. Nach dem Aufladen wird das Volumenauf 5x5x5 cm3 vergrößert und weitere (deutlich seltenere)Kollisionen mit einer Kamera beobachtet. Damit kann derRestitionskoeffizient für die SiO2-Kugeln in Abhängigkeitvon deren Relativgeschwindigkeit bestimmt werden. Dieserwird in Abb. 3.19 dargestellt.Die Daten erfassen dabei mehrere Experimente. Im All-gemeinen ist der Verlauf des Restitutionskoeffizienten ver-gleichbar mit dem in Abb. 2.3 dargestellten Verhalten. Diegroße Streuung wird im Wesentlichen durch zwei Faktorenbestimmt. Zu einem kann die Z-Komponente der Teilchen-

88

Page 89: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.5 Tribocharging: Experimente

0.002 0.004 0.006 0.008 0.010 0.012 0.0140.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

vi [m/s]

Pstick

Abb. 3.20: Die aus dem Restitutionskoefizienten abgele-leitete Haftwahrscheinlichkeit über 0.002 ms−1 Schritte gebinnt. Durchgezogen durch dieDatenpunkte ist ein linearer Fit.

bewegung aus 2D-Daten nicht hinreichend gut bestimmtwerden. Außerdem kann in Abb. 3.19 der Stoßparameter(bzw. der Stoßwinkel) nicht hinreichend gut berücksichtigtwerden.Aus dem Restitutionskoeffizienten lässt sich auch in die-sem Fall auf eine Haftgeschwindigkeit schließen. Wegen derstarken Streuung und wenigen Datenpunkten für höhere Re-lativgeschwindigkeiten wird die Haftgeschwindigkeit jedochnicht mithilfe eines Fits bestimmt. Dazu sind die bisheraufgeführten Modelle zu ungenau. Stattdessen ist hierfürdie Bestimmung einer Haftwahrscheinlichkeit in einem be-stimmten Geschwindigkeitsintervallen besser geeignet. DieHaftwahrscheinlichkeit wird in Abb. 3.20 dargestellt.Mit steigender Kollisionsgeschwindigkeit fällt die Wahr-scheinlichkeit für ein Haftereignis mehr oder weniger linear

89

Page 90: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

ab. Eine mögliche Definition der Haftgeschwindigkeit resul-tiert nun aus Pstick(vS) = 1

2 . Gerade wenn mehr als jedeszweite Teilchen bei einer Kollision haften bleibt, spricht manvon der Haftgeschwindigkeit. Aus dieser Definition folgt einvS ≈ 5 mm s−1. Da die effektive Oberflächenenergie sichdurch die gesamte Ladung auf den Kugeln ändert, steigtauch die Haftgeschwindigkeit. Mithilfe von Gl. (3.10), Gl.(2.38) und Gl. (2.20) lässt sich die Ladung zu

Q = 1.94R

23γ

13 ε

12el,0κ

12

E∗13

(E∗

25Rρ

35 − 38.6γ

) 12 (3.17)

abschätzen. Mit γ = 0.02 J m−2, E∗ = 50 Mpa, ρ = 2650Kg m−3 und κ ≈ R/10 (s. auch Jungmann et al. (2018))ergibt sich dabei eine Ladung von etwa Q ≈ 7.5 · 106e. DasErgebnis ist im Wesentlichen konsistent mit den Befundenaus den Fallturmexperimenten von Jungmann et al. (2018).Allerdings ist dieses Ergebnis auch davon abhängig, welchenWert die Oberflächenenergie γ annimmt. Für γ = 0.2 J m−2

erhält man hierbei eine Ladung von Q ≈ 1.5 · 107e.Die Interpretation des Ergebnisses ist dennoch bislang nichteindeutig. Eine höhere Haftgeschwindigkeit könnte durchandere Effekte, wie Benetzung der Probe mit Wasser oderFetten oder ihre Oberflächenrauigkeit, verursacht werden.Sollten auch weitere Experimente die aus dem Restituti-onskoeffizienten berechnete Nettoladung bestätigen, dannführt die effektive Zunahme der Oberflächenenergie zu mitWassereis vergleichbaren Haftgeschwindigkeiten (vgl. auchAbb. 3.16). Dies würde vor allem im inneren Bereich derScheibe (Dead Zone) einen signifikanten Einfluss auf dasKollisionswachstum haben.

90

Page 91: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.6 Kontaktkräfte und Informationsentropie: Experimente

3.6 Kontaktkräfte undInformationsentropie: Experimente

Mithilfe des ARISE-Experiments (s. Abschnitt 3.5.1) lassensich auch weitere granulare Effekte beobachten, aus welchenman z.B. die adhäsiven Eigenschaften solcher Granulateabschätzen kann. Eines dieser Effekte ist das »granulareSchmelzen«. Durch die nicht isotrope Verteilung des g-jittersverklumpt die Probe nach einigen Minuten in der Proben-kammer an einer Seite. Vergrößert man das Volumen undlässt damit Luft in die Probenkammer, so zerfällt der vorhererzeugte Cluster mit der Zeit, was in Abb. 3.21 dargestelltwird. Der Begriff des granularen Schmelzens bezieht sichdamit nicht auf einen thermodynamischen Schmelzvorgang,sondern bezeichnet hierbei den reinen Effekt eines granu-laren Zerfalls. Diesen Unterschied festzuhalten ist wichtig,weil thermodynamische Begriffe sich prinzipiell nicht ana-log auf granulare Systeme übertragen lassen. Als eine sehrhilfreiche Größe in der Analyse des granularen Schmelzenserweist sich die Informationsentropie, welche für einzelneBilder numerisch berechnet werden kann. Diese soll nichtmit der Entropie log(Ω) mit der Anzahl der möglichen Konfi-gurationen eines Granulates Ω, wie es hin und wieder in derLiteratur in Erwägung gezogen wird (Edwards und Oakes-hott, 1989; Edwards, 1990), verwechselt werden. Es handeltsich vielmehr um die Informationsentropie nach Shannon(1948), für welche die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmteGrauwerte im Bild bevorzugt auftreten, ausschlaggebendist. Die Beziehung zwischen der Shannon’schen Informati-onsentropie für ein Bild des Granulats und dem Vorgangdes granularen Schmelzens wird im folgenden Abschnittnäher erläutert.

91

Page 92: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Abb. 3.21: Ein mit der Zeit/Volumen schmelzender Clus-ter. Die Sequenz wird mit 0.3 fps gezeigt. DieKugeln haben eine Größe von 858 µm und dieSeitenlänge der Probenkammer beträgt 5 cm.Entnommen aus Musiolik et al. (2019).

3.6.1 Die Beziehung zwischen derShannons’schen Informationsentropie, derkinetischen Energie und der Zeit granularerSysteme

Die Informtionsentropie nach Shannon (1948) ist gegebendurch die Beziehung

H ∝∑i

pi log (pi) . (3.18)

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Page 93: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.6 Kontaktkräfte und Informationsentropie: Experimente

Bezogen auf die Analyse der Bilder, wie in Abb. 3.21 auf-geführt, ist pi die Wahrscheinlichkeit einen Grauwert i proPixel wiederzufinden. Für monochrome Bilder hätte manbeispielsweise nur zwei Wahrscheinlichkeiten; pS für dieWahrscheinlichkeit, dass ein zufälliger Pixel im Bild schwarzist und pW für die Wahrscheinlchkeit, dass dieser weiß er-scheint. Für die Proportionalitätskonstante sei hier −1 ge-wählt (damit H stets positiv ist).Die Entropie eines Bildes, in dem die Teilchen örtlich kom-plett separiert sind, ist größer als für Systeme aus zusam-menhängenden Teilchenclustern. Der Grund dafür ist dieabnehmende Wahrscheinlichkeit dafür, Pixeln mit Grauwer-ten der Teilchen aufgrund ihres Überlapps zu finden. Um dieMethode der Berechnung zu verdeutlichen, sei ein Beispiel-Pixelsystem mit drei Teilchen und aus drei Grauwertenbetrachtet (s. Abb. 3.22). Das System besteht aus insge-

Abb. 3.22: Beispiel zur Änderung Shannon’scher Entro-pie für separierte Teilchen (links) und zusam-menhängende Cluster (rechts). Abbildung ausMusiolik et al. (2019).

sammt 81 Pixeln. Im separierten System mit drei einzelnen

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Page 94: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

Teilchen sind die Wahrscheinlichkeiten der Grauwerte indem gegebenen Beispiel pW = 45

81 , pG = 2481 und pS = 12

81 ,woraus für die Shannon’sche Entropie H ≈ 0.97 folgt. Fürden zusammenhängenden Cluster erhält man dagegen mitpW = 57

81 (weiße Pixel), pG = 1381 (graue Pixel) und pS = 11

81(schwarze Pixel) eine Shannon’sche Entropie von H ≈ 0.81.Die aus dem ARISE-Experiment analysierten Bilder werdeninsgesamt durch 256 Grauwerte beschrieben. Es wird fürjedes Bild einer Messung ein Histogramm erzeugt, aus demsich anschließend die Wahrscheinlichkeiten pi der einzelnenGrauwerte bestimmen lassen. Diese sind dann wie in demBeispiel durch das Verhältnis aus der Größe i-ten Bins undder Gesamtzahl der Pixel im Bild gegeben. Damit lässtsich die Shannon’sche Entropie für jeden Zeitpunkt desSystems bestimmen und auftragen. Diese ist für das obengezeigte Experiment (Abb. 3.21) in Abb. 3.23 dargestellt.Die Shannon’sche Entropie der Bilder steigt monoton undsättigt für lange Zeitskalen. Der durch die Daten gelegteFit folgt aus einem Modell für die Entropie, welches weiterunten beschrieben wird. Außerdem lässt sich die Informati-onsentropie zu einer bestimmten Zeit gegen die kinetischeEnergie pro Teilchen im System zu demselben Zeitpunktauftragen. Es zeigt sich, dass die Abhängigkeit zwischenbeiden Größen linear ist, wie in Abb. 3.24 dargestellt.Die lineare Abhängigkeit zwischen der Entropie H und derkinetischen Energie T lässt sich also durch

1ζH = 1

ζΞ + T (3.19)

beschreiben, wobei ζ und Ξ reelle Konstanten sind. Ξ be-schreibt dabei, welche Entropie das System hat, ohne dasssich ein Teilchen bewegt, d.h. T = 0. ζ ist eine Proportiona-litätskonstante. Für die Abschätzung der vorhin gezeigten

94

Page 95: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.6 Kontaktkräfte und Informationsentropie: Experimente

0 5 10 150.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Zeit [s]

Inform

ationsentrop

ie

Abb. 3.23: Zeitabhängige Informationsentropie für dengranularen Schmelzvorgang. Abbildung ausMusiolik et al. (2019).

Zeitabhängigkeit wird eine Differentialgleichung für die Mo-dellierung der Bewegung der Glaskugeln betrachtet.

dv

dt= ∆M− 6πRKη

Mv. (3.20)

Die Kugeln werden als ideale Sphären betrachtet und durcheine einwirkende Kraft ∆, in diesem Fall der Luftstrom,gelöst. Diese Kraft wird näherungsweise als konstant an-genommen. Da die Kugeln erst dann zerfallen, wenn ih-re Adhäsionskraft überwunden wird, ist ∆ stark mit derAdhäsionskraft korreliert. Sie ist jedoch nicht nur auf dieAdhäsion beschränkt. ∆ beschreibt sozusagen eine mittlere,richtungsunabhängige Gesamtkraft pro Kugel. Außerdemkoppeln die Kugeln an die Gasbewegung. Dieser Effekt wirddurch die zur Relativgeschwindigkeit der Kugeln zur Gas vproportionalen Stokesreibung beschrieben. Ferner ist hier

95

Page 96: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

0.00 0.05 0.10 0.150.45

0.50

0.55

0.60

Kinetische Energie [µJ]

Inform

ationsentrop

ie

Abb. 3.24: Beziehung zwischen der Informationsentropieund der mittleren kinetischen Energie des Gra-nulates. Die Datenpunkte wurden laufend aus15 Nachbarpunkten gemittelt (Moving Avera-ge). Abbildung aus Musiolik et al. (2019).

η die dynamische Viskosität des Gases, RK der mittlereKugelradius und M die mittlere Kugelmasse. Die Lösungder Differentialgleichung ist gegeben durch

v(v0,∆, t) = ∆6πRKη

+(v0 −

∆6πRKη

)exp

(−6πRKη

Mt).

(3.21)

Dabei ist v(0) = v0 die Anfangsbedingung der Bewegungder Kugel. Für die Informationsentropie in dem Systemfolgt dann

H(t) = Ξ + ζN∑i=1

M

2 v2(v0,i,∆i, t)

= Ξ + ζNM

2 v2(〈v0〉, 〈∆〉, t).(3.22)

96

Page 97: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.6 Kontaktkräfte und Informationsentropie: Experimente

Die Annahme hierbei ist, dass jede der N Kugeln im Systemdie durchschnittliche Anfangsgeschwindigkeit 〈v0〉 besitztund auf jede Kugel dieselbe durchschnittliche Kraft 〈∆〉wirkt. Insgesamt folgt damit die Zeitabhängigkeit zu

H(t) = Ξ + ζNM〈∆〉272π2R2

Kη2

+ ζNM〈∆〉6πRKη

(〈v0〉 −

〈∆〉6πRKη

)exp

(−6πRKη

Mt)

+ ζNM

2

(〈v0〉 −

〈∆〉6πRKη

)2

exp(−12πRKη

Mt).

(3.23)Um den Term zu vereinfachen, werden die Konstanten zu-sammengefasst, sodass sich insgesamt

H(t) ≡ α + β exp(−σt) + β′ exp(−σ′t). (3.24)ergibt. Für t ∈ R+ kann diese Gleichung durchβ′ exp(−σ′t) → 0 approximiert werden, da σ′ = 2σ gilt.t ∈ R− gilt nur für sehr spezielle Fälle, in denen Clusterbil-dung erzwungen wird. Ein Beispiel dafür kann in Musioliket al. (2019) gefunden werden.Die Informationsentropie in Abb. 3.23 wurde zu α ≈ 1normiert. Für die anderen Fitparameter ergibt sich dannβ = 0.668 ± 0.019 und σ = 0.094 ± 0.006. Aus σ kannferner die Viskosität des Gases zu η = 10 µPas berechnetwerden. Die Fitparameter aus Abb. 3.24 folgen zu Ξ/a =0.418± 0.003 und ζ/a = 1.19± 0.03 µJ−1.

3.6.2 Informationsentropie und AdhäsionWie erwähnt, hängt die Kraft ∆(γ) von der Kontaktkraftund damit der Oberflächenenergie γ ab. Eine genaue Ab-

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Page 98: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3 Planetenentstehung

hängigkeit lässt sich dennoch nicht daraus ableiten. Eineweitere Konstante, die jedoch durchaus auch von der Ober-flächenenergie der Kugeln abhängig ist, ist die KonstanteΞ(γ).Die Informationsentropie wird durch einen JKR-Kontaktreduziert, da die auf das aufgenommene Bild projizierteKugeloberfläche durch den Kontakt kleiner ist. Werden zweiKugeln separiert, so ist die Entropie größer. Gleichzeitigwird die im Kontaktenergie ES als kinetische Energie derKugeln T frei (s. Gl. (3.19)). Da Gl. (3.19) linear ist, ergibtsich für die Differenz der Informationsentropie von zweiKugeln im Kontakt H (©©) und der Informationsentropiezweier freien Kugeln H (©+©) insgesamt

δH = H (©©)−H (©+©) = ζδT = ζES. (3.25)

mit der Haftenergie ES. Die Haftenergie kann also unmittel-bar aus der Änderung der Informationsentropie bestimmtwerden.Die einzelnen Beiträge können jedoch zumindest für einfacheSysteme aus zwei Kugeln auch exakt berechnet werden.Dafür seien zwei nebeneinander liegende, monochromatische(d.h. nur zwei Graustufen), quadratische Zellen mit jeweilsder Seitenlänge RK betrachtet, in welchen sich zwei Kugelnmit dem Radius RK befinden. Die Informationsentropiedieser Bilder wäre

H (©+©) =∣∣∣pS log(pS) + (1− pS) log(1− pS)

∣∣∣ (3.26)

mit pS = DπR2K/(2RK)2 = Dπ/4. Das ändert sich, wenn die

beiden Kugeln zur Projektionsebene auf das aufgenommeneBild verdreht sind. Berücksichtigt wird dieser Effekt hiervereinfacht von einem Faktor D. Für viele Messungen ergibt

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Page 99: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

3.6 Kontaktkräfte und Informationsentropie: Experimente

sich dieser Faktor aus dem statistischen Mittel über eineIntegration über den Rotationswinkel.Für zwei im Kontakt stehende Kugeln verringert sich dieprojizierte Kugeloberfläche um ein Kreissegment pro Kugel.Dies ist durch die kritische Auslenkung dc,J, bzw. den kriti-schen Kontaktradius ac,J aus dem JKR-Modell bedingt (s.Gl. (2.15)). Die Informationsentropie für diese Anordnungwäre gegeben zu

H (©©) =∣∣∣pC log(pC) + (1− pC) log(1− pC)

∣∣∣ (3.27)

mit pC ≈ D(πR2K − (4/3)ac,Jdc,J)/(4R2

K). Da ac,J, dc,J unddamit auch pC von der Oberflächenenergie abhängig ist,kann allein aus der Messung der Entropie numerisch auf γgeschlossen werden.Die Adhäsionskräfte innerhalb eines großen Clusters lassensich analog zu den bisher aufgeführten Beispielen für zweiKugeln bestimmen. Dafür sei angenommen, dass der Clustermonochrom und zudem rotationssymmetrisch ist mit einemRadius von RC . Eine Kugel in dem Cluster bildet dabei imDurchschnitt NC Kontakte zu benachbarten Kugeln aus.Der Cluster soll insgesamt einen Füllfaktor von φ aufweisenund in Ruhe, d.h. T = 0, sein. Die Informationsentropieaus einem solchen Cluster lässt sich dann mithilfe von

Ξ ≈∣∣∣pN log (pN) + (1− pN) log (1− pN)

∣∣∣ (3.28)

mit der Wahrscheinlichkeit

pN = DφN4R2C

(πR2

K −83NCac,Jdc,J

)(3.29)

berechnen.

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Page 100: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie
Page 101: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

Entstehung vonKometen und vonPlanetesimalen 4Unser Sonnensystem beinhaltet neben den Planeten undMonden, welche den größten Teil seiner Masse ausmachen,unzählbar viele, kleinere Asteroiden und Kometen. Diesebleiben im Wesentlichen nach der frühen Entstehungsphaseder Planeten innerhalb einer Protoplanetaren Scheibe unver-ändert. Das ermöglicht es zu erfahren, welche Bedingungenbei der Bildung größerer Körper über die Bouncing Barrierhinaus erfüllt sein müssen. In diesem Kapitel werden nebeneinigen Theorien über die Struktur von Asteroiden und Ko-meten auch experimentelle Ergebnisse zur Zugfestigkeitenihrer Analogmaterialien vorgestellt.

4.1 Struktur von Kometen und AsteroidenDirekte Kometen- und Asteroidenproben werden in Missio-nen wie z.B. Stardust, oder die Mission zu 81P/Wild 2 un-tersucht (Brownlee, 1985; Hörz et al., 2006; Trigo-Rodríguezet al., 2008). Aus dem Modell des Kollisionswachstums inder Planetenentstehung erhält man bereits eine Vermutungüber die interne Struktur dieser Gesteinsproben. Sie solltenaufgrund der Bouncing Barrier in der Regel aus bis zu mmgroßen Aggregaten bestehen. Das weitere Wachstum erfolgt

101

Page 102: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

über andere, bislang nur kurz in dieser Arbeit diskutierteMechanismen.Die Proben aus Borrelly, Wild 2 oder Churyumov-Gerasimenko weisen eine hohe Porosität auf und sind aus10−8 − 10−6 m großen Partikeln aufgebaut (Brownlee et al.,2006; Davidsson und Gutiérrez, 2004; Pätzold et al., 2016).Die Dichten liegen bei 0.18-0.3 g cm−3, 0.38-0.6 g cm−3

und 0.533 g cm−3 und damit deutlich unterhalb der Dichtefür Wasser. Gustafson und Adolfsson (1996) untersuchendie Füllfaktoren von Meteoriten, welche sogar Werte von0.12 annehmen können. Die hohe Porosität hängt, so dieVermutung, mit unterschiedlichen internen Strukturen derProben zusammen. Eine Möglichkeit ist, dass solche Probenursprünglich neben den soliden, monolithischen Partikelnauch mit Wasser gefüllte Zwischenräume aufwiesen. Auf-grund von weiteren Prozessierungen (z.B. Temperaturein-wirkung durch Sonnenstrahlung) und der Resublimationdieses Wassers können diese Zwischenräume wieder freiwerden (Trigo-Rodriguez und Blum, 2009).Hohe Porositäten können jedoch auch auftreten, wenn diemakroskopische Porosität zwar groß, jedoch die mikroskopi-sche Porosität der Partikel klein ist. Fulle et al. (2015) un-tersuchen ausgestoßene, feine Staubproben von Churyumov-Gerasimenko und suggerieren, dass nur ein kleiner Teildieser in Wirklichkeit hohe Porositäten aufweist. WeitereAufschlüsse über die genaue Struktur von Kometen- undAsteroidenproben können nur besser Verstanden werden,wenn man weitere charakterisierende Größen berücksichtigt.Eine dieser Größen ist die Zugfestigkeit zwischen den ein-zelnen Partikeln solcher Proben. Um den Zusammenhangzu verdeutlichen: eine hohe makroskopische Porosität resul-tiert in abnehmender Kontaktzahl pro Partikel und kann

102

Page 103: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.1 Struktur von Kometen und Asteroiden

letztendlich zu kleineren Zugfestigkeiten führen.Die Zugfestigkeiten von festem Gestein sind vergleichsweisesehr hoch und liegen eher auf der MPa-GPa Größenord-nung. Zugfestigkeiten von Aggregaten, die aus µm großenPartikeln bestehen, liegen im Vergleich dazu eher bei 1 kPa(Blum et al., 2006). Die Annahme hierbei ist, dass diese nichtverschmolzen sind, sondern allein aufgrund von Oberflächen-kräften zusammengehalten werden. Für Aggregate, die ausgrößeren Partikeln zwischen 102-104 µm aufgebaut sind,erhalten Trigo-Rodríguez und Llorca (2006, 2007) aus einerUntersuchung von meteoritischen Proben eine Zugfestigkeitvon 0.4-10 kPa. Tsuchiyama et al. (2009) untersuchen dieZugfestigkeit von ca. 250 µm kohlenstoffartiger Chondrenund erhalten Zugfestigkeiten zwischen 0.3-30 Mpa.Die Bestimmung der Zugfestigkeit ist wichtig, weil sieAbschätzungen darüber erlaubt, wann größere, aus Sub-Partikeln bestehende Aggregate noch stabil sind. Das er-möglicht wiederum Rückschlüsse über die diesen Aggregatenzugrundeliegenden Bildungsmechanismen zu ziehen. ÜberGravitationsinstabilitäten erzeugte Körper (Johansen et al.,2007) sollten nach heutigem Kenntnisstand eine Zugfestig-keit auf der Größenskala von 1 Pa aufweisen (Skorov undBlum, 2012; Blum et al., 2014; Blum et al., 2015; Brissetet al., 2016). Da die Zugfestigkeiten von den analysiertenKometen- und Asteroidengestein durchaus höher sind, bleibtdie Frage offen, welcher Mechanismus dafür infrage kommt.Denkbar wären z.B. thermische Prozessierungen im Laufeder Zeit oder eine Kompaktierung durch Einschläge vonMeteoriten. Auch die Frage danach, welche Größenvertei-lung der Sub-Partikel zu Proben führen kann, die man aufden Asteroiden und Kometen vorfindet, ist interessant undbisher nicht hinreichend geklärt.

103

Page 104: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

In jedem Fall ist die genaue Bestimmung der Zugfestigkeitenhilfreich für das Verständnis der Entstehung von Kometenund Asteroiden. Im Folgenden werden Experimente undErgebnisse für die Messung der Zugfestigkeiten für basalti-sches Analogmaterial vorgestellt. Diese wurden mithilfe vonzwei neuen Messverfahren bestimmt (Musiolik et al., 2017),welche zunächst im Abschnitt 4.2.1 vorgestellt werden.

4.2 Experimente: Zugfestigkeit vonbasaltischen Analogmaterialien

Die Messverfahren zur Bestimmung der Zugfestigkeit beru-hen auf dem Knudsen-Effekt und sind destruktiv, d.h. dieProbe wird durch die Messung zerstört. Zunächst wird diephysikalische Funktionsweise dieser Messung vorgestellt.Der Knudsen-Effekt wird zuerst von Knudsen (1909) ent-deckt. Dieser Effekt beschreibt den Massenfluss des Gasesin physikalischen Systemen, deren charakteristische Län-genskala λm auf der Größenordnung der mittleren freienWeglänge lS des Gases liegt. Dafür wird auch die Knudsen-Zahl eingeführt mit

Kn = λmlS, (4.1)

für die in diesem Fall Kn ≈ 1 gilt. Der experimentelleAufbau von Knudsen besteht aus zwei großen, mit Gasgefüllten Kammern, welche durch ein Rohr mit einer zuKn ≈ 1 korrespondierenden Größe verbunden sind. Erhitztman eine der Kammern auf die Temperatur T2 > T1, wobeiT1 die Temperatur der anderen Kammer ist, so findet einMassenfluss des Gases von der kalten zur warmen Kammer.

104

Page 105: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.2 Experimente: Zugfestigkeit von basaltischen Analogmaterialien

Das erscheint zunächst kontraintuitiv, ist jedoch für Kn & 1immer gültig. Der maximale Druckunterschied, welcher ausdem Knudsen-Fluss resultiert, beträgt

∆p = p0

(√T2

T1− 1

), (4.2)

mit dem Umgebungsdruck p0.Der Knudsen-Effekt wurde zunächst phänomenologisch be-schrieben. Eine mikroskopische Erklärung erfolgt erst deut-lich später und wird z.B. von Muntz et al. (2002) vorgestellt.Dabei müssen zwei Massenflüsse berücksichtigt werden. DerMassenfluss des Gases unmittelbar an der Wand des Rohrsist durch eine Strömungsrichtung zur warmen Kammer mitT2 definiert. In der Mitte des Rohrs zeigt die Strömungs-richtung zur kalten Kammer mit T1. Schrumpft die Größedes Rohrs auf Kn & 1, so wird der letztere Beitrag ver-nachlässigbar. Auf der atomaren Ebene ist die Interaktionzwischen den Gasmolekülen und der Wand nicht als idealesBillard aufzufassen. Die Gasmoleküle werden von der Wandadsorbiert, und erst nach einer gewissen Zeit weitestgehendwinkelunabhängig desorbiert. Diese Winkelunabhängigkeitder Desorption sorgt für einen Netto Gasfluss zur warmenKammer.Der Knudsen-Effekt kann verwendet werden, um die Zug-festigkeit von basaltischen Aggregaten zu messen. lS istdie charakteristische Porengröße der Aggregate. Durch dieAnpassung des Umgebungsdrucks (Vakuumkammer) kannman außerdem die mittlere freie Weglänge des Gases so an-passen, dass Kn ≈ 1 gilt. Erwärmt man dann das Aggregatzunächst so lange, bis es im thermodynamischen Gleichge-wicht ist und lässt es wieder eine gewisse Zeit abkühlen, sowird es (analog zum Bild mit zwei Kammern) im Kern die

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Page 106: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

Knudsen-Fluss Fragmentation

VI VE

Abb. 4.1: Durch den Knudsen-Fluss verursachte Fragmen-tation und Expansion der Fragmente. Entnom-men aus Musiolik et al. (2017).

Temperatur T2 aufweisen und auf der Oberfläche T1 mitT2 > T1. Ab diesem Zeitpunkt kann das Gas gemäß desKnudsen-Effekts in das Innere des Aggregates fließen unddort den Überdruck nach Gl. (4.2) erzeugen. Übersteigtdie zugehörige Knudsen-Kraft, d.h. der Druck ∆p verteiltauf die innere Porenfläche des Aggregates, die Kontaktkraftzwischen den Chondren, so zerfällt das Aggregat. Insgesamtvergrößert sich dadurch das Volumen des Aggregates VIdurch die Fragmentation und das dadurch expandierendeGas auf das Volumen VE (vgl. Abb. 4.1). Die Zugfestigkeitlässt sich unter Annahme dieses Modells auf zwei Artenberechnen. Die erste Methode greift auf die Beschleunigungder Fragmente zurück. Dafür sind optische Aufnahmen mithohen Bildraten notwendig. In der zweiten Methode wirddie Zugfestigkeit aus der kinetischen Energie der Fragmentenach der Fragmentation ermittelt. Diese Methode bedarfzwar weiterer Annahmen; dafür ist die Notwendigkeit hoher

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Page 107: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.2 Experimente: Zugfestigkeit von basaltischen Analogmaterialien

Bildraten bei der Aufnahme nicht gegeben.Die Zugfestigkeiten werden für basaltisches Analogmaterialund zum Vergleich auch für Silikate und ein Marsanalog ausPalagonit bestimmt. Die Größenverteilung der Aggregatereicht von 50-1000 µm (s. auch Abschnitt 4.2.1.)

4.2.1 Aufbau zur Messung der Zugfestigkeitdurch den Knudsen-Effekt

Die Messung der Zugfestigkeit von Aggregaten durch denKnudsen-Effekt beruht immer auf demselben Prinzip. Manerhitzt die Aggregate zunächst von außen, bis Sie eine ho-mogene Temperatur annehmen. Bricht man die Beheizungdanach spontan ab, so kühlt das Aggregat erst von außenab. Das erzeugt einen Temperaturgradienten, welcher zumGasfluss ins Innere des Aggregates führt (Knudsen-Fluss).Der daraus resultierende Überdruck führt zur Fragmentati-on der Aggregate. Die Zugfestigkeit wird in dieser Arbeitmithilfe von zwei Verfahren bestimmt, die im Folgendenvorgestellt werden sollen (s. auch Abb. 4.2).

Laborexperimente bei 25000 fps

Die Messung der Zugfestigkeit im Labor hat den Vorteil,dass man hohe Aufnahmeraten mit der Kamera einstellenkann und somit direkt die Beschleunigung der Fragmentedes Aggregates zeitlich auflösen kann. Somit muss mankeine weiteren Annahmen für die Auswertung treffen, sodassdie daraus bestimmte Zugfestigkeit mit hoher Sicherheitangegeben werden kann.Das Experiment befindet sich in einer Vakuumkammer beieinem Druck von ca. 2 mbar. Das zu untersuchende Aggregat

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Page 108: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

Kamera

Laser

Staub

Kamera

Heizung

LED

LED

Vakuumkammer Vakuumkammer

Abb. 4.2: Experimente zur Bestimmung der Zugfestigkeit.Links ist der Aufbau für Messung bei Schwerelo-sigkeit (1000 fps, entnommen aus Musiolik et al.(2017)) und rechts der Laboraufbau (25000 fps).

wird zunächst auf einer rotierenden Heizvorrichtung plat-ziert. Danach wird das Aggregat auf ca. 620 K erhitzt undvon der Heizvorrichtung fallen gelassen. Während des freienFalls kühlt das Aggregat von außen ab und fragmentiert in-nerhalb von wenigen Millisekunden wie eben dargestellt. DieFragmentation wird mithilfe einer Highspeed-Kamera imLED-Durchlicht bei 25000 fps aufgezeichnet. Die optischeAuflösung der Kamera beträgt dabei 6 µm. Ein Beispiel füreine Sequenz dieses Vorgangs befindet sich in Abb. 4.3.Für die Laborexperimente werden drei unterschiedliche Pro-ben verwendet. Bei der ersten handelt es sich um basalti-sches Analogmaterial. Als zweites Material werden SiO2-Kugeln verwendet. Die dritte Probe ist das Analogmaterialfür Marsstaub JSC600, welches bei 600 K ausgeheizt wurde.Die zugehörigen Größenverteilungen werden in Abb. 4.4gezeigt.

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Page 109: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.2 Experimente: Zugfestigkeit von basaltischen Analogmaterialien

1 mm 1 mm1 mm

Abb. 4.3: Ein Beispiel für ein Fragmentationsereignis imfreien Fall. Die zeitlichen Abstände in der Se-quenz betragen 0.8 ms. Jedes Bild stellt eineFläche von 1 mm2 dar. Entnommen aus Musio-lik et al. (2017), bearbeitet.

Volumenverteilung

BasaltSiO2JSC600

Größe [µm]

0.10.05

0.01

10 50 100 500 1000

Abb. 4.4: Größenverteilung (Volumen) der verwendetenProben. Entnommen aus Musiolik et al. (2017).

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Page 110: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

Experimente in Schwerelosigkeit bei 1000 fps

Die Experimente bei 1000 fps werden im Fallturm unterSchwerelosigkeit durchgeführt. Die Aggregate lassen sichwährend des über 9 s langen, freien Falls besser als inLaborexperimenten beobachten. Damit ist keine Auflösungder initialen Beschleunigung der Fragmente nach dem Zerfallmehr möglich. Vielmehr wird die Zugfestigkeit mithilfe einesModells über ihre kinetische Energie bestimmt.Das Experiment wird in Abb. 4.2 links dargestellt. Die zer-fallenden Aggregate werden in diesem Fall mithilfe einesLasers aus einem Staubbehälter durch eine lichtinduzierteErosion in die Probekammer gebracht (s. auch z.B. (de Beu-le et al., 2014)). Der Laser (955 nm Wellenlänge) hat einenDurchmesser von 3.4 cm auf der Stauboberfläche mit ei-nem Durchmesser von 7 cm. Es werden in dieser StudieBasalt und JSC verwendet. Die Intensität der Lasers wirdfür das basaltische Material zu 5.4 kW/m2 und für JSCzu 12.7 kW/m2 eingestellt. Die Temperatur T2 auf derStauboberfläche beträgt schätzungsweise 420 K - 650 K.Diese Abschätzung beruht auf der Simulation von Kocifajet al. (2011). Wenn man annimmt, dass die Bestrahlungs-dauer der Oberfläche ca. 1-5 s beträgt, so erhält man fürden 5.4 kW/m2 Laser T2 ∈ [420K; 480K] und für den 12.7kW/m2 Laser T2 ∈ [560K; 650K]. Eingesetz in die Gleichungnach Knudsen (Gl. (4.2)) ergibt sich dadurch ein maximalzu erzeugender Überdruck innerhalb der Aggregate von∆p ∈ [73Pa; 105Pa] und ∆p ∈ [146Pa; 189Pa]. Dieses Er-gebnis ist also konsistent mit den ausgewerteten Werten fürdie Zugfestigkeit aus Abb. 4.5.

110

Page 111: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.2 Experimente: Zugfestigkeit von basaltischen Analogmaterialien

4.2.2 ErgebnisseIn diesem Abschnitt werden die Ergebnisse für die bestimm-ten Zugfestigkeiten für beide, zuvor beschriebene Messme-thoden vorgestellt.

Bestimmung der Zugfestigkeit durchBeschleunigung der Fragmente

Die Koordinaten der Fragmente können bei einer hohen zeit-lichen Auflösung der Aufnahme (25000 fps) in Abhängigkeitvon der Zeit als parabelförmig angenähert werden. Dabeiwird die Bewegung in die x- und y-Richtung berücksich-tigt. Die Parabeln werden an die Koordinaten derart miteinem quadratischen Polynom angepasst, sodass die Fitfun-tion den kleinsten quadratischen Fehler aufweist. Aus demFit erhält man damit eine Beschleunigung. Man beachte,dass diese Werte aufgrund von fehlenden 3D-Informationennur eine minimale Abschätzung darstellen. Die Masse derFragmente wird mithilfe des Volumens einer Kugel mitdem mittleren Radius aus der Stirnfläche des Fragmentesbestimmt. Mit einer Dichte von 2890 Kg m−3 für das basal-tische Analogmaterial ergibt sich dadurch die Masse undunter Berücksichtigung der zuvor bestimmten Beschleu-nigung eine effektive Kraft, durch welche die Fragmentebeschleunigt werden. Für 10 analysierte Fragmente ergibtsich daraus eine Zugfestigkeit von

∆pacc = 31.4± 17.4 Pa. (4.3)

Mit dieser Methode wurde nur das basaltische Materialuntersucht.

111

Page 112: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

Bestimmung der Zugfestigkeit mithilfe vonkinetischer Energie

Die Zugfestigkeit lässt sich technisch betrachtet leichteraus der kinetischen Energie der Fragmente im Bezug zurBewegung des ursprünglichen Aggregates ermitteln. Dafürreichen in der Regel optische Aufnahmen von bis zu 1000fps aus. Die kinetische Energie der Fragmente ist gegebenzu

∆Ekin =∑i

12mivi (4.4)

und liegt für die studierten Aggregate auf einer Größenskalavon 0.1 nJ.Die Energie, welche durch den Druckabfall nach der Frag-mentation frei wird, beträgt

Epres =∫

(Pi − Po) dV. (4.5)

Da die Beschleunigung bei dieser Bestimmungsmethodenicht hinreichend genug ermittelt werden kann, sei an die-ser Stelle angenommen, dass die Expansion adiabatischvonstatten läuft. Diese wird durch die Konstante b = PiV

κ

mit dem Isentropenexponenten κ beschrieben. Insgesamtergibt sich damit

Epres =∫ VE

VI

(b

V κ− Po

)dV

=b(V 1−κE − V 1−κ

I

)1− κ + Po (VI − VE)

(4.6)

mit dem ursprünglichen Volumen des Aggregates VI unddem expandierten Volumen des Aggregates VE. Die Kon-stante ist gegeben durch b = (Po + ∆P )V κ

I , woraus sich

112

Page 113: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.2 Experimente: Zugfestigkeit von basaltischen Analogmaterialien

1 2 3 4 5 6 70

50

100

150

200

Probennummer

Zugfestig

keit[Pa]

basalt SiO2 JSC600

Abb. 4.5: Aus der kinetischen Energie bestimmte Zugfes-tigkeiten für unterschiedliche Materialien. Ent-nommen aus Musiolik et al. (2017).

insgesamt der Ausdruck

∆P = [Epres − Po(VI − VE)] (1− κ)V κI

(V 1−κE − V 1−κ

I

) − Po (4.7)

ergibt. Für den Isentropenexponenten gilt für trockene Luftκ = 1.4 (Kouremenos und Antonopoulos, 1987). Wenn manferner annimmt, dass die initiale Porengröße in einem Inter-vall zwischen [0.3RA; 0.8RA] mit dem Radius des AggregatsRA liegt, lässt sich das Volumen VI abschätzen. Für VEergibt sich ein Kugelradius von [RA + 17 µm;RA + 188 µm],was eine Abschätzung aus den Aufnahmen bei 25000 fps ist.Die Zugfestigkeit kann somit für ∆Ekin = Epres berechnetwerden, was eine Vereinfachung ist, bei der die gesamteFragmentationsenergie zu kinetischer Energie umgewandeltwird. Die Ergebnisse werden in Abb. 4.5 dargestellt. Es wur-den insgesamt drei Proben untersucht: basaltisches Material,

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Page 114: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4 Entstehung von Kometen und von Planetesimalen

das ein Analog zu kometarem Staub darstellt, SiO2-Kugelnund die als Analogmaterial für die Marsoberfläche dienen-de JSC600 Palagonit-Probe, welche bei 600 K ausgeheiztwurde.Wie sich zeigt, beeinflusst das Material zumindest nicht dieGrößenordnung der Zugfestigkeit. Das ist ein Indiz dafür,dass sie maßgeblich durch die interne Struktur bestimmtwird.

4.3 Entstehung von Kometen undPlanetesimalen: Gesamtbild

Die Zugfestigkeiten des untersuchten, kometaren Analog-materials liegen bei 31.4 ± 17.4 Pa (25000 fps Methode),bzw. bei 44.7 +60.3

−30.1 Pa (1000 fps Methode). Die Größenord-nung der Zugfestigkeit ist dabei nicht von den untersuchtenMaterialien (Basalt, SiO2-Kugeln, JSC600) abhängig. Be-merkenswert ist außerdem, dass die Proben eine relativvergleichbare Größe der Fragmente von ca. 100 µm aufwei-sen. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass kometares undplanetares Gestein generell aus Aggregaten dieser Größe auf-gebaut ist. Eine dies charakterisierende Größe könnte nebender Zugfestigkeit auch die Oberflächenenergie sein. Für diehier aufgeführten Messungen folgt für Kontaktdurchmesserzwischen den Partikeln im Bereich von 1-10 µm in ersterNäherung eine Oberflächenergie von ca. 0.01-1 J m−2.Die Messungen der Zugfestigkeit sind, zumindest im Be-zug auf die untere Grenze, im Einklang mit ehemaligenMessungen der Stardust- oder 81P/Wild-Mission von z.B.0.4-10 kPa (Brownlee et al., 2006; Trigo-Rodríguez undLlorca, 2006, 2007; Hörz et al., 2006). Ebenso sollte im

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Page 115: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

4.3 Entstehung von Kometen und Planetesimalen: Gesamtbild

Rahmen der Ergebnisse auch das Wachstum durch Gra-vitationsinstabilitäten betrachtet werden, bei welchen auskleinen, soliden Subaggregaten größere Aggregate durchKoagulation entstehen können (Blum et al., 2014; Groussinet al., 2015; Skorov und Blum, 2012). Bai und Stone (2010)zeigen, dass Stokeszahlen von bis zu 10−2 für Gravitations-instabilitäten notwendig sind, was mit einer Aggregatgrößeauf der cm-Skala korrespondiert. Obwohl also das Szenarioder Gravitationsinstabilitäten mit dem Aufbau der gemes-senen Proben im Einklang ist, existiert eine Lücke in derbestehenden Größe der Fragmente. Eventuell können durchGravitationsinstabilitäten deutlich kleinere Aggregate ku-muliert werden, als bislang gedacht.

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Page 116: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie
Page 117: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

Staubdynamik aufPlaneten 5Die Bewegung von Staub ist sowohl auf der Erde, als auchz.B. auf dem Mars ein oft anzutreffendes Phänomen. Diesezeigt sich z.B. in Form von Staubstürmen, Wanderdünenoder Staubteufeln. Die physikalische Beschreibung solcherProzesse spielt eine wichtige Rolle für die Vorhersage vonpotenziellen Staubbewegungen. Das globale Ausmaß vonStaubstürmen unterliegt vielen Mechanismen und wird inder Regel nur statistisch zu beschreiben sein. Im Mikrosko-pischen lässt sich dagegen das Ablösen eines Staubpartikelsmit den bisher beschriebenen Kontaktmodellen widerspie-geln. Obwohl die Übertragung auf das kollektive Phänomenvon Stürmen aus Staubkörnern oftmals schwierig ist, bestehtdennoch ein gewisser qualitativer Zusammenhang zwischendem mikroskopischen Modell und dem makroskopischenPhänomen. In diesem Kapitel wird die grundlegende Phy-sik des Ablösens von Staubkörnern aus einem Staubbettbeleuchtet. Es werden darüber hinaus Beobachtungen undExperimente vor allem im Bezug auf die Staubbewegungauf dem Mars und anderen Planeten (unterschiedliche gra-vitative Anziehungskräfte) dargelegt.

117

Page 118: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5 Staubdynamik auf Planeten

5.1 Theoretischer Hintergrund undBeobachtungen

Staubstürme sind ein häufig zu beobachtendes Phänomen.Sie können von der Bewegung einzelner Staubkörner, überdie Wanderung von Dünen, bis hin zur Bildung globalerStaubstürme reichen. Auf der Erde ist die größte Quelleder Bildung von Staubstürmen die Sahara-Wüste (Schützet al., 1981). Das Verhalten von Staubstürmen auf derglobalen Skala kann nur statistisch, wie z.B. in numerischenModellen, beschrieben werden. Die Stärke und Frequenzsolcher Staubstürme verändern sich mit der Zeit (Goudieund Middleton, 2001). Notwendige Bedingungen für dieEntstehung von Staubstürmen können aus der Betrachtungder Wechselwirkung zwischen einem Staubpartikel und demBoden hergeleitet werden.Eine wichtige Größe für die Quantifizierung der Staubbe-wegung ist die Grenzgeschwindigkeit u∗, ab welcher dieStaubkörner vom Boden gelöst werden. In der Literaturunterscheidet man weiterhin zwischen der für die Initiierung(»fluid threshold«) und der für die Aufrechterhaltung derStaubbewegung (»impact threshold«) notwendigen Grenz-geschwindigkeit (Pye und Tsoar, 2008). Im Weiteren solldie erste Variante der Definition verwendet werden. Hierbeilässt sich die Grenzgeschwindigkeit als

u∗ =√τ

ρ=√η

ρ

dvg(z)dz

(5.1)

ausdrücken (Schlichting und Gersten, 2016). Dabei sind τdie Schubspannung auf dem Staubboden und ρ die Dichtedes Gases. Die Schubspannung lässt sich aus der Ände-rung der Gasgeschwindigkeit vg in der Höhe z über dem

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Page 119: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5.1 Theoretischer Hintergrund und Beobachtungen

Staubboden und der dynamischen Viskosität des Gases ηangeben. In der Nähe des Bodens ist vg(z) linear und damitdvg(z)dz

konstant. Ab einer bestimmten Höhe ändert vg(z)das Verhalten und entwickelt sich logarithmisch mit derHöhe. Für die Grenzgeschwindigkeit u∗ am Boden ist dieseAbhängigkeit jedoch irrelevant.Eine besondere Rolle in der Forschung von Staubstürmenspielt der Mars. Der gesamte Planet ist mit einer Schicht ausStaub bedeckt und Staubstürme werden weitaus häufiger alsauf der Erde beobachtet. Sie können sich sogar über mehrereMonate über den gesamten Globus erstrecken (Zurek et al.,1992; Smith, 2004; Heavens et al., 2011). In der Regel wirddie Wechselwirkung zwischen den Gasmolekülen und demStaub hierbei turbulent sein. Experimente auf der Erdezielen schon sehr früh darauf ab, die Entstehung von solchenStaubstürmen auf dem Mars besser zu verstehen (Greeleyet al., 1980). Die reduzierte Gravitation spielt für die obenaufgeführte Grenzgeschwindigkeit eine erhebliche Rolle. Umdiesen Effekt zu simulieren, benutzen Greeley et al. (1980)Analogmaterialien (z.B. Walnussschalen) mit einer kleinerenDichte, als der Dichte des Staubes auf dem Mars.Basierend auf diesen Experimenten sollte die Grenzgeschwin-digkeit auf dem Mars nur selten überschritten werden. Daszeigen Vergleiche dieser Daten mit Abschätzungen aus me-teorologischen Daten für die Oberflächenwinde auf demMars (Hess et al., 1977; Schofield et al., 1997; Magalhãeset al., 1999; Holstein-Rathlou et al., 2009) und Verglei-che mit Simulationen (Forget et al., 1999; Haberle et al.,1999, 2003). Diese Problematik wird immer wieder von derLiteratur aufgegriffen, weil unser Verständnis der Kräfteauf Staubpartikel anscheinend für verschiedene g-Wertezumindest teilweise versagt (Jerolmack et al., 2006; Kok

119

Page 120: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5 Staubdynamik auf Planeten

et al., 2012; Wang und Zheng, 2015; Newman et al., 2017).Auch neuste Untersuchungen können die Frage nach derEntstehung von Stürmen auf dem Mars nur teilweise klären(White et al., 1987; Strausberg et al., 2005; Sullivan et al.,2005; Greeley et al., 2006; Merrison et al., 2007; Almeidaet al., 2008; Merrison et al., 2008; Sullivan et al., 2008; Kok,2010b,a; Bridges et al., 2012).Hin und wieder werden auch andere unterstützende Effek-te untersucht, welche die Grenzgeschwindigkeit auf demMars reduzieren können. So kann zum Beispiel die Be-strahlung durch Sonne zu Temperaturgradienten im Bodenführen. Dadurch würde es zum Knudsen-Fluss (vgl. auchGl. (4.2)) zur Oberfläche kommen, welcher Staubpartikellösen könnte (de Beule et al., 2014; Küpper und Wurm,2015). Auch Staubteufel können zu lokalen Druckdifferen-zen führen, die das Abheben des Staubes erleichtern (Balmeund Hagermann, 2006). In Simulationen rechnet man häufigmit reduzierten Grenzgeschwindigkeiten u∗ (bzw. direkt mitreduzierten Schubspannungen τ), um das Verhalten desStaubes auf dem Mars nachzubilden (Haberle et al., 2003;Kahre et al., 2006; Daerden et al., 2015). Windexperimentein reduzierter Schwerkraft, wie z.B. das von White et al.(1987) bleiben bis heute aufgrund der schweren Machbarkeitselten.Physikalisch betrachtet kann die Grenzgeschwindigkeit u∗ inAbhängigkeit von der Gravitation, der Adhäsion und von aufdas Staubpartikel wirkenden Drehmomenten beschriebenwerden. Letzterer Beitrag soll als Vereinfachung zunächstvernachlässigt werden. Dafür sei das Kräftegleichgewichtzwischen der Reibungskraft der Luft auf ein sphärischesStaubpartikel mit dem Radius r und der Masse M , der

120

Page 121: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5.1 Theoretischer Hintergrund und Beobachtungen

Gravitationskraft und der Adhäsionskraft betrachtet.

CLπ

2ρr2u∗2 =

∑j

FA,j +Mg. (5.2)

Hierbei ist CL der Strömungswiderstandskoeffizient. Es wirdüber alle Adhäsionskräfte summiert, die ein Staubpartikelzu benachbarten Staubpartikel ausbildet. Unter der wei-teren Annahme, dass die Kontaktkräfte sich durch dasJKR-Modell beschreiben lassen (s. Gl. (2.19)), folgt

∑j

FA,j ≈3N2 πγr, (5.3)

wobei N die mittlere Anzahl der Kontakte zwischen Staub-partikel darstellt. Insgesamt lässt sich dann das Kräfte-gleichgewicht nach der Grenzgeschwindigkeit u∗ auflösenund man erhält

u∗ =

√√√√ 43CL

(9N2

γ

ρd+ ρp

ρdg

), (5.4)

wobei d = 2r und ρp die Dichte des Partikelmaterials sind(Musiolik et al., 2018a). Insbesondere kann hier aber auchdie Anzahl der Kontakte aufgrund von Kompression desStaubes von der Anziehungskraft abhängig sein, d.h. N =N(g). Der Ausdruck ist ähnlich zu der von Shao und Lu(2000) hergeleiteten Gleichung. In der Literatur wird hin undwieder eine zusätzliche Konstante AN mit Werten zwischen0.1 und 0.2 und damit die Grenzgeschwindigkeit u∗A =√ANu

∗ betrachtet (Shao und Lu, 2000). Diese Konstanteberücksichtigt Abweichungen zwischen der Theorie und denMessungen in Windkanälen und wurde bereits von (Bagnold,1941) eingeführt.

121

Page 122: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5 Staubdynamik auf Planeten

Um die Abhängigkeit aus Gl. (5.4) zu verdeutlichen, wirdu∗ für CL = 0.43, ρ = 0.01 kg m−3, und ρp = 1900 Kgm−3 in Abb. 5.1 aufgeführt. Diese Werte sind typisch fürAnalogmaterialien des Marsbodens (Allen et al., 1997). Der

10−5 10−4 0.001 0.010 0.1005

10

50100

5001000

Partikeldurchmesser d [m]

u∗[m

/s]

10−5J/m2

5 · 10−4J/m2

10−2J/m2

0.38 g

1 g

Abb. 5.1: Beziehung zwischen der Grenzgeschwindigkeitund des Partikeldurchmessers für unterschiedli-che Oberflächenenergie und gravitative Anzie-hungskräfte.

Plot wird für N = 1 dargestellt. Variiert werden außerdemdie Oberflächenenergie und die gravitative Anziehungskraft.Die Grenzgeschwindigkeit weist ein Minimum für bestimmtePartikelgrößen auf. Das ist gerade dann der Fall, wenn dieOberflächenkräfte aufgrund der Teilchengröße (und damitihrer Trägheit) vernachlässigbar werden, aber die Gravitati-onskraft auf diese noch nicht hoch ist. Der Unterschied inder Gravitationsabhängigkeit spielt vor allem für Teilchen-größen über diesem Minimum eine signifikante Rolle. DieOberflächenenergie (oder aber auch die Anzahl der Kon-takte) verschiebt das Minimum zu größeren Teilchen und

122

Page 123: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente

höheren absoluten Grenzgeschwindigkeiten.Befinden sich die Staubpartikel einmal in der Luft, so kop-peln sie exponentiell an das Gas (Wurm et al., 2001) undihre Geschwindigkeit lässt sich dann durch

x(t, z) = (vg(z)− v0)tc exp(− t

tc

)+ vg(z)t+C, (5.5)

mit der Richtung des Windes entlang der x-Achse, der An-fangsgeschwindigkeit v0 des Teilchens, der Ankopplungszeittc und einer Konstante C beschreiben. Fallen die Teilchenwieder auf den Boden, so können durch den hinzugewonne-nen Impuls weitere Teilchen aus dem Boden gelöst werden(Saltation). Diese Effekte senken zwar die durchschnittliche,effektive Grenzgeschwindigkeit, werden aber im Rahmender Untersuchungen in dieser Arbeit nicht weiter berücksich-tigt. Stattdessen soll der schon eben erwähnte Einfluss dergravitativen Abhängigkeit auf die Grenzgeschwindigkeit fürden Marsboden und weitere planetare Körper mit diversengravitativen Beschleunigungen untersucht werden. Das istvor allem dafür notwendig, um die Bewegungen von Staub-massen und damit z.B. die Vorhersage von Staubstürmenoder die Ablagerung der Menge von Staub auf Solarpanelenabschätzen zu können.

5.2 Staubstürme auf dem Mars:Experimente

Wie bereits erwähnt, existiert eine Diskrepanz zwischen denauf dem Mars gemessenen Windgeschwindigkeiten und denfür Staubstürme benötigten. Während Windgeschwindigkei-ten von bis zu 10 m s−1 auf der Marsoberfläche gemessen

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Page 124: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5 Staubdynamik auf Planeten

werden, benötigt es basierend auf experimentellen Daten aufder Erde eher Geschwindigkeiten von etwa 30 m s−1 (Gree-ley et al., 1980). Allerdings beruht der letztere Wert aufExperimenten, welche mithilfe von Walnussschalen durchge-führt wurden, um die geringere gravitative Anziehungskraftauf der Marsoberfläche zu simulieren. Diese Methode er-möglicht es, prinzipielle Zusammenhänge zu beleuchten,birgt allerdings auch einige Nachteile. Der erste Nachteilbesteht darin, dass die Oberflächenenergie von Walnussscha-len nicht unmittelbar der Oberflächenenergie der Partikelim Marsboden entspricht. Außerdem kann ebenso die Kom-pression (N(g)) im Staub bei kleinerer Anziehungskraftzu weniger Kontakten pro Staubpartikel im Mittel führen.Diese Problematik ist zunächst die Grundlage dieses Kapi-tels. Es werden sowohl Experimente direkt unter 0.38 g fürMarsanalog-Materialien, als auch Simulationen zur Staubbe-wegung auf dem Mars basierend auf diesen experimentellenDaten gezeigt (s. auch Musiolik et al. (2018b)).

5.2.1 Aufbau zur Messung vonGrenzgeschwindigkeiten

Für die Messung der Grenzgeschwindigkeiten in Abhängig-keit von der gravitativen Beschleunigung wird ein Experi-ment für Parabelflüge entwickelt. Dieses wird in Abb. 5.2aufgeführt. Dabei handelt es sich um eine Vakuumkammer,welche als Zentrifuge aufgebaut ist und typischerweise auf6 mbar mit 95 % CO2 und 5 % Luft (was annähernd derZusammensetzung der Marsatmosphäre entspricht) mithil-fe einer Drehschieberpumpe abgepumpt wird. Durch dieRotationsbewegung von bis zu 2 Hz kann eine gravitativeAnziehungskraft zwischen ∼0.05 g und 1 g simuliert werden.

124

Page 125: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente

Zentrifuge

SchleifringWindkanal

Lüfter Lifter

Shutter

Staubprobe

Rotationsachse

Wind

Abb. 5.2: Schematische Darstellung des Windkanal-Experiments für Parabelflüge. Entnommen ausMusiolik et al. (2018a).

Die Strömung wird durch einen Lüfter mit einer Strömungs-rate von 570 m3/h und einer maximalen Lüfterdrehzahl von11.000 rpm erzeugt. Diese strömt zunächst entlang des 40cm langen, inneren Windkanals. Die Querschnittsfläche desinneren Windkanals beträgt 100 × 100 mm2. Die Reynolds-zahl dieser inneren Anordnung lässt sich zu Re ≈ 800abschätzen. Am Ende des Windkanals kann die Luftmassean der Außenseite der Zentrifuge zurückströmen. Die Staub-probe befindet sich in der Mitte des inneren Windkanalsund hat eine Fläche von 4 × 4 cm2 und eine Höhe von 2 cm.Ein Shutter-Mechanismus sorgt dafür, dass die Staubprobebis auf die Phasen der Schwerelosigkeit im Parabelflug ge-schlossen bleibt. Mit einer Lichtschranke positioniert sichZentrifuge nach der Drehbewegung immer mit der Probe

125

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5 Staubdynamik auf Planeten

nach unten gerichtet. Außerdem lässt sich mithilfe einesLifters Staub nach vergangenen Erosionen zur Oberflächenachschieben. Mithilfe einer 10-poligen Schleifringdurchfüh-rung kann die Zentrifuge trotz ihrer Drehbewegung konti-nuierlich mit Strom versorgt werden. Die Gesamtmasse desAufbaus inklusive der im Bild nicht aufgeführten Stützstruk-tur beträgt ca. 161 Kg. Die Zentrifuge wird mithilfe einesNI-Compact-Rio mit mehreren Beschleunigungssensorengesteuert.Die Parabelflüge, in welchen das Experiment durchgeführtwird, werden von NOVESPACE in einem dafür modifi-zierten Airbus A310 ZERO-G durchgeführt (Pletser et al.,2016). Die Experimente werden hier auf die ehemaligenSchienen für Sitzplätze montiert. Ein Parabelflug bestehtaus 31 einzelnen Parabeln, in welchen jeweils ca. 22 s langSchwerelosigkeit vorherrscht. Der g-jitter während der Pa-rabel beträgt maximal 0.05 g. Vor und nach jeder Parabelbefindet sich das Flugzeug für jeweils 20 s in einer 1.8 gPhase. Vor der Parabel werden in dieser 1.8 g Phase diegewünschte Rotationsfrequenz der Zentrifuge und die Lüf-terdrehzahl eingestellt. Nach dem Übergang in die Schwe-relosigkeit öffnet sich der Shutter im Experiment für 15 s.Die Erosionen werden dann optisch mit einer Aufnahmeratevon 457 fps und einer Beleuchtungsdauer von 200 µs überdie gesamten 15 s beobachtet. Für Messungen der Grenz-geschwindigkeit wird die Lüfterdrehzahl solange gesteigert,bis die erste Staubaktivität zu verzeichnen ist.In den Experimenten werden zwei unterschiedliche Probenverwendet. In den Experimenten bei 0.38 g zur Staubak-tivität auf dem Marsboden wird JSC 1A 600 verwendet.Dies ist ein oft verwendetes Analogmaterial für den Mars-boden, welches aus Hawaii stammt (Allen et al., 1997).

126

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5.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente

5 10 50 1000.1

0.51

510

Größe [µm]

Volumenverteilung

Abb. 5.3: Größenverteilung von JSC 1A 600 (rot) für Mes-sungen bei 0.38 g und Mojave Mars Simulant(schwarz, transparent) für Messungen bei 0.05-1 g. Abbildung zusammengesetzt aus Musioliket al. (2018a) und Kruss et al. (2019).

Diese Probe wird bei 600 K ausgeheizt, um Wasser undandere organische Verbindungen von ihr zu lösen. Für dieg-abhängigen Messungen wird der Mojave Mars Simulantverwendet, welcher ebenso oft als Analogmaterial für denMarsboden dient (Peters et al., 2008). Diese Probe wurdebei 473 K ausgeheizt. Die Größenverteilungen (Volumen)beider Proben werden in Abb. 5.3 dargestellt. Die Größen-verteilungen sind ähnlich und bestehen hauptsächlich ausFeinsand. Hinzu kommt ein geringer Anteil (Skala in derAbbildung ist logarithmisch) an Feinschluff.Ein Beispielbild der aufgezeichneten Daten ist in Abb. 5.4aufgeführt. Die erodierten Staubpartikel weisen auf denBildern typischerweise Größen zwischen 1-3 Pixel auf. DieTrajektorien der Partikel verlaufen bogenförmig. Die An-

127

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5 Staubdynamik auf Planeten

5mm

Abb. 5.4: Ein Beispielbild für die aufgezeichnete Erosi-on für JSC 1A 600 bei 0.38 g. Abbildung ausMusiolik et al. (2018a).

kopplungsbewegung an das strömende Gas wird aufgrundder dort konstanten Höhe in der Nähe des Maximums dieserTrajektorie bestimmt.

5.2.2 Grenzgeschwindigkeiten unter 0.38 gUm die Konditionen, unter welchen Staub auf dem Marsin die Atmosphäre tatsächlich gelangen kann, näher ein-zugrenzen, werden Experimente in einem Windkanal und0.38 g durchgeführt. Das Experiment wird detailliert imAbschnitt 5.2.1 behandelt (s. auch Musiolik et al. (2018a)).Im Prinzip handelt es sich um einen rotierbaren Windkanal,welcher unter Schwerelosigkeit in Parabelflügen durchge-führt wird (Pletser et al., 2016). Durch das Einstellen derZentrifugalkraft kann somit eine gewünschte gravitative An-ziehungskraft erzeugt werden. Bei der verwendeten Probehandelt es sich um das Analogmaterial JSC 1A, welches bei600 K ausgeheizt wurde, um Ablagerungen auf dem Staub(wie Wasser) zu vermeiden (Allen et al., 1997). Die Größedes Staubs beträgt im Durchschnitt 100 µm (s. Abschnitt5.2.1), ist also im wesentlichen Feinsand mit einem kleinen

128

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5.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente

Anteil an Feinschluff1. Im Weiteren wird die verwendeteProbe mit dem Oberbegriff Staub, bzw. als Staubpartikelbezeichnet. Die Größe entspricht in etwa der Größenver-teilung von Feinstaub in den Marsdünen von ca. 87 µm(Claudin und Andreotti, 2006; Kok et al., 2012). Obwohlauch zum Teil kleinere, sowie größere Korngrößen in derLiteratur beschrieben werden, wie z.B. 40-400 µm (HighDunes) oder 50-400 µm (Namib Dunes) (Ehlmann et al.,2017; Tirsch et al., 2012; Sullivan et al., 2008; Edgett undChristensen, 1991), wird der erste Wert im Weiteren alsRichtwert verwendet.Die Windgeschwindigkeit wird kontinuierlich erhöht, bis dieersten Staubpartikel in die Luft abheben. Da die Teilchenan die Luft koppeln, wie in Gl. (5.5) dargestellt, kann füreine bestimmte Höhe z über dem Staub die Gasgeschwindig-keit vg(z) bestimmt werden. Dafür muss die Bewegung derStaubpartikel für eine möglichst feste Höhe z mithilfe derGleichung entlang der x-Richtung gefittet werden. Insgesamtergeben sich damit höhenabhängige Gasgeschwindigkeiten,welche in Abb. 5.5 für 1 g und für 0.38 g dargestellt sind.Wie bereits erwähnt, ist dvg(z)

dzin der Nähe des Bodens kon-

stant, was auch in dem Experiment beobachtet werden kann.Aus dieser Konstante lassen sich Grenzgeschwindigkeitenfür das Abheben des Staubes mithilfe von Gl. (5.1) berech-nen. Diese betragen u∗1 = 0.82± 0.04 m s−1 für 0.38 g undu∗2 = 1.01± 0.04 m s−1 für 1 g.Aus den bestimmten Grenzgeschwindigkeiten lässt sich aucheine Abschätzung zur Abhängigkeit N(g) machen. Dafürsei das Verhältnis aus beiden Geschwindigkeiten betrachtet.

1Der Begriff Feinsand umfasst einen Korngrößendurchmesser zwi-schen 0.063-0.2 mm und Feinschluff 0.002-0.0063 mm nach DIN4022

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5 Staubdynamik auf Planeten

1g (u∗ = 1.01± 0.04 m/s)0.38g (u∗ = 0.82± 0.04 m/s)

0 1 2 3 40.00.51.01.52.02.53.0

Höhe z [mm]

Geschwindigkeutu[m

/s]

Abb. 5.5: Windprofile für 0.38 g (blau) und 1 g (grün). DieGrenzgeschwindigkeiten sind im Bild aufgeführt.Die Datenpunkte stellen Durchschnittswerte dar(53 Punkte für 1 g und 51 für 0.38 g). Abbildungaus Musiolik et al. (2018a).

Dieses lässt sich zu

u∗1u∗2

= N1Fc,J +Mg1

N2Fc,J +Mg2≡ FN +Mg1

χFN +Mg2(5.6)

angeben, wobei N1 und N2 die mittleren Kontaktzahlender Staubpartikel unter der jeweiligen g-Umgebung (g1,g2)darstellen. Fc,J ist die kritische Kontaktkraft nach JKR(s. Gl. (2.19)). Ferner ist χ ≡ N2

N1und FN ≡ N1Fc,J. Der

Parameter FN kann nun variiert und das Verhältnis derKontaktzahlen χ unmittelbar daraus hergeleitet werden. Esgilt im Allgemeinen

χ = u∗2u∗1

(1 + Mg1

FN

)− Mg2

FN. (5.7)

130

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5.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente

Daraus ergibt sich für die gemessenen Grenzgeschwindigkei-ten

χ ≈ 32 ∀ FN 10−8 N. (5.8)

Die Gleichung legt dar, dass das Verhältnis χ der Kon-taktzahlen zwischen 1 g und 0.38 g konstant und um das3/2-Fache größer ist, falls der Parameter FN 10−8 Nbeträgt. Ob das realistisch ist, kann anhand einer Minimal-abschätzung betrachtet werden.Man nehme dafür an, dass N = 1 und γ ≈ 0.01 J m−2 (wasin etwa dem Wert von Silikaten entspricht; s. auch (Heimet al., 1999)). Ferner sei dafür angenommen, dass der Radiusder Staubpartikel r = 10−5 m beträgt. Insgesamt erhält mandann für die Kontaktkraft FN = 3

2πγr ≈ 5 · 10−7 N. Damitbliebe auch in diesem extremen Szenario Gl. (5.8) gültig.Die Abweichung in der mittleren Kontaktzahl könnte physi-kalisch auf eine unterschiedliche Kompression des Staubesunter verschiedenen gravitativen Anziehungskräften zurück-geführt werden. Allerdings hängt die Abschätzung auchstark mit der Oberflächenenergie γ der Staubpartikel zu-sammen. Ändert sich diese signifikant, so könnte Gl. (5.8)die Gültigkeit verlieren. In der Literatur geben unter ande-rem Shao und Lu (2000) einen sehr geringen Wert für dieOberflächenenergie auf der Größenordnung von 10−4 J m−2

an. Damit wäre die obige Abschätzung bereits grenzwertig.Entweder der Staub auf dem Mars unterliegt einer geringe-ren Kompression, oder die Oberflächenenergie ist wirklichso klein wie von Shao und Lu (2000) angegeben. Beide Aus-sagen können nicht gleichzeitig gültig sein. Im ersten Fallgäbe es allerdings keine weitere Erklärung dafür, warumman auf dem Mars eine erhöhte Staubaktivität misst, alsaus Erdexperimenten extrapoliert.

131

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5 Staubdynamik auf Planeten

Die Erwägung einer unterschiedlichen Kontaktzahl, bzw.einer kleineren Staubkompression kann eine Erklärung da-für sein, dass die notwendige Grenzgeschwindigkeit für dasAbheben von Staub reduziert wird. Das würde auch in demZusammenhang, dass auf dem Mars kleinere Gasgeschwin-digkeiten vorherrschen, als Sie für den Übergang von Staub-partikel in die Atmosphäre notwendig wären, Sinn ergeben.Die Kompression sollte daher immer als ein möglicher Me-chanismus, welcher zur reduzierten Grenzgeschwindigkeitführt, mitberücksichtigt werden.

5.2.3 Simulationen mit dem Global CirculationModel (GCM)

Die experimentell ermittelten Werte für die Grenzgeschwin-digkeit können in einer Simulation verwendet werden, mitwelcher die Staubaktivität auf der Marsoberfläche berech-net werden kann (Musiolik et al., 2018a). Die Ergebnissekönnen anschließend mit der tatsächlichen, auf dem Marsgemessenen Staubaktivität verglichen werden.Als numerisches Modell kommt hier das »General Circulati-on Model« (GCM) zum Tragen (Daerden et al., 2015; Nearyund Daerden, 2018). In diesem Modell wird die Oberflächedes Mars in ein 4 × 4 Gitter aufgelöst. Vertikal werden103 Ebenen berücksichtigt, welche vom Boden bis zu ∼150km reichen. Das Modell berücksichtigt das Heizen und Küh-len des atmosphärischen CO2 Gases und der Staub- undEisteilchen durch Sonneneinstrahlung- und IR-Strahlung.Die geophysikalischen Bedingungen (darunter insbesonderedie Oberflächenrauigkeit) werden aus Beobachtungen im-plementiert. Die Windgeschwindigkeit wird auf einer Höhevon ca. 15 m nach Jacobson (2005) berechnet.

132

Page 133: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5.2 Staubstürme auf dem Mars: Experimente

Sobald die Geschwindigkeit des Windes die vorhin gemesse-ne Grenzgeschwindigkeit übersteigt, werden in dem ModellStaubpartikel in die Atmosphäre gehoben. Dies geschiehtnach der Kahre-Murphy-Haberle (KMH) Methode (Kahreet al., 2006), in welchem der Massenfluss des Staubes durch

F = (2.3 · 10−3)ατ 2(τ − τ ∗

τ ∗

)(5.9)

berechnet wird, wobei τ ∗ die Grenzschubspannung, τ dieSchubspannung und α ein Proportionalitätsfaktor aus Be-obachtungen mit α ≈ 0.0026 sind. Es werden dabei dreiStaubpartikelgrößen berücksichtigt: 0.1, 1.5 und 10 µm.Auch Saltationseffekte werden berücksichtigt, in welchendie größeren Staubpartikel wieder auf dem Boden auftreffenund durch den Aufprall weitere Staubpartikel in die Atmo-sphäre versetzen. Die Staubpartikel sedimentieren durchdie größenabhängige Stokesreibung mit einem zusätzlichenCunningham Korrekturfaktor, was durch den niedrigen Um-gebungsdruck bedingt ist (Jacobson, 2005). Der Staub wirdaußerdem als strahlungsaktiv modelliert (s. auch (Wolffet al., 2006, 2009)). Bislang verwendet man im GCM übli-cherweise eine Grenzschubspannung von 0.0225 Pa (Haberleet al., 2003; Kahre et al., 2006; Daerden et al., 2015; Nearyund Daerden, 2018). Das ist ein um ca. 40 % kleinerer Wertals derjenige aus bisherigen, statischen Laborexperimentenim Windkanal auf der Erde von Greeley et al. (1980). Nurauf diese Weise lässt sich die beobachtete Staubaktivitätauf dem Mars widerspiegeln.Mit den zuvor gemessenen Werten für die Grenzgeschwin-digkeiten kann mithilfe des GCM die optische Dichte desStaubs auf der Planetenoberfläche bestimmt werden. DieseAbhängigkeit wird in Abb. 5.6 dargestellt.

133

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5 Staubdynamik auf Planeten

180 270 0 90 180 270 0 90 180 270 0 90LS

Lat.

-90-60-3003060

90

A)

00.250.50.75190 S H W F S H W F S H W F

180 270 0 90 180 270 0 90 180 270 0 90LS

Lat.

-90-60-3003060

90

B)

00.250.50.75190

180 270 0 90 180 270 0 90 180 270 0 90LS

Lat.

-90-60-3003060

90

C)

00.250.50.75190

Abb. 5.6: A) Messung der optischen Dichte mit dem TESInstrument (Smith, 2004) in Abhängigkeit vondem Breitengrad (Lat.) und der Sonnenlänge(LS) als Winkel für drei Marsianische Jahrezwischen 1999-2004 (Jahreszeiten S:Sommer,H:Herbst, W:Winter und F:Frühling). Die Datensind normiert auf sichtbare Wellenlängen und610 Pa Druck. B) GEM-Simulation derselbenGröße mit »künstlich« reduzierten Werten fürdie Grenzgeschwindigkeit. C) GEM-Simulationderselben Größe mit den gemessenen Grenzge-schwindigkeiten. Aus Musiolik et al. (2018a).

In Abb. 5.6 A) werden auf 610 Pa normierte Messwerte deroptischen Dichte der Atmosphäre auf der Marsoberfläche

134

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5.3 Staubstürme auf anderen, erdähnlichen Planeten: Experimente

gezeigt. Diese können aus den Messwerten der optischenAbsorption des »Thermal Emission Spectrometer« (TES)Instruments, welches sich auf dem Mars Global Surveyor be-findet, bestimmt werden (Smith, 2004; Clancy et al., 2003).Die Werte werden mit TES gegen 14:00 Uhr aufgezeichnet.Die optische Dichte variiert mit dem Breitengrad und derPosition LS von Mars in Relation zur Sonne. Diese Größestellt einen Winkel dar und wird häufig verwendet, um denVerlauf von Jahren auf dem Planeten zu beschreiben. DerMarsianische Herbst und Winter ist besonders günstig fürStaubaktivitäten auf der Planetenoberfläche. In Abb. 5.6 B)wird eine Simulation mithilfe des GCM gezeigt, welche aufden reduzierten Wert von 0.0225 Pa zurückgreift. Die Sai-sonale Abhängigkeit und Stärke der Staubaktivität auf demMars wird durch dieses angepasste Modell widerspiegelt.Ebenso gut eignen sich jedoch auch die Grenzschubspannun-gen aus den zuvor dargelegten Experimenten, was in Abb.5.6 C) verdeutlicht wird. Angemerkt sei, dass die saisonalenSchwankungen der Staubaktivität nicht von der Simulationabgedeckt werden. Diese sind Bestand aktueller Forschung(Mulholland et al., 2013; Shirley und Mischna, 2017) undsollen an dieser Stelle nicht weiterhin untersucht werden.

5.3 Staubstürme auf anderen,erdähnlichen Planeten: Experimente

Neben der Beobachtung von Staubaktivitäten auf der Mar-soberfläche ist es grundsätzlich möglich, dass es auch aufanderen Planeten zu Staubbewegungen kommt. Im Son-nensystem haben auch weitere Planeten und Monde ihreeigenen Atmosphären. So besitzen beispielhaft der Mond

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5 Staubdynamik auf Planeten

Titan eine Stickstoff-Atmosphäre, der Mond Europa ei-ne eigene Sauerstoff-Atmosphäre und Pluto eine dünneStickstoff-Methan-Atmosphäre. Da sich die gravitative An-ziehungskraft von Planet zu Planet ändert, ist die prin-zipielle Abhängigkeit zwischen der Grenzgeschwindigkeitund der gravitativen Beschleunigung für erdähnliche Pla-neten interessant. Erdähnlich bedeutet hierbei, dass eineAnziehungskraft bis ca. 1 g betrachtet wird. Solche Abhän-gigkeiten sind auch über das Sonnensystem hinaus inter-essant. Von Bedeutung ist außerdem auch, wie sich dasverwendete Material auf die Grenzgeschwindigkeit auswirkt.Ist dieser Unterschied groß, so bliebe die Verwendung vonAnalogmaterialien fragwürdig.Mit demselben Experiment wie zuvor werden nun Grenzge-schwindigkeiten zwischen 0 g und 1 g bestimmt. Außerdemwird in dieser Studie eine andere Probe, Mojave Mars Simu-lant (MMS), welche über eine vergleichbare Größenvertei-lung wie das zuvor verwendete JSC 1A aufweist, benutzt (s.auch Abschnitt 5.2.1). Die Grenzgeschwindigkeiten werdenabhängig von der Anziehungskraft in Abb. 5.7 dargestellt.Die Grenzgeschwindigkeiten steigen monoton mit größerwerdenden gravitativen Anziehungskräften. An die Datenwerden zwei unterschiedliche Modelle gefittet; das Model fürN = const. aus Gl. (5.4) und ein Modell, in dem N = N(g)gilt.Eine Abschätzung für das zweite Modell lässt sich mithilfeder Abhängigkeit nach Bauer (1996) bestimmen. Hierbeigilt

1− φ ∝ exp(−(3ph

)n), (5.10)

wobei φ der Volumenfüllfaktor des Staubes ist, p der auf denStaub wirkende Druck, h die granulare Härte und n eine

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5.3 Staubstürme auf anderen, erdähnlichen Planeten: Experimente

N = const.N = N(g)

0 2 4 6 8 10

0.4

0.6

0.8

1.0

g [m/s2]

u∗[m

/s]

Abb. 5.7: Gemessene Grenzgeschwindigkeiten in Abhän-gigkeit von der gravitativen Beschleunigung. DieDatenpunkte stellen Mittelwerte aus 127, 120,208, 119 und 109 Datenpunkten (mit g aufstei-gend) dar. Abbildung aus Kruss et al. (2019).

materialspezifische Konstante. Wenn man nun annimmt,dass φ ∝ 1

N(g) ist und der Druck auf den Staub nur aufgrundder Gravitation stattfindet, d.h. p ∝ g, so folgt in ersterNäherung für die Exponentialfunktion der Ausdruck

N(g) ≈ αgn (5.11)

mit einer weiteren Konstante α. Insgesamt folgt dann fürdie Grenzgeschwindigkeit

u∗ =

√√√√ 43CL

(9αgn

ρd+ ρp

ρdg

). (5.12)

Diese Funktion wird in Abb. 5.7 geplottet. Es wird der Refe-renzwert von n = 0.4 für Quarzstaub nach Bauer (1996) als

137

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5 Staubdynamik auf Planeten

ein Näherungswert verwendet. Welche der beiden Funktio-nen aus physikalischer Sicht besser für die Modellierung derAbhängigkeit zwischen der Grenzgeschwindigkeit und derAnziehungsbeschleunigung ist, lässt sich nicht abschließendklären.Wenn die Kontaktanzahl von der gravitativen Anziehungsignifikant abhängig ist, dann muss die Oberflächenenergiezwingend höhere, mit der Oberflächenenergie von Silikatenvergleichbare, Werte annehmen. Außerdem fällt u∗ für klei-nere g-Werte damit stärker ab. Ist die Abhängigkeit N(g)in Wirklichkeit vernachlässigbar, dann wird die Oberflä-chenenergie im Wirklichkeit kleinere Werte, wie z.B. vonShao und Lu (2000) angegeben, annehmen. Die auf demMars beobachtete Staubaktivität muss sodann durch weite-re Stützmechanismen, wie z.B. Sonneneinstrahlung (Küpperund Wurm, 2015; de Beule et al., 2014), beeinflusst werden.Welches Szenario letztlich zutrifft, bleibt unklar. MöglicheExperimente dafür wären, die Abhängigkeit u∗(d) zu mes-sen und die Oberflächenenergie γ daraus als Fitparameterzu bestimmen. Allerdings könnte es für irreguläre Staubpro-ben auch sein, dass die Oberflächenenergie selbst von derKorngröße abhängig ist, d.h. γ = γ(d) (s. auch Gl. (2.35)).

5.4 GravitationsabhängigeGrenzgeschwindigkeiten: Gesamtbild

Die Bildung von Staubstürmen auf dem Mars wird bis heu-te untersucht. Frühere Arbeiten von Greeley et al. (1980)können die beobachtete Menge an Staub in der Marsat-mosphäre nicht mit den auf dem Mars vorherrschendenWindgeschwindigkeiten in Einklang bringen. In dieser Ar-

138

Page 139: Kontaktmechanik sub-mm großer Partikel in der Planetologie

5.4 Gravitationsabhängige Grenzgeschwindigkeiten: Gesamtbild

beit werden Grenzgeschwindigkeiten für das Abheben vonJSC- und Mojave-Staub mithilfe eines Windkanals unmit-telbar in 0.38 g bestimmt.Die Grenzgeschwindigkeiten für 1 g betragen 1.01 m s−1.Für 0.38 g fällt dieser Wert auf 0.82 m s−1 ab. Die Grenz-geschwindigkeiten für Mojave sind vergleichbar mit diesenWerten. Im Vergleich zu früheren Werken (z.B. Greeleyet al. (1980)) sind diese Werte kleiner und können durchausdie Menge an Staub in der Marsatmosphäre erklären. Dasbestätigt eine mithilfe des GCM erstellte Simulation.Aus einem Kräftegleichgewicht zwischen der Reibungskraftder Luft, der Adhäsionskraft und der Gravitationskraft fürein Staubpartikel stellt sich heraus, dass die Anzahl anKontakten pro Staubpartikel, bzw. die Kompression gra-vitationsabhängig ist. Unter anderem werden für diesenZweck auch weitere Grenzgeschwindigkeiten im Bereich von0-1 g bestimmt. Der Verlauf der Grenzgeschwindigkeit mitder Gravitationskraft kann hierbei durch eine gravitations-abhängige Kompression erklärt werden. Allerdings passendie Daten im Rahmen des statistischen Fehlers auch zumModell von Shao und Lu (2000), welches ohne Kompressionauskommt.Zukünftige Messungen könnten der Frage weiter nachgehen,indem Sie die von der Größe der Staubkörner abhängigeGrenzgeschwindigkeit untersuchen. Spielt die Kompressioneine wesentliche Rolle, wird die daraus bestimmbare, effekti-ve Oberflächenenergie des Staubes mit der Gravitationskraftvariieren.

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DanksagungIch danke Prof. Dr. Gerhard Wurm dafür, dass er dieseDissertation ermöglichte, und für die vielen interessantenund inspirierenden Diskussionen und Ideen.Für die erfolgreiche Zusammenarbeit bei den WIND MILLund SUMAC Parabelflug-Kampagnen bedanke ich mich beiTunahan Demirci, Maximilian Kruss, Björn Schrinski undDr. Jens Teiser.Ich danke Dr. Frank Daerden und Dr. Nigel Savage für diefachliche und organisatorische Unterstützung beim WINDMILL Projekt.Ich bedanke mich bei Tunahan Demirci, Felix Jungmann,Dr. Jonathan Kollmer, Anna Krämer, Maximilian Kruss,Jonas Tappe und Tobias Steinpilz für die Zusammenarbeitan ARISE.Vielen Dank an Rosa Esteban und Manfred Aderholz fürdie organisatorische und technische Unterstützung bei denProjekten.Auch bei anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die ichwährend meiner Promotion kennenlernen durfte, möchte ichmich für die angenehme Arbeitsatmosphäre herzlich bedan-ken. Hierzu gehören Tanja Bila, Tabea Bogdan, Dr. Caroli-ne de Beule, Dr. Johannes Deckers, Miriam Fritscher, Dr.Tim (Jankowski) Husmann, Dr. Thorben Kelling, CorinnaKrause, Dr. Marc Köster, Alexander Kunze, Dr. ChristophLösche, Chioma Onyeagusi, Niclas Schneider, Lars Schmidtund Dr. Mathias Schywek.Für finanzielle Unterstützung bedanke ich mich bei der DFG(WU321/12-1). Für die finanzielle und organisatorische Un-terstützung bei den Parabelflug-Experimenten bedanke ichmich bei der ESA und ESA Education (65th ESA parabolic

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Literaturverzeichnis

flight campaign, Fly Your Thesis! 2016). Ich danke demDLR für die finanzielle und organisatorische Unterstützungim Rahmen des ARISE Projekts (50JR1703).Vielen Dank an Martin, Rebecca und den Sofahai Mael. Einbesonderer Dank gilt meinen Eltern.

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SelbstständigkeitserklärungDie Dissertation wurde von mir selbstständig verfasst. Al-le Zitate und verwendeten Hilfsmittel werden als solchekenntlich gemacht. Die Dissertation wird nur in diesemPromotionsverfahren eingereicht. Es wird der DoktorgradDr. rer. nat angestrebt.

Grzegorz Musiolik,Duisburg, den 13.08.2019

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Diese Dissertation wird über DuEPublico, dem Dokumenten- und Publikationsserver derUniversität Duisburg-Essen, zur Verfügung gestellt und liegt auch als Print-Version vor.

DOI:URN:

10.17185/duepublico/71133urn:nbn:de:hbz:464-20200106-152940-8

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